 | Bernd
Senf -
Die Korpernikanische Wende in der Ökonomie? - | |
Liest
man den Umschlagtext oder die ersten Seiten des Buches »Eigentum, Zins und
Geld« von Gunnar Heinoshn und Otto Steiger, so gewinnt man den Eindruck,
es handele sich um ein Jahrhundert-, wenn nicht gar um ein Jahrtausendwerk, um
eine Art Kopernikanische Wende in den Wirtschaftswissenschaften.Welche
Theoriegebäude sind es, gegen deren Fundamente sie Sturm laufen? Allen voran
der von Adam Smith begründete klassische Liberalismus, aber auch die Theorie
von dessen schärfstem Kritiker Karl Marx, ebenso die Neoklassik, deren Theorie
man durchaus als ideologischen Gegenschlag gegen den Marxismus interpretieren
könnte, und schließlich sogar John Maynard Keynes (dem allerdings noch
die meiste Anerkennung gezollt wird) und eine sich darauf beziehende neue Berliner
Schule des Monetärkeynesianismus. Und wie sieht es aus mit Silvio Johann
Gesell und der von ihm begründeten Freiwirtschaftslehre, die sich doch ihrerseits
als grundlegende Kritik an all den anderen Wirtschaftslehren versteht, weil diese
in bezug auf die Problematik des Zinssystems alle den gleichen blinden Fleck aufweisen
- mit verheerenden Folgen? Müssen also auch die Freiwirtschaftler befürchten,
daß ihre Theoriegebäude von dem Erdebeben in seinem Fundament erschüttert
wird und in Trümmer zusammenstürzt? Denn schließlich leitet auch
Gesell das Geld aus dem Gütertausch ab und sieht dessen eigentliche Aufgabe,
die allerdings in den bisherigen Geldsystemen noch nicht hinreichend erfüllt
sei. Ein Gespenst geht also um in Europa, und vielen wird bei Heinsohn und Steiger
schon ganz unheimlich.Die Annahme eines »allgemeinen menschlichen
Hangs zum Tausch« als Ursache für die Hearusbildung des Tauschs, wie
Adam Smith formuliert hatte, sei unhaltbar und für die Theoriebildung verhängnisvoll
gewesen.Anstatt von ewigen Prinzipien des Wirtschaftens auszugehen und
die wirtschaftliche Entwicklung als einen evolutionären Prozeß von
einfachen zu immer komplexeren und abstrakteren Formen des Gütertauschs zu
interpretieren, sollte endlich wahrgenommen werden, daß die Grundlagen des
Wirtschaftens durch Srukturbrüche der menschlichen Gesellschaft entstanden
sind: durch die plötzliche Schaffung von Eigentum im Zuge der Sklavenaufstände
gegen den Priesterfeudalismus ....Daß Heinsohn und Steiger dem
Absolutheitsanspruch (oder dem Gültigkeitsanspruch) insbesondere der klassischen
und neoklassischen Theorie entgegentreten, ist nur allzu berechtigt.Mir
selbst war der Absolutheitsanspruch insbesondere der Neoklassiker, eine Allgmeingültigkeit
ihrer Theorie jenseits von Raum und Zeit zu beanspruchen, schon lange suspekt,
und ich empfinde ihn bis heute geradezu absurd. Ich habe ihn schon vor über
25 Jahren ... kritisiert ........ Anstatt einen Lobgesang auf Eigentum
und Zins anzustimmen, sollte die Kreativität auf die Suche nach Alternativen
zum Zinssystem konzentriert werden. Genau an diesem Punkt setzen ja die Überlegungen
von Silvio Gesell und der von ihm begründeten Freiwirtschaftslehre an.Die
Einsichten in die Problematik des Zinssystems werden auch nicht dadurch gegenstandslos,
daß der Zins historisch nicht aus dem Tausch, sondern aus dem Eigentum und
den darauf begründeten Kreditverträgen hervorgegangen ist. Seine destruktive
Dynamik bleibt destruktiv, und wenn man sich und die Welt nicht fatalistisch dieser
Dynamik ausliefern will, gilt es, nach Auswegen zu suchen und sich darin auch
nicht durch Heinsohn & Steiger entmutigen zu lassen.Die Priorität
der Tauschmittelfunktion bei Silvio Gesell.... Schaffung einer
»umlausfgedeckten Indexwährung«. ... Gesell ... - zum Verständinis
der Währungskrisen und zur Problematik des Zinssystems, aber auch zur Frage
nach notwendigen Konsequenzen für eine notwendige Reform des Geldsystems
scheint mir sein Ansatz weit mehr herzugeben und klarer zu sein als der von Heinsohn
& Steiger. Was er - im Unterschied zu den meisten Ökonomen und auch zu
Heinsohn & Steiger - auf geniale Weise klar erkannt hat, ist die Widersprüchlichkeit
des bisherigen Geldes: einerseits als Tauschmittel eine öffentliche Funktion
und andererseits als Spekulationsmittel eine private Funktion zu erfüllen.
Was Gesell forderte, war, das Geld aus dieser zwar historisch gewachsenen, aber
nichtsdestoweniger auflösbaren destruktiven Verstrickung zu befreien und
seiner Eigenschaft als Tauschmittel den absoluten Vorrang einzuräumen. Das
sollte dadurch geschehen, daß die Spekulations- oder Liquiditätsvorteile
des Geldes neutralisiert werden und eine Liquiditäts- oder Umlaufsicherumgsgebühr
einegführt wird.Die Verabsolutierung der Spekulationsfunktion
bei Heinsohn und Steiger.Heinsohn & Steiger hingegen räumen
dem anderen Aspekt des Geldes, Spekulationsmittel zu sein (dessen Liquiditätsvorteil
dem Eigentum und der Eigentumsprämie entspringt), den absoluten Vorrang ein.
Die Tauschmittelfunktion erscheint in ihrer Sicht allenfalls als Wurmfortsatz
oder als Randerscheinung der Spekulation von Vermögenseigentümern. Im
Widerspruch zwischen Tauschmittel- und Spekulationsfunktion schlagen sie sich
eindeutig auf die Seite der Spekulation. Nur daß sie den Widerspruch gar
nicht erst benennen, sondern den Eindruck erwecken, als würde Geld als Tauschmittel
überhaupt nur funktionieren können, wenn die Spekulationsinteressen
der Eigentümer geschützt sind. Der Konflikt zwischen beiden Funktionen
- von Gesell schon einmal aufgedeckt - wird von Heinsohn & Steiger wieder
verdrängt - und damit der Weg zur grundlegenden Lösung des Konflikts
verbaut. »Geld regiert die Welt« - das wußten wir schon lange.
Aber jetzt haben wir auch noch den scheinbar wissenschaftlichen Beweis dafür,
daß es auch so sein muß.Bernd Senf, Die
Kopernikanische Wende in der Ökonomie?, in: Zeitschrift für
Sozialökonomie, Juni 1999 ( ).
| Thomas
Betz -
Heinsohn / Steiger: Eigentum, Zins und Geld - | |
Erst
die Ausschaltung eines herrschaftlichen Zugangs zu Gütern erzwingt das Wirtschaften
als Konsequenzen des Eigentums. Wie erklärt sich nun die überlegene
und augenscheinliche ökonomische Dynamik der Eigentumsgesellschaften? Was
ist die konstitutive ökonomische Rolle des Eigentums?Zunächst
wird das Eigentum eindeutig und präzise – und durchaus im Sinne der modernen
Rechtsbegriffe – gegen den Besitz abgegrenzt: Besitz bedeutet immer Rechte
zur Verfügung über und damit die physische Nutzung von bestimmten Gütern
und oder Ressourcen und ist unabhängig davon, ob Eigentum existiert oder
nicht. Die Stammes- wie die Befehlsgesellschaften antiker wie neuzeitlicher
Couleur kennen den Besitz ohne weiteres, nicht jedoch das Eigentum und dessen
volle Dispositionsfreiheit, die im Belasten, Verpfänden und Verkaufen
ihre wichtigsten Elemente hat.Diese Dispositionsfreiheit ermöglicht
es nun einem Eigentümer, mit einem zweiten einen Gläubiger-Schuldner-Kontrakt
einzugehen dergestalt, dass der Gläubiger sein Eigentum belastet, indem er
Anrechtsscheine auf sein Eigentum eben Geld dem Schuldner aushändigt,
während dieser im Gegenzug sein Eigentum gegenüber dem Gläubiger
als Sicherheit verpfändet. Geld wird also in und uno actu mit einem Kreditkontrakt
geschaffen. Damit ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass über die
Beibehaltung der Bewirtschaftung einer im Besitz befindlichen Ressource hinaus
(z.B. des Ackers eines Bauern) per Kreditschöpfung ohne vorheriges
Sparen und ohne Konsumverzicht zusätzliche Nachfragepotentiale und
damit zusätzliche ökonomische Aktivitäten freigesetzt werden, die
die Dynamik und Prosperität in der Eigentumsgesellschaft mitbedingen: Eigentum
setzt eine Beziehung zwischen Gläubigern und Schuldnern in Gang, die das
Wirtschaften hervortreibt. Die genannte Dispositionsfreiheit
ist also eine Art immaterieller Mehrwert und wird Eigentumsprämie genannt.
Kommt es nun zum Kontrakt zwischen zwei Eigentümern, so geht sie auf beiden
Seiten verloren. Allerdings erhält der Schuldner im Zuge des Kontraktes Geld
und gewinnt damit neue Dispositionsfreiheit. Der Gläubiger hingegen bekommt
erst einmal nichts und läßt sich deshalb die verlorene immaterielle
Eigentumsprämie materiell ersetzen durch den Zins: Ein Schuldner,
der die Eigentumsprämie des Gläubigers in Zins umzuwandeln hat, wird
dazu gezwungen in Konkurrenz mit anderen Schuldnern mehr Geld zurückzuzahlen,
als er im Kreditkontrakt erhalten hat. Der Schuldner muß also seinen geliehenen
Geldvorschuß, das Kapital, in einer ganz besonderen Weise verwerten. Er
wird so zur Ökonomisierung von Ressourcen gezwungen: Mehrarbeit stößt
jedoch an eine natürliche Grenze, da die absolute Länge des Tages jenseits
menschlicher Einflußnahme bleibt. Eine solche Grenze gibt es jedoch prinzipiell
nicht für das Zinserwirtschaften durch produktivere Technik, für die
lediglich der Einfallsreichtum der Eigentümer, nicht aber die Zeit eine Schranke
setzt. .... Technischer Fortschritt entspringt also der ständigen Notwendigkeit
einer Verringerung der Verschuldung von Eigentümern. Der
für die Erlangung von Geld, also der Schuldendeckungsmittel zur Auflösung
der Kreditkontrakte, notwendige Verkauf hat also nichts mit einem geldvermittelten
atemporalen Gütertausch wie die Neoklassik meint zu tun. Die
Produktion neuer, also erst zu schaffender Waren erfolgt auch nicht aus der Nutzung
zeitweise überlassener Ressourcen, die per se produktiv sind, im Rahmen einer
physischen Güterleihe wie es orthodoxe Lesart ist , sondern
weil der Schuldner Eigentum verpfändet hat und mit im Kredit überlassenem
Geld sich Ressourcen aneignen und in mehr Eigentum verwandeln kann. Die Transaktionen
auf dem Warenmarkt bilden also den notwendigen Abschluß einer Operation,
die in der Eigentumsprämie ihren Ausgangspunkt hat. .... Hier wird durch
bloßen Rechtsakt die Weltgeschichte zur Wirtschaftsgeschichte transformiert.
