Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken,
während die Natur sich selber hilft.
Die Ärzte glauben, ihrem Patienten sehr viel genützt
zu haben, wenn sie seiner Krankheit einen Namen geben.
Alles ist aus dem Wasser entsprungen! Alles wird durch das Wasser
erhalten!
Johann
Wolfgang von Goethe |
Dem Arzt verzeiht! Denn doch einmal // lebt er mit seinen Kindern.
// Die Krankheit ist ein Kapital, // wer wollte das vermindern.
Johann
Wolfgang von Goethe |
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen! Ihr durchstudiert
die große und kleine Welt, um es am Ende gehn zu lassen, wie's Gott
gefällt.
Johann
Wolfgang von Goethe |
Die Medizin beschäftigt den ganzen Menschen, weil sie sich
mit dem ganzen Menschen beschäftigt.
Johann
Wolfgang von Goethe |
Ehe es die Ärzte gab, kannte man nur Gesundheit oder Tod.
Friedrich
Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt |
Oh ihr Genossen meiner Zeit! Fragt eure Ärzte nicht und nicht
die Priester, wenn ihr innerlich vergeht!
Johann
Christian Friedrich Hölderlin |
Wie gute Verdauung einen gesunden, starken Magen, wie Athletenkraft
muskulöse, sehnige Arme erfordert; so erfordert außerordentliche
Intelligenz ein ungewöhnlich entwickeltes, schön gebautes, durch
feine Textur ausgezeichnetes und durch energischen Pulsschlag belebtes
Gehirn.
Arthur
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, S.
776-777 |
Die Natur ist die beste Apotheke.
Wer das Gießen versteht, ist ein Künstler in der Heilkunde.
Wenn ein Arzt hinter dem Sarg eines Patienten geht, folgt manchmal
tatsächlich die Ursache der Wirkung.
Ohne Mythus aber geht jede Kultur ihrer gesunden schöpferischen
Naturkraft verlustig: erst ein mit Mythen umstellter Horizont schließt
eine ganze Kulturbewegung zur Einheit ab.
Friedrich
W. Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
Musik, 1. Band, S. 140 |
Die Historie, sofern sie im Dienste des Lebens steht, steht im
Dienste einer unhistorischen Macht und wird deshalb nie, in dieser Unterordnung,
reine Wissenschaft, etwa wie die Mathematik es ist, werden können
und sollen. Die Frage aber, bis zu welchem Grade das Leben den Dienst
der Historie überhaupt brauche, ist eine der höchsten Fragen
und Sorgen in betreff der Gesundheit eines Menschen, eines Volkes, einer
Kultur. Denn bei einem gewissen Übermaß derselben zerbröckelt
und entartet das Leben, und zuletzt auch wieder, durch diese Entartung,
selbst die Historie
Friedrich
W. Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
Musik, 1. Band, S. 165 |
Das, was das eine Individuum zu seiner Gesundheit nötig
hat, ist für ein anderes schon Grund zur Erkrankung, und manche Mittel
und Wege zur Freiheit des Geistes dürfen höher entwickelten
Naturen als Wege und Mittel zur Unfreiheit gelten.
Friedrich
W. Nietzsche, Menschliches. Allzumenschliches, 1878-1880,
S. 216 |
Womöglich ohne Arzt leben. Es will mir scheinen,
als ob ein Kranker leichtsinniger sei, wenn er einen Arzt hat, als wenn
er selber seine Gesundheit besorgt. Im ersten Falle genügt es ihm,
streng in bezug auf alles Vorgeschriebene zu sein; im andern Falle fassen
wir das, worauf jene Vorschriften abzielen, unsere Gesundheit, mit mehr
Gewissen ins Auge und bemerken viel mehr, gebieten und verbieten uns viel
mehr, als auf Veranlassung des Arztes geschehen würde. Alle
Regeln haben diese Wirkung: vom Zwecke hinter der Regel abzuziehen und
leichtsinniger zu machen. Und wie würde der Leichtsinn der
Menschheit ins Unbändige und Zerstörerische gestiegen sein,
wenn sie jemals vollkommen ehrlich der Gottheit als ihrem Arzte alles
überlassen hätte, nach dem Worte »wie Gott will«!
