Eigentum, Zins und Geld. Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft (1996)
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Eigentum,
Zins und Geld werden von der etablierten Wirtschaftswissenschaft bis heute umrätselt.
So hat noch kein Vertreter der herrschenden lehre überzeugend erklären
können, daß und wie der Güteraustausch, von dem alles Ökonomische
abzuleiten sei, überhaupt Geld hervorbringt.Heinsohn
und Steiger begründen einen Paradigmenwechsel: Nicht der Tausch, sondern
das Eigentum ist der Usprung allen Wirtschaftens; Zins und Geld sind seine »erstgeborenen
Abkömmlinge«. Wo Eigentum fehlt oder abgeschafft wird, gibt es keine
Ökonomie, sonder nur Produktion.Eigentum,
Zins und Geld ist ins Lexikon ökonomischer Werke - 650 wegweisende
Schriften von der Antike bis zum 20. Jahrhundert - aufgenommen worden und
wird vom Geldmuseum der Deutschen Bundesbank zu den 5 bedeutendsten gelderklärungen
gezählt. »Der theoretische Ansatz
von Heinsohn und Steiger bringt die Lösung des Problems der Schaffung von
Geld - ein problem, um das sich viele Theoretiker drücken. Die Autoren ziehen
dazu eine enorm weitgespannte Literatur heran - nicht nur aus der Wirtschaftswissenschaft,
sondern auch aus Soziologie, Ethnologie, Geschichte der Antike und Religionswissenschaft.
ein höchst seriöser und sorgfältig durchdachter Beitrag in einer
sehr persönlich geprägten Forschungsrichtung.« Professor Augusto
Graziani, Universität Rom.(Ebd., Klappentext). |
VorredeUngelöste
Rätsel der Wirtschaftswissenschaft als Untertitel dieser Abhandlung zu
wählen, bedeutet nicht, daß hier ein Rest an Fragen beantwortet werden
soll, der einer insgesamt erfolgreichen Wirtschaftstheorie bisher noch dunkel
geblieben wäre. Vielmehr treten wir mit der Behauptung vor die Öffentlichkeit,
daß die Grundelemente des Wirtschaftens bis heute nicht verstanden sind.
Eine wissenschaftliche Lehre, die den Namen ökonomische Theorie verdienen
würde, gibt es noch nicht. Ihre Grundlegung wird hiermit versucht.
(Ebd., S. 15).Den Begriff »Eigentum« im Obertitel Eigentum,
Zins und Geld an den Anfang zu setzen, besagt, daß es zu einer befriedigenden
Wirtschaftstheorie niemals gekommen ist, weil die Ökonomen sich von Aristoteles
(383 bis 322 v.u.Z.) bis heute auf Tauschoperationen als Kern allen Wirtschaftens
fixiert haben. Dadurch mußten sie in der zum Besitz gehörenden Güter-
oder Ressourcensphäre verharren und konnten dabei den immateriellen Ertrag
des Eigentums, belastbar und verpfändbar zu sein, nicht erfassen. Diese Eigentumsprämie
ist es nun, gegen deren Aufgabe im Kreditkontrakt das Wirtschaften mit Zins und
Geld konstituiert wird. Sie ist niemals zum Thema geworden. Alle ökonomischen
Schulen haben sich gegenüber dem Eigentum wie ein Fisch verhalten, der die
elementare Bedeutung des Wassers erst versteht, nachdem er es verlassen hat.
(Ebd., S. 15).Das freimütig eingeräumte Scheitern der
dominierenden Theoriegebäude bei der angemessenen Gewichtung und überzeugenden
Herleitung von Zins und Geld ist dem Verfangensein in der Gütersphäre
geschuldet. Die unlösliche Verkettung von Zins und Geld mit der Blockierung,
das heißt dem Belasten und Verpfänden von Eigentum -
und verbunden mit letzterem der Vollstreckung im Eigentum - mußte
aus dem Blickwinkel des Tauschparadigmas von Gütern übersehen werden.
Entscheidend an diesen Eigentumsoperationen wirkt, daß sie als ökonomische
Akte jenseits und vor der Gütersphäre erfolgen. Die genuin ökonomischen
Vorgänge erfolgen mithin als abstrakte und güterunabhängige Operationen,
deren Verständnis die Gütersphäre selbst erst einer ökonomischen
Analyse zugänglich macht. (Ebd., S. 15-16).Die Theorien
haben sich bisher also nicht mit dem Wirtschaften beschäftigt, sondern mit
der Produktion, Distribution und Konsumtion sowie dem Verleihen von Gütern.
Produziert, verteilt, konsumiert und verliehen wird immer, Wirtschaften hingegen
hebt erst an, wenn es Eigentümer sind, die Kreditverträge eingehen und
dabei nicht etwa Güter weggeben, sondern Eigentum für Belastung und
Verpfändung heranziehen. Als Ergebnis dieses Vorgangs werden selbstredend
auch Güter produziert, verteilt und konsumiert - niemals aber werden Güter
verliehen. (Ebd., S. 16).Bereits vor über sechzig
Jahren hatte John Maynard Keynes (1883-1946) die herrschende Wirtschaftstheorie
verworfen, weil in ihr eine zureichende Erklärung des Zinses und daher auch
des Geldes fehlte. Obwohl auch Keynes gegenüber dem Eigentum begriffslos
und deshalb eine neue Wirtschaftstheorie, die diesen Namen verdient, schuldig
geblieben ist, hat er doch mit der Ahnung des Genies eine entscheidende Größe
des Wirtschaftens ins Zentrum seiner Forschung gestellt. Auf die Frage eines Reporters
der BBC im Jahre 1934, als seine erst zwei Jahre später erscheinende Allgemeine
Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes von Eingeweihten
schon heftig umraunt wurde, worin die bisherigen Gedanken über Wirtschaft
denn ihren entscheidenden Fehler hätten, antwortete Keynes: »Ich bin
überzeugt, daß es im ... orthodoxen Denken ... einen fatalen Fehler
gibt; dieser Fehler ist vor allem auf das Scheitern der klassischen Schule (das
heißt Klassik und Neoklassik) zurückzuführen, eine befriedigende
Zinstheorie zu entwickeln.« (John M. Keyenes, a.a.O). (Ebd., S. 16).Im
Jahre 1996 ein Buch mit dem Titel Eigentum, Zins und Geld - Ungelöste
Rätsel der Wirtschaftswissenschaft vorzulegen, impliziert selbstredend
die Behauptung, daß auch Keynes am Wesentlichen gescheitert ist. Auf
der Suche nach dem entscheidenden Fehler aller bisherigen Versuche, eine Wirtschaftstheorie
zu formulieren, werden wir zeigen, daß die Ökonomen bloß Geschichte
getrieben haben, wo sie theoretisch hätten arbeiten sollen. Überdies
haben ihre historischen Vorstellungen mit dem Lauf der Welt nichts, mit dem irrlichternden
Zauber evolutionistischer oder gar teleologischer Ideen jedoch alles zu tun.
(Ebd., S. 17).Wir stehen mit dieser Untersuchung deshalb vor zwei
Aufgaben. Wir müssen einerseits die Theorie der Wirtschaft schreiben und
andererseits deutlich machen, daß der Mensch nicht ewig gleichen Grundprinzipien
des Wirtschaftens folgt. Die Menschheit kennt nicht nur
eine, sondern drei gesellschaftliche Grundstrukturen, die für die materielle
- im Unterschied zur biologischen - Reproduktion bedeutend sind. An ihnen ist
erst zu zeigen, inwieweit diese Reproduktion ökonomisch oder eben anders
bestimmt ist bzw. was den Begriff der Wirtschaft konstituiert. Diese drei Grundstrukturen
sind (1) die Solidargesellschaft des Stammes,
(2) die Befehlsgesellschaft des Feudalismus
und Realsozialismus, (3) die Eigentumsgesellschaft
der Freien. (**|**).
Jede dieser Strukturen unterliegt eigenen Gesetzen, wobei die beiden ersten den
Gesetzen von Sitte bzw. Befehl folgen. Allein die Gesetze der Eigentumsgesellschaft
können durch das erschlossen werden, was als ökonomische Theorie
zu bezeichnen ist. (Ebd., S. 17).Die Differenz zwischen Stamm
und Feudalismus einerseits und Eigentumsgesellschaft andererseits ist prinzipieller
und nicht gradueller Natur. Stämme sowie Feudalismus und Sozialismus kennen
kein Eigentum, sondern lediglich Besitz, also die bloße Nutzung von
oder Verfügung über Ressourcen. Solidar- und Befehlsgesellschaft verharren
daher per Sitte bzw. Befehl in einer bloßen Beherrschung von Ressourcen
zur materiellen Reproduktion. Diese erschöpft sich in Anweisungen zur Produktion
(einschließlich Vorratshaltung und gegebenenfalls Akkumulation), Distribution
und Konsumtion, die zu Transaktionen von Gütern, nicht aber ihrer Ökonomisierung
führen. (Diese Transaktionen von Gütern gelten auch für den nicht
unbeachtlichen Sektor der »Eigenarbeit«, deren Resultete - anders
als die »Schwarzarbeit«, aber vergleichbar den stammesgesellschaftlichen
Güteraktivitäten . zu Recht nicht in die berechnung des Bruttosozialprodukts
fließen). Das Verständnis der Besitzgesellschaften benötigt deshalb
keine Theorie über das Wirtschaften. Für diese Systeme reicht eine soziologische
Analyse aus, um die Auswirkungen unterschiedlicher Herrschaftsmechanismen auf
die Ressourcennutzung zu erklären. (Ebd., S. 17-18).Dem
Blick auf einen lediglich herrschaftsmäßigen Umgang mit Ressourcen
bleibt das Wesentliche der Eigentumsgesellschaft verborgen. Es ist dieses eingeengte
Schauen auf die Gütersphäre, das die Erarbeitung einer Theorie der Wirtschaft
erschwert hat. Die Eigentumsgesellschaft bedient sich nicht mehr der überkommenen
Instrumente von Herrschaft für die Regelung der Ressourcennutzung. Sie schützt
vor allem das Eigentum als Rechtstitel und den Eigentümer als Träger
dieses Titels, dem der Besitz - das Verfügungsrecht über die Nutzung
also- nun unterworfen ist. Sie schützt damit unvermeidlich auch das Recht
auf Vollstreckung in das Eigentum eines Schuldners, der seinen Verpflichtungen
nicht nachgekommen ist und dadurch das Eigentum des Gläubigers vermindert
hat. Damit ist die Eigentumsrechtsordnung ausdrücklich blind für die
Welt der Güter und für die persönlichen Privilegien der traditionellen
Gesellschaften. Wer innerhalb der Eigentumsgesellschaft weiterhin mit überkommenen
Herrschaftsmitteln an Ressourcen heran will, vergreift sich nunmehr an Eigentum
und nicht an den Loyalitätsbeziehungen von Blutsverwandtschaft oder Gefolgschaft.
Die Eigentumsschutzgesetze treffen ihn deshalb ohne Rücksicht auf herkömmlich
geregelte Verfügungen über Ressourcen. Erst die Ausschaltung eines herrschaftlichen
Zugangs zu Gütern erzwingt das Wirtschaften als Konsequenzen des Eigentums.
Die wichtigsten Eigentumsoperationen erwachsen aus dem Zwang, ein ökonomisches
Verlieren von Eigentum zu verhindern. Diese ökonomische Verteidigung von
Eigentum vollzieht sich jenseits der hoheitlichen Operationen, mit denen
ein krimineller Verlust von Eigentum abgewehrt wird. (Ebd., S. 18).Die
ganz unstofflichen Operationen der freien Verkaufbarkeit, vor allem aber
der freien Belastbarkeit und Verpfändbarkeit von Eigentum im
Kreditkontrakt liefern einer angemessenen Theorie des Wirtschaftens erst ihren
Stoff. Alle drei Eigenschaften kommen ohne jede Rücksicht auf die Besitzseite
des Eigentums zum Einsatz. Sie sind die Prämie des Eigentums und können
von einer Wissenschaft, die vorwiegend auf die Nutzung von Ressourcen schaut,
nicht erschlossen werden. Eigentum ist ein abstraktes Ding. Man kann es nicht
sehen, riechen, schmecken oder anfassen. Was immer bei solchen Operationen verspürt
wird, ist Besitz. Eigentum steht für einen Rechtstitel. Wann immer
wir von Eigentum reden, ist dieser Titel gemeint. (Ebd., S. 18-19).Die
Eigentumsoperationen sorgen - so unsere weitere These - dafür, daß
es überhaupt erst zur Bewirtschaftung von Ressourcen kommt, also auch
die durch Sitte oder Herrschaft gefesselte Nutzung des Besitzes gelockert wird.