Ohne irgendeine physische Veränderung wird die bedeutendste Reichtumsquelle
der Geschichte, die Eigentumsprämie, geschaffen. .... Es ist aber der Zins,
der erst die Produktion von Reichtum erzwingt, und es ist die Verpfändung
von Eigentum, die erst die Produktion von Reichtum ermöglicht.Die
Auseinandersetzung mit dem genannten – und insbesondere durch das Tauschparadigma
gekennzeichneten – orthodoxen Block, Marxismus inklusive (»Die Klassik
lieferte mit dem Marxismus die Begründung für die Abschaffung der Eigentumswirtschaft,
die sie nicht verstand.«), wird vervollständigt durch das Ringen
mit dem (Keynes’schen) Keynesianismus in seiner Urform und dem Monetärkeynesianismus
der Berliner Schule. Dabei sieht man sich ersterem näher als der Neoklassik
und wiederum letzterem näher als ersterem, aber die Abgrenzung bleibt dennoch
deutlich und unmißverständlich. Die Autoren nehmen auch die etymologische
Wurzel des Begriffs der ‚Ökonomie’ selbst für den eigentumstheoretischen
Ansatz in Anspruch: Das stammesgriechische und auch das feudalmykenische Haus
(oikos), das lediglich genutzt wurde, wird .... in der Polis als »Eigentum«
einem Netz von Vertragsrechten (nomoi) unterworfen, das nun jene Wirtschaft herbeizwingt,
die der Öko-Nomie ihr Thema stellt.In der Konkurrenz der Gläubiger
resultiert aus den unterschiedlich starken Eigentümerpositionen eine Rangordnung
in der Akzeptanz der von ihnen emittierten Gelder als Zahlungsmittel. Der stärkste
Eigentümer ist schließlich der Emittent mit dem besten Geld. Er nötigt
dadurch die schwächeren Gläubiger in die Rolle der Einleger und wird
somit zur Bank. Gleichwohl ist damit die Bank nicht etwa Vermittler zwischen Gläubiger
und Schuldner – was der konventionellen Vorstellung entspräche –, sondern
tritt ihrerseits gegenüber Schuldnern als Gläubiger auf, eben im Kreditkontrakt.
So wird von den individuell emittierten zu den überindividuell emittierten
Geldern vorangeschritten. Ganz analog entsteht später auch die Zentralbank
auf nationalstaatlicher Ebene, die mit ihrem einheitlichen Zahlungsmittel die
Gelder der konkurrierenden Notenbanken ersetzt.Daß der Eigentumsprämie
bzw. dem ihr logisch nachgeschalteten Zins ein Wachstumszwang erwächst, wird
deutlich gesehen, aber offenbar nicht als (evtl. ja ökologisches) Problem
erachtet und jedenfalls keine Alternativen oder Lösungsmöglichkeiten
diskutiert. Statt dessen wird die wohlmeinende, ökonomisch aber orthodox
gebliebene Wachstumskritik ad absurdum geführt: Daß hier nicht eine
kollektive Neurose, sondern der eiserne Zwang der Eigentumswirtschaft alle Betroffenen
ganz unabhängig von ihrer individuellen Charakterstruktur in Bewegung hält,
können die Öko-Ökonomen nicht einmal vermuten, weil sie gegen ihre
neoklassische Schule zwar aufbegehren, ihr aber analytisch nicht zu begegnen wissen.In
der Krise der Eigentumsgesellschaft wird haftendes Eigentum entwertet und werden
Beleihungsgrenzen nach unten gefahren. Nicht zuletzt deshalb müssen sich
die Investoren nunmehr zurückhalten. Die Geschäftsbanken, deren Verpflichtungen
in unveränderter Höhe bestehen, deren Sicherheiten aber im Wert gefallen
sind, neigen jetzt eher dazu, ihre Verbindlichkeiten bei der Zentralbank glattzustellen
als Geld für neue Investitionen zu kreditieren. Eine Kontraktion der Geldmenge
und insofern ein noch weitergehendes Schrumpfen der Nachfrage ist die Folge. Die
Versuche der Zentralbank, die Refinanzierung zu erleichtern (vornehmlich durch
Zinssenkungen) und damit das Kreditvolumen wieder zu erhöhen, scheitern typischerweise
daran, dass die Zentralbank keine Möglichkeit hat, die potentiellen Schuldner
mit Haftungseigentum auszustatten, auf dem die Geschäftsbanken natürlich
bestehen. Das beste Beispiel für eine solche Konstellation ist das erdrückende
Volumen fauler Kredite in Japan und seine Deflation, die keine andere ökonomische
Schule ähnlich überzeugend interpretiert.Ein entscheidendes
Problem der Eigentumsgesellschaft, nämlich die eigentlich unausweichliche
Tendenz zu Konzentration und Vermachtung von Eigentum, wird nicht nur deutlich
gesehen, sondern auch deutlich mit der Staatsverschuldung in Verbindung gebracht
und schließlich ebenso deutlich eine Lösung des Problems aufgezeigt.
Die Wirtschaft neigt u.a. deshalb immer mehr zur Krise und der Staat u.a. deshalb
immer mehr zur Verschuldung, ....weil die Eigentumskonzentration die Verschuldungsfähigkeit
von Bürgern zerstört und somit den Staat solange in die Position eines
stellvertretenden Schuldners nötigt, wie er eine Neuverteilung von Eigentum
umgeht. Die steigende Staatsverschuldung in den letzten beiden Jahrzehnten hat
hierin womöglich einen bisher übersehenen Grund.Und schließlich
– logisch konsequent und gar nicht zimperlich: Am Ende bleibt für die
Bekämpfung der Krise in einer Eigentumsgesellschaft kein anderer Weg als
bei der Etablierung dieses Systems. Der Staat müßte wie ein Romulus
handeln, also durch die radikale Verteilung von Eigentum die Verschuldungsfähigkeit
wiederherstellen.Dass die Geldmenge einer Volkswirtschaft keine exogen
gegebene – etwa von einer Zentralbank autonom und administrativ gesetzte – Größe
ist, sondern endogen zu fassen, eben weil Geldentstehung wie Geldvernichtung über
Kreditschöpfungsprozesse in einem interdependenten Sinne mit der sog. Realsphäre
verwoben sind, ist eine unabdingbare Erkenntnis, von der nicht nur etablierte
ökonomische Schulen, wie die Neoklassik, aber auch weniger etablierte, wie
der Marxismus, profitieren würden, sondern auch die Diskussion um eine Reform
der Geld- und Bodenordnung; auch wenn dadurch alles noch komplizierter wird. Interessanterweise
werden die in Eigentum, Zins und Geld aufgezeigten Zusammenhänge am
besten nachvollzogen von Menschen, die in systemischem Denken trainiert sind –
Physikern oder Ingenieuren etwa, aber gar als Selbstverständlichkeiten erachtet
(jedenfalls in Teilen) von Praktikern und Bankfachleuten; unter der Voraussetzung
allerdings, dass sie keine akademische Ausbildung genossen haben, jedenfalls keine
volkswirtschaftliche: »Der Banklehrling weiß, wo das Geld herkommt.
Der Volkswirtschaftsprofessor weiß es nicht!«, so brachte es Gunnar
Heinsohn einmal auf den Punkt und machte damit auch einmal mehr deutlich, wie
recht Keynes hatte, als dieser darauf hinwies, dass es weit weniger schwierig
ist, eine neue Theorie zu verstehen, als den Kopf freizumachen von den Vorprägungen
durch die Orthodoxie. Keynes Weisheit macht auch vor der Freiwirtschaftslehre
nicht halt, nicht vor ihrer Funktion als neue Theorie, aber auch nicht vor ihrer
Rolle als Orthodoxie.Thomas Betz, Heinsohn
/ Steiger: Eigentum, Zins und Geld, in: Zeitschrift für
Sozialökonomie, März 2003 ( ).
| Hubert
Brune -
Heinsohn und Steiger können die Eigentumswirtschaft, aber nicht die gesamte
Wirtschaft erklären - |
|
Ich spreche meinen Respekt aus vor Gunnar Heinsohn und Otto Steiger. Sie haben
eine Wirtschaftstheorie (**)
vorgelegt, die m.E. zwar noch nicht hinreichend, aber immerhin den etablierten
traditionellen Wirtschaftstheorien überlegen ist, und sie haben den Mut aufgebracht,
gegen den mächtigen und arroganten Strom in den Wirtschaftswissenschaften
anzukämpfen.
Eine Wirtschaftstheorie mit unbefriedigenden Geschichtsquellen
ist immer noch besser als eine mit ungenügenden oder gar keinen Geschichtsquellen.
Die etablierten Wirtschaftstheoretiker können das Wirtschaften
nicht erklären, weil sie selbst es nicht verstehen. Die
von Heinsohn und Steiger vorgestellte Wirtschaftstheorie, die sie Eigentumswirtschaft
oder Eigentumsökonomie nennen (**|**|**|**),
kann aber allein das Wirtschaften auch nicht ausreichend erklären,
weil ihre Voraussetzungen - Kataklysmen wie z.B. Katastrophen, Revolutionnen u.ä.
(**|**|**|**)
- zwar mehr als die der etablierten Wirtschaftstheorien - z.B. der bei den Menschen
schon immer vorhandene »Hang zum Tausch«, das »Streben nach
Vermögensvermehrung«, die »Profitgier«, der »Vorrat«,
die ewige »Vorteilssuche«, der ewige »Homo oeconomicus«,
die »Ewigkeit«, das »Nichts« u.ä. - aussagen können,
aber eben auch nicht in ausreichendem Maße. Man
muß das Wirtschaften, gerade auch in Hinsicht auf seine Voraussetzungen,
von zwei Seiten sehen.
Das Verhängnis aller bisher etablierten Wirtschaftstheoretiker ist, daß
sie sich zu sehr an das naturwissenschaftliche Weltbild geklammert haben.
Als die Naturwissenschaften und deren »Sprache« - die Mathematik,
die ja eine »Kulturwissenschaft der Naturwissenschaften« sein soll
- ihre größten Erfolge hatten, wurde kurzerhand auch die Wirtschaftswissenschaft,
die ja eine »Naturwissenschaft der Kulturwissenschaften« sein soll,
»vernaturwissenschaftlicht« und »vermathematisiert«. Um
das Wirtschaften wirklich besser zu verstehen, muß man aber beide
Seiten bemühen: Für Güter im Bereich des Tausches mag unter gewissen
Umständen zunächst eine naturwissenschaftliche Sicht weiterhelfen, doch
schon sehr bald wird sich herausstellen, daß die nicht ausreicht; für
Eigentum, Zins und Geld ist eine rein naturwissenschaftliche Sicht in den Auswirkungen
sogar noch sehr viel problematischer, weil das Eigentum ein rechtliches Abstraktum
- ein Rechtstitel - ist und die Rechtswissenschaft ja eine kulturwissenschaftliche
(sozial-, v.a. geisteswissenschaftliche) Diziplin ist und Zins und Geld am ergiebigsten
nur im Zusammenhang mit Eigentum zu verstehen sind - laut Heinsohn und Steiger
sind Zins und Geld die beiden »erstgeborenen Abkömmlinge« des
Eigentums (**).
