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Die Evolutionstheorie ist die Auffassung von der Präformation aller Dinge im kosmischen Werdegang (), seit dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert speziell im biologischen Bereich (), wonach deren spätere Formen als Entfaltung vorgegebener, eingewickelter Anlagen betrachtet werden. Meiner Gesamttheorie (Philosophie) und insbesondere meiner allgemeinen Entwicklungsstheorie () zufolge ist die Evolution jedoch keine autonome Entwicklungsart, sondern lediglich ein Teil eines dreiteiligen Entwicklungssystems (). Dies als Vorbemerkung.Entwicklung (eigentlich: Auswicklung eines vorher Eingewickelten) ist das Sichtbarwerden von Dingen, Teilen, Zuständen, Verhältnissen, Eigenschaften, die vorher schon da oder vorgebildet angelegt, aber der Wahrnehmung nicht zugänglich waren (vgl. Entfaltung). Entwicklung ist entweder extensive Entwicklung (Evolutionismus in dem Sinne, wie er früher verstanden wurde), Auseinanderfaltung und Vergrößerung von schon Vorhandenem, oder intensive Entwickulung (Epigenesis), Entstehung von gestalthaft und qualitativ Neuem. Entwicklung ist andererseits entweder exogene Entwicklung, d.h. unechte, uneigentliche, nur von außen, von der Umwelt bestimmte Entwicklung, oder endogene Entwicklung, d.h. echte, eigentliche, aus dem Inneren des sich Entwickelnden hervorkommende Entwicklung. Im Gegensatz zur Schöpfung, dem Hervorbringen aus dem Nichts, oder zur spontanen Gestaltung aus einem Chaos () oder einer Hyle () wird das Wort Entwicklung gebraucht für das schrittweise Hervorgehen eines Zustandes aus einem anderen. Man kann die Einzel-Entwicklung, die Entwicklung eines Einzelwesens, von der Gesamt-Entwicklung, die Entwicklung der Natur, des Universums (), der Galaxien () des Sonnensystems (), der Erde (), des Lebens (), der Menschen (), einer Rasse, einer Kultur (), eines Volkes, einer Nation, eines Stammes u.s.w., einer Familie, eines Paares unterscheiden. Aus meinem Seinsschichtenmodell () und den Bedeutungen der dafür relevanten Wörter bzw. Begriffe ergibt sich folgende Hierarchie: Kosmogenese > Evolution > Geschichte.Entfaltung bedeutet Auseinandertreten von Teilen einer Gegebenheit, die dadurch eine gewisse Selbständigkeit erlangen und besser voneinander unterschieden werden können.Epigenesis (griech. epi = dazu, darauf + genesis = Entstehung) bedeuetet Entwicklung durch aufeinanderfolgende Neubildungen bzw. Differenzierung von Teilen - laut Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) unterscheidet Epigenese von Evolution dahingehend, daß Evolution mit der Theorie der Einschachtelung gleichzusetzen ist und Epigenese der heutigen Entwicklungslehre entspricht.Die Evolutionstheorie für den biologischen Bereich setzt eine Zeugungskette von Generation zu Generation und die Vererbbarkeit von Veränderungen voraus. Sie führt die Ähnlichkeit zwischen biologischen Formen auf Verwandtschaft, d.h. auf gemeinsame Urformen zurück. Aus heute feststellbaren Vorgängen und Zeugnissen schließt sie auf Veränderungsvorgänge in der Vergangenheit. Da diese Vorgänge enorm langsam abgelaufen sind, können sie nicht beobachtet, sondern nur erschlossen werden. Die Urzeugung muß auf das erste Lebwesen oder die ersten Lebewesen beschränkt werden.Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) postulierte eine wandelbare Urform von Pflanze und Tier. Bestimmend wurde später aber das Modell von Charles Darwin (1809-1882). In seinem Werk Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder: Die Erhaltung der begünstigsten Rassen im Kampfe ums Dasein (1859) gibt auch er die Artkonstanz endgültig auf: Alle Lebewesen haben mehr Nachkommen, als zu ihrer Erhaltung notwendig wäre. Darunter gibt es abweichende Formen mit veränderten Eigenschaften (Variation bzw. Mutation), die sich im Kampf ums Dasein durchsetzen und stärker vermehren. Die Auslese (Selektion) der jeweils an ihre Umwelt am besten Angepaßten führt zur Weiterentwicklung der Art. Aus der Variation (bzw. Mutation) und der Selektion gehen alle Tier- und Pflanzenarten hervor. (Vgl. Abbildung). Der grundlegende Gedanke Darwins wurde später durch eine Fülle von Erkenntnissen (v.a. durch Genetik und Molekularbiologie) gestützt und erweitert. Philosophisch relevant sind u.a. folgende Ergebnisse der modernen Biologie:
Die Reihe von Entwicklungsformen, die ein Individuum während seiner Entwicklung von der Eizelle bis zu seinem ausgebildeten Zustand durchläuft (Ontogenesis/Onogenese), ist eine kurze, gedrängte, vielfach angeänderte Wiederholung deer langen Formenreihe, welche die Vorfahren des gleichen Organismus bzw. die Stammformen seiner Art von den ältesten Zeiten an bis zur Gegenwart durchlaufen haben.So lassen sich z.B. die Embryonen von Fisch, Vogel und Mensch der Form nach nur schwer unterscheiden. Sie besitzen neben anderen gemeinsamen Merkamlen alle auch Ohranlagen, Kiemenspalten und Schwanz und beweisen somit, daß sie gemeinsame Ahnen haben.Die Ontogenese ist eine Wiederholung der Phylogenese. Eingeschrämkt wird diese Regel dadurch, daß nicht alle ursprünglichen Merkmale in der Embryonalentwicklung wieder erscheinen: so bilden z.B. Vogelembryonen keine Zähne mehr aus. Außerdem ist zu beachten, daß die heutige Embryonalentwicklung immer nur der vergangenen Embryonalentwicklung entspricht, nicht aber der weiteren Ausbildung (Nachembryonalentwicklung). Embryonalstufen stellen also nur ein indirektes Zeugnis für die Phylogenese dar.Der Weg vom Eiweißmolekül zum Lebewesen ist unbekannt. |
Homologien und AnalogienUntersucht man die Organe von Lebewesen, so lassen sich meistens auch diese auf gemeinsame Grundformen zurückführen, selbst wenn sie äußerlich nach Bau und Verwendungsart ganz verschieden aussehen. Solche Bildungen nennt man homologe Organe. Beispiele dafür liefern die vorderen Extremitäten der Wirbeltiere. Als Vorderfüße des Pferdes, Flossen des Delphins, Flügel des Vogels oder der Fledermaus haben sie ganz verschiedene Funktionen und sind daher entsprechend abgewandelt. Sie lassen sich jedoch alle auf den gleichen Grundplan zurückführen: Oberarm, zwei Unterarmknochen, Handwurzel, Mittelhand und Fingerknochen. Ähnliches gilt für Mundwerkzeuge und Beine der Insekten sowie für die Wurzel-, Sproß- und Blattmetamorphosen von Pflanzen.Im Gegensatz dazu können sich Organe mit gleichen Funktionen ähneln, ohne sich aber vom gleichen Grundplan abzuleiten. Eine nur auf Funktionsgleichheit beruhende Ähnlichkeit wird als Analogie bezeichnet. Analoge Organe sind z. B. Fledermaus- und Schmetterlingsflügel, die Grabhände von Maulwurf und Maulwurfsgrille oder die Kiemen von Krebsen und Fischen. Sowohl die Kiemen der Krebse als auch die der Fische dienen dem Gasaustausch; beim Krebs sind es aber Anhänge der Brustbeine, bei den Fischen Anhänge der Kiemenspalten. Auch die Sproßknollen von Kartoffeln und Wurzelknollen von Dahlien sind analoge Bildungen.Analogien beruhen also nicht auf Verwandtschaft, sondern auf Anpassungen an gleichartige Bedürfnisse. Als Folge werden ähnliche Organe mit gleichartigen Funktionen entwickelt. Oft lassen sich an homologen Organen oder Organsystemen Progressionsreihen (vom Einfachen zum Komplizierten) ablesen, so bei den Zentralnervensystemen von Wirbellosen und Wirbeltieren, den Nierenorganen und Schwimmblasen bzw. Lungen von Wirbeltieren.Organe können auch so weit rückgebildet werden, daß sie keine erkennbare Funktion mehr zeigen. Ihr Vorhandensein wird verständlich, wenn man sie als Relikte deutet, die für die Vorfahren noch notwendig waren. Derartige rudimentäre Organe bleiben nur dann erhalten, wenn sie für das Lebewesen keinen Nachteil darstellen. Beispiele dafür beobachtet man bei Walen: bei ihnen werden noch Reste des Beckengürtels ausgebildet, aber keine Beine mehr. Bei Pferden werden funktionslose Griffelbeine angelegt, bei der Nestwurz Blätter ohne Chlorophyll, die zu Schuppen verkümmert sind. In der Ausbildung rudimentärer Organe läßt sich manchmal eine schrittweise Rückbildung feststellen. Derartige Regressionsreihen gibt es z.B. bei den Eidechsenarten. Sie zeigen eine verschieden starke Rückentwicklung der Beine bis zur völligen Beinlosigkeit bei der Blindschleiche, die aber noch Reste des Beckengürtels und einen Schultergürtel besitzt. In der Familie der Rachenblütler sind bei der Königskerze (Verbascum) fünf Staubblätter ausgebildet, beim Fünfstaubblatt (Pentasternon) fehlt einem Staubblatt der Staubbeutel; bei der Braunwurz (Scrophularia) ist ein Staubblatt zur Schuppe, beim Löwenmaul (Antirrhinum) zum Höcker reduziert. Beim Fingerhut (Digitalis) fehlt es völlig. Das Gnadenkraut (Gratiola) besitzt zwei fruchtbare Staubgefäße und das Ehrenpreis (Veronica) nur mehr zwei Staubblätter. Diese Familie zeigt also die schrittweise Rükbildung von ursprünglich fünf Staubblättern.Als Homologie der Organe bezeichnet die Biologie deren morphologische Gleichwertigkeit im Gegensatz zur Analogie, die sich auf die Gleichwertigkeit der Funktion bezieht. Goethe hat diesen bedeutenden und in der Folge so fruchtbaren Begriff konzipiert, dessen Verfolgung ihn zur Entdeckung des os intermaxillare beim Menschen führte; Owen hat ihm eine streng wissenschaftliche Fassung gegeben. Ich führe auch diesen Begriff in die historische Methode ein. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 149).Man weiß, daß jedem Teil des menschlichen Kopfskeletts bei jedem Wirbeltier bis zu den Fischen herab ein anderer genau entspricht, daß die Brustflossen der Fische und die Füße, Flügel, Hände der landbewohnenden Wirbeltiere homologe Organe sind, auch wenn sie den leisesten Anschein von Ähnlichkeiten verloren haben. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 149-150).Homolog sind die Lunge der Landtiere und die Schwimmblase der Fische, analog - in bezug auf den Gebrauch - sind Lunge und Kiemen. (). Hier äußert sich eine vertiefte, durch strengste Schulung des Blicks erworbene morphologische Begabung, die der heutigen Geschichtsforschung mit ihren oberflächlichen Vergleichen - zwischen Christus und Buddha, Archimedes und Galilei, Cäsar und Wallenstein, der deutschen und der hellenischen Kleinstaaterei - völlig fremd ist. Es wird im Verlauf dieses Buches immer deutlicher werden, welch ungeheure Perspektiven sich dem historischen Blick eröffnen, sobald jene strenge Methode auch innerhalb der Geschichtsbetrachtung verstanden und ausgebildet worden ist. Homologe Bildungen sind, um hier nur weniges zu nennen, die antike Plastik und die abendländische Instrumentalmusik, die Pyramiden der 4. Dynastie und die gotischen Dome, der indische Buddhismus und der römische Stoizismus (Buddhismus und Christentum sind nicht einmal analog), die Zeit der »kämpfenden Staaten« Chinas, der Hyksos und der Punischen Kriege, die des Perikles und der Ommaijaden, die Epochen des Rigveda, Plotins und Dantes. Homolog sind dionysische Strömung und Renaissance, analog dionysische Strömung und Reformation. Für uns - das hat Nietzsche richtig gefühlt - »resümiert Wagner die Modernität« (). Folglich muß es für die antike Modernität etwas Entsprechendes geben: es ist die pergamenische Kunst (). (Die Tafeln am Anfang geben einen vorläufigen Begriff von der Fruchtbarkeit dieses Aspekts). (Oswald Spengler, a.a.O., S. 150).Aus der Homologie historischer Erscheinungen folgt sogleich ein völlig neuer Begriff: Ich nenne »gleichzeitig« zwei geschichtliche Tatsachen, die, jede in ihrer Kultur, in genau derselben - relativen - Lage auftreten und also eine genau entsprechende Bedeutung haben. Es war gezeigt worden, wie die Entwicklung der antiken und der abendländischen Mathematik in völliger Kongruenz verläuft. Hier hätten also Pythagoras und Descartes, Archytas und Laplace, Archimedes und Gauß als gleichzeitig bezeichnet werden dürfen. Gleichzeitig vollzieht sich die Entstehung der Ionik und des Barock. Polygnot und Rembrandt, Polyklet und Bach sind Zeitgenossen. Gleichzeitig erscheinen in allen Kulturen die Reformation, der Puritanismus, vor allem die Wende zur Zivilisation. In der Antike trägt diese Epoche die Namen Philipps und Alexanders, im Abendlande tritt das gleichzeitige Ereignis in Gestalt der Revolution und Napoleons ein. Gleichzeitig werden Alexandria, Bagdad und Washington erbaut (); gleichzeitig erscheinen die antike Münze und unsre doppelte Buchführung, die erste Tyrannis und die Fronde, Augustus und Schi Hoang-ti, Hannibal und der Weltkrieg. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 150-151).Ich hoffe zu beweisen, daß ohne Ausnahme alle großen Schöpfungen und Formen der Religion, Kunst, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft in sämtlichen Kulturen gleichzeitig entstehen, sich vollenden, erlöschen; daß der inneren Struktur der einen die aller anderen durchaus entspricht; daß es nicht eine Erscheinung von tiefer physiognomischer Bedeutung im geschichtlichen Bilde der einen gibt, deren Gegenstück, und zwar in einer streng bezeichnenden Form und an ganz bestimmter Stelle nicht in den übrigen aufzufinden wäre. Allerdings bedarf es, um diese Homologie zweier Tatsachen zu begreifen, einer ganz andem Vertiefung und Unabhängigkeit vom Augenschein des Vordergrundes, als sie unter Historikern bisher üblich war, die sich nie hätten träumen lassen, daß der Protestantismus in der dionysischen Bewegung sein Gegenbild findet und daß der englische Puritanismus im Abendlande dem Islam in der arabischen Welt entspricht. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 151).Aus diesem Aspekt ergibt sich eine Möglichkeit, die weit über den Ehrgeiz aller bisherigen Geschichtsforschung hinausgeht, welcher sich im wesentlichen darauf beschränkte, Vergangnes, soweit man es kannte, zu ordnen, und zwar nach einem einreihigen Schema: die Möglichkeit nämlich, die Gegenwart als Grenze der Untersuchung zu überschreiten und auch die noch nicht abgelaufenen Zeitalter abendländischer Geschichte nach innerer Form, Dauer, Tempo, Sinn, Ergebnis vorauszubestimmen, aber auch längst verschollene und unbekannte Epochen, ja ganze Kulturen der Vergangenheit an der Hand morphologischer Zusammenhänge zu rekonstruieren (ein Verfahren nicht unähnlich dem der Paläontologie, die heute fähig ist, aus einem einzigen aufgefundenen Schädelfragment weitgehende und sichere Angaben über das Skelett und die Zugehörigkeit des Stückes zu einer bestimmten Art zu machen). (Oswald Spengler, a.a.O., S. 151-152).Es ist, den physiognomischen Takt vorausgesetzt, durchaus möglich, aus zerstreuten Einzelheiten der Ornamentik, Bauweise, Schrift, aus vereinzelten Daten politischer, wirtschaftlicher, religiöser Natur die organischen Grundzüge des Geschichtsbildes ganzer Jahrhunderte wiederzufinden, aus Elementen der künstlerischen Formensprache etwa die gleichzeitige Staatsform, aus mathematischen Formen den Charakter der entsprechenden wirtschaftlichen abzulesen, ein echt Goethesches, auf Goethes Idee vom Urphänomen zurückführendes Verfahren, das in beschränktem Umfange der vergleichenden Tier- und Pflanzenkunde geläufig ist, das sich aber in einem nie geahnten Grade auf den gesamten Bereich der Historie ausdehnen läßt. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 152). |
Evolution als Fundamentalgeschichte?Daß eine Fülle höchst verschiedenartiger Lebewesen auf der Erde existiert, war von jeher für alle Menschen ohne jede Reflexion selbstverständlich; daß es in früheren Zeiten Arten gegeben habe, die in der Gegenwart nicht mehr existieren, ließe sich jenen Mythen und Märchen entnehmen, die von vorzeitlichen Ungeheuern wie Drachen und Seeteufeln zu berichten wußten. Aber daß alle Wesen durch eine »Entwicklung« miteinander verknüpft wären, die sich in unvorstellbar großen Zeiträumen vollzogen hätte, war, von einigen Ansätzen in der Antike abgesehen, bis tief in das 19. Jahrhundert hinein eine fremdartige Vorstellung. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 68-69).Die Verschiedenheit war schon früh in das Konzept vom »Stufenbau« des Seienden gebracht worden, der, mit den Schnecken und anderen Weichtieren beginnend, über Reptilien, Vögel und Säugetiere bis zum Menschen als »Krone der Schöpfung« aufsteige. Diese große Kette des Seienden ließ sich leicht mit platonischen Gedanken verbinden: Die Seinsformen entsprachen den »Ideen«, jenen »Urbildern«, die jenseits der Realität unveränderlich existieren und doch allem Seienden ihren Stempel aufprägen, so daß es gestaltet und damit von der menschlichen Seele in der »Ideenschau« erfaßbar sein könne. Wenn das Nebeneinander der Gestalten zugleich als ein Nacheinander verstanden wurde, dann war diese Entwicklung, die besser »Auswicklung« genannt werden würde, die Fundamentalgeschichte, das Wirklichwerden dessen, was in seinen Maßen und Proportionen vor aller Zeit schon ebenso im Geiste Gottes enthalten war wie die Grundverhältnisse der Mathematik. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 69).Mit christlicher Begrifflichkeit konnte dieser Prozeß leicht als Schöpfungsgeschichte verstanden werden, und der Mensch ging ebenso aus der Hand Gottes hervor wie alle anderen Geschöpfe, wenngleich als ein fundamental andersartiges Wesen, als »zoon logon echon«, um die Ausdrucksweise des Aristoteles zu verwenden, oder als »animal rationale« in der Terminologie der Scholastik. Unvorstellbar war nur eines: daß die Fundamentalgeschichte des Auftauchens der Gestalten und insbesondere der menschlichen Gestalt kausal in dieser Entwicklung selbst enthalten war, daß also die Gestalt von Weichtieren von sich aus die Gestalt der Wirbeltiere hervorbrachte oder die Gestalt der Affen die Gestalt der Menschen. Alles Neue hatte vielmehr einen direkten Bezug zur Ideenwelt, zum Urgrund oder zum Schöpfer, und das galt am meisten für den Menschen, der doch als Ebenbild Gottes geschaffen war. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 69).Es mußte also eine Neuerung sondergleichen und eine beispiellose Provokation sein, als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die These aufkam, »der Mensch stamme vom Affen ab« und die Existenz des Affen gehe letzten Endes auf die Mollusken zurück. Eben dies schien der Sinn der »Evolutionstheorie« und zugleich des »Darwinismus« zu sein, durch die dasjenige erklärt und auseinander abgeleitet wurde, was in der Lehre von der »Großen Kette des Seins« nur nacheinander auftauchte. Konrad Lorenz sah nur noch eine »Schwäche« der menschlichen Erkenntnis darin, daß sie immer »Typen« wahrnehmen wolle und damit jener unendlichen Mannigfaltigkeit nicht gerecht werden könne, innerhalb deren jede Pflanze und jedes Tier ein individuelles und eben dadurch geschichtliches Wesen sei. (Vgl. Konrad Lorenz, Das Wirkungsgefüge der Natur und das Schicksal des Menschen, in: Irenäus Eibl-Eibesfeldt [Hrsg.], Gesammelte Arbeiten, 1989, S, 56f.). (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 69).Aber zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Begriffe wie »Gestalt« oder (objektive) »Idee« in der modernen Biologie keineswegs vollständig verworfen worden sind, denn das Wort »Bauplan« spielt eine bedeutende Rolle. Und ist die Wahrnehmung von »Konstanz« wirklich nur ein Ausfluß menschlicher Schwäche?Abdrücke von Tintenfischen in 400 Millionen Jahren alten Gesteinen sind von den heute lebenden Tintenfischen kaum zu unterscheiden, und aus dem Olschiefer des Mittel-Eozäns in der Grube von Messel bei Darmstadt liegen zahlreiche Skelette von Fledermäusen vor, die »in allen wesentlichen Punkten dem Bauplan heutiger Fledermäuse vollständig entsprechen«.(Friedrich Wilhelm, Der Gang der Evolution, 1987, S. 165). Jacques Monod, gewiß ein unverdächtiger Autor, stellt fest, viel paradoxer als die Evolution selbst sei die Tatsache, daß bestimmte Arten sich mit erstaunlicher Stabilität ohne merkliche Veränderungen seit 100 Millionen Jahren reproduzierten; daher erkennt er »ein platonisches Element« ausdrücklich an, und er hebt hervor, in der unendlichen Vielheit der Erscheinungen könne die Wissenschaft »nur die Invarianten« suchen. (Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, 1991, S. 151). (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 70).Wenn Entwicklung so viel wie Bewegung, Veränderlichkeit und damit Geschichte bedeutet, vollzieht sie sich, so könnte es scheinen, im Rahmen des Unveränderlichen und Konstanten; die Genera sind unvergleichlich mächtiger als die Individuen: Farne und Algen sind heute im wesentlichen dasselbe, was Farne und Algen vor 500 oder vor 300 Millionen Jahren waren. Die Evolution ließe sich als Fundamentalgeschichte dann so vorstellen, daß ein einziger großer Impetus des Lebens schon den einfachsten Bauplan durchpulste und immer kompliziertere, insofern höhere Baupläne hervorbrächte, bis im Menschen die bisher höchste aller Gestalten erreicht sei. Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen diesem Impuls und der menschlichen Geschichte könne es nicht geben; diese sei nichts anderes als die Fortsetzung der »schöpferischen Entwicklung«, wie Henri Bergson sie genannt hat. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 70).Man muß sich die innere Stärke des »platonischen« Ansatzes vor Augen halten, wenn man die ganze Andersartigkeit der eigentlichen Evolutionstheorie verstehen will, die ihren Ursprung durchweg von Darwin herleitet. Paradoxerweise geht auch sie von einer Invarianz aus, nämlich der Invarianz der genetischen Ausstattung jedes Lebewesens. Wenn alle Genome sich fehlerfrei replizierten, würden nur dadurch Änderungen eintreten, daß bestimmte Lebewesen infolge einschneidender Wandlungen der Umweltbedingungen zugrunde gehen würden. Aber wenn bei dem komplizierten Vorgang der Übersetzung des Genoms in die Aminosäuren des Phänotyps den Molekülen der sogenannten Boten-RNS oder den Proteinen, an die sie sich anlagern, ein »Ablesefehler« unterlief, dann war das Genom des Folgewesens mit dem Genom der vorhergehenden Generation nicht mehr in Übereinstimmung, etwas Neues war in die Welt getreten, eine »Mutation«. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 70-71).Der Grund des Neuen war also etwas rein Negatives, wie man auf den ersten Blick sagen würde, nämlich ein zufälliger Fehler, der keinerlei »Höherstreben« in sich schloß, ja nicht einmal eine Richtung. In hunderttausend Fällen mochte der Fehler eine Verschlechterung bedeuten, und die betreffenden Exemplare der Gattung gingen zugrunde. In einem Fall aber war vielleicht eine Änderung zustande gekommen, die für das betreffende Wesen eine bessere Anpassung an veränderte Umweltbedingungen bedeutete. Durch eben diese Bedingungen wurde nun eine Selektion vorgenommen: die zunächst noch weit zahlreicheren genetisch unveränderten Exemplare würden weniger Nachkommen haben und in einer langen Generationenfolge, vielleicht in Hunderttausenden von Jahren, zugrunde gehen, während das »mutierte« Exemplar und dessen Nachkommen die Oberhand gewinnen würden. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 71).Nun liegt kein Gedanke näher, als daß in dem Ringen um die Existenz, welches überall in der Natur wahrnehmbar ist, die stärkeren Exemplare sich durchsetzen und daß dieser Lebenskampf daher eine Verbesserung im Sinne von Kräftigung des Durchschnitts dieser Lebewesen nach sich zieht. Das Kennzeichnende der Evolutionstheorie besteht erst darin, daß die Mutationen, zufällig und richtungslos, wie sie sind, an der Grenze der Arten nicht haltmachen und damit der Übergang in eine andere Art möglich wird. Und dies kann offensichtlich nicht in einem Schritt geschehen, denn ein ganzes Genom mutiert niemals, vielmehr häufen sich die Mutationen in unvorstellbar langer Zeit und in zahllosen kleinen Schritten, so daß ein Übergang, etwa von den Reptilien zu den Vögeln, möglich wird. Aber eigentlich »entwickelt« sich nicht eine Anlage nach ihrem inneren Gesetz, sondern eine blinde und ziellose Änderung wirkt sich positiv aus, weil sie von den Bedingungen der Umwelt begünstigt wird, die für jedes einzelne Lebewesen infolge ihrer Übermacht schlechthin fundamental sind. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 71).Mutation und Selektion sind also die großen Kräfte der Änderung in der Welt des Lebens, und die eine dieser Kräfte ist völlig blind, während die andere keinerlei Weisheit aufweist und lediglich den kurzfristigen Vorteil des betreffenden Lebewesens im Blick hat. So wird hier die außerordentliche Umkehrung jenes auf Platon gegründeten und in der Polemik gegen die antiken Atomisten für nahezu 2000 Jahre siegreichen Prinzips ganz deutlich, das Laktanz in seinen Göttlichen Unterweisungen einst sagen ließ: »Etwas Planvolles kann nur eine planende Vernunft zustande bringen«. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 71).Demgegenüber läßt die Evolutionstheorie den Sinn aus der Sinnlosigkeit und die Ordnung aus dem Zufall hervorgehen: Nichts ist begreiflicher als die Empörung, die sie auslöste, als sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Vorschein kam. Konnte man diese Entwicklung noch eine Fundamentalgeschichte nennen, da die Geschichte der Menschen als eine Fortsetzung des Prozesses aus Mutation und Selektion hätte angesehen werden müssen? Ließ sich wirklich ernsthaft behaupten, das römische Weltreich sei entstanden, weil eine Zufallsmutation die Gene von Romulus und Remus verändert habe? Und was hatte es zu bedeuten, daß eine so ausgesprägt a-theistische Lehre angesichts des unerschöpflichen Reichtums und der überwältigenden Ordnung der Wirklichkeit »die Evolution« oft genug in einer Weise charakterisierte, die sie geradezu als ein Synonym für »Gott« erscheinen ließ? (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 71-72).Bei Rupert Riedl ist zu lesen: »Obwohl uns die biologische Theorie der Evolution nur einen blinden und einen kurzsichtigen Konstrukteur mit der Wirrnis des ewigen Kampfes anzubieten hat, und die physikalische sogar nur die unentrinnbare Drift ins Chaos, schafft die Evolution eine schier unfaßliche Ordnung, wider jede Wahrscheinlichkeit und scheinbar aus dem Nichts, und zu alledem sorgt sie noch dafür, sie widerspiegeln, sie erkennen zu können.« (Rueprt Riedl, Die Strategie der Genesis, 1976, S. 89). So taucht hier im Bereich der Biologie dasselbe auf, was auch bei einigen Physikern zu beobachten war: jener Zufall, der schlechterdings nur als »göttlicher Zufall« charakterisiert werden kann, weil er seinem Begriff nach natürlich nicht den Menschen »planen« konnte, aber faktisch genau den Ablauf hervorbrachte, der zwar kein »Ebenbild« Gottes mehr ist, wohl aber »die höchste Entwicklungsstufe«. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 72).Es gibt in den Naturwissenschaften kaum eine andere Theorie oder Richtung, deren Anhänger sich so sehr auf eine Gründerfigur beriefen wie die Vertreter der Evolutionstheorie, nämlich auf Charles Darwin. Das ist in mancher Hinsicht erstaunlich, denn schon im Geburtsjahr Darwins, 1809, hatte J. B. Lamarck seine Zoologische Philosophie veröffentlicht, die eine ausgeprägte Entwicklungsgeschichte ist, aber als Erklärungsgrund eine »Vererbung erworbener Eigenschaften« zugrunde legt. Darwin selbst hat in der Einleitung zu seinem Buch über den Ursprung der Arten von 1859 mehrere Vorgänger aufgeführt, denen er sehr generös große Verdienste zuerkennt. Seine erste einschlägige Publikation wurde 1858 durch einen Aufsatz von Alfred Russel Wallace veranlaßt und erschien gleichzeitig mit dessen Publikation im Jahrbuch der Linnäischen Gesellschaft (gemeint ist wohl die Linnéische bzw. Linneische Gesellschaft; HB). Es ist gut bezeugt, daß Darwin das dreibändige Handbuch einer Geschichte der Natur des Heidelberger Paläontologen und Zoologen Heinrich Georg Bronn, das von 1841 bis 1849 erschien, sorgfältig gelesen hat. Man könnte sagen, die Zeit für eine »Historisierung« der Zoologie sei in der Mitte des 19. Jahrhunderts reif und überreif gewesen. Aber Darwin legte das erste umfangreiche Buch vor, das die Wendung »Entstehung der Arten« im Titel führte, und er wurde sofort als einer der größten Revolutionäre auf dem Gebiet der Naturwissenschaften weithin anerkannt. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 72-73).Freilich fand er auch bald scharfen Widerspruch, der nicht durchweg theologisch und anthropologisch begründet war, aber letztlich von dort seine stärkste Leidenschaftlichkeit hernahm. Dabei hatte Darwin in bezug auf den Ursprung der Menschheit nicht mehr gesagt, als daß von seinem Ansatz her neues Licht darauf fallen werde, aber seine frühen Schüler, insbesondere Thomas Huxley in England und Ernst Haeckel in Deutschland, artikulierten schon bald die These von der »Affenabstammung des Menschen«, und keine These konnte in einer Welt, die noch weitgehend vom christlichen Glauben geprägt war, provokativer und empörender sein. Sie war allerdings konsequent, wenn die Behauptung akzeptiert wurde, daß die Variationen der Arten, die unbestreitbare Tatsachen sind und schon beim Blick auf eine Dogge und einen Dackel anschaulich werden, so weit ausschlagen und sich so sehr verfestigen könnten, daß eine neue Art entstände, die dann, wie es dem Begriff der Art entspricht, mit der Ausgangsart keine Fortpflanzungsgemeinschaft mehr bilden würde. Darwin sprach von der »natürlichen Zuchtwahl« und zeigte dadurch seine Orientierung an den menschlichen Züchtern, die in der Tat durch kluge Auswahl und Kumulierung der erwünschten Eigenschaften erstaunliche Änderungen erzielen. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 73).Aber vielleicht hätte seine These tatsächlich nur Unglauben hervorgerufen, wenn sich Darwin nicht gleichsam in einen älteren Strom der Empörung hineingestellt hätte. Kaum jemand war in England allen humanistischen und humanitären Geistern so verhaßt wie der »Pfarrer Malthus«, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein Buch (vgl. Thomas Robert Malthus, An Essay on the Principle of Population, 1798) geschrieben hatte, das eine als geradezu teuflisch aufgefaßte Gegenmeinung zum biblischen Gebot des »Seid fruchtbar und mehret euch« darzustellen schien, weil es der biologischen Vermehrung der Menschen eine »geometrische« Progression zuschrieb, während die künstliche Erzeugung der Nahrungsmittel über eine arithmetische Progression nicht hinausgelangen könne. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 73).Diese Malthussche Konzeption vom Vorrang der natürlichen Zeugungskraft vor der menschlich-technischen Produktionskraft, welcher nur durch Anwendung der Vernunft keine katastrophalen Folgen haben würde, weitete Darwin nun auf den gesamten Bereich des Lebens aus genauer gesagt, er brachte sie dorthin zurück -, und da dieses biologische Leben keine subjektive Vernunft kennt, konnte die richtige Proportion nur durch einen unablässigen und gnadenlosen Kampf der Individuen und der Arten hergestellt werden, aus dem das »survival of the fittest« resultierte, von dem Herbert Spencer schon vor Darwin gesprochen hatte. So sagt Darwin ausdrücklich, die Lehre von Malthus sei in verstärkter Kraft auf das gesamte Tier- und Pflanzenreich zu übertragen, und dann zeige sich die Natur als ein einziger großer Kampf ums Überleben, in dem »die lebenskräftigen und gesündesten Männchen, die damit auch die am vollkommensten angepaßten sind, allgemein in ihren Kämpfen den Sieg« davontrügen. So ist der Aufruf konsequent: »Was für ein Krieg zwischen Insekt und Insekt, zwischen Insekten, Schnecken und anderen Tieren mit Vögeln und Raubtieren, welche alle sich zu vermehren strebten.« (Charles Darwin, Über die Entstehung der Arten oder: Die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kmapfe ums Dasein, 1859, S. 16, 93). (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 73-74).So könnte man den Darwinismus einen Malthusianismus im Quadrat und eine wahre Kriegs- und Naturwissenschaft nennen, die eine starke Tendenz hat, sich in den menschlichen Bereich auszudehnen, wie es schon 1860 in einer der frühesten deutschen Rezensionen von Darwins Werk formuliert wird, wo es heißt, in der Natur vollziehe sich dieselbe Überwältigung des Schwächeren durch den Stärkeren, »wie es die stärkeren den schwächeren Menschenracen tun«. (Ebd., 1859, S. 590 [Rezension von Oscar Peschel in: Das Ausland, Jg. 1860). Man sollte auch nicht übersehen, wie der vollständige Titel von Darwins Werk lautet, nämlich Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder: Die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein. Es ist daher sehr die Frage, ob die späteren »Neodarwinisten« oder »Sozialdarwinisten« tatsächlich so weit von dem Meister entfernt waren, wie es die Orthodoxen unter seinen Nachfolgern immer hingestellt haben. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 74).Darwin trennte sich seinerseits nicht von der Atmosphäre des 19. Jahrhunderts, wenn er sagte, »aus dem Kampfe der Natur, aus Hunger und Tod« gehe »unmittelbar die Lösung des höchsten Problems hervor, das wir zu fassen vermögen, die Erzeugung immer höherer und vollkommenerer Tiere«. (Ebd., 1859, S. 565). Darwin weitet also nicht nur den Historismus dieses Jahrhunderts auf die organische Natur aus, indem er schreibt, jedem organischen Naturerzeugnis sei »eine lange Geschichte zuzugestehen« (ebd., 1859, S. 562), sondern er behält einen Platz unter den Vorkämpfern der »Fortschrittsgeschichte« wie Comte und Spencer. Anders als Comte und Spencer ist er indessen von Bedenken, ja von einem Empfinden der Trauer nicht frei, wenn er schreibt: »Wenn wir über diesen Kampf ums Dasein nachdenken, so mögen wir uns mit dem festen Glauben trösten, daß der Krieg der Natur nicht ununterbrochen ist, daß keine Furcht gefühlt wird, daß der Tod im allgemeinen schnell ist und daß der Kräftige, der Gesunde und Glückliche überlebt.« (Ebd., 1859, S. 97). (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 74).Aber um die folgenden Fragen läßt sich schwerlich herumkommen: Wieso ist der Krieg der Natur »nicht ununterbrochen«, wieso fühlen die Fluchttiere keine Furcht, die doch unablässig nach Feinden Ausschau halten; ist den Lebewesen nicht um so mehr an Schmerz und Leid beschieden, je »vollkommener« oder »höher entwickelt« sie sind? Die merkwürdigste Paradoxie von Darwins Lehre liegt jedoch in folgendem: Die »künstliche Zuchtwahl« bringt bessere und für bestimmte Zwecke geeignetere Exemplare einer Art hervor, aber noch keinem Züchter ist es gelungen, aus einer Hundevarietät eine Katzenvarietät oder -art entstehen zu lassen, und der Krieg zwischen den Individuen und den Arten läßt die kräftigsten Individuen und die bestangepaßten Varietäten überleben, doch als solcher muß er keineswegs neue Arten hervorbringen. Darwin kannte den Begriff der genetischen Mutation noch nicht, und zu seiner Zeit waren die erstaunlichen Entdeckungen nicht gemacht, welche Übergänge zwischen Arten, ja zwischen Familien und Stämmen anschaulich werden ließen wie das Fossil des »Archaeopteryx« oder die zahlreichen Funde von urzeitlichen Gebissen, die keine Affengebisse sind und sich doch noch deutlich von Menschengebissen unterscheiden. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 74-75).Wenn heute die darwinistische Evolutionstheorie für die allermeisten Biologen als bewiesen gilt, so sind die besten Beweise nicht auf die Gründerfigur zurückzuführen, sondern zunächst auf die Paläontologen und ihre Fossilfunde, nicht zuletzt aber auch auf die Genetiker, die das Urkennzeichen des Lebens, die Doppelhelix der Desoxyribonukleinsäure und damit den Genotyp, entschlüsselten und schließlich der artifiziellen Veränderung der Gentechnik unterwarfen, welche die natürliche Veränderung durch Mutationen an Schnelligkeit und Wirksamkeit weit überholt. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 75).Dennoch wurden Zweifel und Bedenken gegenüber dieser Theorie bis heute nicht vollständig aus der Welt geschafft. Einige Biologen haben den Begriff der »Makroevolution« eingeführt, d.h. einer Entwicklung, die sich nicht in zahllosen winzigen Schritten, sondern in Sprüngen vollzieht, so daß »von heute auf morgen« neue Strukturen auftreten können. Selbst ganz orthodoxe Forscher konstatieren »Wesensunterschiede« etwa zwischen Vögeln und Reptilien, obwohl sie die Lehre von den kleinen Schritten für richtig halten. Man kann beiden Seiten dadurch Recht geben, daß man eine klare Unterscheidung von Phylogenetik und Systematik trifft: die erste verfolgt die konkrete Entwicklung, die zweite »ist auf die Existenz taxonomischer Bestimmungsschlüsselmerkmale angewiesen, um die systematische Ordnung herstellen zu können«. (Rolf Siewing [Hrsg.], Evolution - Bedingungen , Resultate, Konsequenzen, 1978, S. 198). So würden das Geschichtliche und das Ungeschichtliche, das Fließen und die Konstanz, einander nicht ausschließen, und Platon wäre gerechtfertigt, ohne daß man ihm ein vollständiges Recht zuschreiben müßte. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 75).In der entsprechenden Abwandlung könnte die orthodox verstandene Evolution vielleicht als Fundamentalgeschichte verstanden werden, wenn sich bei den verschiedenen Gattungen und Arten der Tiere Unterschiede von »Freiheit«, d.h. vom Menschen her gesehen, Unterschiede der Geschichtsfähigkeit aufweisen ließen. Dieser Frage nachzugehen wird die nächste Aufgabe sein. An dieser Stelle soll aber Rupert Riedl noch einmal das Wort erteilt werden, der eines der geistreichsten Bücher über die Evolution geschrieben hat und der, obwohl zu den Orthodoxen zählend, einen Vorbehalt gegenüber der Theorie artikuliert, welcher, wie gezeigt worden ist, auch Darwin nicht ganz fremd war und auf die Menschengeschichte ausgedehnt werden kann, weil der Evolutionstheorie und der Geschichtsschreibung jedenfalls die Hervorhebung oder Konstatierung des Kampfcharakters gemeinsam ist: »Über 500000 ihrer Gewächse (der Gewächse der Natur) beweisen, daß mit Wasser, Salzen und Photonen allein eine vornehme, stille Ordnung aufzubauen ist, die mit einer Bescheidung ihrer Produktion das gegenseitige Vertilgen überhaupt hätte vermeiden lassen.« (Rupert Riedl, Die Strategie der Genesis, 1976, S. 16). (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 75-76).Der Zusammenstoß zwischen Utopie (oder Alternativvorstellung) und Realität, dem wir im Hinblick auf die Menschengeschichte immer wieder begegnen werden, kann also eine Art Präfiguration in der Evolutionstheorie haben. Eine solche Präfiguration gibt es allerdings in der Evolution selbst und auch bei den Tieren offensichtlich nicht, und wir sind damit vermutlich schon auf ein Kennzeichen der »eigentlichen« Geschichte gestoßen, das der angeblichen Fundamentalgeschichte, der Evolution, jedenfalls abgeht. (Ernst Nolte, Historische Existenz, 1998, S. 76). |
Leben und EnergieGrundlage jeglichen Lebens auf der Erde ist. die die Erdoberfläche erreichende Sonnenenergie, denn Lebewesen benötigen vor allem Energie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 1).Damit sich das Leben auf der Erde evolutiv entwickeln konnte, mußte die Zufuhr an Sonnenenergie über einen sehr langen Zeitraum ausreichend konstant erfolgen, denn selbst kurzfristige größere Energieschwankungen (zum Beispiel nach sehr schweren Vulkanausbrüchen oder Meteoriteneinschlägen) hatten jedes Mal ein Massenaussterben von biologischen Arten zur Folge. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 1).Interessanterweise scheint selbst die Dreidimensionalität unseres Universums eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Leben zu sein:
Die Sonne liefert pro Jahr eine Energiemenge von etwa 3,9 Yottajoule auf die Erdoberfläche, das sind 3,9 Millionen Exajoule, wobei ein Exajoule wiederum einer Milliarde Gigajoule entspricht, und bei einem Gigajoule selbst handelt es sich um eine Milliarde Joule. Um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen: Ein Mensch benötigt pro Tag ca. 2000 Kcal an Nahrungsenergie. (). Umgerechnet in Joule (1 cal = 4,18 Joule) und Jahr entspricht dies einem Energiebedarf von ca. 3 Gigajoule pro Jahr. Die gesamte Menschheit von zur Zeit etwa 6,7 Milliarden Menschen hat demzufolge einen jährlichen Nahrungsenergiebedarf von ca. 20 Exajoule. Gemäß den folgenden Ausführungen handelt es sich bei Nahrungsenergie letztendlich um Sonnenenergie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 3).
Die Evolution des Lebens auf der Erde könnte auch als eine Evolution der Nutzung von Energie verstanden werden. Pflanzen nehmen Sonnenenergie über die Photosynthese direkt auf, und speichern sie für sonnenarme Zeiten in Form von Stärke beziehungsweise teilweise auch als Fett ab. Sie kommen deshalb ohne Fortbewegung aus. Die Photosynthese der Pflanzen ist die auf der Erde am weitesten verbreitete Nutzung von Sonnenenergie. Daneben gewinnen auch einige Bakterien ihre Energie direkt aus dem Sonnenlicht. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 3).Tiere nutzen Sonnenenergie indirekt, zum Beispiel durch Verzehr der in Pflanzen gespeicherten Energie. Man nennt sie dann Pflanzenfresser (Herbivoren). Dafür müssen sie sich allerdings von Pflanze zu Pflanze fortbewegen. Über den Verzehr von Pflanzen kann mehr Energie pro Zeiteinheit aufgenommen werden als über eine direkte Nutzung von Sonnenergie. Die Evolution der Tiere ging folglich mit einer Steigerung der Energieeffizienz einher. Tiere speichern den größten Teil ihrer Energiereserven als Fett ab. Ein Grund dafür ist die hohe Energiedichte von Fett (900 Kcal pro 100 g). Ein Tier kann dann im Vergleich zu anderen Energieträgern mehr Energie pro kg zusätzlichem Körpergewicht mit sich herumtragen. Viele Pflanzenfresser sind den ganzen Tag mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Elefanten nehmen beispielsweise täglich etwa 200 Kilogramm Nahrung beziehungsweise 250000 Kcal zu sich, wofür sie allein 17 Stunden benötigen. Sie fressen vor allem Gras, aber auch Früchte, Wurzeln, Zweige und Rinde. Daneben trinken sie 70 bis 150 Liter Wasser am Tag. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 3-4).Tierisches Gewebe besitzt in der Regel eine höhere Energiedichte als pflanzliches. Die Evolution der Fleischfresser (Carnivoren) bedeutete deshalb eine weitere Steigerung der Energieeffizienz. Anders als viele Pflanzenfresser können sich Fleischfresser bei der Nahrungsaufnahme meist auf wenige Stunden pro Tag beschränken. Allerdings ist ihre Nahrungsbeschaffung im Gegenzug mit einem höheren Energieaufwand verbunden. Deshalb können Fleischfresser nicht die maximale Größe von Pflanzenfressern erreichen und diese wiederum nicht die maximale Größe von Pflanzen. (Verdoppelt man den Durchmesser einer Kugel, so verachtfacht sich ihr Volumen. Ein nach allen Seiten doppelt so großer Löwe wäre also 8-mal so schwer. Er müßte dann nicht nur überall wesentlich stabiler konstruiert sein, sondern wtirde bei Beschleunigungen auch viel mehr Energie verbrauchen.). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 4).Der moderne Mensch ist wie die meisten anderen Primaten ein Allesfresser (Omnivore), er kann also sowohl Pflanzen als auch tierische Produkte verdauen. Allerdings ist die Vergrößerung des menschlichen Gehirnvolumens in der Altsteinzeit ohne den enormen Fleischkonsum unserer Vorfahren nicht erklärbar. (Vgl. Josef H. Reichholf, Das Rätsel der Menschwerdung - Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel mit der Natur, 1990, S. 115ff.; Peter Mersch, Migräne, 2006, S. 40ff.). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 4).In der Natur geht es also in erster Linie um Energie. Da nicht nur die Sonnenenergie, sondern auch Lebewesen selbst Energie darstellen, heißt das Prinzip »fressen oder gefressen werden«, wobei die relative Position in der Nahrungskette (Energiekette) von entscheidender Bedeutung ist. Lebewesen, die gezielt auf die Jagd nach Energie in anderen Lebewesen gehen, nennt man deren natürliche Feinde, sie nehmen somit in der Nahrungskette einen höheren Rang ein als ihre Nahrung. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 4).Innerhalb der Nahrungskette existieren noch so genannte Destruenten, die abgestorbene Pflanzen und tote Tiere zersetzen und Böden wieder mit zusätzlichen Mineralstoffen anreichern. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 5).Der Mensch hat die Energieeffizienz nochmals und auf vielfältige Weise gesteigert. Zunächst trat er aufgrund seiner intelligenten Jagdstrategien und der Erfindung von Waffen und des Feuers als das gefährlichste Raubtier aller Zeiten auf. Dabei konzentrierte er sich über weite Strecken sogar darauf, die größten Pflanzenfresser (zum Beispiel Mammuts) zu jagen, die davor noch keine natürlichen Feinde besaßen. Auf diese Weise konnte er den Zeitaufwand für die Nahrungssuche und -aufnahme drastisch reduzieren. Die freigewordene Zeit stand nun für die Weiterentwicklung von Waffen, die Verfeinerung der Kommunikation, aber insbesondere auch die Verbesserung der Brutpflege zur Verfügung. Dies erlaubte es dem Menschen, sich sukzessive auf der Erde auszubreiten. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 5).Mit der Beherrschung des Feuers und dem Erfinden des Kochens gelang dem Menschen eine weitere Steigerung der Energieeffizienz, da nun die Nahrung zum Teil bereits außerhalb der eigenen Verdauungsorgane aufgeschlüsselt werden konnte. Dazu war allerdings eine separate Energiequelle (Holz) erforderlich, eine Innovation von geradezu historischer Tragweite, gelang es doch damit einem Lebewesen zum ersten Mal, eine zusätzliche Energiequelle gezielt für die eigenen Zwecke einzusetzen. Heute verbraucht der durchschnittliche US-Amerikaner mehr als 100-mal soviel Energie für andere Belange, wie für die Versorgung des eigenen Körpers. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 5).Als die Bevölkerungszahlen stiegen, die Nahrungsversorgung aufgrund der begrenzten Ressourcen aber immer schwieriger wurde, erfand der Mensch vor ca. 10 000 Jahren Ackerbau und Viehzucht. Mit dieser, als neolithische Revolution () bezeichneten Innovation, begann der Mensch, sich quasi aus der Natur herauszulösen und sich seine eigene Natur zu schaffen .... Sich seine eigene Natur zu schaffen, hat einige offenkundige Nachteile: Man muß unter anderem durch eigene Arbeit für all das sorgen, wofür die Natur normalerweise ganz automatisch sorgt. Die paradiesischen Verhältnisse der Altsteinzeit, als der Mensch nur nach den Früchten der Natur zu greifen brauchte, waren also vorbei. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 5).Doch gleichzeitig gab es einige entscheidende Vorteile, die die Nachteile des harten Arbeitens mehr als aufwogen. Dazu zählten die stärkere Unabhängigkeit gegenüber den Launen der Natur und die Erhöhung der Erträge pro Quadratkilometer Boden. Allerdings erfolgte der Wandel vom Jagen und Sammeln hin zu Ackerbau und Viehzucht weniger aus strategischen Überlegungen heraus, sondern in erster Linie aus reiner Not.
