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Der Glaube ist ein Für-wahr-Halten () bzw. die innere Gewißheit, die von Beweisen unabhängig ist. Man könnte auch sagen: Der Glaube ist ein purer Antizipationseffekt insofern, als er schon wirksam wird, wenn er aufgrund der Antizipation die Existenz der Antizipanten zielwärts motiviert. Man müßte dies in Analogie zum Placebo, den Movebo-Effekt nennen. (Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, 2009, S. 384). Sloterdijk glaubt sogar, daß es keine »Religion« und keine »Religionen« gibt, sondern nur mißverstandene spirituelle Übungssysteme (ebd., S. 12 ). Also: Religionen gibt es nicht (ebd., S. 133), sondern nur Übungen (Trainings). Oder? Was ist Religion?Urglaube - was ist der Urglaube? Vielleicht sollten wir erst einmal mit dem Urglauben anfangen oder sogar zu ihm zurückkehren. Ich habe dazu einige interessante Sätze gefunden, die den Urglauben schon bald wieder aktuell werden lassen könnten:Das, was verbindlich passiert, wenn wir kultisch etwas wiederholt und sorgfältig beachten, ist Religion. (). So ist sie eine vom Glauben an die Existenz eines Gottes, einer Gottheit bestimmte Weltanschauung und Lebensführung, das Gefühl der Verbundenheit, der Abhängigkeit, der Verpflichtung gegenüber einer geheimnisvollen haltgebenden und verehrungswürdigen Macht. Religion ist eine feste Rückbindung.Da Menschen wohl niemals damit aufhören werden, etwas für wahr zu halten () und kultisch etwas wiederholt und sorgfältig zu beachten (), können wir davon ausgehen, daß es für sie den Glauben, die Religion und wahrscheinlich auch die Theologie immer geben wird. Ich gebe zu, dadurch Sloterdijks Satz Religionen gibt es nicht () negiert zu haben, behaupte aber, daß Sloterdijk bei diesem Satz aus Gründen der Rhetorik eine andere Definition von Religion vor sich hatte - wahrscheinlich einen Teilaspekt der Religion. Denn schließlich meint Sloterdijk mit Religionen ja mißverstandene spirituelle Übungssysteme (), und die gibt es! Ich sage: Religion in der oben geschilderten Definition, wozu ich also auch Sloterdijks spirituelles Übungssystem zähle, wird es für Menschen immer geben! Religionen bzw. spirituelle Übungssysteme müssen nicht an Gott gebunden sein, müsen nicht theistisch (), sondern können auch atheistisch () oder z.B. wissenschaftlich (theoretisch/empirisch u.s.w. ) begründet sein.Im weiteren Sinne ist Religion eine zusammenfassende Bezeichnung für eine Fülle historischer Erscheinungen, denen ein spezifischer Bezug zwischen dem überweltlichen, transzendenten Heiligen in personaler Gestalt einer oder mehrerer Gottheiten einerseits und den Menschen andererseits in einer deren Verhalten normativ bestimmenden Weise zugrunde liegt. Die verschiedenen Termini lassen für Religion unterschiedliche Aspekte dieser komplexen Größe deutlich werden. Religion kann zweifach gedeutet werden: als wiederholt sorgfältige Beachtung des Kults und als Verbindung des Menschen mit Gott. Lateiner kannten diese Verbindung z.B. als ein Zurück-Verbinden (lat. religare, wieder verbinden). In den nicht vom Latein beeinflußten Sprachen werden weitere Aspekte sichtbar: Griechisch eusébia bezeichnet Gottesfurcht und Frömmigkeit, das arabische din betont den rechtlichen Aspekt der Religion, das indische Dharma das unerschütterlich Feststehende, das chinesische chiao und das japanische kyo den Aspekt der Lehre. Innerhalb ein und derselben Religion sind unterschiedliche Wertsetzungen möglich, die in den Begriffen der Gesetzes- und der Gefühlsreligion ihren Ausdruck finden. Fast immer aber besteht eine Kluft zwischen der offiziellen Religion der Priester und den volkstümlichen Vorstellungen und Bräuchen. Jede Religion besitzt eine die Gesellschaft strukturierende Kraft, die zur Organisation von Gemeinden, Kirchen oder Orden und sogar bis zur Identifikation der Religion mit dem Staat führen kann.Die Existenzweise des religiösen Menschen zeigt sich in Hingabe an die Gottheit, die vor allem in Gebet, Dank Opfer und in der Heiligung der wichtigsten Einschnitte im Leben zum Ausdruck kommt. Religion schafft menschliche Ausdrucksformen in Sprache und Kunst. Drama, Tanz und Musik sind aus religiösen Handlungen hervorgegangen. Auch wirken Normen der Religion rechtsbildend.Da die Religion Werte und Normen menschlichen Handelns vermittelt, begründet sie auch Mentalität und Einstellung zum Leben und damit eben auch zum Wirtschaften. Weltweite Wirkung erzielte bisher nur das Wirtschaften der Abendländer. (Vgl. Seelenbild und Ursymbol der abendländischen Kultur ). Nicht im Morgenland (wo das Christentum entstand), sondern im Abendland entwickelte das Christentum seine wirtschaftlichen Unternehmungen. Insbesondere der kalvinistische Unternehmertyp wurde zu einem Vorbild jener, die Kapital durch harte Arbeit zu mehren suchen. Diese Orientierung im Diesseits fehlt allen anderen Religionen, also z.B. auch dem morgenländischen Islam.Noch während der Hominisierung, also im Altpaläolithikum, führte der Weg zur Religion über die Entwicklung eines primären Sprachkulturgutes, d.h. einer Grundausstattung der menschlichen Kultur, die sich in dem ersten Feuergebrauch und seiner Begleiterscheinung, der rein kulturellen (früh-) menschlichen Sprache, manifestierte. Diese Primärsprachkultur war es, die Religion ermöglichte. Religiöse Vorstellungen gab es also bereits im Altpaläolithikum, z.B. Jagdzauber und Magie - und weil frühe Menschen großen Raubtieren zum Opfer fielen, wurden vielleicht auch blutrünstige Tiere und blutrünstige Götter in Zusammenhang gebracht, faszinierende Tiere zu kultureigenen Göttern gemacht (was einer symbolischen Zähmung der Raubtiere durch ihre potentielle Beute gleichkommt), Naturkatastrophen als Astroterror mit Götterterror gleichgesetzt sowie das Fasziniert-sein-Wollen durch befremdliche Götter befriedigt. Spätestens im Mittelpaläolithikum waren religiöse Vorstellungen so weit ausdifferenziert, daß Reiligionskulturen entstanden, z.B. die der Neandertaler (Grab, Grabbeigaben). Religiöse Weltanschauungen setzen aber nicht nur eine rein kulturelle Sprache und eine typisch menschliche Sprachentwicklung voraus, sondern auch eine kulturell-natürliche Sprache als Metasprache. Deshalb erreichte die Sprachentwicklung die Stufe der Metasprache sehr wahrscheinlich schon mit dem Höhepunkt (1. Kultursymbol) der Hominisierung, also noch im Altpaläolithikum und lange vor der Sapientisierung. Zum Hauptmerkmal der Religion wurde z.B. der Glaube an eine Fruchtbarkeitsgöttin (Magna Mater). Allgemein jedoch bleibt festzuhalten, daß der Mensch auch während des Jungpaläolithikums noch als Teil der Natur in ihr lebte und auch bestrebt war, durch sein Verhalten nicht in das Gleichgewicht der natürlichen Kreisläufe, die ihm Nahrung und Überleben boten, einzugreifen. Dies änderte sich grundlegend mit der Einführung der produzierenden Wirtschaftsweise. Die sogenannte Neolithische Revolution setzt Seßhaftigkeit voraus und war so etwas wie eine Reformation im Rahmen der Historisierung. Der Vegetationszyklus Säen, Reifen, Ernten fand seinen Niederschlag in religiösen Vorstellungen und wurde verglichen mit dem Lebenszyklus: Geburt, Werden, Tod. In der mesolithisch-neolithischen Religion spielte der Glaube an ein Fortleben nach dem Tode eine große Rolle. Aus Angst vor der Wiederkehr wurden Leichname umschnürt oder verbrannt. Der Ahnenkult dieser Zeit ergänzte den noch vorhandenen Fruchtbarkeitskult und war auf religiöser Ebene verbunden mit dem Glauben an einen Himmelsgott - zumeist identisch mit dem Donner- und Blitzgott. Die Sorge für die Toten wurde jedenfalls überall praktiziert, aber auch der Glaube an Zauber und Dämonen - fast wie heute!- Die Quadratur des Machtkreises - In Vor- bzw. Urkulturen werden die Naturreligionen zunehmend durch Wirtschaft und Technik zugunsten medialer Kunst (Kommunikation) eingeengt; fast gleichzeitig erfolgt der umgekehrte Prozeß: die künstlichen Medien (vielfältiger Sprachkontakt) verbreiten durch Technik und Wirtschaft neue (bzw. differenziertere) Naturreligionen. Diese Regel (Periode) gilt nicht nur für Vor- bzw. Urkulturen, sondern auch für Früh-, Hoch- und Spätkulturen (Zivilisationen). Als Periode erklärt sie letztlich auch den neuzeitlichen Glauben an die Naturwissenschaft bzw. die moderne Naturtheologie (die auf eine neue Naturreligion zusteuert) als eine technisch-ökonomisch motivierte Natur-Geisteswissenschaft () . Macht ist der Kreis, der wegen der Pi-Transzendenz auf ein Quadrat nicht projeziert werden kann, aber mit dem Quadrat flächengleich ist:Jede dieser 4 Geschichtsebenen spricht eine a) rein natürliche Sprache, b) natürlich-kulturelle Sprache, c) rein kulturelle Sprache und d) kulturell-natürliche Sprache. Menschliche Sprache ist nicht nur rein natürlich (kosmisch); natürlich-kulturell ist sie eingebettet in die Sprache aller Lebewesen; rein kulturell ist sie das, was allgemein unter Sprache (Mutter- oder Nationalsprache) verstanden wird, und kulturell-natürlich ist sie Metasprache: Sprache-über-Sprache (Sprache höherer Ebene), mit der die Sprache (Objektsprache als Sprache niederer Ebene) beschrieben wird, z.B. auch als Sprachtheorie, im weiteren Sinne aber sogar überhaupt als Theorie (ursprüngliche Bedeutung: Gottesanschauung) bzw. Theologie, Philosophie, Mathematik, Weltanschauung u.ä.. Feuer ist die rein natürliche Sprache, die menschliche Sprache wirkt wie rein kulturelles Feuer.
Kritik der heiligen Lüge. Daß zu frommen Zwecken die Lüge erlaubt ist, das gehört zur Theorie aller Priesterschaften wie weit es zu ihrer Praxis gehört, soll der Gegenstand dieser Untersuchung sein.Zur Kritik des Manu-Gesetzbuches. Das ganze Buch ruht auf der heiligen Lüge. Ist es das Wohl der Menschheit, welches dieses ganze System inspiriert hat? Diese Art Mensch, welche an die Interessiertheit jeder Handlung glaubt, war sie interessiert oder nicht, dieses System durchzusetzen? Die Menschheit zu verbessern woher ist diese Absicht inspiriert? Woher ist der Begriff des Bessern genommen? Wir finden eine Art Mensch, die priesterliche, die sich als Norm, als Spitze, als höchsten Ausdruck des Typus Mensch fühlt: von sich aus nimmt sie den Begriff des »Bessern«. Sie glaubt an ihre Überlegenheit, sie will sie auch in der Tat: die Ursache der heiligen Lüge ist der Wille zur Macht .... Aufrichtung der Herrschaft: zu diesem Zwecke die Herrschaft von Begriffen, welche in der Priesterschaft ein non plus ultra von Macht ansetzen. Die Macht durch die Lüge in Einsicht darüber, daß man sie nicht physisch, militärisch besitzt .... Die Lüge als Supplement der Macht ein neuer Begriff der »Wahrheit«. Man irrt sich, wenn man hier unbewußte und naive Entwicklung voraussetzt, eine Art Selbstbetrug... Die Fanatiker sind nicht die Erfinder solcher durchdachten Systeme der Unterdrückung .... Hier hat die kaltblütigste Besonnenheit gearbeitet; dieselbe Art Besonnenheit, wie sie ein Plato hatte, als er sich seinen »Staat« ausdachte. »Man muß die Mittel wollen, wenn man das Ziel will« über diese Politiker-Einsicht waren alle Gesetzgeber bei sich klar. Wir haben das klassische Muster als spezifisch arisch: wir dürfen also die bestausgestattete und besonnenste Art Mensch verantwortlich machen für die grundsätzlichste Lüge, die je gemacht worden ist .... Man hat das nachgemacht, überall beinahe: der arische Einfluß hat alle Welt verdorben (). (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 108-109 ).Im arischen Gesetzbuch reinster Rasse, im Manu, ist ... Priester-Geist schlimmer als irgendwo. Die Entwicklung des jüdischen Priesterstaates ist nicht original: sie haben das Schema in Babylon kennengelernt: das Schema ist arisch. Wenn dasselbe später wieder, unter dem Übergewicht des germanischen Blutes, in Europa dominierte, so war dies dem Geiste der herrschenden Rasse gemäß: ein großer Atavismus. Das germanische Mittelalter war auf Wiederherstellung der arischen Kasten-Ordnung aus. Der Mohammedanismus hat wiederum vom Christentum gelernt: die Benutzung des »Jenseits« als Straf-Organ. Das Schema eines unveränderlichen Gemeinwesens, mit Priestern an der Spitze dieses älteste große Kultur-Produkt Asiens im Gebiete der Organisation muß natürlich in jeder Beziehung zum Nachdenken und Nachmachen aufgefordert haben. Noch Plato: aber vor allen die Ägypter. Die Moralen und Religionen sind die Hauptmittel, mit denen man aus den Menschen gestalten kann, was einem beliebt: vorausgesetzt, daß man einen Überschuß von schaffenden Kräften hat und seinen Willen über lange Zeiträume durchsetzen kann. (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109-110 ).
Ist Nietzsche nicht selbst auch jener Priester im Sinne des von mir oben beschriebenen Lebewesens, das die Macht durch so etwas wie Philosophengeist anstrebt? (). Oder ist er eher jener Philosoph, der - neutral, objektiv wie ein Wissenschaftler - nur beschreibt, was er entdeckt und beobachtet hat? Er ist wohl beides. Jedenfalls aber hat er einen großen Beitrag zur Aufklärung über die Möglichkeiten, Macht durch Lüge zu bekommen, geleistet!