Friedrich
W. Nietzsche, Morgenröthe, 1881, S. 229 |
Aber lassen wir Herrn Nietzsche: was geht es uns an, daß
Herr Nietzsche wieder gesund wurde? .... Ein Psychologe kennt wenig so
anziehende Fragen, wie die nach dem Verhältnis von Gesundheit und
Philosophie, und für den Fall, daß er selber krank wird, bringt
er seine ganze wissenschaftliche Neugierde mit in seine Krankheit. Man
hat nämlich, vorausgesetzt, daß man eine Person ist, notwendig
auch die Philosophie seiner Person: doch gibt es da einen erheblichen
Unterschied. Bei dem einen sind es seine Mängel, welche philosophieren,
bei dem andren seine Reichtümer und Kräfte.
Friedrich
W. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 1882, S. 8 |
Zwiegespräch. A. War ich krank? Bin ich genesen?
Und wer ist mein Arzt gewesen? Wie vergaß ich alles das! B. Jetzt
erst glaub ich dich genesen: Denn gesund ist, wer vergaß.
Friedrich
W. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 1882, S. 16 |
Kritik der Tiere. Ich fürchte, die Tiere betrachten
den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher
Weise den gesunden Tierverstand verloren hat, als das wahnwitzige
Tier, als das lachende Tier, als das weinende Tier, als das unglückselige
Tier
Friedrich
W. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 1882, S. 175 |
Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen
für die Nacht, aber man ehrt die Gesundheit. »Wir haben das
Glück erfunden« sagen die letzten Menschen und blinzeln.
Friedrich
W. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, 1883-1885, S. 14 |
Ist Pessimismus notwendig das Zeichen des Niedergangs,
Verfalls, des Mißratenseins, der ermüdeten und geschwächten
Instinkte? wie er es bei den Indern war, wie er es, allem Anschein
nach, bei uns, den »modernen« Menschen und Europäern
ist? Gibt es einen Pessimismus der Stärke? Eine intellektuelle
Vorneigung für das Harte, Schauerliche, Böse, Problematische
des Daseins aus Wohlsein, aus überströmender Gesundheit, aus
Fülle des Daseins? Gibt es vielleicht ein Leiden an der Überfülle
selbst?
Friedrich
W. Nietzsche, Versuch einer Selbstkritik, 1886, S. 3-4 |
Je normaler die Krankhaftigkeit am Menschen ist und wir
können diese Normalität nicht in Abrede stellen , um so
höher sollte man die seltnen Fälle der seelisch-leiblichen Mächtigkeit,
die Glücksfälle des Menschen in Ehren halten, um so strenger
die Wohlgeratenen vor der schlechtesten Luft, der Kranken-Luft behüten.
Tut man das? .... Die Kranken sind die größte Gefahr für
die Gesunden; nicht von den Stärksten kommt das Unheil für die
Starken, sondern von den Schwächsten. Weiß man das?
Friedrich
W. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 1887, in: Werke III,
S. 309 bzw. 863 |
Der Wille der Kranken, irgendeine Form der Überlegenheit
darzustellen, ihr Instinkt für Schleichwege, die zu einer Tyrannei
über die Gesunden führen wo fände er sich nicht,
dieser Wille gerade der Schwächsten zur Macht! Das kranke Weib insonderheit:
niemand übertrifft es in Raffinements, zu herrschen, zu drücken,
zu tyrannisieren. Das kranke Weib schont dazu nichts Lebendiges, nichts
Totes, es gräbt die begrabensten Dinge wieder auf (die Bogos sagen:
»das Weib ist eine Hyäne«). Man blicke in die Hintergründe
jeder Familie, jeder Körperschaft, jedes Gemeinwesens: überall
der Kampf der Kranken gegen die Gesunden ein stiller Kampf zumeist
mit kleinen Giftpulvern, mit Nadelstichen, mit tückischem Dulder-Mienenspiele,
mitunter aber auch mit jenem Kranken-Pharisäismus der lauten Gebärde,
der am liebsten »die edle Entrüstung« spielt. Bis in
die geweihten Räume der Wissenschaft hinein möchte es sich hörbar
machen, das heisere Entrüstungs-Gebell der krankhaften Hunde, die
bissige Verlogenheit und Wut solcher »edlen« Pharisäer
....
