Zu verstehen ist die Beschäftigung mit der Historie der deutschen
Sprache, mit den alten Teutschen, den Germanen nur
aus einer allgemeinen Geschichtsgläubigkeit, die dem heutigen Menschen
nahezu völlig verlorengegangen ist; aber was heute als bizarre Ansammlung
von Relikten ewig langer Zeiten erscheint, bot besonders in der Romantik
eine Fülle von Material für das Selbstverständnis, und
es erschien unerläßlich für das Verständnis der Gegenwart,
ein Bild der Vorfahren, ihres Denkens und Fühlens, zu bekommen. Geschichte
gilt heute als eine unter vielen Möglichkeiten, den Menschen zu verstehen,
damals offenbarte sie einen Hauch des Weltgeistes und schien zu zeigen,
wie der Geist allmählich zum Bewußtseyn und zum Wollen
der Wahrheit kommt .... (Hegel).
Also erforschte man die Vorfahren, und daß die
Vorfahren der Deutschen eben jene Germanen gewesen seien, von denen die
antiken Autoren berichtet hatten, blieb bis weit ins 19. Jh. eine von
niemandem angezweifelte Tatsache. Diese Entwicklung setzte sich im Historismus
fort und erfuhr erst ab 1917/18 eine Krise,
in der Bewegungen veschiedener Neuorientierungen entstanden, aber eben
auch sie bekämpfende Gegenbewegungen. ( ).
Diese Krise wurde eigentlich erst seit etwa 1960 beigelegt, als die Arbeit
am Deutschen
Wörterbuch, die die Brüder Grimm 113 Jahre vorher
begonnen hatten, abgeschlossen werden konnte. Selbst wenn wir etwas anderes
anstrebten, sind wir durch den heutigen Globalismus
mehr denn je dazu veranlaßt, neben den historischen auch viele andere
Methoden zu berücksichtigen, um den wahren Aussagen oder
den Aussagen als Waren näher kommen zu können. (Vgl.
Cäsaren-Mediokratie;
).
Die Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft, seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts bzw. seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts
Disziplin oder Forschungsrichtung innerhalb der Sprachwissenschaft, beschäftigt
sich seitdem mit der Rekonstruktion von Einzelsprachen, indem sie Ursprung,
Entwicklungsgeschichte und Verwandtschaftsbeziehungen von Einzelsprachen
mit der Methode des Vergleichs untersucht. Komparative Methode bedeutet,
daß durch den Vergleich bestimmter Phänomene in mehreren verwandten
(oder als verwandt vermuteten) Sprachen Formen früherer Sprachzustände
aufgedeckt oder auch ausgeschlossen werden können und eine gemeinsame
Ursprache rekonstruiert oder auch ausgeschlossen werden kann. Neben
der materialbezogenen Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft, die
besonders durch die Entdeckung der Verwandtschaft des Sanskrit mit den
indogermanischen Sprachen ausgelöst und begründet wurde und
Methoden zum Nachweis sprachgenetischer Verwandtschaft ausarbeitete,
erzielte auch die allgemeine Sprachwissenschaft, besonders seit Wilhelm
von Humboldt
(1767-1835), größte Wirkung. Gerade Humboldts Unterscheidung
von Energeia (Sprache als Tätigkeit oder
wirkende Kraft) und Ergon (Sprache als Produkt
einer abgeschlossenen Tätigkeit oder statisches Werk)
sowie von äußereren und innereren Sprachformen überhaupt
und seine These von der Verknüpfung der Sprache mit Kultur, Mentalität
und Weltsicht eines Volkes (Hypothese von der sprachlich vermittelten
Welt[an]sicht), wurden später von vielen Sprachwissenschaftlern übernommen,
wirkten sich in unterschiedliche Weise auf spätere Sprachtheorien
aus.
Die Junggrammatiker (Leipziger Schule) 
Durch die sogenannten Junggrammatiker (auch: Leipziger
Schule) wurde die historische Betrachtung von Sprache zum primären,
fast ausschließlichen Untersuchungsziel sprachwissenschaftlicher
Forschung. Die Junggrammatiker waren eine in den 1870er Jahren in Leipzig
entstandene Gruppe von Sprachwissenschaftlern, deren positivistische Sprachauffassung
sich gegen die metaphysischen und biologistischen Sprachauffassungen der
vorausgehenden Phase ( )
richtete. Vertreter dieser Richtung waren vielen z.B. Berthold Delbrück
(1842-1922), Karl Verner
(1846-1896), Karl Brugmann
(1849-1919) und viele andere. Als Beginn der junggrammatischen Schulke
gelten die Erscheinungsdaten von Verners Erklärungen scheinbarer
Ausnahmen der ersten Lautverschiebung (1877: Vernersches
Gesetz). Die Arbeiten der Junggrammatiker lassen sich (soweit
sie die allgemeine Sprachwissenschaft betreffen) durch folgende Aspekte
charakterisieren: (1) Untersuchungsgegenstand
des Sprachwissenschaftlers ist nicht das Sprachsystem, sondern die im
einzelnen Individuum lokalisierte und somit unmittelbar beobachtbare Sprache
(vgl. Idiolekt), die als eine sowohl psychische als auch physische
Tätigkeit angesehen wird. (2) Autonomie
der Lautebene: Gemäß dem Postulat der Beobachtbarkeit des Materials
(anstelle von Abstraktionen) gilt die Lautebene als wichtigste Beschreibungsebene,
wobei zugleich eine absolute Autonomie der Lautebene gegenüber Semantik
und Syntax angenommen wird. (3) Historismus;
Hauptziel sprachwissenschaftlicher Untersuchung ist die Beschreibung des
geschichtlichen Wandels der Sprache. Dieses fast ausschließliche
Interesse an der diachronischen Entwicklung von Sprache dokumentiert sich
in der großen Zahl von historisch vergleichenden Kompendien, die
sich durch Faktenfülle ebenso auszeichnen wie durch die Exaktheit
ihrer Rekonstruktionsmethoden. (4) Ausnahmslosigkeit
der Lautgesetze: Dieses am Vorbild der Naturwissenschaften orientierte,
vielfach umstrittene Postulat gründet sich nicht auf empirische Befunde,
sondern ist ein wissenschaftstheoretisches Apriori, das die Gleichartigkeit
geisteswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden
sichern soll. (5) Analogie: Wo diese Prämisse
der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze scheinbar versagt, wird Analogie
als Erklärungshilfe angesetzt; d.h. Ausnahmen werden als (reguläre)
Anpassung an verwandte Formen verstanden.
Methoden und Ziele der junggrammatischen Sprachbetrachtung sind - trotz
ihres starken Nachwirkens - kritisiert worden; diese Kritik richtete sich
vor allem gegen folgende Punkte: die Reduktion des Untersuchungsgegenstandes
auf Idiolekte; die Beschränkung auf Beschreibung von Oberflächenphänomenen
(Lautebene); die Vernachlässigung der gegenwärtigen Sprache
bzw. die Überbewertung der historischen Sprache (vgl. auch: Historismus-Kritik);
die Beschreibung atomistischer Einzelvorgänge statt systemhafter
Zusammenhänge.
Der Strukturalismus (Genfer Schule) 
Der Strukturalismus entstand als Reaktion gegen die von den Junggrammatikern
vertretene positivistisch-atomistische sprachwissenschaftliche Betrachtung
in Bezug auf Ferdinand de Saussure
(1857-1913) und seinem postum veröffentlichten Cours de linquistique
générale (1916). Saussure war ab 1896 in Genf Professor
für vergleichende und historische indogermanische Sprachwissenschaft
(inklusive Sanskrit). Seine Genfer Vorlesungen führten die neue Ära
der Sprachwissenschaft ein, und zwar an dem Tag, als er zeigte, daß
sich die Vorgänge der Sprache nicht nur auf deren Geschichte - auf
die Diachronie - zurückführen lassen, daß also z.B. die
Geschichte eines Wortes nicht immer auch etwas über seine heutige
Bedeutung aussagt. Der Grund dafür sei, daß es über die
Geschichte hinaus das System (Saussure nannte es nicht Struktur)
gebe und daß ein solches System im wesentlichen aus Gleichgewichtsgesetzem
bestehe, die auf seine Elemente zurückwirken und zu jeder Zeit der
Geschichte von der Synchronie abhängen. Weil nämlich die Grundbeziehung
in der Sprache eine Entsprechung zwischen dem Zeichen und dem Sinn sei,
bilde die Gesamtheit der Bedeutungen ganz natürlich ein System auf
der Grundlage von Unterscheidungen und Gegensätzen (denn diese Bedeutungen
bedingen einander) und ein synchrones System (denn diese Beziehungen sind
interdependent). Saussure definierte den Gegenstandsbereich der Linguistik
also mittels Gegensatzpaaren (Dichotomien): Sprache soll nicht mehr als
Ergebnis historischer (diachroner) Entwicklung gesehen werden,
sondern als Zusammenwirken gleichzeitiger (synchroner) Einheiten.
Daß dieser der Historismus-Kritik
entsprungenene Strukturalismus grundsätzlich
synchronisch ist, also im Gegensatz zum diachronischen Standpunkt (vgl.
Historisch-Vergleichende Grammatik: Bopp
und Anhänger, vor allem aber die Junggrammatiker
und Anhänger) und auch zur später dominant werdenden Transformationsgrammatik
der Nativisten (Chomsky
und Anhänger) steht, hängt mit drei Gründen zusammen, u.a.
mit der eben erwähnten relativen Unabhängigkeit der Gleichgewichtsgesetze
bezüglich der Entwicklungsgesetze, dem Willen zur Befreiung von linguistik-feindlichen
Elementen, mit der Willkürlichkeit (Arbitrarität) des sprachlichen
Zeichens. Saussure bezog die Arbitrarität auf das Verhältnis
von sprachlichen Lautbild (image acoustique) und seiner Vorstellung
(concept) und belegte die Beliebigkeit dieser Verbindung durch
die Tatsache, das dasselbe Objekt der Realität von Sprache zu Sprache
verschieden benannt wird. Arbitrarität bedeutet jedoch nicht, daß
der einzelen Sprecher nach freier Wahl bei der Konstruktion sprachlicher
Ausdrücke verfahren kann, denn: unter dem Aspekt von Spracherwerb
und Kommunikation erfährt der Sprecher den Zusammenhang zwischen
Zeichen und Bedeutung als eine gewohnheitsmäßige, obligate
Verbindung.
Folgende Grundannahmen Saussures gelten als konstitutiv
für strukturalistische Sprachanalysen: (1)
Sprache kann unter drei verschiedenen Aspekten betrachtet werden; (a)
als Langue (= im Gehirn aller Sprecher einer bestimmten Sprache
gespeichertes System), (b) als Parole
(= aktuelle Sprechtätigkeit in konkreten Situationen) und (c)
als Faculté de langage (= generelle Fähigkeit
zum Erwerb und Gebrauch der Sprache), wobei Langue und Parole
sich bedingen. Untersuchungsgegenstand der Sprachwissenschaft ist die
Langue, die aber ihrerseits nur über eine Analyse der
Äußerungen der Parole beschrieben werden kann.
(2) Sprache im Sinne von Langue
wird als ein System von Zeichen aufgefaßt. Jedes Zeichen besteht
aus der Zuordnung von zwei (sich gegenseitig bedingenden) Aspekten, dem
konkret materiellen Zeichenkörper (z.B. seine akustische Lautgestalt),
sowie einem begrifflichen Konzept. (Vgl. hierzu: Bezeichnendes vs.
Bezeichnetes). Die Zuordnung dieser beiden Aspekte zueinander ist
willkürlich (arbiträr), d.h. sie ist sprachspezifisch
verschieden und beruht auf Konvention. (3)
Diese sprachlichen Zeichen bilden ein System von Werten, die zueinander
in Opposition stehen. Jedes Zeichen ist definiert durch seine Beziehung
zu allen anderen Zeichen desselben Systems. Durch dieses Prinzip des Kontrasts
ist das grundlegende strukturalistische Konzept des distinktiven
Prinzips charakterisiert. (4) Diese
Element-Relationen lassen sich auf zwei Ebenen analysieren; einmal auf
der syntagmatischen, d.h. linearen Ebene des Miteinandervorkommens, zum
anderen auf der paradigmatischen Ebene der Austauschbarkeit von Elementen
in bestimmter Position. (Vgl. hierzu: paradigmatische vs. syntagmatische
Beziehung). (5) Da Sprache als Zeichensystem
aufgefaßt wird, muß ihre Analyse unter streng synchronem Aspekt,
d.h. als Beschreibung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden
Zustandes betrieben werden. (Vgl. hierzu Synchronie vs. Diachronie).
(6) Sprachanalyse beruht auf einem repräsentativen
Corpus, dessen Regularitäten durch die beiden Analyseschritte der
Segmentierung und Klassifizierung bestimmt werden, wobei die Segmentierung
der syntagmatischen, die Klassifizierung der paradigmatischen Ebene zuzuordnen
ist. Hier geht es also um die Distribution (die Gesamtheit
der Umgebungen, in denen ein sprachliches Element im Verhältnis zu
den Umgebungen aller anderen Elemente in einem übergeordneten Sprachbaustein
vorkommen kann) und das Ziel, möglichst Minimalpaare
(zwei Ausdrücke einer Sprache mit verschiedener Bedeutung, die sich
nur durch eine Form unterscheiden, z.B. deutsch: Kopf vs. Topf
durch nur ein Phonem) zu haben.
Während der Strukturalismus im engeren Sinne sich auf die von Sausures
System-Gedanken ausgehenden sprachwissenschaftlichen Richtungen bezieht,
verwendet man Strukturalismus im weiteren Sinne als Gesamtbezeichnung
für anthropologische, ethnologische, sozialwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche
literatur-theoretische und psychologische Forschungen, die - in Analogie
zum Strukturalismus der Sprachwissenschaft - anstatt genetisch von historischen
Voraussetzungen auszugehen, sich auf synchrone Zustandsanalysen konzentrieren,
um den Nachweis universeller, unter der Oberfläche sozialer Beziehungen
wirksamer Strukturen zu führen. (Vgl. Linguistische
Wende).
Der Nativismus (Chomsky-Schule) 
Die Ära des linguistischen Strukturalismus wechselte allmählich,
ausgelöst durch die 1957 erschienenen Syntactic Structures
des US-Amerikaners Noam Chomsky
(*07.12.1928), in eine Ära des linguistischen Nativismus (Generative
Transformationsgrammatik, GTG).
Wissenschaftsgeschichtlich steht Chomsky in der Tradition des Rationalismus
- besonders in der Tradition der Rationalisten Gottfried Wilhem Leibniz
(1646-1716) und René Descartes
(1596-1650) - und des Neuhumanismus-Hauptvertreters
im Deutschen
Idealismus und Sprachforschers Wilhelm von Humboldt
(1767-1835). Chomsky war zunächst Schüler des Strukturalisten
Z. S. Harris und stellte 1957 seine Generative Grammatik in
seinen Syntactic Structures dar, die er 1965 erweiterte und
revidierte mit dem Werk Aspects of the Theory of Syntax (=
ST
).
Generative Transformationsgrammatik bedeutet die Verfolgung des Ziels,
eine formalisierte Beschreibung der Sprache zu geben, in die auch Einsichten
der mathematischen Logik und überhaupt des Rationalismus einfließen.
Chomsky und seine Anhänger wollen erklären, auf welche Weise
es dem Menschen möglich ist, mit einer endlichen Menge von Regeln
eine unendliche Menge von Sätzen zu produzieren und zu verstehen.
Generativ leitet sich hier also aus dem zentralen Anliegen dieser
Grammatiktheorie ab, die Fähigkeit zum Erzeugen von Sätzen
zu erklären. ( ).
Mit dem Ausbau des Konzepts der angeborenen Ideen wendet sich
Chomsky gegen die behavioristische Sprachauffassung (wie z.B. bei Skinner).
Chomsky erweiterte seine Grammatiktheorie zu einer Theorie des Spracherwerbs,
indem er die Entwicklung der Kompetenz durch einen angeborenen Spracherwerbsmechanismus
auf der Basis von grammatischen Universalien erklärte. Eine endliche
Menge von Kernsätzen, die durch kontextfreie Phrasenstrukturregeln
erzeugt werden, bilden die Basis für die Anwendung von Transformationsregeln,
die einen prinzipiell unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln gewährleisten.
( ).
Nach Chomsky ist die Sprachkompetenz ein dynamisches Konzept - ein Erzeugungsmechanismus
- zur unendlichen Produktion von Sprache. Im Anknüpfung an die Sprachauffassung
des Rationalisten Leibniz und des neuhumanistisch-idealistischen Sprachforschers
Humboldt postulierte Chomsky einen spezifisch menschlichen Spracherwerbsmechanismus
zur Erklärung des Phänomens, daß Kinder, obwohl die sprachlichen
Äußerungen ihrer Umwelt nur einen defizitären und unvollständigen
Input darstellen, die syntaktischen Regeln ihrer Muttersprache in relativ
kurzer Zeit beherrschen und eine fast unbegrenzte Menge grammatischer
Ausdrücke verstehen und erzeugen können. Nach
der rationalistisch-idealistischen Theorie ist jedes Kind mit einem angeborenen
Schema für zulässige Grammatiken ausgestattet (vgl. Universalien)
und mit einem System an kognitiven Prozeduren zur Entwicklung und Überprüfung
von Hypothesen über den Input. So formuliert das Kind Hypothesen
über die grammatische Struktur der gehörten Sprache, leitet
Voraussagen über sie ab und überprüft die Voraussagen an
neuen Sprachbausteinen. Es elimiert diejenigen, die der Evidenz widersprechen
und validiert diejenigen, die nicht durch Einfachheitskriterium eliminiert
würden. Dieser Mechanismus wird mit dem ersten Input in Gang gesetzt.
(Vgl. Tabelle).
Das Kind leistet somit eine Theoriebildung, die derjenigen eines Linguisten
vergleichbar ist, der eine deskriptiv und explanativ adäquate Theorie
einer Sprache konstruiert. Der Nativismus ist also eine philosophisch-psychologische
Position, die die kognitive Entwicklung des Menschen primär aus der
Existenz von angeborenen Ideen ableitet. Es ist tatsächlich
auffallend, mit welcher Schnelligkeit ein Kind die Grammatik der Elternsprache,
trotz ihrer Komplexität, beherrschen lernt. Das Mißverhältnis
zwischen Input und Output und die Gleichförmigkeit der Ergebnisse
in allen Sprachen lassen ebenfalls vermuten, daß hier nicht der
Drill (vgl. Konditionierung) am Werk war. Außerdem verläuft
der Prozeß des Spracherwerbs relativ unabhängig von der individuellen
Intelligenz. Grammatische Universalien sind Eigenschaften
(bzw. Hypothesen über solche Eigenschaften), die allen menschlichen
Sprachen gemeinsam sind. Sie existieren aus biologischer Notwendigkeit
und sind das Ergebnis empirischer Generalisierungen von Beobachtungen
der sogenannten Oberflächenstruktur von möglichst
vielen und verschiedenen Sprachen. Beispielsweise besitzt jede Sprache
Vokale oder universell geltende Implikationen, die sich auf die Relation
zwischen zwei Eigenschaften beziehen: wenn z.B. eine Sprache in ihrem
Numerussystem über einen Dualis verfügt, dann verfügt sie
mit Sicherheit auch über einen Plural (diese Regel gilt aber nicht
umgekehrt!). In Chomskys Modell einer Generativen Transformationsgrammatik
sind Universalien die Basis des angeborenen Spracherwerbsmechanismus,
aufgrund dessen ein Kind in der Lage ist, in relativ kurzer Zeit eine
komplexe Grammatik zu erlernen. ( ).
Chomsky unterscheidet (Aspekte der Syntaxtheorie, 1965), zwischen
substantiellen Universalien, z.B. in der Phonologie das Inventar der phonetisch
definierten distinktiven Merkmale, aus dem jede Sprache eine charakteristische
Auswahl trifft, und formalen Universalien, d.h. Aussagen über Form
und Beschränkungen von Regeln. So postuliert er für jede Grammatik
Phrasenstrukturregeln
und eine Transformationskomponente. Die substantiellen und formalen Universalien
- beide werden auch universale Beschränkungen genannt - sind wiederum
von den Universalien der Funktion zu unterscheiden, worunter Anwendungsbeschränkungen
von grammatischen Regeln verstanden werden, z.B. das A-über-A-Prinzip:
Wenn sich eine Transformation auf einem Knoten A bezieht, der
einen Knoten A' dominiert, dann darf die Transformation nur über
dem dominierenden Knoten A operieren; sie muß sich auf die
maximale Phrase beziehen. Beispielsweise kann in der Phrase Der
Wunsch der Prinzessin keine Transformation allein über
dem eingebetteten Genitivattribut (der Prinzessin)
operieren. (Vgl. auch: Strukturbaum).
Die (Generative) Transformationsgrammatik
ist die von Chomsky am Englischen entwickelte Theorie, deren Ziel es ist,
durch ein axiomatisches System von expliziten Regeln das implizite Wissen
von Sprache, das dem aktuellen Sprachgebrauch zugrunde liegt, abzubilden.
Chomskys Modell bezieht sich auf vom kompetenten Sprecher bewertete Daten,
auf die sprachlichen Intuitionen, die ein kompetenter Sprecher bezüglich
seiner Sprache explizieren kann. Das Konzept der angeborenen Ideen steht
im Gegensatz zu den behavioristischen Sprachauffassungen. Chomskys Theorie
zum Spracherwerb besagt, daß die Entwicklung der Kompetenz durch
einen angeborenen Spracherwerbsmechanismus auf der Basis von grammatischen
Universalien erfolgt. Dabei hat die Theorie Vorrang vor der Datenanalyse;
die Transformationsgrammatik geht also deduktiv vor: sie stellt nämlich
Hypothesen über den sprachlichen Erzeugungsmechanismus auf, und zwar
unter besonderer Berücksichtigung des kreativen Aspekts
des Sprachvermögens. Eine endliche Menge von Kernsätzen, die
durch Phrasenstrukturregeln erzeugt werden, bilden die Basis für
die Anwendung von Transformationsregeln, die einen prinzipiell unendlichen
Gebrauch von endlichen Mengen gewährleisten. Die Grammatik - im Sinne
einer umfassenden Sprachtheorie - besteht aus einer generativen syntaktischen
Komponente sowie den interpretativen semantischen und phonologischen Komponenten.
Basis der Syntax ist die durch kontextfreie Phrasenstrukturregeln und
Lexikonregeln erzeugte Tiefenstruktur,
die als abstrakte, zu Grunde liegende Strukturebene alle semantisch
relevanten Informationen enthält und die Ausgangsebene für die
semantische Interpretation von Sätzen und anderen Sprachbausteinen
ist. ( ).
Durch bedeutungsneutrale Transformationen wie Tilgung, Umstellung u.a.
werden die entsprechenden Oberflächenstrukturen erzeugt, die die
Basis für die phonologisch-phonetische Repräsentation bilden.
Textlinguistik 
|
|
|
Text vs. Textem: |
|
Unklassifizierte vs. klassifizierte (systembezogene) linguistische
Einheit. |
|
Textkohärenz: |
|
Zusammenhang von aufeinander folgenden Äußerungen
(zumeist Sätzen), die klassifiziert (systematisiert) werden. |
|
Textkonstituenten: |
|
Durch Analyse isolierbare und durch Rekurrenz (Wiederholung)
ausgezeichnete Struktureinheiten von Texten, durch deren regelhafte
Verknüpfung Textstrukturen entstehen. Textbildende Phänomene
auf grammatischer Ebene wie z.B. Pronominalisierung, Artikelwahl,
Kongruenzbeziehungen u.a.. |
|
Textsorten: |
|
Siehe Texttypologie. Beispiele: Berichte,
Nachrichten, Wetterberichte, Predigten, Kochrezepte, Gebrauchsanweisungen,
Heiratsanzeigen, Sporterportagen, Literaturtext, Wissenschaftstext,
politische Reden, Ideologiekritik, kritische Theorie,
politische Korrektheiten u.v.m.. |
|
Textverarbeitung: |
|
Verstehensprozesse, die sich auf satzübergreifende
Strukturen beziehen. Verarbeitung des Lesers/Hörers oder einer
Maschine (z.B. dem Computer). |
|
Textverweise: |
|
Situationsunabhängige Form des Verweisens
bzw. Relation zwischen einem Bezugselement und einer Verweisform,
zwischen denen Referenzidentität besteht. Zu unterscheiden ist
- je nach Richtung des Verweisens - zwischen (a) anaphorischen (=
rückwärtsverweisenden [das Bezugselement befindet sich im
vergangenen Kontext {z.B. Rückwärtspronominalisierung}])
Textverweisen und (b) kataphorischen (vorausweisenden [das Bezugselement
befindet sich im kommenden Kontext {z.B. Vorwärtspronominalisierung}])
Textverweisen. |
|
Die Textlinguistik wird auch Textematik oder
Textolgie genannt; zu ihr gehören vor allem die Texttheorie,
Textgrammatik, Textsyntax, Texttypologie, Textverarbeitung,
Textanalyse oder transphrastische Analyse. Sie hat zwar Vorläufer
aus den 1940er und 1950er Jahren, ist aber im wesentlichen in den 1960er
Jahren entstanden und also die jüngste Teildisziplin der Linguistik.
Ihr Gegenstand ist das Textverstehen und die Textbildung, d.h. die Bildung
von Einheiten einer hierarchischen Stufe in der Dimension des sprachlichen
Nacheinanders, die oberhalb der Stufe des Satzes liegt. Sie reicht bis in
die Semiotik hinein, die sich mit der nonverbalen Sprache beschäftigt.
Das Textem ist die Bezeichnung des strukturellen, systematisierten, auf
dem Langue-Bereich als dem System-Bereich (also: nicht auf dem Parole-Bereich
als dem Sprech-Bereich) beruhenden Aspekts von Text und unterscheidet
sich von Text als konkreter, aktuell realisierter Sprachäußerung
wie ein unklassifizierter Sprachlaut (= Phon) von der entsprechenden systembezogenen,
funktionalen Einheit des Phonems. Der Text ist der Untersuchungsgegenstand
der Textlinguistik, der je nach theoretischem Ansatz unterschiedlich definiert
wird, aber wichtige, gemeinsame Defintionskriterien aufweist, z.B. relative
Selbständigkeit, inhaltliche Kohärenz, formale Strukturiertheit,
außerdem pragmatuische Aspekte wie situationelle Umstände (Raum,
Zeit) sowie Sprecherintention bzw. kommunikative Funktion. Auch nonverbale
Zeichen wie Mimik, Gestik, Bilder, Verkehrszeichen, Ikone, Indexe (Indizes),
Symbole, also im Grunde alle Zeichen (semiotische, linguistische,
logische, mathematische) gehören zur Sprache und werden unter Text
subsumiert (vgl. z.B. W. A. Koch, Strukturelle Textanalyse, 1972).