Der entscheidende Grund für den Durchbruch und den langfristigen Erfolg von Ackerbau und Viehzucht war aber wohl die weitere Steigerung der Energieeffizienz, denn nun konnte pro Quadratkilometer Land mehr Energie gewonnen werden als dies Jäger/Sammler-Kulturen möglich war. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 8).Weitere Steigerungen des Energieertrags setzten eine verstärkte Arbeitsteilung und den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte voraus, sei es als Mensch (zum Teil als Sklave) oder Tier (Pferd, Ochse, Esel u.s.w.). Natürlich mußten die Arbeitskräfte genährt werden, das heißt sie benötigten Energie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 8).Später erschloß der Mensch dann weitere Energiequellen, insbesondere die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas, bei denen es sich um Ablagerungen früherer Lebewesen und damit um Sonnenenergie handelt. Der Mensch nutzt also heute ganz gezielt die Energie, die vor Jahrmillionen von der Sonne auf die Erde eingeflossen ist. Die fossilen Brennstoffe haben das Zeitalter der Technik erst möglich gemacht. Seitdem werden Arbeitsleistungen in erster Linie durch Maschinen erbracht. Auf menschliche und tierische Arbeitskräfte konnte zunehmend verzichtet werden. Ein günstiger Nebeneffekt war die Beendigung der Sklaverei (). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 8).Die von der Menschheit neben der Nahrung pro Jahr verbrauchte Primärenergie (fossile Brennstoffe, Atomenergie, erneuerbare Energiequellen) wird auf ca. 430 Exajoule geschätzt. Zusammen mit den für die Nahrung verbrauchten 20 Exajoule ergibt sich ein jährlicher Gesamtenergieverbrauch der Menschheit von ca. 450 Exajoule, soviel wie etwa 150 Milliarden Naturmenschen verbrauchen würden. Zum Vergleich: Die gesamte von der Sonne auf der Erdoberfläche eintreffende Energie entspricht ungefähr dem 9000-fachen des aktuellen menschlichen Energiebedarfs. Die Menschheit nutzt aktuell bereits rund die Hälfte der weltweiten Netto-Photosynthesekapazität, also des Überschusses, der aus der Fähigkeit der Pflanzen resultiert, Sonnenenergie zu speichern. (Vgl. Franz Josef Radermacher / Bert Beyers, Welt mit Zukunft - Überleben im 21. Jahrhundert, 2007, S. 64). Der Primärenergieverbrauch pro Kopf und Land ist weltweit sehr unterschiedlich, in Deutschland sind es ca. 172 Gigajoule, in den USA 325, in Norwegen 392 und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gar fast 700. Überspitzt könnte man sagen: Jeder Deutsche beschäftigt noch zusätzliche 60 Sklaven, jeder US-Amerikaner sogar 110. Würden alle Menschen auf der Erde den gleichen Energiebedarf wie die US-Amerikaner haben, dann hätte die Menschheit einen jährlichen Energieverbrauch von ca. 2200 Exajoule. Die gesamte auf der Erde nutzbare Sonnenenergieleistung wäre dann nur noch 1800-mal so groß, nähme man die VAE als Maßstab, dann sogar nur noch das 870-fache. (). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 8-9).Da der Vorrat an fossilen Brennstoffen sich in den nächsten 50 Jahren dem Ende zuneigen dürfte und der bisherige Energieverbrauch bereits klimatische Veränderungen zur Folge hat, sind für die Zukunft neue Energiekonzepte erforderlich. Entweder der Menschheit gelingt es, neue leistungsfähige Energiequellen (zum Beispiel Kernfusion) zu erschließen - wobei einige Kritiker darin einen Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik () erkennen wollen (vgl. Entropie []; und vgl. z.B. Jeremy Rifkin, Entropie - Ein neues Weltbild, 1985; Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994) und vor möglichen klimatischen Folgen warnen -, oder sie muß ihren Energieverbrauch reduzieren und den Energiebedarf hauptsächlich aus erneuerbaren Energiequellen decken. Letzteres hätte vermutlich erhebliche gesellschaftliche Veränderungen zur Folge. Beispielsweise basieren die momentanen Wirtschafts- und Globalisierungsprozesse ganz erheblich auf der freien Verfügbarkeit nahezu unbegrenzter Mengen an kostengünstiger Energie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 9).Die Ausführungen in diesem Abschnitt sollten in erster Linie deutlich machen, daß es sich bei biologischen und sozialen Evolutionen ganz wesentlich um Evolutionen bei der Nutzung von Energie handelt. (Peter MerschEin Hurrikan ist also kein Lebewesen, denn ihm fehlt allein schon die Fortpflanzung. (Ebd., S. 16-18). S. 9).Grundsätzlich kennt der Energiehunger biologischer Phänomene praktisch keine Grenzen. Wenn sich eine Möglichkeit zur Verwendung zusätzlicher, ständig verfügbarer Energie ergibt, dann dürfte es auch schon bald zu einr entsprechenden Nutzung kommen. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 9). |
Leben als dissipative StrukturUnter einer dissipativen Struktur versteht man eine stabile, geordnete Struktur in einem System fern vom thermodynamischen Gleichgewicht, also einem System wie unserer Erde etwa, dem ständig Energie von außen zugeführt wird. Dissipative Strukturen benötigen äußere Energieflüsse, um ihre Organisation und selbstorganisatorischen Prozesse erhalten zu können. Dabei gleichen sie vorhandene Energiedifferenzen (Energiegradienten) im Gesamtsystem aus. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 9-10).Typische Beispiele dissipativer Strukturen sind Hurrikans. Ganz häufig wird behauptet, auch lebende Systeme seien dissipative Strukturen:
Ein Standardbeispiel für die Ausbildung von dissipativen Strukturen in offenen Systemen fern vom thermodynamischen Gleichgewicht ist das sogenannte (Rayleigh-)Bénard-Experiment. Dabei wird ein Gefäß, in dem sich eine dünne, homogene Flüssigkeit befindet, auf der Unterseite erhitzt, während seine Oberseite auf einer niedrigen Temperatur gehalten wird. Die Flüssigkeit dehnt sich an der warmen Unterseite aus und kann aufgrund der geringeren Dichte nach oben aufsteigen, während die kältere, dichtere Flüssigkeit im oberen Bereich nach unten sinkt. Die Viskosität (Zähflüssigkeit) der Flüssigkeit wirkt diesem Vorgang entgegen. Ist die Temperaturdifferenz zwischen Boden und Oberseite gering, überwiegt die Viskosität der Flüssigkeit, und die Wärme wird ohne gleichzeitigen Stofftransport durch homogene Wärmeleitung (durch Molekül-Molekül-Wechselwirkungen) von unten nach oben befördert. Anders gesagt: Die Teilchen der Flüssigkeit bleiben dort, wo sie sind. Oberhalb eines kritischen Temperaturunterschiedes wird dieser Zustand jedoch instabil, und der Wärmetransport findet durch Wärnlekonvektion statt. Konkret heißt das: Die Teilchen der Flüssigkeit werden dann von unten nach oben transportiert, so daß die gesamte Flüssigkeit aufgrund der Dichteunterschiede zwischen Ober- und Unterseite in Bewegung gerät. Dabei treten regelmäßig geformte Konvektionszellen - meist in Sechseck- oder Rollenmustern -auf, die sogenannten Bénard-Zellen. Das System ist nun nicht länger eine planlose Ansammlung von sich zufällig bewegenden Molekülen, sondern Milliarden von Molekülen kooperieren, um makroskopische Muster - die sogenannten dissipativen Strukturen - zu schaffen, die sich in Raum und Zeit entwickeln. Steigt die Temperaturdifferenz zwischen der Ober- und Unterseite des Gefäßes weiter an, gelangt das System ab einem zweiten kritischen Wert schließlich ins Chaos und es entwickeln sich Turbulenzen. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 10-11).Gemäß dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik () kann Energie in geschlossenen Systemen weder geschaffen noch vernichtet werden. Allerdings kann die in einem System vorhandene Energie in ihrer Beschaffenheit beziehungsweise in der Fähigkeit, nutzbare Arbeit zu verrichten, stark variieren. Exergie stellt in diesem Zusammenhang ein Maß für die maximale Fähigkeit eines energiehaItigen Systems dar, nützliche Arbeit zu verrichten, während es sich zum Gleichgewicht mit seiner Umgebung hin bewegt. Das Gegenteil, nämlich nicht mehr arbeitsfähige Energie, wird Anergie genannt. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 11).Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik () besagt nun, daß die Qualität der Energie (die Exergie) in einem (energetisch und materiell) abgeschlossenen, energiehaltigen System fortlaufend abnimmt, wenn irgendwelche Vorgänge im System ablaufen. Anders gesagt: Exergie wird dann fortlaufend in Anergie umgewandelt. Auf diese Weise geht das System zunehmend von einem geordneten in einen ungeordneten Zustand über, das heißt, die Entropie des Systems nimmt immer weiter zu. Es handelt sich hierbei um einen irreversiblen Prozeß. Die Kernaussage des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik ist: Jeder reale Prozeß kann in einem abgeschlossenen, energiehaltigen System nur in einer Richtung fortschreiten, bei der sich die Entropie des Systems erhöht. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 11).Nun liegt aber bei dem weiter oben beschriebenen Bénard-Experiment kein abgeschlossenes System vor, sondern die Versuchsanordnung bestand ja gerade darin, dem Gefaß von unten Wärme zuzuführen und gleichzeitig seine Oberseite abzukühlen. Wir haben es hier also mit einem Problem der Nichtgleichgewichtsthermodynamik zu tun. Die Energiedifferenz zwischen den beiden Gefäßhälften wird in diesem Zusammenhang als Wärme- beziehungsweise allgemeiner als Energiegradient bezeichnet. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 11).Besteht etwa an einem auf Meereshöhe liegenden Ort ein Luftdruck von 1030 Hektopascal. (mbar) und an einem anderen, gleichfalls auf Meereshöhe befindlichen Ort zur seIben Zeit ein Luftdruck von 970 Hektopascal, dann bezeichnet man die Druckdifferenz (60 Hektopascal), dividiert durch die Distanz zwischen beiden Orten, als den Druckgradienten. Unter den genannten Verhältnissen wird dann ein Wind, dessen Stärke von der Höhe des Druckgradienten abhängt, vom Hochdruckgebiet zum Tiefdruckgebiet fließen, um auf diese Weise einen Luftdruckausgleich zwischen beiden Orten zu bewirken. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 11-12).Zur Erklärung des Bénard-Effektes und generell der Entstehung dissipativer Strukturen wurde die folgende Verallgemeinerung des 2. Hauptsatz der Thermodynamik () vorgeschlagen, die auch für Nichtgleichgewichtssysteme gelten würde:
Gemäß dieser Vorstellung soll sich der Widerstand des Systems, aus dem thermodynamischen Gleichgewicht gebracht zu werden, insbesondere in der Fähigkeit zur Herausbildung selbstorganisierender Vorgänge (und damit dissipativer Strukturen) ausdrücken:
Um das Problem der Bildung von Ordnung aus Unordnung bei der Entstehung und Evolution des Lebens ging es aber auch schon Ernst Schrödinger in dessen Buch Was ist Leben?. Einige Wissenschaftler sind nun der Auffassung, die sich unter bestimmten Verhältnissen im thermodynamischen Ungleichgewicht herausbildenden dissipativen Strukturen lieferten die Antwort auf das genannte Ordnungsproblem, immerhin führt ja die Sonne der Erde beständig Energie von außen zu, ganz ähnlich wie dies im Bénard-Experiment durch das Erhitzen der Unterseite eines energiehaltigen Behälters geschieht. Entsprechend folgern sie:
Wir können insgesamt festhalten: Die Theorie, Leben sei eine dissipative Struktur, bestätigt wesentliche Ergebnisse des vorherigen Abschnittes (), nämlich daß die Evolution des Lebens mit einer zunehmenden Nutzung von Energie und einer generellen Steigerung der Energieeffizienz einhergegangen ist und vermutlich auch weiter einhergehen wird:
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Leben und FortpflanzungEine allgemeinverbindliche Definition des Begriffes Leben existiert nicht. Was Leben ist, was sein Wesen ausmacht, ist letztendlich auch für die Wissenschaften eine offene und vieldiskutierte Frage. (Vgl. Abschnitt Was ist Leben? ). Üblicherweise wird aber angenommen, daß eine Entität mindestens die folgenden Eigenschaften besitzen muß, um ein Lebewesen zu sein:
Die meisten Lebewesen pflanzen sich geschlechtlich fort. Konkret heißt das: Es gibt zwei Geschlechter - Männchen und Weibchen -, die gelegentlich Sex miteinander haben. Wenn sie dabei erfolgreich waren, wird (üblicherweise) das Weibchen schwanger, und es trägt dann nach einer mehr oder weniger langen Zeit (und zwischen den verschiedenen Arten auf sehr unterschiedliche Weise) Nachwuchs aus. In der Soziobiologie bezeichnet man den Nachwuchs auch als Reproduktionserfolg. Seit der Erfindung der Pille und anderer sicherer Kontrazeptiva haben Menschen jedoch in erster Linie Sex, um Spaß miteinander zu haben, nicht aber um Kinder zu zeugen. Paarungserfolg und Reproduktionserfolg sind deshalb zu unterscheiden. Hatte ein Mann in seinem Leben viele Sexualpartnerinnen und häufigen Sex, dann war sein Paarungserfolg entsprechend groß. Entstanden aus diesen sexuellen Vereinigungen aber keine oder nur sehr wenige Kinder, dann hatte er nur einen geringen Reproduktionserfolg. Die Unterscheidung zwischen Paarungs- und Reproduktionserfolg wird in der weiteren Diskussion noch eine wesentliche Rolle spielen. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 18).Die Biologie teilt Lebewesen unter anderem in Arten beziehungsweise Spezies ein; unsere Art ist der Mensch. Eine Population stellt demgegenüber eine Gruppe von Individuen (Phänotypen) der gleichen Art dar, die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden und in einem einheitlichen Verbreitungsgebiet leben. Auch wenn es beim Menschen praktisch keine abgeschlossenen Populationen mehr gibt, könnte man in diesem Sinne dennoch grob vereinfacht sagen: Der Mensch ist eine biologische Art, die deutsche Bevölkerung dagegen eine menschliche Population, der einzelne Deutsche ein Individuum. Während ein einzelnes Individuum im Glücksfall vielleicht hundert oder auch etwas mehr Jahre alt werden kann, können Arten und Populationen viele Millionen oder im Extremfall gar einige Milliarden Jahre existieren. Damit das geschehen kann, sind allerdings zwei Dinge erforderlich: Die Population muß sich stets
Gemäß der zweiten Bedingung müssen sich Populationen stets an ihre Umgebung anpassen, wenn sie auf Dauer existieren wollen. Sollte zum Beispiel eine Löwenpopulation im Laufe der Zeit immer schneller werden, dann werden die Antilopen aus dem gleichen Lebensarum mit Gegenmaßnahmen (Anpassungen) reagieren müssen, wollen sie nicht rsetlos ausgerottet werden. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 19-20).Die Frage ist nun: Wie gelingt diese Anpassung an eine sich verändernde Umgebung? Wie schaffen es Populationen, sich über Millionen von Jahren an sich gleichfalls verändernde Umweltbedingungen anzupassen? Die Antwort darauf gibt die Evolutionstheorie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 20). |
Evolutionstheorie als Beweis dafür, daß die Emanzipation ein Irrtum ist und arm und dumm machtDie von Charles Darwin entwickelte biologische Evolutionstheorie (im folgenden einfachheitshalber »Evolutionstheorie« genannt) erklärt die Entwicklung des Lebens auf der Erde und die fortlaufende Anpassung von Populationen an ihren Lebensraum. In ihr spielt der Fortpflanzungsmechanismus eine entscheidende Rolle. Die Kernhypothesen der Evolutionstheorie sind:
Die Kernaussage der Evolutionstheorie ist nun: Wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion und Vererbung gegeben sind, ist Evolution unvermeidlich die Folge. (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 16).Ich möchte dies an einem visuellen Beispiel verdeutlichen: Nehmen Sie ein Blatt Papier und markieren darauf einen roten Punkt, der den aktuellen Zustand der Umgebung repräsentieren soll. Hierbei handelt es sich um eine starke Vereinfachung, da Umgebung üblicherweise mehr als zwei Dimensionen hat. (Allerdings sind solche Vereinfachungen in wissenschaftlichen Überlegungen üblich. (Vgl. Lisa Randall, Verborgene Universien - Eine Reise in den extradimensionalen Raum, 3. Auflage, 2006, S. 47ff.). Und nun markieren Sie rund um den Umgebungspunkt einige weitere schwarze Punkte, die den Individuen einer Population entsprechen sollen (Variation). Bildlich gesprochen: Ein Individuum ist um so besser an die aktuelle Umgebung angepaßt, je geringer sein Abstand zum roten Punkt ist. Stellen Sie sich nun vor, die Umgebung würde sich mit der Zeit verändern, das heißt, auf dem Blatt bewegen. Wenn nun diejenigen Individuen, die dichter am roten Umegebungspunkt sind, mehr Nachkommen durchbringen als andere (Selektion) und die Nachkommen in der Regel ihren Eltern ähneln (Vererbung), dann wird die gesamte Population der Bewegung des roten Umgebungspunktes folgen. Wenn sich der rote Umgebungspunkt nur langsam bewegt, dann ist der Selektionsdruck gering, und die gesamte Population wird sich kaum verändern. Bewegt sich der Umgebungspunkt dagegen schnell, dann ist der Selektionsdruck groß, so daß gegebenfalls nur noch deutlich veränderte Individuen ihm folgen können. (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 16-17).Man könnte ... das Evolutionsprinzip auch als Optimierungsalgorithmus verstehen, der die fortlaufende Anpassung von Populationen an sich gleichfalls verändernde Umgebungen sicherstellt, ein von jeder Absichtlichkeit oder höherer Zweckmäßigkeit freies Verfahren. (Vgl. Franz M. Wuketits, Evolution - Die Entwicklung des Lebens, 2005, S. 25). Erst die natürliche Selektion verleiht der Evolution so etwas wie eine Richtung. (Vgl. Franz M. Wuketits, ebd., 2005, S. 25). (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 17).Die Evolutionstheorie erklärt, wie auf der Erde aus Chaos zunehmende lokale Ordnung (das heißt, Evolution beziehungsweise Entwicklung) in Form von Leben entstehen konnte, was aufgrund des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiesatz), der im Universum eine generelle Entwicklung von der Ordnung hin zum Chaos postuliert, zunächst nicht erwartet werden konnte. (Peter Mersch, Die Emanzipation- ein Irrtum!, 2007, S. 17).»Wenn es Lebewesen gibt, die in ihrer Form untereinander variieren, und wenn es eine Selektion dahingehend gibt, daß nur einige dieser Lebewesen überleben, und wenn die Überlebenden all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein, in der die Selektion stattfand. Es ist der zwingende Charakter dieses Prozesses, der die Evolution zu einem derart mächtigen Erklärungswerkzeug gemacht hat: Wenn die drei Voraussetzungen - Variation, Selektion und Vererbung - gegeben sind, ist Evolution unvermeidlich die Folge. Wenn die drei Voraussetzungen - Variation, Selektion und Vererbung - gegeben sind, ist ist ein von jeder Absichlichkeit freies Verfahren - ein Prinzip, wonach Gestaltung ohne Zutun eines Geistes aus dem Chaos entstehen kann ....« (Susan Blackmore, Evolution und Meme, in: Alexander Becker et al., Gene, Meme und Gehirne, 2003, S. 50). (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 17).Wird der Algorithmus der natürlichen Selektion in sein Gegenteil verkehrt, das heißt, pflanzen sich in erster Linie die weniger gut angepaßten Individuen fort, dann dürfte lokale Ordnung wieder sukzessive in Chaos übergehen. (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 17).Die Natur implementiert über die Prinzipien der Evolutionstheorie so etwas wie Generationengerechtigkeit (). Generationengerechtigkeit bedeutet, daß die heutige Generation der nächsten Generation die Möglichkeit gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen Ausmaß wie die heutige Generation zu erfüllen (Jög Tremmel, Bevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationenegerechtigkeit, 2005; S. 98). Oder anders ausgedrückt: Wenn Individuen gemäß der natürlichen Selektion all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt gleich gut oder besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein, in der die Selektion stattfand. Hat sich diese Umwelt in der Zwischenzeit kaum verändert, dann kann sich die Folgegeneration ihre Bedürfnisse gleich gut oder besser erfüllen als die vorangegangene. Das Prinzip der Generationengerechtigkeit ist also gewahrt. (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 18).Der Gegenstand der Evolutionstheorie ist die Population inklusive deren reproduktives Verhalten (vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 147ff.), was ihre unmittelbare Relevanz für demographische Fragestellungen begründet. (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 18).Strenggenommen ist die natürliche Selektion kein Auswahlverfahren, sondern ein Eliminierungsverfahren in Hinblick auf die Fortpflanzung. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 150). Denn es scheiden die am wenigsten gut angepaßten Individuen aus, während besser angepaßte (tauglichere) Individuen eine größere reproduktive Überlebenschance besitzen. (Peter Mersch, Die Emanzipation- ein Irrtum!, 2007, S. 18).Die Evolutionstheorie wird häufig mit einem »Kampf ums Dasein« in Verbindung gebracht. Ein üblicher Einwand ist, einen solchen Überlebenskampf gäbe es in modernen Gesellschaften nicht mehr (siehe die Diskussion in den folgenden Abschnitten), weswegen die Theorie auf menschliche Gesellschaften nicht anwendbar wäre. Allerdings kommt der Optimierungsalgorithmus der natürlichen Selektion auch ohne die Nebenbedingung der Ressourcenverknappung und dem damit verbundenen gnadenlosen Kampf ums Überleben aus. Statt dessen reicht bereits eine ganz normale Konkurrenz unter den Individuen. Auf diesem Mißverständnis beruht ganz wesentlich die Kritik Joachim Bauers an Kernaussagen der Evolutionstheorie. (Vgl. Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren, 2006). »Die Macht der natürlichen Auslese ist größer als uns bloße Intuition zu erwarten erlaubt. .... Denken Sie an eine Herde von tausend grauen Pferden und darunter ein paar Individuen mit leicht abweichenden Grautönen sowie Mutationen, die dieses Merkmal beeinflussen können. Besuchen Sie die Herde alle hundert Jahre einmal und entfernen Sie die Variante mit der jeweils hellsten Farbe. Einfache Berechnungen können zeigen, daß diese Vorgehensweise innerhalb von einer Million Jahren in einer Herde einheitlich schwarzer Pferde resultieren könnte. Mit anderen Worten: Zufallsbedingte Variation und eine sogar sehr mild wirkende Selektion können Erstaunliches hervorbringen.« (Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?, 2002, S. 35f.). (Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum!, 2007, S. 18-19). |
Sexualpartner, die den höheren elterlichen Aufwand treiben, stellen im allgemeinen für das andere Geschlecht die knappere Ressource dar. Das Konzept des Elterninvestments ist deshalb in der Lage, die Geschlechterrolle und die Intensität des Paarungswettbewerbs vorherzusagen:
Im Rahmen der sexuellen Selektion wählen die Weibchen bevorzugt Männchen mit bestimmten Merkmalen aus, die eine besonders große genetische Fitneß des Sexualpartners erwarten lassen. Durch die Auswahl desjenigen Männchens mit der besten genetischen Fitneß wird die Fitneß der Nachkommen erhalten oder sogar erhöht. Bei manchen Arten selektiert nicht das Weibchen anhand von Fitneßindikatoren, sondern es setzt sich ein Männchen aufgrund überlegner Fitneß im Wettbewerb gegenüber anderen männlichen Konkurrenten durch, woraufhin es vom (von den) Weibchen als Paarungspartner akzeptiert wird. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Den Reproduktionserfolg haben bevorzugt die Männchen mit der besten genetischen Fitneß. Daneben existieren in der Natur zahlreiche andere Ausprägungen des Selektionsmechanismus. Bei Wölfen etwa bestimmen sowohl Männchen als auch Weibchen das jeweilige Leittier und nur diese beiden Individuen paaren sich miteinander. Beim Menschen selektieren vor längerfristigen Bindungen üblicherweise beide Partner. (Peter Mersch, Die Emanzipation- ein Irrtum!, 2007, S. 19-20).Der Mensch hebt sich in der Natur durch besonders ausgeprägte Elterninvestments hervor (vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie, 2003, S. 80), was eine direkte Folge der Entwicklung des menschlichen Gehirns sein dürfte. Damit die Passage des im Laufe der Menschwerdung immer größer werdenden Kopfes von Säuglingen während der Geburt durch den Muttermund und die Beckenknochen der Frau noch möglich war, bedurfte es seitens der Natur einer Doppelstrategie: Menschliche Säuglinge kommen als hilflose Frühgeburten zur Welt, damit ihr Kopf nach der Geburt noch weiter wachsen kann (vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie - Grundlagen und theoretische Perspektiven, 3. Auflage, 2004, S. 27). Ein Kind muß deshalb unbedingt durch Erwachsene aufgezogen, beschützt und über eine längere Zeit sogar getragen werden (vgl. Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994, S. 88; Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 303ff.). (Peter Mersch, Die Emanzipation- ein Irrtum!, 2007, S. 23).Damit verbunden waren eine ganze Reihe weiterer Veränderungen (vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 74ff.):
In diesem Zusammenhang sind auch die folgenden Fakten zu bedenken:
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Offenbar hat die Natur den Drang zur Reproduktion zumindest beim Menschen mit Lustgefühlen unterlegt, die für sich allein schon ausreichen, den Fortpflanzungstrieb zu stillen, und die möglicherweise - ähnlich wie die ständige sexuelle Empfänglichkeit der Frauen - der gegenseitigen Partnerbindung dienen. Seit der Einführung der Pille ist die Befruchtung durch die Frau sicher kontrollierbar, während die angenehmen Fortpflanzungsgefühle beim Sex unabhängig von den Fortpflanzungsabsichten bestehen bleiben. Dies hat zu einer Trennung von Sexualität und Fortpflanzung (beziehungsweise von Paarnngs- und Reproduktionserfolg) geführt, die die Reproduktion nicht länger als einen Trieb des Lebens erscheinen läßt, sondern als eine ökonomisch abschätzbare Verhaltensweise. Dies erklärt unter anderem auch " die Bedeutung der ökonomischen Theorie der Fertilität (siehe Abschnitt »Fertilitätstheorien« [] ab Seite 6) für das Reproduktionsverhalten in entwickelten Gesellschaften. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 42-43). |
Gemäß der Evolutionstheorie ist Evolution dann unvermeidlich, wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion und Vererbung gegeben sind. Im folgenden sollen drei nichtbiologische Bereiche näher beschrieben werden, für die die genannten Bedingungen erfüllt sind:
Die ... Eliminierung der Tauglichsten ist das genaue Gegenteil der natürlichen Selektion. Sie entspricht dem aktuellen Reproduktionsverhalten moderner menschlicher Gesellschaften. Die langfristigen Folgen dürften in beiden Fällen ähnlich verheerend sein. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 43).Kernbestandteil der Mem-Theorie ist die Behauptung einer neben der Evolution der Gene existierenden zweiten, schnelleren und unabhängig von den Genen verlaufenden Evolution: die kulturelle Evolution, deren Einheiten die Meme sind. (Vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976; Susan Blackmore, Evolution und Meme, in: Alexander Becker et al., Gene, Meme und Gehirne, 2003). Lebewesen streben nach Reproduktion, denn diese macht das Leben aus. Gemäß der Auffassung von Richard Dawkins sind Lebewesen in erster Linie Überlebensmaschinen für die im Rahmen der Reproduktion weiterzugebenden Gene. (Vgl. Richard Dawkins, ebd., S. 52ff.; Matt Ridley, Eros und Evolution, 1995, S. 20). Allerdings erklärt sich hieraus noch nicht die Rolle der menschlichen Kultur, weswegen für Dawkins das Konstrukt eines Kulturreplikators mit dem Namen Mem erforderlich wurde. (vgl. Richard Dawkins, ebd., S. 316ff.). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 43-44).Meme sind also etwas grundsätzlich anderes als Gene, sollen sich aber nach einem ähnlichen Schema als Überlebensmechanismus deuten lassen. Auch für die Meme gilt der evolutionstheoretische Dreiklang von Variation, Selektion und Vererbung (Replikation). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 44).Meme vermehren sich, anders als Gene, nicht über die biologische Vererbung, sondern durch Imitation. Wann immer jemand etwas per Nachahmung von jemand anderem übernimmt - zum Beispiel Wörter und Wendungen, Theorien, Techniken, Moden und Melodien -, wird ein Mem repliziert (Vererbung). Der genetischen Mutation entsprechen dabei die Abwandlungen oder Neukombinationen von Memen, wie sie im Prozeß der Imitation unweigerlich geschehen (Variation). Und schließlich findet sich auch so etwas wie eine Selektion von Memen. Meme stehen nämlich in Konkurrenz zueinander. Sie brauchen gemäß Mem-Theorie zur Replikation den menschlichen Geist als Ressource. Es kommt dann zum Survival of the Fittest, denn nur wenige Theorien, Geschichten oder Melodien werden sich über einen längeren Zeitraum in viele Gehirne einnisten. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 44).Was die Gene für die Lebewesen sind, sind die Meme für die Kultur. Die Akteure sind letztendlich die Meme, die Menschen als deren vermeintliche Autoren dagegen bloß deren Transportvehikel. Bei Memen handelt es sich also um Einheiten, die ähnlich wie Gene danach »streben«, sich zu verbreiten und zu vermehren. Meme wetteifern darum, in so viele Gehirne wie möglich zu gelangen und sich dort zu behaupten. Diese Konkurrenz der Meme hat letztendlich unseren Geist und unsere Kultur geformt. In diesem Sinne sind Menschen allesamt Mem-Maschinen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 44).Ein Aspekt ist jedenfalls dabei nicht von der Hand zu weisen: Menschen können sich anders als Tiere offenbar auch kulturell verewigen. Möglicherweise ist dies mit ein Grund für das zunehmend feststellbare Bedürfnis, im Internet eine virtuelle Spur der eigenen Person zu hinterlassen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 44).Offenbar gibt es für Menschen zwei unterschiedliche Strategien, sich in die Zukunft fortzupflanzen:
ln den modernen Industriegesellschaften bewegt sich der Mensch nicht mehl in der Natur, sondern vorwiegend in einer technisierten, künstlichen Umgebung. Diese künstliche Umgebung entwickelt sich gemäß den gleichen Prinzipien, wie die sie umgebende Natur. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 45).Betrachten wir als Beispiel einmal den Volkswagenkonzern mit seinem wichtigsten Produkt, dem »VW Golf«. Der Golf konkurriert innerhalb eines bestimmten Marktsegments direkt mit Produkten anderer Hersteller. Auf dem Markt existiert also eine Vielfalt ähnlicher Produkte (Variation). Ökonomen weisen immer wieder darauf hin, daß Konkurrenz den Markt belebt und die Weiterentwicklung fördert, Staatsmonopole dagegen den Fortschritt behindern. Die Bedingung der Variation ist also auch für die technische Evolution von entscheidender Bedeutung. Je erfolgreicher sich der Golf verkaufen läßt, desto höher werden die Einnahmen (Geld, Ressourcen) des Volkswagen Konzerns sein, weswegen dieser entsprechend mehr in die Produkterneuerung und gegebenenfalls in zusätzliche Produkte (= Nachwuchs) investieren kann (Selektion), wodurch er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft besonders erfolgreich sein dürfte. Ein Golf neuerer Generation wird in der Regel aber immer noch große Ähnlichkeiten mit seinem Vorgängermodell besitzen (Vererbung). Auch ganz neue Produkte werden üblicherweise auf den bei älteren Produkten gewonnen Erkenntnissen und Fertigkeiten basieren. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 45).Die drei Kriterien der Evolutionstheorie sind also erfüllt. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 46).Mit anderen Worten: Der moderne Mensch bewegt sich zunehmend in einer künstlichen und technisierten Welt, die seine Umgebung darstellt, und die sich gemäß den Evolutionsprinzipien weiterentwickelt. Jacques Neirynck beschreibt in Der göttliche Ingenieur (1994) den unvermeidlichen, ziellosen und sich verselbständigenden Charakter der technischen Evolution. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 46).Durch eine Veränderung von Rahmenbedingungen kann in der Regel jedoch steuernd auf die Richtung der technischen Evolution Einfluß genommen werden. Beispielsweise könnte man allgemein beschließen, nur noch Autos zum Straßenverkehr zuzulassen, die weniger als fünf Liter Benzin auf 100 km verbrauchen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 46).Das Beispiel der technischen Evolution zeigt ganz nebenbei, daß das Vererbungsprinzip der Evolutionstheorie auf Konstrukte wie Meme nicht angewiesen ist. Statt dessen reicht bereits ein einfacher Statuserhaltungsmechanismus. Bei der Fortpflanzung von Lebewesen dienen dazu die Gene. Im obigen Volkswagenbeispiel könnte dies das Unternehmens-Know-how sein. Im Rahmen der kulturellen Evolution könnte man sich dafür die menschlichen Gehirne, aber auch anderes Wissen in Form von Bibliotheken, Archiven und Datenbanken vorstellen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 46).Auch die Entwicklung des Leistungssports folgt den Gesetzen der Evolution. Dies soll am Beispiel des Profifußballs verdeutlicht werden. Betrachten wir dazu einmal die Fußball-Bundesliga als eine Population, die sich zu jedem Zeitpunkt aus 18 Individuen zusammensetzt, und zwar den verschiedenen Bundesligamannschaften (Variation). Eine Bundesliga-Saison entspräche einer Generation. In unserem Beispiel besteht die Fortpflanzung nun darin, in die nächste Saison zu kommen. Anders als beim Menschen handelt es sich hierbei natürlich um eine nichtgeschlechtliche Fortpflanzung. Man darf sich das vereinfacht ungefähr so vorstellen: Wenn Bayern München sowohl in der Saison 2005/2006 als auch 2006/2007 in der Fußball-Bundesliga spielt, dann handelt es sich hierbei um zwei verschiedene Individuen. In der Saison 2005/2006 spielt sozusagen das Elterntier und in der darauf folgenden Saison dann dessen Kind. Dabei bleibt der Name unverändert, ähnlich wie dies im wirklichen Leben bei Eltern und Kindern auch ist. Wenn wir uns nun die Spieler einer Mannschaft noch als deren Gene vorstellen, dann haben die Mannschaften in einer Saison zwar nicht notwendigerweise die gleichen Gene wie in der vorangegangenen Saison, aber wohl doch sehr ähnliche (Vererbung). Auf diese Weise haben wir ein einfaches Vererbungsmodell konstruiert, welches nun noch um das Prinzip der natürlichen Selektion erweitert werden soll. Am Ende einer Fußballsaison bleiben die erfolgreicheren Mannschaften der Fußball-Bundesliga erhalten, während die drei Mannschaften mit den schwächsten Ergebnissen absteigen müssen. Mit anderen Worten: Die Tauglichsten pflanzen sich in die nächste Saison (Generation) fort, während schwächere Mannschaften (Individuen) eliminiert werden. Dieses Prinzip entspricht exakt der natürlichen Selektion der Evolutionstheorie (Selektion). Zusätzlich gilt zumindest für den Profisport: Besonders erfolgreiche Mannschaften erzielen meist besonders hohe Einnahmen, können folglich teurere und bessere Spieler beziehungsweise Trainer verpflichten als ihre direkten Widersacher und eventuell damit ihren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz sichern oder sogar ausbauen. Auch dies entspricht dem Selektionsprinzip: Wer erfolgreicher ist und mehr Einnahmen erzielt, pflanzt sich fort und kann zusätzlich auch mehr in die Zukunft investieren. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 46-47).Alle drei Prinzipien der Evolutionstheorie - Variation, Selektion und Vererbung - sind also erfüllt. Evolution ist somit unvermeidlich. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 47).Bei den Prinzipien Variation, Selektion und Vererbung handelt es sich um die zentralen Mechanismen, die eine Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Anforderungen und damit eine Spielentwicklung im Fußball überhaupt erst möglich machen. Beispielsweise hat sich das Fußballspiel im Laufe der Zeit sowohl in Bezug auf Tempo, Taktik als auch Professionalität deutlich verändert. Diese Veränderungen geschahen aber nicht absichtsvoll oder waren gar von langer Hand geplant, sondern sind Ergebnis einer fortlaufenden Optimierung auf Basis der Evolutionsprinzipien im Zusammenwirken mit gleichzeitigen Änderungen der äußeren Rahmenbedingungen. Es muß sich dabei auch nicht zwingend um »Verbesserungen« handeln, die das Fußballspiel »schöner« oder »attraktiver« als noch vor 50 Jahren machen, allerdings um Optimierungen im Bezug auf die jeweils aktuellen Rahmenbedingungen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 47).Doch nehmen wir einmal an, man würde die Fußball-Bundesliga ganz anders, und zwar gemäß den folgenden Regeln organisieren:
Die hier gerade vorgestellte Eliminierung der Tauglichsten ist das genaue Gegenteil der natürlichen Selektion. Sie entspricht dem aktuellen Reproduktionsverhalten moderner menschlicher Gesellschaften. Die langfristigen Folgen dürften in beiden Fällen ähnlich verheerend sein. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 48). |
Eine unter Evolutionsbiologen häufig diskutierte Frage ist, ob biologische Arten so etwas wie eine Gruppenselektion kennen. Oder anders ausgedrückt: Haben Individuen einen Gesamtblick für die Größe der jeweiligen Population, so daß die einzelnen Mitglieder ab einer bestimmten Populationsstärke ihre Nachwuchszahlen reduzieren, oder entscheiden sie über die Zahl ihrer Nachkommen ausschließlich gemäß individuellen, egoistischen Kriterien ganz eigenständig für sich? (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 48).Die Beantwortung dieser Frage ist auch für demographische Erörterungen von erheblicher Bedeutung, denn schließlich geht es hierbei um das Thema Bevölkerungsentwicklung: Denken Familien bei der Nachwuchsentscheidung ausschließlich an sich, oder betreiben sie ganz nebenbei auch noch ein wenig Bevölkerungsplanung? (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 49).Das biologische Konzept der Gruppenselektion stammt von Wynne-Edwards, der die Vermutung äußerte, die Individuen einer Population würden zum Wohle der ganzen Gruppe weniger Nachkommen haben, als sie zu bekommen fähig sind. (Vgl. V. C. Wynne-Edwards, Evolution Through Group-Selection, 1986). Dabei dienen insbesondere wichtige Funktionen des sozialen Lebens wie Territorialverhalten und Dominanzhierarchien als Mechanismen der Populationsregulation. (Vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 203). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 49).Relativ gut dokumentiert ist, daß Tiere bei Überbevölkerung ihre Geburtenraten reduzieren, wobei sie das in Experimenten selbst dann tun, wenn die Nahrung bewußt reichhaltig angeboten wird. Gemäß Wynne-Edwards ist das ein Beleg für die Existenz einer Gruppenselektion. Dawkins hält dem allerdings entgegen, Tiere seien für die freie Wildbahn programmiert und würden deshalb bei Überbevölkerung (= geringem Raumangebot) implizit von einer zukünftigen Hungersnot ausgehen. (Vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 213). Trotz reichhaltiger aktueller Nahrung würden sie eine baldige Nahrungsknappheit antizipieren und folglich ihre Nachwuchszahlen reduzieren. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 49).Unabhängig davon, welche der beiden Auffassungen nun zutreffend ist oder nicht, in jedem Fall dürften die Überlegungen auch für menschliche Gesellschaften von Bedeutung sein, denn immerhin wurde bereits von anderen Autoren ein sogenanntes biologisches Massenwirkungsgesetz vorgeschlagen, welches ebenfalls eine Beziehung zwischen Fertilität und Bevölkerungsdichte vermutet. (Vgl. Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz - Ursache von Aufstieg und Untergang von Kulturen, 1985). Und tatsächlich ist die Fertilitätsrate in Städten meist deutlich niedriger als auf dem Land, was insbesondere Stadtstaaten wie Hongkong oder Singapur zu spüren bekommen, die mit Fertilitätsraten von 0,95 beziehungsweise 1,05 mittlerweile die Schlußlichter in der Welt bilden. Auf der anderen Seite haben nun aber häufig auch Staaten niedrige Geburtenraten, die gleichzeitig über geringe Bevölkerungsdichten verfügen (z.B. Rußland: Fertilitätsrate 1,28 bei 8 Einwohner pro km²). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 49).Zur Zeit gehen fast alle gängigen Fertilitätstheorien (zum Beispiel die ökonomische Theorie der Fertilität, siehe Abschnitt »Fertilitätstheorien« [] ab Seite 6) von einer Nachwuchsentscheidung auf individueller Familienbasis aus, wenngleich daneben sehr wohl die Bedeutung von übergeordneten kulturellen Gesichtspunkten gesehen wird. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 49-50).Staatliche und gegebenenfalls sogar international abgestimmte Gruppenselektion dürften bereits im naher Zukunft zu den unerläßlichen Kompetenzen der Menschheit zählen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 50). |
Der Begriff Ressourcen der Evolutionstheorie übersetzt sich in modernen Gesellschaften nahtlos in Geld: Wer Geld hat, hat den Zugriff auf Ressourcen (zum Beispiel Energie) seiner Wahl. Gesellschaftlicher Erfolg läßt sich folglich an einem entsprechenden Einkommen beziehungsweise Besitz oder auch an einer mit entsprechenden Verfügungsrechten verbundenen gesellschaftlichen (Macht-)Position ausmachen. Für menschliche Gesellschaften kann die natürliche Selektion dann wie folgt vereinfacht formuliert werden:
Bildung avancierte zum entscheidenden Erfolgskriterium unserer Gesellschaft. »Bildung ist das höchste Gut, Bildung ist teuer, in Bildung muß investiert werden sowohl von den Einzelnen als auch von Staat und Wirtschaft.« (Ulrich Beck, Was zur Wahl steht, 2004, S. 103). .... Bildung eröffnet in Gesellschaften unseres Typs die größte Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten. .... So weit so gut. Die Sache hat leider nur einen Haken: Bildung steht der Reproduktion im Wege. So läßt sich beispielsweise für die USA und Deutschland feststellen: »Je mehr in die individuelle Bildung investiert wird, um so unwahrscheinlicher ist die Entscheidung für Kinder, insbesondere für mehrere Kinder. .... Bei genauerer Betrachtung der Kinderlosigkeit us-amerikanischer Frauen im Alter zwischen 40 und 44 Jahren und dem Vergleich mit Deutschland sind die Ausbildung und die erreichte Berufsposition die beiden zentralen Faktoren für die individuelle Entscheidung, ohne Kinder zu leben.« (Hans Bertram / W. Rösler / N. Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik, 2005, S. 14). Diese Ergebnisse gelten bezüglich des Grades der Kinderlosigkeit als auch der vollständigen Fertilität ganz ähnlich auch für schwedische (vgl. G. Neyer / G. Andersson / J. Hoem / M. Ronsen / A. Vikat, in: Hans Bertram / H. Krüger / C. K. Spieß [Hrsg.], Wem gehört die Familie der Zukunft?, 2006) und französische (Jan M. Hoem, Warum bekommen die Schweden mehr Kindr als die Deutschen?, 2006) Frauen, obwohl in vielen Studien und Medienberichten etwas anderes behauptet wird. Allerdings zeigt die Analyse für Schweden, daß Frauen, die einen Bildungsabschluß für den Unterrichts- oder den Gesundheitsbereich haben, unabhängig vom Bildungsabschluß eine deutlich niedrigere Kinderlosigkeit und eine deutlich höhere Zahl an Kindern (vollständige Fertilität) aufweisen, als Frauen, die eine Ausbildung im Verwaltungsbereich, in den Sozialwissenschaften, im Wirtschaftsbereich, aber auch in persönlichen Diensten haben. Man könnte deshalb sagen: Je sicherer und kindorientierter die Beschäftigung, desto mehr Kinder werden von den Frauen geboren. Grundschullehrerinnen weisen zum Beispiel eine deutlich höhere Fertilität als Oberstufenlehrerinnen auf. Besonders niedrig ist die Zahl der Kinder bei promovierten Geisteswissenschaftlerinnen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 52-53).Eine bestandserhaltende gesellschaftliche Reproduktion wird bei durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau erreicht. Eine solche Fertilitätsrate ist aber primär unter den Erfolgreichen und Hochqualifizierten anzustreben, denn das Selektionsprinzip reklamiert in erster Linie eine Bestandserhaltung unter den am besten an die aktuellen Bedingungen engepaßten Individuen (Korrelation zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg). .... Reproduziert sich eine Bevölkerung ... nur mit einer Fertilitätsrate von 1,38, der Bevölkerungsteil mit hoher Bildung sogar nur mit einer Rate von 1,14, dann ist folglich in erster Linie der Wert für die hohe Bildung von Interesse, weil er das Ausmaß der tatsächlichen Nichtbestandserhaltung realistischer widerspiegelt. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 53).Insgesamt lassen die Daten aus verschiedenen internationalen Erhebungen nur einen Schluß zu: Das Fortpflanzungsverhalten der Bevölkerungen in den entwickelten Ländern widerspricht dem Prinzip der natürlichen Selektion. Eine weitere Evolution solcher Populationen scheint deshalb kaum vorstellbar. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 54).Wenn sozialer Aufstieg Bildung voraussetzt, dieser gleichzeitig aber die Fortpflanzungschancen signifikant reduziert, dann stellt sich die Frage nach dem Sinn des sozialen Auftsiegs. geht es hier nur darum, ein möglich angenehmes Leben zu führen und jedes Jahr ein- oder zweimal einen Urlaub in fernen Ländern zu verbringen, und das alles auf Kosten eines genetischen Ausscheidens asu dem Spiel der Evolution? (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 54).Das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie postuliert klipp und klar: Erfolgsmerkmale werden insbesondere dadurch von einer Generation an die nöächste »vererbt«, daß erfolgreiche Individuen im Durchschnitt mehr Nachkommen aufziehen als weniger erfolgreiche. Wenn Bildung das höchste Gut ist und sich daran ganz entscheidend gesellschaftlicher Erfolg ausmacht, dann müssen gemäß Evolutionstheorie Menschen mit hohem Bildungserfolg im Durchschnitt mehr Nachkommen haben als andere. Tatsächlich ist es in unserer Gesellschaft aber genau anders herum. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 54).Das empirisch nachgewiesene, mit Bildung negativ assoziierte Fortpflanzungsverhalten moderner Gesellschaften wird auch als das zentrale theoretische Problem der Soziobiologie bezeichnet, da es im offenkundigen Widerspruch zu Grundprämissen der Evolutionstheorie steht. Erklären läßt sich der weltweit bestehende negative Zusammenhang zwischen Bildung und Kinderzahl durch die hohen Opportunitätskosten von Kindern für qualifizierte und beruflich erfolgreiche Frauen: »Eine höhere Bildung und damit bessere Erwerbschancen sollten ... für Frauen und Männer unterschiedliche Effekte auf die Fertilitätsentscheidung haben. Während bei Männern ein positiver Effekt erwartet wird, da sich mit einer höheren Bildung auch das Einkommen erhöht, ist bei Frauen eher mit einem negativen Effekt einer höheren Bildung auf die Fertilität aufgrund der gestiegenen Opportunitätskosten zu rechnen.« (Johannes Kopp, Geburtenentwicklung und Fertilitätsverhalten, 2002, S. 92). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 54).Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß sich mit einem Fortschreiten der weiblichen Emanzipation und insbesondere einer weiteren Steigerung der Frauenerwerbsquote die Ergebnisse für Frauen und Männer angleichen werden, da es dann selbst für beruflich erfolgreiche Männer immer schwerer werden dürfte, eine adäquate Lebensgefährtin zu finden (siehe Bildungshomogamie), die bereit ist, für die Gründung einer größeren Familie für eine längere Zeit auf ihren Beruf zu verzichten. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 57).Auch wird bei einer geschlechtsneutralen Besetzung von Führungspositionen der Anteil qualifizierter Männer, die sich die Finanzierung einer größeren Familie leisten können, signifikant zurückgehen. Die anstelle der Männer aufrückenden Frauen werden dagegen häufig kinderlos sein und bleiben. Und die im öffentlichen Dienst etablierte so genannte Frauenquote dürfte ebenso eine fertilitätssenkende Wirkung haben, da das Geschlecht bei einer Auswahl von Bewerbern Vorrang vor dem Familienstatus hat, und Frauen in verantwortungsvollen Positionen weniger Kinder haben. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 57).Wir können insgesamt die folgenden Zusammenhänge festhalten:
Im Rahmen einer Bekräftigung der Norm der verantworteten Elternschaft sollte Familien, die schon die Mittel für ihre beiden vorhandenen Kinder nicht erwirtschaften können, von einem dritten und weiteren Kindern (das heißt, einer Vermehrung statt Ersetzung der vorhandenen Kopfzahl) abgeraten werden. (Siehe dazu auch die ergänzenden Ausführungen im Abschnitt »Nachwuchsarbeit als Kollektivaufgabe« [] ab Seite 181). Allerdings sollte auf die Entscheidung der Eltern möglichst kein direkter staatlicher Zwang ausgeübt werden. Denn wenn Eltern in ihrem aktuellen Lebensraum schon nicht die Mittel für das eigene Überleben finden und statt dessen auf Ersatzleistungen und Almosen der Gemeinschaft angewiesen sind, dann ist es um so wahrscheinlicher, daß drei, vier oder mehr Nachkommen diese Mittel später einmal erst recht nicht finden werden. Die Eltern würden auf diese Weise zwar ihr (egoistisches) Bedürfnis nach Vermehrung befriedigen, allerdings auf Kosten der Bedürfnisbefriedigung ihrer Nachkommen. Im Klartext heißt das: die Eltern ignorierten das Prinzip der Generationengerechtigkeit (). Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Hier soll nicht einer staatlich verordneten Reduzierung der Geburtenzahlen in sozial schwachen Schichten das Wort geredet werden. Statt dessen soll an Grundprinzipien der Solidargemeinschaft und Generationengerechtigkeit erinnert werden:
Leider scheinen solche einfachen Prinzipien in unserer Gesellschaft zunehmend in Vergessenheit zu geraten, wie auch die Analysen im Abschnitt »Kindergeld« () ab Seite 164 zeigen werden. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 61).Neben einem dem Evolutionsprinzip zuwiderlaufenden Reproduktionsverhalten lassen sich in den entwickelten Ländern auch für die so genannte Brutpflege Auffälligkeiten feststellen. Hochqualifizierte Frauen bekommen nicht nur deutlich weniger Kinder, sondern reduzieren bei starker Berufsorientierung offenbar auch ihre Erziehungsanstrengungen, was zusätzlich zu Lasten der Kinder gehen kann: »Reproduktionsarbeit mutiert zu einer Restgröße, deren Erfordernisse grundsätzlich nachrangig behandelt werden. .... Für beruflich leitende Frauen, insbesondere jedoch für die in Spitzenpositionen ist eine parallele Realisierung der beiden Lebensorientierungen Beruf und Familie (man beachte die Reihenfolge! HB) dem Sinne, daß regelmäßig kindbezogene Alltagsarbeit und eine kontinuierliche Entwicklungsbegleitung der Kinder durch sie geleistet werden, nicht möglich. Die alltägliche Erziehungsarbeit wird weitgehend delegiert (oder findet ab der mittleren Kindheit nur noch sehr eingeschränkt statt).« (Marianne Dierks, Karriere! - Kinder, Küche? Zur Reproduktionsarbeit in Familien mit qualifizierten berufsorientierten Müttern, 2005, S. 398). Ganz allgemein werden in der Bevölkerung zunehmend Erziehungs-, Verhaltens- und Gesundheitsdefizite bei den Heranwachsenden reklamiert. (Vgl. Peter Mersch, Die Familienmanagerin [], 2006, S. 105ff. []). Allein zu diesem Thema gibt es eine umfangreiche Liste an einschlägiger Literatur. Mittlerweile läßt sich in vielen modernen Gesellschaften ein immer stärkerer Trend zu einer Trennung von Zeugungs- und Pflegetätigkeiten erkennen: Mütter setzen zwar ihre Kinder in die Welt, ein erheblicher Teil der Erziehungsarbeit wird dann aber ganz häufig bereits ab der frühen Kindheit von Dritten geleistet33. Eltern können bei diesem Modell ihre spezifischen Kompetenzen nur noch bedingt an ihre Kinder weitergeben. 33 Was bereits zu dem Vorwurf geführt hat, Frauen würden auf diese Weise zu »Gebärmaschinen« degradiert (vgl. KREUZ.NET 2007). Es ist keineswegs sicher, ob sich auf diese Weise noch ausreichende Anreize für das Gebären von Kindern finden lassen. Auch ist fraglich, ob eine solche Vorgehensweise evolutionär stabil sein kann. (Vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 198). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 61-62). |
Das beschriebene nationale Fertilitätsproblem hat eine globale Entsprechung und nennt sich dann demographisch-ökonomisches Paradoxon (vgl. Herwig Birg [], Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa [], in: Christian Leipert [Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 30 []). Übersetzt heißt dies nichts anderes als: Das aktuelle Reproduktionsverhalten der Menschheit (bzw. einer bestimmten Gruppe von Menschen; HB) entspricht nicht dem Selektionsprinzip der Evolutionstheorie. So verfügen arme Entwicklungsländer im allgemeinen über deutlich höhere Fertilutätsraten als entwickelte Nationen. Dies führt zu immer größer werdender ökonomischer Ungleichheit (und diese wiederum zu immer noch größer werdender demographischer Ungleichheit u.s.w. u.s.w. u.s.w. [... ein Teuefelskreis]! HB). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 62).Betrachten wir zur Veranschaulichung einmal das folgende Beispiel: Eine Bevölkerung aus insgesamt 1001000 Personen sei in 1001 Gruppen mit jeweils 1000 Personen gegliedert (oder die Erde in eine entsprechende Zahl an Ländern). Die Gruppen seien mit den Ziffern 0 bis 1000 gekennzeichnet. Nehmen wir nun an, die Mitglieder der Gruppe 0 hätten ein monatliches Einkommen von 100 Euro, die Mitglieder der Gruppe 1 von 101 Euro, bis schließlich zur Gruppe 1000, in der jedes Mitglied monatlich 1100 Euro verdient. Insgesamt ergibt dies ein monatliches Gesamteinkommen von 600600000 Euro, woraus sich ein monatliches Durchschnittseinkommen von 600 Euro pro Kopf errechnet. Gemäß der Definition der Europäischen Union würden alle Personen mit einem Einkommen niedriger als 300 Euro als arm gelten. In unserem Beispiel wären dies 200000 Personen, das heißt fast 20 Prozent der Bevölkerung. Nehmen wir nun zusätzlich an, die obige Bevölkerung verhielte sich gemäß dem demographisch-ökonomischen Paradoxon (), das heißt, die ärmeren Bevölkerungsgruppen würden mehr, die reicheren weniger Kinder in die Welt setzen. Einfachheitshalber sei angenommen, die einzelnen Bevölkerungsgruppen G reproduzierten sich von einer Generation zur nächsten gemäß der Formel:
Allerdings könnte man das Modell auch etwas eigentumsorientierter gestalten. In diesem Fall würde das Gesamteinkommen pro Gruppe generationenübergreifend unverändert bleiben. Hätten etwa die 1000 Mitglieder der Gruppe 1000 in der ersten Generation ein Gesamzeinkommen von 1100000 Euro, so teilten sich dieses in der nächsten Generation nur noch 500 Personen, weswegen deren Pro-Kopf-Einkommen nun auf 2200 Euro angewachsen wäre. Möglicherweise ist eine solche Vorstellung sogar realistischer als das erste Modell, zumindest im internationalen Kontext. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 63).Nimmt man dieses Modell als Basis, dann wären in der zweiten Generation sogar fast 32 Prozent der Bevölkerung arm (vormals 20 Prozent), während eine kleiner werdende Elite immer reicher würde. Mit anderen Worten: Große vermögen konzentrierten sich auf einige wenige Superreiche, während der Rest der Bevölkerung zunehemnd verarmte. (Man beachte: Das Modell argumentiert ausschließlich reproduktiv und benötigt keinerlei Rückgriffe auf ökonomische Prozesse wie Globalisierung, Paradigma des freien Marktes, Kapitalkonzentration u.s.w.). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 63).Genauso sieht aber auch die Realität längst aus: Auf Länderebene bewirken die geringen Kinderzahlen der Oberschicht eine immer stärkere Konzentration ihrer Vermögen, während weite Teile der Bevölkerung immer ärmer werden. Auf globaler Ebene bewirken die geringen Geburtenzahlen der entwickelten Länder ebenfalls eine immer stärkere Konzentration ihres Reichtums, während die Entwicklungsländer immer bevölkerungsreicher und ärmer werden. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 63-64).An dieser Stelle möchte ich eine gewisse Skepsis gegenüber verschiedenen Initiativen des globalen Ausgleichs anmelden. Diese werden meines Erachtens nur dann erfolgreich sein, wenn es den Entwicklungsländern gelingt, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen. In einigen Zukunftsszenarien wird bereits auf die Gefahr von globalen Völkerwanderungen hingewiesen. Ursächlich dafür dürfte aber nicht nur eine durch die reichen Länder bewirkte Ungleichheit sein, sondern auch das ungeplante Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern selbst. Wenn die eine Seite etwa gelobt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und jeden Menschen auf dem Globus die gleichen Verschmutzungsrechte zugesteht, dann kann das nur funktionieren, wenn die andere Seite ihre Bevölkerungszahlen in Grenzen hält. Einschränkungen auf der einen Seite und ungeplantes Wachstum auf der anderen seite sind zwei Dinge, die nur schwer zueinander finden werden. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 64).Auch fiür das global wirkende demographisch-ökonomische Paradoxon gibt es naheliegende Gründe: Durch zivilisatorische Errungenschaften (insbesondere der Medizin) können es sich die Menschen in den entwickelten Ländern »leisten«, weniger Kinder in die Welt zu setzen, da die Sterblichkeit gering ist. Einige der wichtigsten medizinischen Erkenntnisse (zum Beispiel Hygiene) und viele Leistungen der Lebensmittelindustrie wurden aber auch in die Dritte Welt exportiert, so daß dort Kinder nun eine deutlich höhere Überlebenschance besitzen. Mit anderen Worten: Die Sterblichkeit geht zurück. Die Bevölkerungen scheinen aber ihr Reproduktionsverhalten nur sehr langsam an die veränderten Verhältnisse anzupassen, zumal wirksame Empfängnisverhütungsmittel häufig gar nicht zur Verfügung stehen. Es wird aber erwartet, daß eine solche Anpassung, die in zahlreichen Schwellenländern und sogar einigen Entwicklungsländern bereits zu beobachten ist und den Namen demographischer Übergang () trägt, global noch stattfinden wird, so daß viele dieser Länder noch in diesem Jahrhundert in den demographischen Wandel eintreten könnten. Beschleunigende Effekte können offenbar durch Bildungsmaßnahmen - insbesondere auf Seiten der Frauen - erzielt werden. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 64).
Generell läßt sich feststellen: Je höher die gesellschaftlichen Bildungsanforderungen sind, desto mehr steigen die elterlichen Investitionen in Kinder und desto kürzer wird gleichzeitig der speziell den Frauen für die Reproduktion zur Verfügung stehende Zeitraum, was wiederum ein Sinken der Fertilitätsrate und eine Verlängerung des Generationenabstands zur Folge haben dürfte. (Vgl. Hans Bertram / W. Rösler / N. Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik, 2005, S. 45f.). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 65).Durch die Überbevölkerung und den dadurch verursachten Mangel an Ressourcen kann es in naher Zukunft in zahlreichen Ländern der Erde vermehrt zu kriegerischen Auseinandersetzungen (insbesondere Bürgerkriegen) kommen, bei denen es sich nach Meinung einiger Autoren um Mittel zur Bevölkerungsreduktion handelt. (Vgl. Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz - Ursache von Aufstieg und Untergang von Kulturen, 1985; Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994). Auch der globale Terrorismus könnte Ausdruck eines sich global verschärfenden Bevölkerungsproblems sein. (Vgl. Gunnar Heinsohn [], Söhne und Weltmacht, 2003 []). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 65). |
In den letzten Abschnitten wurde herausgearbeitet, daß das Reproduktionsverhalten moderner menschlicher Gesellschaften das Prinzip der natürlichen Selektion verletzt. Statt dessen gelten nachweislich die folgenden Beziehungen:
Menschliche Gesellschaften fördern ganz explizit kooperative Verhaltenaweisen und sanktionieren unerwünschte Verletzungen des Prinzips. Dies scheint eine so lange Tradition zu haben, daß es im menschlichen Gehirn dafür bereits entsprechende Strukturen und biochemische Belohnungsprozesse gibt (vgl. Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren, 2006). Für menschliche Gesellschaften ist Kooperation wichtiger als Konkurrenz. (Vgl. Franz Josef Radermacher / Bert Beyers, Welt mit Zukunft - Überleben im 21. Jahrhundert, 2007, S.88ff.) (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 68-69)Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird - sollte keine Lösung für die mit ihr einhergehende Geburtenschwäche gefunden werden - erneut dem Patriarchat weichen müssen. (). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 69).