Friedrich
W. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 1887, in: Werke III,
S. 310-311 bzw. 864-865 |
Hat man in aller Tiefe begriffen und ich verlange, daß
man hier gerade tief greift, tief begreift , inwiefern es schlechterdings
nicht die Aufgabe der Gesunden sein kann, Kranke zu warten, Kranke gesund
zu machen, so ist damit auch eine Notwendigkeit mehr begriffen
die Notwendigkeit von Ärzten und Krankenwärtern, die selber
krank sind: und nunmehr haben und halten wir den Sinn des asketischen
Priesters mit beiden Händen. Der asketische Priester muß uns
als der vorherbestimmte Heiland, Hirt und Anwalt der kranken Herde gelten:
damit erst verstehen wir seine ungeheure historische Mission. Die Herrschaft
über Leidende ist sein Reich ....
Friedrich
W. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 1887, in: Werke III,
S. 312 bzw. 866 |
Der Priester ... bringt Salben und Balsam mit, es ist kein Zweifel;
aber erst hat er nötig, zu verwunden, um Arzt zu sein; indem er dann
den Schmerz stillt, den die Wunde macht, vergiftet er zugleich die
Wunde darauf vor allem nämlich versteht er sich, dieser
Zauberer und Raubtier-Bändiger, in dessen Umkreis alles Gesunde notwendig
krank und alles Kranke notwendig zahm wird. Er verteidigt in der Tat gut
genug seine kranke Herde, dieser seltsame Hirt er verteidigt sie
auch gegen sich, gegen die in der Herde selbst glimmende Schlechtigkeit,
Tücke, Böswilligkeit und was sonst allen Süchtigen und
Kranken untereinander zu eigen ist, er kämpft klug, hart und heimlich
mit der Anarchie und der jederzeit beginnenden Selbstauflösung innerhalb
der Herde, in welcher jener gefährlichste Spreng- und Explosivstoff,
das Ressentiment, sich beständig häuft und häuft. Diesen
Sprengstoff so zu entladen, daß er nicht die Herde und nicht den
Hirten zersprengt, das ist sein eigentliches Kunststück, auch seine
oberste Nützlichkeit; wollte man den Wert der priesterlichen Existenz
in die kürzeste Formel fassen, so wäre geradewegs zu sagen:
der Priester ist der Richtungs-Veränderer des Ressentiment.
Friedrich
W. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 1887, in: Werke III,
S. 313-314 bzw. 867-868 |
Der Parsifal wird in der Kunst der Verführung ewig
seinen Rang behalten, als der Geniestreich der Verführung .... Ich
bewundere dies Werk, ich möchte es selbst gemacht haben; in Ermangelung
davon verstehe ich es .... Wagner war nie besser inspiriert als
am Ende. Das Raffinement im Bündnis von Schönheit und Krankheit
geht hier so weit, daß es über Wagners frühere Kunst gleichsam
Schatten legt sie erscheint zu hell, zu gesund. Versteht ihr das?
Die Gesundheit, die Helligkeit als Schatten wirkend? als Einwand beinahe?
Friedrich
W. Nietzsche, Der Fall Wagner, 1888, S. 37 |
Nichts ist ungesunder, inmitten unsrer ungesunden Modernität,
als das christliche Mitleid. Hier Arzt sein, hier unerbittlich
sein, hier das Messer führen das gehört zu uns,
das ist unsre Art Menschenliebe, damit sind wir Philosophen,
wir Hyperboreer!
Friedrich
W. Nietzsche, Der Antichrist, 1889, in: Werke III, S. 615
bzw. 1169 |
Abgerechnet nämlich, daß ich ein décadent bin,
bin ich auch dessen Gegensatz. Mein Beweis dafür ist, unter anderem,
daß ich instinktiv gegen die schlimmen Zustände immer die rechten
Mittel wählte: während der décadent an sich immer die
ihm nachteiligen Mittel wählt. Als summa summarum war ich gesund,
als Winkel, als Spezialität war ich décadent.
Friedrich
W. Nietzsche, Ecce homo, 1889, S. 12 |
Ich nahm mich selbst in die Hand, ich machte mich selber wieder
gesund: die Bedingung dazu jeder Physiologe wird das zugeben
ist, daß man im Grunde gesund ist. Ein typisch morbides Wesen
kann nicht gesund werden, noch weniger sich selbst gesund machen; für
einen typisch Gesunden kann umgekehrt Kranksein sogar ein energisches
Stimulans zum Leben, zum Mehrleben sein. So in der Tat erscheint mir jetzt
jene lange Krankheits-Zeit: ich entdeckte das Leben gleichsam neu, mich
selber eingerechnet, ich schmeckte alle guten und selbst kleinen Dinge,
wie sie andre nicht leicht schmecken könnten ich machte aus
meinem Willen zur Gesundheit, zum Leben, meine Philosophie. Denn
man gebe acht darauf: die Jahre meiner niedrigsten Vitalität waren
es, wo ich aufhörte, Pessimist zu sein: der Instinkt der Selbst-Wiederherstellung
verbot mir eine Philosophie der Armut und Entmutigung.
