Wiederholungen
(z.B. dem Typus nach )
sind natürlich nicht so zu verstehen, daß beispielsweise aus der Tatsache,
daß jeder Mensch Entwicklungen wie Intrauterinsein, Kindheit,
Jugend, Erwachsensein zu durchlaufen hat, zu schließen
wäre, daß jeder Mensch deswegen auch immer wiederkehrt. (Auch wenn
sich das viele Menschen von dem heute möglich gewordenen Klonen
noch so sehr wünschen!). Nur weil alle Menschen gleiche Milieus und Sphären
brauchen und weil jeder Mensch z.B. geboren wird, bedeutet das doch
nicht, daß jedes menschliche Leben, jedes individuelle Schicksal sich wiederholt.
Selbst der Hinduismus geht nicht davon aus, daß jedes Einzelschicksal sich
wiederholt, sondern daß der Mensch wegen seiner Wiedergeburtlichkeit eine
bestimmte Rolle innerhalb der Gesellschaft wiederholen muß, z.B. als Teil
einer bestimmten Kaste. Es sind Richtmaße
(später: Rechtmäßigkeiten) bzw. Rollenmuster, die so etwas wie
Typen bzw. Rollentypen ermöglichten und immer wieder ermöglichen und
auf Urbilder einer Ur-Erzählung (Ur-Rede als Ur-Mythos) bzw. Urgestalten
einer Ur-Religion (Ur-Gewalt als Ur-Macht) zurückgehen. (Vgl. Universalitäten).
 Wiederholungen
sind immer auch Thema aller abendländischen Lebensphilosophen ( ),
weil sie immer auch abendländische Skeptizisten sind (mal mehr, mal weniger)
und z.B. auch das Runde an der ewigen und unendlichen Vorwärtsbewegung, die
in den Köpfen, Seelen und Körpern der Abendländer tief verankert
ist, berücksichtigen. Kein Wunder, daß für Lebensphilosophen Wiederholungen
auch das Phänomen Geburt betreffen. Die Geburt ist eines der wichtigsten
Themen für die Lebensphilosophie. Sloterdijks Zur-Welt-Kommen
( )
geht zurück auf Heideggers In-der-Welt-Sein ( ),
das wiederum, wie auch Spenglers Primär-Raum ( )
und Nietzsches Ewige-Wiederkehr ( ),
zurückgeht auf Schopenhauers eurobuddhistische Gelassenheit im Nirwana,
verstanden als eine abendländische Radikal-Skepsis ( ),
genauer: ein abendländischer Skeptizismus, der Lebensphilosophie heißt.
Skepsis ist der Habitus, das Überzogene am Gewöhnlichen auflaufen
zu lassen und endgültige Ergebnisse stets als vorläufige hinzustellen.
.... Anders als der Kritizismus, der an Herabsetzungen interessiert bleibt, hegt
die Skepsis Sympathien für Übertreibungen aller Art, im Bewußtsein,
ihnen nicht erliegen zu müssen. (Peter Sloterdijk, Nicht gerettet
- Versuche nach Heidegger, 2001, S. 263, 273). Mit etwas Übertreibung
läßt sich feststellen: Abendland-Skeptizisten faszinieren Wiederholungen.Derartige
Wiederholungen darf man sich nicht einfach nur als eine Bewegung im Kreis und
somit als eine Bewegung im Zweidimensionalen vorstellen. Nein, nein. Derartige
Wiederholungen muß man sich als eine Bewegung in der Spirale und somit als
eine Bewegung im Dreidimensionalen vorstellen. Man nehme dafür Analogien
aus den Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie): Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832 )
benutzte z.B. eine Analogie aus der Botanik, die Spiraltendenz ( )
, um seine Anschauung von der Wiederkehr des ewig Gleichen darzustellen.
Wer es weniger kompliziert machen möchte, bedient sich der Astronomie.Jeder
Umlauf eines Mondes um seinen Planeten, jeder Umlauf eines Planeten um seinen
Stern ist ein anderer, weil sich auch die übergeordneten Systeme bewegen,
aber jede ihrer Bahnen muß, weil sie verordnet ist, so lange
wiederholt werden, bis die anderen Umstände neue Ordnungen erzwingen.
Auf unserem Planeten bleiben
z.B. die Jahreszeiten so lange verordnet und zu ihrer Wiederholung
verdammt, bis die anderen Umstände die Erde dazu veranlassen,
ihre Neigung (= Klima )
aufzugeben. Ein Erdenjahr beträgt ca. 365,25 Tage, weil die Erde für
ihren Umlauf um die Sonne eben so lange braucht - und sie ist zur Wiederholung
verdammt, weil sie ihre verordnete Bahn selbst nicht ändern kann.
Aber wiederholt sich auch ein ganz bestimmtes Kalenderjahr (z.B. das Jahr 79 n.
Chr.), das ja genauso lange dauert wie ein Erdenjahr? Wiederholt sich das
Jahr 79 n. Chr., weil es ja genauso lange dauerte wie ein Erdenjahr und auch durch
Frühling, Sommer, Herbst und Winter gekennzeichnet war? Wenn ja, dann
gäbe es z.B. auch einen verordneten 24. August: Ausbruch des
Vesuv! ( ).
- Daß Geschichte sich auf diese Weise nicht wiederholt, wußte natürlich
auch Spengler, aber er wußte eben dazu noch, daß Geschichte auch von
anderen Umständen, wie Gemachtes von Macht, gemacht
wird, also Richtmaßen ( )
folgt (wie z.B. auch jede Kultur ihrem Seelenbild und ihrem Ursymbol )
- daß sich etwas dem Typus nach wiederholt ( ).
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