Wenn also Geld und Zins aus dem Eigentum hervorgehen, das Eigentum aus einem Rechtstitel,
dieser Rechtstitel aus einem historischen Wandel - z.B. einer sozialen »Revolution«,
wie Heinsohn und Steiger sagen - hervorgeht und auch nur dadurch wieder rückgängig
gemacht werden kann - wie es ja auch in den »realsozialistischen«
Ländern, wie Heinsohn und Steiger sie nennen, geschehen ist -, dann ist die
logische Schlußfolgerung die, daß man das Wirtschaften von der Kulturwissenschaft
her verstehen muß. Das ist die eine Seite. Doch
die andere Seite ist die, daß wir nicht wissen, ob das Eigentum - und mit
ihm auch seine »erstgeborenen Abkömmlinge« (Zins und Geld) -
wirklich allein vom »revolutionär« erkämpften Rechtstitel
her erklärbar ist, oder ob wir sogar hierbei nicht auch naturwissenschaftliche
Erklärungen einbeziehen müssen. Hierüber geben Heinsohn und Steiger
leider keine Auskunft. Wir brauchen zur Witschaftsgeschichte also genaueste Untersuchungen
der historischen Quellen und noch mehr archäologische Untersuchungen. Gemäß
meiner Theorie braucht man für das Erklären der Eigentumswirtschaft,
wie sie Heinsohn und Steiger lehren, sehr viel, ja fast nur Kulturwissenschaft,
also fast gar keine Naturwissenschaft, weil die Eigentumswirtschaft ein
fast rein kulturwissenschaflich zu verstehendes Phänomen ist; für das
Erklären der Wirtschaft insgesamt braucht man aber nur ein bißchen
mehr Kulturwissenschaft als Naturwissenschaft, weil die Wirtschaft insgesamt
ein zu ungefähr 51-53% kulturwissenschaftliches und zu 47-49% naturwissenschaftliches
Phänomen ist (vgl. Abbildungen [**]),
weil man die Wirtschaft insgesamt vor allem von ihrem Anfang, von ihrer
Entwicklung (Evolution und Geschichte) her erklären muß. Genau an diesem
Punkt versagen Heinsohn und Steiger, weil sie wie die von ihnen Kritisierten -
nur von der anderen Seite her - das Wirtschaften zu einseitig und es darum
insgesamt nicht verstehen.Naturwissenschaften | | | Kulturwissenschaften | (auch
genannt: Empirie-, Erfahrungswissenschaften) | | | (auch
genannt: Sozial-, Geisteswissenschaften) |
|
...
Ü b e r g ä n g e
... |
| |
|
Man muß die Wirtschaft von zwei Seiten sehen
- das bedeutet auch, daß man sie von zwei verschiedenen Entwicklungswegen
her sehen muß. Einer der beiden Entwicklungswege ist der evolutionistische
bzw. genetische als der mehr naturwissenschaftlich zu beschreibende; und
der andere ist der revolutionistische bzw. metagenetische als der
mehr kulturwissenschaftlich zu beschreibende. (Vgl. Abbildungen [**|**|**]).
Schenken und Gegenschenken als machtbezogene und liebesbezeugende Akte sind in
sehr hohem Maße evolutuionistisch erklärbar, aber wenn das Tauschen
von Gütern schon als Wirtschaften verstanden werden soll, dann ist es nur
noch in sehr geringem Maße evolutuionistisch erklärbar. Ob schon
allein das Gütertauschen das Wirtschaften ausreichend erklären kann
- das ist ja eben die Frage. »Klassik und Neoklassik sowie - mit Einschränkung
- auch der Monetärkeynesianismus« versuchen, das Wirtschaften allein
von der Gütertauschgesellschaft her zu erklären (**);
dagegen versuchen Heinsohn und Steiger, das Wirtschaften allein von der
Eigentumsgesellschaft her zu erklären. Will man diese - heute die Welt dominierende
- Art des Wirtschaftens verstehen, liefern Heinsohn und Steiger die eindeutig
bessere Erklärung, weil - wie sie sagen - alle anderen Wirtschaftstheoretiker
noch gar nicht beim Eigentum und seinen »erstgeborenen Abkömmlingen«
Zins und Geld angekommen sind (**|**).
Aber wir wollen ja auch verstehen, wie und warum es dazu gekommen ist und wie
und warum es vorher anders war. Wir wollen das Wirtschaften insgesamt verstehen.
Ob die Erklärung, die Eigentumswirtschaft sei katastrophistisch über
»soziale Revolutionen« zustande gekommen (**),
dafür ausreicht - das ist ja eben auch die Frage.
Konkurrenz gibt es in der Natur auch ohne Menschen, doch diese
Konkurrenz ist noch ohne Menschenwirtschaft. Menschliche
Wirtschaft gibt es - natürlich - schon in der »Solidargesellschaft
des Stammes« (**|**),
noch mehr in der »Befehlsgesellschaft des Feudalismus und Realsozialismus«
(**|**)
und am meisten in der »Eigentumsgesellschaft der Freien« (**|**),
doch Heinsohn und Steiger, die von diesen drei »gesellschaftlichen
Grundstrukturen« (**|**)
ausgehen, wollen das Wirtschaften für Stammes- und Befehlsgesellschaften
nicht gelten lassen: »Für uns ... gibt es Wirtschaften nur
in der Eigentumsgesellschaft« (**)
- das ist wohl ihr größter Fehler! Gemäß
meiner Theorie gibt es das Wirtschaften als Urform (!) für alle
»Höheren Lebewesen« - also länger als die Menschen.
Alle »Höheren Lebewesen« wirtschaften irgendwie. Die
Konkurrenz ist zwar kein Beweis für die Wirtschaft, denn es gibt
die Konkurrenz - natürlich - auch ohne die Wirtschaft; aber die Konkurrenz
mit Wirtschaft - auch »wirtschaftlicher Wettbewerb«
genannt - betrifft nicht nur die menschliche »Eigentumsgesellschaft
der Freien« (aber sie zugegebermaßen am meisten!), sondern
alle Menschen und in der Urform sogar alle »Höheren
Lebewesen«. Wirtschaften ist nur dann verstehbar, wenn Natur- und
Kulturwissenschaftliches berücksichtigt werden. Lebendige Konkurrenz
ist evolutionär verstehbar über den »naturwissenschaftlichen
Weg« (vgl. Abbildungen [**|**|**]),
die Wirtschaftsurformen sind evolutionär und revolutionär
verstehbar über den »natur- und kulturwissenschaftlichen
Weg« (vgl. Abbildungen [**|**|**]),
und die Eigentumswirtschaft ist revolutionär verstehbar über
den »kulturwissenschaftlichen Weg« (vgl. Abbildungen [**|**|**]),
denn es gibt hier u.a. die Voraussetzung, daß
Menschen erst einmal eine auf Schrift basierende Rechtsprechung eingerichtet
haben müssen, bevor sie eine Eigentumswirtschaft entwickeln können.
Ohne diese kulturellen Voraussetzungen wie z.B. Schrift und schriftlich
fixiertes Recht ist eine Eigentumswirtschaft nicht möglich. Auch
gemäß meiner Theorie gilt also, daß ohne den »kulturwissenschaftlichen
Weg« (vgl. Abbildungen [**|**|**])
eine Eigentumswirtschaft niemals möglich ist.
Wie Heinsohn und Steiger bin auch ich sicher, daß Eigentum, Zins und Geld
von der Kulturwissenschaft her erklärt werden müssen, aber für
das Wirtschaften müssen meiner Ansicht nach auch noch andere Aspekte berücksichtigt
werden - z.B. auch solche, die die Naturwissenschaft bereithält. Heinsohn
und Steiger liegen mit ihrer kulturwissenschaftlich argumentierenden Wirtschaftstheorie,
ihrer Eigentumswirtschaft also, beim folgenden Aspekt nicht falsch: Wenn eine
(zumeist: Boden-)Reform hin zum Eigentum nicht oder nur unzureichend erfolgt,
kommt nämlich tatsächlich die Wirtschaftsentwicklung nicht voran - dies
zeigen die Entwicklungen in Ostmittel-, Osteuropa, Asien, insbesondere Ostasien
(**).
Und wenn die Entwicklung nicht weitergeht, dann passiert das, was immer wieder
vor allem mit der Dritten Welt passiert: Aufstockung der Entwicklungshilfe,
Vergabe neuer Kredite trotz Zahlungsunfähigkeit der eigentumslosen Gläubiger.
Die Transformationsländer (Zweite Welt) und vor allem die Entwicklungsländer
(Dritte Welt) werden also behandelt wie Mitglieder einer Stammesgesellschaft
(**|**).
Sind die Erste Welt, die Zweite Welt und die Dritte Welt
zusammen schon seit Jahrzehnten die Eine Welt als Stammesgesellschaft?
Und wenn nein: Warum ist dann alle bisherige Entwicklungshilfe erfolglos geblieben?
Es wäre wahrscheinlich angebrachter, nicht Ökonomen, auch nicht Soziologen
und schon gar nicht Politologen, sondern Juristen als Entwicklungshelfer einzusetzen.
Juristen
wissen, was Eigentum bedeutet, kennen den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz
ganz genau. Aber die anderen Wissenschaftler - und ironischerweise gerade die
Wirtschaftswissenschaftler - haben davon überhaupt keine Ahnung. Seit
1969 werden auch Wirtschaftsnobelpreise vergeben - bisher alle umsonst, denn alle
bisherigen Wirtschaftsnobelpreisträger wissen über das Wirtschaften
nichts, wie auch Heinsohn und Steiger meinen. Die Vergabe von Nobelpreisen war
früher eine seriöse Angelegenheit, heute ist sie nur noch korrupt und
kindisch. Wieso werden nicht gleich Kindernobelpreise vergeben? Aber so ist die
Moderne: Erwachsene werden immer kindischer, während Kinder immer erwachsener
werden (müssen/sollen). Seit dem Ende des 2. Weltkrieges und besonders seit
dem Ende des Kalten Krieges ist die Vergabe der Nobelpreise zu einer Angelegenheit
einer riesigen mafiösen Korruption geworden; mit Wissenschaft hat sie seitdem
nichts mehr zu tun; es ist also kein Wunder, daß die Vergabe von Wirtschaftsnobelpreisen
1969 begann.Daß der Zins und das Geld quasi
»aus dem Nichts« entstanden seien (**),
behaupten die etablierten Wirtschaftstheoretiker; daß das Eigentum »aus
dem Nichts« entstanden sei, behaupten Heinsohn und Steiger. Besonders deren
»Kapitel von der Akkumulation« (**)
zeige, »daß nicht etwa Güteranhäufung oder Güterallokation,
sondern das gütermäßig gerade aus dem Nichts als Rechtstitel gesetzte
Eigentum durch seine physisch vollkommen neutrale Belastbarkeit - die Eigentumsprämie
- die permanente Schaffung von materiellem Reichtum ermöglicht.« (**).
An den ehemaligen »realsozialistischen« Ländern, die seit den
1990er Jahren »Transformationsländer« genannt werden, werde immer
wieder »deutlich, daß Eigentum, dessen Belastung das Wirtschaften«
konstituiere (**),
»aus dem Nichts, durch bloßen Rechtsakt also«, entstehe (**)
»und mit einer Akkumulation von Gütern - die es realsozialistisch ja
gab - gar nichts zu tun« (**)
habe. Die in den »Transformationsländern« nicht erfolgte Einführung
des Eigentums - also einer Rechtsverfassung, eines Rechtsaktes, der Eigentum ermöglicht
- ist aber noch kein Beweis für die These, Wirtschaft sei ohne Eigentum nicht
möglich. Eine Wirtschaft ohne Eigentumsrechtsverfassung ist zwar eine primitive
bzw. schlechte Wirtschaft, aber eine »Nichtwirtschaft« ist sie nicht.
»Die Eigentumsverfassung ist nicht naturgegeben. Immer negiert sie Besitzverhältnisse
der stammesgesellschaftlichen Solidarreproduktion und/oder der feudalen Befehlsreproduktion.
Aus diesem Grunde benötigt sie eine Rechtsverfassung. Diese erwächst
aus immateriellen Akten, entsteht mithin in dem Sinne aus dem Nichts, daß
sie von der materiellen Beschaffenheit ihres Ortes unabhängig ist. Das Eigentum
ist unsichtbar. Die Eigentumsordnung garantiert bei Androhung von Strafen den
Schutz des Eigentums ....« (**).
Mit der Eigentumswirtschaft kommt nicht die Wirtschaft selbst, sondern eine enorme
Beschleunigung der Wirtschaft in die Welt. So ist auch zu verstehen, warum Heinsohn
und Steiger »Zins und Geld als ... erstgeborene Abkömmlinge der Eigentumsprämie«
(**)
bezeichnen können. »In keinem Fall wird Geld aus dem Nichts
geschaffen. Wo dieses geschieht, ensteht Willkürgeld.« (**).
