Auslöser war ein Rohrbomben-Anschlag in einem Düsseldorfer
S-Bahnhof am 27. Juli, bei dem sieben Sprachschüler aus der ehemaligen Sowjetunion,
in der Mehrzahl jüdischen Glaubens, teils schwer verletzt wurden. Es ging
kein Bekennerschreiben ein, ein Täter konnte nicht ausgemacht werden. Trotzdem
wurde der Anschlag in den Medien sehr schnell "rechtsextremen" Terroristen
unterstellt. Und er wurde in Zusammenhang mit einer angeblichen Serie von fremdenfeindlich
motivierten Gewaltakten auf dem Gebiet der fünf östlichen Bundesländer
gebracht. Die Kampagne bewirkte Aktivismus der verschiedensten Art von
etablierten Politikern und Institutionen initiierte Großdemonstrationen,
zahlreiche Formen teils skurril anmutender Bekenntnissymbolik (Zahnärzte
stellten ihre Behandlung, Friseure ihre Haarschnitte und Sportvereine ihre Trainingsstunden
unter das Motto "gegen Rechts" und werteten damit ihre Alltagshandlungen
rituell auf) bis zu staatlichen Bestrebungen, die NPD vom Bundesverfassungsgericht
verbieten zu lassen.
Dabei spielen Differenzierungen, Unterschiede zwischen
"Rechtsextremismus" "Rechtsradikalismus" oder einer gemäßigten
"Rechten" in der emotional geführten Diskussion keine Rolle. Erklärungen
sind müßig und werden auch immer weniger verstanden. Sie überfordern
anscheinend den Geist der Bürger in einer Unterhaltungsgesellschaft, in der
immer stärker nur noch in Schwarz-Weiß-Schemata gedacht wird. Der politische
Kampf wird somit zunehmend pauschal "gegen Rechts" geführt. "Rechts"?
Bürger und Medienmacher denken dabei nicht an eine weitreichende Geistestradition,
an Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck, Ernst Jünger oder Juan
Donoso Cortez. Nein das öffentliche Bild des "Rechten" ist heute
allenfalls noch als Comic-Zeichnung prügelnder und schreiender Glatzköpfe
präsent.
Wenn die Bürger an "die Rechten" denken, kommen
ihnen nicht mehr die Bilder von aristokratischen Landadeligen, von preußischen
Offizieren, von monarchistischen Honoratioren in ihren Studierzimmern, von kernigen
Wanderburschen der "bündischen Jugend" in den Sinn übrig
ist allein das Bild grölender, saufender Schläger. "Der Rechte"
wird somit zum Synonym für "der Menschenfeind", "der Gewalttäter"
und zur Verkörperung "des Bösen".
Diese Betrachtung,
wie die ganze Diskussion darüber, ist durch diese comicartige Verkürzung
bedingt an Einseitigkeit nicht mehr zu überbieten. Geschieht eine geringfügige
Sachbeschädigung an einer Synagoge oder einer KZ-Gedenkstätte, geht
ein medialer "Aufschrei" durch das Land, wird Sachbeschädigung
an einer Kirche begangen, ist das vielleicht eine sechszeilige Meldung in der
Lokalpresse wert, an einem Kriegerdenkmal (eine oft geübte Praxis linksgerichteter
Jugendbanden) nicht einmal das. Schlägt oder bedroht ein "Rechter"
einen "Linken" oder ein Deutscher einen Ausländer, führt dies
zu "empörten" Pressemitteilungen etablierter Politiker, werden
Deutsche von Ausländern bestohlen, bedroht, verletzt oder gar getötet,
ist das wieder nur ein Fall für den Regionalteil der Heimatzeitung. Die Gewalt
von Ausländern an Deutschen sei schließlich nicht "fremdenfeindlich"
motiviert, sondern es ginge nur ums Geld, so die Begründung. Als ob das Motiv
des Täters für das blutende Opfer einen Unterschied machte, und als
ob nicht sowohl Fremdenfeindlichkeit wie Raubüberfall im Grund um dasselbe
gingen sich Machtmittel in einem menschlichen Daseinskampf zu sichern (Territorium
und politischen Einfluß auf der einen, Finanzressourcen auf der anderen
Seite).