Unabhängig von der unterschiedlichen Kombination und Gewichtung der
der Definitionskriterien verläuft die Unterscheidung zwischen einem
emischen und einem etischen Textbegriff, d.h. zwischen Text als Einheit
des Sprachsystems und also als Textem und Text als Ergebnis eines aktuellen
Performanzaktes. Während textlinguistische Untersuchungen auf die Langue-Regularien
abzielen, die für alle Texte gelten, beschäftigen sich Rhetorik,
Stilistik und Literaturwissenschaft vornehmlich mit individuellen Texten
und ihren spezifischen Merkmalen. Ziele der Textlinguistik sind vor allem
der Entwurf einer Textgrammatik, die die formalen, semantischen und pragmatischen
Bedingungen für die Konstitution von Text beschreibt, sowie Aufstellung
und Rechtfertigung einer Typologie der verschiedenen Textsorten.
Satzübergreifende, d.h. textbildende Regularitäten auf allen
Beschreibungsebenen sind also das, womit sich die Textlinguistik beschäftigt.
Die Ergänzung oder gar Überwindung einer satzbezogenen Linguistik
hat ihre Vorläufer in Louis Hjelmslev (vgl. Omkring sprogteoriens
grundlaeggelse, 1943), Kenneth Pike (vgl. Taxemes and Immediate
Constituents, 1943), Zellig Harris (vgl. Discourse Analysis,
1952), Hennig Brinkmann (Der Satz und die Rede, 1956) u.a.. Voraussetzungen
und Ergebnisse berühren sich auf vielfältige Weise mit Interpretationsansätzen
in Rhetorik, Stilistik und Literaturwissenschaft
- mit dem Unterschied, daß dort die Interpretation individueller
Einzeltexte, in der Textlinguistik aber die Beschreibung allgemeiner textbildender
Gesetzesmäßigkeiten im Vordergrund steht. Die Textlinguistik
als eine Übertragung und Erweiterung der methodischen Grundlagen
der Satzlinguistik bezieht sich also auf satzübergreifende Strukturen
(vgl. auch: Transphrastische Analyse), ist ein auf die Langue bezogener
systemtheoretischer Ansatz, der die grammatische Analyse von unten
nach oben fortsetzt. indem satzübergreifende Phänomene
wie z.B. Pronominalisierung, Textverweis, lexikalische Bezüge u.a.
in die Satzgrammatik integriert und diese damit zu einer Textgrammatik
erweitert wird.
|
|
Tagmem: |
|
Kleinstes funktionelles grammatisches Formelement der
Langue, das im Unterschied zum bedeutungslosen Taxem bedeutungstragend
ist. |
|
Tax: |
|
Oberbegriff für kleinste konkret realisierte grammatische
Sprachelemente auf allen Beschreibungsebenen. Vgl. Phon, Graph, Prosod,
Morph usw.. |
|
Taxem: |
|
Bei Bloomfield kleinstes grammatisches Formelement ohne
Bedeutung - im Unterschied zum bedeutungstragenden Tagmem. |
|
Taxonomischer Strukturlaismus: |
|
Distributionalismus. Deskriptivbe Schule. Ziel des Distributionalismus
ist eine alle subjektiven und semantischen Faktoren ausschließende,
experimentell überprüfbare, objetive Beschreibung der einzelsprachlichen,
systemimmanenten Beziehungen. |
|
Die Tagmemik untersucht und beschreibt Regularitäten
im Zusammenhang mit kulturellem Verhalten (also wiederum: Zeichen). Sie
ist stark von Bloomfield und dem Konzept der deskriptiven Linguistik
beeinflußt. Als Hauptvertreter gilt Pike, dessen dreiteiliges Buch
(mit dem pragmatischen Titel: Language in Relation to an Unified Theory
of the Structure of Human Behavior) 1954-1960 zum erstenmal erschien.
Gemäß seinem Ansatz, eine Art universelle Taxonomie menschlichen
Verhaltens (= menschlicher Zeichen [verbal und nonverbal]) zu entwerfen,
ist von einer engen systematischen Verflechtung der verschiedenen Beschreibungsebenen
auszugehen. Die kleinsten funktionalen Formelemente aller Ebenen heißen
(in Anlehnung an Bloomfield) Tagmeme und werden definiert als Korrelate
syntagmatischer Funktionen (z.B. Subjekt, Objekt) und paradigmatischen
Füllungen (z.B. Nomen, Personalpronomen, Eigennamen als mögliche
Einsetzungen für die Subjektposition). Mehrere Tagmeme fügen
sich zusammen zu Syntagmemen (= Konstruktionen) Die Verflechtung
der hierarchischen Ebenen (z.B. der Syntax in: Wort, Phrase, Satz, Satzkomplex,
Absatz, Diskurs) ergibt sich dadurch, daß die Formelemente eines
Tagmems höherer Ebene (z.B. Satz) als Syntagmeme der nächst
tieferen Ebene (also: Phrase) analysiert werden. Dies geschieht in Form
mehrgliedriger Ketten mittels der sog. Kettenanalyse (jedes Syntagmem
besteht ja aus einer Verkettung von grammnatischen Formelementen, den
Tagmemen). Prinzipiell werden alle sprachlichen Einheiten unter drei verschiedenen
theoretischen Perspektiven untersucht: (a) unter dem Aspekt des Merkmalmodus
verfügt jede Einheit über eine spezifische emische
Struktur, z.B. die distinktiven Merkmale der Phonologie; (b) unter dem
Aspekt des Manifestationsmodus zählt jedes Element zu einer paradigmatischen
Klasse von etischen Erscheinungsformen; (c) unter dem Aspekt
des Distributionsmodus wird jede Einheit hinsichtlich ihres Vorkommens
einer bestimmten Distributionsklasse zugeordnet.
Systemtheoretische Ansätze 
Ich möchte hier nur zwei Vertreter ansprechen: Niklas Luhmann -
ein Systemtheoretiker mit beruflichen Wurzeln in den Bereichen Jura und
Soziologie und besonderen Interessen im Bereich Sprache und Geschichte
- und Walter A. Koch - ein Systemtheoretiker mit beruflichen Wurzeln in
den Bereichen Linguistik und Semiotik, bei denen Interessen im Bereich
Sprache und Geschichte normal sind. Es gibt für Systemtheoretiker
drei Möglichkeiten, um die Sprache wissenschaftlich für sich
zu gewinnen:
1. Möglichkeit: |
|
Sie befinden sich bereits in den
für die Sprache zuständigen Wissenschaftsdisziplinen. |
2. Möglichkeit: |
|
Sie kommen von außen und
begeben sich in die für die Sprache zuständigen Wissenschaftsdisziplinen. |
3. Möglichkeit: |
|
Sie bleiben, wo sie sind und machen
sich dennoch für die für die Sprache zuständigen
Wissenschaftsdisziplinen interessant. |
Die Sprache ist in allen Wissenschaftsdisziplinen vertreten. Das kann
auch gar nicht anders sein. Ich meine hier aber die Wissenschaftsdisziplinen,
in denen es ausschließlich um Sprache geht. Was Luhmann angeht,
so weise ich darauf hin, daß er die 2. Möglichkeit genutzt
hat und von der Disziplin Soziologie aus, die sich nicht ausschließlich
mit Sprache beschäftigt, in die für die Sprache
zuständigen Wissenschaftsdisziplinen eingedrungen ist, die Sprache
Kommunikation genannt hat, obwohl bzw. weil er wußte,
daß Sprache mehr als Kommunikation ist und Kommunikation allein
schon sehr umfangreich ist. Weil die Zahl meiner Webseiten
über Luhmann und von Luhmann (Zitate) nicht gering ist, verweise
ich auf ein besonderes Personenverzeichnis,
von dem aus Sie zu den entsprechenden Luhmann-Seiten gelangen. Was Koch
angeht, so weise ich darauf hin, daß er die 1. Möglichkeit
genutzt hat, und darum verweise ich auf den folgenden Text:
Integralismus und Kybernetismus 
Walter A. Koch (*1934) gibt die Einleitung zu dem zweibändigen
Buch Perspektiven der Linguistik (1973-1974). Ich habe
Zitate aus dieser Einleitung einerseits dem folgenden Text vorausgeschickt
und sie andereseits an bestimmten Stellen dieses anderen Textes eingestreut.
Es folgen die Verweise dazu:
In dem zweiten Band des genannten Buches hat Koch zweiundzwanzig
Thesen aufgestellt:
1. |
Kreislaufthese der Metalinguistik (ML). ** |
2. |
Offenheitsthese für Kreisläufe. ** |
3. |
Multivariabiltätsthese für die Linguistik
(L). ** |
4. |
These vom Ungenügen der ungebundenen Meta-Operationalität. |
5. |
These vom Genügen der gebundenen Operationalität. |
6. |
These vom Ungenügen des Individualitätsprinzips. |
7. |
Partikelthese (L-Modell). ** |
8. |
Feldthese (Si-Modell). ** |
9. |
Äquivalenzthese (H-Modell). ** |
10. |
Überführbarkeitsthese. |
11. |
These der Zyklizität. ** |
12. |
These des Wendepunkts, des Sammelpunkts und
der Revolution. ** |
13. |
These der Evolution. ** |
14. |
These des Empirie-Theorie-Zyklus. |
15. |
These von den Saussureschen Dichotomien als
rekurrenten Erscheinungen der Zyklyizität. |
16. |
Sammelpunkt-These der Saussureschen Konzeption
vom System. |
17. |
These von der unnötigen Spaltung des Strukturalismus
(Chomsky gegen Strukturalismus). |
18. |
These von der unnötigen Erweiterung des
Strukturalismus (metagenetisch motivierter Interdisziplinarismus). |
19. |
These des Strebens von der Geschlossenheit zur
Offenheit der Strukturen als eines Moments der Logik der Heuristik.
** |
20. |
These des Strebens der Offenheit zur Geschlossenheit
der Strukturen als eines Moments der Evolution: Genese als UMKEHRUNG
der Metagenese. ** |
21. |
These vom physiko-bio-kybernetischen System
(Thesen 1 bis 3) als Ansatz für den genetischen Interdisziplinarismus
(Integralismus). ** |
22. |
These von der unendlichen Dialektik zwischen
Offenheit und Geschlossenheit (mit Impuls zur Geschlossenheit) als
Motor der Evolution. ** |
Diese 22 Thesen sind, wie gesagt, in dem zweiten Band des Buches Persepktiven
der Linguistik (1973-1974) zu finden, nämlich in dem Kapitel
19 mit dem Titel Tendenzen der Linguistik, das aus
folgenden Unterkapiteln, die ich im folgenden Text Abschnitte
genannt habe, besteht:
1. |
Voraussetzung für die Feststellbarkeit
von Tendenzen der Linguistik: Dynamisierte Metalinguistik (dynamisiertes
ML) ** **
** **
** |
2. |
Bisherige Ansätze zur Metalinguistik
(ML) |
3. |
Bisherige Ansätze zur dynamischen Linguistik
(DL) |
4. |
Neuer Ansatz zur Metalinguistik: Taxologisches
Modell (ML) ** |
5. |
Neuer Ansatz zur dynamisierten Metalinguistik:
Strukturen der Evolution (dynamisiertes ML)
** |
6. |
Tendenzen der Linguistik in der weiteren
Vergangenheit (Anfänge bis zum 19. Jahrhundert) |
7. |
Tendenzen der Linguistik in der unmittelbaren
Vergangenheit (Saussure und embryonales Paradigma des Strukturalismus) |
8. |
Tendenzen der Linguistik in der Gegenwart
(hypertropher Strukturalismus) |
9. |
Tendenzen der unmittelbaren Zukunft (gezielte
Ausweitung des strukturalistischen Paradigmas bis zu den offensten
Stellen) ** |
10. |
Tendenzen der weiteren Zukunft (Wendepunkt
in der strukturalistischen Haltung zu dem Verhältnis zwischen
Genese und Metagenese: Evolutionistischer Integralismus **
** |
Da Ihr Interesse an dieser Webseite sehr strapaziert werden würde,
wenn ich Kochs gesamten Text aus dem besagten Buch hier wiedergeben würde,
werde ich es bei den von mir für diese Webseite ausgesuchten belassen.
Die Sprachgeschichte muß wieder die Grundlage der Linguistik werden

Die Sprachwissenschaft - und in ihr besonders die Linguistik
- muß wieder dynamischer werden. Sie muß wieder ein echtes
Ferment für das allgemeinwissenschaftliche Denken ... werden,
wie Walter A. Koch in der Einleitung zu den zweibändigen Perspektiven
der Linguistik (erschienen 1973 [1. Band] und 1974 [2. Band]) gefordert
hat (**).
Diese Gelegenheit verspielt sie - denn der Überlebens-Kampf
im Wissenschaftsbetrieb ist sehr hart und ungerecht - dann, wenn bestimmte
Teilperspektiven der eigenen Wissenschaft (z.B. die Syntax o.ä.) verabsolutiert
oder wenn sie überhaupt die Rolle der Sprache erkenntnistheoretisch
an den Anfang setzt (»Metagenetischer Fehlschluß«: vgl.
Kapitel 19), was heute vielfach - besonders im »Strukturalismus«
(**)
und der generativen Grammatik (**)
- geschieht. Ein »Wendepunkt« im terminologischen, d.h. wissenschaftshistorischen,
Sinn wird letztlich erst dann erreicht sein, wenn das heute noch vorherrschende
metagenetische Denken bezüglich der gesamtwissenschaftlichen Rolle
der Sprache in ein genetisches Denken transformiert wird. Dabei wird das
statische struktuale Modell der Sprache als ein »zufälliger«
Ableger eines primär genetischen Prozesses erkannt werden müssen
und nicht umgekehrt.
|
|
|
|
|
Re = Referem
SE = Semem
Mo = Morphem
Lo = Logem
S = Syntaktem
T = Textem
BT = Bitextem
NT = N-Textem
Si = Situationem
Ph = Phonem
Gr = Graphem
Rep = Repräsentem
|
|
Vgl.
Walter A. Koch, ebd., 1973, S. XIII-XIV: |
|
|
PH: |
Physiko-chemische Strukturen,
atomare, molekulare, galaktische usw. Vorgänge. |
|
PX: |
Bestimmte molekulare Systeme
(Proteine), biologische Vorgänge. |
|
SZ: |
Intra-phyletische Organisationen,
soziologischer Energiefluß, Ökologie, Ökonomie, Biotop
des Lebendigen im Sinne einer interindividuellen Ordnung. |
|
SEM: |
Ansätze zu Gedächtnis,
bedingtem Reflex, Kognition, Lernen, Symbolverhalten, prälinguistischen
Kodierungen, Tiersprachen usw.. |
|
L: |
Menschliche Sprache (realisiert
durch Texte [T]). |
|
M: |
Verschiedene Formen von Metasprachen,
expliziten (auf L aufbauenden) Modellen von L, SEM, SZ; PX und PH.
Die Suche nach dem umfassendsten Modell ist gleich dem virtuellen
»rechten« Ende des MC-Modells. |
|
H: |
Historie, Evolution, Zeit.
Die gegenseitige relative Stellung der betreffenden Systeme läßt
Hilfsgrößen wie Zeit und Raum entstehen.
Hier liegt die letztlich gleichbleibende Grundenergie, die je nach
Kollision der Systeme abgerufen und in höhere Energieformen,
d.h. Stufungen umgeformt wird. Jede Stufe hat ihr eigenes H-Modell. |
|
|
Im
Wissensbereich deckt Sprache fast alles ab. Auch überall
sonst ist sie stets zugegen. Jedes Verhalten ist Sprache.
** **
** **
** **
|
|
|
Die Sprachgeschichte müßte somit wieder die
Basis der Linguistik werden, allerdings unter einem neuen Vorzeichen (vgl.
wiederum Kapitel 19 sowie Koch, Das Textem, 1973): die Genese
beschreibt die tatsächliche entstehungsmäßige Einbettung
der Sprache innerhalb der von den anderen Wissenschaften erfaßten
Bereiche der Welt, während die Metagenese von der dem artikulierbaren
Bewußtsein des Menschen zugänglichsten Struktur der Welt ausgeht,
nämlich von bestimmten Größen der Sprache, und darauf
genetisch-erkenntnistheoretisch die Welt aufzubauen trachtet. Letzterer
Fehlschluß eignet auch fast allen Schulen der Philosophie und natürlich
der Theologie: »Am Anfang war das Wort ...«. (Ebd., 1973,
S. XLVIII-XLIX). Koch vermutet, daß es von
einer höheren Warte aus eines Tages gelingen wird, das periodische
Wiederkehren der Sprache als Paradigma bzw. Schlüsselproblem
für die Erschließung aller anderen oder zumindest vieler anderer
Teile der gesamtwissenschaftlichen und »gesellschaftlichen«
Panoramas vorherzusagen. Wenn sich andere Wissenschaften in ihrer
Schlüsselfunktion erschöpfen, tritt irgendwann die Sprache auf.
(Ebd., 1973, S. XIII). Im letzten Abschnitt des Kapitels Tendenzen der
Linguistik (Kapitel 19 der Perspektiven der Linguistik)
ist folglich auch das Verhältnis zwischen Genese und Metagenese:
Evolutionistischer Integralismus die Tendenz, die Koch zufolge
den Wendepunkt bringen wird (vgl. ebd., 1974, S. 190 [**]
und 280-294 [**]).
|
|
|
|
|
Sprache hat einen natur- und kulturwissenschaftlichen
Anteil,
wobei der kulturwissenschaftliche bei weitem überwiegt.
|
Die Feststellbarkeit von Tendenzen in der Linguistik soll den größtmöglichen
Grad der Vorhersagbarkeit, Motivation, Manipulierbarkeit der sprachwissenschaftlichen
Aktivitäten garantieren. Der Wunsch nach einer solchen Feststellbarkeit
deckt sich mit dem Verlangen nach einer operationellen, relativ durchschaubaren
Wissenschaft: Anamnese (Vergangenheit), Diagnose (Gegenwart) und Prognose
bzw. Therapie (Zukunft) sollen der Idee eines homogenen Felds von zyklischem
bzw. evolutivem Verhalten von Wissenschaft zugeführt werden. Der Versuch,
»Tendenzen der Linguistik« so zu verstehen, ist neu und schon
allein darum voller Schwierigkeiten. Die möglichen umrißhaften
Ergebnisse, z.B. die Prognose einer »kopernikanischen Wende«
in der Linguistik, scheinen mir indes den Versuch wert zu sein. Die Abschnitte
19.1 bis 19.5 beschäftigen sich mit den Voraussetzungen für die
Feststellbarkeit von Tendenzen, 19.6 bis 19.9 versucht daraufhin eine Interpretation
linguistischer Aktivität in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 19.10
schließlich skizziert eine mögliche Wende der Linguistik ...
zum Integralismus. (Ebd., 1974, S. 190-191).
Dynamisierte Metalinguistik. ....
These 1: Kreislaufthese
der Metalinguistik. Man könnte diese These auch
auch die »Interdisziplinaritäts- und Metawissenschaftsthese«
nennen. Die These enthält eine Reihe von Unterthesen, welche die Struktur
des erwähnten Ordnungsfaktors erstellen und die letztlich den Hintergrund
für die Erklärbarkeit von Theoriewandel abgeben sollen. Theoriewandel
soll also mit ähnlicher Aufmerksamkeit bedacht werden wie -
auf anderem Niveau - Sprachwandel. .... Zu
L: Hierher gehören alle Theorien über die Sprache, auch
solche, die nach einem umfassenderen Verständnis von der langue
(Verwendung von Sprache, konkrete Sprache;
HB) nur Teile, Perspektiven von L behandeln ....
|
Bei Koch (in: Perspektiven
der Linguistik., Band II, 1974, S. 193 ff.):
Konkrete Sprache = .
Systematisierte Sprache = L.
Metalinguistik = ML. Dynamische Linguistik =
DL. Dynamische ML = DML.
Metawissenschaft = MW. Dynamische Wissenschaft = DW.
Dynamische MW = DMW.
Konkrete Geschichte = .
Systematisierte Geschichte = H. |
|
 |
|
Aus: Walter A. Koch, Tendenzen der Linguistik,
in:
Perspektiven der Linguistik, Band II, 1974, S. 194.
| |
Zu ML: Zur Metalinguistik gehören
alle Theorien, welche sich selbst wiederum auf L-Modelle beziehen, welche
diese abbilden (zur Abbildung vgl. Band I, S. XXV). Eine Metalinguistik
müßte in der Lage sein, alle vorhandenen Formen von Linguistik
zu relativieren und in diesem Sinne verständlich zu machen. ....
Zu DL: Die dynamische Linguistik bezieht sich bewußt
auf die Tatsache, daß Sprachtheorien zueinander im Verhältnis
des Konflikts stehen. Die dynamische Linguistik besteht aus dem zeitlich-räumlichen
Kontakt bzw. der Veränderung innerhalb der »Geschichte der Linguistik«,
präziser: Sie gibt das Material für eine mit ML unmittelbar integrierte
Theorie über das H-Modell
vom L-Modell ab (vgl. zum H-Modell: Einleitung, Band I, S. XXVIII und die
These 9 [**]). So wie z.B.
die Geschichte ( )
einer / der Sprache ( )
in dem unmittelbar mit L verbundenen H (vgl. die Tiefendimension »H«
im MC-Modell: Einleitung, Band I, S. XXI) erklärt wird, gelangt die
Geschichte (»Dynamik«) einer / der Linguistik (DL) in ML zur
Erklärung. .... »H« als Matrix von L entspricht also der
mit L unmittelbar integrierten H-Theorie über das
von ,
mit anderen Worten: H1 von L erklärt Sprachwandel. H2 als Matrix von
L entspricht unserem DL ....
|
Grobskizze eines denkbaren
M-Modells .... Sie enthält folgende Teile:
Orte: L, ML, DML, MW usw.. Relationen: (kybernetische) Kreisläufe
sowie Impulse (offene Pfeile). (Walter A. Koch, ebd., 1974,
S. 192). |
|
Diese Grobskizze ist
allerdings nicht von Koch, sondern von mir.
Doch auch sie impliziert letztlich die These, daß der
entscheidende
Impuls für alle Kreislaufmotorik von »unten« + »rechts«,
d.h. von den
offenen und dynamischeren (»historischen«) Dimensionen
ausgeht.
Danach ist die Erstellung einer angemessenen Metalinguistik
(ML)
zwar das unmittelbare Ziel unserer Überlegungen, die
Wissenschaftsgeschichte generell (DW) jedoch der Motor und letzte
Stimulus der zu berücksichtigenden Grundlagen. Ein notwendiges
Nebenprodukt unserer vordergründigen Zielsetzung ist die
Postulierung einer einheitlichen Gesamtwissenschaft.
(Walter A. Koch, ebd, 1974, S. 202).
|
DL ist ähnlich wie
eine uninterpretierte Beschreibung, Aufzählung von Daten. DL
registriert verschiedene Theorien über ,
also verschiedene L, nach Orten und Zeiten grob vorgeordnet, mit einem gewissen
Bemühen um einen roten Faden, um den Aufweis struktureller Gemeinsamkeiten,
aber eigentlich ohne die explizite Absicht, die Dynamik selbst zu erklären.
Wie DL sind fast alle vorhandenen »Geschichten der Linguistik«
aufgebaut (...). Eine Erklärung von DL und somit eine mehr als enumerative
Behandlung von Tendenzen kann erst in ML stattfinden (genauer: in H1 als
Matrix von ML). .... Zu DML: Die dynamische Metalinguistik
würde ihrerseits den im jeweiligen Augenblick, im synchronen Querschnitt
als angemessenste Form anerkannten Typus von Metalinguistik selbst zu relativieren
trachten, indem sie vorhergehende, überholte und zukünftig denkbare
Arten von Metalinguistik entwickelt. Allein das Momento der DML gegenüber
ML garantiert jene geistige Beweglichkeit, die zu einer nicht starr-dogmatischen,
sondern flexibel-dogmatischen Re-Generierbarkeit von ML benötigt wird.
.... Zu W: Nach Wilhelm von Humboldt
gab es die sprachwissenschaftlichen Richtungen des biologischen Naturalismus
.... Hier wird explizit, fast programmatisch sichtbar, was in allen linguistischen
Theoriebildungen (L) mehr oder weniger nachhaltig geschieht: die Hereinnahme
unverzichtbarer Konzeptionen anderer Wissenschaften (W). Es wäre eine
Ilusion, wollte man glauben, L konstituiere sich allein aus dem Abbildungsprozeß
(per »Abstraktion« oder »Theoretisierung«) über
der Sprache ( ).
Nehmen wir nur folgende unvollständige, willkürliche DL-Reihe:
Humboldt, Schleicher, Saussure, Bloomfield; Humboldts Ideen waren kaum erzeugbar
ohne die Philosophie des Deutschen
Idealismus, Schleichers naturwissenschaftliche Vorstellungen von Sprache
sind nicht denkbar ohne Gedanken seiner Zeitgenossen, der Evolutionstheoretiker
Darwin und Haeckel, Saussures berühmte Dichotomien (...) wären
ohne teilweise nicht ohne die Soziologie Durkheims zustandegekommen, Bloomfields
Reduktion der Linguistik auf »Beobachtung« (Vorliebe für
»Distribution«, Feindschaft gegenüber der Semantik usw.)
ist durch den Behaviorismus eines George Watson geprägt. Es ist eine
Binsenweisheit, daß die Wissenschaften einander durchdringen, und
das Bewußtsein, welches heute eine neue Interdisziplinarität
fordert, gründet sich oftmals auf nichts mehr als eben diese Binsenweisheit.
.... Zu MW: Diente W u.a. zur Auffindung von theoretischen
Isomorphien zwischen den Wissenschaften, so benötigen wir MW, um die
jeweiligen Wissenschaften zu erklären, in ihrer (Weiter-)Entwicklung
zu verstehen. Die Metawissenschaft hat somit eine ähnliche Funktion
wie die Metalinguistik. .... Zu DW: Die dynamische
Wissenschaft behandelt die Wissenschaftsgeschichte mit traditionellen
Mitteln , d.h. der geschichtliche Anteil wird mit Ansätzen behandelt,
der die traditionelle, wenig strukturelle und wenig explikataive Geschichtswissenschaft
(vgl. Karl-Georg Faber, Theorie der Geschichtswissenschaft, 1971)
nicht transzendiert. Richtungen, die DW auf höherem Niveau (in MW)
zu erklären trachten, sind einerseits die modellspezifischer arbeitende
Wissenschaft der Wissenschaft, andererseits die modellneutraler arbeitende
historisch-erklärende Dimension der Wissenschaftstheorie. Zu dieser
Dimension gehört z.B. Kuhns Idee von den wissenschaftlichen Revolutionen
(vgl. Abschnitt 19.5). Eine strukturelle Grundlage für eine H1-Komponente
von MW (vgl. dazu parallel H1 von ML in der Abbildung auf S. 194) finden
wir bei Kahn .... Hier werden Strukturen der Zyklizität und Rekurrenz
in der Geschichte (ähnlich wie bei Spengler und Toynbee, nur ein wenig
faßlicher) bemüht (vgl. die Abbildung auf S. 253).
Zu DMW: Ähnlich wie bei DML wird man sich vorerst mit einer
einfachen (geschichtlichen) Ordnung der MWs begnügen. DMW macht ein
spezifisches Dogma in MW relativ flexibel. (Ebd., 1974, S. 191-198).