Da besonders seit der abendländischen Neuzeit bzw. Moderne () die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich zugenommen haben, haben die Lügen bzw. Umkehrungen der Tatsachen aus den naturwissenschaftlichen Bereichen deutlich abgenommen. Hier besteht also eine Korrelation, die man auch Zunahme des exakten Wissens bei gleichzeitiger Abnahme des traditionellen Glaubens nennen kann. Klar, daß die Priester umdenken mußten und müssen, um überzeugen zu können. Da der B/P-Direktbezug (vgl. Abbildung), der beispielhaft auch in der obigen Abbildung () dargestellt ist, immer mehr an Glaubwürdigkeit verloren hat und angefeindet worden ist, müssen die Mächtigen ebenfalls Neues entwickeln oder die Macht verlieren. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Sie können z.B. ihren heiligen Direktbezug zwischen der Priesterschaft - dem Bereich Philosophie (P) - und den heilgen Ahnen - dem Bereich Biologie (B) - lockern, wodurch sie allerdings auch ihren Mangel an diesbezüglicher Weisheit, diesbezüglichem Wissen, also ihre Wahrheit teilweise als Lüge erkennen lassen müssen, jedoch im Gegenzug ihre Macht-durch-Lüge dadurch retten, daß sie den Direktbezug auf zwei andere Bereiche verlegen, z.B. auf die Bereiche Mathematik (M) und Ökonomie (Ö), indem sie auf den Ö(B)/M(P)-Direktbezug (vgl. Abbildung) setzen. Für die Mächtigen liegt der Vorteil des Ö(B)/M(P)-Drektbezugs darin, daß sie den neuen Direktbezug (Ö/M) auch wieder zurückverlegen können in den klassischen, alten Direktbezug (B/P), und das bedeutet: Mehr Lügen! Die Priester müssen noch intelligenter werden, um noch besser lügen zu können. Eine der wichtigsten Folgen: sie wirken zwar nicht mehr ganz so glaubhaft wie vorher, dafür aber viel überzeugender als vorher - sie haben eben dazugelernt und ihre Argumente ihrer Wahrheit, also ihrer Lüge angepaßt. Ging es vorher darum, wie die Priester mit ihren Gesetzen es schaffen (vgl. die oben beschriebenen Wege 1 und 2 und die Abbildung dazu), den die Lüge-erwerben-Sollenden ihre Ahnen, Heiligen oder Götter glaubhaft und sie darin religiös zu machen (vgl. die oben beschriebenen Wege 3 und 4 und die Abbildung dazu), so geht es jetzt darum, wie die Experten und Priester es schaffen, den die Lüge-erwerben-Sollenden den neuen Direktbezug (Ö/M) glaubhaft und sie darin religiös zu machen, ohne den alten Direktbezug (B/P) unglaubwürdig erscheinen zu lassen, weil der ja immer noch, wenn auch nur noch teilweise, benötigt wird. Durch diesen neuen Direktbezug ist jeder der oben beschrieben vier Wege () kürzer geworden. Noch daramtischer ist es z.B. beim S(Ö,B)/L(P,M)/P-Direktbezug (vgl. Abbildung), der für den Weg 1 zwischen den Bereichen Semiotik (S) und Linguistik (L) als Enttwicklungsweg und für den Weg 4 zwischen den Bereichen Linguistik (L) und Semiotik (S) als Erwerbsweg keinen Platz läßt und dessen neuester Direktbezug (S/L) nicht mehr in einem Gegenüber (vgl. Abbildung), sondern in einer Nachbarschaft (vgl. Abbildung) besteht, wodurch die Mächtigen viel mehr als zuvor, ja fast permanent in der Lage sein müssen, die älteren Dierktbezüge (B/P und Ö/M) zu bevorzugen. Überall Diktatur (bekanntes ähnliches Beispiel: der Orwell-Staat). Hier zeigt sich das, was ebenfalls verleugnet und verborgen wird: der Wille zur Welt-Diktatur, und in Richtung Welt-Diktatur tendiert das heutige westliche System! Man gibt (als Wahrheit, also: Lüge!) vor, daß z.B. Privatisierung mehr Freiheit und mehr Wohlstand bedeute, und in Wirklichkeit überläßt man das privatisierte Volk dem privatisierten Schicksal, läßt eventuelle Gefahren für einen Machtwechsel, die vom nur noch privaten Volk ausgehen können, von Privat-Armeen, Privat-Sicherheitsdiensten und Privat-Polizisten bekämpfen, diktiert diesem Volk eine strengstens überwachte Zensur (die heutige Politkorrektheit ist nur der Anfang davon) und wechselt fast permanent auf die älteren Direktbezüge (B/P und Ö/M), weil es ohne sie nicht geht, obwohl man die doch selbst noch unglaubwürdiger als jemals zuvor gemacht hat. Es dient nicht der Freiheit, sondern der Unfreiheit und Diktatur, wenn alle semiotischen und linguistischen Systeme der Macht-durch-Lüge unterstehen, auch dann, wenn die körperliche Gesundheit und der materielle Wohlstand der unter der Diktatur leidenden Menschen noch wächst. Dies dürfte nicht schwer einzusehen sein - doch Vorsicht: die meisten Menschen bemerken den Trick der Machthaber gar nicht.WelterzeugungenSchon die ersten Religionen erzeugten Welten, denn das, was sie geistig entwickelten, waren Kosmogonien (Welterzeugungen), bei denen auch die Herkunft der Menschen eine Rolle spielt. (Vgl. ). Diese Schöpfungsmythen sind natürlich noch vorrationale, vorwissenschaftliche mythisch-religiöse Lehren von Weltenstehung und Weltentwicklung. Man kann mindestens drei Hauptarten der Kosmogonien unterscheiden: sie ist Schöpfungsgeschichte, wenn sie die Welt in ihrer Gesamtheit als das Produkt eines göttlichen Willens betrachtet; Bildungsgeschichte, wenn die Gottheit einen als vorhanden gedachten, nicht erschaffenden Stoff zur Welt bildet; Entwicklungsgeschichte, wenn ein als ewig angenommener Stoff als sich aus einen Kräften zur Welt in ihrer Mannigfaltigkeit bildend gedacht wird. Kosmogonie ist also die Bezeichnung für die Entstehung der Welt nach mythischer Auffassung sowie für den Mythos, der von ihr berichtet. Diese Berichte geben die religiös intendierte Versicherung einer Ordnung, durch die die Mächte des Chaos gebannt sind. Meist liegt den Kosmogonien die Vorstellung von einem vorzeitlichen Urstoff oder Urwesen zugrunde, aus dem oder durch deren Umbildung die Welt entstanden sei. Von dieser Annahme ist die Anschauung von der Schöpfung aus dem Nichts zu unterscheiden, nach der die Kosmogonie zunächst als Gedanke einer Gottheit konzipiert und dann durch deren Wort verwirklicht wird.
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Gott gilt als der oberste, in der Mythologie und den Religionen meist als Person gefaßte Gegenstand des Glaubens, geglaubt als ein Wesen mit übernatürlichen d.h. außergewöhnlichen Eigenschaften und Kräften; im höchsten Sinne ein Wesen mit allen Eigenschaften der Vollkommenheit, der Inbegriff der Vollkommenheit als seiend geglaubt und verehrt.Im Lichte der Gottesvorstellung erschienen von Anfang an auch mächtige Naturkräfte und Naturdinge; der lichte Tageshimmel, die Sonne, der Mond u.s.w., zuerst noch naiv als die Erscheinung selbst verehrt, später in den von ihnen beherrschten Erscheinungen als hinter oder in den Naturereignissen wirkend gedachte unsichtbare, unfaßbare Kräfte (vgl. Animismus), als geistige Wesenheiten gefürchtet oder verehrt. Damit wurden sie zugleich zu ldeal- und Wunschwesen: sie sind, was und wie der Mensch nicht ist, aber sein möchte. Sie bringen Klarheit und Festigkeit in das verworrene und labile Dasein. Wer ihnen gehorcht, ihre Gebote befolgt, sich ihnen mit Opfern angenehm macht, den begaben und begnaden sie; zuerst nur mit materiellen, später auch mit geistigen Gütern, und lassen ihn an ihrer Einsicht, ihrer Macht, endlich auch an ihrer Unsterblichkeit im Jenseits teilnehmen. Sie verleihen dem Leben einen höheren Sinn und gelten als die Vertreter eines allg. Prinzips, durch das die Welt samt ihren Übeln und Leiden verständlich wird, durch das auch die Rätsel der eigenen Seele - z.B. der Kampf zwischen Tier und Engel (A. Gide) - eine Erklärung finden; auch Erlösung.
Ein Weg, den Menschen aus seiner Erniedrigung zu ziehen, welche der Abgang der hohen und starken Zustände, wie als fremder Zustände, mit sich brachte, war die Verwandtschafts-Theorie. Diese hohen und starken Zustände konnten wenigstens als Einwirkungen unserer Vorfahren ausgelegt werden, wir gehörten zueinander, solidarisch, wir wachsen in unseren eigenen Augen, indem wir nach uns bekannter Norm handeln. Versuch, vornehmer Familien, die Religion mit ihrem Selbstgefühl auszugleichen. Dasselbe tun die Dichter und Seher, sie fühlen sich stolz, gewürdigt und auserwählt zu sein zu solchem Verkehre,sie legen Wert darauf, als Individuen gar nicht in Betracht zu kommen, bloße Mundstücke zu sein (Homer). Schrittweises Besitz-ergreifen von seinen hohen und stolzen Zuständen, Besitz-ergreifen von seinen Handlungen und Werken. Ehedem glaubte man sich zu ehren, wenn man für die höchsten Dinge, die man tat, sich nicht verantwortlich wußte, sondern Gott die Unfreiheit des Willens galt als das, was einer Handlung einen höheren Wert verlieh: damals war ein Gott zu ihrem Urheber gemacht. (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 102 ). Nietzsche zufolge gibt es ja-sagende und nein-sagende Religionen: Wie eine ja-sagende arische Religion, die Ausgeburt der herrschenden Klasse, aussieht: das Gesetzbuch Manus. (Die Vergöttlichung des Machtgefühls im Brahmanen: interessant, daß es in der Krieger-Kaste entstanden und erst übergegangen ist auf die Priester.) Wie eine ja-sagende semitische Religion, die Ausgeburt der herrschenden Klasse, aussieht: das Gesetzbuch Mohammeds, das alte Testament in den älteren Teilen. (Der Mohammedanismus, als eine Religion für Männer, hat eine tiefe Verachtung für die Sentimentalität und Verlogenheit des Christentums ..., einer Weibs-Religion, als welche er sie fühlt .) Wie eine nein-sagende semitische Religion, die Ausgeburt der unterdrückten Klasse, aussieht: das neue Testament ( nach indisch-arischen Begriffen: eine Tschandala-Religion). Wie eine nein-sagende arische Religion, gewachsen unter den herrschenden Ständen: der Buddhismus. Es ist vollkommen in Ordnung, daß wir keine Religion unterdrückter arischer Rassen haben: denn das ist ein Widerspruch: eine Herrenrasse ist obenauf oder geht zugrunde. (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 110-111 ). Aus Gründen der Übersicht hier nun folgend das an vier von Nietzsche gegebenen Beispielen orientierte Schema:
Manu
ist in der indogermanischen Mythologie der erste Mensch, Held und heilige König
der Erde, siehe Mannus (Gott; sagenhafter Stammvater der Germanen
[Tacitus zufolge]). Manu ist verwandt mit dem gemeingermanischen (urgermanischen)
Wort manna / mannuz / mannaz mit der Bedeutung Mann
/ Mensch. Im Hinduismus ist Manu (vgl. sanskrit manu = Mann,
Mensch, Menschheit) der Urvater der Menschheit, jedoch auch die Menschheit an
sich (vgl. Manusmriti = Gesetzbuch des Manu, Manugesetzbuch).Vom Theismus bis zum AtheismusTheismus ist der Glaube an einen Gott, der perönlich, außer- und innerweltlich, selbstbewußt und selbsttätig, als Schöpfer, Erhalter und Lenker der Welt gedacht wird. Gegensätze dazu sind: Deismus und Atheismus.
Wissenschaftliche Erkenntnis und philosophisches Denken führen zum Atheismus oder zum Deismus oder, um den Theismus noch ein wenig zu retten, zum Pantheismus. Der Atheismus leugnet, daß Gott existiert, der Deismus leugnet, daß Gott die Welt lenkt, der Pantheismus leugnet, daß Gott und Welt verschieden sind, denn er behauptet, daß beide im wesentlichen identisch bzw. relativ identisch sind, ganz genau behauptet er: daß (1) nur Gott oder (2) nur Welt (aber mit dem Namen Gott!) existiert oder (3) Gott transzendent (die Welt sich in ihm verwirklichend) oder (4) Gott immanent-transzendent (in der Welt sich verwirklichend) ist.Für den Gläubigen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller seiner Überlegungen. Nach dem Physiker Steven Hawkins erkennt man Gottes Willen dadurch, daß man die Gesetze der Natur erkennt. Für ihn und viele andere Wissenschaftler ist der Gotteswille identisch mit Naturgesetz. Und: Pantheismus ist die heimliche Religion der Deutschen (Friedrich E. D. Schleiermacher, 1768-1834 ). Der Pantheismus macht die Natur (die Welt, das All) zu Gott oder Gott zur Natur (zur Welt, zum All), und ist - so gesehen - religiöser Naturalismus oder naturalistische Religion. Und: Pantheismus ist die vornehme Form des Atheismus. (Arthur Schopenhauer, 1788-1860 ).Der
Pantheismus tritt in 4 Hauptströmungen auf als: |
[1] | Theomonistischer Pantheismus. Allein Gott besteht. (Vgl. Weltlosigkeit, Akosmismus). Die Eigen-Existenz der Welt wird aufgehoben. |
[2] | Physiomonistischer Pantheismus. Allein die Welt besteht, die nur Gott genannt wird. Die Eigen-Existenz Gottes wird aufgehoben. |
[3] | Transzendenter Pantheismus, den man auch Panentheismus nennt, weil er Theismus und Pantheismus in sich vereinen soll. Das Weltall ruht in Gott, die Welt ist eine Erscheinungsweise Gottes. Es ist weniger eine All-Gott-Lehre (Pantheismus) als viel mehr eine All-in-Gott-Lehre (Panentheismus), denn behauptet wird nur das Enthaltensein des Weltganzen in Gott. (Synonym: Mystischer Pantheismus). Die Eigen-Existenz der Welt wird nicht aufgehoben, aber relativiert. |
[4] | Immanent-transzendenter Pantheismus. Gott verwirklicht sich in den Dingen der Welt. Die Eigen-Existenz Gottes wird nicht aufgehoben, aber relativiert. |
Bedenklich macht, daß auch heute noch die Vorstellung, böse Geister seien imstande, in jeden Körper zu fahren, so weit verbreitet ist, daß man berechtigt ist, in ihr einen Elementargedanken zu sehen. Nach der Auffassung der Gläubigen dient eine solche Invasion dem Zweck, Menschen in Automaten der Dämonen umzuwandeln. Da die Eindringlinge vor Toten nicht halt machen, haben die Chinesen des Altertums zuweilen Mund und Anus von Verstorbenen mit Pfropfen aus Wachs oder Jade versiegelt. Bei manchen altgermanischen Stämmen fesselte man die Beine der Toten an den Rücken und begrub sie mit dem Gesicht zur Erde, um ihnen die Rückkehr zu erschweren. (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 457). Ohne Glauben könnten wir gar nicht leben. In der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft lebt jeder, was das Wissen betrifft, aus zweiter oder dritter Hand. Bei den meisten Dingen, die unseren unmittelbaren Lebens- und Kompetenzbereich überschreiten, bleibt uns nichts anderes übrig, als an das Wissen der anderen zu glauben. In den meisten Angelegenheiten sind alle dazu verurteilt, gläubige Mitwisser zu sein. Da jeder nur Spezialist für Bestimmtes ist und Laie in Bezug auf den riesigen Rest, wächst mit der spezialisierten Wissensgesellschaft auch die Glaubensgemeinschaft. Je mehr Wissen, desto mehr Glauben an das Wissen der anderen. Diese Art des Glaubens hat also auf jeden Fall eine große Zukunft. (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004).Es gibt in der Wissensgesellschaft Felder, wo in diesem Sinne besonders intensiv geglaubt wird. Wenn die Wirtschaftsweisen im Fernsehen wie Schamanen aus den Kulissen treten und ihre Orakelsprüche verkünden, dann sollen wir an die verkündeten Konjunkturprognosen glauben. Aber so glauben wir auch an die Psychoanalyse, an den Urknall, an das Chaos in der Natur, an die künftige Klimakatastrophe, an die Entropie samt kosmischem Wärmetod, an die egoistischen Gene und an vieles andere mehr. Zwar könnte man sagen, das seien nur Formen des Für-wahrscheinlich-Haltens (und: Glauben = Für-wahr-Halten; auch Wissenschaften entstehen aus dem Fürwahrhalten, also: Glauben; HB ), die deshalb wenig mit dem religiösen Glauben zu tun hätten. Und doch nähern wir uns dabei dem religiösen Feld, weil es hier um Zuversicht oder Angst in bezug auf Themen geht, die lange Zeit genuin religiöse Themen waren. Wer an den Urknall glaubt, hält nicht nur eine wissenschaftliche Hypothese für wahrscheinlich, sondern glaubt daran wie an die göttliche Weltschöpfung. Und an die Entropie-Hypothese mit dem schließlichen Wärmetod kann man auch glauben wie an die Apokalypse. (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004).Noch in einem anderen Sinne leben wir alltäglich aus dem Glauben. Der Mensch ist das Tier, das versprechen kann, hat Nietzsche (1844-1900 ) einmal gesagt. Der eine verspricht, der andere glaubt ihm. Glauben ist auf beiden Seiten im Spiel, denn auch der Versprechende muß an sich selbst glauben, genauer: an sein künftiges Selbst, das ein gegebenes Versprechen einhalten soll. Ich verspreche, weil ich an mich glaube und du glaubst mir, weil ich verspreche. Diese Art des Glaubens zirkuliert zwischen den Menschen und ist so lebensnotwendig wie die Luft zum Atmen. Es ist ein Glaube, dem wir im Interesse unserer Lebensfähigkeit eine Zukunft wünschen müssen. Der Mensch lebt, anthropologisch gesehen, auf Kredit. (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004).Unsichtbaren Religion ist eine religiöse Glaubensvorstellungen und Praktiken, an denen man gleichzeitig (oder in Verbindung) mit denen der offiziellen Religion, zu der man gehört, festhält: diese hat damit eine enge Verbindung zu der nichtoffiziellen Religion. Dazu gehören z.B. solche Fälle wie der Aberglaube und das Paranormale und auch (weil diese wahrscheinlich von der offiziellen Religion zurückgewiesen werden) jene Glaubensvorstellungen und Praktiken, die aus anderen Religionen stammen. Im erweiterten Sinne unterstützt die These von der Unsichtbaren Religion die Argumentation von Thomas Luckmann (in seinem Buch: Das Problem der Religion in der modernen Gesellschaft, 1963), daß die These von Émile Durkheim (1858-1917) und Max Weber (1864-1920 ) richtig ist, daß die Religion den Schlüssel zum Verständnis der Gemeinschaft und den Standort der Einzelnen in der Gemeinschaft darstellt. Laut Luckmann ist die Religion das, was die Einzelnen in die Lage versetzt, über ihre biologische Natur hinauszugehen, wodurch Luckmann Religion beinahe zu einem Syonym für Kultur macht. Der Einzelne wird laut Luckmann zur Person, indem er seine biologische Natur transzendiert. Sinnhaftigkeit ist ein spezifisch menschliches und zugleich das grundlegende gesellschaftliche Phänomen. Es ist bestimmend für das in der Gesellschaft geprägte Selbst des Menschen. In der Begegnung mit anderen wird das Individuum auf sich verwiesen als ein einheitliches Selbst. Von diesem ihrem wichtigsten Aspekt her gesehen ist Vergesellschaftung ein Prozeß der religiösen Individuation. (Ebd.). Dies ist zwangsläufig unsichtbar, denn es liegt doch jeder bestimmten sichtbaren Religion zugrunde und ist weitgestreuter als diese. Richard Dawkins erstellte für sein Buch Der Gotteswahn (2006) eine Skala mit 7 graduellen Überzeugungen, die vom (1) überzeugten Theisten der nicht glaubt, sondern weiß, daß es einen Gott gibt, bis zum (7) überzeugten Atheisten reicht, der weiß, daß es keinen Gott gibt. In der Mitte (4) liegt der reine Agnostiker, der weiß, daß er nicht wissen kann, ob es einen Gott gibt oder nicht. Dawkins schätzt sich übrigens selbst als (6) De-facto-Atheist ein: Ich schätze die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes als sehr gering ein und lebe mein Leben entsprechend. (Ebd.).IndogermanenDie Indogermanen (auch: Indoeuropäer, Arier) sind uns dank der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft sehr gut bekannt (vgl. Indogermanistik). Die Religion der Indogermannen kennt keinen mit demjenigen des Morgenlandes verwandten Schöpfungsgedanken. Der Indogermnane steht zu seiner Gottheit in keinem Untertanen- oder Knechtverhältnnis. In der indogermnaischen Religiosität gibt es auch keinen Gegensatz von Leib und Seele. Nie haben Indogermannen gewähnt, frömmer zu werden, wenn sie von ihrem Diesseits ein Jenseits ablösten und dann das Diesseits entwerteten zu einem Schauplatz des Jammers, der Heimsuchungen und der erlösungsbedürftigen Gebrechklichkeit, dafür aber dem Jenseits alle Seelenwonnen zuschrieben, zu denen eine diesseitsflüchtige Seele sich ein Menschenleben lang hinübersehnen müsse. (Hans Friedrich Karl Günther, Frömmigkeit nordischer Artung, 1934 ).Wie schon gesagt: Das priesterliche Gesetz erfanden also die Indogermanen: das Gesetzbuch Manus () in Indien ist die älteste schriftliche Legitimation priesterlicher Macht (). Man hat das nachgemacht, überall beinahe: der arische Einfluß hat alle Welt verdorben. (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109 ). Laut Nietzsche ist der Brahmanismus eine ja-sagende Religion.Lesen wir mehr Wissenswertes über den
Glauben, und |
Zwölf-Götter-Altar |
Aus Homer und Hesiod schöpften die Hellenen ihre theologischen Vorstellungen auf ganz ähnliche Weise wie wir aus dem Alten und Neuen Testament. Ihre heiligen Schriten waren profane Gedichte, und dies ist sehr bezeichnend für den Charakter ihres Glaubens, im guten wie im schlechten Sinne. Die griechische Religion ist nicht minder ein Kunstwerk der Plastik als die griechische Sprache und das griechische Epos, und wie eine Genietat ist sie plötzlich da. Die finsteren Sagen von Kronos und den Titanen sind vielleicht die letzten dumpfen Klänge, die von der kretischen Religion in die Zeit Hesiods herüberwehten, und der Kampf des Zeus und seiner Mitgötter gegen diese ganz anders geartete Dämonenwelt symbolisiert den Sieg des olympischen Glaubens. In dem bekannten Zwölfgötterstaat ist Hestia, die im ionischen Epos noch nicht vorkommt, bloß zur Abrundung hinzugefügt: sie bedeutet einfach »Herd« und hat es zu keiner rechten Personifikation gebracht. Dagegen fehlt (noch; HB) der so wichtige Dionysos. Der »blitzefrohe« Zeus ist pater andron te qeon te, Vater der Menschen und Götter, als Horkios Hüter des Eids, als Xenios Schützer der Gastfreunde, in beiden Funktionen nicht immer zuverlässig. Als Himmelsgott hat er die Herrschaft über die ganze Natur, die er aber andrerseits wieder mit seinen beiden Brüdern Poseidon, dem Herrn der Gewässer, und Hades, dem Fürsten der Unterwelt, dem »verhaßtesten der Götter« teilen muß. Apollon ist der Patron der Musik und der Mantik, der Heilkunst und Schützenkunst, aber seine Pfeile senden auch Seuchen. Er ist die Gottheit der Sonne, aber als »Silberbogiger« auch des Mondes wie seine Zwillingsschwester Artemis, die als »pfeilfrohe« Jägerin und als Beschützerin des Wildes ebenfalls eine Doppelrolle spielt. Die Bedeutung der anderen drei Göttinnen Hera, Aphrodite, Athene und des Hephaistos, Ares und Hermes ist allgemein bekannt. Besonders die beiden letzteren sind ausgesprochen unmoralisch! Ares ein Rowdy, Hermes ein Dieb. Hinter diesen Hauptgöttern rauscht eine leuchtende Schleppe von niederen Gottheiten: Seirenen und Nereiden, deren Gesang und Geplauder das Meer tönen macht, Dryaden und Oreiaden, die in Wäldern und Bergen hausen, Satyrn und Silenen, die als Halbböcke und Halbpferde umhertollen, Moiren und Erinyen, die die ernste Seite des Lebens verkörpern, Wiesen- und Quellnymphen, Chariten und Musen. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 79-80). Was an den griechischen Göttern zuvörderst auffällt, ist die vornehme Schönheit und geschmackvolle Einfachheit, man möchte fast sagen: Eleganz ihrer Erscheinung. Auch in Nahrung, Wohnung, Hofstaat herrscht bei ihnen eine edle Frugalität. Ihre Paläste sind schlicht, die ganze Dienerschaft des Olymp besteht aus den drei Personen Hebe, Iris, Ganymed, und Nektar und Ambrosia sind offenbar sehr bescheidene Genüsse, übrigens, ebenso wie Ichor, das Blut der Götter, merkwürdig materialistische Begriffe: die Himmlischen bedürfen der Speise, des Tranks und des Lebenssafts nicht minder als die Irdischen, nur eben in »unsterblicher« Form. Überhaupt besitzen sie die wenigsten von jenen Eigenschaften, die man von einer Gottheit erwarten würde. Sie sind nicht allgütig, sondern voll Tücke, Rachsucht und Parteilichkeit, nicht allgegenwärtig, können aber allerdings blitzschnell überall erscheinen, nicht allmächtig, schon wegen ihrer gegenseitigen Konkurrenz und weil über ihnen die Moira steht, nicht allwissend (nur Apoll in seiner Erscheinungsform als Helios ist es bisweilen), vielmehr täuschbar und manmmal geradezu beschränkt. Athene rühmt sich, die Götter an Klugheit ebenso zu übertreffen wie Odysseus die Menschen: sie weiß, daß es unter den Unsterblichen auch einige ziemlich Dumme gibt. Auch Zeus wird mehr als einmal überlistet. Die Heimkehr des Odysseus wird im Götterrat hinter dem Rücken des ahnungslosen Poseidon beschlossen (was übrigens auch die Ohnmacht des Götterkönigs beweist, sonst hätte er diese Völkerbundsitzung nicht nötig). Zwar heißt es bei Homer des öftern: »Zeus wird's wissen und die andern unsterblichen Götter«; aber das ist bloß Redensart. Andrerseits wieder wissen sie um das Zukünftige: eine Gabe, die allerdings nicht bloß Zeus und den Hauptgöttern, sondern auch Halbgöttern, Heroen, sogar Pferden verliehen ist. Aber wenn sie es wissen, warum greifen sie dann so leidenschaftlich in den Kampf ein? Übrigens ist ihnen nur ein gelegentliches Intervenieren verstattet, denn sie sind nicht Weltregenten und nom weniger Weltschöpfer, vielmehr selber geschaffen, weswegen auch ihre Geburtstage gefeiert werden. Es ist aber bemerkenswert, daß der griechische Mythos wohl eine Götterentstehung, aber keine Götterdämmerung kennt. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 80-81). Eine eigene Welt bilden die »chthonischen« Götter der Erdtiefe, die bei Homer fast gar keine, bei Hesiod schon eine wesentlich größere und im Volksglauben eine sehr gewichtige Rolle spielen. Demeter, die eigentlich Gemeter, »Mutter Erde« heißt, ist die Patronin des Ackerbaus und ihre Tochter Persephone die Herrin des Todes, meist Kore, die »Jungfrau«, genannt, da man ihren schrecklichen Namen nicht auszuspremen wagte. Auch Dionysos ist ein chthonischer Gott. Am Wochenbett und an der Totenbahre steht Hekate, sonst haust sie zwischen Grabsteinen. Dem Menschen begegnet sie an Kreuzwegen, im Mondschein, in der Mittagsglut, immer zu seinem Schaden. Die Schreckgestalten der Gorgo und Mormo, die Lamia und die Empusa sind ihre Doppelgängerinnen. Oft ist sie von einer richtigen »wilden Jagd« begleitet: feurigen Höllenhunden und der Gespensterschar der unerlösten Seelen, die ohne ehrliches Begräbnis, durch Gewalt oder »vor der Zeit« abgeschieden sind: einer ihrer vielen Namen, Baubo, äfft tonmalend das Jammergeheul ihrer Meute nach. Sie ist die Stammutter aller Hexen der Welt. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 81-82). Einen richtigen Klerus gab es in Griechenland nicht. Der Priester bedient das Heiligtum, opfert für die Gläubigen, verwaltet die Tempeleinkünfte und legt den Willen der Gottheit aus. Er ist ein gewöhnlicher Staatsbeamter oder auch nur Privatmann, der über gewisse technische Kenntnisse verfügt oder zu verfügen vorgibt, von keiner besonderen Heiligkeit umgeben, höchstens durch einen ebvorzugetne Platz im Theater und in der Volksversammlung geehrt, auch keine »unsichtbaren Kirche« oder sonstigen höheren Gemeinsmaft angehörig und weder Prediger noch Jugendlehrer. An großen Heiligtümern gebietet er über ein zahlreiches Personal von Opferdienern und Tempelsklaven, Wächtern und Schatzmeistern, aber sonst bestand keinerlei Hierarchie als die des persönlichen Ansehens. Man wird die Stellung des griechischen Priesters vielleicht am ehesten mit der unserer Professoren und Doktoren vergleichen können, die man in allerlei wissenschaftlichen Fragen konsultiert und nach dem Grade ihres Renommees und der Bedeutung der Anstalt schätzt, der sie an angehören, im übrigen aber weder für unentbehrlich noch für sakrosankt hält. Zum Verkehr mit der Gottheit bedurfte es keines Vermittlers; der König opferte für die Gemeinde, der hausvater für die Familie. Das Wichtigste blieb überhaupt zu allen Zeiten der der Hauskult. Die Staatsfeste trugen durchwegs religiösen Charakter; an Zahl kamen die Feiertage, an denen alle Geschäfte ruhten, etwa den unserigen gleich; etwas, das unserem regelmäßigen Sonntag entsprochen hätte, gab es aber nicht. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 87-88). Jakob Burckhardt nennt die griechische Religion sehr schlagend »eine Temperamentsform des griechischen Volkes«. Sie war die prachtvollste Mythologie, die ein Volk je besessen hat, und später bei einigen Philosophen Metaphysik und Ethik, aber eine Religion im höheren Sinne kann man sie schon deshalb nimt nennen, weil sie den Schidtsalsbegriff nie losgeworden ist. Auch dieser ist, wie alle Glaubensvorstellungen, etwas recht Widerspruchsvolles: er bedeutet bald eherne Notwendigkeit, bald launischen Zufall, bald klare Vergeltung, bald geheimnisvollen Erbfluch, immer aber ist er höchst fatalistisch. Ananke ist das fühllose Verhängnis, heimarmene die unentrinnbare Bestimmung, aisa (= h iVe, episch eiVh) das für alle gleiche Geschick; tyche das unberechenbare Glück (oder Unglück), patmos das fallende Los, ate die gottgesandte Verblendung; auch agos, die Blutsmuld, und alastor, der Rachegeist, sind, wie jedermann aus der Tragödie weiß, blindwaltende Mächte. Der landläufigste Begriff aber ist die moira, der »Anteil«, der dem Menschen bei seiner Geburt unwiderruflich zugesponnen wurde. Gegen die Moira vermögen die Götter nichts, wenigstens für gewöhnlich: denn manchmal sieht es auch so aus, als ob sie ihr Werkzeug sei. Manchmal auch versuchen sie sie wenigstens zu beeinflussen oder mit ihr sozusagen auf Teilung zu arbeiten. Und es kommt sogar der Fall vor, daß einzelne besonders begnadete oder besonders ruchlose Menschen gegen Götter und Moira ihren Weg gehen: dies ist das hypermoron: was »über das Geschick hinaus«, gegen die Fügung geschieht, eine ebenso furchtbare wie bewunderte Sache, die Schuld und Verdienst zugleich ist. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 88-89). Nach alledem ist es verständlich, daß die Griechen übrerhaupt kein Wort für »Religion« besitzen. Eusebes (von sebein, verehren), das wir mit »fromm« übersetzen, bedeutet: den heiligen Gebräuchen getreu, und eusebeia, «Frömmigkeit», ist nach der Definition der Stoa dicaioVunh proV qeouV, Gerechtigkeit gegen die Götter (die ihnen an Ehren zuwendet, was ihnen gebührt). Fromm sein heißt für den Griechen, die Himmlischen kultisch verehren, und weiter nichts. Da diese nicht den Weltlauf lenken, liegt auch kein Anlaß vor, sie sich als besonders moralisch zu denken. »Das Sittliche«, sagt Wilamowitz-Moellendorf, «haben die Götter nicht gelehrt, man kann sagen, sie haben es von den Menschen lernen müssen.« Ihr Zorn braucht durchaus nicht immer Veschuldung zur Ursache zu haben, der Mensch empfindet ihn auch gar nicht als Strafe, sondern bloß als Unheil. Am meisten erbittert werden sie, wenn der Irdische sich vermißt, es ihnen gleichzutun, und ihre weitaus stärkste Triebfeder ist der Neid: man kann daraus schließen, wie neidisch die Griechen selber waren. Das Grundverhältnis zu ihnen ist daher das Mißtrauen, und wenn man ihren Geboten gehorcht, so tut man es nicht aus Ergebenheit, sondern aus Klugheit, um sie nicht zu reizen. Frevel ist: wenn man sie beleleilgt; anderes Unrecht erregt nicht ihren Unwillen. Prozesse wegen »Beleidigung der Götter« waren ziemlich häufig, aber man fragt sich, was denn eigentlich an diesen Göttern zu beleidigen war. Mitleid, und oft ein sehr unangebrachtes, haben sie nur mit ihren Lieblingen; sonst sind sie ganz erbarmungslos. Auch untereinander lieben sie sich nicht. In der Ilias entspricht der Zustand im Himmel genau dem der menschlichen Gesellschaft: Zeus ist Agamemnon, die Götter sind bloße Titularvasallen, ihm ebenbürtig und stets zur Renitenz bereit. Der Olymp ist eine Akropolis, und seine Bewohner sind Ritter und Rosse, beide gleich göttlich, gleich unvergänglich, von Nektar und Ambrosia genährt. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 89-90). Die Natur und überhaupt die »Wirklichkeit« ist amoralisch. Von echter Religion kann man daher erst reden, wenn eine andere und höhere Welt der natürlichen entgegengesetzt wird. Dies tut aber die homerische Religion nie: ihre Götterwelt ist eine gesteigerte Wiederholung der irdischen: verklärte Animalität, schlackenlose Physik. Die Olympier unterscheiden sich von den Erdenbewohnern lediglich dadurch, daß sie unsterblich sind, also in ihnen die menschliche Unvollkommenheit verewigt ist und daß kein Alter, keine Schwäche, kein Kummer, keine Krankheit sie berührt, was aber auch nicht konsequent durchgeführt ist: auch ihr Dasein verläuft nicht ungetrübt (schon allein ihr ewiger Neid vergällt es ihnen) ; sie haben einen Arzt, Paieon, der Hades und Ares von ihren Verletzungen heilt, auch Aphrodite wird verwundet; Hermes ist vom weiten Weg ermüdet, Zeus schläft sogar einmal ein. Den Höhepunkt dieses in seiner Naivität und Bildhaftigkeit bezaubernden Realismus bildet der Moment, wo Ares in der Wolke, die ihm Kleid, Bett, Fahrzeug und Inkognito ist, vom Kampf ausruht, nachdem er den Speer an sie gelehnt hat. Die Orphik mitihren Ansätzen zu einer wirklichen Theologie war niemals Nationalreligion, man kann sie nicht einmal (wie wir vorhin taten) eine Sekte nennen, da es ja nicht den Gegenbeggriff der orthodoxen Kirche gab. Die Religion war nur Kultus, nur dieser Pflicht, nur dessen Verletzung Gottlosigkeit, »Asebie«. Es war ähnlich wie in der Renaissance, wo man denken, reden und schreiben durfte, was mall wollte, wenn man sich nur der Kirche, ihrer Macht und ihren heiligen Bräuchen unterwarf; in Hellas spielte diese keine Rolle. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 90). Schließlich ist diese ganze Konzeption von finsterm, fühllosem Schicksal, wahllos würfelnder Tyche, eiteln und jähzornigen Göttern gerade wegen ihrer Irrationalität dazu da, damit irgend jemand schuld habe, wenn der Mensch sich nicht zu seinen Handlungen bekennen will, den Geburten seiner Leidenschaft und seiner Torheit. Die Gottheit ist nicht das Lamm, das die Erbschuld der Menschheit trägt sondern der Bock, dem die Sünde aufgeladen wird. Nur unter einem solchen Regiment wurde die Last des Frevels überhaupt ertragbar, unter einem sittlichen Gott wäre der Grieche der durchschnittlichen Moralität zusammengebrochen. Von Ausnahmsnaturen, die uns an allen Wegmarken begegnen werden, ist hier nicht die Rede. Die Gottheit des Sokrates um Beispiel war dem Volk so unfaßbar, daß es ihn, und zwar in voller Ehrlichkeit, für einen Gotteslästerer hielt. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 90-91). Bei Homer ist bekanntlich alles göttlich: nicht bloß die Sonne und die Morgenröte, der Tag und die Nacht, sondern auch der Ölbaum und der Weinstock, der Arzt und der Herold, der Bettler und der Sauhirt, selbst der verächtliche Paris und die abscheuliche Schar der Freier, und es fehlte nur noch, daß Thersites göttlich genannt wird. Kein Wunder, das Göttliche ja nichts anderes ist als das Menschliche. Die Griechen waren Lehrer der Humanität, aber in einem ganz anderen Sinne, als der Neuhumanismus es meinte, nämlim der Nurmenschlichkeit, indem sie alles in rein anthropomorphen Formen und Dimensionen sahen. Der Satz »der Mensch ist das Maß der Dinge«, den die Sophisten als ihr Programm aufstellten, leuchtete von allem Anfang an als Leitstern über der Erdenbahn der Griechen. Darum haben sie nie den Sinn des Daseins erfahren; aber darum sind sie auch das größte Künstlervolk geworden. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 91). Die Griechen glaubten also im Grunde an gar nichts, nämlich an nichts als an gewisse allzu menschliche Vorurteile; auch als diese im Laufe der Zeit sich läuterten, brachten sie es nur zu einem matten Deismus (**) oder nackten Atheismus (**). Und dennoch hat sich, ohne daß sie es ahnten, in ihrem historichen Schicksal der Finger Gottes aufs deutlichste offenbart. Oder vielleicht wirklich das Walten ihrer eigenen Götter, die, Symbole der griechischen Seele, tückisch zur Hybris lenkten. Zugleich aber ist, da jedes Volk der Dichter seiner eigenen Historie ist, wie jedes Individuum der Dichter seiner Biographie (darin besteht die menschliche Willensfreiheit **), auch die griechische Geschichte in Anstieg und Gipfel, Krise und Verfall ein vollendetes plastisches Kunstwerk, gemeißelt von der Hand der bildnerisch begabtesten Nation der Welt. Die einzelnen »Perioden«, sonst meist im berechtigten Verdacht subjektiver Willkür oder lebensferner Konstruktion, springen hier in die Augen, als ein leuchtendes Paradigma des Erblühens, Reifens und Welkens der Menschenpflanze. (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 91-92). |
- | Die Anhänger des Kosmotheismus bekennen sich zum Gott »Welt«. |
- | Die Verfechter des Monotheismus (bzw. Henotheismus; HB ) bekennen sich zu dem einen Schöpfer-Gott außerhalb der Welt. |
Gläubige | Gottheit(en) | Gegenspieler | Bezugnahme | Gott-Volk-Bezug | Begründung | Andersgläubige |
Polytheisten | Götter | Götter | Mythos / Mythographie | Geister / Mythos | Bewältigung des Schicksals | ? |
Monotheisten | ||||||
Aton-Ägypter | Aton | ? | Natur / Kosmos | Vermittlung | Echnaton | ? |
Parsen | Ahura Mazda | Ahriman | Awesta | Beistand | Ethik | ? |
Juden | Jahwe | Satan (Teufel) | Thora | Auserwähltheit | Volk / Rasse | Nokhri (Heiden) |
Christen | Gott | Teufel (Satan) | Evangelien
(Neues Testament der Bibel) | Liebe durch Trinität | Heilsbotschaft | Heiden |
Moslems | Allah | Iblis (Teufel) | Koran | Ergebenheit (Islam) | Umma (Volk / Gemeinschaft) | Ungläubige |
Atheisten | ||||||
Wissenschaftler | Objekt | Subjekt | Gesetze / Regeln / Prädikate | Naturkräfte | Ratio / Beobachter | Unwissende |
Historizisten | Historienziel | Historienzyklen | Lineare Geschichte | End(er)lösung | Fortschritt | Heilsfeinde |
Nationalisten (inklusive Faschisten, Nationalsozialisten) | Nation
(Volk, Rasse) | Andere Nationen | Evolution und völkische / nationale Geschichte | Evolutionsbiologie und Geschichte (Auserwähltheit [NS]) | Volk / Rasse | Volksfeinde |
Kommunisten | Arbeiter (Proletarier) | Kapitalisten | Kommunistisches Manifest | Dialektik einer materialist. Historie | Proletarier / Klasse | Klassenfeinde |
Liberalisten | Individuum | Gemeinschaft | Liberalistische Marktwirtschaft | Liberalistischer Kapitalismus | Individualismus / Wettbewerb | Egalitaristen (Kommunisten/Sozialisten) |
Feministen (inklusive Genderisten) | Frau bzw. Mann | Mann bzw. Frau | Feministische
Trias (nur der sexistische [siehe: 1.] Feminismus will den Androzid):
(1.) Sexismus; (2.) Egalitarismus (Kommunismus u.ä.); (3.) Nationalismus u.ä.. | Patriachalisten, Maskulisten, (Haus-)Frauen. | ||
Ökologisten | Umwelt | Welt | Neo-Trinität:
(1.) Mutter Natur als Gott Vater; (2.) Vater
Staat als Gott Sohn; (3.) Politkorrektheit als Gott Heiliger Geist. | Umweltsünder |
In der Wissenschaft existieren mehrere Theorien hinsichtlich der Tragweite:
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Kurzer Rückblick auf die ägyptische Glaubensgeschichte: Re (Ra) war der traditionelle Sonnengott Ägyptens, der sich in seiner zweiten Inkarnation als Aton in der Sonnenscheibe manifestierte. Die alten Ägypter hatten oft zwei Bezeichnungen für eine Sache. So war Re der Sonnengott, Aton das Sonnenlicht, symbolisiert durch die Sonnenscheibe. Die Verehrung von Re war im Norden des Reiches, v.a. in Heliopolis, beheimatet. Später, während der Expansion Ägyptens, stieg im Süden des Reiches, v.a. in Theben, der lokale Gott Amun (der Verborgene) zum Hauptgott auf. Im Wettbewerb um die Macht wurden die Priester des Amun in Südägypten zu Konkurrenten der Hüter des Re in Nordägypten. Als siegbringender Gott der imperialistischen Pharaonen im 16. Jahrhundert v. Chr., zur Zeit der frühen 18. Dynastie, stieg der Kriegsgott Amun zum überragenden Reichsgott auf - die siegreichen Könige schenkten Amun große Teile der Kriegsbeute und riesige Ländereien samt Leibeigenen. So wurden die Amun-Priester Motor und Lenker der ägyptischen Wirtschaft. Im Sinne der Staatsideologie von der Einheit der beiden ägypischen Länder Ober- und Unterägypten wurden die beiden Götter fusioniert - mit Hauptsitz in Theben, speziell im gigantischen Karnak-Tempelbezirk. Durch die Verschmelzung von Re mit Amun zu Amun-Re konterkarierten die Amun-Priester die religiöse Konkurrenz des Sonnengottes Re in Heliopolis. Der Kult im nördlichen Heliopolis verlor an Bedeutung. Unter dem Vater von Amenophis III. setzte eine Rückwärtsbewegung in Richtung Re ein, und die Sonnenscheibe Aton rückte dabei in den Vordergrung. Das Weltbild geriet in eine Krise, weil sich die Göttlichkeit der Welt so immer mehr auf die Sonne konzentrierte. Amenophis III. trieb diese Neue Sonnentheologie voran und formte sie zum Königskult. Er und seine Parteigänger versuchten also, über die Stärkung des Gottes Aton das Königtum zu restaurieren. Amenophis IV., der sich bald Echnaton nennen sollte, war radikaler und ging noch weiter. So schwärmten plötzlich im ganzen Reich Trupps von Steinmetzen und Soldaten aus; ihr Auftrag: Zerstört alle Inschriften, in denen der Name Amun vorkommt! Echnaton, der Aton-Anhänger, hatte den zu dieser Zeit mächtigsten Reichsgott verfemt. Auch Weihungen mit dem Plural Götter fielen seinem Bildersturm zum Opfer. Echnaton, der Ketzer-König, ließ die vielen Himmlischen aus dem ägyptischen Pantheon vertreiben. Bis an die Spitze des Obelisken hangelten sich die Zerstörer hoch, und selbst Privatgräber blieben nicht unversehrt. (Michael Zick, Der Glaube an den Einzigen, in: Bild der Wissenschaft, 11, 2002, S. 76). Echnaton machte also eigentlich nichts anderes, so Jan Assmann, als ein Weltbild zu radikalisieren und zu institutionalisieren. Die Welt ist nicht mehr nur die Erscheinung des einen, verborgenen Gottes, sondern sie ist die Schöpfung der Sonne. Und weil Aton für den Menschen nicht direkt ansprechbar ist, kann man den Sonnengott nur über den König erreichen. (Michael Zick, ebd., 2002, S. 76). Echnaton sagte: Die anderen Götter gibt es nicht! |
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- In den Fängen der Sonnenwende und der Tag-Nacht-Gleiche -In einem Kulturzyklus eilt die Religion voraus vom ersten Quartal
zum zweiten Quartal, |
(I) Natürliche Sprache ist die Sprache, die der Kosmos (oder das Universum) spricht: Feuer (z.B. Energie, Strahlung, Licht, Wärme, Sonne, Leben und Tod u.s.w.). Feuer birgt jede Art von Symbolik in sich. Jedes Symbol ist ein Teil des Feuers - auch der Feuergebrauch (= Feuer als 1. Kultursymbol ). (II) Natürlich-kulturelle Sprache ist die Sprache aller Lebewesen (allgemein auch Sprachverhalten genannt). Sie beruht auf der Genetik (), ist also bereits intrauterin festgelegt. Ihre Funktion besteht v.a. darin, die Voraussetzungen, den Anteil des Angeborenen (vgl. Nativismus ) an der rein kulturellen Sprache () zu schaffen. (III) Kulturelle Sprache ist die natale und zugleich nationale Sprache, also: eine nat(ion)ale Sprache. Als nationalelektrische oder nationalneurologische Bibliothek im Menschen ist sie die Grundlage menschlichen Denkens. Nationen sind sozusagen politische Mutterinstanzen (daher auch der Zusammenhang zwischen Natalität und Nationalität). Weil im Uterus ein Sprachtraining nur im Rahmen der natürlich-kulturellen Sprache () möglich ist, kann ein Kind es erst in der geeigneten Atmosphäre praktizieren und erst nach dem Verlassen des Uterus eine kulturelle Sprache erlernen (erwerben). IV) Kulturell-natürliche Sprache ist die Sprache, die den Menschen am meisten charakterisiert, aber selbst dem Menschen noch die größten Rätsel aufgibt, weil sie eine Metasprache und rein theoretisch ist. Sie ist kulturell insofern, als daß sie nur durch kulturelle Konventionen darstellbar ist; sie strebt ins Natürliche insofern, als daß sie den Versuch darstellt, Kultur und Natur komplett zu verstehen (z.B. durch eine Weltformel oder eine Universalsprache). Ist Religion also in erster Linie die Beschäftigung mit der Gewalt? Ist Religion das Geschäft mit Gewalt, mit Krieg? Ist Religion nur eine kultivierte Form des Krieges? Was wir kultisch wiederholt und sorgfältig beachten, weil es doch passiert, ist nämlich tatsächlich hauptsächlich Gewalt und Krieg! Also doch: Der Krieg ist der Vater aller Dinge (Heraklit) !Vgl. Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 441-468. Weil frühe Menschen großen Raubtieren zum Opfer fielen, wurden vielleicht auch blutrünstige Tiere und blutrünstige Götter in Zusammenhang gebracht, faszinierende Tiere zu kultureigenen Göttern gemacht (was einer symbolischen Zähmung der Raubtiere durch ihre potentielle Beute gleichkommt), Naturkatastrophen als Astroterror mit Götterterror gleichgesetzt sowie das Fasziniert-sein-Wollen durch befremdliche Götter befriedigt. Demanach wäre die Domestikation der Tiere der Domestikation der Götter vorausgegangen. (Vgl. Gabriel Tarde, Die Gesetze der Nachahmung, 1890, S. 303 und ff. ). Fern wie ein Himmelskörper und schrecklich wie ein Gott zu sein: dies könnten schon damals Bedingungen gewesen sein, die ein heiliger Gegenstand erfüllen muß, um im affektiven Register des religiösen Masochismus erfolgreich zu wirken. ... Um die archaischen revierbewußten Götter auf Distanz zu halten, entsteht in den frühen Theotopen die Funktion des Priesters: Als Grenzpolizist der Sphäre der Lebenden ist er mit der Aufgabe betraut, die Razzien der anderen Seite einzuschränken. Die sicherste Methode zur Abfindung der Jenseitigen, die ihren Teil fordern, scheint das Opfer gewesen zu sein, das quasi einen Elementargedanken der frühen Theotopier ausdrückt. Sie alle waren gewohnt zu glauben, daß die Zahlung einer Toten- und Fremdensteuer zu ihren anerschaffenen Pflichten gehörte - die ersten Finanzämter waren zweifellos die paläolithischen Opfersteine (), an denen die ahnungsvolle Angst ihre Abgaben entrichtete. (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 451 und S. 453). Daher spricht vieles dafür, in dem, was man später den Aberglauben nennt, eine der Grundformen der religiösen Mentalität zu sehen: superstitio bedeutet bei den Römern soviel wie »ängstliche Aufmerksamkeit in religiösen Dingen« - sie ist gewissermaßen die neurotische Variante der skrupulösen Gewissenhaftigkeit (religio), mit der die Zeichen, die Prodigien und Omina sowie die Ritualvorschriften zu beachten sind. (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 445). Der Priester (seine Funktion) entstand wahrscheinlich, um die (archaischen) revierbewußten Götter auf Distanz zu halten: Als Grenzpolizist der Sphäre der Lebenden ist er mit der Aufgabe betraut, die Razzien der anderen Seite einzuschränken. Die sicherste Methode zur Abfindung der Jenseitigen, die ihren Teil fordern, scheint das Opfer gewesen zu sein, das quasi einen Elementargedanken der frühen Theotopier ausdrückt. Sie alle waren gewohnt zu glauben, daß die Zahlung einer Toten- und Fremdensteuer zu ihren anerschaffenen Pflichten gehörte - die ersten Finanzämter waren zweifellos die paläolithischen Opfersteine (), an denen die ahnungsvolle Angst ihre Abgaben entrichtete. (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 453). Kastenwesen in Indien (): Die Bezeichnung für Kaste ist das einheimische Wort Jati (sanskrit: Kaste) bzw. Jata [sanskrit: Rasse). Es gibt in Indien zwar viele tausend Kasten bzw. Unterkasten, aber eigentlich eben doch nur jene vier Kasten, die die gesellschaftlichen Gruppen oder Kategiorien der Hindu-Gesellschaft darstellen: (1) Brahmanen, (2) Kschatriyas, (3) Vaischyas, (4) Schudras (Sudras). Diese Unterteilungen stammen aus der Zeit der Besiedlung in Nordindien durch die Arier. Sie bedeuten eine Festlegung des gesellschaftlichen Status nach Geburt und Abstammung bzw. nach Varna (sanskrit: Farbe) im Zusammenhang