In der Presse gänzlich unterschlagen wird die Gewalt linksgerichteter,
"antifaschistischer" Gruppen gegen rechtsgerichtete Menschen: Brandanschläge
und Körperverletzungen sind hier durchaus an der Tagesordnung. Beispielsweise
fanden 1998 nach Angaben des Bundeskriminalamtes 261 Gewaltakte von sogenannten
Linksextremisten gegen rechtsgerichtete Menschen statt, darunter 3 versuchte Tötungsdelikte,
141 Körperverletzungen, 15 Brandstiftungen und 85 Landfriedensbrüche.
Für die Medien-Berichterstattung in der Regel überhaupt kein Thema.
Nein, es muß in einer zunehmend weniger differenzierenden, Unterhaltungsgesellschaft
feststehen, wer "böse" und wer "gut" ist. "Böse"
ist der "Rechte", dem jede Schandtat nachzusagen ist, "gut"
sind die (armen, ausgenutzten und mißachteten) "Ausländer",
die "Mitte" und auch die "Linke". Wie aber soll eine Demokratie
funktionieren, wie soll eine "Mitte" entstehen, wenn es zwar eine "Linke",
aber keine "Rechte" geben darf?
Das Bild des Kampfes der lichten
"Antifaschisten" gegen das dunkle Böse des "Rechtsextremismus"
ist natürlich ein mythologisches Motiv und Propagandaschema für eine
im Grunde politisch eher desinteressierte Bevölkerung. Jede Kampagne hat
aber ihren Hintergrund, und dieser ist auch hinter den Kulissen der "Anti-Rechts"-Demos
erkennbar. Hinter "antifaschistischen" Kampagnen gegen sogenannten Rechtsextremismus
versteckt sich immer ein weitergehendes Ziel. Das "braune Monster" wird
von linksgerichteten Politikern und Publizisten nur zu gerne herangezogen, um
über die Lähmung rechtsgerichteter politischer Gegner und die Fixierung
der Bevölkerung auf den "rechten Feind" weitergehende gesellschaftspolitische
Pläne zu realisieren. Seit der Regierungsübernahme durch Gerhard Schröder
wird das Projekt "multikulturelle Gesellschaft", also im Grunde die
schrittweise Marginalisierung einer sich als "deutsch" verstehenden
Bevölkerungsmehrheit in Deutschland, offen propagiert.
Nicht zufällig
ist das Zusammenfallen der "Anti-Rechts"-Kampagne mit der gleichzeitigen
Debatte um Zuwanderung und "Green Cards". Ein neuer Einwanderungsschub
nach Deutschland wird aus diversen politischen wie wirtschaftlichen Gründen
vorbereitet. Bei derartig weitreichenden Unternehmungen stört Kritik natürlich
immer. Das einfachste Mittel gegen sie ist, potentielle Kritiker in die argumentative
Defensive zu bringen. Wer sich für seine Meinung rechtfertigen muß,
beteuern muß, kein "schlechter Mensch" zu sein, ist zu einer offensiven
Kritik nicht mehr in der Lage. Und deshalb richtet sich die gegenwärtige
Kampagne ja auch in Wirklichkeit nicht gegen Gewalt- und Straftäter, da man
sonst auch die verschiedensten Formen von Gewalt in dieser Gesellschaft thematisieren
müßte.
Nur zur Verdeutlichung: 1999 wurden insgesamt 388.406
Körperverletzungsdelikte registriert, darunter 299 mit Todesfolge. In der
ersten Jahreshälfte 2000 dagegen registrierte das Bundeskriminalamt insgesamt
nur 330 Fälle sogenannter rechtsextremistischer Gewalt. Die Zahl solcher
Gewalttaten ging gegenüber dem Vorjahr zurück und hatte in etwa dieselbe
quantitative Stärke wie die Gewalttaten linksgerichteter Täter. Erst
im Gefolge der Medien-Kampagne seit August 2000 erhöhte sich die Zahl "rechtsextremistisch"
motivierter Übergriffe etwa durch Nachahmungstäter. Ein direkter Zusammenhang
zwischen der NPD und derartigen rechtsgerichteten Straftaten konnte übrigens
nicht ausgemacht werden. Zwar sind 330 "rechtsextremistische" Straftaten
auf jeden Fall 330 zuviel und gehören regulär strafrechtlich verfolgt,
sind aber angesichts der gesamtgesellschaftlichen Gewalt nur eine minimale Größe.