Mein Bemühen, die Linguistik integral und kybernetisch zu sehen,
beeinflußte zwei verschiedene Ebenen: meinen metalinguistischen Hintergrund
(von Abschnitt 19.1 an) und die Prognose für die Entwicklung der Linguistik
selbst (Abschnitt 19.10). Das MC-Modell ist nicht reduktionistisch zu verstehen,
andererseits kann nicht jede Stufe (SZ gegenüber PH oder Syntax gegenüber
Textematik) eine eigene, »monoadologische« Betrachtungsweise
verlangen. Stufenneutrale Wissenschaften wie die Mathematik helfen
bei unseren Neuüberlegungen kaum, die Physik wäre da schon
von größerem Nutzen; unsere gesuchte Form von Metawissenschaft
muß eher einer lingua characteristica als einem calculus
ratiocinator gleichen; sie muß damit rechnen, daß die Welt
und die Sprache mehrfach offene, kreative Systeme sind und nicht etwa eine
machina docilis in den Händen eines deterministischen Technologen.
(Ebd., 1974, S. 294). Der Raum, den die
Sprache innerhalb der Welt einnimmt, ist für all diejenigen, die Zeichen
deuten können, also zeichendeutungsfähig sind, ein unvorstellbar
großer, nämlich der größte aller von Wissenschaftsbereichen
einzunehmenden Räume. Für alle Lebewesen besteht die Welt aus
Sprache - auch für die Lebewesen, die davon nichts wissen. Nichtlebewesen
aber sind nur, können also Sprache weder verstehen noch
herstellen - es sei denn, sie sind von Menschen hergestellte Nichtlebewesen,
Maschinen (denn diese können Sprache auf die ihnen künstlich/technisch
von Menschen zugewiesene Weise verstehen und herstellen)
-, sind aber dennoch Teil der Sprache, aber eben nur passiv. **
** **
** **
**
So spielt die Linguistik fraglos eine gewisse
Pilotenrolle für andere Wissenschaften .... (Walter A. Koch,
Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 199).
Das Bewußtwerden der Strukturen
(ob nun perzeptorisch beim Pantoffeltierchen [PX-Stufe] oder etwa metasprachlich
beim Menschen [M-Stufe]) ist nun m.E. derart angelegt, daß das in
der Gesamtgenese immer komplizierterer Größen zuletzt
Entstandene zuerst auffällt bzw. dem »Kurzzeitgedächtnis«
verfügbar ist. Das Bewußtwerden (Metagenese) ist eine Umkehrung
der Genese. So begann die strukturalistische Metagenese (des L-Modells)
beim Phonem - und sie wird u.U. beim N-Textem enden -; es wäre nun
ein Fehlschluß, wollte man daraus folgern, daß die Genese
der Sprache am Anfang Phoneme und z.B. keine Morpheme oder gar Texteme
aufwies. Das Umgekehrte war sicher der Fall; weniger auffällige metagenetische
Fehlschlüsse findet man m.E. in der modernen Linguistik tatsächlich
sehr häufig. Man kann in diesem Zusammenhang auch
zwischen stufenspeziellen und stufenneutralen wissenschaftlichen
Konzepten unterscheiden. Die Mathematik oder Teile der Logik scheinen
mir z.B. keine stufenspeziellen Beiträge für einzelne genetisch
geordnete Matrizen (z.B. für Sprache [Koch
meint hier nicht die Sprache im weiteren Sinne, sondern nur
die Sprache im engeren Sinne, also: die linguistische Sprache;
HB]) abzugeben. Die stufenneutral erarbeiteten Begriffe sind metagenetisch
fruchtbar, genetisch jedoch ungeprüft; sie lassen sich daher auch
auf Strukturen aller möglichen Entwicklungen anwenden (man denke
z.B. an die Rolle der Statik in der Physik [PH], in der Biologie [PX]
bis hin zur Linguistik [L]. Eine »zufällig mathematisierte«
Matrix-Wissenschaft erreicht darum m.E. ihren Wissenschaftscharakter nicht
erst oder gar nicht durch Mathematik. Stufenspezielle Strukturen werden
erst allmählich »empirisch« erarbeitet (bewußt),
wobei die bloße Fähigkeit, auf schmaler Basis zu abstrahieren,
nicht ausreicht. (Walter A. Koch, Einleitung, in: Perspektiven
der Linguistik, Band I, 1973, S. XXXIV-XXXV).
Die Metagenese geht von der höheren, geschlosseneren,
weniger operationalen, höherbewußten Struktur aus und projiziert
ihre Erkenntnis auf niedrigere, etwa von ML auf L (**|**).
Die höhere Struktur schafft auf der niedrigeren größere
Ordnung, aber nur vorläufig. Die niedrigere Struktur, »Herd
der Unordnung«, gibt immer neuen Anlaß zu weiteren höheren
Ordnungsversuchen. Mit diesen Worten möchte ich deutlich machen,
daß der Kreislauf z.B. zwischen ML und L in L, nicht in ML seinen
entscheidenden Kontrollfaktor, seinen Impuls sehen muß. Die Metagenese
läuft also notwendigerweise der Genese entgegen. Diese Kontrakurrenz
ist der Motor u.a. für das Wachsen von Information und Struktur im
menschlichen Gehirn. Die Metagenese geht stets von durch das höchste
Bewußtsein vereinfachten, geschlossenen Strukturen aus; man
denke etwa an die Denkformen der Logik, der simplen Axiomatisierungen
usw. in Bereichen von einfachen, künstlichen Sprachen. Die gewonnenen
Strukturen werden nunmehr auf kompliziertere Strukturen, z.B. die natürliche
menschliche oder tierliche Sprache übertragen, oder man versucht
zumindest mit großer Mühe eine solche Übertragung. In
Wirklichkeit (in der Genese) läuft der Prozeß natürlich
umgekehrt ab: Zuerst gibt es die Tiersprache (SEM-Modell), dann die menschliche
Sprache (L-Modell), dann erst die Logik als bewußt konstruierte
Sprache (M-Modell). Die Kontrakurrenz ist eigentlich erst dann
ohne Gefahr für die Erkenntnis nützlich, wenn sie als solche
erkannt wird. Dies ist m.E. bisher nicht in sichtbarer Weise der Fall.
Daher fallen in weiten Bereichen der Gesamtwissenschaft Metagenese und
Genese unbewußt in der Argumentation (bei Lévi-Strauss [**]
- um nur ein Beispiel zu nennen [**])
zusammen. Die Kontrakurrenz wird zur Konkurrenz. Der unmittelbare Bereich
unserer Überlegungen, die Metalinguistik, wie auch der Kern unserer
weiteren Überlegungen, der Erkenntnisprozeß der Linguistik
(die »Tendenzen«), sind von metagenetischen Fehlschlüssen
bedroht. (Walter A. Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven
der Linguistik, Band II, 1974, S. 199-200).
|
 |
|
Extremer
Realismus (a). |
Extremer
Nominalismus (b). |
Platonismus
(c). |
|
Die Eigenschaften, die meiner Meinung nach eine
neue Konzeption von Metalinguistik auszeichnen sollten, nämlich Dynamisierung,
Kybernetisierung, Kontrakurrenz, Integrierung usw., werden m.E. auch dem
strukturellen Verständnis der Tendenzen der Sprache ( )
und der Linguistik (L) von großem Nutzen sein. ....
These 2: Offenheitsthese
für Kreisläufe. Nach These 1 (**)
besteht die Welt aus Kreisläufen, die an den unteren Stellen offen
sind. Die Offenheit eines Kreislaufs erlaubt den Anschluß an andere
Kreisläufe. Sie garantiert die feinere Stufung oder Differenzierung
des Gesamtsystems. In den Abbildungen mit den Teilfiguren a, b, c, d,
e, f wird der Gesichtspunkt des Kreislaufs auf den Gegenstand der Linguistik
(L), nämlich auf die Sprache ( ),
übertragen; dabei besteht zwischen
und der Welt (W) ein ähnliches Verhältnis wie zwischen ML und
L in der Abbildung weiter unten rechts (»Multivariabilität
der Linguistik«). In den Abbildungen mit den Teilfiguren a, b, c,
d, e, f sind einige vereinfachte Formen des strukturellen Fehlverhaltens
gegenüber dem universell zu erwartenden Kreislauf skizziert: Auf
der Teilfigur a gibt es wesentlich nur eine Strukturoperation von der
Welt auf die Sprache. Man könnte diese Annahme als extremen Realismus
(dieses und folgende Etikette decken sich nicht immer mit dem etwa in
der Analytischen Philosophie gegebenen Verständnis ähnlicher
Termini ...) bezeichnen. Hiernach ist es die wesentliche Eigenschaft von
,
W abzubilden.
spiegelt als Überbau W wider (Marxistische
Position); eine zusätzliche Kontrolle der Hypothesen über W,
die in
enthalten sein können, ist nicht brisant, da eine gewisse fast automatische
Duplizierung von W gegeben, keine extremen »Abarten« in der
Eigensteuerung von
möglich scheinen. Die meisten Sprachursprungstheorien gingen seit
Jahrhunderten eher von »a« als von »b« aus: »b«
notiert einen extremen Nominalismus. W ist danach wesentlich erkennbar
oder gar »vorhanden« nach der Maßgabe der in
verfügbaren Strukturen. Der Aristotelische
Hylemorphismus (Substanz-Form-Dichotomie), der sich bis in die jüngeren
Sprachtheorien hinein (...) gehalten hat, ist von dieser groben Kennzeichnung
getragen (vgl. auch die Kantsche
Vorstellungen von Sprache und vom Denken); unter dem zusätzlichen
Gesichtspunkt der Relativität einzelner
untereinander hat diese Richtung in der Sapir-Whorf-Hypothese (vereinfacht:
es gibt »so viele W wie «)
eine prägnante Formulierung erfahren: »a« und »b«
erlauben u.a. keine wesentliche Fremdkontrolle der jeweils als dominierend
angesehenen Strukturrichtung, sie gestatten auch kaum die Idee der Veränderbarkeit
augneblicher Strukturverhältnisse. - »c« bedient sich
im Gegensatz zu »a« und »b« eines Kreislaufs.
Die Strukturen einer bestimmten Sprache
(...) werden idealisiert, d.h. es wird ein den Konzepten »Tiefenstruktur«
oder »Kompetenz« ähnlicher, »vermutlich«
invarianter Kern einer bestimmten
konstruiert bzw. angenommen; die so gewonnene Idealnorm von ,
nennen wir sie » «,
soll universelle Geltung haben; es wird also angenommen, daß Einzelsprachen
keine Chance haben, an diesem Kern etwas zu ändern. Lediglich »abweichende«Realisierungen
des überall gleichen
können in einzelnen L gefunden werden (auf »c« angedeutet
durch »« = Parameter zwischen W und ).
Die Weltstrukturen ihrerseits sind determiniert durch » «.
|
 |
|
Muster
für »e« (d). |
Heraklitismus
(e). |
Chomskyismus
(f). |
|
|
Eine solche Position könnte man mit Platonismus
bezeichnen. Hier liegt eigentlich kein Zirkel vor, der Strukturgewinn
und Strukturkontrolle garantiert, sondern eher ein solcher, der die in
relativ undifferenziert ermittelten und voreilig auf den Status des Universellen
erhobenen Strukturen in » «
festschreibt. W ist dabei nicht das Argument einer Kontrollfunktion für
das Strukturieren in ,
sondern autologisiert noch einmal die Beinahe-Tautologie
=> » «.
Vom circulus vitiosus zum Kreislauf, der eine realistische Interpretation
erlaubt, glangen wir erst in »d«. Hier strebt man von einer
Stufe X, die relativ viele Strukturierungen zuläßt, zu einer
Strukturstufe Y, die relativ wenige Strukturierungen zuläßt,
wobei Y selbst X strukturiert, ordnet (durch Rückkoppelung). X wird
dann neu strukturiert, gibt darauf wieder neuen, modifizierten Anlaß
für eine neue Version einer Hyperstruktur Y, die ihrerseits wiederum
auf X projiziert wird. Es beginnt im Kreislauf zu »fließen«,
wobei die Strukturen von X und Y wechselseitig kontrolliert werden. Es
gibt nichts »Absolutes«, keinen invariablen Ausgangs- oder
Endpunkt. Allerdings liegt der »Impuls« des Kreislaufs, d.h.
die offenere, strukturbedürftigere, aber auch weniger erschöpfbare
Quelle, an der niedrigeren Stelle. »e« ist eine Realisierung
von »d«. Eme-solche Sichtweite lenkt das Augenmerk auf die
stete Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Haltung, nach welcher die
Strukturen nirgendwo für sich selbst bestehen (etwa in jeweiliger
Isolation: sprachliche Universalien, eine bestimmte dogmatisierte Form
von Sprachtheorie, die physikalistische Metasprache als Weltanschauung
oder auch nur die Strukturen eines bestimmten Wirklichkeitsausschnitts
bzw. einer bestimmten Segmentierungsgewohnheit einer bestimmten Sprache
hinsichtlich der Welt). Eine derartige Position, für die die Offenheit
des Strukturkreislaufs die radikalste Strukturierungsannahme darstellt,
könnte man Kybernetismus oder auch Heraklitismus
nennen. Sie widerspricht einer wissenschaftlichen, speziell einer linguistischen
Gewohnheit, allenfalls implizit Teilzirkel zu benutzen; bei letzterer
Gewohnheit spielen die Kriterien des stetigen Kreislaufs, der wechselseitigen
Kontrolle (somit der Relativität der Universalien selbst) und des
Moments des genetischen Impules keine spürbare Rolle. Auf der Basis
eben dieser Gewohnheit kann »f« gewisse Tendenzen in der modernen
Linguistik wiedergeben. Die Position ist gegenüber dem Platonismus
(»c«) um die Linguistik (L) und Metalinguistik (ML) bereichert.
Die Rückkoppelung der linguistischen Hypothesen (L) zum tatsächlichen
sprachlichen Verhalten ( )
ist kaum existent. Die Welt (»Ontologie«) verschwindet überhaupt;
dafür wird den verschiedenen Interpretationen der Welt, den verschiedenen
,
die aus ML herauskristallisierte Ideal-Konstanz (Univeralien der Kompetenz),
nämlich » «,
als leicht kaschierter Metaphysik-Ersatz vorgehalten. Die relativ regste
Fluß- bzw. Kontrollaktivität findet auf »hohem«
Niveauu, zwischen L und ML statt. Die Welt wird hiernach (implizit) wesentlich
von der Metalinguistik bestimmt und nicht umgekehrt. Der Impuls, zu strukturieren,
ist metagenetisch gesteuert (dicker schwarzer Pfeil). »f«
scheint mir daher besonders charakteristisch für Tendenzen in der
transformationell-generativen Grammatik (GTG).
These 3: Multivariabilitätsthese
für die Linguistik.
Der Kybernetismus in »d« läßt sich weiter differenzieren,
so daß wir den in der Abbildung rechts (»Multivariabilität
der Linguistik«) dargestellten Kreislauf erhalten. Zu den bereits
besprochenen Orten kommen »PrL« und »PoL«, ferner
erscheinen hier die Parameter »Tr« und »S«.
Die Prälinguistik (PrL) benutzt gegenüber der normalen Sprachverwendung
( )
so etwas wie Metasprache. Es handelt sich um eine Linguistik in status
nascendi, um eine Art protoscience (Urwissenschaft). Die kritischen,
die neuralgischen Eigenschaften des alltäglichen Sprachgebrauchs
( )
werden hier mit den verschiedensten Mitteln, etwa mit denen des Kulturjournalismus,
des Feuilletons, der »aufgeklärten« Diskussion, der verschiedenen
vorwissenschaftlichen Kritikformen: Sprachkritik, Literaturkritik, »philosophische«
Sprachkritik, Sprachpathologie, Reflexionen über Spracherwerb usw.
aus dem Dickicht mehr oder weniger »dunkler« operationaler
Vorgänge ins Bewußtsein gehoben.
|
 |
|
Dies ist NICHT
Kochs, sondern meine Abbildung, auf die ich Kochs
Abbildung NUR übertragen habe, um sie noch verständlicher
zu machen.
Regler: Phase 4 (L, ML); Stellgröße:
Phase 1 (PoL);
Regelstrecke: Phase 2 ( ,
W); Regelgröße; Phase 3
(PrL).
| |
Für die spezifische Form, die bestimmte Sprachprobleme aus
nunmehr in PrL annehmen (ob sie z.B. in der Art der gewöhnlichen
Sprachphilosophie oder in Form nur indirekter Sprachkritik durch Sprachzerstörung
[wie etwa in weiten Bereichen moderner Literatur] erscheinen), mache ich
vorläufig den Transduktor »Tr2« verantwortlich. Ob eine
bestimmte Kulturinstanz wie die breite Skala von »Sprachbewußtmachern«
in PrL die tatsächlichen bzw. wichtigeren Probleme in
erfaßt, ist eine Frage der Selektion (hier: S2).
Die Selektion wird oft von einem bestimmten Wissenschaftsklima, von »Ideologien«
gesteuert (siehe »Si = Situation« in der Abbildung rechts),
so daß trotz eines bestimmten starken Impulses von
her (verschiedene Formen des in
zwar gespürten, doch hier kaum lösbaren Mißverständnisses
bzw. der ständigen Fehl-Kommunikation auf Text- und Semantikebene)
die Notwendigkeit einer neuen Richtung in PrL der Aufmerksamkeit (S2)
entgehen kann. Die komplementäre Postlinguistik (PoL) transzendiert
(durch Tr5) die linguistischen Erkenntnisse (L) in einen sowohl kritischen
wie auch stark rezeptiven Kulturbereich: Die Bildungsstätten (Schulen,
Universitäten usw.), die Massenmedien (Zeitung, Fernsehen usw.),
die Rehabilitierungsstätten (neurologische Kliniken, Taubstummenschulen
usw.), die Literaturproduktion usf.. Es gibt hier auch noch andere Anschlüsse,
die ich nicht eigens verzeichnet habe: Es sind solche auf gleicher Höhe
mit L: die Übertragung von L-Erkenntnissen auf Nachbarwissenschaften:
auf die Anthropologie, die Pädiatrie, die Ethnologie, die Psychologie,
die Sprachlehrforschung usw.. L wird naturgemäß mehr oder weniger
starke theoretische Überschüsse haben; d.h. die relative
Nützlichkeit der Linguistik kann durch die Tatsache bestimmt werden,
daß PoL nur gewisse Teile von L auswählt, seligiert (S5).
Allerdings unterliegt PoL selbst wiederum bestimmten eigenen Ideologien,
d.h. Regelkreisen, die nur hier (in PoL) und nicht an den übrigen
Stellen des L-Kreises angeschlossen sein können. Das kann bedeuten,
daß z.B. eine bestimmte Kulturpolitik eine bestimmte Form von Linguistik
(etwa: Soziolinguistik) zu einem bestimmten Zeitpunkt favorisiert, ohne
daß aus dem Gesamtkreislauf die Zuträglichkeit einer derartigen
einseitigen Abnahme ersichtlich würde. Jeder der zwölf Parameter
kann allein schon für Dysregulation des Regelkreises sorgen. Der
stärkste Impuls für die Regelung geht - wie immer - »von
unten« aus. Die Welt (W) ist das größte Reservoir an
Geheimnissen, an Ungelöstheiten; der Sprache ( )
können hier schon bei ihrer Erfassung von W die ersten Fehler bzw.
Unachtsamkeiten (S1) unterlaufen. W ist träger
als ,
ist träger als PrL usw.. Umgekehrt ist PrL schneller manipulierbar
als ,
schneller veränderbar bzw. anpassungsfähiger als W .... Die
Abbildung rechts (»Multivariabilität der Linguistik«)
kann auch in Form von Phasen und Stufen dargestellt werden.
Eine phasale Ordnung (vgl. Bd. I, S. XXX) würde folgendes ergeben:
Phase 2 |
=> |
Phase
3 |
=>
|
Phase 4 |
=> |
=> Phase
1 |
W,  |
=> |
PrL |
=>
=>
|
L, ML |
=> |
PoL |
Probematiserung |
=> |
Theoretisierung |
=> |
Anwendung |
Die Stufenordnung (vgl. Bd. I, S. XXIV):
Modellbereiche |
Modelle |
Dependenz
bzw. Offenheit |
ML
L
PrL, PoL |
M-Modell |
|
 |
L-Modell |
W (= Welt) |
...
...
...
SZ-Modell
PX-Modell
PH-Modell |
|
|
Die Abbildung rechts
(»Multivariabilität der Linguistik«) soll die Tatsache,
daß die Linguistik in einen Kreislauf mit vielen Variablen
eingebettet ist, prägnant werden lassen. Die Verbindungen garantieren
einen steten Zu- und Abfluß an Problematik, an Konflikten.
Ob hier tatsächlich ein stabiler Gesamtzustand (Homöostase
...), ein evolvierender, instabiler »Flußzustand«
(Homöorhese ...) bzw. ein Prozeß der Chreode
(...) erreicht wird, kann erst eine feinere Analyse mit konkreten
Daten feststellen. Überall ergeben sich für Ungleichgewichtigkeiten
verlockende Möglichkeiten: So kann von der Linguistik W (Welt)
völlig abgeschaltet werden (was tatsächlich häufig
geschieht), so kann eine kopflastige Überproblematik zwischen
L und ML (ohne wesentliche Beteiligung der anderen Variablen) entstehen
usw.. Die Problematisierung der Linguistik (vgl.
Phase 2 [W, ]
und Phase 3 [PrL]) speiste sich im
19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts zwar wesenlich aus .
Vordergründig ging es also bei den Junggrammatikern
um den Vergleich verschiedener Sprachen und den anschließenden
Versuch der Rekonstruktion einer gemeinsamen sprachlichen Vorstufe.
Doch die Problematik war vergleichsweise niedrig: Es ging vorwiegend
um Äquivalenzen von Phonemen .... Die tatsächlichen Facetten
der Problematisierung waren und wurden natürlich im Laufe der
Zeit viel komplizierter, als ich es hier andeuten kann. Auffallend
scheint mir indes, daß erst spät die Sinne der Linguisten
für zentralere Probleme, Phänomene des Mißverstehens
innerhalb einer Sprache, geschärft wurden. So machte Chomsky
(**|**)
zum ersten Male heuristischen Gebrauch von strukturell mehrdeutigen
Sätzen wie: I dislike visiting relatives. |
Mir scheint nun auf die Dauer der Ehrgeiz der Linguisten, strukturelle
Ambiguitäten mit Hilfe eines höchst komplizierten Regelapparates
zu lösen, im Mittel zu aufwendig, im Ziel zu bescheiden. Die nächste
Etappe in der Schärfung der Selektionsfähigkeit des Linguisten
(S3) wäre wohl das Fokalisieren auf Zerstörung
von Sprache, auf gestörte Semiose, auf Sprachpathologie in großem
Maßstab. Allein auf dem älteren Problematisierungssektor der
generativen Grammatik (vgl. auch unter: Nativismus
[**])
hat sich bereits ein Wust von weiteren prälinguistischen Stimuli
angesammelt, der die ursprüngliche Paradigmatik von Ambiguität
überlagert. Dazu bemerkt Bar-Hillel:
The jungle
of phenomena around degress of grammaticality, semigrammaticality,
semantc anomaly, oddness, bizarreness, category mistakes, type violations,
and a host of other related concepts is now in a state of almost
utter confusion after a decade of intense and well-meant discussion
.... |
Wichtig scheint mir hier, daß überhaupt das Irreguläre,
das Abnorme innerhalb einer Sprache Stimulus für die Linguistik
geworden ist. Wird die Prälinguistik im Zusammenhang mit noch radikaleren
Formen von Sprachstörung einerseits und mit der Sprachplanung für
die Zukunft andererseits immer wichtiger, so gilt Vergleichbares auch
für die Postlinguistik. Ich möchte annehmen, daß das Maß,
in dem eine vulgariserte, nach-wissenschaftliche Version einer bestimmten
Disziplin ein breites Publikum zu fesseln vermag, gleichzeitig ein Gradmesser
für die Vernünftigkeit und Angemessenheit der betreffenden Wissenschaft
ist. (Walter A. Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven
der Linguistik, Band II, 1974, S. 201-212).
Ich meine, es ist davon auszugehen, daß
bei genauer Analyse jedes System (nicht nur ein schwer zu durchschauender
gesellschaftlicher Komplex) hoch-konditionierte Generalisierungen aufweisen
muß, da jedes System mehrfach offen ist und eine Analyse nicht in
jedem Fall die Regelmäßigkeit des gesamten Universums mitformulieren
kann. ....Der gängige Einwand, Zyklik und Evolution seien mechanistisch
und fatalistisch (...), scheint mir eher von Vorurteilen als durch den
Blick für Realitäten geprägt. Der gewichtigere Einwand
Poppers (wieder gegen den »Historizismus« des Marxismus gerichtet),
Zyklizität sei nicht universell anzutreffen, nicht einmal im Bereich
der Naturwissenschaft, geht etwas zu kleinmütig von einem augenblicklichen
Wissensstand, weniger von einer wissenschaftlich nützlichen und plausiblen
Universalhypothese aus. Es gibt sicher Zyklizitäten, die uns vorläufig
noch verborgen sind. (Was nicht ausschließt, daß Popper mit
seiner Kritik an der spezifischen und konkreten Vorhersagegläubigkeit
der Marxistischen Doktrin recht hat.) Erscheint irgendwo etwas als unzyklisch,
so kann das sehr wohl bedeuten, daß das betreffende Untersystem
nicht breit genug strukturiert worden ist. .... Verfechter der Stufen
7 bis 9 (7: Endliches homogenes Modell für
alle Strukturen; 8: Zyklische Phasen; 9: Richtung,
Progress, Regress usw.; HB) gelten als Metahistoriker.
Diese »sind für den strengen Historiker das rote Tuch«
(Dawson, a.a.O., S. 323). M.E. sind die vorgegebenen Gründe für
die Ablehnung weniger entscheidend als die unreflektierten. Letztere beziehen
sich darauf, daß - wie schon erwähnt - die ersten Versuche
der Tiefenstrukturierung naiv, »schematisch« sein müssen,
daß die Beobachtungsdauer für GW (gegenüber NW) weitaus
länger sein wird und daß letztlich die zugemessenen Wahrscheinlichkeiten
für die konditionierten Systemzyklizitäten im Bereiche »GW«
sich auf niedrigerem Niveau abspielen werden als im Bereiche »NW«.
Das kann jedoch nicht bedeuten, daß schon ein Versuch der genannten
Richtung nutzlos oder unmöglich ist. Es bedeutet allerdings in jedem
Fall eine größere Anstrengung und eine größere Zahl
von Fehlversuchen. (Walter A. Koch, Tendenzen der Linguistik,
in: Perspektiven der Linguistik, Band II, 1974, S. 232-233).
Taxologisches Modell für Sprache.