Und das gilt auch für den Zins.Ursache und Wirkung werden
verwechselt, wenn z.B. davon ausgegangen wird, daß »der menschliche
Hang zum Tausch« zum Wirtschaften und »der menschliche Hang zur Bequemlichkeit«
zu Innovationen geführt hätten. (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung
über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel
1, S. 13). Wahrscheinlicher ist doch, daß Gläubiger und Schuldner erst
das Wirtschaften stark beschleunigt und danach die Verschuldeten - durch den Gläubiger-Schuldner-Vertrag
erst »Schuldner-Produzent« (»Unternehmer« [**|**])
geworden - die Innovationen enorm vorangetrieben, beschleunigt und dabei u.a.
auch erkannt haben, daß Menschen u.a. auch z.B. einen Hang zum
Tausch und z.B. einen Hang zur Bequemlichkeit haben. Die Menschen wollen gerne
tauschen, also produziere ich mehr Produkte. Die Menschen möchten bequem
sein, also produziere ich Produkte, die es ihnen bequem machen. Wirtschaft
betreibt der »Freie« (**|**)
- neben dem Hauptgrund, daß er einen Gläubiger-Schuldner-Vertrag einzuhalten
hat - u.a. auch um so mehr, je mehr er erkannt und berücksichtigt
hat, daß der Mensch u.a. auch zum Tausch neigt. Innovativ wird er
u.a. auch um so mehr, je mehr er erkannt und berücksichtigt hat, daß
der Mensch u.a. auch zur Bequemlichkeit neigt. Nicht »Kausalität«,
sondern »Finalität« (**|**)
heißt das Stichwort. In diesen und vielen anderen Fällen muß
ich also den zugrundeliegenden Zweck, die Zweckgerichtetheit, die Zweckbestimmtheit,
die finale Determiniertheit - kurz: den Endzweck als die Finalursache -
suchen und finden, um z.B. die Entwicklung von Wirtschaft und Technik beschleunigen
zu können.
Die Konkurrenz- oder Wettbewerbsthese ist naturwissenschaftlich erklärbar,
die Tauschthese und die Bequemlichkeitsthese sind es nur bedingt und taugen als
Ursache für Wirtschaft und technischen Fortschritt (Innovation) sogar überhaupt
nicht. Mit Konkurrenz und Wettbewerb sind alle Lebewesen vertraut. Mit
dem Tauschen und der Bequemlichkeit sieht es da schon etwas anders aus, obwohl
ja auch schon nichtmenschliche Lebewesen - natürlich - insofern tauschen,
als daß sie sich kommunikativ austauschen, und bequem machen auch sie es
sich gerne. Alle »Höheren Lebewesen« sind schon fähig zur
Wirtschaft und zur Innovation, dem technischen Fortschritt - in der Urform! Doch
niemand kommt über den Tausch zur Wirtschaft oder über die Bequemlichkeit
zum technischen Fortschritt. Daß das Gegenteil wahr sei, behaupten aber
- direkt oder indirekt - alle etablierten Wirtschaftswissenschaftler.
Wenn wir es nicht schaffen, »Wirtschaft« oder »Ökonomie«
wissenschaftlich genauer zu bestimmen, dann dürften wir wohl auch
nie verstehen, wann und wie Menschen und Tiere sich voneinander getrennt
haben, denn zwar wissen wir, daß die theoretische Transzendenz und
die Sprache den Menschen vom Tier unterscheidet, aber wir wissen nicht,
wann und wie genau die Trennung des ursprünglich ja noch Einheitlichen
zwischen Mensch und Tier auch innerhalb von Wirtschaft, Kunst und Technik
sich ereignete. »Höhere Lebewesen« sind auf urförmige
Weise schon mit Wirtschaft, Kunst und Technik vertraut, aber diese drei
oder zumindest Kunst und Technik sind noch nicht voneinander getrennt
- letzteres galt übrigens auch für die Menschen vor dem Beginn
ihrer Neanthropinenkultur, die ich auch »Historisierung« nenne
(**).
Die Neanthropinenkultur begann, als sich der Mensch der Kunst bewußt
wurde. Damit wollte er auch erstmals für die Nachwelt ein Zeichen
setzen. Vorher diente ihm die Kunst wie die Technik ausschließlich
zum Gebrauch - also waren Kunst und Technik (für ihn) noch nicht
voneinander getrennt. Wir müssen also das Rad der Zeit
noch viel weiter zurückdrehen, wenn wir die Lösung über
den evolutionistischen Weg finden wollen, doch dieser eine Weg
reicht nicht aus, wie ich schon mehrfach erwähnt habe (**|**|**).
Nicht zufällig nenne ich das »Missing Link« zwischen
Biologie/Ökologie und Ökonomie auch das fehlende »Bindeglied
zum Menschen« (**)
und das zwischen Ökonomie/Soziologie und Semiotik/Psychologie das
fehlende »Bindeglied zur Seele« (**).
Doch diese Bindglieder sind auf zwei Weisen zu lesen: evolutionär
(von rechts nach links bzw. gegen den Uhrzeigersinn; vgl. Abbildungen
[**|**|**])
oder revolutionär (von links nach rechts bzw. im Uhrzeigersinn;
vgl. Abbildungen [**|**|**]).
Wenn wir mehr über die Trennung von Mensch und Tier und die sie einst
einende Ökonomie wissen wollen, müssen wir - mindestens -
sowohl den evolutionären Weg von der Biologie/Ökologie
zur Ökonomie und dann weiter von der Ökonomie/Soziologie zur
Semiotik/Psychologie als auch den revolutionären Weg von der
Psychologie/Semiotik zur Soziologie/Ökonomie und dann weiter von
der Ökonomie zur Ökologie/Biologie erforschen. Hierfür
war früher nur eine Wissenschaftsdisziplin zuständig, heute
sind es mindestens sechs. Doch wenn wir die Ökonomie wie Heinsohn
und Steiger vom Eigentum her verstehen wollen, dann müssen wir auf
beiden Erkenntniswegen sogar alle Wissenschaftsdisziplinen bemühen.
Das ist heute nur noch den Philosophen (Wissenschafts-/Erkenntnistheoretikern),
den Wissenschaftshistorikern, vielleicht auch noch den Künstlern
oder so manchem Laien, aber garantiert nicht mehr den etablierten Einzelwissenschaftlern
möglich. Sind also Heinsohn und Steiger eigentlich Philosophen, Wissenschaftshistoriker,
Künstler oder Laien? Wenn nicht, dann umfaßt ihre »Wirtschaftstheorie«
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit lediglich einen Teil einer allgemeineren,
eben der gesamten Wirtschaftstheorie. Und tatsächlich (fast hätte
ich's vergessen): Heinsohn und Steiger haben ja nur eine Eigentumswirtschaftstheorie
entworfen! Aber immerhin!
Man kann es auch verkürzt auf den Punkt bringen, wie
es z.B. auch Rüdiger Safranski getan hat, als er Heinsohn nicht ohne Humor
fragte: »Ist es wirklich so einfach?« (Rüdiger Safranski,
in der TV-Sendung: Das Philosophische Quartett, Oktober 2009). Kurz vor
dem Ende des Gespräches stellte er staunend und mit ein wenig Ironie fest:
»Ich bin irgendwie perplex. Wenn es so einfach wäre, dann ist es ja
einfach eine Frage ..., ein hermeneutisches Problem: Wie bekommen wir Leute, eine
nennenswerte Zahl von Leuten dahin, das richtig zu verstehen? Das ist ja fast
ein didaktisches Problem ...!« (Ebd.). Und Heinsohn bestätigte
(ohne Ironie!): »Das ist ein didaktisches Problem!« (Ebd.).
Heinsohn und Steiger sind Rationalisten und hängen immer noch der Aufklärung
an (das ehrt sie sehr!), andere Theoretiker, zu denen auch z.B. Heiner Mühlmann
gehört, sind Irrationalisten und Gegner der Aufklärung bzw. Gegenaufkärer
oder Skeptiker (das ehrt sie sehr!). Hoffentlich schlägt für diese Konkurrenten
nicht zu schnell die »Selektion« zu, so daß wieder einmal nur
die angepaßtesten Theorien »überleben« - welche auch immer
das letztendlich sein werden.
Eine gut fundierte Wirtschaftstheorie zeichnet sich u.a. dadurch aus,
daß sie die gemeinschaftlichen bzw. geselmhjlschaftlichen Fundamente
klarstellt. Dafür gibt es viele bekannte Beispiele: Hegel ging von
einem Dreischritt aus, seiner Dialektik, die in allem wirkt; für
die menschliche Gemeinschaft z.B. bedeutet sie eine dialektische Entwicklung
von der Familie als These über die Gesellschaft als Antithese
zum Staat als Synthese. Marx ging von einer Bewegung aus, die vom
Urkommunismus über die Sklavenhaltergesellschaft, den Feudalismus,
den Kapitalismus, den Sozialismus bis zum Kommunismus reicht, wobei er
als Schüler Hegels dessen Dialektik übernahm und den Kapitalismus
als These, die Diktatur des Proletariats als Antithese und
die klassenlose Gesellschaft und gleiches Glück für alle
Menschen als Synthese setzte. Da Wirtschaft wohl doch immer menschliche
Wirtschaft bedeutet, ist sie Teil der menschlichen Kultur; innerhalb dieser
kann sie auch in einem ganz bestimmten Kulturkreis eingebettet und folglich
typisiert bzw. spezifiziert sein. Spengler ging davon aus, daß die
von ihm postulierten acht Hochkulturen kulturgenetisch - also einerseits
mehr oder weniger zufällig, andererseits mehr oder weniger
notwendig (gesetzesmäßig) - und entsprechend ihrer Landschaft
entstehen, sich kulturmorphologisch entwickeln, also ähnlich wie
Lebewesen Frühling, Sommer, Herbst, Winter erleben, am Ende
»zivilisiert« erstarren oder sogar sterben (wie z.B. die apollinische
Antike u.a.). Ähnlich wie Spengler gehe auch ich davon aus, daß
die Menschheit kulturell aus mindestens zwei Phänomenen besteht:
aus dem Nichthochkulturellen (Nichthistorienkulturellen,
wie ich es nenne) und dem Hochkulturellen (Historienkulturellen,
wie ich es nenne), das heißt für unsere Zukunft: Wenn eine
weitere Hochkultur (Historienkultur, wie ich sie nenne) nicht mehr
nachrücken wird, dann werden wir davon ausgehen müssen, daß
vielleicht im 22. oder 23. Jahrhundert das »Ende der Geschichte«
(**)
erreicht sein wird, es also keine historienkulturelle, sondern nur noch
»zivilisierte« und »naturhafte« Menschen geben
wird, vielleicht aber auch sogar das »Ende der Menschheit«
(**)
erreicht sein wird.