mit der Ordnung nach Berufsgruppen. (1) Die Brahmanen bilden die Kaste der Priester und Gelehrten; sie studieren die heiligen Schriften der Veden, erteilen geistlichen Unterweisung und führen die rituellen Opfer aus. (2) Die Kschatriyas bilden die Kaste der Krieger; sie sollen die Schwachen schützen, als Könige gerecht regieren und den Brahmanen Schutz und Ermunterung bei ihrem Gelehrten und priesterlichen Arbeiten gewähren. (3) Die Vaischyas bilden die Kaste der Händler und Hirten; sie sollen den Reichtum des Landes durch Handel und Landwirtschaft vermehren. (4) Die Schudras bilden die Kaste der Diener; sie sind Nichtarier und sollen als Bedienstete für die Brahmanen, Kschatriyas und Vaischyas arbeiten. Zu den vier Kasten der Hindu-Gesellschaft kann man dem Wort nach die Nichtkaste, die Kastenlosen zwar nicht zählen; doch weil ihre Existenz in der Logik der Sache liegt, sollten sie wenigstens in diesem Sinne dazugezählt werden: als die (zwar kastenlose, aber trotzdem) fünfte und (zwar Nichtkaste, aber trotzdem) niedrigste Kaste, nämlich die der Unberührbaren (Parias). Die Inder betrachten die Unberührbaren also entweder als eine fünfte Kaste oder aber als Teil der vierten Kaste - (4) Schudras -, indem sie diese in zwei Segmente, nämlich (4a) rein und (4b) unrein untergliedern (Unberührbare als Unreine). Die drei oberen Kasten - (1) Brahmanen, (2) Kschatriyas, (3) Vaischyas - werden auch Zweimalgeborene genannt, weil die männlichen Familienmitglieder sich einer Schnurzeremonie (Upanayana) unterziehen, die eine spirituelle Wiedergeburt impliziert und den Übergang in das Erwachsenenalter und das Studentenleben (Aschrama) markiert. Lesen Schreiben und Streben nach Erkenntnis werden für die Lebensweise der Schudras als irrelevant betrachtet, so daß diese Kaste von der Schnurzeremonie ausgeschlossen ist. Wie schon gesagt: In Indien werden die gesellschaflichen Gruppen oder Kategorien Jati (Kaste) oder Varna (Farbe) genannt; da das Wort Jati von Jata (Rasse) abgeleitet ist und Varna Farbe bedeutet, ist die Folgerung richtig, daß das System einen beobachtbaren Unterschied in der Erscheinungsform zwischen den hellhäutigen arischen, edlen Eroberen aus dem Norden und und den dunkelhäutigen einheimischen, besiegten Bewohnern (Dasas [sanskrit] = Sklaven) widerspiegelt. Eine Textstelle im Rig-Veda rät von Ehen zwischen hellen und dunklen Personen ab; und der Gelehrte Patanjali stellte im 2. Jh. fest, blondes Haar sei ein Kennzeichen der Brahmanen, obwohl dies zu seiner Zeit wahrscheinlich äußerst selten gewesen sein dürfte. Das Varna eines Einzelwesens und in diesem wiederum seine Kaste verleihen ihm seinen zugewiesenen Status in der Gemeinschaft; es wird in ihm bzw. in der Kaste geboren und bleibt in ihm während seines ganzen Lebens - es sei denn, es wird für irgendein Vergehen zum Kastenlosen gemacht. Auch im heutigen Indien bildet der Varna einen hierarchischen Rahmen für die Kasten, obwohl niemand mehr gezwungen wird, die seinem Varna zugewiesene Beschäftigung anzunehmen. Veda (sanskrit: Wissen) ist der Korpus des heiligen Wissens, das als die Grundlage des wahren Glaubens und der richtigen Praxis bei den Hindus gilt. Noch vor 2000 v. Chr., am Ende der Indus-Kultur, wanderten die Arier nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Einige indische Historiker sind jedoch der Meinung, daß die Arier ein schon ansässiger Stamm gewesen seien, der zu dieser Zeit die Oberherrschaft erlangen konnte. Zu den ältesten erhaltenen Schriften Indiens gehören der Rig-Veda, der Sama-Veda, der Yajur-Veda und der Atharva-Veda sowie einige astronomische Texte. Die ältesten indischen Texte können nicht mit Bestimmtheit datiert werden. Sie erlauben einen Einblick in das frühe religiöse Leben, das von Tier- und Pflanzenopfern, rituellen Waschungen und Hymnen an die Götter bestimmt war. Noch heute im Hinduismus bekannte Götter (Brahma, Wischnu, Saraswati) werden dort bereits verehrt, wenngleich sie damals noch nicht zu den Hauptgottheiten zählten. Der Veda gliedert sich in vier Sanhitas (Sammlungen): Rig-Veda (Götterhymnen), Sama-Veda (Opferlieder), Yajur-Veda (Opfersprüche), Atharva-Veda (Zauberlieder). Diese vier Sammlungen und einige astronomische Texte reichen aber bis 1700 v. Chr. zurück (die an sie anschließenden Brahmanas (Ritual- und Opfertexte) bis 1200 v. Chr. und die ebenfalls an sie anschließenden Upanischaden bis 800 v. Chr.). Der Rig-Veda enthält Hymnen, um die Götter zu preisen und anzurufen. Er ist die älteste Veda. Die anderen drei Veden entlehnen etliche Inhalte aus dem Rig-Veda. Der Sama-Veda besteht aus Gesängen, die die Opfer musikalisch begleiten. Der Yajur-Veda enthält Prosaverse, die bei Opferriten rezitiert werden. Der Atharva-Veda enthält Mantras und Beschwörungen gegen Feinde und Krankheiten sowie Gebete zur Vergebung für Fehler während der Opfer. Die frühe vedische Religion kannte keine Tempel oder Götterbilder. Die Götter wurden durch Feueropfer angebetet, man bot Opfergaben des heiligen Safts Soma, Ghi (Butterschmalz), Milch, Brot und manchmal Fleisch der Tiere dar. Der Veda ist ungefähr sechsmal so umfangreich wie die Bibel. Für das Ende des Veda steht der Vedanta (sanskrit: das Ende des Wissens). Er stellt quasi die letze Entwicklungstufe des Veda dar. Das heute noch in Indien am meisten verbreitete System des Vedanta ist das des Schankara (um 800 v. Chr.). Der Veda scheint im wesentlichen nach ca. 1200 Jahren (1700-500) abgeschlossen zu sein. Brahmanismus ist einer der Vorläufer des Hinduismus. Die Lehre wurde von den in der hinduistischen Gesellschaft die Priester und Gelehrten stellenden Brahmanen formuliert, und von Lehrern an die Schüler weitergegeben. Der Brahmanismus ist also die Lehre der Brahmanen und die herrschende Religion Indiens, die sich zum heutigen Hinduismus weiterentwickelt hat. Sie wird dogmatisch auf den Veda zurückgeführt. Im Brahmanismus finden sich monotheistische (), pantheistische () und auch atheistische () Richtungen. Als Weltanschauung ist der Brahmanismus Evolutionismus: die Welt entwikelt sich durch das Brahman aus einer ungeschaffenen und unvergänglichen Urmaterie (Prakriti) und wandelt sich im ewigen Wechselspiel wieder in diese Urmaterie zurück. Das Brahman - ursprünglich der Zauberspruch, dann die Kraft, die den Opferhandlungen ihre Wirksamkeit gibt, schließlich das durch sich selbst seiende schöpferische und erhaltende Prinzip der Welt, das alles schafft, trägt, erhält und wieder in sich zurücknimmt - steht als Weltseele in einem Verhältnis zum Selbst des Einzelwesens, zum Atman als der Seele. Die Lehre von Brahman (Weltseele) und Atman (Seele) ist als die philosophische Basis des Brahmanismus anzusehen, wie sie seit ca. 1700 v. Chr. in den Veden, seit ca. 1200 v. Chr. in den Brahmanas und seit ca. 800 v. Chr. in den Upanischaden bis ca. 500 v. Chr. - also insgesamt in 1200 Jahren (1700-500) - formuliert wurde. Brahman und Atman gelten hier als wesensgleich, der Mensch müsse diese Identität jedoch erst spirituell erkennen, bevor er die Erlösung, die Mokscha, erreichen kann. Das Brahman ist in seinem Wesen identisch mit Atman, dem inneren Kern des Menschen. Textgeschichtlich bilden die Brahmanas die Ausgangsgrundlage, Opfer- und Ritualtexte, die die korrekte Ausführung des Opfers in den Mittelpunkt stellen und beschreiben, z.B. das Agnicayana (Feueropfer). Die Brahmanas sind als Ritual- und Opfertexte Bestandteil der Veden, und in ihrer späteren Form enthalten sie in einzelnen Kapiteln die vedischen Upanischaden, die die mechanistische Opfertechnik an vielen Stellen anzweifeln und philosophisch überwinden. Der Brahmanismus übt, obwohl zu seinen Grundforderungen gehört, das Kastenwesen, besonders die Führerstellung der Brahamanen-Kaste zu respektiern, sehr weitgende theoretische und praktische Toleranz. Die Brahmanen sind Mitglieder der obersten hinduistischen Priester- und Gelehrten-Kaste und gelten in den alten Schriften als unverletztlich. Heute üben die Brahmanen auch andere Berufe aus. Upanischaden (Sanskrit: das Sich-in-der-Nähe-Niedersetzen; gemeint ist damit: sich zu Füßen eines Lehrers (Guru) setzen, aber auch geheime, belehrende Sitzung) sind eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus und Bestandteil des Veda und des Brahmanismus. Die Upanischaden umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen. Insbesondere die 13 vedischen Upanischaden haben den späteren Hinduismus geprägt. Es existieren rund 150 Upanischaden, wovon 108 offiziell anerkannt werden. Die Texte wurden sowohl in Prosa als auch in Versform verfaßt. Die Upanischaden beschäftigen sich mit dem Wesen von Brahman, der universellen Weltenseele, von der Atman eine Reflexion in jedem Wesen ist, die innerste Essenz eines jedes Individuums. Brahman und damit auch Atman ist unvergänglich, unsterblich, unendlich, ewig, rein, unberührt von äußeren Veränderungen, ohne Anfang, ohne Ende, unbegrenzt durch Zeit, Raum und Kausalität, ist reines Sat-Chit-Ananda (Sac-Cid-Ananda), reines Sein, Existenz an sich (Sat), Bewußtsein, Verstehen (Chit) und Wonne, reines Glück (Ananda). Textgeschichtlich haben sich die Upanischaden aus den Brahmanas (Ritual- und Opfertexte) entwickelt (und sind teilweise auch Bestandteil von ihnen). Während also die Brahmanas sich hauptsächlich mit Opferritualistik beschäftigen, werden in den Upanischaden Zweifel an diesem System des korrekt (und mechanisch) ausgeführten Opfers formuliert. Es ist das Bestreben spürbar, hinter die Dinge zu schauen. Weitere Themen sind die Essenz und der Sinn des Daseins, verschiedene Arten der Meditation und der Gottesverehrung sowie Eschatologie, Erlösung und die Lehre von der Wiedergeburt Samsara. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer empfand die Upanischaden als ... belohnendste und erhebendste Lektüre, die ... auf der Welt möglich ist: sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens seyn. (Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 1851, II, § 184). Buddhismus ist die von dem Buddha (Erleuchteten) Gautama (560-480) verkündete Heilslehre. Nach ihr ist alles in der Welt vergänglich, ohne Selbst (beharrende Substanz) und deshalb leidvoll (unbefriedigend). Jedes Einzelwesen ist eine vergängliche Kombination von nach ewigen Gesetzen in funktioneller Abhängigkeit voneinander aufspringenden und wieder dahinschwindenden Daseinsfaktoren (vgl. Dharma als das tragende Gesetz). Da kein gutes oder böses Tun ohne Wirkung bleibt, findet jeder Strom individuellen Lebens (scheinabre Persönlichkeit) gemäß dem Karma (Werk) nach dem Tode in einer neuen Existenz seine Fortsetzung. Moralisches handeln führt zur stufenweisen Läuterung; Erkenntnis und Vernichtung des Willens zum Leben zur Befreiung (vgl. Nirwana als das Erlöschen). Nach anflinglicher Ablehnung, die Wahrheit der Erleuchtung und den Weg zu ihr mitzuteilen, wurde Gautama Buddha von Brahma auf Bitten der Götter doch dazu bewegt. Seine Lehre wurde dann zur Grundlage, weshalb Buddhismus (ein abendländischer Begriff) besser Buddha-dharma oder Buddha-sasana genannt werden sollte. Buddha sah sich selbst als einen Führer und einen Arzt an, der Krankheiten diagnostizierte und auf die Methode zu ihrer Heilung hinwies. Wie es jetzt in den Texten dargestellt wird, lehrte er im Rahmen der Hauptkomponenten der Hindu-Kosmologie und -Psychologie (lange zyklische Zeiten und Zeitabschnitte von gleicher Länge, in denen ein Selbst oder eine Seele, Atman, wiedergeboren wird und, von dem Karma als Ursache beherrscht, sich auf die Freiheit oder Befreiung, Mokscha, zubewegt), aber er veränderte sie. Buddha sah alle Erscheinungen als von Dukkha (Leiden, Vergänglichkeit, Unbeständigkeit) gekennzeichnet. Daraus folgt, daß es keine Seele geben kann, sondern nur die Folge eines Augenblicks zur Entstehung des nächsten führt, was die Herausbildung von Erscheinungsformen mit charakteristischen Möglichkeiten bewirkt. Die Lehre von der Nichtexistenz der Seele wird als Anatman-Lehre bezeichnet. Daraus folgt gleichermaßen, daß es keinen ewigen Gott, unabhängig vom Kosmos, den er schuf, geben kann. Die Lehre des Buddha ist in den Vier Edlen Wahrheiten zusammengefaßt (der Wahrheit von Dukkha und wie man sich davon befreit), dem Achtfältigen Pfad(dem Weg des Entkommens oder die Erleuchtung) und Paticca-sammupãda (die Untersuchung der zwölf voneinander abhängigen Verkettungen, die die Ursache sind für das Verhaftetsein im Samsara, dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod, dem Prozeß der Wiederverkörperungen). Obwohl es einen Atman nicht zu geben scheint, kann die ursächliche Abfolge, in der ein Augenblick den nächsten verursacht, sich durch den Augenblick und den Prozeß des Todes fortsetzen. Um dies zu verstehen, sollte man damit beginnen, die Abfolge des Paticca-sammupãda umzukehren; und wenn man all das praktiziert, auf das Buddha hingewiesen hat, bedeutet dies, sich zur Erleuchtung und zum Erlangen des Abstandnehmens von jeglichem Zusammenspiel nit manifesten Erscheinungsformen zu bewegen, d.h. zum Nirwana. Die alte pluralistische Selbst-Erlösungslehre (Hinayana, Kleines Fahrzeug) wurde zwischen dem 2. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh. n.Chr. zur monistischen Viel-Mitgefühlslehre (Mahayana, Großes Fahrzeug) ausgestaltet. Die aktivistische Ethik des Mahayana betrachtet es als das Hochziel des Buddhajüngers, nicht als Arhat (Heiliger) für sich selbst die Erlösung zu erreichen, sondern als Boddhisattva (Anwärter auf spätere Buddhastellung) in selbstloser Liebe zu allen Wesen andere Menschen zum Heil zu führen. Hinduismus bedeutet zunächst nur die von außen herangetragene Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen, entwickelte aber später eine beträchtliche Eigendynamik. Er besteht aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Mokscha) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, daß Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, sie glauben an die Reinkarnation. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, wenn auch ihre Theologie und Metaphysik bzw. Philosophie nicht übereinstimmen. Einheit in der Vielfalt ist eine oft verwendete Redewendung zur Selbstdefinition im heutigen Hinduismus. Trimurti (Sanskrit: aus drei Gestalten bestehend) bedeutet die hinduistische Erkenntnis, daß eine dreifache Wechselwirkung für die Schöpfung und die Auflösung notwendig ist und daherganz besonders die drei miteinander in Beziehung stehenden Verkörperungen des Göttlichen: Brahma, Wischnu, Schiwa. Brahma verkörpert die Erschaffung (Schöpfung), Wischnu die Erhaltung (und zu diesem Zweck als Tier oder Mensch inkarniert), Schiwa die Zerstörung (um einen Neuanfang zu ermöglichen, verkörpert durch das Feuer). Germanische Seefahrt ist, und zwar von Beginn an, eine wichtige Vor- und Urform der abendländischen Kultur, also eine ihrer Voraussetzungen. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Vor- und Uraussetzung für alle späteren, noch grandioseren abendländischen Entdeckungen. (). Die altnordischen Stämme, in deren urmenschlicher Seele das Faustische () sich bereits zu regen begann, haben in grauer Vorzeit eine Segelschiffahrt erfunden, die sich vom Festland befreite. Sie reichte im 2. Jahrtausend v. Chr. von Island und der Nordsee über Kap Finisterre (spanische Nordwestküste) nach den Kanarischen Inseln und Westafrika, wovon die Antlantissagen der Griechen eine Erinnerung bewahrten. Das Reich von Tartessos an der Mündung des Guadalquivir scheint ein Mittelpunkt gewesen zu sein. Vgl. Leo Frobenius (1873-1938), Das unbekannte Afrika, S. 139. In irgendeinem Zusammenhang damit müssen die 'Seevölker' gestanden haben. Wikingerschwärme, die nach langer Länderwanderung von Nord nach Süd im Schwarzen oder Ägäischen Meer wieder Schiffe zimmerten und seit Ramses II (1292-1225) gegen Ägypten vorbrachen. (Oswald Spengler, 1917, S. 428). Vgl. dazu auch: Germanentum. Seelenbild der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom deutlich werden kann: Euklid hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung für das antike Beispiel gegeben und Gauß ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele; ihr Ursymbol: Welthöhle. (Vgl. Oswald Spengler, 1918-1922, S. 847f.).Zarathustras Lebensdaten sind nicht genau bekannt: 11-10. Jh. v. Chr. bis 7-6. Jh. v. Chr.; lebte er demnach im 9.