.... Erinnern wir uns an einige Punkte, die bei der optimalen Erstellung
einer Metalinguistik (ML) beachtet werden sollten: (1)
die Interdisziplinarität, (2)
die Kybernetisierung und die Kontrakurrenz, (3)
die Offenheit bzw. der Impuls der kybernetischen Kreisläufe,
in die u.a. ML gebettet ist, (4) die Multivariabilität,
an die ML angeschlossen ist, (5) das Vermeiden
einer ungebundenen Operationalität (z.B. Vermeidung der Überschätzung
des Kriteriums »methodische Einfachheit« vor den objektmäßigen
Problemen), (6) die Berücksichtigung
einer Stufigkeit (»Sprache« [ ]
- »Metasprache« [L] - Metalinguistik [ML]), die nicht in sich
selbst kollabiert, sondern einen sich selbst kontrollierenden Kreislauf
aufrechterhält.
|
|
|
Re = Referem
SE = Semem
Mo = Morphem
Lo = Logem
S = Syntaktem
T = Textem
BT = Bitextem
NT = N-Textem
Si = Situationem
Ph = Phonem
Gr = Graphem
Rep = Repräsentem
|
|
 |
|
|
|
|
Die folgenden Abbildungen (L-Modell und H-Modell) stellen meinen ersten
knapp skizzierten Vorschlag einer ML dar, die dem Kriterium der Operationalität
genügen soll und auch die vorher genannten Punkte berücksichtigt.
Das vorgeschlagene ML-Modell im engeren Sinne ... wird hier »L-Modell«
genannt, da es in der abgekürzten Form von mir auch auf der Stufe
»L« (nicht nur »ML«) verwendet wird. .... Zu (1):
die Integrierung in ein Gesamtmodell wird u.a. mit einem physikalischen
Integrierungspostulat und einem neurologischen Lokalisierungspostulat
(s.u.) angezeigt; zu (2): die Vorläufigkeit
der Strukturen (z.B. Taxa im L-Modell) soll stärker als üblich
betont werden (»Kreislauf« ist die primäre Universalie,
»Phonem«, »Nominalphrase + Verbalphrase«, »Text«
usw. sind abgeleitete Universalien; gestufte oder organische Invarianz
bzw. Varianz der Systeme und Metasysteme), Auffindungs- und Darstellungsverfahren
sind zwei entgegengesetzte Prozeduren (»von
über L zu ML« bzw. »von ML über L zu «),
Kontrakurrenzblindheit tendiert allerdings dahin, sie zusammenfallen zu
lassen, so daß sich hier die Motorik des Nachdenkens über Sprache
durch Tautologien dem Stillstand nähert (»
ist, was ML aussagt«; Tendenz bestimmter Rigorismen: Chomsky, Hjelmslev
u.a.); zu (3): das Argument der Funktionen
zwischen ,
L, ML liegt jeweils auf der tieferen Stufe - freier gesprochen:
und L dienen nicht dazu, die Richtigkeit von ML zu beweisen, sondern ML
dient umgekehrt dazu, die Nützlichkeit höherer Stufen
über
für L unter Beweis zu stellen; zu (4):
der Selektor (S) zwischen Sprache ( )
und Welt (W) soll möglichst dem Selektor zwischen Metasprache (L)
und Sprache ( )
ähneln (**),
d.h. die Taxa (Orte) des L-Modells (Phonem, Morphem, Logem usw.) sollen
den Sprachbetrachter (Pan) auf der Stufe L möglichst
per »Auffindungsverfahren« so schnell und unmittelbar zugänglich
bzw. operationabel gemacht werden wie dem Sprachbenutzer (Px)
auf der Stufe .
Die komplizierten rewrite-rules der generativen Grammatik (GTG)
z.B. kommen einer derartigen Selektionsstrategie nicht nahe; sie sind
eben spezifische Darstellungstechniken von L, die sich ausdrücklich
einer naiven Abbildungsabsicht hinsichtlich
entziehen - darin sehe ich indes in unserem Zusammenhang keine wissenschaftliche
Stärke: zu (5): nicht »Einfachheit«
der linguistischen Darstellung hat den Primat in dem Kreislaufmodell (in
das ML eingebettet ist), sondern »Komplexität« der sprachlichen
Daten; zu (6): die Vermeidung eines Kollapses
in der linguistischen Aktivität ist nur dann gewährleistet,
wenn man ML nicht ständig über das Gleiche nachdenken läßt,
sondern es von
her mit neuen Beobachtungsrichtungen (Foki) füttert; ML ist wie der
menschliche Körper ein offenes System. .... Auf allen drei Stuten
( ,
L, ML) finden sich 1.) Operationen, 2.) die durch (gebündelte) Operationen
erstellten Taxa (wie »Laute«, »Phonem«
usw.), 3.) Meta-Operationen. Die genetische Ordnung dieser Größen
entspricht eben dieser Reihenfolge. Ein vollständiges ML-Modell müßte
alle drei Größen in extenso darstellen. Ich beschränke
mich in der ML-/L-Modell-Abbildung auf die Darstellung der vorläufigen
Taxa, auf die taxologische Ordnung, und zwar auf der Stufe L, die gleichzeitig
als Stufe ML gilt. Der Gefahr, andere L (L2, L3;
etwa: Halliday; Chomsky) in unfruchtbarer Weise nach meinem eigenen
Vorschlag L (= ML) zu bewerten (vgl. Anm. 23 [Vgl.
die Wertung nicht-generativer Grammatiken nach dem ausschließlichen
Maßstab des Chomskyischen Ansatzes ...]), glaube ich dadurch
zu entgehen, daß ich L stets so zu verändern trachte, daß
es andere, neue Modelle auf dem Niveau L mit allen ihren Annahmen zu beschreiben
imstande ist. Ziel und totale Realisierung dieses Konzepts müssen
- wie bei den meisten grundlegenden Konzepten dieser Richtung - nicht
sofort gemeinsam auftreten. - Die Taxa im ML- bzw. L-Modell verbleiben
überdies auf einem ersten groben Niveau (...). Sie sind offen für
eine Reihe von Spezifizierungen; d.h. auf dieser Stufe der Taxologie ist
nicht entschieden, ob es sich um eine Analyse- oder Synthese-Grammatik,
um eine Erkennungs- oder Erzeugungsgrammatik, um Aufwärts- oder Abwärts-Konstitution
handelt, mit anderen Worten, die über die Auffindung der dargestellten
Taxa hinausgehenden Operationen (Nachfolge-Operationen: Konstitierung
usw.) sind zunächst in gleichwertiger Weise einbaubar, es kann keine
bestimmte Darstellungsweise (etwa: Generative Grammatik gegenüber
anderen Grammatiken) eine andere ohne zusätzliche situationale oder
pragmatische Begründung einer punktuellen linguistischen Strategie
verdrängen (vgl. zur »Pragmatik«: Anwendungsphase der
Postlinguistik [**]).
Die vor den Taxa liegenden Operationen (Kommutierung, Permutierung usw.)
sind charakteristisch für die unreflektierte Stufe der Sprechtätigkeit
( ).
Sie sind somit fundierend für den gesamten Prozeß .... (Die
Operationen in
sind gewissermaßen die noch dynamische Vorstufe der abstrahierten
Taxa.) Zu den Meta-Operationen gehören nicht nur die bekannten Kriterien
der Einfachheit, Konsistenz usw., sondern auch die die Daten kontrollierenden
Momente der Vollständigkeit, Angemessenheit, Wichtigkeit, Integrationsfähigkeit
usw.. M-Modell-Prozeduren wie die auf dem Binarismus aufbauende Phrasenstruktur
können zwar einfach, aber im Bezug auf die Abbildung der Realität
irrelevant sein. Ein neurologisches Lokalisierungspostulat bezüglich
sprachlicher Strukturen im menschlichen Gehirn sieht jetzt schon komplexere,
flexiblere, multididimensionale Strukturen, die einem ungebundenen, von
der Position einer künstlichenSprache (M-Modell, nicht L-Modell!)
konstruierten Einfachheitsprinzip zu widersprechen scheinen. Allein die
Ökonomie des Gehirns ist mit den gängigen Kleinausschnittproblematisierungen
nicht zu messen. Die in These 1 (**)
enthaltene Aufforderung zur Ganzheitsbetrachtung erheischt ein unitäres
Weltmodell. Das MC-Modell
stellt einen ersten Versuch zur Realisierung einer solchen Vorstellung
dar. Danach muß ein Realitätsausschnitt, der
erfassen will, ein dreiteiliges Gebilde berücksichtigen: L existiert
in der zugänglichsten Form nur in Situationen, und diese wiederum
nur im zeitlich-räumlich-srukturellen Kontinuum, kürzer:
L nicht ohne Si und H. Ich möchte diesen Gedanken
wieder in Form von Thesen aufgliedern: These
7: Partikelthese (L-Modell) Zu einer
genaueren Beschreibung dieser These sei noch einmal auf andere Publikationen
verwiesen: Koch, Vom Morphem zum Textem, 1969; Zur Taxologie
des Englischen, 1971; »Varia Semiotica«, 1971;
vgl. auch Band I, S. XXVI. Hier nur eine oberflächliche Charakterisierung
...:
|
1) |
Ph(onem): |
Grammatik (Satzlinguistik) |
2) |
Mo(rphem): |
3) |
Lo(gem): |
4)
|
Gr(aphem): |
5) |
S(yntaktem): |
6) |
Se(mem): |
7) |
T(extem): |
Textlinguistik
Textstrukturalismus |
8) |
Si(tuationem): |
Situationale
Linguistik, Pragmatik, Handlungstheorie, Psycholinguistik,
Soziolinguistik usw. |
9) |
Re(ferem): |
Von der Sprache
abgebildete Strukturen / Kybernetik, Sigmatik, Pragmatik |
10) |
Rep(räsentem): |
Semiotik/Linguistik
des Bildes, des Films, des Fernsehens usw. |
11) |
B(i)-T(extem): |
Dialog-, Diskussions-,
Argumentationsstrukturen |
12) |
N-T(extem): |
Massenkommunikation,
Textverarbeitungsmodelle usw. |
13) |
Diasystematik (H-Modell):
|
Diachronie und
Diatopie (des Sprachmodells) |
|
|
|
Die Partikel in der Waagerechten (Planifizierung: Reihe
5) konstituieren sich von »kleiner« (Mo) zu »größer«
(NT) und umgekehrt. Die Partikel in der Senkrechten (Stratifizierung:
Spalten A bis G)
konstituieren die simultanen Eigenschaften der jeweiligen Plana Mo bis
NT. Diese Eigenschaften werden im Gegensatz zu vielen anderen Sprachtheorien
als eigenständige Partikel aufgefaßt. Partikel sind »greifbare«
Teilchen, die jeweils eine selbständige Materialisierung oder Manifestierung
aufweisen (phonisch, graphisch oder repräsentisch). Ein Logem wie
engl. chases (in: The boy chases the rabbit) kann z.B. jedwedes
andere Logem zu seinem Semem (Paradigma) haben, bei einem bestimmten Parameter,
der festlegt, in welchem »Kontext« (sememisch-textuell funktionierenden
Syntagma) chases mit dem betreffenden Logem vorkommt (Parameter
sind in der L-Modell-Abbildung durch kleine Punkte
angedeutet). Man, dog, hunts, boy, runs, rabbit, animal, moves
usw. können hier Semem sein. Erst eine bestimmte Standardisierung
und Transformierung von solchen »Partikeln« führen zu
metasprachlich formulierbaren sememischen Strukturen oder Merkmalen, welche
die übliche semantische Analyse ausmachen: »Physisch«,
»schnell«, »Bewegung« usw.. Einer der Vorteile
meiner Partikelthese scheint mir in der Notwendigkeit zu liegen, feinere
Strukturierungen (wie bestimmte Analyseprozeduren in Syntax und Semantik)
operational aus einfacheren Beobachtungen ableiten zu müssen. - Partikel
sind das Material, mit dem man experimentieren kann, auf Grund dessen
man zu feineren Strukturierungen gelangen kann (von solchen Partikeln
kennt z.B. die generative Grammatik allenfalls so etwas wie Syntakt (S)
und Phon(em) (Ph). Die Satzgrammatik, welche die Linguistik bisher vorwiegend
beschäftigt, ist eine bisher noch nicht ganz verstandene Abstraktion
aus der Textgrammatik. Nun behaupte ich, der Text allein hat keine (emischen)
Strukturen. Andrerseits erhält der Text durch die Fokalisierung
von Px so viele verschiedene Strukturierungen, wie
er verschiedene Situationen hat. (Ein Text erhält nicht nur eine
[optimale, ideale, erschöpfende] Struktur, sondern er ist für
unendlich viele Strukturen offen [»Relativitätsthese«].)
Wir kommen somit zu folgender These: These
8: Feldthese (Si-Modell) ....
Die Si-Abbildung ist eine Nahaufnahme des Taxums D/5
im L-Modell. Die in T mobilisierten L-Strukturen werden durch bestimmte
Parameter-Schaltungen in von Situation zu Situation verschiedener Weise
erzeugt. Zu den Parametern, die wiederum selbst feinere Substrukturen
enthalten (in einer Skala von »pessimalen bis optimalen« Strategien)
gehören die Umsetzung intellektueller (Y1)
und emotionaler (Y2) Färbung, das Playback
(P), die Kongruenz (©), die Reversibilität
(R), das Feedback (f), die Selektion (S) mit
den Foki, die Energie (E) und soziale Gruppenzugehörigkeit (G) der
Textteilnehmer (Px). Über diese Parametermöglichkeiten
verfügt in jeweils eigener Weise der Sender (Pxs)
und der Empfänger (Pxe). In welcher Weise der
gleiche Text T1 und die gleiche Situation Si1
Anlaß geben, verschiedene oder gleiche Vorgänge innerhalb der
taxologischen Modelle in den Gehirnen (s. Kästchenaggregate hinter
Y) von Pxs und Pxe zu mobilisieren,
ist eine Frage, die eine elaborierte Situationslinguistik eines Tages
genauer beantworten kann. Die Partikel der Sprache erhalten ihre tatsächlich
relativ variablen Strukturen durch die Feldwirkung der Situation.
Die Beachtung der oben genannten Parameter, für deren genaues Verständnis
ich den Leser hier nur auf andere Publikationen verweisen kann, führte
schon in vielen Analysen zu einem notwendig relativierten Verständnis
von L-Strukturen. Die Analyse des »Happenings« z.B. hätte
ohne eine neue Situationslinguistik, wie ich sie ohne Berücksichtigung
der heute sich entwickelnden Pragmatik zu skizzieren versucht habe, nicht
sinnvoll vollzogen werden können. Aber auch viele andere Fälle
von pathologischem Sprachverhalten (Paradoxien, Texte von Schizophrenen,
»normale« Fälle von Mißverständnis) können
durch eine sich auf verschiedenen Hintergründen aufbauende Pragma-Linguistik
einer erweiterten, erklärungskräftigeren Strukturvorstellung
von Sprache zugeführt werden (...). In einer noch weiter zu vertiefenden
Feldauffassung von Sprache werden in jedem Fall als stabil erscheinende
Sprachstrukturen (wie der Syntax, der Textgrammatik o.ä.) durch lange
Ketten von »Sprechaktbedingungen« variiert, instabilisiert.
»Konvention«, »Arbitrarität«. »Opposition«,
»System« - um nur einige von Saussure
ererbte Konzepte des L-Modells zu nennen - sollen durch das Feld der Situation
als bisher nicht »hinterfragte«, fast axiomatische Größen
selbst in ihrer operationalen Entstehungsmatrix beschrieben und erklärt
werden. »Gruppenzugehörigkeit« (G)
verweist auf die Integration in ein umfassendes soziologisches Modell
(SZ-Modell); die für die Mobilisierung des L-Modells (Sprechen und
sprachbedingte Kognition) notwendige Energie (E) verweist letztlich auf
ein Modell der Systemkonflikte. Die spezifisch benötigte neurologische
Energie wird erst durch Umverteilung der in Px verfügbaren
physischen Gesamtenergie stimuliert, wenn Konflikte, Probleme, Systemunverträglichkeiten
dazu Anlaß geben. Dies ist jedenfalls meine Grundannahme für
die reale Verbindlichkeit von Sprechtätigkeit und dem »Schicksal
des Rests der Welt«. Die Physik rechnet bekanntlich mit verschiedenen
Energieformen, ebenso die Chemie, die Biochemie. Die Linguistik hat wiederum
ihre eigenen, die mit den »tieferen Formen« natürlich
verbunden sind. Die Katalysatoren für Energietransformationen sind
eben »zu behebende Systemverträglichkeiten« auf verschiedenen
Niveaus der Wichtigkeit für den Organismus von Px.
Sie sind Parameter des H-Modells. These
9: Äquivalenzthese (H-Modell)
Das H-Modell bietet den Rahmen für die Tiefenstruktur einer strukturellem
Geschichtswissenschaft. Die hier aufgeführten Situationen (Doppelkästchen
als Abstraktionen vom Si-Modell auf das H-Modell) sind »Vertreter«,
Manifestationen von allen anderen Modellen. Das H-Modell ist damit in
dieser Form ein neutrales H-Modell, das für alle anderen Modelle
spezifiziert werden kann: für das PX-Modell, das SZ-Modell, das SEM-Modell,
das L-Modell, das M-Modell. In unserem Fall muß es für das
L-Modell konkretisiert werden. Danach können zwei oder mehrere Partikel
(Phoneme, Syntakteme, Texteme usw.) bzw. zwei oder mehrere Systeme (L-Systeme:
Deutsch, Englisch oder Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Neuhochdeutsch)
in diastruktureller oder diasystematischer Beziehung zueinanderstehen.
Die diastrukturelle Dimension (**)
ist die genetisch primäre, diachrone und diatope Dimensionen
(**)
sind sind nur sekundär entstehende Ordnungsgrößen; »Veränderung«,
»Wandel«, »Geschichte« im strukturellen Sinne
kann sich auch ohne nennenswerte Zeitveränderung vollziehen, d.h.
eine Transformation eines Sprachsystems 1
in ein Sprachsystem 2
kann sich vom Kasten A/11/G
zum Kasten A/11/H,
also rein diatop (etwa in der »Übersetzung«), vollziehen
(die Veränderung braucht aber trotzdem Zeit,
ist also diachron! HB). Andrerseits brauchen diachron getrennte
Systemsituationen, etwa die eines Philosophiesystems M1
(z.B. Hegels »Phänomenologie des Geistes«), nicht unbedingt
verschiedene Strukturen zu ergeben. So kann es sein, daß eine diachrone
Disparatheit A/11/G
=> B/11/G
das System M1 nur wiederholt. Veränderungen
auf der entscheidenden diastrukturellen Achse (z.B. A/9/G
=> A/11/G)
deuten die Höhe der Struktur an (etwa die Transformation eines Syntakts
in einen Text oder einer bloßen Perzeption [PX-Modell]) in eine
Zeichnung, in eine semiotische Darstellung (SEM-Modell). Die eigentlich
diasystematischen Kollisionen, die Diataxeme, müßten (bei z.B.
gleichem Strukturniveau auf der diastrukturellen Achse) durch Schraffur
der Kontaktstellen besonders markiert werden. Die besondere Kennzeichnung
der Diataxeme habe ich hier unterlassen. Die in der H-Modell-Abbildung
schraffierten Teile (links [**])
weisen andrerseits auf die durch Px überhaupt
noch nicht strukturierten Weltteile (»Refere der Geschichte«)
hin. Die traditionelle Geschichtswissenschaft würde
mit den hier skizzierten Ansätzen nicht nur eine generelle Tiefenstruktur
erhalten, sie würde auch ihren bisher auf den Menschen »vereinsamten«
Fokus auf die Natur, die Welt ausdehnen, welch letzteres ihr erst die
Voraussetzung für die oft versuchte historische Erklärung des
Menschen bereitstellt. Jedenfalls wird eine notwendige neue Konzeption
der historischen Linguistik, die trotz der Saussureschen Dichotomie »Diachronie«
: »Synchronie« und mancher anderer strukturalistischer Annahmen
bisher mit den zahlreichen impliziten Untugenden der traditionellen Geschichtswissenschaft
behaftet geblieben ist, entscheidende neue Anregungen empfangen können.
Der Rahmen eines H-Modells skizziert zusammen mit dem MC-Modell (bzw.
speziell dem L-Modell) die Matrix, innerhalb derer Endlichkeit (Finitisierung)
und Unendlichkeit (Infinitisierung) auf den verschiedensten Strukturstufen
verteilt und umverteilt werden können, eine Matrix, die Gesetzesformulierungen,
Erklärung und Voraussage und deren letzte Grenzen projizierbar machen
kann. Die H-Modell-Abbildung entspricht etwa der Tiefenstrukturstufe 7
(= Endliches homogenes Modell für alle
Strukturen; HB) ...; die Selektion (Stufe 4 [=
Selektion {Wertung usw.}; HB])» findet sich im
Parameter-Punkt zwischen den Situationen, also in 2,
4, 6 ... bzw. a,
b, c ... der H-Modell-Abbildung wieder (**).
Der Konflikt (Stufe 5 [Opposition, Konflikt,
Dialektik; HB]) ist gleich der Diasystematik selbst,
die ihrerseits Stimulus für Transformationen in den Bereichen der
Partikel, der Felder und der Energie ist. Diese Transformationen erscheinen
uns in Form bestimmter Zyklen (vgl. etwa in der Physik das thermodynamische
Gesetz von der Konstanz der Energie) bzw. bestimmter Entwicklungsrichtungen
(z.B. die Evolution des Lebens auf unserem Planeten und damit auch die
Evolution der Sprache; vgl. in der Physik das thermodynamische Gesetz
der Nicht-Reversibilität bestimmter Energieformen bei der Entwicklung
von Wärme; diese Irreversibilität wird bekanntlich mit »Entropie«
umschrieben). Zyklus und Richtung ... die »tiefsten«
Strukturen der Geschichte. Nach dem H-Modell muß Einsteins und Minkowskis
vierdimensionales Zeit-Raum-Kontinuum zu einem mindestens fünfdimensionalen
Zeit-Raum-Fokus-Kontinuum werden. Für »Fokus« könnten
wir abkürzend auch »Px« oder »Strukturierung«
einsetzen. Zeit und Raum diffferenzieren sich je nach Strukturierungsfähigkeit
verschiedener Px. Letztere Fähigkeit ist an
der Interaktion zwischen der Komplexität der Lebenserhaltungsstrategien
und dem variierenden Bewußtsein für die umgebenden Weltdimensionen
(Zeit usw.) abzulesen. Hans Reichenbach nennt die diastrukturelle Komponente
»emotional« bzw. »subjekiv«, er glaubt sie daher
als unwissensschaftlich ausschließen zu können, begibt sich
indes der Möglichkeit, den selbst variierenden (»wachsenden«)
Blickpunkt (Fokus) des naturwissenschaftlichen Px
seinerseits erklären und verstehen zu können. Raum und Zeit
sind mit ihrer jeweils spezifischen Strukturierung (wovon die heutige
naturwissenschaftliche Vorstellung nur eine ist) nach dem H-Modell keine
apriorisch feststehenden Strukturen (so etwa Kant), sondern Hilfskonstruktionen,
metrische Orientierungsdaten, die je nach Strukturierungsbedürftigkeit
»genauer«, »komplexer« ausfallen. Die Strukturierung,
der Fokus von Px (ob nun Amöbe oder Mensch),
wird durch biologische Stabilisierungsstrategien gelenkt.
Man gelangt danach zu der auf der Zeit-Raum-Struktur-Abbildung (siehe
links) abgebildeten Reihenfolge der Dimensionen (die Zeit-Raum-Struktur-Abbildung
ist eine Abstraktion der H-Modell-Abbildung): Eine einzelne Struktur (1)
wird erst als Gegensatz zu einer anderen existent (»bewußt«);
daraufhin entstehen für Px beide Strukturen
(2). Die Diasystematik wird sich der Regelhaftigkeiten bewußt (3),
die ihrerseits zwecks genauerer »Berechenbarkeit« von Regelhaftigkeiten
weiterer Strukturen zu metrisierbaren Zeit- und Raumgrößen
(4) absinken. Ins Zentrum des Fokus des Px geraten
neue, wichtigere, komplexere Strukturen (die, wenn sie zyklisch sind,
später wiederum absinken können usw.). Die weitergehenden Vorstellungen
des H-Modells können leider hier nicht vertieft werden. Wichtig scheint
mir hier nur, sinnfällig werden lassen, daß für Physik
(PH-Modell) und z.B. Linguistik (L-Modell) nicht mehrere antagonisierende
Modelle, sondern nur einheitliche Modellvorstellungen nützlich sind.
Danach dient ein H-Modell letztlich dazu, die Möglichkeiten von Transformationszyklen
auf den verschiedensten Niveaus (von den Elektronen bis zu den Texten)
in einem endlichen Rahmen berechenbar zu machen; die Basis des Verstehens
von Welt und vom Denken ist die Vorstellung von Gleichungen, von Äquivalenzen.
Die folgende Darstellung zeigt die allgemeinste Form von solchen Äquivalenzen,
an die auch unsere Problematik der Metalinguistik angeschlossen werden
kann:
Partikel1 => Partikel2
...
Feld1 => Feld2 ...
Energie1 => Energie2
...
Mit »Äquivalenz« sind die Vorstellungen der »Information«,
der »Entropie«, der »Homöostase«, des »Systems«
verbunden. Derartige Blickweisen werden von einem physikalischen Integrierungspostulat
diktiert, das u.a. besagt, daß die Welt nicht in zwei oder mehreren
voneinander unabhängigen Bereichen existieren kann (»Geist«,
»Materie«, »Leben«, »Nicht-Leben«
usw. [dieses Diktat eines »Integrierungspostulats«
ist falsch! HB]). Die Integrierung scheint mir denknotwendig,
wenn auch im einzelnen sehr schwer zu realisieren (»denknotwendig«
heißt aber nicht »richtig«! HB).
Die folgende Gleichsetzung zwischen physikalischen und taxologischen (auf
Px bezogenen) Grundgrößen kann aber zunächst
nur einen suggestiven Charakter haben:
Physik
(Carl Friedrich von Weizsäcker, Physik der Gegenwart,
1958)
(Mario Bunge, Grundlagen der Physik, 1967) |
Taxologie
(MC-Modell) |
Partikel |
Proton, Neutron usw. |
Partikel |
Phonem, Text, Px-Gruppe
usw. |
Feld (System) |
Gravitation, Elektromagnetismus |
Feld (System) |
Sprachsituation, physiologische
Homoöstase |
System |
Zeit-Raum-Kontinuum, Thermodynamik.
Relativitätstheorie, Gesetze usw. |
System |
Diasystematik, Entstehungs- und
Vernichtungsmatrix für Struktur, Gesetze der Sprachentwicklung
usw. |
Das taxologische Modell versucht mit Taxa zu arbeiten, die möglichst
wenig von modellneutralen, meta-operationalen Darstellungsweise verschleiert
oder verfremdet werden. Die typischen Anforderungen einer wissenschaftsneutralen
Darstellungsnorm (die der Mathematik, Metalogik o.ä.) können
nicht die zunächst mehr heuristischen Notwendigkeiten im Modellaufbau
ersetzen, ja sie können ihnen nicht einmal entscheidend assistieren,
da die immanent (im innovatorischen heuristischen Denkprozeß) vorhandenen
Momente einer flexiblen (nicht: normativen) Logik eigentlich der Nährboden
für die Weiterentwicklung der Logik und der Meta-Wissenschaft selbst
sind. Die traditionellen Vorstellungen der Logik oder der Wissenschaftstheorie,
deren Schwierigkeiten und Praktiken mir oft überschätzt zu werden
scheinen, können allenfalls von Nutzen sein, wenn die Hauptprozesse
des Denkens und Modellierens bereits abgeschlossen sind. (Walter
A. Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 234-249).