Friedrich
W. Nietzsche, Ecce homo, 1889, S. 12-13 |
Vergleiche ich mich nun mit den Menschen, die man bisher als
erste Menschen ehrte, so ist der Unterschied handgreiflich. Ich
rechne diese angeblich »Ersten« nicht einmal zu den Menschen
überhaupt sie sind für mich Ausschuß der Menschheit,
Ausgeburten von Krankheit und rachsüchtigen Instinkten: sie sind
lauter unheilvolle, im Grunde unheilbare Unmenschen, die am Leben Rache
nehmen. Ich will dazu der Gegensatz sein: mein Vorrecht ist, die höchste
Feinheit für alle Zeichen gesunder Instinkte zu haben.
Friedrich
W. Nietzsche, Ecce homo, 1889, S. 42 |
Das »Übergewicht von Leid über Lust«
oder das Umgekehrte (der Hedonismus): diese beiden Lehren sind selbst
schon Wegweiser zum Nihilismus .... Denn hier wird in beiden Fällen
kein anderer letzter Sinn gesetzt als die Lust- oder Unlust-Erscheinung.
Aber so redet eine Art Mensch, die es nicht mehr wagt, einen Willen, eine
Absicht, einen Sinn zu setzen: für jede gesunde Art Mensch
mißt sich der Wert des Lebens schlechterdings nicht am Maße
dieser Nebensachen. Und ein Übergewicht von Leid wäre möglich
und trotzdem ein mächtiger Wille, ein Ja-sagen zum Leben; ein Nöthig-haben
dieses Übergewichts. »Das Leben lohnt sich nicht«; »Resignation«,
»warum sind die Tränen? ...« eine schwächliche
und sentimentale Denkweise.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 27-28 |
Grundansicht über das Wesen der décadence: was
man bisher als deren Ursachen angesehen hat, sind deren Folgen. Damit
verändert sich die ganze Persprektive der moralischen Probleme. Der
ganze Moral-Kmpf gegen Laster, Luxus, Verbrechen, selbst Krankheit erscheint
als Naivität, als überflüssig: es gibt keine »Besserung«
(gegen die Reue). Die décadence selbst ist nichts, was zu bekämpfen
wäre: sie ist absolut notwendig und jeder Zeit und jedem Volk
eigen. Was mit aller Kraft zu bekämpfen ist, das ist die Einschleppung
des Kontagiums in die gesunden Teile des Organismus. Tut man das? Man
tut das Gegenteil. Genau darum bemüht man sich seitens der
Humanität. Wir verhalten sich zu dieser biologischen
Grundfrage die bisherigen obersten Werte? Die Philosophie, die Religion,
die Moral, die Kunst u.s.w.. (Die Kur: z.B. Militarismus, von Napoleon
an, der in der Zivilisation seine natürliche Feindin sah.)
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 31 |
Gesundheit und Krankheit sind nicht wesentlich
Verschiedenes, wie es die ... Mediziner und ... einige Praktiker glauben.
Man muß nicht distinkte Prinzipien oder Entitäten daraus machen,
die sich um den lebenden Organismus streiten und aus ihm ihren Kampfplatz
machen. Das ist albernes Zeug und Geschwätz, das zu nichts ... taugt.