Erst in der Beziehung zu Eigentümern entstehen - in Stamm und Feudalismus
fehlende - Besitzoperationen wie Pacht, Miete oder Leasing, denen eigentümlich
ist, daß die Rechte zu ihrer Nutzung erst durch besondere Leistungen (Pacht-
und Mietzahlungen) an die Eigentümer erlangt werden können. Diese Operationen
bleiben jedoch dem Eigentum nachgeordnet, erwachsen gerade aus seinen gänzlich
güterneutralen Verwendungen und bleiben deshalb auch für die
Wirtschaftstheorie nachrangig. (Ebd., S. 19).In den bisherigen
Wirtschaftstheorien werden Aktivitäten aus den drei Reproduktionsformen der
Solidar-, der Befehls- und der Eigentumsgesellschaft vermischt und sogar in ein
evolutionäres Kontinuum gebracht. Wir hingegen haben zu klären, welcher
Begriff in welcher Gesellschaft seinen angemessenen Ort findet und ob er
von dort nur um den Preis theoretischer Konfusion in eine andere Gesellschaft
verpflanzt werden kann. Besitz als in der Tat universale Größe gibt
es in allen drei Gesellschaften, während Eigentum in Stamm und Feudalismus
fehlt, also der Eigentumsgesellschaft vorbehalten ist, wo es den Besitz - anders
als in den Nichteigentumsgesellschaften - in die Ökonomie zwingt. (Ebd.,
S. 19).Aus dem Fehlen von Eigentum in Stamm und Feudalismus ergibt
sich für diese Gesellschaften auch die Abwesenheit eines Ertrages an Sicherheit,
den allein die ökonomischen Potenzen des Eigentums - Belastungs- und Verpfändungsrechte
- ermöglichen. Diese Eigentumsprämie stellt mithin eine nichtphysische
Größe dar. (Ebd., S. 19-20).Die Vorstellung einer
immateriellen oder nichtpekuniären, aber dennoch ökonomisch überaus
bedeutsamen Ertragsart ist von keinem geringeren als Keynes unter dem Begriff
»Liquiditätsprämie« im Jahre 1936 in seiner Allgmeinen
Theorie vorgestellt worden. Diese Prämie betrachtete er als die Annehmlichkeit
der Geldhaltung, monetäre Verpflichtungen jederzeit erfüllen zu können.
Für diese immaterielle Annehmlichkeit sei der Zins zu zahlen. Da der große
Engländer aber das Vorhandensein von Geld immer schon voraussetzte, konnt
er nicht erklären, wie es überhaupt zur Fähigkeit kommt, Geld schaffen
und dann monetäre Verpflichtungen eingehen zu können. Seine Liquiditätsprämie
ist deshalb ohne Fundament und ohne Erklärungskraft für den Zins geblieben.
(Ebd., S. 20).In der Wirtschaftstheorie nach Keynes - sieht man
einmal vom Monetärkeynesianismus ab - hat die Existenz einer Liquiditätsprämie
keine Rolle gespielt. Die Eigentumsprämie ist nicht einmal als Begriff vorhanden.
Ihre gleichsam als das perpetuum mobile des Wirtschaftens wirkende Potenz hat
sich auch den übrigen mit der Eigentumsgesellschaft befaßten Wissenschaften
bis heute erfolgreich entzogen. (Ebd., S. 20).Keynes selbst
dachte bei »Liquidität« zwar keineswegs nur an gehaltenes Geld,
hat sie aber dennoch nicht aus der Möglichkeit herleiten können, Eigentum
für die Generierung von Geld zu belasten und dieses im Gläubiger-Schuldner-Kontrakt
gegen verpfändetes Eigentum zu kreditieren. Wir fassen mithin die Prämie
des Eigentums, belastbar und verpfändbar zu sein, als den für das Wirtschaften
entscheidenden immateriellen Ertrag. Nur durch Aufgabe dieser Eigentumsprämie
kann es im Kredit zu Zins und Geld kommen. Die Liquiditätsprämie des
Geldes hat also die Existenz der Eigentumsprämie zur Voraussetzung, da Geld
als Anrecht auf Eigentum - also auf einen Titel und nicht auf Güter - entsteht.
Das gilt nicht allein für Geld in der heutigen Form als Banknote, sondern
auch in seiner früheren Form als Münze, die ein auf Metall gedrucktes
Anrecht gewesen ist. Wo immer wir Keynes' Begriff der Liquiditätsprämie
verwenden, unterscheiden wir sie deshalb strikt von der Eigentumsprämie.
(Ebd., S. 20-21).In Stamm und Feudalismus sowie Realsozialismus
fehlen nicht allein die Eigentumsprämie und die Liquiditätsprämie.
Auch andere wesentliche Hervorbringungen der Eigentumsgesellschaft sind diesen
Gemeinwesen fremd. Neben Geld kann also auch von Zins, Kredit und Kapital sowie
Wert, Preis, Profit und Markt in diesen Besitzgesellschaften keine Rede sein.
Da es jedoch Besitz in allen drei Gesellschaften gibt, ist daraus für das
Verständnis der Eigentumswirtschaft viel Verwirrung erwachsen. Eine Theorie
der Eigentumsoperationen ist nicht einmal erwogen worden. (Ebd., S. 21).Dieser
Mangel gilt bereits für die ökonomische Klassik von Adam Smith (1723-1790)
bis Karl Marx (1818-1883). Zwar wurde in der Klassik ausführlich über
das »Privateigentum« gesprochen und geschrieben. Allerdings
hat man sich dabei im wesentlichen für die Herrschaftsposition des Privateigentümers
als Besitzer interessiert und damit ebenfalls die essentielle Rolle des Eigentums
für das Wirtschaften verfehlt. Die Klassik verbleibt im Kern ihrer Theorie
eine Tauschtheorie, eine Analyse des Tausches von Gütermengen, bei
der sie sich vor allem für die »objektiven« Arbeitswerte als
Tauschwerte interessiert. In der Diskussion dieser Tauschwerte macht sie am ehesten
noch zur freien Verkaufbarkeit - zumindest indirekte - Aussagen, während
die aus der Eigentumsblockierung resultierende Kreditierbarkeit unthematisiert
bleibt. Ihre entscheidenden Kategorien der Belastbar- und Verpfändbarkeit
als nichtphysische Erträge des Eigentums können deshalb nicht einmal
benannt werden. (Ebd., S. 21).In der in den siebziger Jahren
des 19. Jahrhunderts begründeten und bis heute die Wirtschaftstheorie dominierenden
Neoklassik erscheint Eigentum lediglich als ein zwar wichtiges, aber nachrangiges
Ordnungselement. Im Kern der neoklassischen Theorie steht ebenfalls die Betrachtung
von Besitzern, die Gütermengen tauschen. Dabei interessiert sich die Theorie
nicht für objektive Arbeitswerte, sondern für die »subjektive«
Bedürfnisbefriedigung (»Nutzen«) durch die physische Nutzung,
die einem Optimierungskalkül unterworfen ist. In ihrer atemporalen Fassung
impliziert die Gütertauschtheorie indirekt die Verkaufbarkeit und in ihrer
intertemporalen die Verleihbarkeit, die jedoch nichts mit Kreditierbarkeit von
Geld zu tun hat. Die Verpfändbarkeit schließlich wird überhaupt
erst seit Mitte der achtziger Jahre thematisiert, ohne daß dabei zur konstitutiven
Rolle der Eigentumsverpfändung für die Kreditierung vorgestoßen
würde. Die Eigentumsprämie hat in der neoklassischen Theorie keinen
Ort. (Ebd., S. 21-22).Obwohl wir viele Begriffe analysieren,
die auch in den bisherigen Theorien auftauchen, kann man diese Theorien nicht
als Versuche klassifizieren, die aus der Eigentumsprämie erwachsenden Operationen
zu verstehen. Daraus ergibt sich ein Problem der Kommensurabilität. Konkurrierende
Theorien der Eigentumswirtschaft, an denen wir uns messen könnten, liegen
noch nicht vor. Das macht den Vergleich zwischen unseren Erörterungen und
denen der herrschenden Lehre nicht immer einfach. Gleichwohl kann auf die Gegenüberstellung
von - eher unsystematischen - Aussagen der dominierenden Lehren zu Kategorien,
die wir ins Zentrum der Erklärung stellen, nicht verzichtet werden, will
man ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. (Ebd., S. 22).Für
unser Vorhaben, erstmals eine Theorie der Eigentumswirtschaft zu konzipieren,
können wir mithin weder auf dem Boden der vorherrschenden Strömungen
verbleiben noch uns häretischen Theorieversuchen anheimgeben. Wir können
uns auch nicht einfach in die Linie der beiden großen Theoriekritiken einreihen,
die das Beste ihrer Epoche festhalten und in eine neue Synthese einbringen wollten:
Das Kapital (1867) von Karl Marx und Warenproduktion mittels Waren
(1960) von Piero Sraffa (1898-1983). Ersterer hatte im 19. Jahrhundert seine Ideen
in Auseinandersetzung mit der Politischen Ökonomie der Klassik gewonnen,
letzterer im 20. Jahrhundert seine Position gegen die ökonomische Theorie
der Neoklassik herausgearbeitet. Beide haben deshalb mit allem Recht Kritik
der politischen Ökonomie (Marx) und - etwas bescheidener - Einleitung
zu einer Kritik der ökonomischen Theorie (Sraffa) als Untertitel ihrer
Werke gewählt. (Ebd., S. 22).Die Lösung der in
unserem Untertitel angezeigten »Rätsel der Wirtschaftswissenschaft«
soll nicht weniger als die Grundlegung der Wirtschaftstheorie erbringen.
Eine solche »Grundlegung«, ist bewußt ohne Analogie zur Kritik
von Marx und Sraffa formuliert worden. Wir können also weder von der herrschenden
Lehre noch von ihren Herausforderern ausgehen, obwohl wir keine der Richtungen
ignorieren. Hätten wir einen Untertitel in Analogie zu Marx oder Sraffa wählen
müssen, dann wäre »Kritik der tauschtheoretischen Grundlagen der
ökonomischen Theorien« der angemessene gewesen. Im Text wird diese
Kritik durchgängig geleistet. Unsere Arbeit ist darüber hinaus jedoch
gezwungen, einen Paradigmenwechsel gegen die klassische und neoklassische Theorie
der Tauschwirtschaft - verstanden als Kapitalismus (Klassik) bzw. Marktwirtschaft
(Neoklassik) - hin zur Theorie der Eigentumswirtschaft zu vollziehen.
(Ebd., S. 22-23).Dieser Wechsel verschont auch die vom Berliner
Ökonomen Hajo Riese (*1933) begründete monetärkeynesianische Theorie
der Geldwirtschaft nicht, in der das geldtheoretische Versagen der neoklassischen
Theorie besonders scharfsinnig hervorgehoben wird. Obwohl auch die Berliner Schule
das Tauschparadigma kritisch sieht, ist sie ihm doch nicht wirklich entkommen,
was an ihrer Fassung des Gütermarktes als Tauschplatz offensichtlich wird.
(Ebd., S. 23).Der von uns keineswegs vorab beabsichtigte, aber
im Wege der Analyse eingetretene Paradigmenwechsel besteht schlichtweg darin,
daß sich fast alle Begriffe der bisherigen Theorien als unangemessen erweisen
oder bloße Allgemeinplätze ohne Trennschärfe darstellen, wie etwa
»Transaktion«, »Produktion«, »Konsumtion«,
»Distribution«, »Unsicherheit«, »Erwartungen«
oder gar das »Verstreichen von Zeit«. (Ebd., S. 23).Während
der eine Leser die von uns vorgenommene Kritik an den herrschenden Theoriegebäuden
als unverzichtbaren Beitrag erwarten wird, mag der andere sich gerade dadurch
verwirrt oder unnötig belastet fühlen. Wir haben beiden Interessen dadurch
gerecht zu werden versucht, daß unsere eigene Sicht bzw. die positive
Theorie der Eigentumswirtschaft im Kapitel über die Wirtschaftsverfassung
noch einmal zusammengefaßt wird, obwohl alle ihre Elemente in den anderen
Kapiteln entwickelt und zugleich immer wieder, wenn nicht gar zu häufig,
mit der herrschenden Argumentation konfrontiert werden. Überdies wird jedes
Kapitel mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, in der wir die Argumente der
herrschende Lehre und der Theorie der Eigentumswirtschaft noch einmal knapp charakterisieren.
(Ebd., S. 23).Mit unserer Theorie der Eigentumswirtschaft werden
wir nicht nur die Kategorie des Marktes als nachrangig und daher den Begriff »Marktwirtschaft«
als unzureichend zurückweisen, sondern auch die Kategorie des Geldes und
damit den Begriff »Geldwirtschaft« als den Kern des Wirtschaftens
nicht treffend. Das gleiche gilt für den von uns lange verwendeten Begriff
der »Zinswirtschaft«. (Ebd., S. 23-24).Ungeachtet
der Wahl des Begriffs »Eigentumswirtschaft« sind die in der ökonomischen
Literatur bisher höchst widersprüchlich und unzureichend analysierten
Begriffe Zins und Geld als gewissermaßen erstgeborene Abkömmlinge der
Eigentumsprämie auszuweisen. Deshalb stehen Termini wie Geldwirtschaft und
- mehr noch - Zinswirtschaft näher am primum movens der Ökonomie
als die herrschende Rede von einer Marktwirtschaft. Am Ende jedoch müssen
alle Theorienamen, die den Kern des Wirtschaftens unbenannt lassen, dem Verdacht
anheimfallen, daß ihnen die Ökonomie insgesamt rätselhaft geblieben
ist. (Ebd., S. 24).Im Verlauf unserer Argumentation angestellte
Strukturvergleiche und historische Vergegenwärtigungen sollen es dem Leser
einfacher machen, den ökonomischen Begriffen ihren korrekten Ort anzuweisen.