Die taxologische Darstellungsweise hat m.E. auch den Vorzug der
größeren Abbildungsfähigkeit. (Walter A.
Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 249).
.... Die ... besprochenen Teilmodelle L, Si und H betonen gegenüber
andersartigen metalinguistischen Modellen zum einen die konkrete Verzahnung
der Teile zu einem Ganzen, zum anderen - innerhalb der Teilmodelle - den
Primat bestimmter neuer »Paradigmen«:
L-Modell |
Primat der Partikel (vorläufige
Richtungsneutralität für die Metaanalyse: gleichgültig
ob generativ oder rekognitiv, ob T => S oder S => T usw.) |
Si-Modell |
Primat des Kreislaufs (System,
Feld) |
H-Modell |
Primat des Flusses (Bewegung,
Fluß, Konflikt lassen erst Statisches, Abstraktes, Fixes,
Metrisches, Partikel usw. entstehen) |
Strukturen der Evolution .... Heraklits »dunkle«
Sätze mögen nach heutigem naturwissenschaftlichen Standard unzureichend,
naiv und ambig sein, sie drücken indes heuristisch wertvolle Programme
aus, die zu dem metagenetischen Denken der altgriechischen Zeitgenossen
in Widerspruch stehen. Für mich sind u.a. folgende Sätze Einsichten
in die genetische Priorität des Dynamischen vor dem Statischen,
in die Äquivalenzbasis des Zyklischen innerhalb einer endlichen (ganzheitlichen)
Matrix: »Krieg aller Vater ist ....« - »Und dasselbe
ist Lebendes und Totes und Wachendes und Schlafendes ....« - »Etwas
Gemeinsames ist Anfang und Ende auf der Kreislinie ....« - »In
dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht ....« -
»Immer ist alles im Flusse ....« ....
Strukturen der Evolution. .... Es geht im folgenden
darum, für eine vorläufige Skizze der Tiefendimension einer
strukturellen Geschichtswissenschaft die tiefsten Strukturen, Zyklik
und Richtung, zu umreißen. Die Vorbilder zu diesen H-Strukturen
liegen im M-Modell + PX Modell (»Zyklizität«), im M-Modell
+ H-Modell (»Revolution« usw.) und im PX-Modell (»Evolution«).
Meine Generalthese lautet, daß besagte Strukturvorbilder jeweils
auf alle Modelle (PH-, PX-, SZ-, SEM-, L-, M-, H-Modell) in fruchtbarer
Weise übertragen werden können, wobei die Grundidee der Evolution
(mit den Unterstrukturen »Zyklizität« und »Revolution«)
genauer gesprochen eine Grundstruktur des neutralen H-Modells wird, welches
seinerseits eine Tiefendimension der übrigen Teilmodelle des MC-Modells
ist. Kahn und Wiener (»Ihr werdet es erleben - Voraussagen der
Wissenschaft bis zum Jahre 2000«, 1967) bedienen sich zwecks
Vorhersage von kulturellen Entwicklungen u.a. der Idee der Kulturzyklen:
Drei Standardkulturphasen |
Sorokin |
Spengler, Toynbee u.a. |
Schubart |
Berdjajew |
1. Ideationell |
Wachstum, Frühling,
Kindheit |
Asketisch-messianisch |
Barbarisch-reilgiös |
2. Integriert |
Reife, Sommer |
Harmonisch |
Mittelalter,
Renaissance |
3. Sensualistisch |
Herbst, Winter,
Zivilisation, Zerfall |
Heroisch-prometheisch |
Humanistisch-weltlich |
Die Probleme im Zusammenhang mit der Etablierung von solchen Zyklen sind
bekanntlich alt. Einen neuen Vorschlag in dieser Richtung versucht u.a.
Gebser (»Ursprung und Gegenwart«, 1973). Neue wie alte
Vorschläge leiden unter einer nicht leicht zu überwindenden
Schwierigkeit: Rhythmen niedriger Art wie »Wachen-Schlafen«
sollen über Zwischenstationen mit solchen höherer Art wie »Ordnung-Unordnung«
(Machiavellischer Rhythmus«) oder »Religion-Atheismus«
(ich glaube, das ist keiner; HB) plausibel
nach einem einheitlichen Modell verbunden werden (vgl. Sorokin, Social
and Cultural Dynamics, 1937, S. 389ff.). Andrerseits ist es m.E. klar,
daß die Idee, die Zyklik oder die Periodizitäten auf dem Niveau
des PH-Modells (planetare Bewegungen, periodische Ordnung der chemischen
Elemente usw.) und des M-Modells (Auf- und Niedergang von Kulturen usw.
[betrifft andere Modelle ebenfalls oder sogar mehr:
L-, SEM-, SZ-, PX-Modell; HB] usw.) hätten mehr als eine
hilflose Metaphorik gemeinsam, einen stärkeren Stimulus zur Explizierung
eines wissenschaftlichen Gesamtmodells liefern kann als uverbindliche
Interdisziplinaritätsbekundungen eifersüchtelnder Fachautarkisten.
Der zitierte Kahn beruft sich auf Sorokin, mit dem ich zu folgender These
stehe:
These 11: These
der Zyklizität Sorokin (Social and Cultural
Dynamics, 1937, S. 395) illustriert Möglichkeiten verschiedener
simultaner Rhythmen durch die auf der Abbildung zur Zyklizität (siehe
rechts) gebildeten Reihen A bis C. Er geht davon aus, daß die Gesamtheit
menschlicher Zyklen (vom biologioschen bis zum kulturellen Bereich [bezüglich
der Modelle also: vom PX-Modell über das SZ-Modell, das SEM-Modell,
das L-Modell bis zum M-Modell; HB]) mit verschiedenen Typen
(verschieden langen Tälern und Gipfeln, inkludierenden und inkludierten
Kurven usw.) zu rechnen hat und daß eine Synopsis der Koinzidenzen
o.ä. zu weiteren Erkenntnissen führt. Er konzentriert eine Beispielgebung
allerdings wesentlich auf die soziologische Struktur (macht
nichts, denn die ist größtenteilks sowieso eher eine semiotische
und linguistische Struktur; HB), die auf der Basis
... seiner Kulturtheorie (M-Modell [wegen: Theorie!
HB]) eine rhythmische Geschichtsdimension erhält. Die
tatsächlichen biologischen Rhythmen z.B. (vgl. Rensch, Biophilosophie,
1968, S. 40f.) sind natürlich durch die einfachen Kurven in der Abbildung
zur Zyklizität nicht erfaßt. Die von mir hinzugefügte
Reihe D ist somit auch weniger als Vervollständigung denn als Überleitung
zu folgender These gedacht: These
12: These des Wendepunkts, des Sammelpunkts und der Revolution
Reihe D zeigt eine spezifische Form von Zyklizität,
bei der die Phasen besonders (durch Parameterpunkte) markiert sind: Gipfel
und Tal sowie ihre Übergänge. Danach fiele z.B. das Aufkommen
einer neuen strukturellen Möglichkeit - etwa einer neuen wissenschftlichen
Theorie - in das Tal, der erste Boom der Innovationskraft läge auf
dem Übergang »Tal/Gipfel«, der Höhepunkt der wissenschaftlichen
Virulenz läge auf dem Gipfel, während Epigonentum, Detailfanatismus,
Akribie, pathologischer Skeptizismus bzw. theoretische Hilflosigkeit gegenüber
neuen Problemen die Phase der Krise, des Übergangs »Gipfel/Tal«
kennzeichnen würden. Die Abbildung zu Wendepunkt, Sammelpunkt, Revolution
gibt nun die Phase »Tal« in Nahaufnahme wieder. Fig. a
zeigt dabei die schwächste Konkretisierung. Nennen wir sie »Wendepunkt«.
Man spricht bekanntlich im Zusammenhang von bedeutenden geistigen Innovationen
zunächst metaphorisch von einer kopernikanischen Wende. Kant
wird z.B. dieser Metapher für würdig erachtet. Er selbst sieht
sich zu Kopernikus in einer strukturellen Analogie.:
|
»Man versuche es daher einmal,
ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen,
daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach
unserer Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten
Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt,
die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas
festsetzen soll. Es ist hiermit ebenso, als mit dem ersten Gedanken
des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der
Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze
Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht
besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen,
und dagegen die Sterene in Ruhe ließ.« |
|
Der wenig analytische »Wendepunkt« der Fig. a
wird hier bereits implizit zur »Revolution«. Nach Fig. g
wird eine (vereinfachte) hierarchische Struktur dadurch radikal verändert,
daß das dominierende Element Y nach der »Revolution«
selbst dominiert wird oder - auf Kopernikus spezialisiert - daß
das relativ Peripherierende (X = Sonne gegenüber Y = Erde) zum relativ
Ruhenden, Zentrierten wird. Wie die einzelnen aufeinander folgenden Strukturphasen
in concreto kompliziert sind, kann man ungefähr ermessen,
wenn man daran denkt, daß von den statischen Strukturerhebungen
(etwa einer Zelle) in der Phasierung (Dynamisierung) nichts wegfallen
darf. Anders gesagt, die Phasierung ist nicht einfacher als die betreffende
unphasierte Struktur, sondern komplizierter. Mit »kompliziert«
ist der zusätzliche Aufbau der Wirklichkeitsausschnitte charaktreisiert,
nicht die Durchschaubarkeit für den Menschen; denn die soll ja gerade
durch das Modell der Zyklizität »einfacher« werden. Übertragungen
dieser Grundidee auf die höchste Struktur des MC-Modells, nämlich
auf die Interpretation der Wissenschaftsgeschichte (H-Modell vom M-Modell)
sind notgedrungen am stärksten vereinfacht und der Kritik besonders
ausgesetzt. .... Die bisherigen Thesen behandeln nur einen der Teile der
Evolution, nämlich den zyklischen. Die Richtung der Entwicklung
möchte ich durch folgende These postulieren: These
13: These der Evolution Die Abbildung zur
Evolution beschreibt die Evolution auf dem Niveau der Gene von Lebewesen.
Danach werden durch Kombination neue Gene geschaffen (B bis E), die nach
den Mendelschen Gesetzen in Maßen voraussagbar sind. Die Autogenese
betont die relative Unabhängigkeit des im Gen-Bereich selbst angelegten
Mechanismus. Eine gemäßigte Ektogenese betont eine bestimmte
Interdependenz zwischen der Adaptation (Kongruenz = ©) des Px
an eine spezifische Umgebung und der Selektion (S)
der Umgebung bezüglich der verschiedenen Px.
Eine Mutation (A) ist von hierher weniger kalkulierbar, sie bringt »unvorhersagbare«
Strukturkombinationen, die allerdings (ohne günstige Selektionsbeschränkungen
bzw. zufällig große Adaptationsleistungen) meistens für
die Evolution negativ sind. Die Übertragung dieses PX-Modells
auf höhere Modelle ist natürlich schon allein durch die antagonistischen
Theorien auf dem Niveau der Biologie belastet (...) Manche Transfer-Versuche
scheitern u.a. durch eine zu wörtliche Interpretation (vgl. den »Lebenszyklus«
der Sprachen [»Geborenwerden«, »Sterben« von ])
nach dem Linguisten Schleicher im 19. Jahrhundert. Ich glaube indes, es
gibt in Zukunft z.B. für ein geschichtliches Modell der Linguistik
bezüglich der Evolutionstheorie keine Alternative. Es ist natürlich
die Frage, wie schnell man zu einsehbaren Vorschlägen kommt. Die
Mutation in der Abbildung zur Evolution ist der Revolution in der Abbildung
zu Wendepunkt, Sammelpunkt, Revolution grob vergleichbar. Was eine Mutation
etwa in einem M-Modell genau besagen soll, ist unklar. (Gebser
spricht von »Minus-Mutationen« der Biologie gegenüber
»Plus-Mutationen« des Bewußtseins, der geistigen Modelle.
Danach sollen Mutationen in einem M-Modell »zu struktureller Anreicherung
und Überdeterminiertheit« führen, d.h. in jedem Fall positiv
sein. Der analytische Hintergrund gerade dieses Vorschlags scheint mir
zu schwach zu sein.) Eine Revolution in der Linguistik wird Alfred L.
Kroebers Beobachtung zufolge spätestens nach 30 Jahren für alle
sichtbar. Eine Mutation kann völlig übersehen werden. .... Die
Thesen 11 bis 13 ließen in zunehmendem Maße den Gesichtspunkt
der Besonderheit hervortreten, der als Ersatz für die Oberflächenstruktur
»Individuum« letzte Station der geschichtlichen Tiefenstruktur
ist; diese Besonderheit erscheint als »Revolution«, »Mutation«,
»Emergenz«:
These 11: |
Zyklus |
These 12: |
(Zyklus) Revolution |
These 12 |
(Zyklus) Mutation, Emergenz |
Die Konzeption der »Emergenz« kann schließlich dazu
tendieren, die Vergleichbarkeit, die evolutive Gemeinsamkeit aller Gesamtmodellteile
wieder in Frage zu stellen, sie betont z.B. den unvergleichlichen (»mutationellen«?)
Charakter der menschlichen Sprache gegenüber der Tiersprache. (»Emergenz«
soll das »plötzliche Auftreten einer völlig neuen biologischen
oder geistigen Einheit umschreiben.) Eine solche Handhabung von evolutiven
Vorstellungen ist eher hinderlich. (So scheint mir eine der vielen - besonders
für eine gezielte Empirie - hinderlichen Konzeptionen von Chomsky
die einer wahrscheinlichen [?] Emergenz der menschlichen Sprache [gegenüber
möglichen kognitiven Vorformen] zu sein.) (Walter A. Koch,
Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 250-258).
Die folgende Abbildung zum Weg der Metagenese zeigt, daß wir
uns heute immer noch - wie schon in den 1960er Jahren, also lange vor
1974, als das Buch Tendenzen der Linguistik erschien
- etwa bei den Etappen .. 7, 8, 9, 10, 11, 12, d.h. bei den Taxa Textem
(Textlinguistik), Textsituation (z.B. Pragmalinguistik usw.),
Referematik, Repräsentematik (z.B. Bild,
Film usw.), Bitextem, (Argumentations-, Dialoglinguistik usw.)
und N-Textem (Massenkommunikation, Textverbreitungs- und -verarbeitungsmodelle
usw.). Lesen wir weiter im 1974 erschienenen Text von Koch über die
Tendenzen der unmittelbaren Zukunft:
Tendenzen der unmittelbaren Zukunft Befinden
wir uns nach meiner Interpretation auch in der auslaufenden Phase des
Strukturalismus, so wird die unmittelbare Zukunft zunächst noch die
»zwangsläufige« Fortsetzung des Saussureschen
Paradigmas erleben. Ich gründe diese Voraussage auf folgende These:
These
19: These des Strebens von der Geschlossenheit zur Offenheit der
Strukturen als eines Moments der Logik de Heuristik
.... Die in der Abbildung gegebenen Numerierungen sollen die tendentielle
Reihenfolge der sukzessiven Erschließung sprachlicher Bereiche aufzeigen.
Eine strengere Formulierung der These 19 müßte davon reden,
daß das unterlegte L-Modell
mit seinen spezifischen Ordnungen, die Grade der Geschlossenheit bzw.
Offenheit der jeweiligen Taxa abbildet. Die angegebene Reihenfolge
entspricht danach zum einen der Ordnung des Modells, zum anderen der abgebildeten
Wirklichkeit: Das Phonem (1 [siehe A/6])
gehört daher zum geschlossensten Teilsystem, das N-Textem (12 [siehe
G/5]) oder gar die historische
Dynamisierung (mit zusätzlichen Veränderbarkeitsparametern)
(13 [siehe ])
zum offensten. Die Annahme, daß die Geschichte der wissenschaftlichen
Forschung schließlich ebenfalls dieser Ordnung folgt, soll im folgenden
erläutert werden. Das Phonem (1 [siehe A/6])
besitzt das System, das am wenigsten Mitglieder und Relationen (Strukturen)
hat. 1929 skizzierte Trubetzkoy ... das Phonemsystem als organisiertes
Ganzes, d.h. als relativ geschlossenen Komplex. In der folgenden Zeit
vertiefte Trubetzkoy die Phonemtheorie, in der entscheidende Saussuresche
Begriffe operationabel gemacht wurden. .... - Das Morphem (2 [siehe A/5])
folgt 1933 mit Bloomfield. - Systematische Studien zu Wort, Wortart, Flexion,
somit Vorläufer zur Konzeption des Logems (3 [siehe B/5]),
finden sich besonders in der Kopenhangener Schule (1935, Hjelmslev, 1943
Brøndal). - Den konsequenten Übergang vom Morphem zum Syntaktem
(4 [siehe C/5]) markierte
besonders Z. S. Harris (1946). - Chomsky verlieh 1957 (»Syntactic
Structures«) der Analyse dieses Taxums neue Dimensionen. - Hall,
Mc Laughlin u.a. begannen sich 1960-1963 für die noch fehlende Größe
Graphem (5 [siehe A/7])
zu interessieren (ich auch! HB). - Die Semantik
(6 [siehe C/3]) war
zwar schon früher häufiger Gegenstand der verschiedenen Systematisierungsversuche
gewesen (Trier, 1931, Ullmann, 1951), sie wurde indes mit der intensiveren
Forschung auf der Planifikationsebene (Reihe 5) wohl erst durch die Systematisierungsversuche
von Katz und Fodor (1963) verbunden (oder auch nicht!
HB). - Die abrupteste, weil von allgemeinen Interesse unvorbereitetste
Ausdehnung fand auf das Textem (7 [siehe D/5])
hin statt. Obwohl durch die mehr oder syntagmatische »Discourse
Analysis« von Z. S. Harris (1952) und durch strukturelle Versuche
A. A. Hills (1953ff.) sowie die Thema-Rhema-Analyse ... der späten
1950er Jahre bereits präfiguriert, fand die programmatische Etablierung
des Textes als einer dem Phonem usw. gleichwertigen Größe eher
in den mittleren 1960er Jahren statt (Koch, 1965, 1966 usw., Harweg, 1968;
zur Geschichte der Textematik im weiteren und engeren Sinne vgl. Dressler
sowie Harweg, Kapitel 14 in diesem Buch). Die Textematik kam im Gegnsatz
zur Syntax von Anfang an nicht ohne Semantik aus (vgl. Koch, Das Textem,
1973). - Die Linguistisierung der Situation (8 [siehe D/5)
fand auf verschiedenen Wegen statt: über die Psycholinguistik (Hörmann,
1967), die Soziolinguistik (Fishman, 1968), die Pragmalinguistik (Wunderlich,
1972) und eine linguistisch-strukturelle Vertiefung der Kommunikationstheorie
bzw. Texttheorie (Koch, 1971). - Die ... Refereme (9 [siehe D/1])
des L-Modells, speziell des Textes und seiner Situation werden durch die
Sprechakttheorie (Searle, 1969), die stärkere Einbeziehung der Referenz
in die generative Grammatik Fillmore, Karttunen u.a. 1972 und die Abbildung
von kybernetischen Zyklen in Texten (Textgrammatik: Todorov, 1969, Bremond,
1973,) zu expliziten Größen der Linguistik. - Der mehr oder
minder ausdrücklcihe Versuch einer Einbeziehung des Bildes, des Films
usw. in das linguistische Modell beginnt mit Barthes, 1964, Metz, 1966,
und wird innerhalb des taxologischen Modells unter Etablierung des neuen
Ortes, des Repräsentems (10 [siehe D/8])
(1969, 1971) vollzogen. - Die Erschließung des Bitextems (11 [siehe
E/5]) hat ... Vorgänger
in Toulmin, 1958, Perelman, 1963, Naess, 1966, Rescher, 1966, Lorentzen,
1968, u.a. und erfolgt besonders über Strukturierungsversuche bezüglich
des Dialogs (Wunderlich, 1969) und der Argumentation (Kummer, 1972). -
Genauere Strukturierungsvorschläge bezüglich der genannten Orte
sind für die nähere Zukunft zu erwarten, ebenso die stärkere
Erarbeitung des N-Textems (12 [siehe G/5]),
d.h. der Beziehungen beliebig vieler Texte aufeinander (Massenkommunikation,
Textverbreitungsmuster usw.). Der Strukturalismus nähert sich nach
meiner Interpretation einem Wendepunkt, wenn systematisch und in
größerem Maßstab versucht wird, das inzwischen elaborierte
Saussuresche Paradigma aus dem L-Modell zu tragen. Dazu benötigt
die »Monade« des L-Modells die inzwischen geschaffenen »Fenster«
über dem Referem (9 [siehe D/1]),
dem Repräsentem (10 [siehe D/8])
und dem N-Textem (12 [siehe G/5]):
Wir gelangen dann jeweils in das SZ-Modell u.a. (über »9«
hinaus), in das Sem-Modell (über »10« hinaus), in das
H-Modell (über »12« hinaus). Das H-Modell der Linguistik
(13 [siehe ])
bekommt heute neue Impulse besonders auf dem Sektor der (ontogenetischen)
Spracherwerbstheorie (Lenneberg, 1967, McNeill, 1970); die phylogenetische
H-Theorie ist noch mit sehr beschränkten, traditionellen Problemkreisen
beschäftigt. Ein H-Modell der Zukunft wird sich potenziert mit allen
Größen des in der Abbildung zum Weg der Metagenese skizzierten
L-Modells beschäftigen und dies eventuell mit neuen heuristischen
Ansätzen. - Meine Skizze der Entwicklung ist nicht annähernd
vollständig. ....
Tendenzen der weiteren Zukunft .... Das Terrain
ist genügend für eine Wende vorbereitet. Saussuresche Gedanken
brauchen nicht über Bord geworfen zu werden, sie müssen nur
eine neue Ordnung erhalten. Ich projiziere daher die These 12 (**)
auf die These 19 (**)
und komme zu: These
20: These des Strebens von der Offenheit zur Geschlossenheit der
Strukturen als eines Moments der Evolution: Genese als UMKEHRUNG der Metagenese
Um der Ablesbarkeit für die Umkehrung eine topologische
Matrix zu verleihen, müssen wir Hypothesen über die Ordnung
der Welt aufstellen. (Auch heute schon finden wir neue Anzeichen dafür,
daß die Linguistik wieder erklären will (...). Nur neigen die
Erklärungsversuche z.B. Chomskys bezüglich des ontogenetischen
Spracherwerbs zu Tautologien. Man kann die Präsenz der Sprache nicht
durch sie selbst erklären; das Konzept der angeborenen Fähigkeit
[vgl. Nativismus
{**}]
zur Grammatik ist in diesem Stadium nur hinderlich und wird ohnehin später
in spezifisch-kybernetischer Wechselwirkung mit dem entgegengesetzten
Konzept der erworbenen Portionen von Fähigkeiten zu verbinden
sein [das bedeutet aber nicht, daß
das Konzept der angeborenen Fähigkeit zur Grammatik zuvor
hinderlich ist - ganz im Gegenteil! HB)]. Das Entscheidende
für die m.E. unfruchtbare Stagnation in manchen Bereichen der Forschung
zum Spracherwerb ist in der unbewußten [?] streng monadologischen
Konzeption von Sprache zu suchen. ....) Ohne Topologie wird These 20 nutzlos.
 |
|
In Fig. g
ist Pan, der als Px
den genetischen Weg PXM gegangen
ist, das Subjekt, das am Ende des Weges M und also auch sich als
dieses Subjekt (Erkenntnissubjekt, schizophrene M-Subjekt),
erkennt, seitdem den metagenetischen Weg (M-PH) beschreiten
kann, auch sofort zu beschreiten beginnt, aber am Ende dieses
Weges erkennen muß, daß es, um richtig erkennen
zu können,
erneut den genetischen Weg (PH-M) gehen muß, daß
die Genese
der Metagenese genau entgegenläuft, deren Umkehrung ist,
dieser umgekehrte Weg zuletzt der richtige Erkenntnisweg ist.
Pan geht immer von der höchsten oder
geschlossensten Form
aus und bemerkt erst in seiner schizophrenen M-Position,
daß er von der niedrigsten oder offensten Form ausgehen
muß, wenn er nicht mehr nur über den Weg der Metagenese
halbe Erkenntnisse, sondern endlich auch über den Weg
der Genese (Geschichte!) ganze Erkenntnisse gewinnen will.
|
|
|
|
Der Systemtheoretiker Laszlo stellt die in der Strukturhierachien-Abbildung
abgebildete Ordnung auf. Sie besteht aus Strukturhierarchien (h), die
auf der Erde (terrestrial = t) vorfindlich sind. Diese Hierarchiefolge
des Lebens ist wiederum in eine (hier nicht gezeigte) größere
physiko-chemische Hierarchie (H) eingebettet. Lazslo gibt detaillierte
systemtheoretische Begründungen für diese und umfassendere Strukturen.
Ich zitiere ihn hier nur als feinere, später zu integrierende Parallele
zu dem vorgeschlagenen MC-Modell, das ich in dieser Abbildung noch einmal
darstelle (siehe den Ausschnitt b). Die Fig.
b stellt die Fig. a
nur darstellungsmäßig auf den Kopf. Die Übergänge
von PH zu PX, von PX zu SZ usw. stellen Erklärungsbedürftigkeiten
dieser Ordnung dar. Eine besondere Stellung nimmt der Übergang von
PH zu PX ein, da von hier ab eine neue Feldkonzentration (»Lebewesen«
= Px), die Entwicklung gegenüber PH ein genug
determiniert, ein wenig mehr arbiträr oder freiheitlich gestaltet.