Tatsächlich gibt es zwischen diesen beiden Arten des Daseins nur
Gradunterschiede: die Übertreibung, die Disproportion, die Nicht-Harmonbie
der normalen Phänomene konstituieren den krankhaften Zustand. So
gut »das Böse« betrachtet werden kann als Übertreibung,
Disharmonie, Disproportion, so gut kann »das Gute«
eine Schutzdiät gegen die Gefahr der Übertreibung, Disharmonie
und Disproportion sein.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 35 |
Zwei Typen der Moral sind nicht zu verwechseln: eine Moral, mit
der sich der gesund gebliebene Instinkt gegen die beginnende décadence
wehrt und eine andere Moral, mit der eben diese décadence
sich formuliert, rechtfertigt und selber abwärts führt.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 190 |
So seltsam es klingt: man hat die Starken immer zu beweisen gegen
die Schwachen; die Glücklichen gegen die Mißglückten;
die Gesunden gegen die Verkommenden und Erblich/Belasteten.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 462 |
Die Erschöpften wollen Ruhe, Gliederausstrecken, Frieden,
Stille es ist das Glück der nihilistischen Religionen und
Philosophien; die Reichen und Lebendigen wollen Sieg, überwundene
Gegner, Überströmen des Machtgefühls über weitere
Bereiche als bisher. Alle gesunden Funktionen des Organismus haben dies
Bedürfnis und der ganze Organismus ist ein solcher nach Wachstum
von Machtgefühlen ringender Komplex von Systemen.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 475 |
Das Bibel-Verbot »du sollst nicht töten!« ist
eine Naivität im Vergleich zum Ernst des Lebens-Verbots an die décadents:
»ihr sollt nicht zeugen!«... Das Leben selbst erkennt keine
Solidarität, kein »gleiches Recht« zwischen gesunden
und entartenden Teilen eines Organismus an: letztere muß man ausschneiden
oder das Ganze geht zugrunde. Mitleiden mit den décadents,
gleiche Rechte auch für die Mißratenen das wäre
die tiefste Unmoralität, das wäre die Widernatur selbst
als Moral!
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 494 |
Gesundheit und Krankhaftigkeit: man sei vorsichtig! Der Maßstab
bleibt die Effloreszenz des Leibes, die Sprungkraft, Mut und Lustigkeit
des Geistes aber, natürlich auch, wieviel von Krankhaftem
er auf sich nehmen und überwinden kann gesund machen
kann. Das, woran die zarteren Menschen zugrunde gehen würden, gehört
zu den Stimulanz-Mitteln der großen Gesundheit.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 663-664 |
Die ja-sagenden Affekte: der Stolz, die Freude,
die Gesundheit, die Liebe der Geschlechter, die Feindschaft und der Krieg,
die Ehrfurcht, die schönen Gebärden, Manieren, der starke Wille,
die Zucht der hohen Geistigkeit, der Wille zur Macht, die Dankbarkeit
gegen Erde und Leben alles, was reich ist und abgeben will und
das Leben beschenkt und vergoldet und verewigt und vergöttlicht
die ganze Gewalt verklärender Tugenden, alles Gutheißende,
Jasagende, Jatuende .
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 675 |
Von jener Höhe der Freude, wo der Mensch sich selber und
sich ganz und gar als eine vergöttlichte Form und Selbst-Rechtfertigung
der Natur fühlt, bis hinab zu der Freude gesunder Bauern und gesunder
Halbmensch-Tiere: diese ganze lange ungeheure Licht-und Farbenleiter des
Glücks nannte der Grieche, nicht ohne die dankbaren Schauder
dessen, der in ein Geheimnis eingeweiht ist, nicht ohne viele Vorsicht
und fromme Schweigsamkeit mit dem Götternamen: Dionysos.
.
Friedrich
W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 685 |
Erst der Kranke fühlt seine Glieder. Daß man eine unmetaphysische
Religion konstruiert und sich gegen Kulte und Dogmen auflehnt, daß
ein Naturrecht den historischen Rechten entgegengestellt wird, daß
man in der Kunst Stile »entwirft«, weil der Stil nicht mehr
ertragen und gemeistert wird, daß man den Staat als »Gesellschaftsordnung«
auffaßt, die man ändern könne, sogar ändern müsse
(neben Rousseaus »Contrat social« stehen völlig gleichbedeutende
Erzeugnisse der Zeit des Aristoteles), das alles beweist, daß etwas
endgültig zerfallen ist. Die Weltstadt selbst liegt als Extrem von
Anorganischem inmitten der Kulturlandschaft da, deren Menschentum sie
von seinen Wurzeln löst, an sich zieht und verbraucht.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 451 |
Der etische Sozialismus ist - trotz seiner Vordergrund illusionen
- kein System des Mitleids, der Humanität, des Friedens und
der Fürsorge, sondern des Willens zur Macht. Alles andere ist Selbsttäuschung.