Wirtschaften ohne Historienkultur bedeutet »einfaches«
oder »primitives« Wirtschaften; das komplexeste Wirtschaften ist das
Wirtschaften in der Eigentumsgesellschaft, in der die Definition für das
Wirtschaften, v.a. das Ökonomische sehr genau genommen wird: das Haus (oikos
[**|**])
und die Vertragsrechte (nomoi [**|**])
werden dann zur »Öko-Nomie« ([**|**])
erklärt, obwohl diese sich auch aus Haus (oikos [**])
und Hüter, Verwalter (nomíã [**])
oder Hirte (nomeios [**],
auch nomos [**],
obwohl letzteres Wort allgemein ja bekanntlich eher Gesetz, Recht, Sitte, Rechtsordnung,
eben Nomos heißt) erklären läßt. Die etablierten
Vertreter der Wirtschaftswissenschaft behaupten, daß das Wirtschaften so
alt wie die Welt sei; Heinsohn und Steiger behaupten, daß es unter der Voraussetzung
von Kataklysmen - Katastrophen, »Revolutionen« - zum Wirtschaften
gekommen sei. Kataklysmen können hin und wieder wundersame Änderungen
bewirken (**);
und was die Bedeutung der materiellen - im Unterschied
zur biologischen - Reproduktion angehe, so Heinsohn und Steiger, kenne die Menschheit
nicht mehr nur eine, auch nicht mehr nur zwei, sondern bereits drei gesellschaftliche
Grundstrukturen (**):
(1) die Solidargesellschaft des Stammes, (2)
die Befehlsgesellschaft des Feudalismus und Realsozialismus, (3)
die Eigentumsgesellschaft der Freien. Gemäß meiner kulturgeschichtlichen
Theorie kann es die Solidargemeinschaft des Stammes immer, die Befehlsgesellschaft
des Feudalismus und Realsozialismus und in der Folge ganz besonders auch die Eigentumsgesellschaft
der Freien aber nicht vor dem Beginn der Schrift bzw. Historiographie (siehe:
Historienkulturen) geben, weil man, um sie zu begründen, schriftliche
Dokumente benötigt. Ich bin aber ein ganz entschiedener Gegner der These,
das Wirtschaften existiere nur in der Eigentumsgesellschaft der Freien,
wie Heinsohn und Steiger glauben (**),
denn auch deren Theorie ist von der Definition für »Wirtschaft«
und der Wissenschaft über die damit verbundene Entwicklung abhängig.
Laut Heinsohn und Steiger kann eine ökonomische Theorie nur
die »Gesetze« der Eigentumsgesellschaft und also nicht die
»Sitten« der Stammesgesellschaft und auch nicht die »Befehle«
der Feudalgesellschaft erschließen (**).
Anders gesagt: Die bisher etablierten Wirtschaftstheoretiker können das Wirtschaften
nicht erklären, weil sie - neben der Tatsache, daß sie es generell
nicht verstanden haben - von Voraussetzungen ausgehen, die ökonomisch
gar nicht erschließbar sind. Doch Heinsohn und Steiger müssen sich
einen dem genau entgegengesetzten Vorwurf gefallen lassen, denn auch sie
können mit ihrer Theorie über die Eigentumswirtschaft das Wirtschaften
nicht erklären, weil sie von Voraussetzungen ausgehen, die nur
eigentumsökonomisch erschließbar sind.
Man darf eben nicht vergessen, daß Heinsohn und Steiger von ganz anderen
Annahmen ausgehen als die von ihnen kritisierten etablierten Wirtschaftstheoretiker
- das sind vor allem die Klassiker und die Neoklassiker, aber auch die Keynesianer
und die Monetärkeynesianer. Allein schon die eben angesprochene Definition
für »Wirtschaft« ist für Heinsohn und Steiger eine völlig
andere als die, die die von ihnen Kritisierten bevorzugen. Recht haben Heinsohn
und Steiger aber, wenn sie feststellen, »daß die Grundelemente des
Wirtschaftens bis heute nicht verstanden sind« und daß es »eine
wissenschaftliche Lehre, die den Namen ökonomische Theorie verdienen
würde, ... noch nicht« gibt (**).
Allein dafür, daß Heinsohn und Steiger das erkannt haben, haben sie
schon einen Preis verdient, und zwar einen seriösen Preis - das heißt
also: keinen Nobelpreis. Der gelegentlich zu vernehmende Vorwurf, Heinsohn
und Steiger seien ihrerseits verrückt nach einem Nobelpreis, ist jedoch unberechtigt,
sehr unfair und wahrscheinlich sowieso nur ein Gehirngespinst der Neidischen.
Die
Eigentums(wirtschafts)theoretiker Heinsohn und Steiger können deshalb punkten,
weil ihre Eigentums(wirtschafts)theorie nur für Eigentumsgesellschaften gilt,
die ja die das Wirtschaften nicht verstehenden etablierten Wirtschaftstheoretiker
nicht verstehen. Das Wirtschaften verstehen weder Heinsohn und Steiger noch die
etablierten Wirtschaftstheoretiker.Als es noch kein
Eigentum gab, gab es trotzdem lange schon das Wirtschaften. An dieser Tatsache
können auch Heinsohn und Steiger nichts ändern. Recht haben sie zwar,
wenn sie den von ihnen Kritisierten vorwerfen, sie hätten das Wirtschaften
nicht verstanden, weil sie das Eigentum nicht berücksichtigt haben oder nicht
verstehen. Falsch aber ist die Theorie von Heinsohn und Steiger besonders dort,
wo sie sich auf die Wirtschaft insgesamt und also auch auf die Wirtschaftsgeschichte
bezieht. Für Heinsohn und Steiger ist z.B. der Tausch kein Kriterium für
die Erklärung des Wirtschaftens, und das ist auch teilweise - nämlich
(revolutionsweise) bezüglich des Eigentums - richtig, aber der Tausch
spielt in der Wirtschaft dennoch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Den
Tausch als etwas zu bezeichnen, das mit Wirtschaften nicht viel zu tun habe, ist
nur dann richtig, wenn unter Wirtschaften nur »Eigentumswirtschaften«
verstanden wird. Für Heinsohn und Steiger »gibt es Wirtschaften
nur in der Eigentumsgesellschaft« (**|**).
Um sich Gehör zu verschaffen und eine stringente Theorie liefern zu können,
müssen Heinsohn und Steiger anmaßende Behauptungen bringen, aber dadurch
wird ihre Theorie bezüglich der gesamten Wirtschaft nicht richtig.
Wirtschaft ist viel mehr als nur Eigentumswirtschaft! Das Wirtschaften
ist für die fahrlässige Behauptung, es sei rein rational und deshalb
auch rein rational erklärbar, viel zu komplex. Die Eigentumswirtschaft
ist rein rational erklärbar, aber nicht die Wirtschaft (insgesamt !).
Nur weil gerade wir Abendländer heute wirtschaftlich fast gar nichts anderes
mehr erleben als eine Eigentumsgesellschaft, können wir uns überhaupt
nicht mehr vorstellen, wie vor langer Zeit gewirtschaftet wurde und in Zukunft
vielleicht ja auch wieder gewirtschaftet werden wird. Es gab Zeiten ohne Vertragsrechte,
in denen trotzdem gewirtschaftet wurde. Wäre alles Wirtschaften nur »Eigentumswirtschaften«,
dann wäre Heinsohn und Steiger ja auch zuzustimmen, aber Wirtschaften
ist viel mehr als nur »Eigentumswirtschaften«! Auch
Heinsohn und Steiger bestätigen wieder einmal, daß es bei jeder Theoriebildung
zuerst auf die sprachliche Regelung ankommt, in diesem Fall also auf die Definition
für »Wirtschaft« (**)
bzw. »Ökonomie« (**).Wer
als »Wirtschaft« nur die »Eigentumswirtschaft«
gelten lassen will, will wahrscheinlich auch als »Physik« nur die
»Quantenphysik« gelten lassen - also alles andere, was ebenfalls dazugehört,
ausschließen. **Wirtschaft
ist Krieg ohne Menschentötungen, so könnte man sagen - und anschließend
leicht verschärfend hinzufügen, daß Menschentötungen zwar
nicht beabsichtigt, aber »in Kauf« genommen werden, denn auch in einem
Wirtschaftskrieg gibt es Tote, nicht selten sogar mehr als in einem physisch-chemisch-biologischen
Krieg. Wer heute Wirtschaft nur noch als eine »humane« bzw. »harmolse«
ziviliserte Angelegenheit ansehen will, begeht einen großen Fehler. Wir,
die Deutschen, sind z.B. seit Jahrzehnten in einem 3. Weltkrieg verwickelt, der
ein Wirtschaftskrieg zwischen v.a. den USA (mit ihren Verbündeten wie in
den anderen beiden Weltkriegen) und Deutschland ist und knallhart geführt
wird. Da gibt es überhaupt keine »Harmlosigkeiten«. Und »human«
und »zivilisert« ist ein jeder Krieg immer nur in dem Sinne, was unter
»human« und »zivilisert« zu verstehen ist - fast immer
nichts Gutes. Zuletzt ist das wieder deutlich geworden, als die Finanzkrise
2008 (**) zum Ausbruch
(nicht kam, sondern) gebracht wurde. In allen Wirtschafts-
und allen Finanzsektoren geht es den USA stets darum, den Wohlstand der eigenen
Nation (genauer gesagt: ihrer Reichen) auf Kosten der Feinde (zu denen zuerst
und zumeist auch ihre eigenen Nichtreichen gehören) zu sichern - anders
geht es für sie offenbar auch nicht mehr - und darum, immer den Erstschlag
zu machen. Anders gesagt: Schuld an allen diesen kriegerischen Überfällen,
Raub- und Feldzügen haben nach wie vor die USA. Solche Verhaltensweisen findet
man nicht nur bei Menschen, sonder auch bei nichtmenschlichen Lebewesen (!).
Wer wirtschaftet, muß mit Krieg »rechnen«, auch nichtmenschliche
Lebewesen tun das, wenn auch nicht auf so komplexe Weise wie die Menschen, insbesondere
die »ziviliserten« Menschen. Wer wirtschaftet, muß sich »ausrechnen«,
was wo wann wie zu »kriegen« ist! Hier sieht man - auch rein sprachlich
- den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Krieg sehr deutlich. Vielleicht versteht
man jetzt, warum ich mich gegen die Theorie von Heinsohn und Steiger fast ausschließlich
in Hinsicht auf ihre Definition von »Wirtschaft« so vehement wehre:
weil sie - wie die von ihnen Kritisierten - das Wirtschaften nicht verstehen.
Diejenigen Strukturen und Funktionen, die zum Wirtschaften gehören, gibt
es nicht nur in der Eigentumsgesellschaft, sondern - und hiermit spreche
ich mich noch einmal gegen die Theorie von Heinsohn und Steiger aus - auch in
der Befehlsgesellschaft des Feudalismus und des »Realsozialismus«,
auch in der Solidargesellschaft des Stammes, auch bei den Urmenschen,
ja sogar auch schon bei den nichtmenschlichen Lebewesen (jedenfalls bei
den »höheren«). Sie sind nur noch nicht so ausgeprägt
wie in einer Eigentumsgesellschaft, aber: sie sind da! Und das ist entscheidend.Zwar
haben Heinsohn und Steiger eine mir sympathische Wirtschaftstheorie präsentiert,
aber leider kann sie, weil sie nur eine Eigentumswirtschaftstheorie
ist, das Wirtschaften nicht ausreichend erklären und daher die anderen Wirtschaftstheorien,
die das auch nicht können, nicht vom Thron der Wirtschaftswissenschaft schmeißen,
wohl aber ergänzen und deswegen doch eine Bereicherung sein.Die
richtige Feststellung, daß die anderen Wirtschaftstheoretiker das
Wirtschaften nicht verstehen, führt allerdings nicht automatisch dazu, daß
nur diejenigen, die zuerst diese richtige Feststellung treffen, das Wirtschaften
richtig verstehen und richtig erklären könnten. Wenn es so wäre,
dann wären alle bisherigen Wirtschaftsthorien richtig.Heinsohn
und Steiger geben sich nur einmal in ihrem 470 Seiten umfassenden Buch skeptisch,
aber auch nur aus rhetorischen Gründen: »Muß man nun alle Hoffnung
auf Wirtschaftstheorie fahren lassen? Könnte es sogar sein, daß die
Phänomene prinzipiell undurchschaubar sind, wenn die Gelehrten aus Klassik,
Neoklassik und Monetärkeynesianismus gleichermaßen vor ihnen blind
geblieben sind? Wird es also niemals möglich sein, das Wirtschaften zu erklären?
Wir halten von solchem Pessimismus nichts. Sobald die Eigentumsverfassung ins
Blickfeld tritt, lassen sich auch die ökonomischen Mechanismen und ihre Begriffe
enträtseln.« (**).
Abgesehen davon, daß Skepsis und Pessimismus nicht dasselbe bedeuten und
Skepsis immer angebracht ist, hin und wieder sogar auch Pessimismus, muß
man Heinohn und Steiger hier billige Rheorik unterstellen. Sie bleiben bei ihrer
anfangs schon festgelegten Maxime: »Für uns ... gibt es Wirtschaften
nur in der Eigentumsgesellschaft« (**).