In der Tat schaffen die folgenden Systeme (SZ usw.) jeweils neue Komplexe
von PX-Strategien, Konventionen, Arbitraritäten. Die alte Problematik
»Zufall, Determination, Freiheit, Teleologie als letzte Steuerung
des Schicksals einzelner bzw. aller Systeme« kann durch
geordnete Fragestellungen Anregungen für exakte Beantwortbarkeiten
erhalten.
|
Luhmanns
Beobachter beobachtet den Beobachter
des Beobachters des Beobachters des Beobachters
des Beobachters des Beobachters ... usw. .... **
|
Man kann vielleicht grob sagen, daß das Px-Bewußtsein
(Bewußtsein = Sprache i.w.S.; HB),
d.h. der Verfügbarkeitsgrad von Verhaltenskomplexen (=
Sprache i.w.S.; HB), von PX bis L ständig zunimmt, bis in
M eine »Schizophrenie« zwischen dem (bisherigen) »Teilnehmerverhalten«
(= Sprache i.w.S.; HB) (Px)
und dem »Meta-Teilnehmerverhalten« (=
Sprache i.w.S.; HB) oder »Beobachterverhalten« (=
Sprache i.w.S.; HB) (Pan) entsteht. (Pan
oder »der Beobachter« ist der »blinde Fleck«,
den man nicht loswird, sondern allenfalls, wie Luhmann es vorgeschlagen
hat, durch immer weitere Pan oder Beobachter
analysieren bzw. beobachten läßt [Pan1Pann
bzw. Beobachter1Beobachtern];
HB.) Px ist hier immer auch Pan
und umgekehrt. Diese »Schizophrenie« erlaubt es Px
erst, sich selbst zu erklären. Alle Versuche, die vor diesem
Stadium lagen - und derer gab es unzählige - , mußten nach
dieser Konzeption scheitern. - Die idealisierte, nie vollständig
realisierbare Pan-Haltung (=
Sprache i.w.S.; HB) relativiert das absolut für sich handelnde
(letztlich ums eigene Überleben ringende) Px
und versucht schließlich die Genese, die Geschichte (H!) als stärkste
Basis für ein relativiertes Gesamtverständnis einzusetzen. Eine
»embryonale« Pan-Haltung konnte sich
in den Naturwissenschaften gegenüber PH (wo ja kein eigenes oder
vergleichbares Px als Beschreibungsgegenstand existierte)
entwickeln. Die fruchtbare »Schizophrenie« konnte indes erst
dort entstehen, wo man sich entschloß, Px-Systeme
... als Teil der gleichen »Natur« zu betrachten. .... Pan,
der per definitionem auf Situationen (»Felder«) primär
(primär auf Zeichen [!] der Situationen
[»Felder«]; HB) gerichtet ist, die Px
enthalten, muß die PH-Stufe als »rekonstruiert« betrachten.
Pan hypothetisiert hier Strukturen, die dem evoluierenden
Px (Einzeller bis Mensch) in zunehmendem Maße
verfügbar werden, bis sie im höchsten Stadium von M mit dem
augenblicklichen Pan vorläufig identisch sind.
Eine solche Konzeption und nur eine solche scheint es zu gestatten, Genese
zu erklären und somit punktuell abgeleitete Statik zu verstehen.
Für mich ist es keineswegs so lächerlich wie anscheinend für
Lenin (vgl. Lenin, der sich in diesem Zusammenhang mit den Erkenntnistheorien
von Avenarius und Willy auseinandersetzt), wenn mich ein derartiges Konzept
zwingt, mir vorzustellen, daß die Strukturierung der Welt durch
einen Wurm ein notwendiges evolutionistisches Zwischenglied in
der Entwicklung von nur potentiellen, aktuell leeren Strukturen der Welt
für das Strukturierfeld »Erde« bis zu den Weltvoerstellungen
des Cro-Magnon-Menschen, der Bibel oder den Theorien von Einstein ...
ist. Auf jeden Fall ist die erste Stufe PH nur für den Pan
(nachträglich) existent, die Stufen PX (die Welt durch die Strukturierungsmöglichkeiten
der evolutionistisch geordneten Lebewesen gesehen) und folgende zunächst
nur für Px (erst nachträglich wieder für
Pan). - Pan am zugänglichsten
sind diejenigen Strukturen der Welt, mit denen er schnell und vereinfachend
umgehen kann: d.h. die Theorien über die Welt und hier wieder
die einfachsten Teile. Atome sind z.B. einfacher, strukturell-numerisch
restringenter als Moleküle, diese wiederum sind einfacher als Kristalle
usw.. Ebenso: M ist für Pan einfacher als L,
L einfacher als SZ usw. (**).
Die Strukturerschließung durch Pan geht, sobald
ein bestimmtes Kernparadigma gefunden ist (wie etwa »der atomare
Aufbau der Welt«, der Saussuresche Strukturalismus), von der höchsten
oder geschlossensten (dem Bewußtsein präsentesten) Form bis
zur niedrigsten oder offensten (These 19 [**]).
Die Abbildung zum Weg der Genese zeigt die Auswirkungen des Physiozentrismus
(**)
für das L-Modell. Ich nehme an, daß auch hier die Genese (dicke
weiße Pfeile) die Umkehrung der Metagenese (vgl. die Abbildung zum
Weg der Metagenese) darstellt. Die Genese gelangt durch die »Fenster«
in die »Monade«, genauer: die eigenständige Matrix »L-Modell«
entwickelt sich aus H, SZ und SEM erst allmählich. Der erste Akt
(1 [siehe E/1,
E/8, G/5 und ])
schafft kommunikationsähnliche Handlungen (=
Sprache i.w.S.; HB) auf dem Niveau des Flüchtigen (geringes
Playback, erst wachsendes Gedächtnis in
usw..), das sich allmählich stabilisiert und immer leichter zu Komplexierungen
und Abstraktionen, Verfeinerungen, größeren Situatiuonsunabhängigkeiten
Anlaß gibt. Der mehrfache, gleichzeitige Sprechakt ganzer Gruppen
einer Spezies (vgl. z.B. »Laut-Verhalten« von Anthropoiden)
isoliert sich unter bestimmten SZ-Bedingungen zu Kommunikationen (=
Sprache i.w.S.; HB) zwischen nur zwei Partnern (Bitext: 2 [siehe
E/5]); repräsentische
Zeichen (Gebärden usw.: 1 [siehe
E/8) werden arbiträrer (Laute usw.: 2 [siehe E/3,
E/5, E/6, E/7 {konkret: E/6}]),
die Bedeutungen der Zeichen werden später ohne die Erinnerungsstütze
der bezeichneten Situation (siehe E1)
als stellvertretende arbiträre Assoziation zwischen Semem (siehe
E3) und Manifestation
(siehe E/6, E/7)
als Bitext (siehe E/5)
realisiert. Es entstehen allmählich Situationen, die von einem der
Kommunikationspartner abstrahieren (3 [siehe D/5]:
Monologe, Nachdenken, Vorformulieren bezüglich Texte, schließlich:
Lesen Radiohören) bzw. nur einen der Partner aktiv werden lassen
(Situation ausschließlich mit Empfang [Pxe]
bzw. Sendung [Pxs] von Texten); daraus entsteht
per Abstraktion (genauer: Multiplikation von Situationstypen) die
isolierte Vorstellung vom Text an sich (4 [siehe D/5]),
daraus in ähnlicher Weise die tieferliegenden Strukturelemente der
Sprache bis zu den Ideogrammen der Ägypter und Chinesen (9 [siehe
B/7]) und den Buchstaben
der Phöniker und Griechen (10 [siehe A/7]).
Die skizzierte Entwicklung voolzog sich wahrscheinlich über einen
Zeitraum von mehr als einer Million Jahren. .... Schon die grobe Skizze
verlangt hypothesenmäßig große Konsequenzen. Danach kann
die Erforschung der Kindersprachengenese nicht bei Stadium »5«
(siehe C/5) einsetzen,
wie dies fast ausnahmslos geschieht, sondern sie muß mindestens
im Stadium »2« (siehe E/3,
E/5, E/6, E/7 [konkret: E/6])
beginnen: bei dem Bitexten (siehe E/5)
und ihren spezifischen Situationsbedingungen. - Meine Hypothese impliziert
auch folgendes: Zunächst verfügt ein Stadium in der phylogenetischen
bzw. ontogenetischen Entwicklung (»Hominiden-Horde« bzw. »Kleinkind«)
über relativ wenig Texte (sagen wir z.B. 20 bis 100); je mehr Texte
durch Regelerweiterung erzeugt werden können (z.B. ca. 10 000),
um so größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß die so
»geöffnete Geschlossenheit« der Mittel durch Schaffung
einer weiteren Struktur (hier: durch den Satz), und zwar durch eine relativ
geschlossene Anzahl der Typen dieser Struktur kompensiert wird. Ähnliches
würde für die Verhältnisse »Semem des Textes =>
Satz« oder »Morphem => Phonem« (7 => 8 [siehe
A/5 => A/6])
gelten. Die Abbildung zum Weg der Genese bildet nicht nur die Genese ab,
sondern auch die wachsende Resistenz der Sprachteile gegenüber dem
die Sprachstabilität bedrohenden Sprachwandel. Danach ist
das Phonemsystem resistenter als das Morphemsystem usw.. Am wenigsten
resistent, am instabilsten oder - wenn man will - am »kreativsten«
sind die Strukturkonstellationen im N-Text bzw. - hier wird es fast tautologisch
- im H-System selbst. Diese Hypothese betrachte ich als erstes Axiom
für die Diasystematik. - Statische (»synchrone«)
Systeme und Abstraktionen aus dynamischen Folgen; ein relativiertes, integrales
Verständnis eines beliebigen Systems setzt das Wissen um die spezifische
»Geschichtlichkeit«, um den Ort in der Evolution voraus. Die
Genezität bezieht sich auf den wesentlichen Impuls der prozessualen
Strukturen, die Systeme selbst sind zusätzlich durch das Moment des
stabilisiernden Kreislaufs geklennzeichnet: These
21: These vom physiko-bio-kybernetischen System (Thesen 1 bis 3
[**|**|**]
als Ansatz für den genetischen Interdisziplinarismus (Integralismus)
Die Kybernetik ist ein technischer Nachvollzug von
zunächst biologischen bzw. natürlich-physikalisch-chemischen
Vorgängen; die »Kybernetik« - hier und anderswo oft als
Synonym zur »Systemtheorie« verwendet - ist eigentlich bestenfalls
ein Zweig einer holistischen Systemtheorie.
 |
|
Schema der Wechselwirkung zwischen
Vitamin A
und Schilddrüse. Vitamin A entsteht durch
Zerschlagung des Carotinmoleküls in der Leber.
Dazu ist die Anwesenheit von Thyroxin notwendig.
Die Leberzelle ist daher Erfolgsorgan für Thyroxin.
Andererseits wirkt Vitamin A als Spaltprodukt des
Carotins auf die Thyreoida im Sinne einer
Verminderung von deren Sekretion. Die
Schilddrüsenzelle ist also Erfolgsorgan für das
Vitamin A. Nach: Hans-Joachim Seitz.
|
|
|
|
Die ersten und paradigmatischen Darstellungen für System-Regulationen
entstammen daher auch eher der Physiologie: So z.B. die Wechselwirkung
zwischen Vitamin A und Schilddrüse (siehe Abbildung dazu) oder die
Funktion de Nahrungsaufnahme und Ausscheidung .... Hier werden zwei der
Haupteigenschaften des Systems veranschaulicht: die Stabilisierung oder
Selbstregulation (Kreislaufprinzip) bzw. die Offenheit des Systems, d.h.
seine Anschließbarkeit an andere Systeme, mit denen es letztlich
einen immer komplizierter werdenden Gesamtkomplex von Systemen bildet.
....
Die Abbildung zum MC-Modell
ist eine Illustration der These 21 und verbindet die Ideen des MC-Modells
und des Kreislaufs mit der »Genetizität« (weißer
Pfeil zeigt in die Richtung der Wirkung des genetischen Impulses. Danach
muß man sich vorstellen, daß es innerhalb von PH, PX usw.
komplizierte Systeme von Systemen gibt, deren Wirkungscharakteristikum
jeweils kreislaufähnliche Prozesse sind. Zwischen den Stufen
des MC-Modells, also zwischen PH, PX usw. findet eine ähnliche Kreislaufregelung
statt; ein entscheidendes Moment der Globalsteuerung, der Integrierung
ist eben das mehrfach erwähnte Moment der Genetizität. Das
systematische Gesamtverhalten der Welt kann Stadien aufweisen, in denen
es jeweils eines der höheren Systeme verliert (erst M, dann L usw.),
nur gewisse Grundsysteme in PH können letzlich nicht verlorengehen.
Dieser Prozeß kann natürlich auch umgekehrt stattfinden, d.h.
es kann sich ein komplementärer Strukturgewinn (d.h. eine
Evolution) ergeben. Diese Genetizitätsregelung gilt natürlich
auch für alle Untersysteme, z.B. für die Kästchen links
neben L in der Abbildung zum MC-Modell, welche Taxa des L-Modells
selbst andeuten sollen: von rechts: N-Textem, Bitextem, Textem bis Phonem.
Ebenso gilt hier die Kreislaufregulation. Die Abbildung realisiert die
in Thesen 7 bis 9 (**|**|**)
geforderten Grundbeziehungen einer holistischen Taxologie: Die Kästchen
sind die Partikel (**),
die Kreisläufe deuten das Feld (**)
an, während die breiten Pfeile eine (mögliche) partielle Strukturentfaltung
innerhalb der Äquivalenz-Gegebenheiten (**)
eines umfassenden H-Modells
skizzieren (eine Verschiebung der Entropie-Negantropie-Verteilung von
Grundstrukturen [z.B. Wasserstoffatomen] auf der Basis von Gleichungen
oder »ewigen« Stabilitäten). - Eine so konzipierte Integralwissenschaft
und eine hiermit geforderte integrale Linguistik können nur in unendlich
mühevoller Kleinarbeit systematische Fortschritte erzielen. Ohne
die skizzierte oder eine ähnliche Heuristik wäre allerdings
das spezifische Bedürfnis nach Fortschritt gar nicht existent. Die
grobe Heuristik geht davon aus, daß man nicht von Sprache und ihren
Problemen reden kann, wenn man prinzipiell nicht über den jeweils
implizierten Rest der Welt strukturelle Aussagen machen will oder kann
(Partikelthese [**])
(das, wovon die »grobe Heuristik« ausgeht,
gilt aber für alle Systeme, weil sie sich immer gegenüber
einer Umwelt befinden (vgl. Luhmann, System
und Umwelt, in: Soziale Systeme, Kapitel 5, 1984; HB),
daß jede Strukturstufe (ob Syntaxstrukturen oder Verdauungssysteme
von Insekten) ein offenes System und gleichzeitig ein Prozeß mit
Strukturaustausch ist und die Strukturen nicht für sich selbst
bestehen, sondern mehrfach abhängige Variablen sind (Feldthese [**]),
daß die Verstehbarkeit bzw. Wertigkeit einer Struktur nicht nur
wesentlich durch die statische Opposition zu anderen Strukturen auf gleicher
Ebene garantiert wird (Saussuresche These), sondern vor allem durch den
relativierenden Kontrast mit den genetisch benachbarten Strukturen auf
verschiedenen Ebenen (Äquivalenzthese [**]).
- Bisher sind kaum systemtheoretische Beschreibungen sprachlicher Daten
unernommen worden, Die Hauptschwierigkeit für die von mir propagierte
Zuwendung zum Prozeßhaften liegt weniger im gegenseitigen Abwägen
und Redefinieren der strukturalistischen bzw. integralistischen Metasprachen
als in der davor liegenden Notwendigkeit des heuristischen Umdenkens.
Die folgenden von mir aufgeführten Sprachbereiche, in denen »Kreislaufmäßiges«
vorzuliegen scheint, sollen auch nur die Art der notwedigen Heuristik
andeuten, sie sind bar jeder systematischen Integrierung:
(1) |
Die Bidirektionalität der Analyse
(»abwärts: aufwärts«). |
(2) |
Jeder Exponent eines Planums (Morphem
bis N-Textem) kann jeden anderen Exponenten des gleichen
Planums bei einem bestimmten Parameter zu seinem Semem haben. |
(3) |
Kommunikationsvorgänge können
als Ausgleich (optimale Kongruenz) zwischen den unterschiedlichen
taxologischen Niveaus von Pxs und Pxe
dargestellt werden. |
(4) |
Satzstrukturen (Syntax: S) bzw. Textstrukturen
(T) sind die notwendige Basis für Erkennbarkeit (Auffindung,
»Kolligierung«) von den jeweils über den Strukturen
liegenden Semembereichen (Se). Letztere wiederum sind Anlaß
für das Suchen nach einer immer klareren (abstrakteren) Anordnung
für das Erzeugen von Syntax und Textstruktur. |
(5) |
Bei konstanter Energie (E) von Px:
Werden z.B. bestimmte Wörter (Logeme) häufiger gebraucht,
werden sie kürzer (werden bestimmte andere Wörter weniger
häufig gebraucht, bleiben sie länger). |
Trotz der Kürze dieser Beispiele wird vielleicht klar, daß
es sich um kreisförmige Regelvorgänge handelt, die einem bestimmten
Stabilisierungssoll (Gleichgewicht) gehorchen. Keinem Sektor der genannten
Felder kann ohne die übrigen Sektoren überhaupt eine »Existenz«
zugeschrieben werden. Ein schon länger bekanntes Beispiel für
Stabilisierungsprozesse sind die Axiome für die Erklärung von
Sprachwandel. Ich habe versucht, eine vollständige Folge solcher
Axiome für Lautwandel zu explizieren. Die Axiome gehen davon aus,
daß kein Anlaß (keine Finalität) für das Sprachsystem
dazu besteht, Phoneme zusammenfallen zu lassen. Im Gegenteil, Phonemkollisionen
müssen möglichst verhindert werden. Dieses Stabilisierungssoll
führt u.a. zu folgendem Axiom:
Spezielles Axiom 3": Wenn
v, x distinkte Phoneme sowie v, w, x, y distinkte phonetische Einheiten,
wobei w sehr ähnlich (nah, w ~ x) x sowie v => w eher als
x => y, dann: WENN v => w, , DANN x => y. |
Axiome dieser Art erlauben es, tatsächlichen Lautwandel zu »interpretieren«.
- Das Phonemsystem ist relativ offen, weil es erstens phonetisch (»substantiell«,
d.h. durch »physikalische Schallwellen«) realisiert ist und
zweitens über das Morphem an die größeren Spracheinheiten
bis zum Text und zur Situation hin angeschlossen ist. Diese Offenheit
führt zum »Stimuluswandel«, der phonematisch schädlich
sein kann; ist er schädlich, so setzt »Reaktionswandel«
ein, der die Homöostase wahrt. Die Sollwerte und auch die Offenheiten,
die bestimmte sprachliche Felder in Bewegung halten, bleiben im Laufe
der Ontogenese (Spracherwerb) und der Phylogenese (Sprachgeschichte) nicht
konstant; aber gerade die nuancierte Veränderung dieser Größen
sowie zugrundeliegende Finalität stehen bis jetzt noch nicht im Zentrum
der linguistischen Aufmerksamkeit. Genetisch gesehen ist das Verhältnis
zwischen Offenheit und Geschlossenheit nie endgültig fixiert; ich
komme damit zur letzten These:
|
|
|
|
|
Die weißen Pfeile symbolisieren die Richtung
der Genese, die schwarzen die der Metagenese. Die Abbildung rechts
ist nicht von Koch, sondern von mir.
|
|
|
Diese Abbildung
ist nicht von Koch, sondern von mir!
|
|
These
22: These von der unendlichen Dialektik zwischen Offenheit und
Geschlossenheit (mit Impuls zur Geschlossenheit) als Motor der Evolution.
Die tatsächliche Dialektik ist in der Abbildung
zur Dialektik zwischen Offenheit und Geschlossenheit grob vereinfacht:
Danach wird der offene Bereich der wachsenden Strukturmöglichkeiten
(weiße Felder von unten nach oben) durch die »Findung«
einer Lösung in Gestalt einer ganz neuen Strukturmöglichkeit
(Stufensprung!) geschlossen. Sobald das Schließungselement (z.B.
soziologische Konventionen [sind Sprache; HB]
gegenüber soziologisch ungeregelten Verhaltensweisen [sind
Sprache; HB] von Individuengruppen oder »Sprache« gegenüber
semiotischem Gebärdenverhalten [ist Sprache;
HB] oder Metasprache gegenüber Sprache) »gefunden«
ist, wird das vormals offene Feld allmählich einer partiellen oder
völligen Schließung zugeführt (Schließungsprozeß:
schraffiert). Nun entwickelt die neu gewonnene Verhaltensstufe (etwa L
gegenüber SEM oder »Satz« gegenüber» Text«)
einen Eigendrall, d.h. es ergeben sich auf neuer Stufe neue Offenheiten,
vom ursprünglichen Schließungsprozeß her gesehen: nicht-notwendige
Kreativitäten des Schließungssystems. Diese Offenheiten nehmen
zu und rufen nach einer neuen Organisation, einer neuen Finitisierung:
der Prozeß wiederholt sich stetig. Es ergibt sich die abschließende
Frage, ob eher die Fig. a oder die Fig. b
die Evolution abbildet. Die Kompliziertheit (Zahl der Stufen) ist
in beiden Beispielen gleich, nur die Komplexität (Zahl der inter-strukturellen
Beziehungen zwischen Taxa einer Stufe) nimmt in einem Fall zu, in einem
anderen ab. Es scheint so, als ob die Ordnung der Gesamtheit der besprochenen
Prozesse eher durch Fig. b gekennzeichnet wird:
Die Sprache (L) zeigt eine geringere Komplexität als der Bereich
der Soziologie (SZ) (das glaube ich nicht, denn
die Sprache deckt alle Bereiche ab, also auch den Bereich »Soziologie«,
der vergleichsweise klitzeklein ist! HB [**|**|**|**|**|**|**]),
das Phonemsystem (Ph) ist weniger komplex als die Syntax (S) usw..
(Walter A. Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven
der Linguistik, Band II, 1974, S. 276-294).
Luhmann zufolge nimmt die Komplexität des Systems auf Kosten der
Umwelt, zu der auch alle anderen Systeme gehören, zu. Also
muß es auch einen Wettbewerb der Systeme geben - wie in der Evolution
zwischen den Lebewesen, wobei auf der Grundlage des Machtstrebens in der
Geschichte der Systeme u.a. auch diejenigen Systeme siegen können,
die allein von sich aus dazu gar nicht in der Lage sind, aber von den
ihnen übergeordneten oder anderen Sytemen unterstützt, in diesen
Vorteil zur Machtgewinnung gebracht werden, weil bestimmte andere Konkurrenten
unterdrückt werden. Ich glaube, um bei Kochs Beispielen der Bereiche
zu bleiben, daß in letzter Zeit z.B. PH ein wenig geschrumpft ist,
PX stark gewachsen ist, SZ stark gewachsen ist, SEM ein wenig gewachsen
ist, L ein wenig gewachsen ist, M ein wenig geschrumpft ist. Die Summe
der Komplexität bleibt fast nie gleich, sondern wächst oder
schrumpft, und tatsächlich ist sie fast immer gewachsen. So kann
die Summe der Komplexität von PH, PX, SZ, SEM, L, M beispielsweise
vor einigen Jahrzehnten 100 gewesen sein und in der Gegenwart
90, 100 oder 110 sein, wobei 110
der Wirklichkeit wahrscheinlich am nächsten käme (und meine
eben genannten Beispiele sollen das auch andeuten, z.B. so: PH: 30=>29;
PX: 24=>28; SZ: 14=>20; SEM: 8=>9; L: 10=>11; M: 14=>13;
Summe: 100=>110). Die Gesamtkomplexität nimmt also tendenziell
zu - in unseren (noch) modernen Zeiten.
Mein Bemühen, die Linguistik integral
und kybernetisch zu sehen, beeinflußte zwei verschiedene Ebenen:
meinen metalinguistischen Hintergrund (von Abschnitt 1 [**])
und die Prognose für die Entwicklung der Linguistik selbst (Abschnitt
10 [**]).
Das MC-Modell ist nicht reduktionistisch zu verstehen, andererseits kann
nicht jede Stufe (SZ gegenüber PH oder Syntax gegenüber Textematik)
eine eigene, »monoadologische« Betrachtungsweise verlangen.
Stufenneutrale Wissenschaften wie die Mathematik helfen bei unseren
Neuüberlegungen kaum, die Physik wäre da schon von größerem
Nutzen; unsere gesuchte Form von Metawissenschaft muß eher einer
lingua characteristica als einem calculus ratiocinator gleichen;
sie muß damit rechnen, daß die Welt und die Sprache mehrfach
offene, kreative Systeme sind und nicht etwa eine machina docilis
in den Händen eines deterministischen Technologen. (Walter
A. Koch, Tendenzen der Linguistik, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 294).
Alle Strukturen der Welt (nicht nur der Sprache oder der Wissenschaft)
sind Bestandteile, »Ausfluß«, Abstraktion aus einem
stetig pulsierenden, fließenden Amalgam von Systemen und Untersystemen.
Dies ist für die Naturwissenschaftler und Systemtheoretiker schon
längst eine selbstverständliche Annahme. Die Kybernetik nimmt
in der Konstruktion des »Regelkreises« die ältere und
universellere Vorstellung einer physikalisch-chemischen Selbstregelung
aller Vorgänge für die Zwecke der maschinellen Simulation nur
wieder auf. Die Regelkreis-Abbildung zeigt nun eine einfache Anwendung
dieses »kybernetischen« Gedankens.
Danach lassen sich die Figurteile A bis D miteinander vergleichen.. »B«
beschreibt dabei biologische Vorgänge als das Streben nach dem Normalzustand,
dem Gleichgewicht oder der »Homöostase«. (Die Übergänge
vom Äquilibrium [Gleichgewicht] über Disäquilibria [Ungleichgewicht]
wieder zur Äquilibria sind auch als Basis für das Verständnis
gewisser die Welt abbildender Textstrukturen zu verstehhen. Das
gleiche Modell [Teilfigur B] kann somit zur Beschreibung von Biologie,
Soziologie einerseits sowie von Textologie andrerseits dienen, vgl. hierzu
Koch, Das Textem, 1973, S. 170f.). A ist z.B. realisiert durch
einen Wasserstandsregler. Die Ziffern 1 bis 4 beschreiben jeweils Phasen
eines Prozesses zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts. Die Phase
4 ist demnach in A durch den »Regler« besetzt, in B z.B. »durch
die Suche nach Nahrung«, in C »durch die Suche nach optimaler
Instruktion: durch die Wissenschaft«; wichtig in unserem Zusammenhang
ist vor allem der Moment, daß jedwede Struktur nicht isoliert besteht,
sondern ihre Existenz aus einem kreisförmig angelegten Energie- und
Impulsaustausch ableitet. Dysregulationen, biologisch auch: »Krankheiten«,
lassen sich in den genannten und anderen Bereichen nur unter Berücksichtigung
solcher Größen wie »das Ganze«, »Energie«,
»Dynamik« (gegenüber »Statik«), »Strukturbedingung«
(gegenüber bloßer »Struktur«) diagnostizieren bzw.
beheben. Die Phasierung wird bei näherer Analyse
sicherlich viel komplizierter sein als in der Regelkreis-Abbildung angedeutet.
In diesem Kontext genügt vielleicht eine grobe Vereinfachung. Danach
hätte eine »Meta-Wissenschaft«, z.B. eine »Meta-Linguistik«,
eine Problematisierungsphase (Phase 3) zu berücksichtigen.