-8. Jh. v. Chr.? Die Wirkung des Zarathustra bedeutet für den Monotheismus, d.h. für die magische Kultur (vgl. Magier; ) in etwa das, was für uns Abendländer die Wirkung von Jesus (7 / 4 v. Chr. bis 26 / 30 n. Chr.) oder Paulus ( 29.06.66 oder 67; enthauptet) oder Augustinus (354-430) bedeutet. Das Gemeinsame besteht auch darin, daß sie die alten Verhältnisse, mit denen sie aufwuchsen, zu überwinden suchten und letztlich auch tatsächlich neue Verhältnisse bewirkten, indem sie eine neue Religion schufen bzw. zum Durchbruch verhalfen und etablierten. Unser kulturelles Erbe der Grieschisch-Römischen (apollinische Antike) einerseits und des Monotheistisch-Christlichen (magische Kultur) andererseits, das wir häufig mit römisch-christlich (oder römisch-katholisch) umschreiben und auch tatsächlich durch die ewige Stadt Rom als Zentrum am auffälligsten und komprimiertesten symbolisiert ist, geht also in Wirklichkeit noch viel weiter zurück in die Tiefe unserer beiden Eltern-Kulturen: einerseits zum Ursprung der griechischen Mythologie und andererseits zum Ursprung des (altiranischen) persischen Monotheismus (Zarathustras Parsismus, Mazdaismus). Beide haben trotz vieler Unterschiede eine Gemeinsamkeit, die auch wir trotz vieler Unterschiede mit ihnen teilen: das Indogermanische !Awesta (Grundtext, Grundwissen) ist die in der gleichnamigen altiranischen Sprache aufgezeichnete Schrift des Parsismus (der von Zarathustra gestifteten altpersischen Religion ), die später, nämlich zur Zeit der Sassaniden (226-651) kodifiziert wurde, nach der islamischen Invasion Persiens (651) jedoch erhebliche Schäden erlitt. Das ursprüngliche Awesta umfaßte 21 Nasks (Sträuße, d.h. Bücher). Die Gathas (Gesänge), die unmittelbar auf die Verkündigung des Propheten Zarathustra zurückgehen, sind die ältesten Texte des Awesta. Sie sind Bestandteil einer Schriftensammlung, die als Jasna (Opfer, Verehrung) bezeichnet wird. Andere wichtige Teilstücke sind Jaschts (Opfergesänge), das Widewdat (Gesetz gegen die Dämonen) und das Wisperat (alle Herren). Der Kommentar zum Awesta heißt Zendawesta (Kommentar-Grundtext). Dem (ausgestorbenen) Awestischen entstammen somit die frühesten schriftlichen Zeugnisse des Iranischen. Das Iranische ist ein östlicher Zweig des Indogermanischen und steht in enger Beziehung zum Indischen. Zu den wichtigsten heutigen iranischen Dialekte zählen Persisch, Kurdisch, Afghanisch (Paschtu).»Also sprach Zarathustra«, so beginnen tatsächlich die Verse der »Awesta«, die der Prophet dem ewigen Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gut und Böse, zwischen Iran und Turan gewidmet hatte. Dem Lichtgott Ahura Mazda stand die Dämonengestalt Ahriman als Fürst der Finsternis entgegen. Diese permanente, unversöhnliche Zweiteilung der Welt in Gut und Böse sowie eine von Anfang an vorgeprägte Bestimmung der Menschen in Erwählte und Verworfene bilden den Kern dieser Lehre. Die Schriften der Awesta sind nur in Bruchstücken erhalten. In ihnen spürt man jedoch die frühe Verwandtschaft mit den Veda-Schriften des Hinduismus () mitsamt ihrer unerbittlichen Kasten-Einstufung und der Vorzugsstellung der arischen Rasse. »Aria Mehr -Leuchte der Arier«, diesen Titel beanspruchte noch der letzte Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlevi. .... Im Westen ist kaum bekannt, welche Fülle mythischer Vorstellungen, die wir als integralen Bestandteil des Judentums und der aus ihm abgeleiteten Lehren Christi und Mohammeds betrachten, auf die Visionen des frühzeitlichen Künders Zarathustra aus Baktrien zurückgehen. Während der babylonischen Gefangenschaft, als die Stämme Israels - vom Tyrannen Nebukadnezar an die Flüsse Mesopotamiens verschleppt - die dualistischen Vorstellungen der »Feueranbeter« entdeckten, verstärkte sich auch bei den Hebräern die Kunde vom ewigen Widerstreit zwischen Jahwe und Satan, 'zwischen Himmel und Hölle, kam bei ihnen die Vorstellung des Jüngsten Gerichts auf, das die Guten von den Bösen scheidet. Die Spuren des zoroastrischen Kults, die sich auch in gewissen Freimaurer-Riten wiederfinden, wirken bis in unsere politische Gegenwart hinein. Das gilt nicht nur für Persien, wo ich im Jahr 1974, zur Zeit der Pahlevi-Dynastie, eines der letzten authentischen Zentren der Zarathustra-Anhänger in der abgelegenen Stadt Yazd aufsuchte. Etwa dreißigtausend Zarduschti leben heute noch in der Islamischen Republik Iran. Khomeini betrachtete diese verstreuten Sektierer, gemäß einer kuriosen Koran-Auslegung, als Monotheisten, als Angehörige der »Familie des Buches«, obwohl sich bei ihnen keinerlei Bezug zum Patriarchen Abraham herstellen läßt. Schah Mohammed Reza war der arischen Urgemeinde mit besonderem Wohlwollen zugetan, suchte er doch eine Kontinuität zu den Gott-Königen der Achämeniden - zu Kyros dem Großen, zu Xerxes, zu Kambyses - aufzuzeigen. Deren Imperium hatte bereits dem Zarathustra gehuldigt, wenn auch mit Vorbehalt und unter Beibehaltung zahlreicher anderer Kulte. Erst unter den Sassaniden, also zwischen dem dritten und dem siebenten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, sollten die »Magi«, die Priester der »Feueranbeter«, wie man sie fälschlich nennt - entscheidenden Einfluß auf den Staat gewinnen und ihm ihre unduldsame, hierarchische Sakralstruktur auferlegen. Die Magi oder Magier waren sich ihrer ursprünglichen Verwandtschaft mit den hinduistischen Brahmanen wohl noch bewußt. Wenn sie schon den Persern und Mesopotamiern nicht das Kastensystem in letzter Konsequenz aufzwingen konnten, das auf dem indischen Subkontinent bis auf den heutigen Tag die Vorrangstellung der indogermanischen Erobererrasse verewigt, so pochten sie doch auf die strenge Trennung zwischen Klerus und Adel einerseits, den Bauern und den rechtlosen Parias andererseits. (Peter Scholl-Latour, Land der Propheten, in: Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 289-290).Die dualistische Botschaft des Zarathustra, die geheimnisvoll überlieferten Thesen des Manichäismus ... haben in der europäischen Geistesgeschichte einen eminenten Platz eingenommen. ... Sogar die Jungfrauengeburt eines Endzeit-Erlösers war ja in den iranischen Ur-Mythen enthalten. (). Die Manichäer haben noch im ausgehenden römischen Imperium und lange nach dem Märtyrertod des Verkünders seine Botschaft bis nach Indien und China getragen. Die Sekte besaß einen Schwerpunkt in Nordafrika, wo der heilige Augustinus dieser Ketzerei beinahe erlegen wäre, ehe er Bischof von Hippo Regius und einer der bedeutendsten Kirchenväter wurde. (Peter Scholl-Latour, Land der Propheten, in: Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 291).Vorderasien oder Morgenland: diese Begriffe sind nicht ganz zutreffend, weil zum magischen Kulturkreis (Spengler nennt ihn arabisch) auch der ehemalige (griechische) Osten der Antike gehört, wenn auch nur pseudomorph. Mit Vorderasien bzw. Morgenland meine ich die Kultur der späteren Religionskulturformen, z.B. des altiranisch-parsistischen (mazdaistischen) Persertums, des manichäischen Babyloniens, des Judentums, des Arabertums, des Urchristentums u.a. magischer Elemente. Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele, ihr Ursymbol die Welthöhle. Die Vertreter der magischen Kultur berücksichtig(t)en stets den Consensus - die Übereinstimmung der Gelehrten als Grundlage für die religiöse (= wahre) Lehre. Das arabische Wort Idschma ist auch in diesem Sinne zu verstehen, und es gilt immer noch als eines der vier Grundprinzipien der islamischen Rechtslehre.Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt. (Oswald Spengler, 1918-1922, S. 784). Auch eine junge Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur, auch kurz Antike genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch Persien/Arabien genannt, macht es deutlich: Solange die Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche Seite des Synkretismus. .... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues Griechentum als magische Nation. (Ebd., S. 800-801).Und so wie gerade diejenigen Religionen, von denen behauptet wird, sie seien monotheistisch, unter Beweis stellen, daß es keinen Monotheismus gibt, so stellen gerade auch diejenigen Gesellschaften, von denen behauptet wird, sie seien menschheitlich (humanistisch, gutmenschlich u.s.w.), unter Beweis, daß es keine Menschheit gibt. Was man von Nietzsche lernen kann, schreibt Baeumler, ist der Gedanke: es gibt keine »Menschheit«, sondern nur konkrete, umgrenzte Einheiten, die im Kampf miteinander liegen. Diese Einheiten sind »eine Rasse, ein Volk, ein Stand« (Alfred Baeumler, Nietzsche der Philosoph und Politiker, 1931, S. 179). (Rüdiger Safranski, Nietzsche, 2000, S. 352). Ähnlich wie mit dem Monotheismus und der Menschheit verhält es sich auch mit dem Individuum: Nietzsches selbstbezogenes Schreiben setzt die Fähigkeit voraus, sich nicht als Individuum, als das Unteilbare, sondern als Dividuum (Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 1878, 2,76), als etwas Teilbares, zu erleben. Eine mächtige Tradition spricht vom »Individuum« wie von einem unteibaren Kern des Menschen, Nietzsche aber hat schon sehr früh mit der Kernspaltung des Individuums experimentiert. Über »sich« schreibt, wem die Unterscheidung zwischen »Ich« und »sich« überhaupt etwas zu denken gibt. (Rüdiger Safranski, Nietzsche, 2000, S. 15). Keinen Monotheismus! Keine Menschheit! Kein Individuum! Schade! Oder?Paulus ( 29.06.66 oder 67; enthauptet), christlicher Heidenapostel, machte das Christentum durch Überwindung der nationalen und traditionellen Bedingtheiten seitens des Judenchristentums zur Weltreligion, indem er den übernationalen Charakter der durch den Glauben an Christus begründeten Heilsgemeinschaft betonte. Er war Verfasser zahlreicher neutestamentlicher Schriften. Als Quellen zur Rekonstruktion seines Lebens dienen vor allem die wirklich von ihm verfaßten Briefe an die Gemeinden in Rom, Korinth, Galatien, Philippi, Thessalonike und an Philemon, die alle aus der Zeit zwischen 50 und 56 stammen. Bei der spekulativen Durchdringung des Christentums verwendete er Elemente der stoischen und jüdisch-hellenistischen Philosophie. Seine vielen Missionsreisen führten am Ende zur Verhaftung in Jerusalem, zur Überführung nach Rom und dort zur Enthauptung (Märtyrertod). (Vgl. Mission und Apostelkonzil). Paulus gilt als der bedeutendste Missionar des Urchristentums. In seiner mehrjährigen Missionstätigkeit auf Zypern, in Kleinasien, Syrien, Griechenland, Makedonien u.a. Regionen verkündete er kompromißlos das Evangelium frei von Gesetzesbindungen und trat dadurch natürlich in Gegensatz zum Judenchristentum der Urgemeinde. Er knüpfte besonders an die nachösterliche Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn und seine Bedeutung für das Heil der Menschheit an. Die durch den Tod und die Auferstehung Christi eingetretene Wende der Heilsgeschichte zeigt sich nach Paulus vor allem darin, daß der jüdische Heilsweg, der in der Erfüllung der Gesetzgebung als der Verpflichtung gegenüber dem Bund mit Jahwe steht, aufgehoben ist (!), die Rechtfertigung* ausschließlich aus dem Glauben erlangt werden kann (!). (*Rechtfertigung ist ein Begriff der christlichen Theologie, mit dem der Vorgang reflektiert wird, daß das durch die Sünde gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Gott in einen als heil geglaubten Zustand überführt wird). Der Glaube kann auch nicht als Werk des Menschen aus sich selbst verstanden werden, sondern als Gabe und als Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Der Mensch ist in allen seinen Aspekten (Geist, Seele, Leib) aufgerufen, das in Christus geschenkte neue Leben zu verwirklichen. In seinem Verhalten ist der Mensch jedoch nicht auf sich allein gestellt, sondern ist Mitglied der Gemeinde des auferstandenen Herrn. Diese ist schon gegenwärtig der Leib Christi, wird aber gleichzeitig von der Hoffnung auf die endgültige Wiederkunft (Parusie) des Herrn geleitet und ist in dieser Spannung von schon und noch nicht Träger seines Geistes.Zur Bekehrung des Paulus auf dem Weg nach Damaskus. Die Erzählung von diesem Einschnitt ist in der Apostelgeschichte zweimal überliefert, einmal in autobiographischer Form als Element der Verteidigungsrede des Paulus vor den Juden in Jerusalem (vgl. Apg., 22), ein anderes Mal in der dritten Person (vgl. Apg., 9). In beiden Fassungen wird hervorgehoben, Paulus sei durch das Ereignis auf dem Weg nach Damsakus »umgedreht« worden und habe sich von einem Verfolger der Christen zu einem Verkünder des Christentums gewandelt. In der persönlichen Version lautet die Geschichte wie folgt: »Als ich nun unterwegs wa (um Anhänger der neuen Lehre zu verhaften) und mich Damaskus näherte, da geschah es, daß mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazaräer, den du verfolgst. Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht. Ich sagte: Herr, was soll ich tun? Der Herr antwortete: Steh auf un geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden ....«. (Bibel, a.a.O.). Im Blick auf diese Erzählungen ist evident: Die Erzählung derselben Geschichte in der dritten Person, die sich am Anfang der acta apostolorum findet, enthält nur eine wesentliche Variante, indem dort betont wird, die Begleiter seien sprachlos dabeigestanden, weil sie zwar die Stimmen hörten, jedoch niemanden sahen (vgl. Apg., 9, 7). Von den subtilen platonischen Erwägungen über die Umwendung der Seele und ihre Herausführung aus der Höhle der sinnlichen Kollektivillusionen (vgl. Platons »Höhlengleichnis«) sind wir hier bereits Lichtjahre entfernt. Keine Rede mehr von den Sorgen des griechischen Rationalismus um die Wende zur Wahrheitssonne. Das Licht, das den Eiferer auf dem Weg nach Damaskus blendet, ist ein Gemenge aus Mittagsdämon und Halluzination. Die Geschichte spielt bereits ganz auf dem Boden eines magischen Weltbildes (Spengler ordnete es sogar dem Stimmungsraum der »arabischen Kulturseele« zu ), dessen Atmosphäre von Apokalypsebereitschaft, Erlösungspanik und einer wundersüchtig supranaturalistischen Hermeneutik geprägt ist. Vor allem verrät sich in ihr der Geist eines nach allen Seiten aufbruchsbereiten Eiferertums, dem es fast gleichgültig zu sein scheint, ob es sich in die eine oder die andere Richtung erhitzt. Vor den Hintergrund des philosophischen Begriffs von conversio oder epistrophé gesetzt, handelt es sich bei dem Erlebnis des Paulus in keiner Weise um eine Bekehrung, mit der sich ein persönlicher Habitus von Grund auf geändert hätte. Auch ging es keinen Augenblick um Erkenntnis, sondern um die Begegnung mit einer göttlichen Stimme, die keine Scheu kennt, sich diesseitig zu manifestieren. Aufs Ganze gesehen bedeutet das, was Paulus widerfuhr, nicht mehr als die »Reprogrammierung« eines Zeloten im präzisen Sinn des Worts. Der Ausdruck ist gerechtfertigt, insofern das »Betriebssystem« der paulinischen Persönlichkeit nach dem erlebten Umschwung mehr oder weniger unverändert weiterverwendet werden konnte, nun jedoch für eine außerordentliche theologische Kreativität freigesetzt. Die Bekehrung des Paulus gehört also in eine ganz andere Kategorie von »Drehungen«, die nicht einen ethisch »revolutionären«, sondern einen apostolisch-eifernden Charakter aufweisen. .... In übungstheoretischer Sicht hatte Paulus bereits eine ganze Weile mit dem Gegner trainiert. .... Paulus war in dieser Sicht weder ein Konvertit noch gar ein»Revolutionär« .... - Es gibt keine Konversion .... - In diesem Kontext haben wir Gelegenheit, Oswald Spenglers starke These zu re-evaluieren, wonach es im Grunde überhaupt keine Konversionen gebe, sondern nur Umbesetzungen zwischen freien Stellen in dem fest strukturierten Optionenfeld einer Kultur. (Vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 440f. ). Durch alle Oberflächenwendungen der Konfession hindurch bleibe die basale Seelenstimmung eines Hochkulturkomplexes identisch, und was sich in äußerer Sicht wie eine 180-Grad-Drehung darstelle, könne in Wahrheit nie mehr sein als eine letztlich beliebige (obschon gelegentlich für die Mit- und Nachwelt folgenreiche) Variation innerhalb eines definitiv umrissenen Möglichkeitsraums. Die Suggestivität dieser These läßt sich vor allem an dem zweiten Bekehrungshelden der christlichen Überlieferung, Aurelius Augustinus, erläutern, von dem bekannt ist, wie er in seinen Confessiones seine gesamte Jugendgeschichte als ein langgezogenes Zögern vor der »Konversion« des Jahres 386 stilisierte. Gerade im Blick auf ihn scheint Spenglers Theorem durchschlagend plausibel. Man kann an seiner Lebensgeschichte - wie der zahlloser analoger Konfessionswechsler und Ernstmacher späterer Zeiten - mühelos zeigen, daß bei ihm in der Tiefenstruktur seiner Persönlichkeit nie die geringste »Konversion« stattgefunden hat. Vielmehr hat er nur innerhalb einer seit jeher bestehenden Ausrichtung auf die Überwelt mehrfach die Adressen bzw. den Großen Anderen, den transzendenten Trainer gewechselt - vom Manichäismus zu Platonismus, vom Platonismus zum philosophlschen Christentum, vom philosophischen Christentum zu einem theozentrisch nachgedunkelten Unterwerfungskult. Hierin war er keine Singularität, da schon seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert unter den Gebildeten der römischen Ökumene »Bekehrungen« zur Philosophie auftraten, die sich organisch in Übertritte zum Christentum fortsetzten - so etwa im Fall von Justin dem Märtyrer, des katholischen Patrons der Philosophen. .... Gewiß hatte Oswald Spengler übertrieben, wenn er die Möglichkeit der Konversion innerhalb einer gegebenen Kultur von vorneherein abstritt, dennoch erhob er seinen Einwand nicht ohne gute Gründe, da der größte Teil der real erlebten Bekehrungen tatsächlich nicht im Modus einer epistrophischen Gesamtumkehrung, sondern des Übergangs zu einer mehr oder weniger naheliegenden Alternative geschieht: Eine wirkliche Umwälzung vollzieht sich letztlich nur beim Eintritt auf den Hochkulturpfad als solchen, der die Sterblichen auf die hohen Formen der Vertikalspannung ausrichtet, indem er sie impft mit dem Wahnsinn des Verlangens nach dem Unmöglichen. (Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, 2009, S. 474-476, 477, 478, 479-480, 482).48 fand das Apostelkonzil in Jerusalem statt, an dem auch Petrus und Paulus teilnahmen. Anlaß des Apostelkonzils war die Frage, ob Heiden, die zum Christentum übertreten, sich der Beschneidung und dem jüdischen Gesetz unterwerfen müssen. Das Apostedekret ist der vom Apostelkonzil (Apg. 15; Gal. 2, 1-10) den Christen Antiochias, Syriens und Kilikiens (heute: Südanatolien) mitgeteilte Beschluß, daß sie zur Beobachtung (Befolgung) des mosaischen (israelitisch-jüdischen) Gesetzes nicht verpflichtet seien (!). Also war das Apostelkonzil ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Universalkirche.Der Primat des Papstes ist in der katholischen Theologie (bzw. Religion) der Vorrang des Amtes in Aufbau der kirchlichen Verfassung, das dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus zukommt. Schon gegen Ende des 1. Jahrhunderts betonte Papst Klemens I. (reg. um 88-97) in seinem ersten Brief (Klemensbrief der eine erste Enzyklika, ein politisch gefärbtes Evangelium darstellt) mit unzweideutiger Selbstverständlichkeit den Vorrang Roms und seine primatiale Stellung, und zwar abgeleitet aus seiner Vorstellung des für ihn in der römischen Gemeinde repräsentierten Ordnungsprinzips. (Unter Klemens I. bekehrten sich führende Angehörige des römischen Adels und des Kaiserhauses zum Christentum). Der Klemensbrief identifiziert die Einheit der römischen Gemeinde mit der Einheit in Rom. Seit dem 2. Jahrhundert bildete sich der Primat des Bischofs von Rom (also: des Papstes) in der Kirche allmählich konkreter heraus. Zu dieser Entwicklung trugen dann auch noch - zumeist unfreiwillig - die Kirchenväter Irenäus von Lyon (ca. 145 - 202) und Cyprian von Karthago ( 258) das Ihre bei; der erste prägte nämlich den Begriff der principalitas, der zweite den noch viel weiter tragenden des primatus der Bischöfe von Rom. Der Zusammenhang mit den Entwicklungen im (quasi schon gestorbenen) römischen Kaisertum ist hier nicht zu übersehen. Aus dem ersten Begriff machte die Papst-Monarchie ihren über allen Herrschern der Erde stehenden Fürstenrang und aus dem zweiten Begriff den konsequent zum Dogma von der Unfehlbarkeit führenden Primat, der später vorausschauend in Rechtsparagraphen definiert wurde. (Vgl. Papstgeschichte).Der Calvinismus, anfangs ein antischolastischer Humanismus, machte die Prädestination zu seinem Inhalt und Mittelpunkt. Diese Prädestination, die man auch Prädetermination nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen schon vor bzw. bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen. und zwar entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde schon von Augustinus (354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin (1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638). Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem aus ihm entwickelten Puritanismus, und dem modernen Kapitalismus der westlichen Demokratien hat vor allem Max Weber (1864-1920) hingewiesen.Wie eine Riesenspinne saß Rom im Mittelpunkte der lateinischen Welt und überzog sie mit einem unendlichen Gewebe. Generationen der Völker lebten darunter ein beruhigtes Leben, indem sie das für einen nahen Himmel hielten, was bloß römisches Gewebe war; nur der höherstrebende Geist, der dieses Gewebe durchschaute, fühlte sich beengt und elend, und wenn er hindurchbrechen wollte, erhaschte ihn leicht die schlaue Weberin und sog ihm das kühne Blut aus dem Herzen; - und war das Traumglück der blöden Menge nicht zu teuer erkauft für solches Blut? Die Tage der Geistesknechtschaft sind vorüber; altersschwach, zwischen den gebrochenen Pfeilern ihres Kolisäums sitzt die alte Kreuzspinne und spinnt noch immer das alte Gewebe, aber es ist matt und morsch, und es verfangen sich darin nur Schmetterlinge und Fledermäuse und nicht mehr die Steinadler des Nordens. (Heinrich Heine, Die Nordsee [geschrieben auf Norderney], in: Reisebilder, 1826, S. 73-74). Weiter heißt es: - Es ist doch wirklich belächelnswert, während ich im Begriff bin, mich so recht wohlwollend über die Absichten der römischen Kirche zu verbreiten, erfaßt mich plötzlich der angewöhnte protestantische Eifer, der ihr immer das Schlimmste zumutet; und eben dieser Meinungszwiespalt in mir selbst gibt mir wieder ein Bild von der Zerissenheit der Denkweise unserer Zeit. Was wir gestern bewundert, hassen wir heute, und morgen vielleicht verspotten wir es mit Gleichgültigkeit. (Heinrich Heine, ebd., 1826, S. 74).Daß sich auch unter christlichen Vorzeichen Charismen leicht in maligne Besessenheit zurückverwandeln, zeigen aber nicht nur die zahllosen evangelikalen Sekten, für welche die USA, seit jeher das Paradies der manischen Kommunen, bekannt oder berüchtigt sind; in ihnen wird Christus in einen Erfolgsdämon mit starken monetären Kompetenzen transformiert, sofern er nicht als Wunderheiler vor laufender Kamera ins Leben eingreift. Der Rückfall wird auch Jahr für Jahr bei christlichen Jerusalempilgern aus aller Welt beobachtbar, die angesichts der Schauplätze der Passion in Verwirrung geraten und gelegentlich die Empathie jüdischer Psychiater in Anspruch nehmen müssen. (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 456-457).Carl Friedrich Gauß (1777-1855) veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil er das Geschrei der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen fürchtete. Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken Landschaft (Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte als denkfaul und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte zu Recht, daß man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen können. Die erste der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach Vollendung seines Hauptwerkes Disquisitiones arithmeticae (1801), durch deren in sich widerspruchslose Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere streng mathematische Arten einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die sämtlich a priori gewiß sind, ohne daß es möglich wäre, eine von ihnen als die eigentliche Form der Anschauung herauszuhebe. (Vgl. 18-20).Max Weber (1864-1920), laut Karl Jaspers der größte Deutsche unseres Zeitalters, war der Diagnostiker der Moderne. In seinem berühmten Buch Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904 / 1905) zeigte er die Bedeutung des religiösen Rationalismus, d.h. der reformatorischen Weltauslegung, die das Diesseits entzauberte oder entsakralisierte und die mit dem Berufsgedanken das alltägliche Leben mit dem Jenseitsschicksal verband, für die Entstehung des modernen Betriebskapitalismus: im Berufserfolg und Gelderwerb bewährt sich der je eigene Gnadenstand. Weber, Begründer der Religionssoziologie, suchte die Sozialwissenschaften zum Range strenger Wissenschaftlichkeit zu erheben, indem er ihre Methoden prüfte und sie als rein beschreibende auffaßte. Er suchte scharf zu trennen: Erfahrungswissenschaft und wertende Beurteilung, einseitige partikulare Erekenntnis und Ergreifen des Totalen, empirische Wirklichkeit und Wesen des Seins. Entgegen der intuitiven Verstehens-Theorie Diltheys muß nach Weber die verstehende Soziologie, als eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will, rational hauptsächlich nach Zweck und Mitteln fragen, weil allein dadurch das Verstehen eine besonders hohe Evidenz erreicht. Als Hauptbegriff entwickelte Weber den des Idealtypus. Durch diesen Terminus wurde eine für die sozialwissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildung zentrale Konstruktionsmethode bezeichnet. Der Idealtypus wird durch gedanklich einseitige Steigerung bestimmter Elemente der Wirklichkeit gewonnen, die dann zu einem in sich widerspruchslosen Idealbilde zusammengefügt werden. Der Idealtyp ist ein »Gedankenbild«, welches nicht die historischen Wirklichkeit oder gar die eigentliche Wirklichkeit ist, ... sondern die Bedeutung des eines rein idealen Grenzbegriffes hat, an welchenm die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird. (Max Weber). Die Bildung des Idealtypus ist ein heuristischer Schritt der Begriffs- und Theoriebildung, der deutlich von der überprüften Theorie zu unterscheiden ist.Auf die Hominiden folgte der Homo sapiens sapiens, auf den Humanismus folgt der Hominismus. Damit schließt sich vorerst der Kreis. Schon im 13. Jahrhundert sollen Alchimisten erste Experimente unternommen haben, um einen künstlichen Menschen im Reagenzglas zu erzeugen. Goethe ließ im 2. Teil des Faust den Famulus Wagner einen Homunkulus nach Anleitung des Paracelsus erzeugen. Heute scheinen sich die Möglichkeiten zur Erschaffung des Menschen nach eigenen Wünschen konkretisiert zu haben. Vgl. hierzu: 22-24Johannes Faust (um 1480 - um 1540), deutscher Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler, war nach seinem Theologiestudium in Heidelberg u.a. in Erfurt (1513), in Bamberg (1520), in Ingolstadt (1528) und in Nürnberg (1532). Er stand in Verbindung mit humanistischen Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturphilosophie der Renaissance (magia naturalis). Schon zu seinen Lebzeiten setzte die Sagenbildung ein, besonders durch Übertragung von Zaubersagen auf ihn, in denen er vor allem als Totnbeschwörer auftritt. Sein plötzlicher (gewaltsamer?) Tod gab Anstoß zu Legenden, der Teufel habe ihn geholt. Diese Stoffe wurden Grundlage eines Volksbuches. Das erste Faustbuch erschien 1587 bei J. Spies in Frankfurt (Main). Mit einer um 1575 niedergeschriebenen Wolfenbüttler Handschrift des Faustbuches geht diese Fassung auf eine gemeinsame, nicht erhaltene Vorlage zurück. Das Spies'sche Faustbuch wurde 1599 in Hamburg neu bearbeitet von G. Widmann, dessen Fassung später (1674) von J. N. Pfitzer gekürzt wurde. Das älteste überlieferte Faust-Drama ist The tragical history of Doctor Faustus (entstanden 1588) von C. Marlowe. Es schließt sich eng an das Spies'sche Faustbuch an. Den Anfang bildet der Faustmonolog, ein nächliches Selbstgespräch des Faust, in dem dieser die einzelnen Universitätswissenschaften, einschließlich der Theologie gegeneinander abwägt, sie alle verwirft und sich der Magie verschreibt. Dieser Faustmonolog wurde ein festes Bauelement fast aller späteren Faustdramen. Faustspiele waren bei den englischen Komödianten in Deutschland (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später den deutschen Wandertruppen beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor Faust, das seit 1746 bezeugt ist, fußt. (Vgl. 16-18 und Goethe).Johann Wolfgang Goethe (28.08.1749 - 22.03.1832) Faust (Teil I), 1806, S. 27, Faust (II), 1831, S.113ff.Fürst (zu althochdeutsch furisto, der Vorderste)ist seit dem Mittelalter die Bezeichnung für die höchste Schicht des hohen Adels, die durch ihre besondere Königsnähe an der Herrschaft über das Reich, besonders in seiner territiorialen Gliederung, teilhatte (Reichsadel), v.a. Herzöge und Herzogsgleiche sowie Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte der Reichsabteien. Ihnen stand das Recht der Königswahl zu und die Pflicht, bei Entscheidungen in Reichssachen mitzuwirken. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation konnten zunächst alle freien, dann alle Reichsfürsten den König wählen. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kristallisierten sich bei der Wahl des Königs immer mehr entscheidende Fürsten heraus. Spätestens aber im 13. Jahrhundert ergab sich aus den Fürsten heraus der engere Kreis der Königswähler, die Kurfürsten, deren Sonderstellung in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt wurde. Weltliche und geistliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Seit dem staufisch-welfischen Thronstreit (1198) mußten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein (die Rheinpfalz) an einer gültigen Wahl beteiligt sein. Der Sachsenspiegel (1224-1231) zählt 2 weitere Kurfürsten als Vorwähler oder Erstwähler auf: den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Doppelwahl von 1527 traten zum ersten mal die 7 Kurfürsten (einschließlich des vom Sachsenspiegel abgelehnten Königs von Böhmen) als alleinige Wähler auf. Bei der Wahl Rudolfs von Habsburg (1273) war das Kurfürstenkollegium (Kurkollegium) ein geschlossener Wahlkörper. Seine Entstehung - vom Sachsenspiegel aus dem Besitz der Erzämter erklärt - war also letztlich ein Ergebnis des Interregnums: eine Verhinderung der erblichen Thronfolge, ein Erwerb von Reichsgut und wichtigen Reichsrechten durch die Kurfürsten. Das Wahlrecht schränkte sich auf 3 geistliche und 4 weltliche Kurfürsten ein, die vom Kandidaten Sonderrechte (Kapitulationen) und politisches Mitspracherecht (Willebriefe) forderten, ein schwaches Königtum wünschten und deshalb die Krondynastie wechselten. Die Kurfürsten wurden häufig zu Gegenspielern des Königtums. Zur Gültigkeit der Wahl mußten mindestens 4 Kurfürsten anwesend sein. Die Mehrheitswahl wurde zuerst im Kurverein von Rhense (1338) für rechtsmäßig erklärt und 1356 in der Goldenen Bulle als Reichsgrundgesetz festgelegt, die auch die Beratung von Reichsangelegenheiten durch die Kurfürsten auf Kurfürstentagen verbriefte. Im 15. Jahrhundert wurde das Kurfürstenkollegium zur 1., vom Reichsfürstenrat getrennten Kurie des Reichstages. Die böhmische Kurwürde ruhte 1519 bis 1708 mit Ausnahme der Beteiligung an der Königswahl; die Kur des geächteten Pfalzgrafen bei Rhein wurde 1623 Bayern übertragen, der Pfalz aber 1648 eine 8. Kurwürde zugestanden. Braunschweig-Lüneburg (Hannover) hatte seit 1692 eine 9. (1708 vom Reichstag bestätigt), nach der Vereinigung Bayerns mit der Kurpfalz 1777 die 8. Kurwürde inne (seit 1778). 