Man
kann z.B. die Geschichte des Imperialismus auch so erzählen, daß ihm
dabei zwar keine Sympathie, aber immerhin doch ein gewisses Maß an Verständnis
entgegengebracht wird, daß man ihn nicht überall am Werke wittert und
da, wo er wirklich am Werke ist, ihn differenzierter beurteilt als die antimperialistischen
Ideologen, die vor lauter Feindschaft das Denken aufgegeben haben. Ernst Badian
(**)
behauptete, die Römer hätten noch im 2. Jh. v. Chr. möglichst auf
Annexion verzichtet und weiterhin lediglich auf ihr traditionelles Patronat und
auf Tributzahlungen sowie auf Verwaltungsökonomie gesetzt. Aber offenbar
wurde ihnen die Annexion von außen und innen aufgezwungen, weil es kein
anderes Mittel mehr gegen die immer mehr aufkommende Anarchie gab (**|**).
Rom war von seinem Anfang an eine Patronatsmacht, und seine Außenpolitik
sowie sein Imperialismus zeigten sich auf zweierlei Weise: Roms
Patronat | | Patron | | Klient | | Beneficium | Officia | | Leistung | Gegenleistung |
| | Roms
Außenpolitik bis ins 2. Jh. v. Chr. | | Vermeidung
von Aggression gegenüber den zivilisierten Kulturangehörigen | | Aggression
gegenüber Barbaren | | Öffentlichkeit
(Verpflichtungen) | Keine Öffentlichkeit |
| Keine
Annexion | Annexion |
| | Roms
Imperialismus bis ins 2. Jh. v. Chr. | | Ohne
Gebietszuwachs | | Mit
Gebietszuwachs | | Hegemonie | Expansion | | Keine
Annexion | Annexion |
| Badian
meinte, die Römer hätten immer genau unterschieden zwischen den Gebieten
innerhalb des Kulturkreises (besonders denen im hellenistischen Osten),
in denen sie zivilisert vorgingen, und den Gebieten außerhalb
des eigenen Kulturkreises, in denen sie barbarisch vorgingen. Bis ins 2.
Jh. v. Chr. hinein zeigten die Römer dabei offenbar keine auf Ausbeutung
- wie wir sie seit Beginn unserer Moderne kennen und nennen - ausgerichtete Politik,
sondern begnügten sich mit ihrem Patronat und Tributsystem.
Der
Gegensatz zwischen dem antiken und dem abendländischen Imperialismus (letzterer
ist allerdings noch nicht zu Ende) wird besonders dann erkennbar, wenn man die
beiden unterschiedlichen kulturellen Ursymbole (**)
und Seelenbilder (**)
berücksichtigt: (a) den antiken Menschen, und unter ihnen insbesondere die
Römer, mit ihrer Wirtschaftsbescheidenheit; (b) den abendländischen
Menschen, und unter ihnen insbesondere den Angelsachsen, mit ihrem bis ins Unendliche
gesteigerten Wirtschaftsinteresse (ihrem Wikingergeist [**|**|**|**]).
Und statt eines leicht durchschaubaren apollinischen Verhältnisses
von Patronat und Tributsystem haben wir Abendländer es mit einem absolut
geheimnisvollen, undurchschaubaren, weil völlig im Verborgenen
operierenden und das Patronat und Tributsystem faustisch umfunktionierten
Globalnetzwerk zu tun. In der Antike zeigten sich die Patronen mit ihren
Klienten in aller Öffentlichkeit, im Abendland leugnen in aller Öffentlichkeit
die Herrschenden, mit ihren Partnern und Funktionären etwas zu tun zu haben,
behaupten sogar bei Gelegenheit, ihre Feinde zu sein. **Jede
Kultur hat ihren ganz bestimmten Grad von Esoterik und Popularität, der ihren
gesamten Leistungen innewohnt, soweit sie symbolische Bedeutung haben. (Oswald
Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 419 **).
Die Antike war populär, weil nicht esoterisch. Das Abendland ist esoterisch,
weil nicht populär. |