Auch wenn die Begriffe Eugenik und Dysgenik durch die Vergangenheit negativ besetzt sind, sollen sie im weiteren Text aus Gründen der Einfachheit im folgenden Sinne verwendet werden (aber auch, um der Philosophie des vorliegenden Buches treu zu bleiben, daß nämlich ein Tabu zunächst einmal etwas sein könnte, was dem Erkenntnisgewinn im Wege steht):
In modernen Gesellschaften sind sozialer Aufstieg und sozialer Erfolg ganz eng mit Bildung verknüpft. Bevölkerungspolitische Maßnahmen, die in solchen Gesellschaften die Anhebung der Geburtenraten in Schichten mit hohem Bildungsniveau zum Ziel haben, wären dann ebenfalls als eugenisch zu bezeichnen. Die scheinbare Wertung kommt hierbei erst durch die soziale Bedeutung der Bildung (»Bildung ist das höchste Gut«) zustande. In Gesellschaften, in denen eher Laufleistung, Werfgenauigkeit oder Muskelkraft von Vorteil sind, könnten die gleichen Maßnahmen dagegen sogar ausgesprochen dysgenische Effekte haben. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 69-70).Interessant ist nun, daß in den meisten Gesellschaften, wie etwa der Bundesrepublik Deutschland, die folgenden Maßnahmen allesamt (und zum Teil kumulierend) dysgenisch wirken:
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Die Prinzipien der Evolutionstheorie wirken eugenisch, moderne menschliche Gesellschaften reproduzieren sich dagegen dysgenisch. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 70).Die Anwendung der Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften wird häufig als Sozialdarwinismus bezeichnet und diskreditiert. Meist steckt hinter einer solchen Kritik ein unzutreffendes Verständnis der Evolutionstheorie. Eine Diskussion des Verhältnisses von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus findet sich zum Beispiel in: Christian Vogel, Anthropologische Spuren [Hrsg.: Volker Sommer], 2000, S. 179ff.. Der Brockhaus definiert Sozialdarwinismus wie folgt: Sammelbegriff für alle sozialwissenschaftlichen Theorien, die Charles Darwins Lehre von der natürlichen Auslese (Selektionstheorie) auf die Entwicklung von menschlichen Gesellschaften übertragen. So wurde die wirtschaftliche und soziale Entwicklung als vom Kampf der Individuen und Gruppen ums Dasein verursacht gedacht und als Grundgesetz der Geschichte aufgefaßt (L. F. Ward, W G. Summer). Der Sozialdarwinismus diente zeitweise als Rechtfertigung für bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sowie rassistische Theorien. (Vgl. Brockhaus in 18 Bänden, 2002, Band 13, S. 153). Man erkennt unmittelbar: Hier geht es in erster Linie um den Kampf ums Dasein. Dieser spielt zwar auch in den ursprünglichen Darwinschen Formulierungen eine Rolle (Antilopen kämpfen nun einmal gegenüber Löwen ums Überleben), allerdings hat dieser Kampf für die Evolutionstheorie tatsächlich nur eine untergeordnete Bedeutung, den sie kommt bereits mit einfacher Konkurrenz aus. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 70-71).Die ... Kriterien der Evolutionstheorie sind Variation, Selektion und Vererbung, ihr Gegenstand ist die Weiterentwicklung von Populationen und Arten mittels Reproduktion. Auf welche Weise die verschiedenen Lebewesen ihre für die Reproduktion zusätzlich erforderlichen Ressourcen erwirtschaften - ob durch Konkurrenz, Mord, Lug, Betrug, Kooperation oder Altruismus -, ist der Evolutionstheorie letztendlich egal. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 71).Physikalische Gesetze legen zum Beispiel fest, daß Satelliten in geostationärer Umlaufbahn etwa in 42000 km Entfernung vom Erdmittelpunkt (beziehungsweise in 36000 km Höhe über der Erdoberfläche) verankert werden müssen. Im Umkehrschluß heißt das: Ein Satellit in 15000 km Höhe befindet sich nicht in geostationärer Position. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 72).Die Evolutionstheorie behauptet nun aber, Variation, Vererbung (die Nachkommen sind ihren Vorfahren ähnlich) und die Korrelation zwischen individuellem Erfolg und Reproduktionserfolg (Selektion) erwirke die Evolution in der Natur. Dieser Mechanismus erlaube es Populationen, sich fortlaufend und über einen möglichst langen Zeitraum an eine sich gleichfalls verändernde Umwelt anzupassen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 72).Eine zwangsläufige Folgerung daraus ist: Haben die »Tüchtigen« einer Population niedrigere Reproduktionsraten als deren Rest, ist eine fortgesetzte Evolution dieser Population wenig wahrscheinlich. Eine solche Population verlöre schon sehr bald ihre Adaptionsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen, und zwar um so eher, je stärker sich die Rahmenbedingungen verändern. Natürlich hat dann eine anschließende Feststellung wie etwa: »Der Verlust der Adaptionsfähigkeit unserer Gesellschaft an sich verändernde globale Rahmenbedingungen sollte unbedingt vermieden werden.« einen normativen Charakter. Aber wer wollte ernsthaft die Sinnhaftigkeit einer solchen Norm bezweifeln? (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 72).Betrachten wir zur Verdeutlichung einmal zwei verschiedene Giraffenpopulationen mit völlig unterschiedlichem Reproduktionsverhalten. Der Körperbau der Giraffe ist durch deren hohe Statur, den sehr verlängerten Hals, Vorderbeine, Kopf und Zunge für das Abweiden hoher Baumzweige angepaßt. Sie kann dadurch Nahrung jenseits der Höhe, bis zu welcher andere Huftiere aus ihrem Lebensraum hinaufreichen können, erlangen. Wenn nun die Bäume auf den Fraß der Tiere oder aus anderen Gründen mit einem Anheben der unteren Baumzweige reagieren, dann werden Giraffendividuen mit besonders langen Hälsen einen Vorteil haben. Weil sie mehr Nahrung erhalten, können sie sich besser als ihre kurzhalsigen Brüder und Schwestern vermehren. Auf diese Weise verlängert sich der Hals der Giraffen mit der Zeit, und zwar ausschließlich aus evolutionären Gründen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 72-73).Giraffen könnten aber auch eine Strategie des demographischen Wandels verfolgen: Die Giraffen mit dem längsten Hals fressen das hohe Laub nur zum Teil selbst, einen größeren Teil (»Laub-Steuer«) brechen sie lediglich ab und lassen ihn zu Boden fallen. Dort wird das Laub von ihren Brüdern und Schwestern mit kürzeren Hälsen gierig aufgenommen und verzehrt. Weil die langhalsigen Giraffen nun den ganzen Tag nicht nur für ihre eigene Nahrungsbeschaffung, sondern auch für die der weniger gut angepaßten Individuen beschäftigt sind, und es bei ihnen keine Aufgabenverteilung bezüglich der Nahrungsbeschaffung zwischen den Geschlechtem gibt (mit anderen Worten: Giraffen-Weibchen sind emanzipiert), haben sie kaum Zeit, sich um eigene Nachkommen zu bemühen. Das erledigen dann für sie - sozusagen arbeitsteilig als Gegenleistung für die Nahrungsbeschaffung - die kurzhalsigen Individuen, die deutlich mehr Jungen bekommen als langhalsige Individuen. Mit der Zeit wird die gesamte Population auf diese Weise immer kurzhalsiger, denn es werden entsprechende Anpassungsreize gesetzt. Der lange Hals stellt zwar prinzipiell einen evolutionären Vorteil dar, allerdings führt er aufgrund der Reproduktionsorganisation der Giraffenpopulation sehr bald zur genetischen Elimination. Weil die kurzhalsigen Giraffen aber sich und ihre Nachkommen ohne die Hilfe ihrer langhalsigen Brüder und Schwestern nicht mehr ausreichend versorgen können, sterben sie kurze Zeit später ebenfalls aus, wobei es zunächst eine längere Übergangszeit mit zunehmender Nahrungsverknappung (Verarmung) geben dürfte. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 73).Interpretiert man die höheren Reproduktionschancen der »Tüchtigen« nicht als das »angestrebte Ziel« der »natürlichen Auslese«, sondern als deren zwangsläufiges Produkt, dann müßte aus dem zweiten Giraffenbeispiel unmittelbar gefolgert werden: Die kurzhalsigen Giraffen sind die »Tüchtigen«, denn sie haben die höchsten Reproduktionschancen. (Oder auch: In modernen menschlichen Gesellschaften befinden sich die Tüchtigen vorwiegend in sozial schwachen und bildungsfemen Schichten.). Leider hätte man aber damit die Evolutionstheorie um eines ihrer wichtigsten Kriterien beraubt, nämlich die Verknüpfung zwischen Ressourcenbeschaffung und Reproduktionserfolg. Das Prinzip der natürlichen Selektion degenerierte auf diese Weise zur bloßen Tautologie. Fehlt die Verbindung zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg, dann können Individuen Erfolgsmerkmale nicht ausreichend an ihre Nachkommen weitergeben. Eine Generationengerechtigkeit () kann unter diesen Umständen nicht gegeben sein. Und das obige Beispiel zeigt dann auch unmißverständlich: Die zweite Giraffenpopulation hat eine ungünstige Fortpflanzungsstrategie gewählt und stirbt in der Folge als Ganzes aus. Natürlich könnte man auch den letzten Satz als wertend abtun. Dies macht aber keinen Sinn, denn letztendlich geht es in der Evolution darum, die Überlebensfähigkeit von Individuen und Populationen zu verbessern. In diesem Sinne ist eine frühzeitige Elimination aus Sicht der Population dann tatsächlich ein unerwünschtes Ereignis. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 73-74).In den entwickelten Gesellschaften kann man nun ein ganz ähnliches Reproduktionsverhalten wie das der zweiten Giraffenpopulationen beobachten, man muß dazu lediglich »langen Hals« durch »großen Kopf« ersetzen. Die sich verändernde Umweltbedingung heißt gesellschaftliche Weiterentwicklung hin zur Wissensgesellschaft im Rahmen der Globalisierung. Wissen und kognitive Fähigkeiten avancieren zu den Kompetenzen, die in modernen und sich im globalen Wettbewerb befindlichen Gesellschaften die höchsten ökonomischen Vorteile (= Erfolg, Geld, Ressourcen) versprechen. Tatsächlich führen sie aber bevorzugt zur evolutionären Elimination, und zwar aus einem geradezu aberwitzigen Grund: Bildung ist in unserer Gesellschaft zwar das höchste Gut, aber nur solange es um die Produktion und nicht die Reproduktion geht. Für das langjährige Aufziehen von Kindern ist dagegen angeblich Liebe das höchste Gut, und für Bildung besteht plötzlich kein Bedarf mehr. Vielfach wird Bildung für Familienarbeiten sogar regelrecht als Verschwendung aufgefaßt. So heißt es dann etwa, eine akademisch ausgebildete Mutter, die sich ganz dem Aufziehen ihrer Kinder widmet, verschwende die Investitionen in ihre Ausbildung und stehe der Gesellschaft gegenüber im Soll. (Vgl. Christian Rickens, a.a.O., 2006, S. 53). All dies zeigt, wie selbstverständlich die allgemeine Abwertung reproduktiver Tätigkeiten in unserer Gesellschaft längst ist. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 74-75). |
Es gibt einen weiteren Einwand gegen die Übertragung evolutionstheoreticher Überlegungen auf gesellschaftliche Prozesse, hinter dem eine Theorie steckt, die in unserer Gesellschaft auf breiteste Akzeptanz stößt. Und diese Theorie lautet in etwa wie folgt: Menschen kommen als unbeschriebenes Blatt auf die Welt. Menschliche Säuglinge sind folglich zunächst einmal alle gleich. Mit entsprechenden Bildungsmaßnahmen und Förderprogrammen können sie dann zu beliebiger Kompetenz geführt werden. Die Weitergabe menschlicher Kompetenzen erfolgt also nicht über Gene, sondern über kulturelle Mechanismen. Das gilt im wesentlichen auch für die beiden Geschlechter. So kommt man nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu gemacht. Sind zu einem späteren Zeitpunkt intellektuelle Unterschiede zwischen verschiedenen Individuen feststellbar, dann ist das in erster Linie die Folge einer unterschiedlichen Sozialisation. Es ist somit egal, wer in einer Gesellschaft Kinder bekommt. Wenn sozial schwache und bildungsferne Schichten mehr Kinder bekommen als Schichten mit hohem sozioökonomischem Status oder Bildungsniveau, dann müssen deren Kinder eben gezielt gefördert werden. Eine qualitative Nichtbestandserhaltung ist immer Folge unzureichender Fördermaßnahmen für den kindlichen Nachwuchs. Diese Theorie soll im folgenden kulturistische Evolutionstheorie genannt werden. (Eine weniger freundliche Bezeichnung ist »Gutmenschentum«). Typische Aussagen im Umfeld der Theorie sind:
Der Grundgedanke der kulturistischen Evolutionstheorie scheint sich in Teilen auf die Mem-Theorie () von Richard Dawkins zu stützen (vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976; Susan Blackmore, Evolution und Meme, in: Alexander Becker et al., Gene, Meme und Gehirne, 2003):
Für die Diskussion spielen auch die Begriffe Phänotyp und Genotyp eine wesentliche Rolle:
Genauer betrachtet bestehen zwischen biologistischen und kulturistischen Auffassungen Vorstellungsunterschiede von beträchtlicher Tragweite: Die Evolution bringt Lebewesen hervor, die an einen bestimmten Lebensraum angepaßt sind. Der Lebensraum selbst unterliegt ständigen Veränderungen. Damit eine Population auf Dauer fortbestehen kann, müssen sich ihre Mitglieder fortpflanzen, was veränderte Genotypen hervorbringt, die dann besser oder schlechter an die sich wandelnde Umgebung angepaßt sind. Die Prinzipien Variation, Selektion und Vererbung sorgen für möglichst gute Startbedingungen der Folgegeneration. Viele Lebewesen sind aber darüber hinaus auch schon zu ihren Lebzeiten so anpassungsfähig, daß sie mit einer Vielfalt an Veränderungen in ihrem Lebensraum klarkommen. Dennoch: Die großen Anpassungen an den Lebensraum erfolgen bei eher biologistischen Auffassungen über die Gene. Eine Konsequenz daraus ist: Lebewesen müssen sterben, denn es wird in regelmäßigen Abständen eine »verbesserte« Hardware benötigt. Kulturistische Auffassungen behaupten nun aber, der Mensch habe diese Verhältnisse durch Kultur und Technik sehr stark verändert und den beschriebenen Prozeß beendet. Beispielsweise habe er erst gar nicht mehr auf eine genetische Anpassung zur optischen Erkennung von Bakterien warten müssen. Ihm genügte es statt dessen, das Mikroskop zu erfinden. Eine fortlaufende natürliche genetische Adaption des Menschen an einen sich verändernden Lebensraum (Gesellschaft, Kultur, Technik) sei nicht länger erforderlich. Deshalb spiele es auch keine Rolle mehr, wer in unserer Gesellschaft Kinder in die Welt setzt. Im Umkehrschluß bedeutete das allerdings: Eine solche Form der regelmäßigen Anpassung wäre nicht länger möglich. Die genetische Weiterentwicklung des Menschen mittels der natürlichen Selektion wäre also zum Erliegen gekommen. Oder anders ausgedrückt: Die biologische Evolution hätte ein Lebewesen hervorgebracht, bei der sie sich selbst ausgehebelt hat. Dieses Lebewesen wäre nun auf ihre Leistungen nicht mehr angewiesen. Eine unmittelbare Konsequenz daraus wäre: Veränderungen am Erbmaterial des Menschen müßten in Zukunft gentechnologisch erfolgen. Die rigorose Ablehnung der Anwendung der Lehre Charles Darwins auf menschliche Gesellschaften könnte der Eugenik also zu einem späten Sieg verhelfen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 78).Ferner dürfte sich nun die Hoffnung aufdrängen, Alterung und Tod und damit auch die Fortpflanzung könnten irgendwann einmal der Vergangenheit angehören. Denn eine Populationsanpassung wäre ja nicht wirklich mehr erforderlich (und auf natürliche Weise auch gar nicht mehr möglich). Statt dessen könnte es genügen, die einzelnen Mitglieder der Population durch technologische Maßnahmen ausreichend anpassungsfähig zu halten oder alternativ die Umwelt durch Technik passend zu machen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 79).An dieser Stelle möchte ich dann doch einmal ganz »unwissenschaftlich« meine Meinung äußern: Ich halte den Grundgedanken der kulturistischen Evolutionstheorie für pure Religion. Die Auffassung hat möglicherweise die Darwinsche Abstammungslehre zur Kenntnis genommen, aber nicht wirklich akzeptiert. Sie hält den Menschen für ein Lebewesen, was zwar ursprünglich einmal vom Affen abstammt, sich nun aber vollständig aus der Evolution herausgelöst hat und damit einzigartig ist. Die Evolution hätte demzufolge ... Milliarden Jahre benötigt, um auf der Erde den Menschen hervorzubringen, woraufhin sie sich von der weiteren Entwicklung verabschiedet hat. Nicht Gott hätte also den Menschen erschaffen, sondern die Evolution. Im Prinzip handelt es sich bei der kulturistischen Evolutionstheorie um eine Variante des Kreationismus. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 79). |
Die biologische Evolutionstheorie ist eine empirisch sehr weit überprüfte Theorie. Doch welche Belege gibt es für die kulturistische Evolutionstheorie, die in unserer Gesellschaft in Wissenschaft, Medien und Politik auf breiteste Akzeptanz stößt? Die ernüchternde Antwort ist: Keine. Im Gegenteil: Zahlreiche Fakten sprechen unmittelbar dagegen. Beispielsweise kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen, daß ein nennenswerter Teil des menschlichen Denkens, Fühlens und Verhaltens eine biologische Basis besitzt, die im Überlebenskampf während der Menschwerdung entstanden ist (vgl. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, 1984), Auch bei der Intelligenz kann von einer erheblichen erblichen Komponente ausgegangen werden, wie die Zwillings- und Adoptionsforschung belegt. (). Was Intelligenz genau ist, ist umstritten. Meist wird jedoch darunter verstanden, daß es sich zum einen um eine allgemeine Lern-, Denk-, Vorstellungs-, Erinnerungs-, und Problemlösefähigkeit handelt, und zum anderen um den Besitz von Kenntnissen aus bestimmten Gebieten (Expertenwissen). (Vgl. Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 109). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 79).
Die einschlägige Forschung nennt eine Zahl von 117 Paaren eineiiger Zwillinge, die zwischen 1937 und 1990 identifiziert wurden und entsprechenden Tests zur Verfügung standen, Gefunden wurde, daß die Intelligenz von getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen mit einem Koeffizienten zwischen 0,67 und 0,78 korreliert. Dies bedeutet, daß ihre Intelligenz zwar nicht völlig gleich ist, aber doch eine beträchtliche Ähnlichkeit aufweist. Man muß dabei berücksichtigen, daß bei gemeinsam aufgewachsenen eineiigen Zwillingen der Korrelationskoeffizient keineswegs 1 ist, wie man meinen könnte, sondern 0,86. Bei Tests an genetisch nichtverwandten adoptierten Kindern und ihren Adoptiveltern fand man hinsichtlich der Intelligenz eine sehr schwache Korrelation von 0,1 oder darunter, während die Intelligenz von Eltern und ihren leiblichen Kindem, die von ihnen zur Adoption freigegeben und also nicht von ihnen erzogen wurden, eine mittelstarke Korrelation von 0,4 aufwies. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 80).Was bedeuten diese vielfach bestätigten Resultate? Sie lassen erst einmal den Schluß zu, daß dasjenige, was man unter Intelligenz versteht, in einem erheblichen Maße angeboren ist, und daß die Umwelteinflüsse dabei eine relativ geringe Rolle spielen - wie anders kann man sonst erklären, daß es kaum eine Korrelation zwischen der Intelligenz von Adoptiveltern und der ihrer Adoptivkinder gibt! (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 80).Was Erziehung nach Ansicht von Experten hinzufügt, macht aus der Sicht der IQ-Statistik fünfzehn bis zwanzig Prozent der Gesamtintelligenz aus. Dies mag gering erscheinen, bedeutet aber, daß zum Beispiel eine Person, die ohne jegliche geistige Förderung einen IQ von 90 aufweist und damit leicht »minderbemittelt« wirken kann, bei intensivster Förderung auf einen IQ von 105 oder gar 110 kommen könnte und damit einen überdurchschnittlich intelligenten, wenngleich im Normbereich liegenden Eindruck macht. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß zwei Drittel aller Personen im IQ-Intervall zwischen 85 und 115 liegen und sich hier relativ kleine Veränderungen im Intelligenzquotienten deutlich bemerkbar machen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 80).Die grundsätzliche Erblichkeit der Intelligenz läßt sich aber auch unmittelbar evolutionstheoretisch plausibilisieren. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 80).In der Evolutionsbiologie wurde lange darüber gestritten, ob erworbene Eigenschaften vererbt werden können (Lamarckismus). Die Frage war etwa: Kann das tägliche Strecken von Elterntieren bei der Nahrungsaufnahme über viele Generationen hinweg bei der Verlängerung von Giraffenhälsen eine Rolle gespielt haben? Diese Frage wird heute von den meisten Evolutionsbiologen verneint. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 197). (). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 80-81).
Mit anderen Worten: Giraffenhälse sind über Generationen hinweg deshalb gewachsen, weil:
Evolutionstheoretisch ließe sich die Entwicklung dagegen wie folgt erklären: Alle Mitglieder eines Frühmenschenstammes haben ein Gehirn von ca. 800 ccm Größe. Ein Kind wird aufgrund einer Mutation oder durch eine Vererbung mütterlicherseits mit einem Gehirn geboren, welches zu einer Größe von 850 ccm ausreift. Im Erwachsenenalter zeigt sich: Dieser Jäger ist geistig flexibler als seine Stammesbrüder, so daß er bald die Führung bei der Jagd übernimmt. Die hohe soziale Stellung drückt sich schließlich in einer erhöhten Zahl an Nachkommen aus, von denen ein erheblicher Anteil aus Vererbungsgründen ebenfalls ein Gehirn mit einer Größe von 850 ccm oder mehr hat. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 81-82).Ein Einwand könnte sein, daß Gehirngröße und Intelligenz nicht korrelieren müssen. Abgesehen davon, daß eine solche Korrelation im Rahmen der Menschwerdung auf jeden Fall vorhanden gewesen sein muß, scheinen auch Untersuchungen beim heutigen Menschen einen statistischen Zusammenhang zwischen Gehirngröße und Intelligenz zu bestätigen. (Vgl. Mens Health, Es kommt also doch auf die Größe an, 2005). Allerdings ist die Tatsache umstritten, zumal sich das Gehirngewicht bei Lebenden nicht sicher ermitteln läßt (die genannte Untersuchung erzielte ihre Ergebnisse mit Todkranken, deren Gehirn nach dem Ableben vermessen wurde). Wesentlich bedeutender für die Intelligenz scheint aber die allgemeine Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns zu sein. (Vgl. Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 112; Siegfried Lehrl / Bernd Fischer, a.a.O., 1990). Auch für diese werden genetische Ursachen vermutet. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 82).Ohne eine erhebliche erbliche Komponente bei der Intelligenzbildung dürfte sich die gesamte menschliche Gehirnentwicklung kaum erklären lassen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 82).Leider gehen weite Teile der Sozialwissenschaften von anderen Annahmen aus. So läßt sich unter deutschen Studenten seit Jahren eine stete Zunahme des Anteils von Studierenden mit mindestens einem akademischen Elternteil beobachten (vgl. E. Schnitzer / W. Isserstedt / E. Middendorff, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 119), siehe dazu auch die Abbildung (). Die Autoren der Studie schließen daraus:
Unter der Annahme einer starken Korrelation der Intelligenz von Eltern und Kindern () ist ... die beobachtete Entwicklung in einem durchlässigen Bildungssystem exakt zu erwarten. Sie ist ... Ausdruck der Erblichkeit von Intelligenz. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 82).
Richard Lynn behauptet, die deutsche Bevölkerung sei mit einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 107 das intelligenteste Volk. (Vgl. Der Spiegel, Britische Studie, 27.03.2006 []). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 82-83).
Der Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, daß die Ergebnisse von IQ-Tests bis in die 1990er Jahre jährlich besser wurden, die Intellignez also offenbar zunahm (dieser Satz ist so nicht ganz richtig formuliert, denn: der Flynn-Effekt bedeutet die jährlich besser werdenden Ergebnisse der IQ-Tests; HB). Heute ist der Flynn-Effekt zwar in den Entwicklungsländern, allerdings nur noch in wenigen Industrienationen zu beobachten, wenngleich ein unterschiedliches Tempo festgestellt wird. (). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 83).
Neure Untersuchungen zeigen ..., daß der Flynn-Effekt in den meisten Industrienationen mittlerweile seine Wirkung verloren hat, und sich nun gegenläufige Effekte einstellen. So stagniert der mittlere IQ in vielen Ländern ab etwa 1990 und seit dem Ende der 1990er Jahre nimmt er sogar wieder ab. (). (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 83-84).
In ihrem Buch IQ and the Wealth of Nations (2002) stellen die Autoren Lynn und Vanhanen die These auf, der Wohlsstand eines Landes korreliere mit dem durchschnittlichen Intelligenzquotienten (IQ) der Bevölkerung. Auf Basis von Daten aus 81 Ländern eine Korrelation von 0,82 zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes und dem durchschnittlichen IQ der Bevölkerung und eine Korrelation von 0,64 zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem IQ. Sie stellen die These auf, daß der durchschnittliche IQ der Bevölkerung sowohl auf genetischen als auch Umweltfaktoren beruhe. So könne einerseits ein niedriger durchschnittlicher IQ ein niedriges Bruttoszialprodukt bewirken, als auch umgekehrt ein niedriges Bruttoszialprodukt einen niedrigen durchschnittlichen IQ. Wie nicht anders zu erwarten war, wurden die Autoren für die Vorlage ihrer Resultate zum Teil recht hart kritisiert, denn sie hatten ein Tabuthema berührt. Dabei sind ihre Resultate durchaus naheliegend:
Neben der Intelligenz scheinen auch andere menschliche Attribute und Merkmale wie Risikofreudigkeit bzw. Vertrauensbereitschaft eine erbliche Komponente zu besitzen (vgl. Armin Falk, a.a.O., 2006). Dabei ist es unerheblich, ob diese Erblichkeit durch Genetik oder Imitation (Memetik) vermittelt wird. denn entscheidend ist die nachgewiesene Korrelation der Attribute zwischen Eltern und Kindern. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 86).Aufgrund des spezifischen Reproduktionsverhaltens moderner Gesellschaften scheiden die Erfolgreichen und Kompetenzträger somit nicht nur bei der genetischen, sondern weitestgehend auch bei der kulturellen Reproduktion aus: »Kulturgeschichte begann, als das Survival-of-the-Fittest ein Imitation-of-the-Fittest in Schlepptau nahm. Was immer Kultur definieren mag, sie gründet auf adaptiver Imitation, also auf dem erfolgversprechenden Versuch einer vorteilhaften Teilhabe an der Lebensleistung anderer. .... Konkurrenz entsteht dort, wo gleiche Lebensansprüche vorherrschen und gleiche Ressourcen genutzt werden, also vorrangig innerhalb der Populationen. Der evolutive Erfolg bemißt sich am genetischen Abschneiden in diesem Wettbewerb, denn nur die Gene der erfolgreichen Individuen kommen eine Runde weiter im unendlichen Evolutionsspiel, und wer erfolgreiche nachahmt, verbessert ohne Frage seine Chancen. (Eckart Voland, Grundriß der Soziobiologie, 1993, S. 24f.). Sowohl für biologistische als auch kulturistische - beziehungsweise im Sinne von Richard Dawkins (vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 3l6ff.) für genetische als auch memetische - Auffassungen gilt deshalb: Die Gesellschaft richtet sich am Erfolg aus. Gerade wer der Meinung ist, der Mensch komme als »unbeschriebenes Blatt« zur Welt und sei fast unbegrenzt formbar und anpassungsfähig, müßte einen Sinn im Selektionsprinzip der Evolutionstheorie sehen, denn dieses sorgt ganz nebenbei für ein besonders vollständiges Beschreiben des Blattes, weil dann Kinder bevorzugt in Familien mit hohem Bildungsniveau, hoher sprachlicher und kultureller Kompetenz und reichhaltiger Mimik und Gestik aufwachsen, und es somit für sie besonders viel zum Nachahmen gibt. Wer auch dies noch anzweifelt und der Auffassung ist, all dies könne Kindern auch auf anderem Wege (insbesondere über staatliche Bildungseinrichtungen) und mit gleicher Qualität vermittelt werden, der zweifelt generell an der Bedeutung und der Erziehungskompetenz von Eltern. Im Prinzip wird die Rolle der Eltern dabei auf eine reine Gebär- und Nährfunktion reduziert. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 87).Um diese doch sehr bedenklichen Konsequenzen der kulturistischen Evolutionstheorie noch deutlicher herauszustellen, soll zunächst das Beispiel () aus dem Abschnitt »Demographisch-ökonomisches Paradoxon« () ab Seite 62 ein wenig modifiziert werden (im Prinzip könnte man sich die folgenden Überlegungen sparen, denn wie die letzten Seiten eindrucksvoll gezeigt haben, ist Intelligenz im Wesentlichen erblich): Eine Bevölkerung (Population) aus insgesamt 1001000 Personen sei in 1001 Gruppen mit jeweils 1000 Personen gegliedert. Die Gruppen seien mit den Ziffern 0 bis 1000 gekennzeichnet. Nehmen wir nun an, die Mitglieder der Gruppe 0 hätten ein durchschnittliches Humankapital (eine Erläuterung des Begriffs wird im Abschnitt »Humankapital« [] ab Seite 105 gegeben) der Größe 1000, die Mitglieder der Gruppe 1 von 1001, bis schließlich zur Gruppe 1000, in der jedes Mitglied ein durchschnittliches Humankapital von 2000 hätte. Dies ergäbe ein durchschnittliches Humankapital pro Kopf von 1500 für die gesamte Bevölkerung. Zusätzlich sollen die folgenden Annahmen getroffen werden:
Manche werden einwenden, es sei nicht sicher, daß das durchschnittliche Humankapital pro Gruppe durch die Reproduktion unverändert bleibt, schließlich könnten weniger gebildete Menschen ja gebildeten Nachwuchs hervorbringen, dazu bedürfe es lediglich geeigneter Erziehungs-, Bildungs- und Integrationsanstrengungen. Leider verbirgt sich hinter diesem Argument ein Denkfehler. Denn in unserer fiktiven Gesellschaft gehen ja durch die Reproduktion zunächst einmal einige durch die Eltern (genetisch oder memetisch) vermittelte Kompetenzen verloren, wobei wir angenonunen hatten, diese Kompetenzen würden aufgrund der optimalen Bildungsdurchlässigkeit der Gesellschaft mit dem finalen Humankapital der jeweiligen Person korrelieren. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 89).Wollte die Gesellschaft diesen Kompetenzverlust noch wettmachen, dann müßte sie durch entsprechende Aktivitäten (insbesondere Bildungsmaßnahmen) für eine nachträgliche Anhebung des Humankapitals sorgen. (Natürlich im Rahmen des Möglichen.). Die fehlenden 6 Prozent an Humankapital übersetzten sich deshalb in gesellschaftliche Kosten zum Schließen der Lücke. Und diese Kosten wären wie immer durch die Kompetenzträger zu erbringen, die nun gleich doppelt zur Kasse gebeten würden: Einerseits müßten sie die Sozialleistungen für sozial schwache und bildungsfeme Schichten erwirtschaften, andererseits die zusätzlichen Bildungsmaßnahmen für deren Kinder. Unterblieben die gesellschaftlichen Anstrengungen zum Schließen der Humankapitallücke (), dann würde es in der nächsten Generation wie beschrieben weitergehen, weswegen dann vielleicht schon ein l2-prozentiger gesellschaftlicher Kompetenzverlust zu bedauern wäre. Damit würde eine Spirale in Gang gesetzt, die der Gesellschaft sukzessive ihre gesamten Kompetenzen rauben könnte. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 89).