Wir präsentieren historische Exkurse also nicht deshalb, weil - wie schon
Balduin Penndorf 1913 betonte - »ohne historisches Fundament alles Können
unvollkommen und das Urteil über die Erscheinungen der Gegenwart unsicher«
(ebd., a.a.O., S. III) bliebe. Wir machen auch keineswegs dasselbe wie der Gründungsheros
der Ökonomie als Wissenschaft, Adam Smith, der seine theoretischen Erkenntnisse
für sein Werk Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes
(1776) bekanntlich aus seiner Sicht der Sozialgeschichte gewonnen hat. Gerade
an ihm werden wir sehen, wie seine Überzeugung von ewigen Prinzipien des
Wirtschaftens ihn immer wieder dazu verführt, sein Material entweder theoretisch
unausgelotet zu lassen oder haltlos zu überziehen. Insbesondere seine Gewißheit,
daß sich aus dem angeblichen menschlichen »Hang zu tauschen«
(ebd., 1. Buch, Band 1, Kapitel 1, S. 17), alles weitere - wie vor allem Arbeitsteilung
und Markt, Wert und Preis, Geld und Kredit, Kapital und Akkumulation sowie Zins
und Profit - zwangsläufig und logisch ergebe, ist für die Wirtschaftstheorie
verhängnisvoll geworden. (Ebd., S. 24-25).Uns geht es
also nicht um Weltweisheit und theoretische Deduktionen aus Konstruktionen über
den Geschichtsablauf. Wir schauen nur deshalb immer wieder auch auf den historischen
Stoff, um die Abgrenzung der für unterschiedliche Gesellschaftsformen idealtypischen
Grundstrukturen der materiellen Reproduktion voneinander schärfer herauszuarbeiten.
Material für die Theorie sind diese Strukturen, während die Besonderheiten
ihres Entstehens und Vergehens Thema der Historiographie sind. Jede dieser Strukturen
verlangt ihre eigene Theorie und kann durch ökonomische Allgemeinaussagen,
die über physische und psychische Selbstverständlichkeiten der conditio
humana hinausgehen, nur mißverstanden werden. Die gefundene Theorie
muß dann aber vom Beginn der jeweiligen Struktur an gültig sein und
darf sich nicht auf historische Besonderheiten berufen, wo es ihr in Wirklichkeit
an Konsistenz mangelt. (Ebd., S. 25).Unsere Wirtschaftstheorie
braucht mithin nicht die Geschichte um ihrer selbst willen, sondern lediglich
als genaue Kennzeichnung der gesellschaftlichen Grundstrukturen, deren jeweilige
materielle Reproduktion zu erklären ist. Bei diesem Bezug auf Historisches
müssen wir lediglich dann eigene Rekonstruktionen vornehmen, wenn Gesellschafts-
und Geschichtswissenschaften eingestandenermaßen daran scheitern, die für
Theoriearbeit entscheidenden Strukturen zu erkennen oder gar ihre Entstehung herzuleiten.
Diese gelegentlich anzustellende historische Arbeit hat allerdings mit der von
uns zu erarbeitenden Wirtschaftstheorie nichts zu tun. Sie muß sich lediglich
der üblichen historiographischen Überprüfung stellen. (Ebd.,
S. 25).Immer wieder werden wir offenzulegen haben, daß die
im herrschenden ökonomischen Wissenschaftsbetrieb als Theorie anerkannten
Lehrgebäude vor allem deshalb versagen, weil sie von bloßen Schreibtischkonstruktionen
über eine Evolution des Tauschens geradezu durchtränkt sind. Dieses
nicht zu erkennen, hängt zu einem guten Teil damit zusammen, daß Ökonomen
sich ausdrücklich als der Historie nicht bedürftig definieren. Gelegentlich
räumen heutige Autoren sogar ein, daß ihre Vorgänger mit irrigen
Annahmen über die Geschichte der Wirtschaft und des Tausches operiert hätten.
Solche Irrtümer werden dann aber nicht korrigiert, sondern es wird statt
dessen erklärt, daß Geschichte für die Theoriearbeit ohnehin irrelevant
sei. (Ebd., S. 25-26).Selbstverständlich muß die
Wirtschaftstheorie ohne Rückgriff auf die Geschichte arbeiten. Wenn jedoch
als Stoff für die ökonomische Theorie der Tausch genommen wird, dann
bezieht sie sich unerkannt auf eine historische Konstruktion und nicht - wie sie
glaubt - auf eine wirtschaftliche Operation. Die Grundannahme der Wirtschaftstheorien
stammt mithin aus einem evolutionistischen Geschichtsdenken, das weder
von der Vergangenheit noch von der Gegenwart gedeckt ist. Die Tatsache, daß
Geschichtswissenschaft und Wirtschaftstheorie auf methodisch unterschiedlichen
Ebenen agieren, darf also nicht in den Glauben münden, die Theorie könne
ungestraft mit Annahmen operieren, die - wie der am Individualkalkül orientierte
Gütertausch - in einem fundamentalen Widerspruch zu historischen Forschungsresultaten
stehen. In diesem Punkt verschlägt auch der Einwand von Karl Popper (1902-1993)
nicht, daß der Ermittlung solcher Resultate ein selbst schon theoretisch
geformter Blick allemal vorausgehe. Das ist richtig, aber insofern auch trivial,
als die erkannten und unerkannten theoretischen Prämissen des historischen
Blicks selbstverständlich ebenso der Kritik ausgesetzt sind wie diejenigen
der Wirtschaftstheorie. (Ebd., S. 26).Nun könnte der
Einwand erhoben werden, daß der Begriff des Tausches nicht für einen
empirischen Befund steht, sondern als nur durch theoretische Analyse erschließbarer
Wesensbegriff fungiert. Tausch wäre dann die unsichtbar hinter den offenliegenden
ökonomischen Erscheinungen wirkende eigentliche Operation, von der ohne Theorie
nichts gewußt würde. Dieser Einwand verschlägt indes nicht, da
die Neoklassik keineswegs - wie noch zu zeigen - von einer prinzipiellen Unsichtbarkeit
des Tausches, sondern nur im Falle des Geldgebrauchs von einem Schleier spricht,
der den Tausch verdeckt. Ihre Grundannahme des Gütertausches soll mithin
eindeutig empirisch fundiert sein, weshalb es kein Zufall ist, daß ihre
Vorstellung eines geldlosen, also sichtbaren Tausches für die Vorstellung
des Tausches mit Geldgebrauch unverzichtbar ist. (Ebd., S. 26).Wenn
man so will, dann stellt die Eigentumsprämie einen » Wesensbegriff«
dar, der etwas nicht offen zu Tage Liegendes fassen will. Sie erwächst gerade
nicht aus Gütern als solchen, sondern ist der Eigentumsstruktur inhärent
und kann erst in den Blick geraten, wenn nach dem Grund der wichtigsten Elemente
der Eigentumswirtschaft - Belastung und Verpfändung, Zins und Geld - gefahndet
wird. Dabei ist auch das »Wesen« der Eigentumswirtschaft nicht in
einem materiellen Bereich zu erkennen, sondern erst an ihrer besonderen rechtlichen,
also immateriellen Struktur, die sich von den sehr handfesten Maßnahmen
von Sitte und Befehl in Stamm und Feudalismus ganz eigengesetzlich freimacht.
(Ebd., S. 26-27).Das theorieverderbende Unterfutter unerkannter
Geschichtsdurchwirktheit erweist sich also deshalb als so durchschlagend, weil
die in alle Argumente einfließenden Vorstellungen der Ökonomen über
Vergangenheit und Gegenwart sehr wenig mit Wirtschaftsgeschichte, aber alles mit
Fiktion oder - besser - mit Spekulation über Geschichte zu tun haben. Was
stolz im Gestus des Mathematikers für ein ahistorisches Axiom oder Apriori
gehalten wird, aus dem dann alles weitere gefolgert werden könne, läßt
sich ohne große Schwierigkeiten als willkürliche Setzung über
das Wirtschaften von gestern und heute erweisen. Zwar versteht die Neoklassik
sich als eine positive Theorie, die nicht davon redet, was sein soll, sondern
sich dem zuwendet, was ist, aber bei der Benennung dessen, was ist, wird merkwürdigerweise
keineswegs von diesem »Ist« gehandelt, sondern mit schlichten Annahmen
begonnen. Die berühmteste ist dabei im Bild von den zwei Leuten gefaßt,
die mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Erstausstattungen einen
Tausch beginnen. Solche Fiktionen vom »Ist« werden allerdings nicht
nur an der Neoklassik, sondern auch am Monetärkeynesianismus sichtbar werden,
wenn ein immer schon daseiendes nichtökonomisches Geld durch ein Zinsangebot
ökonomischen Gehalt bekommt. (Ebd., S. 27).Wir behaupten
somit, daß wir Wirtschaftstheorie treiben, wohingegen die sich als Theorie
verstehenden Positionen lediglich historische Fehlannahmen in ökonomische
Begriffe kleiden. Um dieses kenntlich zu machen, werden wir nicht nur die Inkonsistenz
solcher »Theorie« zu erörtern haben, sondern diese auch auf ihre
geschichtsfiktiven Gründe zurückführen müssen. Deshalb werden
wir nicht zögern, Autoren heranzuziehen, die besonders scharfsinnig über
die aus neuen Strukturen erwachsende Wirtschaft geschrieben haben. Oft handelt
es sich dabei um Gelehrte, die - wie etwa Hesiod (ca. 8. Jahrhundert v.u.Z.) -
bereits vor unserer Zeitrechnung bekannt geworden sind. Daß einer schon
vor zweitausend Jahren zwei plus zwei zu vier addieren konnte, ändert nämlich
nichts daran, daß diese Aussage eine mathematische und keine historische
ist. Für die Theorie aufschlußreiche Beobachtungen sind also nicht
deshalb abzuweisen, weil sie schon so früh gemacht wurden. Etliche der von
uns zitierten Autoren sind bezeichnenderweise niemals als Ökonomen angesehen
worden. Deshalb trägt dieses Buch ganz nebenher auch dazu bei, gerade solchen
Denkern theoriegeschichtliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ihre Befunde
sind deshalb so relevant, weil sie von Zeitzeugen stammen, die noch von der früheren
Gesellschaftsstruktur - Stamm oder Feudalismus - geprägt waren, dann aber
die Auswirkungen des Eigentums zu studieren hatten und deshalb für die hier
vorgelegte Theorie der Eigentumsökonomie ihre Bedeutung niemals verlieren
können. (Ebd., S. 27-28).Der entscheidende Fehler für
das Scheitern aller bisherigen theoretischen Anstrengungen besteht in der Annahme,
daß eine Wirtschaftstheorie über den Homo sapiens sapiens (seit
der Entdeckung, daß der Neandertaler seine Toten geschmückt hat, heißt
er Homo sapiens neanderthalensis, weshalb »wir« ein zweites
sapiens bekommen haben [und seit die Genetik die
relativ großen Unterschiede zwischen beiden Sapienten entdeckt
hat, sollen »wir« wieder ohne das zweite sapiens auskommen;
Anm. HB]), über einen ewigen Homo oeconomicus zu schreiben
sei, weil der Mensch von Beginn an denselben Prinzipien folge. Ein solcher Ansatz
versucht sich mithin an einer Wirtschaftstheorie über den Menschen,
wohingegen wir eine Wirtschaftstheorie des Eigentums anstreben. Weil der
Mensch als solcher und nicht der in Eigentumsstrukturen agierende Mensch für
die Basis des Wirtschaftens gehalten wird, kann nicht überraschen, daß
selbst in den nachdenklichsten ökonomischen Werken immer wieder auf biologische
und psychologische Grundannahmen - neben dem bereits erwähnten »Hang«
zum Tausch alle Varianten der menschlichen Gier rekurriert wird, aus denen dann
vorgeblich universelle ökonomische Kategorien abgeleitet werden. Selbstredend
bestreiten wir diese Eigenschaften des Menschen nicht. Sie müssen in vielen
Zusammenhängen unser Interesse erregen. Für eine Theorie des Wirtschaftens
jedoch geben sie nichts her. (Ebd., S. 28).Unter den herausragenden
Gelehrten der Neoklassik hat lediglich der Nobelpreisträger für Ökonomie
von 1974, Friedrich A. Hayek (1899-1992), ein ausgeprägtes Gespür dafür
entwickelt, daß ein natürlicher Tauschhang keine Eigenschaft darstellt,
die dem Menschen a priori zukommt. Ein als Ökonomisierung zu kennzeichnendes
Verhalten des Menschen darf nach Hayek nicht von vornherein unterstellt werden,
sondern ist überhaupt das, was erst durch Theorie erhellt werden kann: »Die
Notwendigkeit für eine Erklärung ökonomisierenden Verhaltens kann
in der neoklassischen Wirtschaftstheorie gar nicht erst entstehen, weil es vorausgesetzt
ist. In Hayeks Denken braucht das ökonomisierende Verhalten als solches eine
Erklärung, weil Hayek nicht von vornherein annimmt, daß der Mensch
ein Homo oeconomicus ist.« (Friedrich von Hayek, a.a.O.). (Ebd.,
S. 28-29).Viel mehr als die Forderung nach einer Theorie für
das Ökonomisieren hat Hayek der Neoklassik allerdings nicht hinterlassen.