Es
geht also nicht um Gewalt. Vielmehr soll via Emotionalisierung der Bevölkerung
eine bestimmte politische Meinung unter Straftatsverdacht gestellt werden. "Faschismus
ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen", lautet eine Parole, die Gewerkschaftsmitglieder
unlängst von "Autonomen" der frühen neunziger Jahre abgeschaut
hatten. Und was "Faschismus" ist und wer dadurch demnächst ein
"Verbrechen" begeht und in den Knast gehört, bestimmen fortan die
selbsternannten "Anständigen".
Anders ausgedrückt: Krieg
gegen einen äußeren Feind wurde schon oft von Regierungen benutzt,
um von Fehlern der eigenen Politik ablenken zu können. Da es der Bundesrepublik
angesichts der außenpolitischen Situation und pazifistischen Rhetorik derzeit
nicht möglich ist, Krieg gegen äußere "Feindmächte"
zu führen, wird der Krieg gegen einen inneren "Feind" aufgenommen.
Auch dies eine deutsche Tradition. Man kann sich als Streiter für das Gute
und die Interessen des Volkes darstellen und sich, nachdem man beispielsweise
einem unwichtigen Grüppchen von 6.000 NPD-Mitgliedern "entschlossen"
in den Allerwertesten getreten hat, noch ohne Risiko in strahlender Siegerpose
präsentieren. Der "Sündenbock" ist in jedem System bestens
dafür geeignet, von eigener Unfähigkeit abzulenken und politische Herrschaft
zu sichern. In der Bundesrepublik heißt dieser Sündenbock in der Regel
"Rechtsextremist".
Eine politische Auseinandersetzung unserer
Zeit verläuft zwischen Anhängern einer Auflösung jeglicher Bindungen
an eine nationale Identität auf der einen und den Bewahrern nationaler Identität
auf der anderen Seite. Die einen propagieren die schrittweise Umwandlung des Kulturmenschen
zum rein biologischen "Menschen-so-wie-alle-anderen-auch", der nur von
seiner biologischen Konstitution als "Mensch" und seinem Konsumverhalten
bestimmt sei, die anderen sperren sich dagegen. Maßgebliche journalistische
Mitinitiatoren der "Anti-Rechts"-Kampagne, wie Burkhard Schröder
(geb. 1952), propagieren offen die gesellschaftliche Machtübernahme durch
Immigranten. In seinem neuesten Buch "Nazis sind Pop" (Berlin 2000,
Espresso-Verlag) empfiehlt Schröder der "Antifa" die "subversiven
Mittel der Migranten" zur "Modernisierung" und "Internationalisierung"
des Landes.
Unter dem "Rechtsextremisten" wird folgerichtig heute
zunehmend einfach derjenige verstanden, der sich gegen weiteren Ausländerzuzug,
gegen die Dominanz des Ökonomischen und für ein Deutschland unter eindeutiger
Dominanz einer deutschen Mehrheitskultur ausspricht. Oder derjenige, der kulturelle
und soziale Konflikte mit Ausländern in seinem Alltag austrägt und deren
Ethnizität thematisiert. Der universell feststellbare Konflikt zwischen verschiedenen
Ethnien wird also mit der politischen Verortung als "rechts" vermengt.
Auch wenn dieser "Ausländerfeind" oftmals gar nicht "rechts"
wählt, sondern vielleicht SPD oder PDS, oder niemals Spengler gelesen hat,
wird er im Medienapparat zunehmend abwertend als "Rechtsextremist" gekennzeichnet.