Die Entdeckung bzw. angemessene Gewichtung von Problemen wird selbst
Gegenstand neuer Wissenschaftsbereiche sein müssen, dies ist bisher
nicht geschehen. Ich gehe davon aus, daß die »Kultur«
(Massenmedien, Feuilleton, »Meinungsbefragung« usw.) vorläufig
ersatzweise ein Hochspielen, Seligieren, Diagnostizieren von Problemen
der niedrigeren Phase (Phase 2) darstellt. In welchem Maße derartige
Selektionen (wer z.B. wann wo wie »glücklich«, »unterdrückt«
ist oder »ungehemmt« bzw. »erfolgreich« kommuniziert)
sich einem zunächst unparteiischen, deskriptiven Status nähern
oder nicht, scheint wissenschaftlich noch nicht überzeugend dargestellt
werden zu können. Immerhin wird das Maß der »gesellschaftlichen
Relevanz« der Linguistik von dem Grad der Akzeptabilität eines
alle Bereiche des Lebens (nicht nur die zeitbedingt, politikbedingt
hochgespielten) umfassenden Zusammenhangsrasters abhängen. Ob die
letzte Reduktion bei »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit«
ein Ende findet, bei den sog. biologischen Grundgrößen »Arterhaltung:
Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme, Verteidigung des nackten Lebens«
oder subtileren Strukturen, ist gerade die Aufgabe einer neuen gesamtwissenschaftlichen
Orientierung. Daß die Bewußtmachung der Notwendigkeit
der Einbettung der (Meta-)Linguistik in Regelkreise der skizzierten Art
für die Zukunft von eminenter Bedeutung sein wird, scheint indes
offenbar. Immerhin erlauben es unsere simplen systemtheoretischen
Überlegungen einzusehen, daß es schon in diesem Stadium der
Vorüberlegungen möglich ist zu überblicken, daß manche
Wissenschaften (Phase 4) gegenüber ihren Flußbedingungen dysreguliert
sind. Mir scheint z.B. die Biologie mit ihrer grundsätzlichen Bedeutung
für die Phase 2 (vgl. großes Quadrat in der Teifigur D) in
der Wissenschaft und vor allem in der Schule (Phase 5 bzw. Phase 1) unzuträglich
atrophiert, während z.B. die quantitativ ansehnlichen Philologien
(vgl. die schwarzen Quadrate in der Teilfigur D) in der Wissenschaft und
auch teilweise in der Schule hypertroph erscheinen, bei vergleichsweise
geringer problematischer Bedeutung für die Gesamtregulation des Lebens.
Inwieweit die Linguistik angemessen reguliert wird, muß eine neue,
noch zu etablierende systemtheoretische Kontrollinstanz mitentscheiden.
(Walter A. Koch, Einleitung, in: Perspektiven der Linguistik,
Band I, 1973, S. XVIII-XXII).
Ich persönlich und - ich glaube - viele
meiner Kollegen sind von einer gewissen missionarischen Funktion und allgemein-wissenschaftlichen
Relevanz der Linguistik überzeugt. .... Die Ersterfassung aller Sprachen
und Dialekte schien nun vor einigen Jahrzehnten im großen und ganzen
abgeschlossen, sie hatte ihre Attraktion verloren. Die Linguistik, die
sich nicht selbst aufgibt, beginnt nach einer Ersatzbeschäftigung
zu suchen. Die methodische Vertiefung des Analysevorgangs selbst ist eine
natürliche Folge. Am Beispiel der kleinsten Einheit des Sprachmodells,
dem Phonem, beginnt in den dreißiger Jahren ein Prozeß
der Rigorisierung der Methode, ein Prozeß, der später als Beispiel
für weitere Rigorisierungen gelten sollte. Es stellt sich heraus,
daß die vermeintlich unendliche Vielfalt von phonetischen
Einheiten auf ein endliches Inventar don Phonemen reduziert werden kann.
Heute noch bleibt die Suche nach der Finitisierung (dem endlichen Anfang
einer genetischen [quasi-historischen] oder einer nur generativen [also
wiederholbaren] Erzeugungskette) das entscheidende Mobile linguistischer
Forschung. So wie z.B. die Mathematik nach endlichen Mechanismen
(Axiomatiken usw.) sucht, um die unendlichen Möglichkeiten der Mengenregulationen
zu ordnen und zu erklären, sucht die strukturale Linguistik in Absetzung
von den Junggrammatikern
vorerst die Invarianz und nicht die Vielfalt der sprachlichen Erscheinungen
zu erfassen. .... Die wissenschaftliche Bedeutung der Linguistik
liegt in den in der Sprache enthaltenen einfachen Bedingungen für
Simulationen, für Paradetests grundsätzlicher Bedeutung. Tests
für Willen, Fokus, Freiheit, Arbitrarität, für das Verhältnis
von Infinität und Finitisierung usw. können grundsätzlichere
Bedeutung erlangen. »Grammatik« als Finitisierungsprozeß
wird so mehr als eine Metapher für andere Bereiche; man spricht von
Grammatik des Films, des Gesichtsausdrucks, der biologischen Vorgänge.
Die Gefahren eines linguistischen Paradigmas liegen in einer nicht
subtilen Unterstellung der Sprachbedingtheit z.B. rein-physikalischer
Vorgänge, in der Annahme, sich die Welt nicht ohne das spezifisch
menschliche Gehirn vorstellen zu können. (Die These der radikalen
Sprachbedingtheit aller vorstellbaren Strukturen der Welt [»da alles,
was de facto gedacht, vorgestellt wird, vom sprachbegabten Menschen
geschaffen wird«] ist - mit vielen Modifizierungen und Abschattierungen
- eigentlich uralt. Gerade in jüngster Zeit wird sie vor allem von
der positivistischen Philosophie vertreten. Was nicht [nach bestimmten
metasprachlichen Rigorismen] formuliert werden kann, ist nicht existent.
Auch der aufgeklärte Naturwissenschaftler betont die Meta-Sprachrelativität
der von ihm entdeckten physikalischen Strukturen. Inwieweit die
Relativität der Strukturannahmen von einer spezifischen Sprache bzw.
Metasprache [= Wissenschaft] abhängig gemacht werden muß, ist
hier nicht schnell abzuhandeln. Eines soll an dieser Stelle nur betont
werden: Strukturen und ihre Relativität können nur erklärt
und in diesem Sinne verstanden werden, wenn man versucht, sie genetisch
zu ordnen [was tendenziell im Strukturalismus und in der Wissenschaftstheorie
kaum geschieht]. Das bedeutet für die Sprache: Das Argument einer
Sprachrelativität ist nicht in ihr selbst zu suchen. Es müssen
Annahmen über Zustände gemacht werden, wo es sie noch gibt.)
Die gesellschaftliche Relevanz der Sprache wird
von manchen Anhängern spezifischer Ideologien für mein Verständnis
zu simplistisch reklamiert. Sicher sollte es möglich sein, Ideologien,
d.h. Textstrukturen, die ein spezifisch seligiertes Gesamtverhaltensmuster
empfehlen, als Ideologien (normative Strukturen) gegenüber rein wissenschaftlichen
Beschreibungen zu dekuvrieren. Die heutige Ideologiekritik verwendet indes
nicht strukturelle Analysemittel, sie gibt dies nur »terminologisch«
vor. .... Im übrigen ist der Anstoß für die bisherige
Ideologiekritik eigentlich immer eine Überzeugung auf dem Niveau
eben einer Ideologie. Um uns einer Beschreibung gesellschaftlicher
Relevanz deskriptiv (und nicht mit einer »verschleierten«
Präskription) zu nähern, müssen wir bescheidener
ansetzen, als dies gemeinhin geschieht. (Walter A. Koch, Einleitung,
in: Perspektiven der Linguistik, Band I, 1973, S. XIV, XVI, XVII-XVIII,
XVIII).
Die besonders in halb-wissenschaftlichen Journalen
(wie im »Kursbuch«) veröffentlichten und auch in Schulkurrikula
praktizierten Attacken auf »Ideologie« gehen ausschließlich
selbst von einer nicht »hinterfragten« Ideologie aus. Die
»Kritik« gibt sich in Diktion und Ton streng und unnachsichtig,
ist indes m.E. intellektuell und von der propagierten Ausgangsstellung
(»universelle Kritikfähigkeit«) juvenil und voller Selbstüberschätzung.
Die bekannte Auseinandersetzung zwischen Adornos u.a. »Kritischer
Theorie« und Popper ist symptomatisch für das noch rudimentäre
Stadium on der Entwicklung der Wissenschaft von der »gesellschaftlichen
Relevanz«. (Walter A. Koch, Einleitung, in: Perspektiven
der Linguistik, Band I, 1973, S. L-LI).
Sprache deckt den Wissensbereich zu fast 100% ab. Auch im Rest
der Welt ist die Sprache stets da. Sprache beruht auf biologischen und
zuletzt physikalischen Grundlagen - das muß jedem klar sein -, aber
mit meiner These und Argumentation meine ich noch etwas anderes, nämlich:
Alle Verhaltensweisen, zu denen ich also auch die phyikalisch-chemischen
Verhaltensweisen zähle, sind Zeichen, also: Sprache. Zur Sprache
gehören also nicht nur die konkret realisierten Formen - das Sprechen
und Schreiben ( )
- linguistischer Sprache sowie die Linguistik (L) selbst und die Metasprache
(ML), sondern alle Zeichen und Zeichenbereiche, oft auch Zeichensysteme
genannt. Alles, was Objekt ist - ob ein wissenschaftliche oder ein nichtwissenschaftliches
- ist nur deshalb Objekt, weil es Zeichen von sich gibt, ohne die jede
wissenschaftliche, aber auch jede nichtwissenschaftliche Erkenntnis nicht
möglich wäre. Und wer ein Subjekt verobjektiviert,
gibt dadurch immer auch zu - ob bewußt oder nicht -, selbst auch
ein verobjektiertes Subjekt zu sein. (Auch derjenige Literat,
der einen Ich-Roman schreibt, also Zeichen und damit Sprache benutzt,
und darin beschreibt, was er so alles so tut, beschreibt sich
als ein verobjektiviertes Subjekt, auch dann, wenn er beschreibt,
was er so alles erlebt.) Schon allein die Syntax schreibt
dies vor: S.-P., S.-P.-O. Es geht immer nur über die Zeichen.
Die Welt besteht aus Zeichen; und sie selbst ist auch ein Zeichen. Sprache
ist ein Zeichenystem. Zu ihr gehören alle Zeichen, z.B. mathematische,
logische, philosophische, linguistische, semiotische Zeichen genauso wie
alle anderen Zeichen, ob sie aus der restlichen Wissenschaft, dem alltäglichen
Leben, der Natur, der Kultur, dem Universum oder dem Atom kommen: alles,
was Zeichen ist und sein kann, und das ist eben alles, gehört
zur Sprache. Linguistik ist nicht gleichbedeutend mit Sprachwissenschaft,
denn die Linguistik beschäftigt sich wissenschaftlich mit Sprache
i.e.S. (im engeren Sinne und im engsten Sinne), d.h.
mit der linguistischen Sprache, während die Sprachwissenschaft sich
wissenschaftlich mit Sprache i.w.S. (im weiteren Sinne und
im weitesten Sinne) beschäftigt. Dieser fast tautologische
Satz muß sein - aus pädagogisch-didaktischen Gründen -,
weil es hier darum geht, etwas klar und verständlich zu machen. Jedes
Zeichen ist Sprache! Alle Zeichen sind Sprache! **
** **
** ** **
Wenn in Kochs Text (jeder Text gehört - wie gesagt - zu L) von
den Bereichen PH PX, SZ, SEM,
L und M die Rede (gehört - wie gesagt - zu
L) ist, dann ist immer zugegeben - ob bewußt oder nicht -, daß
alles Zeichenhafte (alle und jedes Zeichen) Sprache ist - in jedem
Bereich, also auch sogar im Bereich PH.
Zeichen sind immer gegeben, jedenfalls für die, die zeichenkompetent
und also sprachkompetent sind, auch wenn in Kochs Kapitel Semiotik
und Sprachgenese im 2. Band des Buches Perspektiven
der Linguistk zu lesen ist, daß die Minimalbedingung
dafür, daß man bei einem bestimmten Segment von »Zeichen«
reden kann, dann gegeben ist, wenn man in sinnvoller
Weise folgende semiotischen Teile entdecken kann:
I |
II |
III |
(A) Signifiant |
Signifié |
Chose (Saussure) |
(B) Zeichen |
Interpretans |
Objekt (Peirce) |
(C) Signium |
Significatum |
Denotatum (Morrin) |
(D) Manifestum
(z.B. Phonem) |
Semem |
Referem
(vgl. TDL, 4: Taxologisches Modell für Sprache [ML]
**) |
Bei vielen der oben gegebenen Beispiele (in der Tabelle) wird es schwer
fallen, Semem und Referem auseinanderzuhalten. Die Möglichkeit, diese
beiden Orte zu differenzieren, hängt u.a. von dem Vorhandensein einer
Zwischen-Ebene (»Lügenkönnen«, Gebrauch der Bedeutung
[Sememe] ohne direkten Welt- oder Situationsbezug [Referem] oder von der
Existenz einer umfassenden Synonymie ab. Die semiotischen Modelle (A bis
D in der Tabelle) sind einander nur in grober Weise äquivalent. Der
genauere Status der Begriffe hängt von der jeweiligen Theorie ab,
der sie entnommen sind. Die erwähnte Minimalbedingung für die
Bestimmung des Vorhandenseins eines Zeichenprozesse, einer Semiose, wird
andererseits nicht ausreichen, um die konkreten Beispiele sinnfällig
zu differenzieren. Es wird sich zeigen, daß hierzu zusätzliche
Kriterien der Situation (vgl. im Kapitel Tendenzem der Linguistik
den Abschnitt 4 [**]
und dort die Abbildung zum Si-Modell [**]),
wie Zeichensender (Pxs), Zeichenempfänger (Pxe),
Reversibilität usw. vonnöten sind. Die Semiotik geht geschichtlich
auf Versuche zu einer Minimalbestimmung für Zeichen zurück.
.... Wie Saussure als Vater der strukturellen Linguistik gilt, so kann
Peirce (1839-1914) als Begründer der systematischen Semiotik angesehen
werden (obwohl die von Peirce begründete Richtung
der Semiotik an Thomas von Erfurt anschließt [vgl. Thomas von Erfurt,
Grammatica Speculativa, 13. Jh. {**}];
HB). Wie Saussure seine Theorie auf einer großen Zahl von
Dichotomien aufbaut, so gründet Peirce seine Ideen auf eine abgestufte
Reihe von Trichotomien. Ein Beispiel für diese Trichotomisierung
gibt Eco (in: Einführung in die Semiotik, 1968, S. 198):
Die Glieder der primären Trichoromie »Zeichen-Objekt-Interpretans«
enthalten ihrerseits jeweils sekundäre Trichotomien. Die spezifische
Ordnung der trichotomischen Glieder ist nicht zufällig. Sie bildet
(in Ecos Darstellung von unten nach oben) die Degenerierung (vgl. Peirce,
Collected Papers of Charles Sanders Peirce, S. 150ff.) oder Degradation
(vgl. Max Bense, Wörterbuch der Semiotik, 1973, S. 39ff.),
d.h. so etwas wie »abnehmenden Abstraktheitsgrad« oder »abnehmende
Anwendungspotenz« ab. Demnach wäre ein Index weniger abstrakt
(ich würde sagen: »weniger arbiträr«) als ein Symbol.
Wenn auch die allgemeine Absicht der Peirceschen Gedanken aus der bisher
skizzierten Basis sichtbar, ja eventuell plausibel werden könnte,
so regt sich andrerseits auf diesem wenig verfeinerten Niveau Zweifel
und Widerspruch. Ist nicht z.B. der Index im allgemeinen und »nasser
Fleck auf dem Boden« im besonderen weniger konventionalisiert, arbiträr
oder gradiert« als das Ikon bzw. ein Diagramm«? Vieles an
der Peirceschen Beispielgebung würde weniger widersprüchlich,
weniger unklar sein, wenn wirklich konsequenter Gebrauch von den erwähnten
Situationsgrößen (Px usw.) gemacht würde.
Selbst Peirce-Nachfolger der jüngeren Zeit wie Carnap, Morris, Klaus
gehen eher von voreilig generalisierten Konzepten als von echten semiotischen
Analyse-Problemen aus. Immerhin spielt die Semiotik in der positivistischen
Wissenschaftstheorie seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts
eine große Rolle. Die Disziplin »Semiotik« erstarkt
indes erst zu der Zeit, in der sie sich von der Logik emanzipiert und
induktiv verschiedene Sprachformen in toto zu erfassen sucht (besonders
seit den sechziger Jahren). Dieser neuen empirischen Semiotik erwachsen
Impulse nicht nur von Peirce her, sondern auch durch die latent stets
vorhandene linguistische Semiotik oder »Semiologie«.
(Walter A. Koch, Einleitung, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 313-316).
Das Sammeln von semiotischen Merkmalen zur Verfeinerung eines Netzes
für die Bestimmung semiotischer Grade und somit des H-Modells über
SEM wird die Zoosemiotik in nächster Zukunft besonders beschäftigen.
Es scheint festzustehen, daß die schon angesprochenen Merkmale der
intraspeziellen Zeichengebung, der Reversibilität und des Kodecharakters
des Zeichens notwendige Bedingung für prägnantes Zeichenverhalten
(SEM) sein müssen; umstrittener ist vielleicht das Merkmal des bedingten
Reflexes, wonach Zeichen gelernt, d.h. nicht-angeboren sein müssen.
(Sie sind auch angeboren; es gibt eine angeborene
Fähigkeit zur Grammatik der Zeichen überhaupt, wozu auch deren
Beziehungen untereinander, Funktionen und Relationen, alos auch die Fähigkeit
zur Grammatik der Syntax gehört [vgl. Nativismus
{**}];
HB.) Die als »Mimikry« bekannten raffinierten Anpassungsmechanismen
z.B. einer bestimmten asiatischen Spinne (vgl. Abbildung nach Wolfgang
Wickler, Mimikry, 1968, S. 51), die Spinnenjäger irre führt,
indem sie außer der normalen Warte in der Mitte des kaum sichtbaren
Netzes noch mehrere Pseudowarten spinnt, die so aussehen, als säßen
auch dort Spinnen, machen - obwohl sie dem Merkmal der Metaierung des
Lügenkönnens gleichkommen - das besagte Verhalten (=
Sprache; HB) noch nicht zum Zeichen (doch;
denn Verhalten = Zeichen = Sprache; HB [**|**|**|**|**|**|**]).
Diese und viele andere Fälle von Mimikry sind zwar ein notwendiges
Merkmal des nächst-höheren Modells, des L-Modells, sie sind
für die Bestimmung von SEM (die
Minuszeichen vor und hinter SEM bedeuten, daß SEM geschlossen ist
für andere Bereiche; HB) weder hinreichende noch notwendige
Bedingung. Mimikry scheint oft »intelligenter« als manches
zoosemiotische Zeichen zu sein; es ist jedoch eine etwas frühreife
Raffinesse, die noch nicht semiotisch eingebettet ist (doch;
denn auch Verhalten [und erst recht raffiniertes Verhalten] = Zeichen
[auch semiotische Zeichen] = Sprache; HB [**|**|**|**|**|**|**]).
Das zitierte Verhalten einer Spinne richtet sich nicht an Mitglieder der
eigenen Art (muß
es ja auch nicht; HB), es ist auch nicht reversibel, da
der Adressat, der Spinnenjäger, z.B. ein größeres Tier
einer anderen Art, dieses Tarnverhalten nicht seinerseits produzieren
kann (aber wir,
die Menschen als die intelligentesten Lebewesen,
können das; HB). Es tut vielmehr
so, als sei ein Tarnmanöver ein potentielles Zeichen, also eigentlich
eben kein Zeichen, allso eigentlich hier in Umkehrung zur Semiotisierung
desemiotisiert (ja, aber das ändert
nichts daran, daß es ein Zeichen und also Sprache ist; HB).
(Walter A. Koch, Einleitung, in: Perspektiven der Linguistik,
Band II, 1974, S. 328-330).
Die Frühgeschichte der Sprache beschäftigt
sich mit den ersten direkten und indirekten Zeugnissen für die menschliche
Sprache (5000, 35000 bzw. ca. 2 Millionen Jahre zurück [die direkten
Zeugnisse der Schrift liegen ca. 5000 Jahre zurück {Hieroglyphen
usw.}, die der ersten Überreste graphischer Symbolik überhaupt
liegen ca. 35000 Jahre zurück: Ende des Zeitalters des Moustérien]).
Die Zeugnisse können die allmählich dichter werdenden Fragen
der Protoglottologie immer weniger unmittelbar beantworten. .... Wenn
sich auch noch keine der »strengeren«, problemmäßig
engherzigen, neueren Sprachtheorien der genetischen Fragestellung zugewendet
hat, so wird die Forschungsrichtung durch immer zahlreicher erscheinende
Abstöße aus verschiedenen Gebieten auch dem normalen Linguisten
immer bewußter. .... Die der Phylogenese verwandten Probleme der
Ontogenese, d.h. der Kindersprache und der heute, »synchron«
zu beobachtenden Sprachpathologie, sind offenbar leichter und systematischer
anzugehen, da das Moment der Rekonstuktion, Spekulation und Hypothese
hier stärker zurückgedrängt werden kann. Die Beobachtung
der Ontogenese der Sprache kann durch ähnliche, experimentell und
theoretisch entwickeltere Methoden zur Ontogenese kognitiver Fähigkeiten
gestützt werden. Die allgemeinste und fundamentalste Relation zwischen
Onto- und Phylogenese ist bekanntlich von dem Evolutionstheoretiker Ernst
Haeckel (vgl. ders., Natürliche Schöpfungs-Geschichte,
1868, S. 309) in dem sog. biogenetischen Grundgesetz formuliert
worden: »... ist die Ontogenesis, oder die Entwicklung des Individuums,
seine kurze und schnelle, durch die Gesetze der Vererbung und Anpassung
bedingte Wiederholung (Rekapitulation) der Phylogenesis oder der Entwicklung
des zugehörigen Stammes, d.h. der Vorfahren, welche die Ahnenkette
des betreffenden Individuums bilden.« .... Innerhalb
der Linguistik hat Roman Jakobson (vgl. ders., Kindersprache, Aphasie
und allgemeine Lautgesetze, 1914) der Haeckelschen These zu einer
empirischen und theoretischen Bestätigung verholfen. Zumindestens
im Bereich der genetischen Phonologie. Danach gibt es in der Ontogenese
(im primären Spracherwerb) eine unumkehrbare Folge der erlernbaren
Phoneme, etwa: p, b, m, t, k bei den Konsonanten. Beim Aufbau der Sprache,
in der langen Geschichte der Phylogenese also, scheint sich Ähnliches
vollzogen zu haben, was Jakobson gluabt aus der Beobachtung schließen
zu können, daß Sprachen, die jeweils weniger Mitglieder des
oben zitierten Ausschnitts aus einem potentiellen Konsonantenparadigma
haben, nur das jeweils spätere Glied der genetsichen Kette nicht
besitzen der genetischen Kette nicht besitzen; danach wären eher
»p, b, m, t« bzw. »p, b, m« usw. heute in den
verschiedenen Sprachen der Welt belegt als »p, m, k« oder
»m, t, k« usw.. Anhand umfangreichen empirischen Materials
beobachtet nun Jakobson zusätzlich die umgekehrte Reihenfolge
im Abbau der Sprachkompetenz, wie er bei bestimmten Erscheinungen
der Aphasie vorliegt. Abbau und Aufbau der Sprache stehen also
im genau umgekehrten Verhältnis zueinander; beide bestätigen
andrerseits die Fundierung bzw. Ordnung der genetisch nacheinander integrierten
Zustände. Die Thesen Jakobsons stützen sich vornehmlich auf
Beobachtungen des Vokal- und Konsonantensystems. Es wird allerdings eine
Übertragbarkeit auf z.B. Morphologie oder die Syntax postuliert (vgl.
Jakobson, ebd., S. 131). Da es sich hier um eine wahrscheinliche Einsicht
in integrierte Grundverhältnisse handelt, meine ich, daß
man zunächst gezwungen ist, das genannte »Gesetz« in
Form von Hypothesen für alle biologischen und somit auch für
alle linguistischen Strukturen anzusetzen. Ich generalisiere
daher in Anlehnung an Haeckel Jakobsons Aufbauthese zu
(1) der ersten linguo-genetischen
Grundhypothese - Aufbau von Stufen - |
und Jakobsons Abbauthese:
(2) der zweiten linguo-genetischen
Grundhypothese - Abbau von Stufen - |
Diese beiden Hypothesen beziehen sich auf den Aufbau von Information
und umgekehrt von Entropie innerhalb biolinguistischer Systeme.
Solcher Aufbau vollzieht sich danach in nichtvertauschbaren spezifischen
Schritten. Die Suche nach diesen exakten Schritten auf allen Niveaus der
Bio-Linguose ist der Suche nach dem Arbiträren äquivalent. Aus
den beiden Grundhypothesen sind die zuerst erwähnten, spezifischen
Thesen Jakobsons sowie z.B. meine folgenden textgenetischen Annahmen ableitbar:
(1a) die erste textgenetische Grundhypothese, |
(2a) die zweite textgenetische
Grundhypothese. |
1a besagt z.B., daß bestimmte Texttypen (u.U. »Reime«,
»Rätsel«, »Märchen«, »Legenden«,
»Mythen« usw.) in einer nichtvertauschbaren Reihung zueinander
stehen, und zwar zunächst in der Phylogenese und dann in ontogenetischer
Rekapitulation (so wie gemäß Haeckels
»biogenetischem Grundgesetz«; HB). Die Phylogenese
bezieht sich auf Entstehung von Texttypen innerhalb der Weltgeschichte
der »Literatur«, die Ontogenese bezieht sich auf die wachsende Textkompetenz der Kinder aller Kulturbereiche. 2a besagt, daß umgekehrt
der pathogene Abbau der Textkompetenz der genetisch aufgebauten Reihung
(nach 1a) in umgekehrter Reihenfolge entspricht, und zwar wiederum im
»Individual«- als auch im »Stammbereich«. ....
Meine vorläufige grobe Unterthese zu 1a ist es, daß die Textsemantik
bezüglich der Abbildung außerlinguistischer Modelle bestimmt
ist durch ein »Bewußtwerden« der Welt vom sprachlichen
Modell aus, d.h. daß der genetische Aufbau der Textkompetenz - phylo-
wie ontogenetisch - etwa der metagenetischen Ordnung folgt: »L-Modell
(
[Reime, Rätsel usw.: Abbildungen, Übungen von linguistischer
Struktur]) - SEM-Modell (im L-Modell:
[Fabeln: Abbildungen, Übungen von Semiotisierungsmerkmalen]) - SZ-Modell
(im L-Modell:
[Märchen: Abbildungen, Übungen von soziologischen Regeln]) -
PX-Modell (im L-Modell:
[Legenden o.ä.: Abbildungen, Übungen von Strukturen des Lebendigen
und seiner Enstehung]) - PH-Modell (im L-Modell:
[Mythen: Abbildungen, Übungen von Theorien über die materielle
Entstehungsmatrix von Strukturen überhaupt, Kosmogonien usw.]).
|
|
|
Ein Beispiel aus der
mathematischen Topologie:
Tasse und Volltorus sind
zueinander homöomorph.
Ein Homöomorphismus
ist eine direkte Abbildung
zwischen den Punkten der
Tasse und des Volltorus,
Die Zwischenstufen im
zeitlichen Verlauf dienen
nur der Illustration der
Stetigkeit dieser Abbildung.
|
Daß das durch die L-Stufe gelenkte Bewußtsein und seine Genese
selbst ein Prozeß ist, der auf dieser höheren Stufe (L-Stufe)
die von diesem Bewußtsein vormals unabhängige tatsächliche
Genese metagenetisch umkehrt (»bewußtseinsunabhängige«
Genese also: PH-Modell - PX-Modell usw. (**),
wird z.B. von der kognitiv-genetischen Forschung Piagets u.a. belegt.