Er verbleibt in vagen Aussagen über eine kulturelle Evolution von einem primitiven,
altruistisch-sozialen Menschen hin zu einem modernen, egoistisch-ökonomischen
Menschen. Auf bisher ungeklärte Weise - in einer wissenschaftlich noch unausgeloteten
Leerstelle der Evolution sei der Primitive aus dem »Mikrokosmos ... unserer
Familien«, in denen er bis heute fortexistiert, als Homo oeconomicus
in den »Makrokosmos unserer Zivilisation« gelangt. (Vgl. Friedrich
von Hayek, a.a.O.). In dieser Sicht äußert sich der Glaube an eine
soziologische Gesetzmäßigkeit, die selbst eine Umformung der menschlichen
Natur zustandebringe. Statt Wirtschaftstheorie zu treiben, wird in eine übergeordnete
Theorie gesellschaftlichen Wandels ausgewichen. Einmal mehr wird Wirtschaftstheorie
preisgegeben für etwas anderes. (Ebd., S. 29).Wir hingegen
schreiben ausdrücklich keine historische, biologische, psychologische, soziologische
oder gar eine diese vier Sichtweisen mischende Theorie des Menschen in seiner
wirtschaftlichen Rolle. Wir analysieren die materielle Reproduktion in den drei
bekannten Gesellschaftsstrukturen, wobei es gänzlich gleichgültig ist,
daß die in ihnen agierenden Menschen physisch und psychisch tatsächlich
immer dieselben alten Adams und Evas geblieben sind. Es können sogar ein
und dieselben Personen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen hin-
und herspringen und sich dabei gegenüber so divergierenden Anforderungen
wie einer bloßen Beherrschung oder auch einer Bewirtschaftung von Ressourcen
bewähren. Solche Menschen wissen deshalb manchmal besser als Ökonomen,
daß es eine zutreffende Theorie nur für die jeweilige Struktur geben
kann, nicht jedoch eine universelle ökonomische Theorie vom Neandertaler
bis heute. (Ebd., S. 29-30).Damit ist allerdings nicht gesagt,
daß universelle Interessen an materieller Reproduktion in der Eigentumswirtschaft
ohne Bedeutung wären. Aus solchen Interessen lassen sich aber keine spezifischen
Eigentumsoperationen ableiten. In ihrer jeweiligen Gesellschaftsstruktur versuchen
die Individuen sehr wohl, ihre Existenz zu sichern. Sie tun das jedoch gemäß
den Mechanismen, die diese Strukturen zulassen bzw. erzwingen. (Ebd., S.
30).Nun war es die sogenannte (deutsche) Historische Schule der
Wirtschaftswissenschaften (mit den wichtigsten Werken zwischen 1843 und 1900),
die sich vorgenommen hatte, eine prinzipiell unendliche Variationsbreite von außerökonomischen
Bedingungen zu erforschen, unter denen Menschen wirtschaften. Entsprechend wollte
sie die abstrakte Strenge der Wirtschaftstheorie in einer realitätsgesättigten
Wirtschaftsgeschichte aufgehen lassen. Eine ausgesprochene Theoriefeindlichkeit
gehörte zu dieser Denkrichtung. Während also der herrschenden Wirtschaftstheorie
vorzuhalten ist, daß die grundlegende Tauschprämisse ihres Theoriegebäudes
lediglich eine historische Fiktion darstellt, ist der Historischen Schule anzulasten,
daß sie durch nichtfiktives Beschreiben der Wirklichkeit die reine Theorie
ins Abseits drängen will. Mit der herrschenden Lehre verbindet uns das Beharren
auf Theorie, während wir ihre Fiktionen verwerfen. Die Historische Schule
wiederum hat darin recht, daß es keine universelle Theorie des wirtschaftenden
Menschen gibt. Sie irrt jedoch fundamental, wenn sie beliebig viele Wirtschaftsweisen
in einer Art universellen - nicht nur ökonomische Faktoren einbegreifenden
- historischen Entwicklungstheorie unterbringen will. Für
uns hingegen gibt es Wirtschaften nur in der Eigentumsgesellschaft, deren
ökonomische Operationen überhaupt nur durch Theorie verständlich
gemacht werden können. Die vielfältigen Stoffe der Historischen Schule
fallen unter das Beherrschen von Ressourcen, nicht jedoch unter ihre Ökonomisierung,
die am Eigentum hängt. Die herrschende Wirtschaftstheorie und die Historische
Schule bilden insofern lediglich zwei Seiten einer Medaille. Im Grunde verzichten
beide auf Theorie. Die Historische Schule hat dabei den Vorteil, das selbstbewußt
hervorzuheben, während die Neoklassik ungebrochen noch eine akademische Übung
für Theorie hält, bei der es in der Tat unwesentlich ist, ob ihr Gegenstand
in der Welt ist. (Ebd., S. 30-31).Das einzig von uns anerkannte
universelle Interesse, die Sicherung der materiellen Reproduktion, ist für
jede der drei bekannten Gesellschaftsstrukturen (**|**|**)
gesondert zu analysieren. Dabei wird durchaus etwas in den Blick kommen, was als
Rationalität identifiziert werden kann. Diese Orientierung ist jedoch nicht
gleichzusetzen mit dem, was neoklassisch als Optimierung (Maximierung des Nutzens
bei einer gegebenen Erstausstattung) bestimmt wird. Bereits der neoklassische
Nobelpreisträger von 1972, Kenneth Arrow (*1921), hat gesehen, daß
nicht einmal im Rahmen der neoklassischen Theorie ausschließlich diese besondere
individuelle Rationalität in Rechnung gestellt werden dürfe: »Rationalität
ist im Prinzip für eine Wirtschaftstheorie nicht wesentlich.« (Ebd.,
a.a.O.). (Ebd., S. 31).Die ökonomische
Wissenschaft ist bisher zu einer befriedigenden Theorie nicht vorgedrungen, sondern
hat sich in historischen Tauschfiktionen verloren, weil sie keine Erklärungen
der Auswirkungen unterschiedlicher Strukturen für die materielle Reproduktion
gesucht hat, sondern ein bereits vortheoretisch geglaubtes Tauschprinzip in ganz
unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen lediglich wiederfinden wollte. In diesem
Widerwillen gegen die theoretische Auslotung unterschiedlicher Gesellschaftsstrukturen
- Stamm, Feudalismus, Freie (**|**|**)
- hatte und hat ein Gedankengebäude Macht über das ökonomische
Denken, das am Ort seiner naturwissenschaftlichen Entstehung inzwischen zunehmend
aufgegeben wird, aber auch dort dafür verantwortlich gewesen ist, daß
eine seriöse Forschung fast eineinhalb Jahrhunderte schwer behindert wurde.
Dieses Gedankengebäude ist die teleologisch-evolutionistische Überzeugung,
daß die Natur- und Menschheitsgeschichte in kleinsten Schritten und über
extrem lange Zeiträume von Anfang an nur durch solche Kräfte sich weiter
ausdifferenziere, die wir auch heute kennen, weshalb die Lehre als Aktualismus
oder Uniformitarismus bekannt ist. (Ebd., S. 31-32).Vor
mehr als hundertundsechzig Jahren hatte der Aktualismus die Erde diesem Gesetz
kleinster Kräfte wie Regen, Wind, Sonne u.s.w. unterworfen und damit den
bis dahin in den Naturwissenschaften existierenden Katastrophismus verdrängen
können. .... Mit Charles Darwin (1809-1882) und seinem Buch Die Entstehung
der Arten (1859) wurde der aktualistische Glaube an minimale Veränderungen
durch ewig gleiche Wirkkräfte in den Naturwissenschaften weltweit dogmatisiert.
Außenseiter, die auf die Evidenz verwiesen, fanden nicht mehr Gehör.
(Ebd., S. 32).Fachintern hat der vorurteilsfreie
Blick auf die Natur sich erst im Jahre 1972 wieder vorsichtig bemerkbar gemacht,
als die darwinistisch erzogenen us-amerikanischen Biologen und Geowissenschaftler
Niles Eldredge (*1942) und Stephen Jay Gould (1942-2002) einräumten, daß
tatsächlich punktschnelle Entwicklungen Veränderungen in der Natur veranlassen,
deren Ursachen mit Regen, Wind und Sonne allein nicht zu fassen sind. Seitdem
gibt es in der herrschenden Lehre einen ununterbrochenen Strom neuer katastrophistischer
Publikationen. Ende der 1980er Jahre schließlich hat dieser Umbruch unter
der Formel »Darwin hatte Unrecht« die Standardlehrbücher für
US-Colleges erobert. Bereits Mitte der 1980er Jahre räumte der us-amerikanische
Astrophysiker David Raup (*1930) auch für die Himmelswissenschaftler ein,
daß die »Uniformitätslehre zugunsten der Katastrophentheorie
... abdanken« müsse. (Ebd., S. 32-33). **Insbesondere
die plötzliche Entstehung und der nicht weniger abrupte Untergang der Dinosaurier
hat den kosmischen Kataklysmos in die wissenschaftliche Debatte zurückgebracht.
Durch den Sturz des Shoemaker-Levy-9-Kometen in den Jupiter im Sommer 1994 hat
der Neokatastrophismus aus Biologie, Geologie und Astrophysik auch die Laienöffentlichkeit
erobert. Seitdem stehen Fachwissenschaftler und Medien in einem regelrechten Wettlauf
um die Neuetablierung des Katastrophismus, dessen Verdrängung durch den Darwinismus
- wie zunehmend eingeräumt wird - die Naturforschung bald eineinhalb Jahrhundene
gekostet hat. Innerhalb des Faches verläuft die Frontlinie jetzt zwischen
sogenannten recentists, die auch die darwinisierend langen Zeiträume
der Natur- und Menschheitsgeschichte in Frage stellen, und den übrigen Neokatastrophisten,
die noch ganz ungebrochen die Geschichte des (höheren!
Anm. HB) Lebens vor 600 Millionen Jahren beginnen lassen. (Ebd.,
S. 33-34). **Vor
allem Soziologie und Ökonomie jedoch haben diese Entwicklung kaum nachvollzogen
und sind weiterhin stolz auf einen Glauben, den sie für naturwissenschaftlich
und damit allein für eigentlich wissenschaftlich halten, obwohl er doch nur
eine der Religionen des bürgerlichen Zeitalters darstellt. Dabei ist der
Einfluß eines Glaubens an stetige Höherentwicklung auf die Neoklassik
besonders offensichtlich. Zwar hat auch die Klassik - insbesondere Adam Smiths
von Aristoteles' »Politik« beeinflußte Schrift »Wohlstand
der Nationen« - evolutionsorientiert argumentiert, also schon im »Barbaren«
die Rohform allen Wirtschaftens ausgemacht, von einem gesetzmäßigen
Evolutionismus war jedoch noch keine Rede. Die Wucht und der Zauber dieses Gedankens,
der alles weitere Denken in feste Bahnen zwang, sind erst durch die Darwinisten
kanonisiert worden. Die weniger gelesene als vielmehr kolportierte Arbeit Origin
of Species war gerade 12 bzw. 15 Jahre auf dem Markt, als das neoklassische
Gründungsdreigestirn die Pionierarbeiten des neoklassischen Tauschdogmas
vorlegte: Carl Menger (1840-1921): Grundsätze der Volkswirtschaftslehre
(1871),William Stanley Jevons (1835-1882): The Theory of Political Economy
(1871) und Leon Walras (1834-1910): Éléments d'économie
politique pure ou théorie de fa richesse sociale (1874-1877).
(Ebd., S. 34-35).Karl Marx hatte bekanntlich die Freundschaft Darwins
gesucht. Der dafür an Darwin geschickte Brief ist verlorengegangen. Am Ende
hat er ihn lediglich zitiert und ihm ein handsigniertes Exemplar zugesandt, das
die Widmung trug: »Herrn Charles Darwin von seinem aufrichtigen Bewunderer.«
Sein Glaube an eine gesetzmäßige Entwicklung zu höherstehenden
Gesellschaftsformen aus dem Klassenkämpfe erzeugenden Widerspruch dynamischer
Produktivkräfte und fesselnder Produktionsverhältnisse steht in Analogie
zu einem naturwissenschaftlichen Denken, das aus Überpopulation, Mutation
und Anpassung höhere Arten entstehen lassen will. Noch am Grabe Marxens (17.
März 1883) hat Friedrich Engels (1820-1895) die gemeinsame Leidenschaft für
den Evolutionismus beschworen: »Charles Darwin entdeckte das Gesetz der
Entwicklung der organischen Natur. .... Marx ist der Entdecker jenes grundlegenden
Gesetzes, das den Gang und die Entwicklung der menschlichen Geschichte bestimmt.«
(Ebd., a.a.O.). (Ebd., S. 35).Auf der
Grenze zwischen Natur- und Sozialwissenschaften stehend fällt es der Archäologie
offenbar leichter, Naturkatastrophen als Ursachen auch für soziale Umbrüche
zu erkennen. Daß der Geschichte erstes - altakkadisches - Großreich
einer Megakatastrophe zum Opfer fiel, also in historischer Zeit, als die Menschen
schon Texte verfaßten, Kataklysmen zur Zerstörung einer Feudalordnung
führten, ist jetzt auch in der archäologischen Lehrmeinung nicht mehr
strittig. (Ebd., S. 36).Das dramatische
und schnelle Erscheinen neuer sozialer Strukturen, die dann ebenso schnell eine
ihnen gemäße materielle Reproduktion erzeugen, wird selbstredend leichter
ins Auge gefaßt, wenn nicht nur Ausdifferenzierungen eines Tausches, sondern
ganz andere Kräfte als historische Agenten berücksichtigt werden dürfen.