Am Ende ihres Buches heißt es zum x-ten Mal: »Belasten und Verpfänden
von Eigentum sind die Elemente, die dafür sorgen, daß zinsbedienend
und in Geld gewirtschaftet wird. Ohne diese Potenzen des Eigentums gibt es nur
die bloße Organisation oder Beherrschung der Produktion von Gütern,
aber keine Bewirtschaftung von Ressourcen, kurz: keine Wirtschaft.« (**).
Und das ist falsch! Denn, wie bereits gezeigt, gibt es auch ohne das Eigentum
schon eine Bewirtschaftung von Ressourcen, kurz: Wirtschaft.Im Buch Eigentum,
Zins und Geld von Heinsohn und Steiger wird die Eigentumswirtschaft erklärt,
die Eigentumsgesellschaft verständlich gemacht. Heinsohn und Steiger haben
eine Eigentumswirtschaftstheorie entworfen, die - wie auch ihre Bevölkerungstheorie
(**|**)
- Teil ihrer allgemeinen Kultur(geschichts)theorie ist und bei der selbstredend
die Funktion des Eigentums für die Wirtschaft mehr im Vordergrund steht
als die Wirtschaft selbst, weshalb ich ihre Eigentumswirtschaftstheorie auch
gern teilweise in Klammern setze: Eigentums(wirtschafts)theorie.Trotzdem
können Heinsohn und Steiger sich schon allein deshalb rühmen, weil sie
mit ihrer Eigentums(wirtschafts)theorie das Wirtschaften in Eigentumsgesellschaften
leichter verständlich machen können - zumindest für bestimmte Menschen
-, als es die etablierten Wirtschaftstheoretiker können, nämlich gar
nicht. In dem Punkt ist, wie schon mehrfach gesagt, Heinsohn und Steiger zuzustimmen.
Das schützt aber nicht vor deren eigenen Mängeln.Lediglich
20 Prozent der Menschen sind laut Heinsohns eigener Aussage in der Lage, das Buch
Eigentum, Zins und Geld (**)
zu verstehen, die anderen 80 Prozent hätten das Entwicklungsalter von 14
Jahren nicht erreicht. Was das bedeute, könne er - ein schweizerischer Mann
des Internetsenders »Rebell-TV« - bei Piaget nachlesen, der sei ja
auch ein Schweizer. Das sei sehr leicht zu verstehen. Hier das Zitat: »Es
können ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung versuchen, es zu verstehen,
und die verstehen es auch, und die anderen 80 Prozent sind bei Piaget nicht ganz
auf das 15. Lebensjahr hochgekommen. Das ist ja ein Schweizer. Da können
Sie das dann nachlesen, was das heißt. Das ist sehr leicht zu verstehen.«
(Gunnar Heinsohn, in: »Rebell-TV«, 23.11.2006 [**]).
Hatte Heinsohn hier eine Assoziation zu der »Pareto-Regel«? Oder wollte
er einfach nur angeben?
ZusammenfassungDie etablierten Wirtschaftstheoretiker
- vor allem die Klassiker, die Neoklassiker und Neoneoklassiker, aber auch die
Keynesianer und Neokeynesianer (Monetärkeynesianer) - gehen von einem ursprünglich
mehr naturwissenschaftlich orientierten Bild der Wirtschaft aus und liegen damit
zwar nicht so sehr im evolutionären Sinne, der ja auch betrachtet werden
muß (vgl. den »naturwissenschaftlichen Weg« [**|**|**]),
aber ansonsten völlig falsch. Zu einseitig! Genau den umgekehrten
Fehler machen die Eigentums(wirtschafts)theoretiker Heinsohn und Steiger, allerdings
mit nicht so gravierenden Folgen, weil sie die Wirtschaft zwar lediglich im revolutionären
Sinne, die kulturwissenschaftliche Seite der Wirtschaft sehen (vgl. den »kulturwissenschaftlichen
Weg« [**|**|**]),
die - obwohl für moderne Zeiten die viel bedeutendere Seite - aber trotzdem
ebenfalls nicht ausreicht, um das Wirtschaften insgesamt zu verstehen und
zu erklären. Zu einseitig!»Nach Riese liefert die neoklassische
die Verallgemeinerung der klassischen und die monetärkeynesianische die Verallgemeinerung
der neoklassischen Theorie - und zwar in dem Sinne, daß die jeweils allgemeinere
Theorie die Schwächen der spezielleren aufhebe« (**),
und »die monetärkeynesianische Werttheorie bedarf als Fundament einer
Eigentumstheorie des Wertes.« (**),
so Heinsohn und Steiger. Aber braucht nicht auch ihre Eigentums(wirtschafts)theorie
ein Fundament? Dieses Fundament liefert meine Theorie, die sowohl die kulturwissenschaftliche
als auch die naturwissenschaftliche Seite (**|**|**)
berücksichtigt. Bisher hat noch keiner der bekannten Wirtschaftstheoretiker
beide Entwicklungswege berücksichtigt. Sie alle haben entweder nur
naturwissenschaftlich bzw. evolutionär (wie z.B. die etablierten Wirtschaftstheoretiker)
oder nur kulturwissenschaftlich bzw. revoutionär (wie z.B. Heinsohn und Steiger)
argumentiert. Deshalb weisen sie alle, obwohl die etablierten Wirtschaftstheoretiker
mehr als Heinsohn und Steiger, erhebliche Fehler auf. Die etablierten Wirtschaftstheoretiker
vernachlässigen den kulturwissenschaftlichen Weg als die revolutionäre
bzw. metagenetische Entwicklung, und im Gegenzug vernächlässigen die
Eigentums(wirtschafts)theoretiker Heinsohn und Steiger den naturwissenschaftlichen
Weg als die evolutionäre bzw. genetische Entwicklung. Die einen vernachlässigen
die Folgen mit den neuen Bedingungen, die anderen die Voraussetzungen, ohne die
es die Folgen mit den neuen Bedingungen gar nicht gäbe.Heinsohn
und Steiger gehen in ihrer Wirtschaftstheorie - so wie übrigens auch schon
Heinsohn, Knieper und Steiger in ihrer Bevölkerungstheorie (**|**)
- von Vorausetzungen aus, die teilweise wissenschaftlich überhaupt nicht
haltbar sind. Die historischen Quellen, die sie angeben, beweisen nichts, was
die These stark untermauern könnte, daß das Wirtschaften immer nur
»Eigentumswirtschaften« sei, bzw. daß die »Überzähligkeit
an Söhnen« immer nur »Krieg« »Ausmordung«,
»Terror« und »Frauenunterdrückung« bedeute. Diese
Behauptungen sind immer nur zum Teil richtig, jedenfalls nie ganz
richtig und manchmal sogar völlig falsch. Deshalb müssen sie
den Anspruch, eine vollständige Theorie geliefert zu haben, aufgeben. Ihre
Eigentums(wirtschafts)theorie ist genauso wie ihre Bevölkerungs(politik)theorie
eine gut ausgedachte, kaum falsifizierbare (weil ja zu wenig naturwissenschaftliche),
aber auch kaum verifizierbare (weil ja zu viel kulturwissenschaftliche)
unvollständige Theorie. Sie taugt als Ergänzung zu den bisher etablierten
Theorien, die ebenfalls (teilweise sogar erheblich mehr) Mängel aufweisen.
Die 9 größten Fehler der Theorien von Heinsohn & Co.:
(1.) | ihre
These, die Katastrophentheorie sei die einzig relevante Theorie für Entwicklung,
ist falsch; | (2.) | ihre
These, Fortpflanzung und Aufzucht seien vom wirtschaftlichen Kalkül abhängig,
ist falsch; | (3..) | ihre
These, Wirtschaft sei nur als Eigentumswirtschaft möglich, ist falsch; | (4.) | ihre
These, nur selbständige Produzenten hätten einen Ertrag an Kindern,
ist falsch; | (5.) |
ihre These, es hätte im Abendland einen von Kirche und Staat verordneten
Zwang zur Menschenproduktion gegeben, ist falsch; | (6.) |
ihre These, überschüssige Jungmänner seien ein Beweis für
Zwangsmaßnahmen und Unterdrückung der Frauen, ist falsch; | (7.) |
ihre historischen Quellen können ihre Thesen nicht belegen; | (8.) |
ihre Angaben stimmen in vielen Fällen nicht mit den Daten,
Zahlen und Fakten der Realität überein; | (9.) |
ihre Methode ist nicht wissenschaftlich. | Neben
diesen 9 größten gibt es - wie bereits angesprochen - noch kleinere
Fehler, und trotzdem gibt es auch Richtiges in den Theorien von Heinsohn &
Co., so daß sie in relativierter und korrigierter Form durchaus akzeptabel
sein könnten, aber ansonsten strikt abzulehnen sind.Zu
1.) Der erste der größten Fehler (**)
von Heinsohn & Co. beruht auf einem Proton
Pseudos (altgriechisch: falsches Frühere), ein Grundirrtum
als die falsche Voraussetzung zu Anfang einer Beweisführung, aus der andere
Irrtümer folgen:»Naturwissenschaftliche
Theorien sind die einzig relevanten Entwicklungstheorien.« | »Die
Katastrophentheorie ist eine naturwissenschaftliche Theorie.« | »Die
Katastrophentheorie ist eine (der) einzig relevante(n) Entwicklungstheorie(n).« | Der
Grundirrtum von Heinsohn & Co ist deren falsche 1. Prämisse (siehe
Obersatz **):
»Naturwissenschaftliche Theorien sind die einzig relevanten Entwicklungstheorien.«
Aus diesem Irrtum folgen dann andere Irrtümer. Es ist nicht bewiesen und
wahrscheinlich auch nicht beweisbar, daß naturwissenschaftliche (und übrigens
auch nichtnaturwissenschaftliche) Theorien die einzig relevanten Entwicklungstheorien
seien. Diese Aussage von Heinsohn & Co. ist nicht als Prämisse setzbar;
sie ist falsch! Dadurch ist aber auch die Schlußfolgerung (siehe Konklusion
**)
falsch - übrigens auch dann, wenn man sie harmloser ausdrückt,
d.h. die Klammern in der Konklusion auflöst. Außerdem gab und gibt
es auch in den Naturwissenschaften stets mindestens eine Gegentheorie zu der jeweils
gerade bevorzugten. Die Geologie
z.B. bevorzugte und bevorzugt nicht eine, sondern mehrere geologische Theorien
(**),
also bevorzugte und bevorzugt sie auch nicht die Katastrophentheorie (Kataklysmentheorie,
Kataklysmus, Katastrophismus **)
als die einzige geologische Theorie. Heute z.B. gilt der Aktualismus (**)
als die stärkste und dennoch nicht einzig relevante unter den geologischen
Theorien; aber immerhin ist sie momentan relevanter als die Katastrophentheorie
und die niemals zu unterschätzende Zyklentheorie (**)
oder der Ekzeptionalismus (**)
u.a.. Auch ich schätze die Katasrophentheorie in ihrer Bedeutung höher
ein, als die gegenwärige Geologie es tut, setzte sie aber keinesfalls als
absolut an, wie Heinsohn und seine Freunde es tun, sondern lasse sie unterhalb
der Zyklentheorie rangieren.Zu
2.) Die These von Heinsohn & Co., Fortpflanzung und Aufzucht seien stets
vom wirtschaftlichen Kalkül abhängig, ist falsch, denn Fortpflanzung
und Aufzucht gibt es ja sogar bei solchen Tieren, von denen Heinsohn, Knieper
und Steiger garantiert nicht behaupten würden, sie seien fähig, wirtschaftlich
zu kalkulieren.