Nun war aber eine der Kernaussagen der kulturistischen Evolutionstheorie (wir erinnern uns): Es ist egal, wer in einer Gesellschaft Kinder bekommt. Wenn sozial schwache und bildungsferne Schichten mehr Kinder bekommen als Schichten mit hohem sozioökonomischem Status oder Bildungsniveau, dann müssen deren Kinder eben gezielt gefördert werden. Daraus folgt aber zwangsläufig: Der elterliche Beitrag zur Entwicklung der Kinder kann durch gesellschaftliche Fördermaßnahmen wieder ausgeglichen werden, was erhebliche ethische Konsequenzen hätte:
Hatten bestimmte Formen des Sozialdarwinismus die Absicht, angeblich wertlose und inkompetente Menschen aus der Gesellschaft zu entfemen, oder sie doch wenigstens an der Reproduktion zu hindern, so betreibt die kulturistische Evolutionstheorie die Elimination besonderer Fähigkeiten, und zwar mit planerischen Mitteln. Stellten aktive Formen des Sozialdarwinismus eine Verletzung von Menschenrechten dar, so ignoriert die kulturistische Evolutionstheorie das Prinzip der Generationengerechtigkeit (). Beide Auffassungen sind deshalb aus ethischen Gründen abzulehnen. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 90).Chancengleichheit bedeutet eigentlich nur: gleiche Chancen bei gleichen Voraussetzungen. Ein Mann mit einer Körpergröße von 1,65 m würde wohl niemals Olympiasieger im Hochsprung werden können. Er hätte zwar prinzipiell die gleichen Chancen (er würde nicht von vornherein vom Wettbewerb ausgeschlossen), nicht aber die gleichen Möglichkeiten Weswegen zum Beispiel in manchen Sportarten nicht nur nach Geschlecht, sondern auch nach Gewichtsklasse separiert wird. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 90).Da Bildung in unserer Gesellschaft das höchste Gut und die wichtigste Voraussetzung für einen späteren beruflichen Erfolg ist, schließt die kulturistische Evolutionstheorie das Vorhandensein unterschiedlicher geistiger »Möglichkeiten«, insbesondere solchen, die von den Eltern vermittelt oder gar vererbt werden, von vornherein aus. Aus einem »Bildung-für-Alle« generiert auf diese Weise ein Zwang zur Bildung: »Die Idee, daß alle gebildet sein sollten, ist doch eine verkleidete sozialistische Utopie im neoliberalen Gewand, die die natürliche Ungleichheit der Menschen ignoriert.« (Matthias Heine, Ich war Unterschicht, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.10.2006). Es wäre die Aufgabe einer Solidargemeinschaft, sich zu bemühen, allen Menschen einen Lebenssinn zu geben, selbst dann, wenn sie nicht bildungsfähig sind. Allerdings setzt dies ein ausgewogenes gesellschaftliches Reproduktionsverhalten voraus. Um nicht mißverstanden zu werden: Hier wird nicht behauptet, Bildungsmaßnahmen für sozial schwache beziehungsweise bildungsferne Schichten lohnten sich nicht. Im Gegenteil: Jeder der bildungsfähig und -willig ist, sollte Zugang zu einem möglichst breiten Bildungsangebot haben. Der Staat sollte alles dafür tun, ein Optimum an Bildungsdurchlässigkeit zu erreichen. Die Aussage ist allerdings: Solche Maßnahmen mögen für Einzelpersonen sehr sinnvoll sein, sie stellen aber kein generelles gesellschaftliches Konzept dar, um Generationengerechtigkeit () zu gewährleisten. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 91).Sozialer Erfolg hängt aber auch in modernen Gesellschaften nicht nur von den geistigen Kompetenzen, sondern auch von körperlichen Merkmalen ab. Ein Großteil der genetischen Vielfalt und Weiterentwicklung dient zum Beispiel der Abwehr von Krankheitserregern oder der Verbesserung des Stoffwechsels. Dies soll am Beispiel der chronischen Erkrankungen Migräne und Typ-2-Diabetes verdeutlicht werden. Menschen, die frühzeitig an schwerer Migräne erkranken, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unter beruflichen Nachteilen zu leiden haben. Möglicherweise werden sie sogar irgendwann ihre Arbeit wegen hoher Fehlzeiten verlieren. Sie gehören dann zu den weniger erfolgreichen Menschen. In verschiedenen Studien konnte aber längst nachgewiesen werden, daß sich die Verbreitung von Migräne umgekehrt proportional zur sozialen Position verhält. Ein analoger Zusammenhang gilt für Typ-2-Diabetes. Nimmt man - wie die Medizin - an, bei Migräne und Diabetes spiele die genetische Disposition eine entscheidende Rolle (vgl. Peter Mersch, Migräne, 2006, S. 225ff.), dann greifen bei einem negativen Zusammenhang zwischen sozialer Position und Kinderzahl die im obigen Beispiel angeführten Mechanismen, und die genetische Disposition für Migräne oder Diabetes dürfte sich in der Bevölkerung weiter ausbreiten. Man vergleiche dazu auch die Ausführungen in: Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 114). Normalerweise verhält sich eine Population gemäß dem Evolutionsprinzip genau umgekehrt. Beispielsweise konnten Untersuchungen zeigen, daß in einer Bevölkerung um so seltener HLA-Antigene (bei Menschen, die das HLA-DQ2-Antigen besitzen, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, an Zöliakie zu erkranken) nachgewiesen werden können, je länger die Einführung von Getreide als Grundnahrungsmittel bereits zurückliegt (Loren Cordain, 2004, S. 55f.). Dieses Ergebnis entspricht dem Evolutionsprinzip: Eine Unverträglichkeit (fehlende Anpassung an die Umwelt) wächst sich sukzessive genetisch aus, sofern sie mit evolutionären Nachteilen verbunden ist. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 91-92).Insgesamt konnte auf den letzten Seiten unter anderem herausgearbeitet werden:
Wer der »kulturistischen« Auffassung ist, ein negativer Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status beziehungsweise Bildungsniveau und Kinderzahl stelle für eine Gesellschaft (beziehungsweise global gesehen für die ganze Welt) kein substanzielles Problem dar, sollte präzise erläutern können, mit welchen nachträglichen Mitteln aus einem »Weniger« dann doch noch ein »Mehr« entstehen kann, wie aus einer geringeren Anpassung an die äußeren Bedingungen eine größere werden kann, wie ein Pro-Kopf-Verlust an Humankapital noch wett gemacht werden kann, zumal ja bei dieser Reproduktionsweise gleichzeitig auch die Mittel schwinden, also diejenigen, die die Kompetenzen für den Ausgleich der fehlenden Anpassung oder des Humankapitals hätten. Und derjenige sollte erklären können, wie auf diese Weise Generationengerechtigkeit () gewährleistet werden kann. Ein einfaches Behaupten von angeblichen Zusammenhängen ist in diesem Falle nicht ausreichend. Dafür sind die möglichen langfristigen Implikationen viel zu groß. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 93).Solange für die kulturistische Evolutionstheorie kein schlüssiges nachrechenbares Konzept vorliegt, sollte man dem Einfachheitsprinzip folgen: Eine negative Selektion belohnt gesellschaftlichen Mißerfolg mit genetischem »Überleben« und wird deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach die Stärkung sozial schwacher und bildungsferner Schichten zur Folge haben. Schlimmer noch: sie bestraft gesellschaftlichen Erfolg mit genetischer Elimination, obwohl genau diese Personen erforderlich wären, um sozial schwache und bildungsferne Bevölkerungskreise aus ihrer Misere zu holen. Es sind die Leistungsträger, die die Ideen entwickeln, die Arbeitsplätze schaffen, die Kultur weiterentwickeln und das Wissen vermitteln können, und genau diese schwinden als Folge des aktuellen Reproduktionsverhaltens mehr und mehr. (Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 93-94). |
Evolution birgt in ihrer Ziellosigkeit auch die Möglichkeit zur ZielhaftgkeitOb Gott würfelt oder nicht, wissen wir nicht. Wenn man sich die Evolution als Person vorstellt, muß man feststellen, daß sie bedingt würfelt, denn sie selbst hat kein Ziel und das eigentlich natürliche Ziel ist ja von der Natur (von Gott?) bereits bestimmt - als die mit der Zeit zunehmende Entropie (). Das Gesetz der niemals abnehmenden Entropie betrifft ja nur geschlossene Systeme und schließt daher eine Verringerung der Entropie in einem offenen System nicht aus. Also kann es in offenen Systemen - zumindest vorübergehend (und das heißt z.B. für ein Lebewesen: Zeit seines Lebens) - ein anderes Ziel als das der Entropiezunahme geben. Wenn nämlich die Evolution bedingt würfelt, so tut sie das ja nur deswegen bedingt, weil sie im Rahmen der natürlichen (wissenschaftlich gesprochen: physikalisch-chemischen) Gesetze bleiben muß, ansonsten aber kann sie frei würfeln, d.h. dem Zufall das Feld überlassen. Sobald aber z.B. Lebewesen mit ihrer Zucht anfangen (seit dem Ende des 20. Jahrhunderts ist sie auch rein biogenetisch im Sinne der Menschentechnik, also gentechnisch möglich), ist dem Zufall das Feld genommen. Seitdem ist also das gezielte Gott-Spielen möglich und auch zunehmend praktiziert worden.Alle Lebewesen müssen Energie aufnehmen um beständig gegen den Zerfall, gegen die Entropie ankämpfen, um sich selbst immer wieder aufzubauen. Gemäß der Physik sind Lebewesen dissipative Strukturen, weil sie schneller, als es dem physikalischen Zerfall entspricht, Energie in Entropie umwandeln und davon selbst leben. Lebewesen distanzieren sich vom Gleichgewicht (), - so lange, wie sie leben. Sie sterben, wenn sie sich dem Gleichgewicht annähern. Der Tod ist das Erreichen des (thermodymischen) Gleichgewichts. In einer solcherart physikalischen Beschreibung erscheint Leben als ein Prozeß, der sich von der unbelebten Welt abgelöst, also emanzipiert hat. (Josef H. Reichholf, Stabile Ungleichgewichte, 2008, S. 39). Rein thermodynamisch gesprochen könnte Leben Distanz vom Gleichgewicht, könnte Sterben Annäherung an das Gleichgewicht, könnte Tod Gleichgewicht auch heißen.Das Überleben des Angepaßtesten ist laut Darwin ja die Anpassung in der Natur; doch schon an der Schwelle zur Kultur der Vögel, der Säugetiere, spätestens und besonders aber an der Schwelle zur Kultur der Hominoiden schlägt sie um in eine Distanzierungsart, weil nicht mehr allein die körperlichen (angepaßten) Waffen entscheidend sind, sondern die außerkörperlichen, die vorgefundenen und später modifizierten Gegenstände als Waffen und Werkzeuge dienstbar gemacht werden. Innerhalb einer solchen Distanzgruppe (z.B. Menschenaffen und Menschen) ist deshalb die Anpassungsart nicht verschwunden (Überleben der Attraktivsten: attraktive Gesichter, Mode u.s.w.). Anpassung und Distanz sind immer schon - latent oder offen - zwei Seiten einer Medaille (Jäger/Gejagte). Der bedeutende Unterschied liegt zwischen körperlicher und außerkörperlicher Art, zwischen Natur und Kultur, zwischen Schicksal und Technik, zwischen Müssen und Können, zwischen Indikativ und Konjunktiv, zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, zwischen Zwang und Vielfalt. Darum ist jede Kultur ein Komplement zur Natur, jede kulturelle Evolution ein Komplement zur natürlichen Evolution.Deshalb ist auch richtig, was die Schichtenlehre () behauptet, nämlich: von Seinsschichten auszugehen, die dadurch charakterisiert sind, daß die jeweils höhere (und leichtere) von der jeweils niederen (und stärkeren) getragen wird, der niederen gegenüber aber relativ frei ist (soweit die Freiheit nicht durch das Getragenwerden beschränkt ist), besonders weil sie im Vergleich zu dieser neue Eigenschaften aufweist. Die unterste Schicht ist die des Anorganischen () mit einem um den Begriff Materie gruppierten Kategorienkomplex und mit dem Determinationstypus Kausalität. Von dieser Schicht wird die des Organischen () getragen, in der die Kategorien der Materie und die Determiniertheit durch Kausalität wiederkehren, aber abgewandelt durch das spezifische Novum der Kategorie des Lebendigen; der den Determinationstyp der niederen Schicht überlagernde ist hier der der Finalität (). Finalität bedeutet das auf ein Ende und also ein Ziel gerichtetes Handeln. Im Gegensatz zur Kausalität als einer Ursache-Bestimmtheit () ist die Finalität als eine Zweck-Bestimmtheit eine finale Determiniertheit bzw. ein Finalnexus, und den zugrunde liegenden Zweck bezeichnet man auch als Finalursache (causa finalis), Endzweck. Wenn also schon allein die Kategorie des Lebendigen ausreicht, um von der Determiniertheit relativ-befreit zu sein, dann leuchtet ein, daß die Kategorie des Seelischen () ein bißchen mehr relativ-befreit und die Kategorie des Geistigen () sogar noch mehr relativ-befreit von der Determiniertheit macht. Der Mensch hat zwar keinen freien Willen (), aber immerhin einen bedingten freien Willen (); der Mensch kann in Distanz zu sich selber und über sich selbst hinausgehen, das heißt: der Mensch kann transzendent sein. Es ist seine Transzendenz (Heidegger nannte sie auch Weltoffenheit), die ihm einen bedingten freien Willen ermöglicht und ihn gegenüber allen anderen Lebewesen frei macht.Selbstorganisation: per Chaos zur OrdnungDie Rahmenbedingungen für eine Selbstorganisation von Lebewesen - einschließlich ihrer Gehirne und und Sozialverbände - sind immerhin im Umrissen bekannt:
Mit einem einfachen Modell einer epigenetischen Landschaft kann man in etwa verdeutlichen, was gemeint ist, denn in der Abbildung symbolisiert die Kugel ein zur Selbstorganisation fähiges System, z.B. eine befruchtete Eizelle; die Höhen sind physikalisch oder chemisch verbotene, aber auch genetisch-biologisch unerreichbare Zustände. Vor der Kugel liegt die sich in immer mehr Täler aufspaltende epigenetische Landschaft. Wenn die Kugel zu rollen beginnt, wird eine Kette von Zufällen bestimmen, welche Abzweigungen sie an den Gabelungen der Täler nimmt. Die in der Landschaft festgelegten Rahmenbedingungen leiten das jeweilige System - in der Abbildung die Kugel - gleichsam automatisch in stabile Zustände. Die Kugel braucht also den Weg gar nicht zu wissen. Wohin die Kugel des Lebens rollt, bestimmt der geordnete Zufall. Das illustriert die epigenetische Landschaft, in der die Täler die möglichen Entwicklungspfade symbolisieren. Wissenschaftler nennen die hinter der Epigenese steckende Strategie der Natur Selbstorganisation. Das ist ein Begriff, den Maurits C. Escher in seiner Graphik Zeichnen vorwegnahm.Lebewesen haben gegenüber unbelebten, sich selbst organisierenden Strukturen die Fähigkeit, sich zu vermehren und dabei ihre vorteilhaften Eigenschaften mit dem Erbgut weiterzugeben. Ja, sie sind im Laufe der Evolution derart optimiert worden, daß sie die Rahmenbedingungen geschickt nutzen können - z.B. so: Selbstorgaisation bedeutet ja ein Prinzip zur Verringerung des Befehlsumfangs, den ein Organismus zu Gestaltbildung oder Handeln benötigt, wie der Physiker Klaus Schulten betont; eine Nervenzelle muß also z.B. nicht alles über das Gehirn und den Rest der Welt wissen, um ein brauchbarer Bestandteil ds neuronalen Netzwerks zu sein; ein relativ geringer Vorrat gemeinsamer und auch individueller Befehle genügt. Einfache Wechselwirkungen zwischen einer großen Anzahl gleichartiger Komponenten können zu einer reichen Vielfalt des Gesamtverhaltens führen, so Schulten. Mehr noch: Trainierte Netzwerke von Neuronen können astronomisch viele Aggregatzustände besitzen, wobei der Zufall auch in Netzwerken aus vielen Neuronen einen bestimmenden Einfluß auf den Gesamtzustand, vielleicht sogar eine Steuerfunktion ausübt. Das geschickte Zusammenspiel der 100-1000 Milliarden Nervenzellen mit dem steuerbaren - dem deterministischen - Chaos könnte der Trick sein, der die Freiheit des menschlichen Geistes ermöglicht (aber nur in dem entsprechend eingenschränkten Maße; vgl. die Anmerkung zur Freiheit und zum bedingten freien Willen des Menschen).Prinzipien der Selbstorganisation tauchen auch bei der Vernetzung der Neuronen auf. Diese von dem Biologen Joachim R. Wolff Synaptogenese genannte Vernetzung spielt eine entscheidende Rolle bei allen Lernvorgängen: Die Synapsen wissen nichts vom Inhalt der Botschaften, die sie übertragen. Sie funktionieren nur nach den den ihnen biologisch mitgegebenen Verhaltensregeln. Doch weil sie einen Ordnungszustand einnehmen können, lassen sie sich willig vom Gesamtzustand des Systems Gehirn versklaven; denn nach längerem Gebrauch des Gehirns ordnen sich die synaptischen Verbindungen von selbst, der Zusammenhang von Informationseingabe und -ausgabe wird sinnvoll. Das Gehirn lernt. (Klaus Schulten).Was neurologisch beispielsweise im Kopf eines Kindes vorgeht, läßt sich am besten in Zahlen ausdrücken, denn ein Kind wird mit allen Nervenzellen, aber nur mit rund 25% des endgültigen Hirngewichts geboren. Also kommen rund 75% des Hirngewichts, so scheint es jedenfalls, während der Verknüpfung und Stabilisierung des neuronalen Netzwerks hinzu - letztlich durch eine ganz typisch menschliche, bis ins hohe Alter anhaltenden Plastizität der Nervenverbindungen, also durch Lernen. Und das beginnt wahrscheinlich schon mit dem Vorwärtstasten der ersten Wachstumskegel (eine ständig weitersprießende Spitze einer Nervenfaser, die auch Axon gennant wird), also lange, lange vor unserer Geburt.Vergeudung evolutionärer MöglichkeitenBeispiel Mensch: In seinem Gehirn ist die mögliche Zahl der Verbindungen, die von den 100 000 000 000 bis 1 000 000 000 000 Nervenzellen geknüpft werden können, größer als die Zahl der Atome im Universum. Trotzdem benötigt und benutzt der Mensch nur einen kleinen Teil davon. Der Rest ist schlicht vergeudet. Warum? Auch werden vom Menschen niemals alle Möglichkeiten der Sprache genutzt, weil die Zahl der Möglichkeiten zur Kombination von Sprachelementen unendlich ist. Die Möglichkeit besteht, aber sie wird nicht genutzt, sondern schlicht vergeudet. Warum?Der Mensch ist ein offenens System (ein Durchlauferhitzer), denn er bekommt Energie und gibt Energie wieder ab: er empfängt von der Sonne seine Energie, die er später an das Universum wieder abgibt. In Form von Wärme hat seine Energie dazu beigetragen, daß die Entropie zunimmt. Der Kreislauf ist also immer dann geschlossen, wenn die Zunahme der Entropie erreicht ist. Er kann aber durch seinen Geist (), der ihn ja eben gerade in evolutionärer Hinsicht besonders auszeichnet, in Distanz zur Natur gehen, die Natur bekämpfen, die Natur ausbeuten, die Natur für sich arbeiten lassen u.s.w.; er kann seine eigene verbrauchte Energie so einsetzen, daß sie zunächst noch nicht der Entropiezunahme dient, sondern ihm selbst; er kann seine eigenen Produkte in diejenigen Energieformen umwandeln, die ihm dienen - und also erst später der Entropiezunahme, der ja nur die eine Energieform namens Wärme dient. Zur Finalität () sind außer dem Menschen auch andere Lebewesen fähig. Aber sie sind es nicht in diesen riesigen Dimensionen, mit einer solchen Seele, mit einem solchen Geist, der für Weltoffenheit, für Transzendenz steht (). Nur der Mensch ist in diesen Ausmaßen zu solchen Leistungen fähig - jedenfalls sind mir bisher noch keine anderen Wesen mit dieser Fähigkeit bekannt geworden .Daß diese Qualität des Menschen aber auch eine negatitive Seite hat, ist offenkundig. Der Mensch hat die Möglichkeit, sich im Einklang mit der Natur und gegen sie ankämpfend auf sein Optimum hin zu entwickeln, aber er vergeudet diese Möglichkeit immer wieder. So wird in Zukunft der letzte Mensch die Welt verlassen, ohne seine ihm großzügig gewährte evolutionäre Möglichkeit genutzt zu haben - obwohl er es doch immer wieder versucht hat. Wieder ein Versuch-und-Irrtum-Opfer mehr!Es sieht offenbar ganz so aus, als sei die bisher großartigste Erfindung der Natur, das menschliche Gehirn, nichts weiter als ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Experiment. Schade! |
Evolutionismus und LiberalismusMan kann Evolutionismus und Liberalismus ohne Probleme parallelisieren:
Diese drei Stadien entsprechen zeitlich den drei spätkulturellen Phasen () der insgesamt zwölf von mir beschriebenen Kulturphasen des Abendlandes () und somit denkhistorisch den drei modern(istisch)en spätdenkerischen Phasen (). Weil wir uns heute kulturell zwischen der Krisenphase () und der Befruchtungsphase (), also im Übergang () zwischen diesen beiden Kulturphasen, und denkerisch zwischen der Hoch-Modernistik () und der Spät-Modernistik () befinden, so befinden wir uns in rein evolutionstheoretischer Hinsicht auch im Übergang vom Hoch-Evolutionismus (Darwinismus) bzw. Hoch-Liberalismus zum Spät-Evolutionismus bzw. Spät-Liberalismus.Evolutionismus und Liberalismus haben andere moderne Strömungen, z.B. den Sozialismus (von links und rechts), als Begleiter. So gab es neben dem Früh-Evolutionismus und dem Früh-Liberalismus auch einen Früh-Sozialismus, gab es neben dem Hoch-Evolutionismus und dem Hoch-Liberalismus auch einen Hoch-Sozialismus, gibt es (grammatisch korrekt gesagt: wird es in Zukunft wahrscheinlich geben) neben dem Spät-Evolutionismus und dem Spät-Liberalismus auch einen Spät-Sozialismus. Der Sozialismus und die anderen den Evolutionismus und den Liberalismus begleitenden Strömungen gehören aber nicht zu dem hier zu behandelnden Thema: Evolutionismus und Liberalismus.(1) In der Phase des Früh-Evolutionismus/Früh-Liberalismus steckten die moderne Abstammungslehre (auch Deszendenztheorie genannt ) und die moderne Gesellschaftstheorie (Theorie, das der Egoismus, der angeboren sei, durch den freien Wettbewerb zum Nutzen der ganzen Volkswirtschaft führe) noch in ihren Kinderschuhen. Der Liberalismus entstand als die politische Weltanschauung des aufstrebenden Büergertums, das seinen Anspruch, der allgemeine Stand zu sein, mit relativem Recht gegenüber anderen Ständen (Schichten, sozialen Gruppen, später auch Klassen genannt) behaupten konnte, gegenüber Adel und Priestertum, weil diese keine wesentliche gemeinschaftliche Funktion mehr ausübtnen, die nicht der 3. Stand wirksamer hätte ausfüllen können, und gegenüber den besitzlosen Unterschichten, die sich noch nicht organisiert hatten und ihre Forderungen noch nicht selbständig artikulieren konnten. Der wirtschaftliche Liberalismus, um den es hier v.a. geht, hatte seine klassische Begründung bereits durch Adam Smith () erhalten und geht von der anthropologischen Annahme aus, daß der Egoismus eine angeborene Eigenschaft jedes Menschen sei, durch freien Wettbewerb jedoch zum Nutzen der ganzen Volkswirtschaft (der ganzen Gesellschaft, Nation u.s.w.) ausschlage. Das freie Wechselspiel von Angebot und Nachfrage erzwinge eine Preisbildung in der Nähe der produktionskosten und diene daher dem Interesse des Verbrauchers (des Konsumenten). Innerhalb des Evolutionismus trat während dieser Zeit die von J.-B. Lamarck () begründete und auch unter dem Namen Lamarckismus bekannte Deszendenztheorie hervor, die von der Annahme ausgeht, bestimmte Merkmale von Lebewesen seien durch die Wirkung von Umwelteinflüssen veränderbar und diese erworbenen Veränderungen würden dann auf die Nachkommen vererbt werden, wenn sie bei beiden Elternteilen aufgetreten seien. Veränderungen des Phänotyps seien auf den Phänotyp übertragbar und würden dadurch erbwirksam, so Lamarck. Das Bindeglied zwischen Früh-Evolutionismus und Früh-Liberalismus bildet die von Thomas Robert Malthus () begründete und auch unter dem Namen Malhusianismus bekannte Bevölkerungstheorie, die von der Annahme ausgeht, die mögliche Größe der Bevölkerungs sei durch die Menge der verfügbaren Nahrungsmittel begrenzt und bestimmt.(2) In der Phase des Hoch-Evolutionismus/Hoch-Liberalismus ging es sehr turbulent zu, denn der Evolutionismus konnte sich mit Hilfe des Darwinismus und gegen den zum Teil starken Widerstand immer mehr verbreiten, und der Liberalismus konnte sich gegen den zum Teil noch stärkeren Widerstand des Sozialismus von links und rechts ebenfall immer mehr verbreiten. Am Ende dieser Phase konnten sie sich als kaum noch angefochtene Sieger präsentieren.(3) In der Phase des Spät-Evolutionismus/Spät-Liberalismus, die noch ganz oder doch zumindest größtenteils vor uns liegt, wird es wohl oder übel zu einer - wie schwach oder stark auch immer - Revision der Hypothesen von Evolutionismus und Liberalismus geben müssen.Evolutionismus und Liberalismus sind zwar keine völlig identischen Denkrichtungen (der Evolutionismus ist mehr natur- als gesellschaftswissenschaftlich, der Liberalismus mehr gesellschafts- als naturwissenschaftlich ausgerichtet); doch beide argumentieren gleich; beide betonen den Konkurrenzkampf (Wettbewerb), nämlich als Kampf ums Überleben bzw. als Kampf um den Vorteil; beide kennen kein Ziel an sich, aber ein Ziel als Strategie, nämlich das Überleben bzw. das Gewinnen. Was dem Evolutionismus die Umwelt ist, ist dem Liberalismus der Markt.Weil wir uns heute im Übergang vom Hoch-Evolutionismus (Darwinismus) bzw. Hoch-Liberalismus zum Spät-Evolutionismus bzw. Spät-Liberalismus befinden, müssen wir uns einmal näher gerade mit ihnen beschäftigen. Weil aber der Spät-Evolutionismus und der Spät-Liberalismus fast ausschließlich unsere Zukunft betreffen, wir also darüber noch nicht sehr viel sagen können, müssen wir uns zunächst mit dem Hoch-Evolutionismus (Darwinismus) und dem Hoch-Liberalismus beschäftigen, um uns danach ganz vorsichtig den Prognosen über den Spät-Evolutionismus und denSpät-Liberalismus widmen zu können.Der Hoch-Evolutionismus (Darwinismus) war und ist ein Hoch-Liberalismus evolutionistischer Art und der Hoch-Liberalismus ein Hoch-Evolutionismus (Darwinismus) liberalistischer Art. Etwas konkreter gesagt: Der Darwinismus als der totalitäre Evolutionismus ist ein Liberalismus naturwissenschaftlicher Art (v.a.: biologisch argumentierend), und die absolut freie Marktwirtschaft als der totalitäte Liberalismus ist ein Darwinismus gesellschaftswissenschaftlicher Art (v.a.: ökonomisch argumentierend). Kein Wunder, daß der Darwinismus aus einem angelsächsischen Land stammt und die absolut freie Marktwirtschaft bzw. der Liberalismus besonders in den angelsächsischen Ländern befürwortet wird: Charles Darwin war Angelsachse, und außerdem bekam er seine stärksten Argumente für seine Theorie nicht von der Biologie, sondern von der Ökonomie (besonders von den wirtschaftlichen Verhältnissen in Manchester [vgl. Manchestertum] und der Nationalökonomie eines anderen Angelsachsen: Thomas R. Malthus [vgl. Malthusianismus) und der Demographie (besonders von der Bevölkerungstheorie eines anderen Angelsachsen: Thomas R. Malthus [vgl. Malthusianismus).Evolutionstheoretisch ist der Erfolg der Garant für den Überlebenden bzw. Sieger. Der Erfolg rechtfertigt das Überleben bzw. Siegen. Heiligt der Zweck also doch die Mittel? Die Mittel, die im Kampf eigesetzt werden, sind laut Evolutionstheorie nicht hinterfragbar. Wer überleben will, darf den Kampf gegen die Konkurrenten nicht scheuen, und der Erfolg scheint den Überlebenden bzw. Siegern die Richtigkeit ihrer Strategie immer wieder zu bestätigen. Darwinismus und Total-Liberalismus sind sich völlig einig, wenn es um die These vom Erfolg geht: Kampf ums Überleben und Kampf um den (Markt-)Vorteil bedeuten im Grunde dasselbe.Charles Darwin war entgegen anderslautenden Beteuerungen »Sozialdarwinist«, weil er sein Prinzip der Evolution (Entwicklung als Ergebnis von Auswahl und Anpassungsleistung in einer Situation der Konkurrenz) auch auf die menschliche Gesellschaft übertrug. So schrieb er: »Wie jedes andere Tier, so ist auch der Mensch ohne Zweifel auf seinen gegenwärtigen hohen Zustand durch einen Kampf um die Existenz in Folge seiner rapiden Vervielfältigung gelangt.