Wenn diese Arbeit sich vom evolutionistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsdenken
freimacht, dann profitiert sie auch davon, daß sie an das naturhistorische
Fundament solchen Denkens - zusammen mit den Naturwissenschaftlern - nicht mehr
glaubt. Die elementaren Strukturbrüche zwischen Stammes- und Befehlsgesellschaft
einerseits sowie Eigentumswirtschaft andererseits verlieren das Ungewöhnliche
oder gar Exotische fürs Denken, wenn die ihm zugrundeliegenden Erschütterungen
außerhalb des Sozialen mitgedacht werden. (Ebd., S. 36).Ungeachtet
der hier verfolgten Sichtweise versteht es sich von selbst, daß wir keine
bisher unbekannten Anforderungen an Theorie aufstellen. Sie verlangt immer und
überall innere Schlüssigkeit und Gegenstandsbezug der Axiome. Die Wirklichkeit
soll nicht verfehlt, verdrängt, verfälscht oder falsch erklärt
werden. Zureichende Erklärungen und ihre innere Stringenz sind mithin für
eine Theorie, die sich auf Wirtschaft bezieht, ebenso einzufordern wie für
Erklärungsversuche, die sich irgendeinem anderen Gegenstand widmen.
(Ebd., S. 36).So sehr die hier versuchte Grundlegung der Wirtschaftstheorie
für ein umfassendes Forschungsprogramm steht, so deutlich soll sie den noch
nicht mehr sein als eben dieses - Grundlegung also. Zins, Geld und Kredit,
Wert, Preis und Markt, Profit, Kapital, Akkumulation und Krise sind herzuleiten.
Detailuntersuchungen jedoch, etwa zu Zinsbewegungen, Geldwertstabilität,
Wettbewerbsgrad oder Wachstumsraten, gehören nicht in diese Arbeit. Sie will
vielmehr die notwendigen begrifflichen Klärungen bereitstellen, von denen
Spezialstudien dann ausgehen können. (Ebd., S. 36-37).Für
diese begriffliche Grundlegung der Wirtschaftstheorie haben wir das Buch in acht
Kapitel gegliedert. Im Kapitel vom Tauschparadigma (A)
werden die wichtigsten Inkonsistenzen der herrschenden neoklassischen Theorie
vorgestellt, die wir als Geld-, Zins- und Eigentumsprobleme dieser Lehre identifizieren.
Das Kapitel vom Eigentum (B)
konzentriert sich auf das Scheitern aller bisherigen Wirtschaftstheorie, eine
genaue Unterscheidung zwischen dem ubiquitärem Besitz und dem - das Wirtschaften
erst konstituierenden - Eigentum vorzunehmen. Sie kann deshalb zur Eigentumsprämie
nicht gelangen. Das Kapitel vom Zins (C)
stellt dem nicht endenden »Chaos der Zinstheorien« eine Eigentumstheorie
des Zinses entgegen, in der die Eigentumsprämie die Schlüsselgröße
zum Verständnis von Zins, Geld und auch seiner Liquiditätsprämie
bildet. Das Kapitel vom Geld (D)
verwirft die tauschbegründeten und außerökonomischen Erklärungen
des Geldes. Es wird als Anrecht auf Eigentum dechiffriert, ohne dessen Belastung
Geld nicht in die Welt kommt und ohne dessen Verpfändung Geld nicht geliehen
werden kann. Das Kapitel vom Markt (E)
zeigt, daß Wirtschaften nicht etwa durch einen allemal schon vorausgesetzten
Tauschplatz konstituiert wird, sondern im Markt als Instanz zur Gewinnung von
Schuldendeckungsmitteln sich vollenden muß, damit die Kontrakte zwischen
Eigentümern über geliehenes Geld erfüllt werden können. Das
Kapitel von der Akkumulation (F)
zeigt, daß nicht etwa Güteranhäufung oder Güterallokation,
sondern das gütermäßig gerade aus dem Nichts (**)
als Rechtstitel gesetzte Eigentum durch seine physisch vollkommen neutrale Belastbarkeit
- die Eigentumsprämie - die permanente Schaffung von materiellem Reichtum
ermöglicht. Das Kapitel von der Krise (G)
überwindet ihre tauschtheoretische Unmöglichkeit in Klassik und Neoklassik
dadurch, daß Gläubiger und Schuldner, die beide Eigentümer sind,
für die Sicherung ihres Eigentums seine Vermehrung durch Belastung und Verpfändung
unterbrechen. Im abschließenden Kapitel von der Wirtschaftsverfassung (H)
werden die gängigen Interpretationen - Herrschaftsverfassung, Marktverfassung
und Geldverfassung - durch die Eigentumsverfassung abgelöst. (Ebd.,
S. 37-38).
A) Das Kapitel vom Tauschparadigma: Geld, Zins und Eigentumsprobleme
der neoklassischen Wirtschaftslehre
1) Geldwirtschaft als Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch
Seit
1969 werden Nobelpreise für Ökonomie verliehen. Fast alle Preisträger
sind Anhänger einer wirtschaftlichen Analyse, die akademisch seit etwa 1870
als Neoklassik bekannt ist. (Ebd., S. 39).
2) Das neoklassische zeitfreie Gütertauschmodell: Geld als bloße
Recheneinheit
Am Anfang der neoklassischen Vorstellung von Wirtschaftsgeschichte
und damit immer auch von Wirtschaftstheorie stehen mit einem Individualkalkül
operierende Menschen - sogenannte Haushalte - mit einer positiven, aber begrenzten,
also knappen Menge an Ressourcen oder Gütern, der sogenannten Erstausstattung,
die für Konsum (Verbrauch) zur Verfügung steht. Dieses kalkulierende
Individuum wird von vornherein als universale, ewige Kategorie des Wirtschaftens
gesetzt, so daß die keineswegs universale, sondern - wie zu zeigen - an
das durch Rechtsakt gesetzte Eigentum gebundene Dispositionsfreiheit selbst nicht
mehr theoretisch ausgelotet werden kann. In der Theorie der Eigentumswirtschaft
muß jedoch gerade dieses Recht auf Kreditieren, Verkaufen und Verpfänden
sowie das Komplementärrecht auf Vollstreckung in Eigentum ins Zentrum rücken.
Nur aus diesen exklusiven Rechten des Eigentümers kann erwachsen, was dann
Knappheit genannt wird. Wirtschaftstheorie ist - wie zu zeigen - nichts anderes
als die Erklärung dieser Operationen. (Ebd., S. 44).Auch
an der Kategorie der Ressource ist zwischen universellen und nicht universellen
Bestimmungen zu unterscheiden. Als Element der materiellen Reproduktion gibt es
sie nicht nur in Stamm und Feudalismus, sondern auch in der Eigentumsgesellschaft.
Einen Eigentumstitel an Ressourcen jedoch gibt es nur in der Eigentumsgesellschaft.
Dieser ist unterschieden von einem Besitztitel, der für ein bloßes
Nutzungsrecht steht, das in der Tat universell angetroffen wird. Besitz als die
Beherrschung von Ressourcen läuft also durch alle Gesellschaftsstrukturen.
Eigentum an Ressourcen hingegen, das erst zu ihrer Bewirtschaftung durch Belasten
und Verpfänden im Kredit sowie zu Kaufkontrakten führt, gibt es nur
in der Eigentumsgesellschaft. Das ist der Neoklassik jedoch nicht bewußt,
weshalb ihr bereits am Ausgangspunkt das Entscheidende der von ihr analysierten
Wirtschaft, das genuin ökonomische Operationen erst erzwingende Eigentum
mithin, unthematisiert bleibt. Wenn der Terminus Eigentum dann später - wie
in ihrer unten zu betrachtenden Institutionenökonomik
- nachgeschoben und auch für wichtig gehalten wird, unterbleibt dennoch die
notwendige Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum, weshalb - wie noch zu
zeigen - die erstrebte Begründung von Zins und Geld mißlingt.
(Ebd., S. 44-45).Mit der sogenannten Erstausstattung - so lautet
die Grundüberzeugung - werden die kalkulierenden Wirtschaftssubjekte, solange
man sie nicht hindert, Handlungen vornehmen, die sie als vorteilhaft ansehen und
die zu einer optimalen Allokation oder Verteilung der Güter führen,
bis ein allgemeines Gleichgewicht der Wirtschaft zustande kommt. Die Güterverteilung
in diesem Gleichgewicht wird nach dem Neoklassiker Vilfredo Pareto (1848-1923)
paretooptimal genannt. Dabei ist nicht unbedingt an ein soziales Optimum gedacht,
sondern an eine effiziente Gestaltung des Wirtschaftsprozesses in dem Sinne, daß
kein Wirtschaftssubjekt durch seine Aktivitäten sich verbessern kann, ohne
daß ein anderes sich verschlechtert. (Ebd., S. 45).Sowie
die Haushalte ihre prinzipiell unersättlichen Bedürfnisse aus ihrer
knappen Erstausstattung oder sogenannten Budgetbegrenzung an Ressourcen
(Gütern) nicht optimal befriedigen können, schauen sie bei anderen Haushalten
nach. Von deren Erstausstattungen versuchen sie Güter einzutauschen, mit
denen sie insgesamt einen größeren Nutzen erzielen als mit ihrer eigenen
Erstausstattung. Als rational handelnde Individuen wickeln sie diesen Markthandel
nach einem Konsum- oder Güterverbrauchsplan dergestalt ab, daß
sie ihren Nutzen aus eigenen und durch Tausch erwerbbaren Gütermengen maximieren.
(Ebd., S. 45).Im neoklassischen Modell wird angenommen, daß
die Haushalte einer sogenannten Präferenzordnung folgen, die eine
Rangordnung der subjektiven Bedürfnisbefriedigung aus dem Nutzen der einzelnen
Güter ausdrückt und durch sogenannte Nutzenindexfunktionen oder
Güterpräferenzfunktionen beschrieben wird. Da eine subjektive
Nutzenwertschätzung nicht meßbar ist, gibt die Nutzenindexfunktion
lediglich ihre relative Höhe an. Bei einem gegebenen Nutzenniveau bieten
Haushalte aus ihrer Erstausstattung also Verbrauchsgüter an, die sie weniger
stark bevorzugen und fragen aus den Erstausstattungen anderer nach, was in deren
Präferenzordnung nachrangig ist und deshalb angeboten wird. Nehmen wir dafür
zwei Haushalte A und B in einer durchschnittlichen Stammesgesellschaft mit den
alleinigen - und überdies typischen - beiden Grundnahrungsmitteln Jamswurzeln
und Schweinen. A besitzt eine Erstausstattung von 90 Schweinen bestimmter Gewichts-
und Qualitätsklasse, B eine solche von 1200 Jamswurzeln bestimmter Gewichts-
und Qualitätsklasse. Wenn beide für sich selbst eine sogenannte Eigennachfrage
nach jeweils zwei Dritteln der ihnen zur Verfügung stehenden Güter haben,
dann kann A 30 Schweine B anbieten und 400 Jamswurzeln von B nachfragen sowie
B 400 Jamswurzeln A anbieten und 30 Schweine von Anachfragen. (Ebd., S.
45-46).Die Neoklassik unterstellt bei diesem Angebot ganz selbstverständlich,
daß ein Überschuß aus der Erstausstattung über den
für die Reproduktion absolut notwendigen Eigenbedarf hinaus existiert, der
somit für den Tausch allemal schon zur Verfügung steht. Dieses allemal
wird durchaus historisch gesehen, für dessen genauen Zeitpunkt man sich jedoch
nicht interessieren muß. Daraus erklärt sich etwa Hahns Zurückweisung
der Kritik der neoricardianischen Schule - eine Renaissance der ökonomischen
Klassik - an der neoklassischen Annahme einer gegebenen Erstausstattung:
»Keine vernünftige Theorie würde ... mit dem Neandertaler beginnen.«
(F. H. Hahn, a.a.O.). Dieser Streit resultiert daraus, daß die Klassik als
Theorie der Reproduktion in Klassengesellschaften einem besonderen Typus von Produzenten
ihre Aufmerksamkeit schenkt, der als kapitalistischer Unternehmer über seine
Reproduktion hinaus profitorientiert ist. Dieser geht also nicht zum Markt,
um den Nutzen seiner Erstausstattung zu maximieren, sondern um dort Geld zu erlangen,
das heißt er ist tauschwert- und nicht gebrauchswertorientiert. (Ebd.,
S. 46).Einen besonderen Typus von Produktion und eben nicht jede
beliebige Erstausstattung macht die Klassik zur Bedingung von Märkten. Die
Neoklassik hingegen braucht kein gesondertes Profitmotiv, damit es zur Produktion
von Gütern und ihrem Markttausch kommt. Ihr reicht dafür die vorteilhafteste
Weise der Realisierung von Bedürfnissen, und es ist für ihre Tauschtheorie
in der Tat völlig gleichgültig, ob sie bei Haushalten beginnt, die Erstausstattungen
tauschen oder bei Haushalten und Unternehmungen, wobei letztere stellvertretend
für erstere produzieren. Völkerkundlich ist die Neoklassik im Recht,
wenn sie darauf verweist, daß Überschüsse tatsächlich sehr
früh und eben auch schon in Stammesgesellschaften vorhanden sind. Recht hat
aber auch die klassische Theorie, wenn sie darauf besteht, daß Überschüsse
aus Stammes- und Feudalgesellschaften keineswegs aus sich heraus in einen sogenannten
rationalen Markttausch münden. (Ebd., S. 46-47).Aber
die klassische Setzung eines Profitmotivs von kapitalistischen Produzenten als
der primären Ursache für den Markt ist - worauf wir ausführlich
im Eigentumskapitel
zurückkommen - ebenfalls nicht haltbar. Weder Klassik
noch Neoklassik noch die verschiedenen keynesianischen Schulen erkennen nämlich,
daß - wie bereits in unserer Vorrede
angesprochen - die Menschheitsgeschichte drei Gesellschaftsformationen (**|**)
aufweist, die ganz eigenständige Prinzipien der materiellen Reproduktion
hervortreiben und deshalb bei ihrer Untersuchung niemals als ein und dieselbe
Grundstruktur oder auch nur als evolutionistisches Kontinuum angesehen werden
dürfen. Die (1) Stammesgesellschaft mit
ihrer blutsverwandtschaftlichen Solidarpflicht bei der materiellen Reproduktion
folgt anderen Regeln als die (2) Befehls- oder
Feudalgesellschaft mit herrschaftlicher Aneignung und Redistribution von Gütern.