Die
heutige Kampagne ist eine fast getreue Kopie der "Lichterketten"-Bewegung
von 1992/93, als Hunderttausende in der Weihnachtszeit mit Kerzen auf die Straße
gingen, um gegen "Rechtsextremismus" und "Ausländerfeindlichkeit"
zu demonstrieren. "Wer schweigt, scheint zuzustimmen", verlautbarte
damals Fernseh-Moderator Alfred Biolek. Heute erklärt selbst der Bundeskanzler,
daß es "nicht mehr erlaubt" sei, "wegzusehen". Er fordert
zum "Aufstand der Anständigen" auf. Aber wenn ein Regierungschef
zu einem "Aufstand" auffordert, kann etwas nicht stimmen. Normalerweise
richten sich Aufständische gegen eine Regierung. Wenn aber die Herrschenden
zu einem Aufstand gegen irgendwelche unbedeutenden Randgruppen aufrufen, sollte
eigentlich Vorsicht geboten sein.
Die Elemente der heutigen Kampagne sind
dieselben wie zu "Lichterketten"-Zeiten. Zuerst braucht es ein Opfer
"ausländerfeindlicher" Gewalt, das jederzeit zu finden sein dürfte.
Dieses Opfer dient als Initialzündung der folgenden Kampagne. Das Thema wird
nun in den Medien multipliziert. Eine schuldige Gruppe wird ausfindig gemacht
"die rechtsextremen Gewalttäter", Wesen bar jeder Humanität,
eigentlich schon keine Menschen mehr, eine "Gefahr", die sich auf die
schutzlosen Bürger zubewege, um diese unter einer Welle von Gewalt und Terror
zu begraben. Die mediale Vermittlung funktioniert, da die meisten Bürger
den sogenannten "Rechtsextremisten" bislang nur im Fernsehen gesehen
haben, noch nie ein eigenes Gespräch mit einem derartigen "Monster"
geführt haben. Über verständliche Mitleidsgefühle gegenüber
den (ausländischen) Opfern und Angsterzeugung gegenüber den "Rechtsextremisten"
werden neben ohnehin bereitstehenden "antifaschistischen" Aktivisten
der verschiedenen linksgerichteten Organisationen moralisch betroffene
Normalbürger motiviert. Schließlich versuchen Spitzenpolitiker sich
entweder an den Protest anzuhängen, um sich zu profilieren, oder diesen zu
kanalisieren. Der "Antifaschismus", früher Betätigungsfeld
einiger radikal-linker Randgruppen, ist folglich seit Anfang der neunziger Jahre
zur Staatsdoktrin geworden. Schließlich kommt der heikelste Punkt der Kampagne.
Sogenannte "Vordenker", die "geistigen Brandstifter", werden
von interessierten linksgerichteten Publizisten und Politikern für die realen
Straftaten verantwortlich gemacht. Der "Vordenker"-Vorwurf kann sich
gegen jeden unbequemen Geist (Martin Walser, Ernst Nolte) richten, seine Karriere
zerstören, ihn zum angstvollen Schweigen bringen, so daß er mundtot
wird. Die Bewegung endet schließlich vorerst, wenn sie ihr Bauernopfer gefunden
hat. Waren dies nach der "Lichterketten"-Bewegung einige neonationalsozialistische
Kleingruppen, so ist es nun die NPD, eine seit fast 40 Jahren bestehende Partei,
die nie ernsthaft das politische System auch nur ansatzweise gefährden konnte.
Übrig bleibt die quälende Ungewißheit, ob das Bauernopfer das
Ergebnis der Kampagne war oder die Kampagne nur als Legitimierung des Bauernopfers
initiiert worden war. In folgenden Kampagnen könnten die Bauernopfer DVU
oder Republikaner heißen.