« Nach dieser Beschreibung folgt die Forderung: »Und wenn er noch höher fortschreiten soll, so muß er einem heftigen Kampfe ausgesetzt bleiben.« Wie »jedes andere Tier« muß sich der Mensch also im »Kampf« gegen seinesgleichen behaupten, damit sich die Menschheit entwickeln kann. (Josef Bordat, Ein fataler Zusammenhang, 29.11.2008 ).Wie paßt da der auf Solidarität ausgelegte Sozialstaat hinein? Äußerst schlecht, wie schon Darwin selbst feststellte. So kritisierte er ihn als gegen den Selektionsmechanismus gerichtetes Übel, eine Einschätzung, die Richard Dawkins teilt, auch wenn er stets beteuert, selbst nicht in einer Gesellschaft, die nach darwinistischen Spielregeln funktioniert, leben zu wollen, weil diese faschistisch sei (Die Presse, 30.07.2005; Frage: Wie kann sich eine Gesellschaft bloß von diesen Regeln befreien, wo ihre Mitglieder doch auf Gedeih und Verderb auf sie angewiesen sind? Sie sucht sich diese Regeln ja nicht aus, mehr noch: es gibt ja gar keine Alternative, wenn man wie Dawkins außerhalb der Evolution nichts für möglich hält, das normativ auf den Menschen durchschlagen könnte.). (Josef Bordat, Ein fataler Zusammenhang, 29.11.2008 ).Soweit die Biologen. Was machen die Wirtschaftswissenschaftler mit diesen Vorgaben? Sie nehmen sie dankbar auf, insbesondere dann, wenn ihnen als Berater des politischen Neoliberalismus der Sozialstaat sowieso ein Dorn im Auge ist. Der Ökonom Paul Krugmann, Wirtschafts-»Nobelpreis«träger 2008 und Liberalismus-Kritiker, schreibt, daß sich ein Lehrbuch der neoklassischen Mikroökonomie wie eine Einführung in die Mikrobiologie liest. Und der Wiener Wirtschaftswissenschaftler Ewald Walterskirchen wies auf den engen Zusammenhang zwischen dem heutigen Neoliberalismus in der Wirtschaft und dem Neodarwinismus in der Biologie hin: »Beide Theorien gehen davon aus, daß nur zufällige Veränderungen/Anpassungen über Selektion bzw. Wettbewerb den Entwicklungsprozeß bestimmen.« (Der Standard, 16./17.7.2005) Das Evolutionsprinzip wird auf den Markt übertragen. Solidarität wird nur dann eingefordert, wenn die »falschen« Marktteilnehmer vom Aussterben bedroht sind. Das ist nicht erst seit der »Bankenkrise« so. (Josef Bordat, Ein fataler Zusammenhang, 29.11.2008 ).In der Ökonomie zeigt sich die Nähe zur Biologie besonders in den Arbeiten Friedrich von Hayeks, der als einer der Väter des Neoliberalismus gilt. Walterskirchen: »Hayek, Sproß einer Biologenfamilie, spricht explizit von Aussiebung durch den Markt. Hayek hält etwa eine hohe Arbeitslosenquote analog zum Wert des Populationsüberschusses in der Tierwelt für ökonomisch wünschenswert, damit die natürliche Selektion optimal greifen kann.« (Der Standard, 17.07.2005). Im Klartext: Den angepaßtesten Arbeitnehmer gibt es unter den Bedingungen extrem vieler Mitkonkurrenten. Wenn der Selektionsdruck nur hoch genug ist, paßt sich das »Arbeitnehmertier« an jede sich bietende Nische an. Walterskirchen sieht durch diese Logik den Sozialstaat bedroht: »Die OECD, der Hort des Neoliberalismus, interpretiert die wirtschaftliche Krise in Europa einfach als mangelnde Anpassungsfähigkeit an Schocks ganz ähnlich wie die Neodarwinisten das Aussterben von Tierarten. Die wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen aus diesen Überlegungen sind klar: Die Wirtschaftspolitik braucht nur die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Selektionsmechanismus Markt richtig greifen kann. Im Klartext läuft dies darauf hinaus, das europäische Sozialmodell abzuschaffen.« (Der Standard, 17.07.2005). (Josef Bordat, Ein fataler Zusammenhang, 29.11.2008 ).An diesen fatalen Zusammenhang von Liberalismus und Darwinismus erinnerte Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, im Rahmen einer Katechese unter dem Titel »Schöpfung und Evolution: Warum diese Debatte so wichtig ist« (Die Tagespost, 05.08.2006), in der er die Bildung als weiteren Aspekt in die Debatte hineinträgt: »Ein Grundparadigma von Bildung heute ist die Anpassung unter dem Aspekt der Nützlichkeit - vor allem für den Arbeitsmarkt. Schlüsselkompetenzen wie Mobilität und Flexibilität sind hoch im Kurs, vergessen die Grundlinien katholischer Soziallehre: Die Wirtschaft ist für den Menschen da nicht umgekehrt; vergessen zum Teil die Grundaufgabe von Schule und Bildung, auch zu Widerständigkeit zu erziehen und zu bilden.« (Die Tagespost, 05.08.2006). Diese Widerständigkeit braucht es wohl, um dem »mörderischen darwinistischen Albtraum«, wie Woody Allan das Leben einmal nannte, einen Sinn abzuringen, und an Quellen der Normativität zu glauben, die außerhalb des Evolutionsmechanimus liegen. (Josef Bordat, Ein fataler Zusammenhang, 29.11.2008 ).Aus den sehr negativen Erfahrungen mit dem fatalen Zusammenhang von Evolutionismus und Liberalismus können wir lernen - und zwar insbesondere im Hinblick auf unsere zukünftige Auseinandersetzung mit dem Spät-Evolutionismus und dem Spät-Liberalismus -, daß wir den Evolutionismus und den Liberalismus in dem Maße praktisch einschränken müssen, wie sie die sozialen Verhältnisse ruinieren. Der Evolutionismus und der Liberalismus sind nicht abzuschaffen, sondern zu ergänzen. Und das geschieht bereits. |
Evolution und GeschichteDie Evolution an sich hat zwar kein Ziel, aber das Leben hat ein Ziel, nämlich das mit der Zeugung Gesetzte zu erfüllen; und um zu verdeutlichen, daß Evolution und Geschichte nicht dasselbe bedeuten, wählen wir die beiden Beispiele Steinzeit und Barock: das sind Altersstufen im Dasein einer Gattung und einer Kultur, also zweier Organismen, die im Bereich zweier grundverschiedener Einstellungen liegen. Ich protestiere hier gegen zwei Annahmen, die alles historische Denken bis jetzt verdorben haben: gegen die Annahme eines Endziels der gesamten Menschheit und gegen die Leugnung von Endzielen überhaupt. Das Leben hat ein Ziel. Es ist die Erfüllung dessen, was mit seiner Zeugung gesetzt war. Aber der einzelne Mensch gehört durch seine Geburt entweder einer der hohen Kulturen an oder nur dem menschlichen Typus überhaupt. Eine dritte große Lebenseinheit gibt es für ihn nicht. Aber damit liegt sein Schicksal entweder im Rahmen der zoologischen oder der »Weltgeschichte«. Der »historische Mensch«, wie ich das Wort verstehe und wie es alle großen Historiker immer gemeint haben, ist der Mensch einer in Vollendung begriffenen Kultur. Vorher, nachher und außerhalb ist er geschichtslos. Dann sind die Schicksale des Volkes, zu dem er gehört, ebenso gleichgültig wie das Schicksal der Erde, wenn man es nicht im Bilde der Geologie, sondern der Astronomie betrachtet. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 613). Für Spengler ereignet sich Geschichte nur in der Zeit der Kulturen - er meint damit die Hochkulturen, die ich Historienkulturen nenne -, also gibt es vorher, nachher und außerhalb dieser Kulturen keine Geschichte, sondern nur geschichtslose Evolution.Wenn zwischen zwei Negestämmen des Sudan oder zwischen Cheruskern und Chatten oder, was wesentlich dasselbe ist, zwischen zwei Ameisenvölkern eine Schlacht stattfindet, so ist das lediglich ein Schauspiel der lebendigen Natur. Wenn die Cherusker aber im Jahre 9 die Römer schlagen, oder die Azteken die Thaskalaner, so ist das Geschichte. Hier ist das Wann von Bedeutung; hier wiegt jedes Jahrzehnt, selbst jedes Jahr. Es handelt sich um das Fortschreiten eines großen Lebenslaufs, in dem jede Entscheidung den Rang einer Epoche einnimmt. Es ist ein Ziel da, auf das alles Geschehen zutreibt, ein Dasein, das seine Bestimmung erfüllen will, ein Tempo, eine organische Dauer, und nicht das regellose Auf und Ab der Skythen, Gallier, Karaiben, dessen Vorfälle im einzelnen ebenso belanglos sind wie die in einer Biberkolonie oder einer Steppe voller Gazellenherden. Dies ist zoologisches Geschehen und gehört in eine Einstellung von ganz andrer Art: es kommt da nicht auf das Schicksal von einzelnen Völkern und Herden an, sondern auf das Schicksal des Menschen und das der Gazelle oder Ameise als Art. Der primitive Mensch hat Geschichte nur im biologischen Sinne. Auf ihre Ermittlung läuft alle prähistorische Forschung hinaus. Die zunehmende Vertrautheit mit Feuer, Steinwerkzeugen, Metallen und den mechanischen Gesetzen der Waffenwirkung kennzeichnet nur die Entwicklung des Typus und der in ihm ruhenden Möglichkeiten. Was mit diesen Waffen bei einem Kampf zwischen zwei Stämmen erzielt wird, ist im Rahmen dieser Art von Geschichte völlig gleichgültig. Steinzeit und Barock: das sind Altersstufen im Dasein einer Gattung und einer Kultur, also zweier Organismen, die im Bereich zweier grundverschiedener Einstellungen liegen. Ich protestiere hier gegen zwei Annahmen, die alles historische Denken bis jetzt verdorben haben: gegen die Annahme eines Endziels der gesamten Menschheit und gegen die Leugnung von Endzielen überhaupt. Das Leben hat ein Ziel. Es ist die Erfüllung dessen, was mit seiner Zeugung gesetzt war. Aber der einzelne Mensch gehört durch seine Geburt entweder einer der hohen Kulturen an oder nur dem menschlichen Typus überhaupt. Eine dritte große Lebenseinheit gibt es für ihn nicht. Aber damit liegt sein Schicksal entweder im Rahmen der zoologischen oder der »Weltgeschichte«. Der »historische Mensch«, wie ich das Wort verstehe und wie es alle großen Historiker immer gemeint haben, ist der Mensch einer in Vollendung begriffenen Kultur. Vorher, nachher und außerhalb ist er geschichtslos. Dann sind die Schicksale des Volkes, zu dem er gehört, ebenso gleichgültig wie das Schicksal der Erde, wenn man es nicht im Bilde der Geologie, sondern der Astronomie betrachtet. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 612-613).Und daraus folgt eine ganz entscheidende und hier zum erstenmal festgestellte Tatsache: daß der Mensch nicht nur vor dem Entstehen einer Kultur geschichtslos ist, sondern wieder geschichtslos wird, sobald eine Zivilisation sich zu ihrer vollen und endgültigen Gestalt herausgebildet und damit die lebendige Entwicklung der Kultur beendet, die letzten Möglichkeiten eines sinnvollen Daseins erschöpft hat. Was wir in der ägyptischen Zivilisation seit Sethos I. (1300) und in der chinesischen, indischen und arabischen noch heute vor uns sehen, ist wieder das zoologische Auf und Ab des primitiven Zeitalters, mag es sich auch in noch so durchgeistigte religiöse, philosophische und vor allem politische Formen hüllen. Ob in Babylon die Kossäer als wüste Soldatenhorde oder die Perser als feine Erben sitzen; wann, wie lange und mit welchem Erfolg sie das tun, ist von Babylon aus gesehen ohne Bedeutung. Für das Behagen der Bevölkerung war es gewiß nicht gleichgültig, aber an der Tatsache, daß die Seele dieser Welt erloschen war und deshalb alle Ereignisse einer tieferen Bedeutung entbehrten, änderte sich damit nichts. Eine neue, fremde oder einheimische Dynastie in Ägypten, eine Revolution oder Eroberung in China, eine neues Germanenvolk im römischen Reiche, das gehört zur Geschichte der Landschaft wie eine Änderung im Wildbestand oder der Ortswechsel eines Vogelschwarmes. Was in der wirklichen Geschichte höherer Menschen immer auf dem Spiel stand und allen tierhaften Machtfragen zugrunde lag, auch wenn der Treibende oder Getriebene sich nicht im geringsten der Symbolik seiner Taten, Absichten und Geschicke bewußt wurde, das war die Verwirklichung von etwas durchaus Seelenhaftem, die Überführung einer Idee in eine lebendig historische Gestalt. Das gilt ebenso von dem Ringen zwischen großen Stilrichtungen in der Kunst - Gotik und Renaissance -, oder zwischen Philosophen - Stoiker und Epikuräer -, oder Staatsgedanken - Oligarchie und Tyrannis -, oder Wirtschaftsformen - Kapitalismus und Sozialismus. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 613-614).Von alledem ist nicht mehr die Rede. Was übrig bleibt, ist der Kampf um die bloße Macht, um den animalischen Vorteil an sich. Und wenn vorher selbst die scheinbar ideenloseste Macht noch in irgend einer Weise der Idee dient, so ist in späten Zivilisationen selbst der überzeugendste Schein einer Idee nur die Maske für rein zoologische Machtfragen. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 614).Was die indische Philosophie vor und nach Buddha unterscheidet, ist dort die große Bewegung auf ein mit der indischen Seele und in ihr gesetztes Ziel des indischen Denkens, und hier das immer neue Hin- und Herwenden eines Denkbestandes, der dadurch nicht anders wird. Die Lösungen sind da, aber man ändert den Geschmack der Art, sie auszusprechen. Und dasselbe gilt von der chinesischen Malerei vor und nach dem Beginn der Han-Dynastie - mögen wir sie kennen oder nicht - und von der ägyptischen Architektur vor und nach dem Beginn des Neuen Reiches. In der Technik steht es nicht anders. Die abendländischen Erfindungen der Dampfmaschine und Elektrizität kommen unter den Chinesen heute in ganz derselben Weise - und mit derselben religiösen Scheu - in Aufnahme wie vor viertausend Jahren die Bronze und der Pflug und noch viel früher das Feuer. Beides unterscheidet sich seelisch vollständig von den Erfindungen, welche die Chinesen der Dschouzeit selbst gemacht haben und die für ihre innere Geschichte jedesmal in eine Epoche bedeuteten. (). Vorher und nachher spielen Jahrhunderte nicht entfernt mehr die Rolle wie die Jahrzehnte und oft einzelne Jahre innerhalb der Kultur, denn die Zeiträume der Biologie kommen allmählich wieder zur Geltung. Das gibt diesen sehr späten Zuständen, welche für ihre Träger etwas ganz Selbstverständliches haben, den Charakter jener feierlichen Dauer, den echte Kulturmenschen wie Herodot in Ägypten und seit Marco Polo die Westeuropäer in China im Vergleich mit dem Tempo der eigenen Entwicklung staunend wahrgenommen haben. Es ist die Dauer der Geschichtslosigkeit. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 615).Ist nicht mit Actium und der pax Romana die antike Geschichte zu Ende? Große Entscheidungen, in denen sich der innere Sinn einer ganzen Kultur zusammendrängt, kommen nicht mehr vor. Der Unsinn, die Zoologie beginnt zu herrschen. Es wird gleichgültig - für die Welt, nicht für die handelnden Privatpersonen -, ob ein Ereignis so oder so ausgeht. Alle großen Fragen der Politik sind gelöst, wie sie in allen Zivilisationen zuletzt gelöst werden: indem man Fragen nicht mehr als solche empfindet; indem man nicht mehr fragt. Es dauert nicht lange und man versteht auch nicht mehr, was bei früheren Katastrophen an Problemen eigentlich zugrunde lag. Was man nicht an sich selbst erlebt, erlebt man auch nicht an andern. Wenn die späten Ägypter von der Hyksoszeit, die späten Chinesen von der entsprechenden »Zeit der kämpfenden Staaten« reden, so beurteilen sie das äußere Bild nach ihrer Art zu leben, die keine Rätsel mehr kennt. Sie sehen da bloße Kämpfe um die Macht; sie sehen nicht, daß diese verzweifelten äußeren und inneren Kriege, in denen man die Fremden gegen die eigenen Mitbürger aufrief, um eine Idee geführt wurden. Wir verstehen heute, was um die Ermordung des Ti. Gracchus und des Clodius in furchtbaren Spannungen und Entladungen vor sich ging. 1700 konnten wir es noch nicht und 2200 werden wir es nicht mehr verstehen. Genau so steht es mit jenem Chian, einer napoleonischen Erscheinung, für welche die ägyptischen Historiker später nur noch die Bezeichnung »Hyksoskönig« ausfindig machten. Wären die Germanen nicht gekommen, so hätte die römische Geschichtsschreibung ein Jahrtausend später vielleicht aus Gracchus, Marius, Sulla und Cicero eine Dynastie gemacht, die von Cäsar gestützt wurde. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 615-616).Man vergleiche den Tod des Ti. Gracchus mit dem Neros, als die Nachricht von der Erhebung Galbas nach Rom kam, oder den Sieg Sullas über die Marianer mit dem des Septimius Severus über Pescennius Niger. Hätte das entgegengesetzte Ergebnis im zweiten Falle am Gange der Kaiserzeit irgend etwas geändert? Es geht bereits viel zu weit, wenn Mommsen und Ed. Meyer (Cäsars Monarchie und das Prinzipat des Pompejus, 1918, S. 501ff.) einen sorgfältigen Unterschied zwischen der »Monarchie« Cäsars und dem »Prinzipat« des Pompejus oder Augustus machen. Das sind jetzt leere staatsrechtliche Formeln; fünfzig Jahre vorher wäre es noch der Gegensatz zweier Ideen gewesen. Wenn Vindex und Galba 68 »die Republik« wiederherstellen wollten, so spielten sie mit einem Begriff in einer Zeit, für die es Begriffe von echter Symbolik nicht mehr gab. Es stand nur noch in Frage, in wessen Hände die rein materielle Gewalt kommen würde. Die immer negerhafteren Kämpfe um den Cäsarentitel hätten sich noch durch Jahrhunderte fortspinnen können, in immer primitiveren und deshalb »ewigeren« Formen. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 616-617).Diese Bevölkerungen haben keine Seele mehr. Sie können deshalb keine eigne Geschichte mehr haben. Sie können höchstens in der Geschichte einer fremden Kultur die Bedeutung eines Objektes erhalten und es ist ausschließlich dieses fremde Leben, welches von sich aus den tieferen Sinn dieser Beziehung bestimmt. Was auf dem Boden alter Zivilisationen überhaupt noch geschichtsartig wirkt, ist also nie der Gang der Ereignisse, insofern der Mensch dieses Bodens selbst in ihnen mitspielt, sondern insofern andre es tun. (Oswald Spengler, a.a.O., S. 617).Was Evolution und Geschichte unterscheidet, ist - laut Spengler (!) - die Kultur bzw. die Seele als Kulturseele (vgl. kulturelles Seelenbild und Ursymbol ). |
Kulturelle Evolution als Komplement zur natürlichen EvolutionEvolution bedeutet laut Darwinscher Evolutionstheorie: (1) daß die Entwicklung, die selbst kein Ziel hat, eine vom Zufall, der eine Notwendigkeit enthält, abhängige Anpassung an die sich ebenfalls verändernde Umwelt ist (Stichwort: Selektion); (2) daß es viele unterschiedliche Lebewesen gibt (Stichwort: Variation); (3) daß es (eine Überproduktion von) Nachkommen und also Erben gibt (Stichwort: Vererbung).Ergänzt werden muß: (1) daß der Anpassung an die Umwelt durch die Distanzierung von ihr entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die menschliche Technik oder die menschliche Politik, die auch soziale Selektion / negative Selektion, Dysgenik / negative Eugenik, Survival-of-the-Unfittest-Politik betreiben kann); (2) daß der Unterschiedlichkeit durch die Gleichmacherei entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die menschliche Politik); (3) daß der Produktion von Nachkommen durch den extremen Egoismus namens Individualismus entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die gegen das Leben nachkommender Menschen gerichteten menschlichen Vorgehensweisen wie Abtreibung und andere Kindestötungen).Die drei Regeln der Evolutionstheorie werden aber durch die drei ihnen genau entgegengesetzten Tendenzen nicht falsch, wohl aber auf ein kleineres Bedeutungsmaß eingeschränkt. Mit anderen Worten: Sie werden von den ihnen entgegengesetzten Ausnahmen also nicht falsifiziert, sondern ergänzt. Wo es Regeln gibt, da gibt es auch Ausnahmen von diesen Regeln. Wenn es zu Regeln keine Ausnahmen geben kann, dann handelt es sich nicht um Regeln, sondern um Gesetze (). Die Evolutionstheorie stellt also keine Gesetze auf, sondern lediglich Regeln.Gerade die biologische Evolutionstheorie wird aber mit diesen Regeln nicht ausreichend erklärt, zumal einige Wissenschaftler nicht glauben, daß die Natur (wer oder was ist das? Gott?) selektiert. Die Gründe für die biologische Evolution sind: (A) der Wille zur Selbsterhaltung (das Selbsterhaltungsinteresse, so Mersch) und (B) der Wille zur Reproduktion (das Reproduktionsinteresse, so Mersch). Beide (A und B) sind Varianten des Willens zum Leben bzw. Überleben. (). Entscheidend ist also der Lebenswille (Lebenstrieb).Ergänzt werden muß auch hier: (A) der Wille zur Selbstzerstörung (das Selbsterhaltungsdesinteresse) und (B) der Wille zur Reproduktionsverweigerung (das Reproduktionsdesinteresse). Beide (A und B) sind Varianten des Willens zum Nichtleben (Tod) bzw. Ableben (Sterben). Entscheidend ist in diesem Fall also der Todeswille (Todestrieb).Lebenswille (Lebenstrieb) und Todeswille (Todestrieb) sind die zwei Seiten dessen, was wir Leben nennen. Das Leben hat einen Anfang und ein Ende, dessen Grenze der Tod bildet. Der Tod ist deshalb Bestandteil des Lebens, weil wir wissen, daß der Tod das Leben begrenzt. Im genetisch-biologischen Bereich gibt es die Individualität (), weshalb es auch kein Wunder ist, daß ein Individuum mehr Lebenswillen als ein anderes Individuum haben kann, daß es weniger Todeswillen als ein anders haben kann. Im soziobiologischen bzw. biosoziologischen Bereich spielt die Individualität jedoch nur eine untergeordnete Rolle, obwohl es auch hier kein Wunder ist, daß eine Gemeinschaft mehr Lebenswillen als eine andere Gemeinschaft haben kann, daß sie weniger Todeswillen als eine andere haben kann. Häufig ist es so, daß der Lebenswille und der Todeswille zu ganz bestimmten Zeiten unterschiedlich stark ausgeprägt sind, z.B. beim Individuum am Anfang und am Ende seines Lebens oder z.B. bei einer Gemeinschaft (Paar, Familie, Sippe, Stamm, Volk, Nation, Kultur) am Anfang und am Ende ihrer Existenz (ganz und gar unbestreitbar ist doch z.B. auch der seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert immer schneller fortschreitende Untergang der abendländischen Kultur). Aufgang bedeutet mehr Lebenswille als Todeswille, Untergang mehr Todeswille als Lebenswille.So wie man bei der unsichtbaren Hand, von der Smith in den 1770er Jahren sprach, den Eindruck hat, sie sei vielleicht die Hand Gottes, so hat man auch bei der natürlichen Selektion, von der Darwin in den 1850er Jahren sprach, den Eindruck, sie sei vielleicht die Hand Gottes. Denn wer ist es, der die Geschicke sowohl innerhalb der Biologie als auch innerhalb der Ökonomie lenkt? Wer selektiert? Wer nachtwächtert? Innerhalb der Natur im engeren Sinne - der Natur erster Ordnung -, also innerhalb von Physik und Chemie (vgl. Natur in meiner Schichtenlehre), mag ein Gott, mögen Götter, mag die Natur selbst sogar alles regeln (vgl. 4 Naturkräfte), aber eben nicht selektieren und nachtwächtern, denn das tun - jedenfalls sowohl innerhalb von Biologie und Ökonomie (vgl. Natur-Kultur in meiner Schichtenlehre) als auch innerhalb von Semiotik und Linguistik (vgl. Kultur in meiner Schichtenlehre) als auch innerhalb von Philosophie und Mathematik (vgl. Kultur-Natur in meiner Schichtenlehre) - die Lebewesen und ihre Gemeinschaften bzw. Gesellschaften, zu denen sie gehören. Die Gemeinschaften bzw. Gesellschaften sind quasi Superorganismen (Organisationssysteme); besonders die menschlichen Organisationssysteme sind fähig, so viel Macht anzuhäufen und so viel Einfluß auszuüben, wie es vor ihnen nicht möglich gewesen war.Evolution bedeutet eben auch, daß Umwelt und Lebewesen sich verändern, sich anpassen, sich gegenseitig beeinflussen. Evolution ist weniger ein Prozeß einseitiger Anpassung, sondern mehr ein Prozeß vielseitiger Anpassung, gegenseitiger Beeinflussung, vielfältiger Veränderung - also: Entwicklung im Zusammenspiel -, ja sogar ein Prozeß vielseitiger Insulierung () als ein Prozeß der Distanzierung (), des Gegenteils von Anpassung also.Und Gene allein reichen auch nicht aus, um z.B. zu erklären, warum Lebewesen - und unter denen besonders höhere Lebewesen und unter denen wiederum besonders Menschen und unter denen wiederum besonders deren Organisationssysteme () - sich offenbar anders verhalten, als es gemäß den Erkenntnissen der Genetik zu erwarten ist.Gene existieren an der Grenze zwischen Chemie und Biologie, also exakt an der Übergangsstelle von der Schicht Natur (Physik/Chemie) zur Schicht Natur-Kultur (Biologie/Ökonomie), und sind schon allein aus dem Grunde eine unverzichtbare Erkenntnisquelle für die Erklärung der Evolution vom Anorganischen zum Organischen, d.h. vom Unbelebten zum Belebten, also vom Nur-Materiellen zum Leben und folglich von der Schicht Natur zur Schicht Natur-Kultur, aber sie reichen schon nur noch zur Hälfte aus für die Erklärung von Verhaltensweisen, die nur die Schicht Natur-Kultur betreffen, und sind fast völlig ungeeignet für die Erklärung der Verhaltensweisen, die die darauf folgenden zwei Schichten, und zwar die Schicht Kultur (Semiotik/Linguistik) und die Schicht Kultur-Natur (Philosophie/Mathematik), betreffen. Mit Genen allein läßt sich nicht mehr ausreichend erklären, was nur mit Kultur zu tun hat.Die Evolutionstheoretiker argumentierten im 19. Jahrhundert ökonomisch-biologisch (vgl. Metagenese als Erkenntnisweg ), drangen im 20. Jahrhundert bis ins Genetische vor, also bis zum Übergang von der Schicht Natur-Kultur (Ökonomie/Biologie) zur Schicht Natur (Chemie/Physik), und argumentierten seitdem biologisch-chemisch (vgl. Metagenese als Erkenntnisweg ). Ihre naturwissenschaftliche Methode: Reduktion; ihre erkenntnistheoretische Methode: Metagenese); ihr Thema: Evolution des Biologischen; das heißt: seit ihrem Vorstoß bis ins Genetische sind die Möglichkeiten der Reduktion des Biologischen ausgeschöpft, denn die Biologie reicht im reduktionistischen Sinne nur bis zur Genetik als der Grenze zur Chemie. Wer seit dem Erreichen dieser Grenze noch mehr Wissen bzw. Erkenntnis über die Evolution haben will, muß andere Methoden, z.B. die Emergenz oder die Genese (), anwenden - auch wenn sie naturwissenschaftlich und erkenntnistheoretisch noch nicht ganz anerkannt sind.Man kommt jedenfalls nicht umhin, die Entwicklungen im Rahmen entweder einer Schichtenlehre oder einer Zwei-Wege-Spirale zu denken. Hierdurch läßt sich auch vermeiden, zu viele Erkenntnisgrenzen zu ignorieren, zu viele Fehler zu übersehen, zu viele Fehldeutungen zu machen. Auch Richard Dawkins bemerkte, daß seine Theorie über das egoistische Gen () zu ergänzen war, weil er das menschliche Reproduktionsverhalten damit nicht erklären konnte, und ergänzte sie deshalb durch die Theorie über das egoistische Mem () - die Memetik - und meinte zudem, der Mensch sei das einzige Lebewesen, das sich dem egoistischen Gen und also auch dessen Reproduktionswillen zu widersetzen vermöge.Der moderne Mensch habe, so Dawkins, zwei alternative Strategien, sich in die Zukunft fortzupflanzen:
Ergänzt werden muß aber auch bei der kulturellen Evolution (Geschichte): (1) daß der Anpassung an die kulturelle Umwelt durch die Distanzierung von ihr entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die Andersdenkenden, Aussteiger, Staatsfeinde u.s.w.); (2) daß der kulturellen Unterschiedlichkeit durch die Gleichmacherei entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die egalitaristische Politik); (3) daß der kulturellen Nachahmung durch den extremen Egoismus entgegengewirkt werden kann und auch wird (siehe z.B. die kaum beeinflußbaren Quer- und Sturköpfe, Individualisten, Genies u.s.w.).Weil aber gerade die biologische Evolutionstheorie mit Darwins Regeln nicht ausreichend erklärt werden kann und einige Wissenschaftler nicht glauben, daß die Natur (wer oder was ist das? Gott?) selektiert, kann auch die kulturelle Evolutionstheorie damit nicht ausreichend erklärt werden. Die Gründe für die biologische und kulturelle Evolution sind: (A) der Wille zur Selbsterhaltung (das Selbsterhaltungsinteresse, so Mersch) und (B) der Wille zur Reproduktion (das Reproduktionsinteresse, so Mersch). Beide (A und B) sind Varianten des Willens zum Leben bzw. Überleben (). Beide (A und B) gelten sowohl für die biologische als auch für die kulturelle Evolution. Für die biologische und die kulturelle Evolution entscheidend ist also der Lebenswille (Lebenstrieb).Ergänzt werden muß auch hier: (A) der Wille zur Selbstzerstörung (das Selbsterhaltungsdesinteresse) und (B) der Wille zur Reproduktionsverweigerung (das Reproduktionsdesinteresse). Beide (A und B) sind Varianten des Willens zum Nichtleben (Tod) bzw. Ableben (Sterben). Beide (A und B) gelten sowohl für die biologische als auch für die kulturelle Evolution. Für die biologische und die kulturelle Evolution entscheidend ist also auch der Todeswille (Todestrieb).Hieraus ergeben sich entsprechende Auf/Ab-Zyklen (), denn sowohl biologisch als auch kulturell ist davon auszugehen, daß überall dort, wo die Evolution (Geschichte) stattfindet, auch Leben und Tod, Erblühen und Verwelken, Aufgang und Untergang sich ereignen. Das gilt für alle Lebewesen, wenn auch für diejenigen, die prinzipiell unsterblich sind und deren Leben nur durch den Unfall beendet werden kann (), auf andere Art und Weise als für diejenigen, die prinzipiell sterblich sind und deren Leben allein schon durch die genetische Rekombination und die sexuelle Fortpflanzung zeitlich begrenzt ist ().Was meiner Meinung nach die verschiedenen menschlichen Historienkulturen () immer wieder in den Untergang gezwungen hat, ja auch die eine gesamte (falls es sie gibt) Menschenkultur () zwingen wird, sind nicht irgendwelche Außenbedingungen (sie sind nur Unfälle), sondern die Menschen selbst, also die Internbedingungen der (entscheidenden) Menschen innerhalb der Historienkulturen bzw. innerhalb der Menschenkultur. Dies alles passiert deshalb, weil der Mensch so ist, wie er ist, und weil er selbst, um zu wissen, was alles möglich ist, nach und nach herausfinden muß, wie er ist. Hauptsächlich ist es nämlich sein durch seine technische und ökonomische Entwicklungen exponentiell anwachsender Wohlstand, der seinen eigenen Untergang herbeiführt. Denn dieser übertriebene Wohlstand macht noch viel selbstsüchtiger als ohnehin schon der noch gesunde Egoismus. Zu übertriebener Selbstsucht, extremem Ego(zentris)ismus, radikalem Individualismus u.s.w. führt also erst der durch die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen exponentiell anwachsende Wohlstand. Mit dem Leben kam auch das Interesse an Wohlstand in die Welt - das heißt: eine von vielen Eigenschaften des Lebens ist eben auch der Wille zum Wohlstand. Der Mensch hat zwar keinen absoluten freien Willen (), aber immerhin einen relativen freien Willen (), und insbesondere der westliche Mensch (!) - kennt auch bezüglich des Wohlstands überhaupt keine Hemmungen. Der von den technischen und den ökonomischen Entwicklungen verursachte sowie u.a. zu einem extremen liberalistischen Individualismus führende exponentiell anwachsende Wohlstand (Hyper-Luxus) ist einer der wichigsten Gründe für das Desinteresse an Nachkommen (), für das Interesse an ständiger Expansion (denn die Konkurrenz zwingt den Willen zum Erhalt bzw. Ausbau des Wohlstands zur Expansion) und somit für den Untergang.Der Mensch ist dabei, den Planeten namens Erde ganz und gar auszubeuten (), will schon bald auch den Erdtrabanten namens Mond und den Planeten namens Mars ausbeuten (). Verhindern kann dies nur noch ein Unfall, z.B. verursacht durch einen Meteoriten oder einen riesigen Vulkan oder eine ähnlich große Erdkatastrophe. Wenn ein solcher Unfall sich nicht ereignen wird, dann wird der Mensch eben so lange weitermachen, bis er seiner selbstverschuldeten Vernichtung nicht mehr trotzen kann. In der Zeit, in der noch verschiedene menschliche Kulturkreise existieren, in der Zeit besteht immerhin noch die Möglichkeit, daß im Falle des Verschwindens der Menschen einer Kultur die Menschen anderer Kulturen weiterexistieren können. Doch wenn nur noch eine Kultur (z.B. die Menschenkultur) existiert, dann ist es fatalerweise so, daß im Falle des Verschwindens der Menschen dieser Kultur ja eben alle (alle!) Menschen verschwinden.Sexuelle Selektion Darwinscher Evolutionstheorie und Gefallen-wollen-Kommunikation () Systemischer Evolutionstheorie () Sexuelle Selektion und Darwinsche Evolutionstheorie verhalten sich so zueinander wie Gefallen-wollen-Kommunikation und Systemische Evolutionstheorie. Warum dies so ist, soll der folgende Text verdeutlichen.Mit der sexuellen Selektion gelang der Natur eine ganz entscheidende Innovation, die die Grundlage vieler späterer Entwicklungen war: die Einführung der marktmäßigen und herrschaftsfreien Gefallen-wollen-Kommunikation. Sie dürfte maßgeblich verantwortlich sein für eine beschleunigte Evolution, für die Entstehung unserer großen Gehirne und unserer Zivilisation, aber eben auch für eine ungeheure Verschwendung. Und sie stand Modell für unsere modernen Märkte, die so ungeheuerliche Dinge wie Mobiltelefone mit integrierten Videokameras, Rundfunkempfängern und MP3-Playern hervorgebracht haben. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. i).Aufgrund der bei der sexuellen Fortpflanzung üblicherweise sehr unterschiedlichen potentiellen Fruchtbarkeit von männlich versus weiblich und der damit verbundenen unterschiedlichen Aufteilung der Elterninvestments zwischen den Geschlechtern, kam es auf Seiten der Männchen zu einer künstlichen Ressourcenverknappung bei den Fortpflanzungspartnern. Die Männchen gerieten hierdurch unter einen erheblichen zusätzlichen Selektionsdruck, und zwar selbst dann, wenn sich der Lebensraum regelrecht als Schlaraffenland erwies. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 27).In der Folge konkurrierten die Männchen um die »Ressource« Fortpflanzungspartner, während die Weibchen die Wahl hatten. Bei vielen Arten etablierte sich daraufhin ein Paarungsverhalten, was vorrangig darin besteht, daß die Männchen den Weibchen zu imponieren versuchen, und letztere dann bevorzugt jene Exemplare wählen, die ganz besonders ihren Gefallen finden. Mit anderen Worten, es kristallisierte sich ziemlich genau das auf modemen Marktplätzen vorherrschende Verhältnis zwischen Verkäufern (Männchen) und Käufern (Weibchen) heraus. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 27).Wer anderen etwas anzubieten hat, muß zunächst um deren Aufmerksamkeit buhlen, wozu oft ausgesprochen verschwenderische Signale zur Bekundung von Selektionsinteressen ausgesendet werden. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 27).Betritt etwa ein potentieller Käufer ein auf Unterhaltungselektronik spezialisiertes Geschäft, dann wird er zunächst auf meist recht prachtvolle Weise mit den Angeboten des Händlers konfrontiert. In allen diesen Fällen handelt. es sich um verbindliche Selektionsinteressen, die allerdings an Bedingungen (insbesondere Preise) geknüpft sind. Der Interessent kann sich nun über die Spezifikationen oder andere Details der Ware informieren und sie sich gegebenenfalls sogar vorführen lassen. Wenn er sich nicht entscheiden kann, wird er möglicherweise noch weitere Geschäfte aufsuchen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Mit dem Betreten des Geschäftes signalisiert der Käufer seine grundsätzliche Bereitschaft ftir die Entgegennahme von Selektionsinteressen. Mit der Bekanntgabe seiner Post- oder Emailadresse tut er dies dagegen noch nicht. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 27-28).Im Grunde genommen hat sich die Natur mit der Erfindung der sexuellen Selektion beziehungsweise der Gefallen-wollen-Kommunikation ein wenig aus sich selbst herausgelöst. Ging es bei der Evolution des Lebens zunächst noch vorrangig um die optimale Anpassung an ein Milieu und den möglichst effizienten dominanten Zugriff auf die Ressourcen beziehungsweise das Überleben der Tauglichsten innerhalb einer wilden Natur, so steht nun die Adaption an den Geschmack und die Bedürfnisse einer Schar an Abnehmern (Selektierern) im Vordergrund (). Und deren Bedürfnisse sind alles andere als statisch: Mit viel Geschick können sie geweckt oder vielleicht sogar ganz neu erzeugt werden. Die Gefallen-wollen-Kommunikation war folglich die Voraussetzung dafür, daß sich der Mensch die Erde untertan machen und seine eigene Welt schaffen konnte. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 30).Und damit bin ich bei einem ganz entscheidenden Punkt: Die Evolution läßt nicht nur Arten entstehen, sondern auch (artenübergreifende) Kommunikationsweisen (), Selektionsmechanismen und Verhaltensmuster (zum Beispiel Egoismus, Kooperation, Altruismus). So dürfte beispielsweise die Sexualität und hierbei insbesondere das der sexuellen Selektion innewohnende Interaktionsmuster der Gefallen-wollen-Kommunikation maßgeblich verantwortlich gewesen sein für viele spätere evolutionäre Entwicklungen. Anders gesagt: Ohne Sexualität, Getrenntgeschlechtlichkeit und Gefallen-wollen-Kommunikation hätten Kultur, Altruismus, Zivilisation, Höflichkeit, Demokratie, Marktwirtschaft, Werbung, Kunst, Wissenschaft und Technologie nicht entstehen können. Die Welt wäre dann beim Fressen und Gefressen werden geblieben (). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 30-31).Der Sinn der sexuellen Fortpflanzung und damit der Sexualität insgesamt galt in der Biologie lange Zeit als rätselhaft. Biologen weisen heute meist auf die sehr große genetische Vielfalt hin, die auf diese Weise entstehen kann:
Ein entscheidender Vorteil der sexuellen Fortpflanzung scheint in der sogenannten sexuellen Selektion zu bestehen .... Denn auf diese Weise implementiert die Natur so etwas wie einen Markt mit künstlicher Verknappung der Nachfrageseite (Angebotsmarkt), wodurch selbst bei eher niedrigem Selektionsdruck erheblich beschleunigte Evolutionsprozesse entstehen können. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 143).Mit Elterninvestment wird in der Soziobiologie die Gesamtheit der Maßnamhen bezeichnet, die Lebewesen ergreifen, um Nachkommen zu zeugen und sie für das Leben und ohne spätere eigene Fortpflanzung vorzubereiten und fit zu machen. Dabei werden Brutpflege (= Gesamtheit der Verhaltensweisen, die Lebewesen bei der Aufzucht ihrer Jungen entwickeln) und Brutfürsorge (= alle Verhaltensweisen von Eltern, die ihrem Nachwuchs im voraus günstige Entwicklungsmöglichkeiten bieten) unterscheiden. (Vgl. Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?, 2002, S. 42f.) (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 143).Sexualpartner, die den höheren elterlichen Aufwand treiben, stellen im allgemeinen für das andere Geschlecht die knappere Ressource dar. Das Konzept des Elterninvestments ist deshalb in der Lage, die Geschlechterrolle und die Intensität des Paarungswettbewerbs vorherzusagen:
Bei der sexuellen Selektion handelt es sich ... quasi um einen Turbolader der Evolution. Sie steht nicht im Widerspruch zur natürlichen Selektion, sondern ergänzt sie. Allerdings - und auch darauf wurde mehrfach hingewiesen - kann es unter ihrer Regie zu Selbstläuferprozessen kommen, bei den eigenständige Merkmale und Phänomene hervorgebracht werden, die sich gelegentlich auch als ausgesprochen ungünstig für die Überlebensfähigkeit einer Art erweisen können (vgl. Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, 1973 S. 32). (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 263-264).Was die sexuelle Selektion für die Darwinsche Evolutionstheorie ist, ist nun die Gefallen-wollen-Kommunikation für die Systemische Evolutionstheorie: sie schafft eigenständige selektive Umwelten, in denen dann autonome evolutive Prozesse ablaufen können. Anders gesagt: Die Gefallen-wollen-Kommunikation erzeugt den Rahmen; sie erstellt die evolutive Infrastruktur. Anschließend gestaltet sich darin alles gemäß den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 264).Dies hat erhebliche Konsequenzen. Denn offenbar hat die Evolution bislang nicht nur verschiedene biologische Arten, sondern auch noch unterschiedliche Interaktionsweisen - und damit dann auch neue Evolutionsinfrastrukturen hervorgebracht. Anders gesagt: Die Evolution hat es gelernt, sich selbst zu reproduzieren. Es gibt seitdem nicht mehr nur eine Evolution, sondern derer viele. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 264).Kamen die Selektionsfaktoren zunächst ausschließlich aus der Natur - weswegen es dafür dann folgerichtig auch natürliche Selektion hieß -, so beziehen sie sich nun mehrheitlich auf fremde Gehirne mit ihren subjektiven Erlebnisgehalten, inneren Zuständen und Welten, wobei letztere gemäß den Vorstellungen der Evolutionären Erkenntnistheorie mit der realen Welt sehr weit in Passung sein dürften. (Vgl. Gerhard Vollmer, Biophilosophie, 1995, S. 107ff.). In allen modernen Evolutionsinfrastrukturen stehen nun also der Selektionsfaktor »persönlicher Geschmack« und die Gefallen-wollen-Kommunikation im Vordergrund. (Peter Mersch, Evolution, Zivilisation und Verschwendung, 2008, S. 264).Laut Mersch ist die natürliche Selektion lediglich ein Ergebnis der Wirkungen grundlegenderer, auf den Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteressen von Individuen beruhender Prinzipien, die er unter dem Namen Systemische Evolutionstheorie zusammenfaßt. Gemäß dieser können nur selbsterhaltende, selbstreproduktive Systeme eigendynamisch evolvieren. Sexuelle Selektion und Darwinsche Evolutionstheorie verhalten sich zueinander wie Gefallen-wollen-Kommunikation und Systemische Evolutionstheorie. Das Zusammenspiel von Systemischer Evolutionstheorie und Gefallen-wollen-Kommunikation kann den Ursprung von Allem () - so Mersch - erklären. |
Quadrialistisches Weltbild und EntwicklungDer Quadrialismus ist ein vierheitliches Weltbild. Albert Einstein hat bis zu seinem Tod vergeblich Relativitätstheorie und Quantenmechanik in einer »Große Vereinheitlichte Theorie« () zusammenzufassen versucht, einer Theorie, in der die vier »Kräfte« (starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung sowie Gravitaton; vgl. 4 Naturkräfte ) Ausdruck ein- und derselben »Kraft« oder Entität anzusehen seien. .... Nach der im Quadrialistischen Weltbild gegebenen Definition von »Materie« besitzt jedes Materie-Teilchen nicht nur ihre eigene Energie (oder Masse), sondern auch ihren eigenen Raum und ihre eigene Zeit. Dies gilt nicht nur für die mikrophysikalische, sondern auch für die makrophysikalische Materie. Das heißt: Das mathematisch handliche »Raum-Zeit-Kontinuum« Einsteins ist ontologisch eine »Zeit-Raum-Hierarchie« (was einander nicht ausschließt), wobei das »Vakuum« die »nullte«, die Zeit die »erste«, der Raum die »zweite«, »dritte« und »vierte«, und die Gravitation als »Raumkrümmung« die fünfte« Materiedimension repräsentieren. In dieser Hierarchie besteht eine hohe Symmetrie der interdimensionalen Relationen: die n-te Dimension eines Materiegebildes ist endlich in Bezug auf die unendliche (n1)-te Dimension desselben Materiegebildes. Da die Energie/Masse gequantelt ist, sind - allein nach dem im quadrialistischen Weltbild geltenden Symmetrieprinzip - auch Raum und Zeit gequantelt. Aus der Quantelung der Materie im Mikrophysikalischen ergibt sich - nach den in evolutionären Hierarchien geltenden Stufengesetzen - auch die Quantelung der makrophysikalischen Materie mit der Gravitation als Energie/Masse-Dimension. So sind die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie sowie die Quantentheorie in der Quadrialistischen Theorie als ihrer Supertheorie vereinigt. Einstein unterlag wohl dem Irrtum, für die physikalischen Theorien eine physikalische Supertheorie suchen zu sollen. Er hätte nach einer nicht-physikalischen Supertheorie suchen müssen, in der sich gleichsam die Axiome der Physik befinden, so wie sich die Axiome der Logik, der Arithmetik und der Geometrie auch in einem nicht-logischen, nicht-arithmetischen bzw. nicht-geometrischen Beziehungssystem befinden. (Lothar Kleine-Horst, Der Anfang des nach-naturwissenschaftlichen Zeitalters, 2004 ).»Heisenberg behauptete kurz vor seinem Tod, daß die tiefsten Ebenen der Realität nicht in Teilchen, sondern in Symmetrien bestehen.« (F. D. Peat, Synchronizität, 1989, S. 224). »Die Auffindung einer Symmetrie ist von viel größerer Bedeutung als die Entdeckung eines bestimmten Phänomens. .... Bei ihrer Suche nach einem fundamentalen Konzept beginnen die Physiker mit einer bestimmten Symmetrie und überprüfen dann, ob die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, mit den Beobachtungen in Einklang gebracht werden können.« (Anthony Zee, Magische Symmetrie, 1993, S. 93,121). Genau diese Überprüfung wird in bezug auf die im neuen Modell der Wirklichkeit als vorhanden angenommen Symmetrien erfolgen. Diese sind keine spezifischen Symmetrien von »Naturgesetzen« (d.h. materiellen Gesetzen), sondern sie sind generelle Symmetrien von »Wirklichkeitsgesetzen«, d.h. solchen, die nicht nur die Materie (materiale Seinsweise) betreffen, sondern auch die anderen, nicht-materialen, Seinsweisen. Diese Symmetrien sind somit allgemeingültige Grundgesetze der Wirklichkeit, denen selbst die Symmetrien der Naturgesetze unterworfen sind. Die o.a. Zitate sollen also über die ausschließlich die Materie betreffenden Naturgesezte auch für die hier neu modellierte Gesamtwirklichkeit Geltung haben. (Lothar Kleine-Horst, Das quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit, 2004 ).Ein Quadrialismus entsteht, wenn man einen Trialismus, der bereits das Materie-Bewußtsein-Problem (z.B. im Monismus und im Dualismus) einer Lösung zugeführt hat, erweitert. Es wird nämlich unter Übertragung der in ihm gefundenen Symmetrien nach oben zum Geistigen hin und nach unten zum Anorganischen hin extrapoliert. Dabei entsteht ein System, nach dem sich die Evolution als Makroevolution in vier Evolutionsstufen und vier senkrecht auf diesen stehenden Seinsweisen vollzogen hat - und sich heute noch als Mikroevolution in jedem Individuum vollzieht. Eine vierte Seinsweise, die ordinale Seinsweise, ergänzt die trialistischen drei Seinsweisen, wodurch sich das neue Weltbild als ein quadrialistisches ausweist.
Die Wirklichkeit gänzlich beschreiben heißt, daß das trialistische Weltbild mit den drei Seinsweisen () um die ordinale Seinsweise ergänzt, also zu einem quadrialistischen Weltbild mit den vier Seinsweisen () ausgebaut werden muß; denn erst eine solche quadrialistische Struktur kann als der (Gesamt-)Wirklichkeit adäquat angesehen werden. Die evolutiv entstandenen Gegebenheiten der Wirklichkeit gehören einer der vier nacheinander auftetenden Seinsweisen an, zunächst der ordinalen, danach der materialen, danach der funktionalen, danach der phänomenalen und schließlich wieder der ordinalen Seinsweise (). Unter den vier Seinsweisen nimmt die ordinale Seinsweise eine Sonderstellung ein. In der eckigen Abbildung erscheint sie wie auseinandergerissen () und auf zwei weit auseinanderliegenden Evolutionsstufen verteilt (), auf die 1. und die 4. Evolutionsstufe (), doch die kreisrunde Abbildung behebt diesen Schein (). Die Evolutionsstufen (Schichten) einerseits und die Seinsweisen andererseits sind einander sehr symmetrisch. Es scheint möglich zu sein, eine bisher noch nicht gelungene inhaltliche Interpretation der Struktur einer Evolutionsstufe oder einer Seinsweise dadurch zu erreichen, daß man nach Tatsachen sucht, die in solchen Beziehungen stehen, die den aus anderen Evolutionsstufen und Seinsweisen bekannten Beziehungen homolog sind, oder, indem man bestimmte Beziehungen, die man zwischen den Tatsachen vorfindet oder auch nur vermutet, in die interdisziplinäre Sprache des Acht-Welten-Modells übersetzt, um auf diese Weise die inhaltliche Interpretation des zunächst formalen Modells voranzutreiben. So wie die Naturwissenschaftler die in den Naturgesetzen gefundene Symmetrien verwenden, um weitere materiale Gesetze zu entdecken, so können hier die in den Wirklichkeitsgesetzen gefundenen und im Acht-Welten-Modell beschriebenen Symmetrien verwendet werden, um weitere Wirklichkeitsgesetze zu entdecken - unter ihnen vielleicht sogar solche materialen Gesetze, die selbst den Naturwissenschaftlern noch unbekannt sind. (Vgl. Lothar Kleine-Horst, Das quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit, 2004 ).
Läßt sich die Entwicklung () als Genese () vom Anorganischen (1) über das Organische (2), das Seelische (3) bis zum Geistigen (4), also in 1-2-3-4-Richtung beschreiben, so der Entwicklung () als Genese () vom Geistigen (4) über das Seelische (3), das Organische (2) bis zum Anorganischen (1), also in Gegenrichtung, nämlich in 4-3-2-1-Richtung. Will man die Metagenese als Entwicklung, nämlich als geistige Entwicklung beschreiben, so ist die 4-3-2-1-Richtung auch als 1-2-3-4-Richtung beschreibbar. Ein Beispiel für die Metagenese: Geister (z.B. der Ahnen), Götter, Gott und deren Wissen, Information, Gedanken o.ä. (4 bzw. 1) teilen sich sprachlich mit, indem sie Zeichen geben (3 bzw. 2), die Auswirkungen sowohl auf die Gruppe als auch jeden Einzelnen der Gruppe haben (2 bzw. 3) und sich in physikalisch-chemischen Naturerscheinungen zeigen sollen, so der feste Glaube, das Fürwahrhalten der Menschen in sowohl phylogenetisch als auch ontogenetisch frühen Zeiten, danach seltener werdend, aber nie ganz verschwindend. Noch heute sind viele Theorien dadurch gekennzeichnet - und das trotz der seit längerem schon durch die wissenschaftliche Empirie nachvollzogenen in Theorien eingegangenen Entwicklungen als Genese. Warum? Weil Richtung, Gegenrichtung, Gegengegenrichtung, Gegengegengegenrichtung, ... u.s.w. spiralzyklische Bewegungen der Genese mit darin eingeschlossenen Eigenrotationen der Metagenese sind: 1-2-3-4(-4[1]-3[2]-2[3]-1[4]-1[4]-2[3]-3[2]-4[1]...)-... u.s.w..Die Naturwissenschaftler haben die Symmetrie der Naturgesetze entdeckt, und für sie werden Symmetrien des Kosmos immer wichtiger, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie glauben, mit ihnen weitere - bisher noch unbekannte - Naturgesetze finden zu können. Wer alle Symmetrien kenne, kenne alle Naturgesetze - so sagen die Naturwissenschaftler. Evolution im Rahmen einer Allgemeinen EntwicklungstheorieSowohl gemäß meiner Quadrialistischen Erkenntnistheorie () als auch gemäß meiner Allgemeinen Entwicklungstheorie () ist die Evolution keine autonome Entwicklungsart, sondern lediglich ein Teil eines dreiteiligen Entwicklungssystems. Es geht also um drei verschiedene Entwicklungsarten, die je zwei Entwicklungsunterarten mit je zwei Entwicklungsunterunterarten einschließen:
Wenn Evolution als ein Kampf gegen die Entropie (), die gemäß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik () in geschlossenen Systemen niemals abnehmen kann, verstanden werden kann, dann kann es auch z.B. einen Kampf gegen die Evolution geben. Ich meine damit nicht, daß die Natur oder die Entropie kämpft, sondern daß es eine Entwicklung geben kann, die der Evolution bewußt zuwiderläuft und somit der Natur oder der Entropie, dem Zerfall, der Unordnung entgegenkommt. Für dieses Phänomen gibt es bisher keine andere Beschreibung als die Geschichte selbst - jedenfalls ist das eine meiner Hypothesen -, wobei die Geschichte sowohl wie oder ähnlich wie die Evolution daherkommen als auch gegen sie gerichtet sein kann (daher: Evolution i.w.S., Evolution i.e.S., Geschichte i.w.S., Geschichte i..e.S.). Diese Möglichkeit steckt in der Evolution wie die Evolution im Universum.Geschichte ist zwar abhängig von Kosmogenese und Evolution, und Evolution ist zwar abhängig von der Kosmogenese (), aber Evolution ist gegenüber der Kosmogenese freier als diese, und Geschichte ist gegenüber Evolution und Kosmogenese freier als diese beiden. Deswegen ist Geschichte aber nicht absolut frei (das geht ja auch schon aus dem letzten Satz hervor). Absolute Freiheit gibt es ohnehin nicht. Aber Geschichte kann etwas, was die anderen beiden Entwicklungsdimensionen nicht können: sie kann mit ihnen im Rahmen der eben erwähnten zusätzlichen relativen Freiheit spielen und deren Synthese bilden - trotz der Tatsache, daß sie von beiden abhängig ist. Abgesehen von z.B. Gravierungen, Ritzzeichnungen und Höhlenmalereien (), die ebenfalls schon der Historisierung () zuzuordnen sind, konnte Geschichte ja erst dank der Seßhaftigkeit (), der Landwirtschaft (Stichwort: Neolithische Revolution {}) und ganz besonders eben der Schrift(lichkeit) entstehen. |
Anmerkungen:
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