Beide wiederum unterscheiden sich grundlegend von den erstmals genuin ökonomischen
Gesetzen der (3) Eigentumsgesellschaft der Freien.
(**|**).
In dieser kommt es durch die Belastung von Eigentum in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten
zur Aufgabe der Eigentumsprämie bzw. zur Blockierung des Eigentums des Gläubigers,
wodurch Geld als Anrecht auf Eigentum geschaffen wird, für das der Schuldner
Zins zu zahlen hat und Eigentum verpfänden muß, das heißt ebenfalls
auf Eigentumsprämie zu verzichten hat. Diese immateriellen Operationen erfolgen
jenseits und vor der materiellen Reproduktion, die von ihnen überhaupt erst
ökonomisiert wird. (Ebd., S. 47).
3) Die neoklassische Gütertauschmodell mit Zeit: Die Bestimmung des
Zinses
Eine Wirtschaftstheorie, die nicht zeigen kann, wodurch
dieser »Reinertrag« - der Zins also - ökonomisch erzwungen wird,
hat vor der wichtigsten Aufgabe einer Theorie der Eigentumswirtschaft kapituliert.
Um so gebieterischer ist nach einer zureichenden Zinstheorie zu fahnden und auch
jede andere Denkrichtung daran zu messen, ob sie dem von der Neoklassik so schmerzlich
empfundenen Scheitern entkommt. Dabei wird - wie ... zu zeigen - darauf einzugehen
sein, daß im Kreditvertrag nicht nur der Zins eine zentrale Rolle spielt,
sondern auch die Belastung und Verpfändung von Eigentum. Diese Blockierung
bedeutet, daß Anrechte auf Eigentum des Gläubigers - aber gerade
nicht physische Nutzungsrechte an Gütern - in einem Kreditvertrag an
einen Schuldner abgetreten werden, wofür dieser mit Eigentum haftet. Im Vorgang
des Kreditierens nehmen beide Eigentümer sich partiell auf die Position von
Besitzern zurück. Sie behalten mithin die aus dem Besitzrecht folgenden Ertragspotenzen
(Güter- und Forderungsnutzung), geben aber die aus ihren Eigentumsprämien
rührende Sicherheit auf. Damit machen sie das genaue Gegenteil dessen, was
die Neoklassik in der Güterleihe ablaufen läßt. Im Kredit wird
der Güterbestand bzw. der Besitz gerade nicht bewegt, sondem bleibt bei den
Kontraktpartnern. Wo - wie etwa in der Stammesgesellschaft oder unter Nachbarn
- Güterleihe existiert, erfolgt sie - wie im Zinskapitel
ausführlich zu zeigen - gerade ohne Zins. Die wirkliche Güterleihe läßt
die neoklassische Kredit- und Zinstheorie mithin gänzlich ins Leere laufen.
(Ebd., S. 63).
4) Die neoklassische Suche nach dem Grund des Geldgebrauchs: Die property
rights und die Transaktionen
4a) Die Analyse der Institutionen einer Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch
Für
die sogenannte Institutionenökonomik reicht es nicht aus, die individuellen
Verhaltensweisen der einzelnen Haushalte und Unternehmungen, ihre stabilen Präferenzen
und die Art ihres zweckrationalen Verhaltens zu kennen. Sie unterstellt zusätzlich,
daß die Tauscher ihre Marktoperationen in einer bestimmten Ordnung
vollziehen, die ihren Interessen entspricht. In dieser läuft nicht einfach
ein Tausch von Gütern ab, sondern es existieren sogenannte property rights,
das heißt Verfügungsrechte über Güter. Haushalte und
Unternehmen schließen also Verträge über den Austausch von Verfügungsrechten
über Güter ab. Die Ordnung, verstanden als unverzichtbare Rechtsordnung,
soll die Verfügungsrechte nach dem - wie es ausdrücklich heißt
- »Grundsatz des Privateigenturns« (Rudolf Richter, Geldtheorie,
1987, S. 69) regeln. (Ebd., S. 65).Nun wird dieser Grundsatz
aber gerade nicht im Sinne eines Eigentumsrechtes, sondern im Sinne eines
Besitzrechtes verstanden, das es selbstverständlich auch in der Eigentumswirtschaft
gibt, dort jedoch dem Eigentumsrecht untergeordnet ist. Für den Besitz nämlich
gilt, was in der Neoklassik fälschlich für Eigentum postuliert wird:
»die Nutzung und Übertragung der Verfügungsrechte« (Rudolf
Richter, Geldtheorie, 1987, S. 70). Wir werden noch sehen, daß es
die Eigentumsprämie ist, aus der die wesentlichen Mechanismen des Wirtschaftens
mit ihren zentralen Größen Zins und Geld erwachsen. Sie stehen für
die zeitweilige - immer der Gefahr von Endgültigkeit unterliegenden - Belastung
bzw. Blockierung von Eigentum. (Ebd., S. 65).Durchgehend
wird deutlich werden, daß die neoklassische Verwendung von Begriffen wie
Eigentum oder property rights keineswegs bedeutet, daß ihre
Vertreter wissen, was sie damit bezeichnen - nämlich den bloßen Besitz
mit seiner stofflichen Beschränkung: »Ein Eigentumsrecht an einem Gut
ist das Recht, über seine - und nur seine - möglichen physischen Nutzungen
oder Beschaffenheiten verfügen zu können.« (Armen Albert Alchian,
a.a.O.). (Ebd., S. 65-66).Das folgenreiche Erbe der Verwechslung
von Besitz mit Eigentum schleppt die Neoklassik seit Walras mit sich herum. Das
Problem des Eigentums beschäftigt ihn ausschließlich unter dem moralischen
Gesichtspunkt einer gerechten Aneignung bzw. als Beziehung zwischen Ethik und
Wirtschaftswissenschaften: »Die Bedingungen, die durch die Theorie des Eigentums
bestimmt werden, sind moralische Bedingungen, die aus der Prämisse der Gerechtigkeit
ableitbar sind. Dagegen sind jene, die durch die Theorie von Gewerbe und Industrie
bestimmt werden, ökonomische Bedingungen, die von der Prämisse der materiellen
Wohlfahn ableitbar sind« (Léon Walras, a.a.O.). (Ebd., S. 66).Auch
ein so tiefschürfender Neoklassiker wie Irving Fisher hat aus dem Besitzkorsett
der Eigentumsdefinition nicht herausfinden können: »Was bedeutet es,
Eigentümer von Reichtum zu sein? Wir antwonen: das Recht darauf, es zu nutzen.
Ein solches Recht wird Eigentum genannt oder genauer ein Eigentumsrecht.
Das Recht einer Person an der Nutzung eines Gegenstandes des Reichtums kann als
seine Freiheit, beschränkt nur durch Gesetz und Gesellschaft, definiert werden,
sich an den Leistungen dieses Gegenstandes zu erfreuen.« (Irving Fisher,
a.a.O.) (Ebd., S. 66-67).Die aus seiner ökonomischen
Verlierbarkeit erzwungene Verteidigung und Vermehrung von Eigentum, aus der die
entscheidenden ökonomischen - unstofflichen - Operationen wie Belasten und
Verpfänden im Kredit erwachsen, hat in den neoklassischen Inhaltsbestimmungen
von property rights keinen systematischen Ort. In ihr geht es allein um
die uralte besitzrechtliche Bestimmung darüber, welche Ressourcen wer, wo
und wie beherrschen, also nutzen kann. Der Grund für die Existenz
dieser Rechte wird denn auch wie folgt abgeleitet: »Sie verhindern eine
ununterbrochene Schwächung durch destruktive Gewalt beim Versuch, die Kontrolle
über Ressourcen zu gewinnen. Dadurch erlauben sie die Konzentration der
Kräfte auf produktive Tätigkeit.« (Armen Albert Alchian, a.a.O.).
Die Operationen des Belastens und Verpfändens, die aus dem Eigentum resultieren
und - über eine bloße Beherrschung oder Kontrolle hinaus - eine Bewirtschaftung
oder Ökonomisierung von Ressourcen herbeiführen, bleiben wiederum ausgeschlossen.
(Ebd., S. 67).Mit ihrem Scheitern beim Auseinandersortieren
von Besitz und Eigentum ähnelt die Neoklassik der Astronomie des Claudius
Ptolemäus (2. Jahrhundert u.Z.). Der wußte selbstredend, daß
es Sonne und Erde gibt und hat sich keineswegs durch diese Einsicht von Nikolaus
Kopernikus (1473-1543) unterschieden. Er scheiterte, weil er kein richtiges Verständnis
vom Lauf der Erde um die Sonne hatte, obwohl er mit den Wörtern Erde und
Sonne ebenso zu hantieren wußte wie die Neoklassik mit den Wörtern
Besitz und Eigentum. (Ebd., S. 67).Die Eigentumshaftung bleibt
mithin für jede Gütertauschtheorie - auch im Gewande der Institutionenökonomik
- ein unverdaubarer Brocken. Wo ökonomische Venräge geschlossen werden,
haben sie Eigentum auf beiden Seiten zur unverzichtbaren Voraussetzung. Erst dieses
macht sie ökonomisch relevant. Das wird sogleich deutlich, wenn die Freiheit
der Vertragsparteien genauer angeschaut wird. Sie umfaßt erstens das Eigentum
an sich selbst, also die persönliche Freiheit, die es in Stammes- und Befehlsgesellschaft
nicht gibt, sowie zweitens das Eigentum an materiellen und immateriellen Sachen.
Die ökonomisch bedeutungsvollen Konsequenzen dieser beiden Eigentumskomponenten
von Freiheit bestehen in der Gefahr des Verlustes von Eigentum und in seiner
von daher erzwungenen Veneidigung und Vermehrung. Es ist dieser in der Eigentumswrtschaft
alles beherrschende Umgang mit Eigentum, welcher die Wirtschaftssubjekte in den
Schutz von Verträgen zwingt. Bei deren Verletzung wird nämlich der Vertragsbrüchige
mit Eigentumsverlust bestraft. Von einer vorab lieblich gesetzten Freiheit, die
dann unter anderem zu einvernehmlich dezentraler Vertragsschließerei einlädt,
können die Eigentümer deshalb nur träumen. Für sie ist das
heute Gegebene gerade nicht gesetzt, sondern morgen verlierbar, und dazwischen
passien Bewinschaftung von Ressourcen, die wiederum gebunden ist an das freie
Verkaufen, Belasten und Verpfänden von Eigentum. (Ebd., S. 69).Ein
neoklassisches Winschaftssubjekt, das mit Venrägen die Kosten der Nutzungsrechte
optimien, hat mit dem Eigentümer, der den Schutz staatlicher Gewalt gegen
Eigentumsverlust durch Vertragsbruch in Anspruch nehmen will, wenig gemeinsam.
Ersteres ist ein bloßer Besitzer, der sich um ökonomisch ungefährdete
Nutzungen kümmert, während letzterer als Gläubiger sein Eigentum
durch Belastung blockieren muß, wenn er Kredit gibt. (Ebd., S. 69-70).Nun
ließe sich der Neoklassik bei wohlwollender Deutung noch zugestehen, daß
Operationen wie das Kreditieren und das Verkaufen unter ihre Kategorie der Verfügung
über Nutzungen subsumiert werden könnten. Die Neoklassik selbst
würde jedoch darauf beharren, daß in ihrem Modell Kreditieren einerseits
immer Güterleihe bedeutet und andererseits diese sowie das Verkaufen keineswegs
als primäre Operationen gelten können, sondern zur Erleichterung für
die eigentlich entscheidende atemporale und intertemporale Allokation von Gütern
dienen. Noch deutlicher jedoch wird die theoretische Vernachlässigung der
Eigentumsoperationen, wenn nicht auf Kreditieren und Verkaufen, sondern auf das
Verpfänden geschaut wird. Im umfangreichsten Wörterbuch der herrschenden
Lehre, dem vierbändigen The New Palgrave Dictionary of Economics (1987)
mit mehr als 3500 Seiten und 2000 Stichwörtern fehlt ein eigenes Stichwort
für colateral (Sicherheitspfand), das lediglich unter den Stichwörter
credit und credit rationing eher beiläufig erwähnt wird.
