Freiwild
im Mutterbauch (von Anni Mursula) Erst vor wenigen Wochen
wurde eine heftige Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) beendet:
Der Bundestag entschied sich, die Selektion gesunder Embryonen bei der künstlichen
Befruchtung in Ausnahmefällen zuzulassen. Und das, obwohl es erheblichen
Protest gab. Dabei sprachen sich dieses Mal nicht nur die Kirchen und die konservativsten
Köpfe des Bundestags für den Schutz des Lebens aus, sondern auch Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) und sogar Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU).
Doch kaum ist diese Frage entschieden, steht schon die nächste Diskussion
zum Thema Lebensschutz vor der Tür: Ende des Jahres soll ein neuartiger Gentest
auf den Markt kommen, mit dem sich das sogenannte Down-Syndrom mit beinahe hundertprozentiger
Wahrscheinlichkeit ermitteln läßt. Diese Untersuchung
ein Bluttest, der bei der werdenden Mutter bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche
durchgeführt werden kann gilt als eine große Errungenschaft.
Denn sie soll die bislang risikoreiche Fruchtwasseruntersuchung ersetzen, die
erst in einer späteren Phase der Schwangerschaft vorgenommen werden kann
und nicht selten zu einer Fehlgeburt des Ungeborenen führt. Über
neunzig Prozent der betroffenen Frauen treiben ab So ist es kein Wunder,
daß der neue Gentest als ethisch positiv und vor allem als etwas Heilsames
gepriesen wird. Schließlich würden durch ihn in Zukunft viele Fehlgeburten
vermieden und Leben letztlich damit geschützt. Doch die Kurzsichtigkeit dieser
Argumentation liegt auf der Hand: Schließlich entscheiden sich bereits heute
über neunzig Prozent der Frauen, bei denen ein Kind mit Down-Syndrom diagnostiziert
wird, für eine Abtreibung. Dabei gilt die Diagnose mit den heutigen Methoden
nicht mal als besonders zuverlässig. Wie wird es also dann erst sein,
wenn das Ergebnis fast wasserdicht ist und die Diagnose bereits in einem so frühen
Stadium der Schwangerschaft gestellt wird? Wenn die Mutter vielleicht noch keine
Beziehung zum Kind aufgebaut hat, die Umwelt nicht zwangsläufig von der Schwangerschaft
und der möglichen Abtreibung erfahren muß und die Tötung des ungeborenen
Kindes noch vergleichsweise unkompliziert durchgeführt werden kann? Zumindest
steht fest, daß mit dem neuen Gentest der Druck auf die Schwangeren, sich
testen zu lassen, steigen wird. Nicht zuletzt, weil Ärzte diese Untersuchung
noch leichter empfehlen werden, zur Sicherheit und, weil sie nur Vorteile
zu bieten scheint. Doch um wessen Sicherheit und Vorteile es hier geht, ist klar.
Zumindest nicht um die der ungeborenen Kinder oder die der Eltern, die zu schwierigsten
ethischen Entscheidungen gedrängt werden, sondern um die der Ärzte.
Schließlich gilt in Deutschland immer noch das Arzthaftungsrecht, nach dem
Ärzte verurteilt werden können, wenn sie vor der Geburt eines Kindes
nicht eindringlich genug vor dem Down-Syndrom gewarnt haben. Bundesforschungsministerium
fördert den Test mit 230.000 Euro Das Skandalöse am neuen Gentest
ist nicht mal die Tatsache, daß das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) dessen Entwicklung mit rund 230.000 Euro fördert. Sprich,
daß ein Bundesministerium eine Art Rasterfahndung finanziell
unterstützt mit dem einzigen Ziel, Menschen mit Behinderung auszusortieren
und zu töten, wie der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert
Hüppe (CDU), dem Tagesspiegel sagte. Nein, das Bedauerliche ist, daß
der Bundestag über diese ethisch hoch komplizierte Frage erst gar nicht entscheiden
muß, wie es bei der PID der Fall war. Der Grund: Dieses Mal handelt es sich
um Embryonen innerhalb der Gebärmutter, und nicht um welche, die sich im
Reagenzglas befinden. Dadurch stehen sie nicht unter demselben Schutz, und die
Rechte und das Befinden der Mütter gehen vor. Die Gesetzeslage ist in diesem
Fall klar. Was absurd klingt, ist in Deutschland Normalität: Denn
ungeborenes Leben ist hierzulande nirgendwo so schlecht geschützt wie im
Mutterleib. Was im Reagenzglas als unantastbares Leben gilt, darf bis zum Einsetzen
der Wehen im Mutterbauch abgetrieben werden. Da wagt sich keine Angela Merkel
oder Annette Schavan ran. Denn auch diese beiden kinderlosen Karrierefrauen sehen
das Recht der Frau am eigenen Körper vermutlich höher an, als das Recht
des ungeborenen Kindes auf Leben.
Junge Freiheit vom 3. September 2011 |