Dennoch existieren heute auch Unterschiede
zur "Lichterketten"-Bewegung. Waren damals noch die Blutopferopfer real
verortbar durch die auf den Bildschirmen in jedes Wohnzimmer flimmernden
schockierenden Bilder der Kinder aus den Asylantenheimen, die durch die Brandbomben
verletzt oder getötet wurden , so wurde die jetzige Kampagne ohne hinreichenden
Anlaß aufgenommen. Das Blutopfer, die Verletzten des Düsseldorfer Anschlags,
konnte keinesfalls rechtsgerichteten Tätern zugeschrieben werden, sondern
wurde nur als Aufhänger vorgeschoben. Man konnte also bei dieser zweiten
bundesdeutschen Großkampagne gegen den "rechten Feind" erkennen,
daß konkrete Anlässe anscheinend zur Mobilisierung der Massen überhaupt
nicht mehr notwendig sind. Die Konditionierung auf "rechts = Gefahr"
und "Ausländerzuzug = gut" ist bereits so tief in die seelischen
Schichten weiter Bevölkerungsteile eingebrannt, daß man nur noch wahllos
unzusammenhängende Schlüsselbegriffe über die Medien zu verbreiten
braucht (Was bitte hat "Auschwitz 1945" wirklich mit dem NPD-Verbot
von 2000 zu tun, wie es immer legitimierend behauptet wird?), und die Massen setzen
sich roboterhaft mit Spruchbändern "gegen Rechts" in Bewegung.
Und wer "wegschaut" (also nicht mitmarschiert) oder gar etwas dagegen
sagt, auf den beginnt die Masse mit dem Finger zu zeigen und laute Schreie der
Empörung auszustoßen.
Die Kampagne hat enorme finanzielle Unterstützung
von Regierung und Wirtschaft und stößt kaum noch auf nennenswerten
Widerstand in Medien oder unter skeptischen Politikern. Bei letzteren überwiegt
der Wille, sich durch bequemes Mitschwimmen im Strom zu profilieren und auf keinen
Fall durch unpopuläre Äußerungen die Finger zu verbrennen. Bei
den Medienvertretern besteht heute weitenteils Denkfaulheit. Ihnen fehlt die nötige
Sensibilität für die Erkenntnis, in welcher Weise mittels "antifaschistischer"
Kampagnen zunehmend Bürgerrechte ausgehöhlt werden.
Hier rächt
sich auch die nur mangelhafte öffentliche Beschäftigung mit der Praxis
des DDR-Herrschaftssystems, das sehr oft nur als Staat der klapprigen Trabbis,
braun gemusterten Tapeten und obskuren Ost-Produkte verniedlicht wurde. Schon
einmal in der deutschen Geschichte wurde schließlich der "Antifaschismus"
gegen "Rechts" als Legitimationsgrundlage eines unterdrückerischen
politischen Systems herangezogen. Nicht von ungefähr ist die PDS durch ständige
Präsenz auf den gegenwärtigen Demonstrationen und Veranstaltungen bemüht,
sich als akzeptierter Machtfaktor und Bündnispartner zu etablieren.
Zur
Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft und als Anerkennung für die
Mitläufer gibt es zwar keine Orden mehr, dafür aber verbale Belohnungshäppchen.
Wer möchte sich nicht in einer gänzlich unheroischen Gesellschaft einmal
als Held erkennen, als einer, der seinem Alltag als Zahnrad der Arbeits- und Vermarktungswelt
wenigstens für einige Stunden entfliehen und sich mit etwas Glück gar
nachträglich im Fernsehen bewundern kann? Wer möchte sich nicht einmal
wie Rosa Luxemburg, Georg Elser und Heinrich Böll in einem fühlen? So
kommt es zu irrwitzigen Situationen. Weil in irgendeinem entlegenen Stadtviertel
200 trommelnde Glatzköpfe gegen die in ihren Augen lügende Presse demonstrieren,
versammeln sich 30.000 "entschlossene" Gegendemonstranten, um sich gegenseitig
ihren Mut und ihre "Zivilcourage" zu bestätigen. Merkwürdig,
von "Zivilcourage" zu sprechen, wenn alle politisch Mächtigen,
die Stadtoberen, sämtliche Kirchen und relevanten Parteien, die Gewerkschaften
wie die Arbeitgebervertreter mitmarschieren und einem anerkennungsvoll auf die
Schulter klopfen, wenn auf jeden Gegner etwa 1.000 Gesinnungsfreunde kommen. Ist
"Zivilcourage" im bundesdeutschen Neusprech möglichenfalls ein
anderes Wort für das, was man früher "Mitläufertum" nannte?