Erst im dreibändigen Speziallexikon The New Palgrave Dictionary of Money
and Finance (1992) gibt es auf 2600 Seiten mit mehr als 1000 Stichwörtern
einen gesonderten Eintrag von zwei Seiten über »collateral«,
der die erst ab Mitte der 1980er Jahre nachgeschobenen Gedanken der Neoklassik
zur Sicherheitsverpfändung zusammenfaßt. (Ebd., S. 70).Im
Vordergrund der neoklassischen Pfanderörterung steht die Beobachtung, daß
der sogenannte Kreditmarkt nicht so funktioniert, wie es von einem Gütermarkt
erwartet wird. Ein Überschuß der Nachfrage über das Angebot wird
auf dem Gütermarkt kurzfristig durch eine Erhöhung des Preises beseitigt,
langfristig durch eine Erhöhung des durch die Preissteigerung induzierten
Angebotes, wodurch der Preis wieder sinkt. Würde nun auf dem Kreditmarkt
ein Überschuß der Nachfrage durch eine Erhöhung des Zinses (»Preises«)
beseitigt, dann ergäbe sich ein spezielles Problem daraus, daß der
Zins nur ein versprochener Preis ist. Der Gläubiger - anders als der Güteranbieter
- muß also damit rechnen, daß die Zahlungsfähigkeit des Schuldners
um so geringer wird, je höher sein Zinsversprechen ausfällt. Im Extrem
treibt die zugesagte Zinshöhe den Schuldner in den Bankrott, so daß
der Gläubiger gerade bei höchsten »Preisen« am wenigsten
einnehmen kann. Je höher der Zins, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit
des Zinsverdienstes. (Ebd., S. 70-71).Um nun Schuldner, die
für Kredit schlichtweg jeden verlangten Zins und noch etwas darüber
hinaus versprechen würden, von einem bankrotträchtigen - den Gläubiger
schädigenden - Weg abzubringen, müsse statt der Zinserhöhung die
marktfremde Technik der »Kreditrationierung« zum Zuge kommen, wie
sie vom Nobelpreisträger des Jahres 2001, Joseph Stieglitz (*1941), ins Spiel
gebracht worden ist. Für die Erstellung einer solchen Rangliste von Schuldnern
werden Informationen über ihre Kreditwürdigkeit gesammelt. Dafür
liefern die potentiell zu stellenden Sicherheiten das entscheidende Kriterium.
(Ebd., S. 71).Mit dieser Beobachtung wird indirekt eingeräumt,
daß - in unserer Terminologie - nur Eigentümer Schuldner werden können
und nicht jedermann, der Zins verspricht. Dadurch, daß die Kenntnis über
Schuldnervermögen aber nur als Information für Gläubiger eingestuft
wird, bleibt für die Neoklassik unerörterbar, warum ein Schuldner Eigentum
verpfändet. Warum verkauft er es nicht direkt? Er würde in diesem Fall
die Nutzung der Besitzseite seines Eigentums, das durch Verpfändung lediglich
blockiert ist, umgehend verlieren. Er hätte nur noch das durch Verkauf eingeworbene
Geld, während ihm bei Aufnahme eines Darlehens die Nutzung seines verpfändeten
Eigentums bleibt. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Realaktiva handelt
- wie weiterhin genutzte Immobilien oder sonstige Güter und Ressourcen -
oder um Finanzaktiva (etwa festverzinsliche Wertpapiere), die er nicht mehr handeln
darf, deren Eigentumsprämie er verliert, deren Erträge ihm aber bleiben,
falls er nicht ein Nutzungspfand vereinbart hat. (Ebd., S. 71).Allein
durch die Kreditierung von Ansprüchen auf fremdes Eigentum um den Preis der
zeitweiligen Verpfändung des eigenen hat er hier und heute die Ausgangslage
für die Veneidigung seiner Eigentümerposition verbessen; er hat damit
dem Kernmechanismus der Eigentumswinschaft entsprochen. Weil es diese Untersuchung
der Eigentumsverteidigung für die Neoklassik nicht gibt, kann ihre theoretische
Unentschlossenheit gegenüber dem Verpfänden nicht überraschen:
»Wir haben wenig eindeutige Hinweise auf die relative ökonomische Bedeutung
der ... (bislang) vorgelegten Erklärungen zum Sicherheitspfand.« (George
Kanatas, a.a.O.). (Ebd., S. 72).Die Größe der
neoklassischen Ratlosigkeit wird daran deutlich, daß die Bereitschaft des
Schuldners, Eigentum zu verpfänden, statt es gleich zu verkaufen, nicht etwa
mit dem Erhalt der Nutzungsmöglichkeit aus seiner Besitzerposition, sondern
aus geradezu kriminellen Interessen erklärt wird. Was einmal verkauft wurde,
sei weg, was aber nur verpfändet ist, könne noch heimlich ausgeschlachtet,
wahrheitswidrig beschrieben oder schlicht vernachlässigt, also für »Manipulationen«
mißbraucht werden. In der Tat wird die Veneidigung des Eigentums in dieser
Liste von Wirtschaftsdelikten der Schuldner ungewollt reflektiert. (Ebd.,
S. 72).Zu einem ökonomischen Verständnis der Eigentumsverpfändung,
das heißt zur Eigentumsprämie findet die Neoklassik nicht. Das zeigt
sich schlagend an ihrer Diskussion der Regeln des Bankrotts. Für diesen gibt
es in einem Gütenauschmodell gar keinen Ort. Wenn er überhaupt behandelt
wird, dann erfolgt seine Untersuchung mit Hilfe der auf der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie
aufbauenden Spieltheorie: »Sobald der Kredit in ein Spiel eingeführt
ist ..., wird es notwendig, die Spielregeln um Bankrottbedingungen zu erweitern.
.... Sie werden wirksam, sobald es mißlingt, die Schuld zum vereinbarten
Zeitpunkt zurückzuzahlen«. (Martin Shubick, a.a.O.). Die Spieltheorie
weiß durchaus, daß Sicherheiten im Kreditkontrakt eine Rolle spielen.
Das zeigt sich in ihrer Unterscheidung des Bankrotts durch Insolvenz von der Illiquidität
bei Solvenz, bei der vorhandene Sicherheiten die Schuld zwar decken, aber nicht
schnell genug zu Geld gemacht werden können. Vor der Frage aber, wie der
Zusammenhang zwischen Bankrott und Sicherheiten befriedigend theoretisiert werden
kann, resigniert die Spieltheorie: »In der Modellierung dieser Phänomene
liegt eine Versuchung, sich in Details zu verlieren oder, alternativ, zu stark
zu vereinfachen. .... Es scheint dazu keine zufriedenstellende Darstellung vorgelegt
worden zu sein«. (Martin Shubick, a.a.O.). Über den Truismus der Art,
daß bei der Existenz von Ehen auch mit Scheidungen zu rechnen ist, kommt
die neoklassische Spieltheorie beim Bankrott nicht heraus, wenn ihr auffällt,
daß bei Krediten das Problem der Zahlungsunfähigkeit auftreten kann.
(Ebd., S. 72-73).Das ökonomische Unverständnis der Verpfändung
hat sich - wie im Geldkapitel
zu zeigen - bei der Beratung für die Transformation der realsozialistischen
Länder durch Neoklassiker bitter gerächt. Den osteuropäischen Ländern
konnte von einer Tauschtheorie her einfach nicht gesagt werden, daß die
sogenannte Deregulierung der Märkte einen nachgeordneten Schritt darstellt.
Konstituiert werden muß das Wirtschaften mit dem rechtlichen Setzen von
Eigentum, dessen Belastbarkeit und Verpfändbarkeit Geld und Kredit ermöglicht,
wodurch Preise erzwungen werden, die dann auf Märkten zu realisieren sind,
die es vorher nicht gibt. (Ebd., S. 73).
4b) Die Ableitung des Geldes als Transaktionskosten reduzierendes Tauschmittel
 Die
Zahlen stehen für die Güterzahlen, die Pfeile für die Austauschrelationen. 2
Güter haben nur 1 Austauschrelation, 3 haben 3, 4 haben 6, 5 haben 10,
6 haben 15, 7 haben 21 Austauschrelationen, ... u.s.w.. Entsprechend lautet
die Formel n(n -1) / 2, wobei n die Anzahl der Güter angibt. | Die
Suche nach Reduktion der Transaktionskosten führt für die Neoklassik
zur ökonomischen Begründung zweier Phänomene, des Geldgebrauchs
und des dafür erforderlichen institutionellen Rahmens ihrer Geldwirtschaft,
der sogenannten Währungsordnung. In einer Gütertauschgesellschaft
müssen die Austauschverhältnisse jedes Gutes mit jedem anderen Gut gebucht
werden. Bei mehr als zwei Gütern ergibt sich dabei das Problem, daß
die Anzahl der wechselseitigen Tauschrelationen wesentlich stärker zunimmt
als die Anzahl der getauschten Güter. Während bei zwei Gütern nur
ein Austauschverhältnis existiert, haben wir bei drei Gütern schon drei,
bei vier bereits sechs, bei zehn dann fünfundvierzig und bei hundert nicht
weniger als viertausendneunhundertundfünfzig solcher Relationen (vgl.
Abbildung). Verwenden dagegen die Tauschpartner die Mengeneinheit nur eines
Gutes als Recheneinheit für alle anderen, wächst die Zahl der Austauschverhältnisse
lediglich im gleichen Verhältnis wie die Zahl der Güter. Bei drei Gütern
gibt es zwei, bei zehn dann neun und bei hundert lediglich neunundneunzig solcher
Relationen. (Ebd., S. 75).Die Neoklassik spekuliert, daß
für diese Transaktionskostenreduzierung durch Verminderung der Austauschrelationen
ein bestimmtes Gut abstrakt als die schon erwähnte allgemeine Rechnungseinheit
auf evolutionistischem Wege eine lohnende Verwendung gefunden hat: »Man
könnte sich denken, daß das Geld so entstanden ist, daß zunächst
irgendein gehandeltes Gut allgemein als Rechnungseinheit benutzt wurde und dann
erst als allgemeines Tauschmittel Verwendung fand.« (Rudolf Richter, Geldtheorie,
1987, S. 120). Der fehlende Wahrheitsgehalt solcher Geschichtsfiktion ist der
Neoklassik gleichgültig, da es ihr allemal wichtiger erscheint, den ökonomischen
Vorteil der Reduzierung der Transaktionskosten durch Reduzierung der Kosten der
für ein rationales Marktverhalten ja unverzichtbaren Informationen über
die Zahl der Austauschrelationen plausibel zu machen. Die Allgemeine Gleichgewichtstheorie,
die doch stolz darauf ist, Walras' konkretes Numéraire-Gut Geld
durch eine abstrakte allgemeine Rechnungseinheit ersetzt zu haben, landet
doch wieder bei diesem Numéraire, wenn sie die Einheit aus einem
bestimmten Rechengut ableitet und dann die Rede von dessen Abstraktheit lediglich
als Behauptung nachschiebt. (Ebd., S. 75-76).Diese Rechnung
in einem Numéraire, also in einem bestimmten Rechengut, heißt
nicht zwingend, daß dieses konkrete Ding auch als reales Tauschmittel
verwendet wird, da für einen solchen Schritt ein ökonomischer Vorteil
ermittelbar sein muß. Dabei gerät als Problem in den Blick, daß
ein direkter Tausch nur zustande kommt, wenn die Wünsche der Tauschpartner
wechselseitig übereinstimmen. Diese Schwierigkeit wird als das Koinzidenzproblem
des direkten Tauschs bezeichnet. Ein Haushalt A kann seine Jamswurzeln nur dann
direkt gegen die von ihm gewünschten Schweine tausch~n, wenn er einen Schweinebesitzerhaushalt
B findet, der im gleichen Maße Jamswurzeln begehrt. Ist das nicht der Fall,
dann muß A seine Schweinewünsche über den Umweg des indirekten
Tausches befriedigen, indem er seine Jamswurzeln zum Beispiel bei einem jamswurzelbegehrenden
Maiskolbenbesitzer C eintauscht, dessen Frucht wiederum bei einem Schweinebesitzer
auf Gegenliebe stoßen muß u.s.w.. Dies erschwert den Tauschhandel
bzw. verursacht Transaktionskosten, die so hoch steigen können, daß
der Tausch unterbleibt. (Ebd., S. 76).Wählen die Tauschpartner
statt dessen ein Gut aus, mit dem sie ihren indirekten Tausch regelmäßig
betreiben, dann erledigt sich das Koinzidenzproblem des Direkttausches, indem
die angebotenen und nachgefragten Gütermengen über das ausgewählte
allgemeine Tauschmittel in Übereinstimmung gebracht werden. Dieses
bezeichnet die Neoklassik ebenfalls als Geld. Mit ihm werden wiederum -
wie mit dem Geld als Rechnungseinheit - Transaktionskosten gespart, weil im wesentlichen
für jeden Haushalt nicht mehr prinzipiell unendlich viele, sondern nur noch
zwei Tauschakte erforderlich sind. Es gilt - erstens - die Angebotsmenge seines
Gutes gegen dieses ausgewählte Tauschmittel und - zweitens - die nachgefragte
Menge des anderen Gutes gegen eben dieses Mittel zu tauschen. Die Neoklassik bezeichnet
das als Tauschmittel benutzte Gut in Anlehnung an den Soziologen und Sozialhistoriker
Max Weber (1864-1920) als naturales Zahlungsmittel, verwendet diesen Begriff
aber als Synonym für allgemeines Tauschmittel, das Richter in einem wiederum
unverstandenen Anschluß an Keynes' money proper als konkretes Geld
bezeichnet. Für Keynes ist ja gerade - wie wir im Geldkapitel
zeigen werden - das money proper von einem Geld als Tauschmittel zu unterscheiden.