1803 wurden die Kurstimmen von Trier und Köln aufgehoben, die Mainzer Kur auf Regensburg-Aschaffenburg übertragen. Neugeschaffen wurden die Kurfürstentümer Salzburg (1805 auf Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel. Am Ende des 1. Deutschen Reiches gab es 10 Kurfürsten. (Vgl dazu die entsprechenden Phasen 6-8, 8-10, 10-12, 12-14, 14-16, 16-18, 18-20)Kurverein von Rhense war der Zusammenschluß der Kurfürsten (ohne Böhmen) am 16.07.1338 in Rhense (Rhens, Rhein-Lahn-Kreis) zur Verteidigung des Reichsrechts und ihrer Kurrechte besonders gegen päpstliche Ansprüche. Die Kurfürsten setzten in einem Rechtsspruch fest, daß der von ihnen oder ihrer Mehrheit zum Römisch-Deutschen König gewählte nicht der päpstlichen Anerkennung bedürfe.Rationalismus ist der Verstandes- bzw. Vernunftsstandpunkt, die Gesamtheit der philosophischen Richtungen, die irgendwie die Vernunft (lat. ratio), das Denken, den Verstand subjektiv, die Vernünftigkeit, die logische Ordnung der Dinge objektiv in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Sowohl die Antike als auch das Abendland durchliefen eine Phase der Rationalisierung, des Rationalismus und der ihm völlig dienenden Aufklärung. Eine Systematisierung erfuhr der eigentliche subjektivistische Rationalismus im 17. und 18. Jahrhundert durch Descartes (1596-1650), Spinoza (1632-1677), Leibniz (1646-1716) und Wolff (1679-1754). Für Rationalismus und Aufklärung gab es nur vorläufige Probleme, nicht aber grundsätzlich unlösbare Probleme. In der abendländischen Phase des Rationalismus entstand der neue Begriff der Wissenschaft, der gleichbedeutend wurde mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. (). Wissenschaftlich heißt seither: in mathematisch-naturwissenschaftlicher Sprache darstellbar. Ferner entstand der Begriff der wertfreien Wissenschaft, die besagt, daß die Wissenschaft sich nicht darum zu kümmern habe, ob die Gegensätze und namentlich auch die Ergebnisse ihres Forschens ethisch wertvoll oder wertwidrig sind, ob sie Heil oder Unheil in sich tragen. Der Platz für die Metaphysik wurde durch den Rationalismus immer enger. Deshalb rief der Rationalismus auch Gegner auf den Plan. Pascal (1623-1662) und die Empiristen Locke (1632-1704), Hume (1711-1776), Condillac (1715-1780) bekämpften ihn. Kant (1724-1804) hob den Gegensatz von Empirismus und Rationalismus in der höheren Einheit seines Kritizismus auf; Fichte (1762-1814), Schelling (1775-1854), Hegel (1770-1831) kehrten teilweise zu einem objektivistischen Rationalismus zurück. Völlig rationalistisch sollten dann der Positivismus, der historische Materialismus, der Pragmatismus sowie Marxismus, Neupositivismus, Logizismus, Physikalismus werden. (Vgl. dazu die Tafeln 14-16, 16-18, 18-20, 20-22, 22-24).Fünfter Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der Mohammedaner (Moslems / Muslime)Die von Mohammed (um 570 - 632) gestiftete Religion (Islam), die sich als Vollendung der jüdischen und christlichen Religion versteht, ist monotheistisch und kennt nur die unbedingte Ergebung (Kismet) in den Willen Allahs, der als absoluter Herrscher angesehen wird. (Islam = Ergebung [in Gottes Willen]). Die religiösen Glaubenssätze und Pflichten sind genau festgelegt; zu ihnen gehören die 5 Pfeiler: 1) Glaubensbekenntnis: Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet; 2) Gebet: fünfmal am Tag, kniend auf öffentlichen Anruf hin, in ritueller Reinheit; 3) Almosen geben; fast zu einer geregelten Steuer ausgebildet; 4) Fasten: 30 Tage im Monat Ramadan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; 5) Wallfahrt (Hadsch) nach Mekka: mindestens einmal im Leben. Im heiligen Buch des Islam, dem Koran, ist Mohammeds Lehre, die von den Anhängern des Islam als geoffenbarte Wahrheit betrachtet wird, in Suren niedergelegt. Neben dem Koran bildete sich aus mündlichen Überlieferungen über Mohammeds Entscheidungen und Verhaltensweisen in konkreten Fragen und Situationen die Sunna. Die Einschätzung der Wichtigkeit der Sunna neben dem Koran ist das unterscheidende Kennzeichen für die Sunniten (ca. 90% der Moslems) und die Schiiten (ca. 10% der Moslems). Insgesamt gibt es ca. 1,2 Mrd. Moslems. (). Seinen Ausgang nahm der Islam in Mekka, wo die Kaaba, das arabische Nationalheiligtum, unter dem Schutz der Koreischiten stand. Diesem Stamm gehörte Mohammed an; im September 622 (Beginn islamischer Zeitrechnung) mußte er sich dem Zugriff der Koreischiten durch die Auswanderung (Hidschra) nach Medina entziehen. (). Von hier aus verbreitete er seine Lehre, und bald konnte er mit kriegerischen Mitteln Mekka zurückgewinnen und die Kaaba zum äußeren Mittelpunkt des Islam machen. Nach dem Tod Mohammeds breiteten seine Nachfolger (Kalifen) in langen Kämpfen den Islam aus.Mohammed gehörte zum Stamm der Koreischiten. Diese gaben schon in präislamischen Zeiten den Ton an in dem Umschlags- und Handelsplatz Mekka, wo die verschiedensten Karawanenrouten Arabiens zusammenliefen und die diversen Stammesgottheiten der Halbinsel über ihre Altäre verfügten. Das Bekenntnis Mohammeds zu Allah, dem einzigen Gott, seine Verfluchung der vielen Götzen, die die Jahrhunderte der »Dschahiliya«, der Unwissenheit, verdüstert hatten, mußten ihn natürlich die Feindschaft all jener Händler von Mekka einbringen, die von der Wallfahrt zum Sanktuarium dieses vielfältigen Aberglaubens, dieses »Schirk«, profitierten und sich daran bereicherten. Von allen Sakralplätzen Mekkas zeichnete Mohammed die heilige Kaaba (Würfel; zentrale Kultstätte des Islam) aus, in deren Wand ein schwarzer Meteorit als Zeichen göttlicher Verheißung eingelassen ist. (Peter Scholl-Latour, Das Schwert des Islam - Revolution im Namen Allahs, 1990, S. 38).Als Mohammed 622 vor seinem Stamm der Koreischiten () aus Mekka bei Nacht fliehen mußte, als er die Hidschra (Auswanderung von Mekka nach Medina, im September 622; Beginn islamischer Zeitrechnung) nach der Oase Yathrib im Norden antrat, die nach seinem Tode in »Madinat el Nabi«, Stadt des Propheten, auch kurz »Medina«, umbenannt wurde, wiegte er sich noch in der Hoffnung, die zahl- und einflußreichen jüdischen Stämme Arabiens, deren Glaubensgut seine religiöse Offenbarung entscheidend inspiriert hatte, auf seine Seite zu ziehen, ja sie zu seinen Jüngern zu machen. In Yathrib, wo Mohammed sich mit seinen Gefolgsleuten, den »Ansar«, niederließ, wo er nicht nur als Prediger des göttlichen Wortes, sondern vor allem auch als Gesezgeber und Feldherr auftrat, stieß er von Anfang an auf die »Verstocktheit« der dortigen Juden. Er wurde von der Bani Israil mit Spott übergossen und rächte sich schrecklich, indem er sie erschlagen ließ oder aus Arabien vertrieb. Bis zu dieser radikalen Entzweiung mit dem mosaischen Zweig der »Familie des Buches« war er zu manchem Kompromiß bereit gewesen. So war ursprünglich nicht der Freitag, sondern der Samstag, der Sabbat, der geweihte Tag des frühen Islam, und erst nach dem Bruch mit den Hebräern wurde Mekka als obligatorische Gebetsrichtung, als Qibla, fixiert. Bis dahin hatte sich die Gemeinde der »Muhadschirin« nach Jerusalem verneigt. Die heiligen Bräuche von Mekka veranschaulichen die enge Verwandtschaft zwischen Thora und Koran, zwischen Juden und Arabern, diesen verfeindeten semitischen Brudervölkern. Am Anfang steht nämlich Abraham oder Ibrahim, der aus Mesopotamien ins Land Kanaan gezogen war. Das Alte Testament wie übrigens auch die christlichen Evangelien sind integrativer Bestandteil der muslimischen Lehre. Die Offenbarungsschriften der Juden und Christen wurden letztlich, so heißt es bei den Korangelehrten, von deren Interpreten verfälscht. .... An der abrahimitischen Inspiration des Hadsch (Wallfahrt nach Mekka) läßt sich ermessen, mit welch unerbittlicher Rivalität Juden und Muslime ihren Streit um die Gunst des Höchsten austragen. Seit vielen Jahrhunderten setzt sich dieser Erbstreit im Hause Abraham fort. Durch die Schaffung des Staates Israel ist der Anspruch der Juden auf das Gelobte Land, ihre Vorstellung, als das auserwählte Volk Jahwes zu gelten, in deutlicher Weise bekundet und reaktualisiert worden. Dem steht die Heilsbotschaft Mohammeds entgegen, die inbrünstigen Gefühle der Muslime, daß sie die wahre, von Irrtümern gereinigte und endgültige Wahrheit besitzen, wie sie dem »Hanif« (Gottsucher) Ibrahim schon zu Vorzeiten zuteil wurde. Dem auf das Volk Israel in quasi tribalistischer Einschränkung umrissenen Erwähltheitsbegriff der Juden, dem Dreifaltigkeitsglauben der Christen, der den Korangläubigen als eine Spaltung der Einzigkeit Gottes erscheint, setzt der fromme Muslim die Überzeugung entgegen, daß er der perfekten Religion anhängt. Er bekennt, daß dem Islam eine universale Rolle zukommt und daß der Prophet - durch sein exemplarisches Leben als Offenbarungsverkünder, Gesetzgeber und Feldherr - die Einheit von Religion und Staat, ja die Unterwerfung der Politik unter das Sakrale für alle Zeit festgeschrieben hat. .... Das drittgrößte Heiligtum des Islam ... ist Jerusalem, und es ließe sich darüber streiten, ob »El Quds«, die Heilige, nicht einen höheren sakralen Stellenwert einnimmt als Medina. .... Der Hadsch illustriert nicht nur die angebliche Überlegenheit des Islam über die frühe Lehre des Judentums, er weist auch auf die Unverzichtbarkeit Jerusalems als Heiligtum des Islam hin. Aus dieser Perspektive betrachtet, erscheint eine Lösung des aktuellen Konfliktes um das Heilige Land kaum vorstellbar. Sie wird zu einer Frage des Jüngsten Gerichts, wie ein renommierter Orientalist es formulierte. .... Immer wieder wird die Frage gestellt, warum die Muslime sich in fremde Kulturen so schwer integrieren lassen. Seitdem das Christentum aufgehört hat, gottesstaatliche Postulate zu formulieren, wie das im Mittelalter der großen Päpste der Fall war, seit die römische Kirche nicht mehr den Anspruch erhebt, allein seligmachend zu sein, haben in Europa die Reformation und die Aufklärung neue Normen der Toleranz gegenüber anderen Glaubensformen gesetzt. Wer den Islam mit dem Christentum vergleichen will, muß auf die beiden Gründerfiguren zurückgreifen, auf Christus und auf Mohammed. Immer wieder betonen die koranischen Schriftgelehrten, die Ulama, die Jesus von Nazareth als einen der großen prophetischen Vorläufer Mohammeds anerkennen, welche grundlegenden Unterschiede zwischen beiden abrahamitischen Religionen existieren. Man vergißt heute zu leicht, daß das Urchristentum kein politisches Konzept bereithielt, sondern sich auf einen nahe bevorstehenden Weltuntergang vorbereitete. Die muslimischen Kenner der christlichen Lehre verweisen auf den Satz Jesu: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.« Oder auf jenes andere Zitat des Neuen Testaments: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.« Auch die Mahnung »Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert unkommen«, wird in diesem Zusammenhang erwähnt. Tatsächlich haben die ersten Christen als Bekenner, als Märtyrer, zwar den Tod in der Arena oder durch die Folterknechte des Römischen Reiches gesucht; das entsprang aber nicht einer grundsätzlichen Ablehnung des alles beherrschenden Cäsarentums, sondern der Weigerung der ersten Anhänger Jesu, den römischen Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm zu opfern. Was immer auch heute behauptet werden mag: Die Bergpredigt enthält keinerlei Regierungskonzept, sie zeichnet den christlichen Heilsweg auf. Ganz anders der Prophet Mohammed. Er war im Gegensatz zu Christus nur Mensch, wenn auch der perfekte Mensch. Mohammed war nicht nur der Künder und das Siegel göttlicher Offenbarung, er war ein umfassender Gesetzgeber, und er war Feldherr gegen die Ungläubigen. .... Die persönlichen Konflikte Mohammeds mit den Christen seiner Zeit waren zweitrangig. Eine seiner Frauen war ohnehin Koptin, also Christin, und trug den Namen Maria oder Miriam. .... Seine wirklichen Gegner ... waren die Juden .... Der Konflikt, die Rivalität mit dem Judentum, mit dem anderen semitischen Volk, das sich auf die Erbschaft Abrahams beruft, gilt von jeher als eine Existenzfrage des Islam. .... Die wirklich unversöhnliche Feindschaft zwischen Juden und Muselmanen brach erst aus, als der Zionismus unter den europäischen Juden an Boden gewann. .... Eine seltsame Umkehrung hat seitdem stattgefunden. Heute sind es die arabischen Palästinenser, die Nachfahren Ismaels, die in den Flüchtlingslagern eine karge, verbitterte Existenz führen, die in der Rolle des ewigen Wanderers Ahasver (Ewiger Jude) gedrängt wurden, die von der Rückkehr in ihr Gelobtes Land Palästina träumen. .... Nicht Verwestlichung und Modernität, nicht Verweltlichung und Diesseitigkeit hat Israel den arabischen Nachbarn, den abrahamitischen Brüdern und Erbfeinden, überzeugend vor Augen geführt. Die jüdische Staatsgründung hat die muslimischen Rivalen um die Gunst Gottes auf den Weg der eigenen mystischen Rückbesinnung verwiesen. In der unerbittlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden semitischen Völkern, die sich auf Abraham berufen, besitzen die Mohammedaner einen deutlichen Vorsprung. Während die jüdische Offenbarung auf ein auserwähltes Volk begrenzt bleibt und keine umfassende Weltbekehrung zum Monotheismus ins Auge faßt, erhebt die islamische Lehre Mohammeds einen universalen Anspruch. .... Die kriegerische Ausbreitung des Islam, die sich nach dem Tod Mohammeds in Windeseile vollzog und binnen weniger Jahrzehnte ein immenses Territorium zwischen Südspanien und Zentralasien, den »Dar-ul-Islam«, umfaßte, vollzog sich im Zeichen des »Dschihad«. Der Heilige Krieg gehört nicht zu den Grundgeboten, den fünf Säulen des Islam. (). Aber schon Mohammed bewährte sich als Feldherr. Aus den Suren des Koran klingt eine ganze Folge von eindeutigen Appellen an die Gläubigen. Sie sollen auf dem Weg Allahs streiten, sie sollen töten und getötet werden, um der gerechten Sache willen. Dann winken ihnen die himmlischen Gärten des Paradieses. Nicht nur durch Feuer und Schwert, auch durch die Predigt der Schriftgelehrten und die bereitwillige Unterwerfung ungläubiger Völkerschaften unter das Gesetz Allahs hat sich der Islam in aller Welt verbreitet und schreitet weiter fort. .... Vor allem in Afrika ist der Islam weiter im Vormarsch. () .... Bis zum Kongo und bis tief in den Süden Mosambiks sind die islamischen Missionare - meist handelt es sich um Händler, die den Koran predigen - vorgestoßen. (Peter Scholl-Latour, Das Schwert des Islam - Revolution im Namen Allahs, 1990, S. 38-59).Nietzsche zufolge gehört der Islam zu den ja-sagenden Religionen!© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014). |