Das Ziel ist durchaus imperialistisch: Wohlfahrt, aber im expansiven Sinne,
nicht der Kranken, sondern der Tatkräftigen, denen man die Freiheit
des Wirkens geben will, und zwar mit Gewalt, ungehemmt durch die Widerstände
des Besitzes, der Geburt und der Tradition. Gefühlsmoral, Moral auf
das »Glück« und den Nutzen hin ist bei uns nie
der letzte Instinkt, so oft es sich die Träger dieser Instinkte einreden.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 463 |
Man unterscheide in aller Modernität wohl die volkstümliche
Seite, das süße Nichtstun, die Sorge um Gesundheit, Glück,
Sorglosigkeit, den allgemeinen Frieden, kurz das vermeintlich Christliche
von dem höheren Ethos, das nur die Tat wertet, das den Massen - wie
alles Faustische - weder verständlich noch erwünscht ist, die
großartige Idealisierung des Zweckes und also der Arbeit.
Will man dem römischen »Panem et circenses«, dem
letzten epikuräisch-stoischen und im Grunde auch indischen Lebenssymbol,
das entsprechende Symbol des Nordens und auch wieder des alten China und
Ägypten zur Seite stellen, so muß es das Recht auf Arbeit
sein, das bereits dem durch und durch preußisch empfundenen, heute
europäisch gewordenen Staatssozialismus Fichtes zugrunde liegt und
das in den letzten, furchtbarsten Stadien dieser Entwicklung in der Pflicht
zur Arbeit gipfeln wird.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 464-465 |
Am reinsten erscheint der Zusammenhang im Dasein rassestarker
Bauerngeschlechter, die gesund und fruchtbar in ihrer Scholle wurzeln.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 1149 |
Es gibt ... einen natürlichen Rangunterschied zwischen Menschen,
die zum Herrschen und die zum dienen geboren sind, zwischen Führern
und Geführten des Lebens. Er ist schlechthin vorhanden und wird in
gesunden Zeiten und Bevölkerungen von jedermann unwillkürlich
anerkannt, als Tatsache, obgleich sich in Jahrhunderten des Verfalls die
meisten zwingen, das zu leugnen oder nicht sehen. Aber gerade das Gerede
von der »natürlichen Gleichheit aller« beweist, daß
es hier etwas fortzubeweisen gibt.
Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik, 1931, S. 52 |
In dieser steinernen und versteinernden Welt sammelt sich in
immer steigendem Maße entwurzeltes Volkstum an, das dem bäuerlichen
Lande entzogen wird, »Masse« in erschreckendem Sinne, formloser
menschlicher Sand, aus dem man zwar künstliche und deshalb flüchtige
Gebilde kneten kann, Parteien, nach Programmen und Idealen entworfene
Organsisationen, in dem aber die Kräfte natürlichen, durch die
Folge der Generationen mit Tradition gesättigten Wachstums abgestorben
sind, vor allem die natürliche Fruchtbarkeit allen Lebens, der Instinkt
für die Dauer der Familien und Geschlechter. Der Kinderreichtum,
das erste Zeichen einer gesunden Rasse, wird lästig und lächerlich.
Es ist das ernsteste Zeichen des »Egoismus« großstädtischer
Menschen, selbständig gewordener Atome, des Egoismus, der nicht das
Gegenteil des heutigen Kollektivismus ist - dazwischen besteht überhaupt
kein Unterschied; ein Haufen Atome ist nicht lebendiger als ein einzelnes
-, sondern das Gegenteil des Triebes, im Blute von Nachkommen, in der
schöpferischen Sorge für sie, in der Dauer seines Namens fortzuleben.
Oswald
Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 63 |
Es muß immer wieder festgestellt werden: diese Gesellschaft,
in der sich eben jetzt der Übergang von der Kultur zur Zivilisation
vollzieht, ist krank, krank in ihren Instinkten und deshalb auch
in ihrem Geist. Sie wehrt sich nicht. Sie findet Geschmack an ihrer Verhöhnung
und Zersetzung.
Oswald
Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 84 |
Der Liberalismus gegenüber den Tendenzen der Demagogie ist
die Form, in welcher die kranke Gesellschaft Selbstmord begeht. Mit dieser
Perspektive gibt sie sich selbst auf. Der Klassenkampf, der gegen sie
geführt wird, erbittert und erbarmungslos, findet sie zur politischen
Kapitulation bereit, nachdem sie geistig die Waffen des Gegners schmieden
half. Nur das konservative Element, so schwach es im 19. Jahrhundert war,
kann und wird das Ende in Zukunft verhindern.