Danach geht die tatsächliche Kognitionsgenese bezüglich der
Raumerfassung von einem topologischen Modell aus und schreitet dann erst
zum Euklidischen Raum vor, während bekanntlich das »wissenschaftliche«
Bewußtwerden der entsprechenden Modelle - metagenetisch - von der
Geometrie Euklids ausging und erst in jüngster Zeit auf die »Idee«
der Topologie kam. (Vgl. Jean Piaget, Bärbel Inhelder u.a., Die
Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde, 1971). - Doch
zurück zum allgemeinen Teil der These 1a. Die hiermit verbundenen
Strukturen der Evolution sind die geordnete Strukturfolge (Dependenzen),
die Zyklik und die strukturelle Komplexierung (Richtung)
(vgl. Abschnitt 5 des letzten Kapitels [**]).
Die organistischen bzw. evolutionistischen Theorien zur Literatur in der
weiteren und jüngeren Vergangenheit werden in diesem Zusammenhang
neu reflektiert werden müssen. Speziell die zyklischen und
oszillatorischen Theorien der Strukturveränderung werden auf
ihre heuristische Brauchbarkeit hin überprüft werden. Die dialektisch,
polar verstandene Innovations-Konventionalisierungs-Matrix ..., die Pole
»Zentrum« und »Peripherie« der Kreativität
als Motoren der Literaturveränderung, stilistisches Foregrounding
bzw. Backgrounding als evolutionssteuernder Rhythmus, ja auch weniger
»strukturell« gemeinte »Dialektiken« wie »naive
und sentimentalistische Dichtung« (Schiller), »Diastole und
Systole« (Goethe), »Apollinisches
und Dionysisches« (Nietzsche). »Abstraktion und Einfühlung«
(Hubertus Paul Hans Teesing, Das Problem der Perioden in der Literaturgeschichte,
1948, S. 114ff.) werden auf ihre oszillatorisch-zyklischen Möglichkeiten
für Tiefenstrukturen der Evolution hin neu überdacht werden
müssen (»die Wissenschaft denkt nicht«
[Martin Heidegger {**|**|**}];
HB). - Die Überprüfung der genaueren Anwendbarkeit der
»Grundhypothesen« wird praktischerweise bei den ontogenetischen
Strukturen beginnen. Spezifischere Ergebnisse können dann zu weiteren,
verfeinerten Hypothesen auf der Seite der einstmals vorwiegend behandelten
Phylogenese führen. (Walter A. Koch, Einleitung, in:
Perspektiven der Linguistik, Band II, 1974, S. 334-339).
|
 |
|
 |
|
Ein Beispiel
für den Weg der Genese innerhalb von L (**|**). |
|
Ein Beispiel
für den Weg der Metagenese innerhalb von L
(**|**). |
|
In
beiden Abbildungen ist der Hintergrund für das relativ Offene
heller und für das relativ Geschlossene dunkler
gehalten. |
|
Ein Beispiel
höherer Ordnung für den Weg der Genese (von
der relativen Offenheit zur relativen Geschlossenheit): PH=>PX=>SZ=>SEM=>L=>M.
Ein Beispiel höherer Ordnung für den Weg der Metagenese
(von der relativen Geschlossenheit zur relativen Offenheit): M=>L=>SEM=>SZ=>PX=>PH.
|
|
|
Wenn man mit Koch in Anlehnung an Haeckels Aussage über die Rekapitualtion
der Phylogenese in der Ontogenese und an Jakobsons Aussage über den
genau umgekehrt - spiegelbildlich - zum Aufbau von Sprachfromen sich vollziehenden
Abbau von Sprachformen zu dem Ergebnis kommt, daß (1a) die
erste textgenetische Grundhypothese ... besagt ..., daß bestimmte
Texttypen (...) in einer nichtvertauschbaren Reihung zueinander stehen,
und zwar zunächst in der Phylogenese und dann in ontogenetischer
Rekapitulation und die Phylogenese ... sich auf Entstehung
von Texttypen innerhalb der Weltgeschichte der »Literatur«,
die Ontogenese ... sich auf die wachsende Textkompetenz der Kinder aller
Kulturbereiche bezieht, während (2a) die zweite textgenetische
Grundhypothese ... besagt, daß umgekehrt der pathogene Abbau
der Textkompetenz der genetisch aufgebauten Reihung (nach 1a) in umgekehrter
Reihenfolge entspricht, und zwar wiederum im »Individual«-
als auch im »Stammbereich«, so daß Kochs vorläufige
grobe Unterthese zu 1a ist ..., daß die Textsemantik bezüglich
der Abbildung außerlinguistischer Modelle bestimmt ist durch ein
»Bewußtwerden« der Welt vom sprachlichen Modell aus,
d.h. daß der genetische Aufbau der Textkompetenz - phylo- wie ontogenetisch
- etwa der metagenetischen Ordnung folgt: »L-Modell (
[Reime, Rätsel usw.: Abbildungen, Übungen von linguistischer
Struktur]) - SEM-Modell (im L-Modell:
[Fabeln: Abbildungen, Übungen von Semiotisierungsmerkmalen]) - SZ-Modell
(im L-Modell:
[Märchen: Abbildungen, Übungen von soziologischen Regeln]) -
PX-Modell (im L-Modell:
[Legenden o.ä.: Abbildungen, Übungen von Strukturen des Lebendigen
und seiner Enstehung]) - PH-Modell (im L-Modell:
[Mythen: Abbildungen, Übungen von Theorien über die materielle
Entstehungsmatrix von Strukturen überhaupt, Kosmogonien usw.])
(**),
dann kann man sich auch nicht wundern über den schon im Kapitel zuvor
geäußerten Satz Kochs: Das Gesamtverhalten der Welt kann
Stadien aufweisen, in denen es jeweils eines der höheren Systeme
verliert (erst M, dann L usw.), nur gewisse Grundsysteme in PH können
letzlich nicht verlorengehen. (**).
Das, was zuletzt aufgebaut worden ist, wird z.B. im Falle der Aphasie,
wie Jakobson herausgefunden hat, zuerst abgebaut - und vielleicht nicht
nur im Falle der Aphasie, sondern auch im Falle anderer Pathologien oder
der sowohl ontogentischen als auch phylogenetischen Vergreisung (Degeneration,
Demenz, Dekadenz u.ä.).
|
|
|
Genese/Aufbau
(metagenetischer Textkompetenz-Abbau) |
|| |
Metagenese/Abbau
(genetischer Textkompetenz-Aufbau) |
|
Relative
Geschlossenheit |
|
|
|
|
|
M |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
L |
L |
L |
|
|
|
|
|
|
|
|
SEM |
SEM |
SEM |
SEM |
SEM |
|
|
|
|
|
SZ |
SZ |
SZ |
SZ |
SZ |
SZ |
SZ |
|
|
Relative
Offenheit |
|
PX |
PX |
PX |
PX |
PX |
PX |
PX |
PX |
PX |
|
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
PH |
|
|
==============================================================>
Zeit |
|
Bei Koch ist
aber auch zu lesen, daß (2a)
die zweite textgenetische Grundhypothese ... besagt, daß
umgekehrt der pathogene Abbau der Textkompetenz der genetisch aufgebauten
Reihung (nach 1a)
in umgekehrter Reihenfolge entspricht, und zwar wiederum im »Individual«-
als auch im »Stammbereich« (**),
so daß Kochs vorläufige grobe Unterthese zu 1a
ist ..., daß die Textsemantik bezüglich der Abbildung
außerlinguistischer Modelle bestimmt ist durch ein »Bewußtwerden«
der Welt vom sprachlichen Modell aus, d.h. der genetische Aufbau
der Textkompetenz - phylo- wie ontogenetisch - etwa der metagenetischen
Ordnung folgt (**),
was wiederum bedeutet, daß der genetische Aufbau der
Textkompetenz sich von der relativen Geschlossenheit zur relativen
Offenheit vollzieht. Also muß der metagenetische Abbau
der Textkompetenz - phylo- wie ontogenetisch - etwa der genetischen
Ordnung folgen, d.h. sich von der relativen Offenheit zur
relativen Geschlossenheit vollziehen. Dies zuletzt Gesagte auf
das L-Modell bezogen bedeutet, daß dieser Abbau bei den N-Texten
bzw. den N-Textemen beginnt und bei den Phonen (Lauten) bzw. den
Phonemen endet (vgl. die entsprechenden Abildungen).
|
|
|
|
|
L-Genese/L-Aufbau
(metagenetischer Textkompetenz-Abbau)
|
|| |
L-Metagenese/L-Abbau
(genetischer Textkompetenz-Aufbau) |
|
Relative
Geschlossenheit |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Mo., M.-Ref., -Sem., -Rep.,
-G., -P. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Logem/Lexem, L./L.-Ref., -Sem.,
-Rep., -Gr., -Ph. |
|
|
|
|
|
|
Syntaktem, S.-Referem, Semem,
-Repräsentem, -Graphem, -Phonem |
|
|
|
Relative
Offenheit |
|
N-Textem, Bitextem, Textem,
T.-Referem, Semem, -Repräsentem, -Graphem, -Phonem |
|
|
Arbiträrste
Zeichen (Texte), arbiträrste Refereme (Bezeichnete),
arbiträrste Repräsenteme (Bezeichnende) |
|
|
|
==============================================================>
Zeit |
|
|
|
Der Abbau von Textkompetenz
kann auch diktiert werden. Ein Beispiel: Eine politische Opposition
soll verboten werden. Der Bezug zum Bezeichneten ist durch die
Geschichte gegeben (Referem: Opposition existiert, zumindest den
Massenmedien zufolge), das Bezeichnende ebenfalls (Repräsentem:
bestimmte Symbole oder/und Ikone der Opposition). Dann werden
all diejenigen Texte (N-Texteme, Bitexteme, Texteme), deren Refereme,
Sememe, Reprsäsenteme, Grapheme und Phoneme verraten, daß
die Opposition unterstützt werden soll, verboten. Dies auf
die Textebene bezogene Verbot dehnt sich auf die Satz- (Syntkatem
usw.) und die Wortebene (Logem/Lexem usw.) aus und kann sogar
noch weiter in Richtung der relativen Geschlossenheit gehen, d.h.
sogar bestimmte Morpheme mit ihren Referemen, Sememen, Reprsäsentemen,
Graphemen und Phonemen können von diesem Verbot betroffen
werden (das geschieht auch, obwohl selten, aber dennoch schleichend
und dann auch zunehmend) und folglich auch die letzten Bausteine,
die Grapheme einerseits und die Phoneme andererseits, obwohl beide
jeweils nur bedeutungstragend und nicht bedeutungsunterscheidend
sind, doch weil sie die Bausteine aller anderen, offeneren Formen
sind, ist es durchaus möglich, daß auch sie vom Verbot
betroffen werden (die Geschichte hat das gezeigt). Frei vom Verbot,
frei von Krankheit, Mutation, Revolution, Destruktivismus, Nihilismus
ist nichts.
|
|
|
|
In einer vergreisenden Kulturgemeinschaft wird auch zuerst das abgebaut,
was Koch mit M meint, und erst danach auch (Teile von) L,
SEM, SZ, PX; und im Falle der von
Koch angesprochenen Stadien der Welt kann auch vieles, aber nicht alles
von PH verschwinden. Der Abbau in der abendländischen
Kultur geschieht schon seit mittlerweile längerer Zeit unter Zuhilfenahme
von Philosophien (v.a. Ethik), Theologien, Theorien, Ideologien (also:
M), dann z.B. von Ethikerlassen oder Gesetzestexten (
), auch von rein linguistischen Sprachregelungen (= L [ ]),
z..B. die Verkümmerung der Grammatik im Bezug auf N-Text, Bitext,
Text (vgl. z.B. Orwells Neusprech mit Auswirkungen auch auf
die folgenden Bereiche), Syntax (vgl. z.B. die Verkümmerung von Relativsätzen),
Lexikologie (Lexeme bzw. Logeme, also Wörter und Wortarten, und zwar
z.B. solche, die zum Verschwinden gebracht werden [wie z.B. Präpositionen
und Artikel {vgl. z.B. ich geh Tankstelle}, wobei die
grammatischen Kategorien wie Kasus und Numerus ebenfalls verkümmern],
oder solche, die durch Lehnwörter ersetzt werden [z.B. bestehen deutsche
Werbesprüche {Slogans} von Unternehmen fast nur noch
aus englischen Lehnwörtern, und die deutschen Vornamen sind in der
Zeit von den 1960er Jahren an bis zu den 1990er Jahren, also in nur etwa
einer Generation (!), sogar ganz verschwunden], Morphologie (hier sind
die Zerstörer [künstlerisch bejahend Destruktivisten
oder völlig euphemistisch De»kon«struktivisten
genannt] immer noch in der Versuchsphase {Gott sei Dank}) bis hin zu Rechtschreibreformen
usw., wobei tatsächlich die zuletzt aufgebauten Formen zuerst abgebaut
werden, d.h.: Phoneme sind noch gar nicht betroffen, Morpheme nur versuchsweise,
Wortstämme noch relativ selten, aber eher selten gebrauchte Wörter
(Lexeme/Logeme), die ja lang bleiben (während oft gebrauchte Wörter
kürzer werden), schon öfter, Syntakteme sehr viel öfter,
Texteme, Bitexteme und N-Texteme (man denke nur z.B. an Formen der politischen
Korrektheit [natürlich aus dem Englischen kommend {polical
correctness oder nur kurz »pc«}], überhaupt an
all die Anglizismen und an die sich euphemistisch kritische Theorie
nennende Text-Diktatur und Gedankenpolizei namens Frankfurter Schule,
|
Wenn du wissen möchtest,
wer dich regiert, dann frage dich,
wen du nicht kritisieren darfst.
(François Marie Voltaire)
|
die alles kritisiert, besonders diejenigen, die auch einmal kritisieren
wollen [**])
sogar schon sehr häufig, nämlich am häufigsten innerhalb
von L. Gesamtkulturell beginnt dieser Abbau, wie gesagt, bei M (bezogen
auf die Einrichtungen: in Universitäten, Schulen, Kindergärten,
Kindertagesstätten [letztere noch relativ neu - aus eben genau jenem
Grunde] und andere, angeblich für die Bildung zuständige Anstalten),
weil M metagenetisch vor L, genetisch hinter L liegt, also
später aufgebaut worden ist und folglich früher abgebaut
wird, d.h. für unseren Fall (und immer, wie gesagt, bezüglich
der Regel, daß zuletzt Aufgebautes zuerst abgebaut wird): zuletzt
aufgebaute Mathematiken, Philosophien (v.a. Ethiken), Theologien, Theorien,
Ideologien u.ä., wobei entweder nur Teile von ihnen oder sogar sie
selbst ganz verschwinden - je nach Fall (und in unserem Fall - der abendländischen
(= faustischen) Kultur ist das mehr als bei allen anderen zuvor
zusammengenommen, denn die Folgen ihres Abbaus betreffen auch den Rest
der Welt, weil die abendländische Technik die gesamte Welt verzaubert
hat). Koch berichtete 1973-1974 auch, daß die Linguistik sich immer
mehr der Lingualpathologie und - umfassender - der Sprachpathologie zugewendet
habe. Seit Haeckel, Jakobson kann man wissen, daß Aufbau und Abbau
in Wiederholungs- und Spiegelungsbeziehungen stehen, und seit dem sich
in dieser Hinsicht auf Haeckel und Jakobson stützenden Linguisten
Koch kann man wissen, daß der genetische (evolutionäre, geschichtliche)
Aufbau dem metagenetischen (revolutionäre, mutative) Abbau - z.B.
eben der Textkompetenz - entspricht. Das Abwärts der Genese ist ein
Aufwärts der Metagenese - und umgekehrt. Metagenetiker sind Revolutionäre
- immer willkommener für jede Art von Umstürzlern, Nihilisten,
Zerstörern, Destruktivisten, je länger der Abbau der Genese
dauert. Die Hinwendung zur Pathologie ist mittlerweile in fast jeder Wissenschaftsdiziplin
zu finden - kein Zufall in einer erkrankten bzw. vergreisenden Gesellschaft,
die früher noch eine Gemeinschaft war und selbstverständlich
auch so genannt wurde. Der Wille zum Zerstören, zum Nihilismus, zum
Krankmachen, zum Krankreden, zum Krankerklären, zum Krankdiagnostizieren,
zur sehr viel Gewinn bringenden Noch-nicht-tot-aber-doch-sehr-krank-und-alt-Ware
usw. ist im Abendland und seinen Ablegern mittlerweile überall zugegen.
Was wird sein, wenn diese Kultur nicht mehr da sein wird? Nur ihr haben
wir das, was wir den Fortschritt zu nennen gewohnt sind, haben
seit Ende des 18. Jahrhunderts mehr als 90% (etwa 94-97%) der seitdem
auf der Erde befindlichen Weltbevölkerung ihre Existenz zu verdanken.
Was also wird sein, wenn die einzig von der abendländischen (faustischen)
Kultur erfundene, entwickelte und über den gesamten Globus verbreitete
Technik nicht mehr da sein wird, weil sie niemand mehr verstehen und anwenden
können wird? Im Vergleich dazu sind die anderen Beispiele, die die
Geschichte überliefert, sehr harmlos und dennoch auch schon bemerkenswert.
So war z.B. nach dem Untergang der apollinisch-antiken Kultur von ihrer
Mathematik, Philosophie, Theologie (Kosmogonie) u.ä. nichts mehr
da, auch das Wissen um gewisse Techniken (z.B. den Bau von Aquädukten)
nicht mehr.
Die lateinische Sprache hielt sich als Verkehrssprache bis in die frühe
Neuzeit und in abgewandelter Form als Sprache der römisch-katholischen
Kirche (Kirchenlatein) sogar bis heute. Die Umstände (Situationen
bei Koch genannt) spielen eine große Rolle bei der Entscheidung,
was und wieviel den Abbau übersteht oder nicht.
Da jede Wissenschaftsdisziplin - ich wiederhole: jede
(!) - primär mit Zeichen, also mit Sprache zu tun hat und ohne sie
gar nicht wissenschaftlich sein könnte, müssen auch Kochs Modelle
ein wenig kritisert werden.
PH => PX => SZ => SEM => L =>
M (Genese [vor
der Metagenese]) M => L => SEM => SZ => PX => PH
(Metagenese) PH => PX => SZ => SEM => L => M (Genese
[nach der Meteagenese]). |
Das ist die Reihenfolge, die zur richtigen Erkenntnis führt, wie
Koch richtig erkannt hat. Denn der Genese vor der Metagenese fehlt
noch die Metagenese, der Metagenese fehlt noch die Genese nach
der Metagenese, um das tun zu können, wofür sie doch da zu sein
scheint: für die Erkenntnis. Gut. Alle Wissenschaftsbereiche sind
und bleiben auf Sprache bezogen, kommen an ihr nicht vorbei, und darum
müßten sie alle in ihren Bezeichnungen, ihren Modellnamen,
den Kürzeln, immer ein L, meistens auch ein M und ein SEM in oder
bei sich sich tragen, denn das alleinige Sein von z.B. Sonnen, Atomen,
Elementarteilchen (PH), Lebewesen (PX) und deren Gruppen (SZ) ist nur
erkennbar durch Zeichen, nicht durch Statik, sondern durch Dynamik, und
diese Dynamik zeigt uns eine Veränderung oder mehrere Veränderungen,
und dieses Zeigen gehört zu dem, was Zeichen bedeuten. Man kann keine
Atome erkennen, wenn sie sich nicht - in welcher Form auch immer - bewegen,
Zeichen von sich geben. Wenn sich etwas nicht veränderte, wäre
es gleich und also nicht existent, es gäbe nichts,
weil man gar nichts erkennen könnte. Man braucht also für die
Erkenntnis die Veränderung, d.h. einerseits (A1) Zeit und (A2) Raum
und andererseits (B1) Zeichen, (B2) Objekte und (B3) Subjekte (in dieser
und keiner anderen Reihenfolge), was zusammen die Geschichte (Historie,
Evolution, Kosmogenese, kurz: jede Entwicklung) ergibt, wobei die
Zeichen es sind, die als Bezeichnende das zu Bezeichnende bezeichnen (wodurch
das zu Bezeichnende zum Bezeichneten wird), selbst dann, wenn die Rollen
vertauscht würden, und das Bezeichnete (Objekt) zum Bezeichnenden
(Zeichen) werden würde und der Deuter (Subjekt) zum Bezeichneten
(Objekt) werden würde, um dann vielleicht seinerseits zum Zeichen
zu werden. Nur dann, wenn die Zeichen die Hauptrolle spielen, ist es möglich
den Subjekt-Objekt-Dualismus zu zähmen, wenn auch nicht abzuschaffen.
Geht man umgekehrt vor, sind die Fehler vorprogrammiert und deren Anzahl
viel größer als die, die die Zeichenwissenschaft (Sprachwissenschaft),
Zeichenerkenntnis (Spracherkenntnis), Zeichenphilosophie (Sprachphilosophie)
usw. herbeiführen kann und nicht selten auch herbeiführt.
So wie in der Linguistik nicht unbedingt in Sätzen das Subjekt
vorne (Subjekt-Prädikat-Objekt) und damit im Vordergrund stehen muß
(in Chomskys Konstituentenstrukturgrammatik [Phrasenstrukturgrammatik]
besteht ein Satz aus Nominalphrase [NP] und Verbalphrase [VP] und ihnen
untergeordneten Phrasen wie z.B. Präpolitionalphrase [PP], wobei
der Strukturbaum
die Nachbarschaftsbeziehungen bzw. das hierarchisch gegliederte Miteinandervorkommen
abbildet [vgl. auch Phrasenstrukturregeln
der GTG]
und m.E. die zwar nicht aus der Theorie, wohl aber aus den Daten gewonnenen
Ergebnisse eine Deutung in Richtung auf die Bevorzugung des klassischen
Subjekts leider wieder zulassen), sondern auch das Prädikat, das
Verb (vgl z.B. die Verbvalenz in der Valenzgrammatik, einer Art Dependenzgrammatik),
im Vordergrund stehen kann oder im Hauptinteresse sein kann, ja sogar
nicht unbedingt die Satzlinguistik das Hauptgebiet der Linguistik sein
muß, sondern auch der Text es sein kann und mittlerweile oft auch
ist (z.B. eben auch beim Linguisten Koch), so muß auch der Mensch
als Subjekt in dieser Welt nicht das Zentrum der Wissenschaft sein, sondern
sollte es die Sprache, sollten es die Zeichen sein - der Mensch als das
Subjekt, das verobjektivierte Subjekt oder das Objekt rückt dem ja
sowieso gleich hinterher. Wissenschaft ist hauptsächlich Zeichenwissenschaft,
und Zeichenwissenschaft ist Sprachwissenschaft.
Diese, meine Deutung ist nicht neu; sie war bereits im Mittelalter und
nach Unterbrechungen auch im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert,
nach erneuter Unterbrechung besonders im späten und noch mehr im
frühen 20. Jahrhundert angesagt, erreichte sogar eine Linguistische
Wende (**|**),
wurde aber später, weil die Geschichte auch zyklisch und dialektisch
ist, mit Schimpfwörtern wie z.B. Symbolismus bekämpft
und allmählich zurückgedrängt. Jede Geschichte ist
eine Kampf um Anerkennung, um Macht, um die Mittel zur Macht usw., und
deshalb kann es auch kein Ziel im Sinne eines Wir-wissen-jetzt-alles-Ideals
oder einer Wir-leben-jetzt-im-Paradies-Ideologie geben. Es
gibt ein Ziel, doch das ist eines, was fast niemanden völlig befriedigt,
schon gar nicht für die angestrebte Anerkennung durch Angepaßtheit
und also Bequemlichkeit ausreicht, weshalb fast alle lieber einem Ideal
oder, was schlimmer ist, einer Ideologie folgen oder einfach tun, was
alle tun bzw. was fast alle tun, wodurch sich der Kreislauf schließt,
weil ja fast alle lieber einem Ideal oder, was schlimmer ist, einer Ideologie
folgen. Ideologie ist Opium fürs Volk.
|
 |
Wenn man Zeichen wirklich ernst nehmen will - und gerade Wissenschaftler
sollten dies tun wollen und auch tun -, dann kommt man nicht umhin, viele
der heutigen Wissenschaftsdisziplinen über Bord zu werfen, weil
man sie dann nicht mehr ernst nehmen kann. Die Physiker haben damit
keine Probleme, wohl auch die Chemiker nicht, obwohl die sich zumeist
mit anderen Fragen beschäftigen, aber schon bei den Biologen ändert
sich dies, und zwar aus erklärbaren Gründen. Sie fürchten
den Verlust ihrer Untersuchungsgenstände (Objekte [die
ohne Zeichen nichts sind, wie gesagt]), ihrer Zuständigkeiten
und vor allem des ihnen von ihren Forderern und Förderern gegebenen
(zuvor von den Steuerzahlern geraubten) Geldes für die Forschung.
Denn sachlich (eben: objektiv) gibt es an meiner Deutung der Zeichen
und vor allem an der darin enthaltenen Bewertung keinen Fehler.
Die Mächtigsten dieser Welt wollen keine Erkenntnis im allgemeinen
bzw. erkenntnistheoretischen, wissenschaftstheoretischen bzw. philosophischen
Sinne, sondern lediglich diejenige Erkenntnis, die ihnen dazu verhilft,
ihre Macht zu erhalten und, da diese Erhaltung nicht ausreicht, auszudehnen.
Es gibt keine vom Geld und also von den Mächtigsten dieser Welt unabhängige
Wissenschaft mehr. Eine Wissenschaft, die primär Zeichen untersucht,
ist freier und darum eben auch wirklich wissenschaftlicher als die, die
Zeichen nur sekundär oder gar nur tertiär untersucht oder etwa
gar nicht beachtet (ist letzteres überhaupt möglich? [
{ }]).
Eine Wissenschaft, die verobjektivierte Subjekte untersucht,
hilft den Mächtigsten dieser Welt kräftig dabei, völlig
eingeschüchterte Untertanen (lat.: subiecti)
zu züchten, die immer wirksamer kontrolliert werden können.
Eine primär Zeichen untersuchende Wissenschaft ist weniger subjektiv,
mehr objektiv (weil eben primär auf Zeichen - nämlich
auf die Zeichen als Objekte und die Zeichen der Objekte
und erst danach auch die der zu verobjektivierenden Subjekte
( )
- bezogen), kaum bis gar nicht der Kontrolle unterzogen, also fast absolut
frei, solange sie sich nicht von außen beeinflussen läßt
(wogegen sie sich aber zuletzt nicht mehr wehren kann, wie die Geschichte
zeigt). Eine fast absolue freie Wissenschaft gab es nur in ihrer Hochzeit.
Trotzdem bleibe ich bei meiner Forderung: Die Wissenschaftler müssen
wieder mehr von den Zeichen ausgehen und sie an erster Stelle verteidigen.
** **
** **
**

| |