Zu
3.) Wirtschaft sei nur als Eigentumswirtschaft möglich - diese
These von Heinsohn & Co. ist deshalb falsch, weil sie
sich lediglich auf jene menschlichen Gesellschaften bezieht, die ein bestimmtes
Niveau an Entwicklung erreicht haben und sich deshalb auch Eigentumsgesellschaften
nennen können. Das Wort Wirtschaft bezieht sich nicht
nur auf Eigentumsgesellschaften. Wirtschaft ist nicht nur eine Eigentumswirtschaft.
Wenn behauptet wird, Wirtschaft sei nur als Eigentumswirtschaft möglich,
dann ist das in etwa so, als wenn z.B. behauptet wird, ein Haus sei nur
als Blockhaus möglich. Hier wird von Heinsohn & Co. ein ganzer
Teilbereich der Sprachwissenschaft - nämlich die Semantik - einfach
ignoriert. Wenn jemand sagte, ab morgen sei z.B. Physik nur noch als Teilchenphsyik
oder z.B. Obst nur noch als Apfel möglich, so wird er den Beweis
für diese These nicht bringen können, logische und linguistische
Regeln - z.B. bestimmte semantische Relationen wie Hyperonymie (Superordination)
und Hyponomie (Subordination) - verletzgfbhnen und damit sich selbst außerhalb
der wissenschaftlichen Seriosität stellen.
Zu
4.) Die These von Heinsohn & Co., daß nur selbständige Produzenten
einen Ertrag an Kindern hätten - deren Umkehrung ja bedeutet, daß Nichtselbständige
und Unproduktive wie z.B. Sklaven und Lohnarbeiter keinen Ertrag an Kindern
hätten, also Kinderlose seien, zumindest aber prinzipiell die Tendenz zur
Kinderlosigkeit hätten -, ist zumindest im Falle der Sozialhilfeempfänger
falsch, denn gerade die heutigen Unterstützungen, die als Sozialhilfe
an an Unproduktive gezahlt werden, zeigen sehr deutlich, daß Sozilahilfempfänger
sehr wohl einen Ertrag an Kindern haben, denn der Staat, also die Leistungsträgerschaft
zahlt ihnen mehr Geld, wenn sie Kinder und um so mehr Kinder sie haben.Zu
5.) Es habe einen neuzeitlichen Zwang zur Menschenproduktion gegeben
(**),
behaupten Heinsohn & Co., doch diese These ist falsch - genau das
Gegenteil ist richtig, so daß man sie umkehren oder zumindest so umformulieren
muß, daß man statt von einem neuzeitlichen Zwang zur Menschenproduktion
von einem modernen Zwang zur Menschenreduktion (vgl. Zwang zur Kinderlosigkeit
[**|**|**|**])
sprechen sollte. Dieser macht sich zwar nicht sofort bemerkbar - das liegt an
dem demographischen Trägheitsgesetz -, aber er ist bei Beginn
der Moderne bereits da und zeigt sich erst in der Mitte und am Ende der Moderne
sehr deutlich.Zu
6.) Die These von Heinsohn & Co., überschüssige Jungmänner
seien ein Beweis für Zwangsmaßnahmen und Unterdrückung der Frauen,
ist falsch - genau das Gegenteil ist richtig: zu wenige Nachkommen
sind ein Beweis für Zwangsmaßnahmen und Unterdrückung von Kindern,
Männern und Frauen, also Ehen und Familien, insbesondere von Vaterherrschaft
(Patriarchat), weil Männer Väter sein können, aber nicht dürfen,
und die meisten von ihnen auch wollen, aber nicht dürfen, weil die Vaterherrschaft
bekämpft, unterdrückt wird, was impliziert, daß Familien und Ehen
und also auch Frauen bekämpft, unterdrückt werden, weil Frauen Mütter
sein können, aber nicht dürfen, und die meisten von ihnen auch wollen,
aber nicht dürfen, und darum die Vaterherrschaft gar nicht bekämpfen
wollen, aber sollen. Das mit weitem Abstand größte Opfer dieser Bekämpfung
sind jedoch die Kinder. Das ist typisch modern bzw. zivilistionistisch,
d.h. nihilistisch. Die Moderne bzw. Zivilisation bedeutet mehr und mehr Zwang
zur Kinderlosigkeit (**|**|**|**).Zu
7.) Historische Quellen können die Thesen von Heinsohn & Co. nicht
belegen. Das ist zwar noch kein Beweis, aber immerhin ein Indiz
dafür, daß die Theorie von Heinsohn & Co. auch von der Geschichtswissenschaft
her als wissenschaftlich nicht haltbar oder sogar unwissenschaftlich
zu beurteilen ist.Zu
8.) Mit den Daten, Zahlen und Fakten der Realität stimmen die Angaben
von Heinsohn & Co. in vielen Fällen nicht überein. Das ist
zwar noch kein Beweis, aber immerhin ein Indiz dafür, daß
die Thesen von Heinsohn & Co. auch dem Anspruch auf Übereinstimmung der
Angaben mit der Realität und also auf Wissenschaftlichkeit nicht genügen
und von daher als wissenschaftlich nicht haltbar oder sogar unwissenschaftlich
zu beurteilen ist.Zu
9.) Die Methode von Heinsohn & Co. ist nicht wissenschaftlich.
Das ist zwar noch kein Beweis, aber immerhin ein Indiz dafür,
daß die Thesen von Heinsohn & Co. dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit
nicht genügen und von daher als wissenschaftlich nicht haltbar oder
sogar als unwissenschaftlich zu beurteilen ist.Ich habe
also Beweise und Indizien dafür, daß die wichtigsten Thesen von Heinsohn
& Co. falsch und ihre Arbeit auch unwissenschaftlich
sind.Weil Heinsohn und Steiger und auch Knieper sich offenbar nicht erkären
können, warum ausgerechnet die Abendländer so erfolgreich waren und
sind, sind sie der Idee verfallen, daß dieser Erfolg nur durch Bösartigkeit
in Verbindung mit Eigentumslosigkeit erklärbar sei. Es gibt andere, vielleicht
bessere Ideen, die eine diesbezügliche Erklärung beinhalten. Es gibt
Kulturtheorien, die mit sowohl naturwissenschaftlichen als auch kulturwissenschaflichen
Thesen und Argumenten bestückt sind und m.E. auch das Wirtschaften und die
Demographie verständlich machen. Warum haben sich Heinsohn, Knieper und Steiger
ausgerechnet auf diejenige theoretische Variante eingelassen, die der abendländischen
Kulturgeschichte nur noch Böses unterstellt? Die »Erklärungen«,
die Heinsohn und Co. diesebzüglich abgeben, zeugen doch sehr davon, daß
unsere Kultur seit Beginn ihrer ersten Zivilisationsphase immer mehr zur Selbstkritik,
ja zum Selbsthaß aufzufordern scheint. Seitdem äußern sich ihre
Angehörigen immer mehr auf genau diese Weise. Es liegt nicht an mangelndem
Wissen, schon gar nicht an mangelnder Aufklärung oder an mangelnder Einsicht
in diese Thematik, daß ein solches Verhalten vor Beginn der ersten
Zivilisationsphase der abendländischen Kultur nur sehr wenige (unter
den wenigen Adeligen) und danach immer mehr (unter den vielen Bürgerlichen)
in seinen Bann gezogen hat. Notwendigkeit und Zufall führten dazu,
daß die Abendländer den ganzen Globus erobert haben. Es war z.B. der
»Fall von Konstantinopel« (1453), der in der Folge den Weg nach Indien
versperrte und die abendländischen Seefahrer veranlaßte, nach Westen
zu segeln; es war die »faustische Seele« (**|**),
die die abendländischen Entdecker unermüdlich ins »Unendliche«
(**|**)
trieb und sie jeden Winkel der Erde entdecken ließ; es war die Möglichkeit,
bei dieser Gelegenheit auch »überzählige« und »eigentumslose«
Söhne in diese entlegenen Winkel zu schicken u.s.w. - aber es waren nicht
primär die »Hexenbulle« (**|**)
von 1484, der »Hexenhammer« (**|**)
von 1487, die damit verbundene Tötung der »Weisen Frauen« (**),
der »Zwang zur Mutterschaft« (**)
u.ä., wie Heinsohn, Knieper und Steiger glauben. Mit bevölkerungspolitischen
und eigentumswirtschaftlichen Thesen kann man einiges, nicht selten sogar vieles,
aber niemals alles erklären.Wenn jemand ein »überzähliger
Sohn« ohne Eigentum und Erbschaft ist, ist er für Heinsohn, Knieper
und Steiger automatisch ein Mörder, jedenfalls ein potentieller, weil er
ja, gemäß deren Theorie seine »Position« verbessern will,
und das nur kann, wenn er einen »Positionierten« tötet, um in
dessen »Position« zu kommen. (Klingt das alles nicht sehr nach dem
»Alten Testament«?). Die Unterstellung, daß auch Söhne,
die nicht »überzählig« sind und sich trotzdem »überzählig
fühlen«, ebenfalls potentielle Mörder sind, ist dann der nächste
Gedanke (und für Feministinnen sind ja schon sogar alle Männer
Mörder [!?]), der sich aufgrängt. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen,
wie groß die Empörung, der hysterische Aufschrei wäre, wenn man
nur deutlich genug machte, daß heute die meisten dieser Männer aus
der »Dritten Welt« stammen - abgesehen von denjenigen, die sich in
der »Ersten Welt« und in der »Zweiten Welt« als »überzählig
fühlen«, für die aber die große Empörung, der hysterisch
Aufschrei ähnlich ausfiele.Ähnlich
wie Heinsohns Theorie über Demographie und Politik (**|**)
ist auch Heinsohns Theorie über Wirtschaft und Politik zu beurteilen.
Das gilt v.a. für die histor(iograph)ische Quellenlage, denn Heinsohns Quellen
belegen leider zu wenig, bleiben größtenteils lediglich Hinweise und
Indizien, die zwar überzeugen, aber nichts beweisen. Das ist schade, weil
Heinsohns Wirtschaftstheorie sonst durchaus das Zeug hat, die etablierten Wirtschaftstheorien
aus Klassik (einschließlich Neoklassik), Keynesianismus
(einschließlich Monetärkeynesianismus [Berliner Schule])
nach oben hin zu ergänzen. Der evolutionäre bzw. historische Grund für
das Wirtschaften ist mit rein wissenschaftlichen Mitteln bis heute nicht hinreichend
ermittelt worden. Ob wir z.B. Kulturen (Kulturkreise) wie Spengler ganz spezifisch
mit »Seelenbildern« (u.a. »apollinisch«, »magisch«,
»faustisch«) und »Ursymbolen« (u.a. »Einzelkörper«,
»Welthöhle«, »unendlicher Raum«) oder wie Toynbee
ganz unspezifisch mit »Herausforderungen« und »Antworten«
(»challenges« und »responses«) erklären, oder ob
wir Entwicklungen der Gemein- bzw. Gesellschaften wie Heinsohn und Steiger mit
u.a. auch das Wirtschaften erst ermöglichenden »Kataklysmen«
(natürliche »Katastrophen« oder soziale »Revolutionen«)
erklären: auch für das Wirtschaften reicht eine Erklärung
offenbar nicht aus.Es bleibt also vorerst dabei:
das Wirtschaften ist immer noch nicht richtig verstanden worden. Dazu kommt noch,
daß Heinsohn und Steiger der Spekulationsfunktion des Geldes um so mehr
Bedeutung beimessen, je weniger Bedeutung sie der Tauschmittelfunktion des Geldes
beimessen, wie auch Bernd Senf (**)
meint. Wem diese Verdrängung der Tauschmittelfunktion des Geldes zugunsten
der Spekulationsfunktion des Geldes besonders gut gefällt, kann man sich
leicht denken.Bevor
wieder viele Interpreten meinen, mich als Gegner von Heinsohn & Co. verstehen
zu können, muß ich sie enttäuschen: Wäre ich ein solcher,
hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, eine derartige Kritik bzw. Skepsis
hier abzuliefern. Ich hege für Heinsohn und Co. sogar große Sympathie.