Oswald
Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 88 |
Die politische Bohême Westeuropas, in welcher der Bolschewismus
sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, setzt sich aus denselben
Elementen zusammen wie die, welche den revolutionären Liberalismus
seit 1770 ausgebildet hat. Ob 1848 in Paris die Februarrevolution für
den »Kapitalismus« oder die Junischlachten gegen ihn erfolgten,
ob »Freiheit und Gleichheit« 1789 die des Mittelstandes, 1793
und 1918 die der untersten Schichten bedeuten sollten in Wirklichkeit
waren die Ziele der Anstifter dieser Bewegungen und ihre letzten Motive
genau die gleichen, und nicht anders steht es heute in Spanien und morgen
vielleicht in den Vereinigten Staaten. Es ist der geistige Mob, an der
Spitze die Gescheiterten aller akademischen Berufe, die geistig Unfähigen
und seelisch irgendwie Gehemmten, woraus die Gangsters der liberalen und
bolschewistischen Aufstände hervorgehen. Die »Diktatur des
Proletariats«, das heißt ihre eigene Diktatur mit Hilfe des
Proletariats, soll ihre Rache an den Glücklichen und Wohlgeratenen
sein, das letzte Mittel, die kranke Eitelkeit und die gemeine Gier nach
Macht zu stillen, die beide aus der Unsicherheit des Selbstgefühls
hervorwachsen, der letzte Ausdruck verdorbener und fehlgeleiteter Instinkte.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 89 |
Das Objekt des Klassenkampfes, das um 1789 »die Tyrannen«
waren die Könige, »Junker« und »Pfaffen«
, wurde um 1850 mit der Verlegung des politischen Kampfes auf wirtschaftliches
Gebiet »der Kapitalismus«. Es ist ein hoffnungsloser
Versuch, dies Schlagwort denn das ist es definieren zu wollen.
Es stammt gar nicht aus wirtschaftlicher Erfahrung, sondern ist moralisch
gemeint, um nicht zu sagen halb christlich. Es soll den Inbegriff des
wirtschaftlich Bösen bezeichnen, die große Sünde der Überlegenheit,
den Teufel, der sich in Wirtschaftserfolge verkleidet hat. Es ist, sogar
in gewissen bürgerlichen Kreisen, ein Schimpfwort für alle geworden,
die man nicht leiden mag, alles was Rang hat, den erfolgreichen Unternehmer
und Kaufmann so gut wie den Richter, Offizier und Gelehrten, sogar die
Bauern. Es bedeutet alles, was nicht »Arbeiter« und Arbeiterführer
ist, alle, die nicht auf Grund geringer Talente schlecht weggekommen
sind. Es faßt alle Starken und Gesunden zusammen in den Augen aller
Unzufriedenen, allen seelischen Pöbels.
Oswald
Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 100-101 |
Man muß wissen, was alles zum Begriff des politischen Lohnes
gehört, um den Druck dieser Lohndiktatur auf das gesamte Wirtschaftsleben
der Völker zu ermessen. Er umfaßt, über die Geldzahlung
weit hinausgehend, die Sorge für das gesamte Dasein »des Arbeiters«,
die ihm abgenommen und »den anderen« aufgebürdet wurde.
»Der Arbeiter« ist zum Pensionär der Gesellschaft, der
Nation geworden. Jeder Mensch hat sich, wie jedes Tier, gegen das unberechenbare
Schicksal zu wehren oder es zu tragen. Jeder hat seine persönliche
Sorge, die volle Verantwortung für sich selbst, die Notwendigkeit,
durch eigenen Entschluß in allen Gefahren für sich und seine
Ziele einzustehen. Niemand denkt daran, dem Bauern die Folgen von Mißernte,
Viehseuchen, Brand und Absatznöten, den Handwerkern, Ärzten,
Ingenieuren, Kaufleuten, Gelehrten die Gefahren des wirtschaftlichen Ruins
und der Berufsuntauglichkeit infolge von mangelnder Eignung, Krankheit
oder Unglücksfällen auf Kosten an derer abzunehmen. Jeder mag
selbst und auf eigene Kosten sehen, wie er dem begegnet, oder er mag die
Folgen tragen und betteln oder nach seinem Belieben in anderer Weise zugrunde
gehen. So ist das Leben. Die Sucht des Versichertseinwollens gegen
Alter, Unfall, Krankheit, Erwerbslosigkeit, also gegen das Schicksal in
jeder denkbaren Erscheinungsform, ein Zeichen sinkender Lebenskraft
hat sich von Deutschland ausgehend im Denken aller weißen Völker
irgendwie eingenistet. Wer ins Unglück gerät, schreit nach den
andern, ohne sich selbst helfen zu wollen. Aber es gibt einen Unterschied,
der den Sieg des marxistischen Denkens über die ursprünglich
germanischen, die individualistischen Triebe der Verantwortungsfreude,
des persönlichen Kampfes gegen das Schicksal, des »amor fati«
bezeichnet. Jeder sonst sucht nach eigenem Entschluß und durch eigene
Kraft dem Unvorhergesehenen auszuweichen oder entgegenzutreten, nur »dem
Arbeiter« wird auch dieser Entschluß erspart. Er allein kann
sich darauf verlassen, daß andere für ihn denken und handeln.