Und die 200 einsamen, hilflos Parolen skandierenden "Rechtsextremisten"?
Man muß sie nicht mögen, ihre Methoden oder ihre Absichten nicht gutheißen,
aber eines kann man ihnen nicht absprechen: Echte "Zivilcourage" im
alten Sinne des Wortes gehört schon dazu, in derartigen Zeiten, angesichts
der tausendfachen Anzahl von Gegendemonstranten, mit einem kleinen Häufchen
offen bekennend auf die Straße zu gehen.
Nur "Zivilcourage"?
Oder ist es möglichenfalls auch der Mut von Verzweifelten? Ohne das Auftreten
dieser Personen und ihre oft abstoßenden Parolen gutzuheißen
aber haben diese Menschen denn noch etwas zu verlieren? Ohne Zugang zu einem weitgehend
verriegelten Medienapparat, ohne parlamentarische Vertretung, ohne politische
Mitspracherechte sollen ihnen nun auch noch die demokratischen Grundrechte, zum
Beispiel das scheinbar "unerträgliche" Recht, eigene Demonstrationen
durchzuführen, genommen werden.
Nein, die Risiken für die politische
Kultur und die Bürgerrechte durch den repressiven Staat sind offenkundig.
Es besteht die Gefahr, daß sich die Bundesrepublik schleichend zu einer
kapitalistischen DDR wandelt ohne daß es die Bürger zu bemerken
scheinen. Nun, solange das Brot gebacken wird, das Bier fließt und die Spiele
des Volkes auf dem Jahrmarkt, der Arena oder im Fernsehen feilgeboten werden,
haben sich schon seit jeher die meisten aus der Bevölkerung nicht für
das politische Geschehen interessiert, das nunmal immer von wenigen geleitet wurde.
Ein Fehler, der sich dereinst rächen könnte.
Keiner sollte überrascht
sein. Die Mechanismen des hier erkennbar werdenden "Neo-Antifaschismus"
sind seit Jahren ersichtlich. Selbst diejenigen, welche heute jammern und die
Verschärfung des politischen Meinungsklimas wahrnehmen, hatten seit der "Lichterketten"-Ära
1992/93 etwa acht Jahre Zeit, sich Gedanken zu machen und die Situation richtig
einzuordnen. Statt dessen war nur Weitergewurstel angesagt. Das betrifft insbesondere
das sogenannte konservative Spektrum: Eine neue Partei hier, ein neues Luftschloß
dort, eine markige Rede am Stammtisch, 800 verklebte Plakate mit einer irrsinnig
zündenden Parole, die ebenso vielbeschworene wie utopische "Einheit
der Rechten", die Hoffnung, ein warmes Plätzchen am Katzentisch der
Union erlangen zu können, der Glaube, daß alles schon nicht so schlimm
kommen werde, die Rettung durch ein neues Projekt nur kurz bevorstünde und
so weiter und so fort. Aber bloß keine tiefgehende Auseinandersetzung mit
der politischen Realität, mit den erkennbaren Machtverhältnissen, der
gesellschaftlichen Entwicklung, den Theorien und Strategien der politischen Gegner,
mit den eigenen, im Grunde nur minimalen Möglichkeiten, Einfluß auf
die alle gewachsenen Strukturen umwälzende Raserei des Kapitalismus zu nehmen.
Vielleicht
hat die Menschheit wirklich nichts aus der Geschichte gelernt. Heute richtet sich
die Repression wieder einmal gegen das "Böse", das aus der Gesellschaft
ausgeschieden werden muß. In einer "multikulturellen Gesellschaft",
in der der Fremde positiv besetzt wird, also nicht als Sündenbock herhalten
kann, kann sich die Repression nur gegen den Einheimischen wenden, der sich ängstlich
Gedanken um die Erhaltung seiner Heimat macht.
Claus M. Wolfschlag
hat Geschichte, Kunstgeschichte und Politik in Frankfurt am Main studiert und
ist publizistisch tätig. 1998 hat er das Buch "Bye, bye 68
Renegaten der Linken, APO-Abweichler und allerlei Querdenker berichten" herausgegeben.