Doch: Was falsch ist, ist falsch. Meine Kritik bzw. Skepsis ist gerade auch dann,
wenn ich auf viele und große Fehler hinweise, komplementär zu verstehen,
also im Sinne einer Ergänzung bzw. Hilfestellung. |
Hubert Brune, Heinsohn und Steiger können die Eigentumswirtschaft,
aber nicht die gesamte Wirtschaft erklären, 2007.
Hubert
Brune, 2007 (zuletzt aktualisiert: 2013).
| - Anmerkungen - | |
Kultur,
Wirtschaft (Ökonomie), Kunst und Technik sind in der Natur zuerst noch vereint
(Kultur-Wirtschaft-Kunst-Technik-Einheit); sie trennen sich - als wären
sie die kulturellen Entsprechungen zu den 4 »Naturkräften« (Wechselwirkungen),
also die 4 »Kulturkräfte« (Wechselwirkungen) - in folgender Reihenfolge:
Kultur (Rest-Einheit: Wirtschaft-Kunst-Technik), Wirtschaft (Rest-Einheit:
Kunst-Technik), Kunst, Technik. Für das auf dieser Seite behandelte
Thema ist wichtig, daß die Wirtschaft sich von der Rest-Einheitskraft sehr
wahrscheinlich kurz vor der Zeit abspaltete, als das »Höher Leben«
begann. Als der Mensch erstmals die Weltbühne betrat, waren also Kultur und
Wirtschaft schon getrennt. Anders gesagt: Wirtschaft gab es auch schon vor
dem ersten Menschen. Für Heinsohn und Steiger scheint aber die Wirtschaft
erst mit dem letzten Menschen (!) zu beginnen, jedenfall relativ spät,
was die menschliche Entwickung angeht. Diese Hypothese ist m.E. der größte
Fehler in der Theorie von Heinsohn und Steiger. Ihre Kritik an den heutigen etablierten
Wirtschaftstheorien ist aber dennoch berechtigt und bezüglich der Eigentumswirtschaft
(!) auch richtig - bezüglich der Eigentumswirtschaft, wohlgemerkt
(!) -, also nur zum Teil richtig. Die Eigentumswirtschaft ist nämlich
tatsächlich noch nicht alt, aber sie ist nur für uns - moderne Abendländer
- so sehr heilig, daß wir bereits vergessen haben, daß es andere,
ältere Wirtschaftsformen gab und gibt. Man kann (a)
die Wirtschaft wie Heinsohn und Steiger nur von der kulturwissenschaftlichen,
revolutionären (metagenetischen) Seite her betrachten, muß dann aber
bescheiden bleiben; man kann (b)
die Wirtschaft nur von der naturwissenschaftlichen, evolutionären
(genetischen) Seite her betrachten, muß dann aber bescheiden bleiben; man
kann aber auch, nein: man muß (c)
die Wirtschaft von zwei Seiten - nämlich sowohl von der kulturwissenschaftlichen,
revolutionären (metagenetischen) Seite als auch von der naturwissenschaftlichen,
evolutionären (genetischen) Seite her betrachten - und muß dann nicht
mehr bescheiden bleiben. (Hubert Brune. ebd.). Die
Neanthropinenkultur (»Historisierung«) ist die »Moderne«
der Menschenkultur (»Menschwerdung«). Die Menschenkultur ist die »Moderne«
der Kultur der »Höheren Lebewesen«. Die Kultur der »Höheren
Lebewesen« ist die »Moderne« der »Kultur« unserer
Sonne, unseres Sonnensystems, und weil in unserem Universum immer nur eine solche
»Kultur« (falls man sie so überhaupt nennen darf) entstehen kann,
gibt es keine frühere »Kultur« als die Sonne. (Hubert Brune,
ebd.).Das Hauptproblem der Wissenschaft
(**)
ist, daß ihr mindestens 6 Bindeglieder fehlen: (1.)
das Bindeglied zwischen Mathematik und Physik: »Missing-Link« zum
Wissen; (2.) das Bindeglied zwischen Chemie
und Biologie: »Missing-Link« zum Leben; (3.)
das Bindeglied zwischen Biologie und Ökonomie: »Missing-Link«
zum Menschen; (4.) das Bindeglied zwischen
Ökonomie und Semiotik: »Missing-Link« zur Seele; (5.)
das Bindeglied zwischen Semiotik und Linguistik: »Missing-Link« zur
Sprache; (6.) das Bindeglied zwischen Linguistik
und Philosophie: »Missing-Link« zur Weisheit. (Hubert
Brune, ebd.).Ökonomie ist Wirtschaftlichkeit
- genauer: Häuslichkeit, Verwaltung und Rechtlichkeit (recht-/sittliche Gesetzlichkeit).
Ökonomie und Ökologie wurzeln im Haushalt (oikoV
= Haus, Wohnung), die Ökonomie im Haushalt und im Hüter
(nomia = Hüter, Verwalter u.s.w.)
oder im Nomos (nomoV = Gesetz, Regel,
Sitte, Rechtsordnung, -vorschrift, Satzung, Vorschrift, Brauch, Herkommen, Weide,
Wohnsitz, Bezirk, Provinz, Landstrich, Melodie, Lied, Tonart, Hirte u.s.w.),
die Ökologie im Haushalt und im Logos (logoV
= Rede, Vernunft, Kunde, Darlegung, Erzählung, Vortrag, Beschreibung
u.s.w.). Der oikonomoV bezeichnet den Hausverwalter,
den Verwalter, den Wirt, der oikonomew
das Hausverwalter-Sein, das Verwalten, die Anordnung, die
Haushaltung, die Verwaltung. DernomeioV
bezeichnet - wie der nomoV - den Hirten,
nomaV bedeutet auf der Weide befindlich,
weidend, umherschweifend, das Verb nomeuw
meint weiden, hüten, nomisma ist
die Münze, das Maß, nomikoV
heißt das Gesetz betreffend, gesetzlich, rechtskundig, nomizw
bedeutet als Sitte anerkennen, als Brauch haben, gewohnt sein, nomoqetikoV
meint gesetzgeberisch, nomoqetikh bzw.nomotesia
bedeutet Gesetzgebung, der nomofulakeV
ist der Gesetzeshüter. Für die sogenannte klassische
(einschließlich neoklassische) Schule ist Wirtschaftlichkeit
- im Unterschied zu Rentabilität (Erfolg eines Unternehmens) und Produktivität
(volkswirtschaftliche Ergiebigkeit) - die Erfolgskategorie, das Kriterium der
wirtschaftlichen Beurteilung des Betriebes, gemessen an der gesamten Betriebsleistung,
d.h. an der aufgewendeten menschlichen Arbeit und dem Kapitaleinsatz, wobei unter
Leistung der Wirkungsgrad der auf eine bestimmte Aufgabe gerichteten Tätigkeit
zu verstehen ist. Wirtschaftlichkeit ist das Ergebnis eines innerbetrieblichen
Vorganges, bei dem Aufwand und Ertrag, Kosten und Leistung im Hinblick auf ein
optimales Verhältnis beider Größen zueinander in Beziehung gesetzt
werden. Die Schwierigkeit liegt natürlich in der Messung! Außerdem
muß das nicht zu leugnende Faktum berücksichtigt werden, daß
gerade wieder einmal die sogenannten Experten bis heute das Wirtschaften
immer noch nicht richtig verstanden haben (**).
(Hubert Brune, ebd.). ** Das
neuhochdeutsche Wort »Wirtschaft« geht zurück auf das mittelhochdeutsche
Wort »wirtschaft« mit der primären Bedeutung von Gastwirtschaft,
das mittelhochdeutsche Wort »wirtschaft« wiederum geht zurück
auf das althochdeutsche Wort »wirtscaf(t)« mit der primären Bedeutung
von Bewirtung, Gastmahl, Tun und Amt eines Wirtes. Das neuhochdeutsche
Wort »Wirt« geht zurück auf das mittel- und althochdeutsche
Wort »wirt« mit der primären Bedeutung von Ehemann, Hausherr,
Landesherr, Gebieter, Gastwirt, das mittel- und althochdeutsche Wort
»wirt« wiederum geht zurück auf das gotische Wort »wairdus«
mit der primären Bedeutung von Gastfreund, das dem (gemein-)germanischen
Wort *»werdu« mit der primären Bedeutung von Mahl,
Bewirtung entstammt. (Hubert Brune, ebd.). ** Planck
und Heisenberg wären niemals auf die Idee gekommen zu behaupten, daß
nur das, was sie erforscht, entdeckt und begründet haben, Physik sein
darf und das, was Kepler, Newton und Einstein erforscht, entdeckt und begründet
haben, nicht oder nicht mehr Physik sein darf. Sie hätten dadurch
die Definition für »Physik« geändert, und das wäre
ihnen nie in den Sinn gekommen. Was in den Naturwissenschaften - je nach Grad
(also in der Physik mehr als in der Biologie) - selbstredend unbedingt gilt, gilt
in den Kulturwissenschaften (Sozial-/Geisteswissenschaften) nur sehr bedingt:
Grundbegriffe und deren Definitionen möglichst unangetastet zu lassen. In
den Kulturwienschaften darf man offenbar mit ihnen jonglieren wie Artisten und
Zauberer. Genau das tut der Kulturwissenschaftler Heinsohn - nämlich aus
dem Motiv heraus, eine in sich schlüssige Theorie liefern zu können.
Doch die von Heinsohn und Steiger vorgelegte Theorie ist nur als Eigentums(wirtschafts)theorie,
nicht aber als Wirtschaftstheorie schlüssig. Ähnliches gilt übrigens
für die von Heinsohn, Knieper und Steiger vorgelegte, nur in Teilaspekten
(wenn auch nicht wenigen) schlüssige Bevölkerungstheorie (**|**).
(Hubert Brune, ebd.).
Peter Sloterdik zum auch seiner
Meinung nach erstmals mit Beginn der Neuzeit auftretenden »Schuldner-Produzenten«:
»Es ist dies ein Typus, der in der neuen Eigentums- und Geldwirtschaft
die Erfahrung gewonnen hat, daß Schaden zwar klug macht, doch
Schulden klüger. Die Schlüsselfigur des neuen Zeitalters
ist der Schuldner-Produzent - besser bekannt unter dem
Begriff Unternehmer -, der seine Geschäftsverfahren, seine
Meinungen und sich selbst fortwährend flexibilisiert, um mit
allen erlaubten und unerlaubten, erprobten und unerprobten Mitteln
an die Gewinne zu kommen, die ihn befähigen, aufgenommene Kredite
rechtzeitig zu tilgen. Diese Schuldner-Produzenten geben der Idee
der geschuldeten Schuld eine revolutionäre, neuzeitliche Bedeutung:
Aus einem moralischen Makel wird ein ökonomisch sinnvolles
Anreizverhältnis. Ohne die Positivierung von Schulden kein
Kapitalismus. Die Schuldner-Produzenten sind es, die das Rad der
permanenten Geldrevolution in der Bourgeois-Epoche zu
drehen beginnen. (Die Bestimmung des Unternehmens
als Schuldner-Produzent verdanken wir Gunnar Heinsohn
und Otto Steiger, die mit ihrem Buch Eigentum, Zins und Geld
[1996] ein suggestives Modell für die Erklärung der Innovationsdynamik
der neuzeitlichen Wirtschaft als Eigentumswirtschaft vorgelegt
haben.). Die Haupttatsache der Neuzeit ist nicht, daß
die Erde um die Sonne, sondern das Geld um die Erde läuft.«
(Peter Sloterdijk, Sphären - II [Globen], 1999, S. 855-856).
Man könnt geneigt sein zu sagen, daß mit dem Beginn der
Neuzeit das Geld an die nun - durch die kopernikansche Wende - frei
gewordene Stelle der Sonne im ptolemäischen Weltbild trat.
(Hubert Brune, ebd.).
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