Die entartende Wirkung dieses Freiseins von der großen Sorge, wie
man sie an Kindern sehr reicher Familien beobachtet (*),
hat die gesamte Arbeiterschaft gerade in Deutschland ergriffen: sobald
sich irgendeine Not zeigt, ruft man den Staat, die Partei, die Gesellschaft,
jedenfalls »die anderen« zu Hilfe. (*
Dafür wird dann die kleine Sorge in Gestalt von »Problemen«
der Mode, der Küche, des ehelichen und unehelichen Liebesgezänkes
und vor allem der Langeweile, die zum Überdruß am Leben führt,
zu lächerlicher Wichtigkeit emporgetrieben. Man macht aus Vegetarismus,
Sport, erotischem Geschmack eine »Weltanschauung«. Man begeht
Selbstmord, weil man das ersehnte Abendkleid oder den gewünschten
Liebhaber nicht bekommen hat oder weil man sich über Rohkost und
Ausflüge nicht einigen kann.) Man hat es verlernt, selbst
Entschlüsse zu fassen und unter dem Druck wirklicher Sorgen zu leben.
Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 112-113 |
Ohne praktische Arbeit großen Stils kann ich nicht leben.
Das macht mich vor der Zeit krank.
Oswald
Spengler, Eis heauton, 118 |
Nichts gegen die Ärzte, großartige Leute. Früher,
bei einem Mückenstich, kratzte man sich. Heute können sie Ihnen
zwölf Salben verschreiben und keine nützt, aber das ist doch
Leben und Bewegung.
Der Körper ist morbider geworden, die moderne Medizin weist
ihn ja geradezu auf tausend Krankheiten hin, sie brechen mit wissenschaftlicher
Gewalt aus ihm hervor.
Der Schmerz verschenkt seine Heilkraft dort, wo wir sie nicht
vermuten.
Was bringt den Doktor um sein Brot? // A) Die Gesundheit, B) der
Tod. // Drum hält der Arzt, auf daß er lebe, // uns zwischen
beiden in der Schwebe.
Das menschliche Gehirn ist nicht geschaffen, rationale Prozesse
zu veranstalten, sondern das Überleben eines Organismus zu bewirken.
Karl
Steinbuch, Falsch programmiert, 1968 |
Vor den gesellschaftlichen Nöten verhält sie sich [die
Hinterwelt] wie ein Arzt, der mit den Kranken jammert, sich aber nicht
um die Ursachen ihrer Krankheiten kümmert. Man fummelt an den Symptomen
offensichtlicher Mißstände herum und verschafft sich durch
menschenfreundliche Worte ein gutes Gewissen.
Karl
Steinbuch, Falsch programmiert, 1968 |
Bei technischen Systemen ergibt sich optimale Wechselwirkung zwischen
angepaßten Quellen und Empfängern: Im sozialen Bereich aber
führt diese Überlegung zu der menschlich recht unwürdigen
Vorstellung, optimal wäre das Verhalten des gut geschmierten Rädchens
im Uhrwerk.
Karl
Steinbuch, Falsch programmiert, 1968 |
Wie stark die Korruption auch in der Medizin geworden ist, zeigt
sich bei jedem Arztbesuch. Hier ist nicht so sehr die Tatsache gemeint,
daß Mediziner sich nach wirtschaftlichen Kriterien ausrichten, sondern
die Tatsache, warum und wie sie dies tun.
|