Letzteres kann Keynes sich zwar durchaus vorstellen, bei der Analyse seiner Geldwirtschaft
jedoch interessiert es ihn nicht. Das money proper (das eigentliche Geld)
hat nämlich keine zu tauschenden Güter, sondern das money of account
(der Geldstandard) aus einem zinsbelasteten Gläubiger-Schuldner-Kontrakt
zur Voraussetzung. (Ebd., S. 76-77).Der neoklassische Terminus
»Zahlungsmittel« bleibt an den realen Gütertausch gebunden. Wir
werden noch sehen, daß Geld als Zahlungsmittel gerade nicht Tauschmittel
ist, sondern für kreditierte bzw. zu refundierende Anrechte auf Eigentum
steht. Einmal mehr besteht die Neoklassik bei der Herleitung ihres naturalen Zahlungsmittels
nicht unbedingt darauf, daß historisch tatsächlich ein bestimmtes Gut
zum allgemeinen Tauschmittel avancierte und dieses von den Menschen dann als Geld
angesehen wurde. Als unstrittig gilt ihr aber, daß seine Verwendung ökonomisch
rational ist, weil es Transaktionskosten im Sinne von Marktbenutzungs- und Rechtsordnungskosten
reduziert. (Ebd., S. 77).Die - einmal mehr an historischer
Bestätigung desinteressierte - Neoklassik übersieht, daß es erst
die exklusive Verwiesenheit von Individuen auf ihr Eigentum ist, die die Vorstellung
von Kosten als Folge von Verpflichtungen aus dem Kredit konstituiert und damit
auch die Zwangsläufigkeit, mit der generell zu ihrer Reduzierung geschritten
wird. Ein allgemein menschliche Neigung zur Vermeidung von Kosten gibt es gerade
nicht als universelles Konzept. Deshalb muß - wie noch zu zeigen - eine
zu Geld führende Transaktionskostenreduzierung für die historische und
ethnologische Forschung in Nichteigentumsgesellschaften unauffindbar bleiben.
(Ebd., S. 77).
4c) Die Herleitung von Geldzins, Geschäftsbanken und Zentralbank als
weitere Innovationen zur Reduktion der Transaktionskosten
Bei Erhebung
eines bestimmten Gutes zum allgemeinen Tauschmittel (konkretes Geld) wird neoklassisch
davon ausgegangen, daß es gleichzeitig auch als allgemeine Rechnungseinheit
(abstraktes Geld) dient. Mit der realen Verwendung dieses Geldes wandelt sich
die Marktgemeinschaft zu der - fälschlich vom money of account (Geldstandard)
hergeleiteten »Währungsgemeinschaft«. Für ihre Ausgestaltung
müssen die Tauscher über die Grundsätze der Vertragsfreiheit und
des Privateigentums hinaus zusätzliche Institutionen vereinbaren. Sie müssen
die Bestimmung des Gutes vornehmen, das als die verbindliche Rechnungseinheit
bzw. als Tauschmittel dienen soll. Sie müssen zudem den Tauschwert und das
Volumen dieses Geldes fixieren. (Ebd., S. 78).Für die
Bewältigung dieser Aufgaben schaffen sie sich eine Zentralstelle. Diese sorgt
für eine weitere Reduzierung von Transaktionskosten, wenn sie statt eines
Gutes für die Tauschakte sogenanntes Chartalgeld einführt. Dieses
repräsentiert wie ein Datenträger das reale Gut und befreit von dessen
Unwägbarkeiten. Eine noch ungeregelte Währungsgemeinschaft, die ein
Metall zum Geld erhoben hat - ein sogenanntes Warengeld -, ist mit
Gewichts- und Echtheitsprüfungen und möglicherweise Beschaffungsproblemen
belastet. Legt sich diese Zentralstelle eine Münzstätte zu, wird die
Währungsgemeinschaft von diesen Lasten durch vorab gestempelte und gewogene
Metallmünzen befreit, kann also wiederum ihre Transaktionskosten mindern.
(Ebd., S. 78).Die Münze oder Münzstätte wird mithin
als Urform der Zentralbank betrachtet. Für die originäre Währungsgemeinschaft
ist die Zentralbank primär, weil ihr Geld den indirekten Tausch ökonomisiert,
während Banken erst sekundär beim Kredit für die Abwicklung des
intertemporalen Tausches ins Spiel kommen und dann eine subsidiäre
Währungsgemeinschaft konstituieren, die zusammen mit der originären
die hybride Währungsgemeinschaft der Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch
bildet. (Ebd., S. 78).Im Rahmen ihrer Güterwirtschaftstheorie
besteht die Neoklassik nun darauf, daß Zins auf Geld nicht anders
zustande kommt als der Eigenzins auf reale Güter, das heißt durch das
Zusammenspiel von Zeitpräferenz für Konsumgüter und Netto-Grenzproduktivität
von Kapitalgütern. Deren intertemporaler Tausch wird durch Geldverwendung
lediglich eingekleidet. Der Geldzins ergibt sich dann aus der Zeitpräferenzrate
des wie ein Konsumgut behandelten Geldes und einer in Geld bewerteten Netto-Grenzproduktivität
des in Geld ausgepreisten Kapitals, der von Keynes so bezeichneten Grenzleistungsfähigkeit
des Kapitals, das heißt der erwarteten Profitrate. Die intertemporalen
Preise müssen dabei von der Zentralstelle als Preisziele bestimmt werden.
Bei Existenz eines Totalen Konkurrenzgleichgewichts sind sie bekannt und können
als vorgegeben angesehen werden. (Ebd., S. 78-79).Für
die Erfüllung all dieser Aufgaben wird die Währungsgemeinschaft als
Zahlungsgemeinschaft zu einer Kreditgemeinschaft erweitert, für die
wiederum die Zentralstelle bestimmt, was Schuldmaßstab für den
Abschluß von Kreditverträgen und was Mittel für ihre Auflösung
ist. Die derart ermöglichten Gelddarlehen reduzieren die Transaktionskosten,
die bei Abschluß von Sachdarlehen - dem intertemporalen Tausch von Gütern
- anfallen würden, in gleicher Weise wie der Tausch mit Geld als Rechnungseinheit
und Geld als Tauschmittel die Transaktionskosten des atemporalen direkten Tauschs
von Gütern vermindert. (Ebd., S. 79).Mit ihren Geldzinsideen
liefert die Neoklassik eine strikt güterwirtschaftliche bzw. nichtmonetäre
Zinstheorie, die in ihrer einfachsten Form als Leihfondstheorie des Geldzinses
von Dennis Robertson (1890-1963) entwickelt worden ist. So wie der intertemporale
Tauscher auf Konsumgüter heute verzichtet und damit einen Fonds zur Produktion
von mehr Gütern morgen in Form eines Sachdarlehens gegen einen Realzins zur
Verfügung stellt, so kommt der damit beabsichtigte intertemporale Tausch
unter einer bloßen Zwischenschaltung eines Gelddarlehens mit monetärem
Zins zustande. (Ebd., S. 79).Die güterwirtschaftliche
Fundierung des Geldzinses verlangt, daß in ihm der Eigenzins des Gutes wieder
auftaucht, das mit dem Geld heute eingetauscht wird. Aus dieser Annahme folgt,
daß die unterschiedlichen Eigenzinssätze der Güter durch Änderungen
ihrer relativen Preise (Auf - bzw. Abwertung) kompensiert werden, da sonst mit
einem Gleichgewicht unvereinbare sogenannte Arbitragegewinne existieren würden.
Daraus folgt im intertemporalen Gleichgewicht zwar der einheitliche Geldzinssatz,
den die Wirtschaft kennt. Ihm entsprechen allerdings - je nachdem, welches Gut
als Index verwendet wird - unterschiedliche Realzinssätze. Diese Güterzinssätze
finden sich in der Wirtschaft aber nicht als Zinsen, das heißt als feste
Forderungen in einem Schuldkontrakt, sondern als Profitraten. Bei diesen handelt
es sich jedoch nicht um kontraktbestimmte, sondern lediglich um erwartete Größen.
(Ebd., S. 79-80).Überdies unterstellt die Neoklassik, daß
für alle zu tauschenden knappen Ressourcen immer genügend Geld als Tauschmittel
bereitgestellt wird, wobei lediglich zu beachten ist, daß die Geldmenge
so knapp gehalten wird, daß die Kaufkraft des Geldes, der Preisindex, stabil
bleibt. In der Eigentumswirtschaft aber ist die Knappheit von Geld nicht allein
an die Stabilität der Kaufkraft gebunden, was jeder auf höchst elementare
Weise spürt, wenn er - unabhängig von Preisschwankungen - für einen
Kredit über Geld Zins zahlen und Eigentum als Sicherheit stellen muß.
Dieser Zusammenhang zwischen Geldmenge, Zins und verpfändbaren Eigentumstiteln
aber wird von der Neoklassik in keiner Weise thematisiert. Da die Neoklassik das
im Kontrakt geschaffene Geld nicht kennt, ihr Geld mithin immer nur willkürlich
gesetztes Geld bleibt, muß es auch per Quantitätsregel mit Ausrichtung
am Preisniveau kontrolliert werden. Eine ökonomische Regulation der Geldmenge
fehlt, da Belastung und Verpfändung für die Entstehung von Geld und
damit für seine Verknappung nicht gesehen werden. (Ebd., S. 80).Obwohl
bisher vom Geld der Neoklassik schon oft die Rede warhat sie es - außer
im Bild des Generationenmodells - noch nicht in wirklichem Gebrauch. Für
die Verbuchungs - bzw. Tauscheinkleidungsakte reichte die abstrakte Vorstellung
von Geld als allgemeiner Rechnungseinheit, die mit einem konkreten Tauschmittel
identisch ist, ja aus, wenn seine Funktion der Transaktionskostenreduzierung plausibel
sein soll. Realer Geldgebrauch benötigt jedoch darüber hinaus wie Frank
Hahn fordert - ökonomische Gründe für das »am besten entwickelte
Modell der Wirtschaft« (Frank Hahn, a.a.aO.), also für die Arrow-Debreu-Version
der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie, die zu Recht von so etwas Trivialem wie
Transaktionskosten abstrahieren kann. Der Geldgebrauch in der Wirtschaft braucht
also zusätzliche ökonomische Argumente, die keineswegs schon dadurch
gegeben sind, daß man - wie Don Patinkin - einfach auf einem positiven Tauschwert
des Geldes beharrt. Diese Richtung müßte schon Gründe angeben,
warum Geld, das - anders als Güter - bekanntlich keinen direkten Nutzen abwirft,
als Rechnungseinheit nicht einen »Tauschwert von Null« haben sollte.
Doch selbst ein Jahrhundert nach der Begründung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie
durch Walras (1874) muß Frank Hahn einräumen: »Diese Gründe
wurden nicht gegeben.« (Frank Hahn, a.a.aO.). (Ebd., S. 80-81).Dieses
selbstkritische Eingeständnis bedeutet keineswegs, daß die Neoklassik
zum Tauschmittelgebrauch nun vorsichtig argumentierte oder gar schwiege. Sie will
das Feld in jedem Fall besetzt halten. Wie tut sie das? Ihrer güterwirtschaftlichen
Grundüberzeugung treu bleibend, behandelt sie das Einspeisen von Geld in
eine zinstragende Rolle wiederum in Analogie zur Transaktion von Gütern.
Auch das Tauschen von Geld in festverzinsliche Wertpapiere verursacht die bekannten
Transaktionskosten. Ihr überproportionaler Anstieg sorgt dafür, daß
eine Position erreicht wird, an der ein noch zu erlangender Zins genau den zusätzlichen
Kosten einer Transaktion, also ihren Grenzkosten entspricht. Der Zins für
den zuletzt angelegten Euro wird also aufgezehrt von den marginalen Kosten dieser
Transaktion. Dieser Sachverhalt führt dazu, daß Tauschmittel gehalten
werden bzw. die sogenannte Kassenhaltung - immer verstanden als Realkasse - positiv
ist. Der dabei entgangene Zinsbetrag firmiert unter dem Begriff »Alternativkosten
der Kassenhaltung«. Einmal mehr erweist sich die Wirtschaft gegenüber
der Neoklassik als störrisch. Bei einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht,
das sie in ihrem Totalen Konkurrenzgleichgewicht modellieren will, tritt eine
Geldnachfrage, welche durch die positive Kassenhaltung ja ausgedrückt wird,
nicht auf. Lediglich für den Spezialfall der Deflation, wenn der Tauschwert
des Geldes und damit auch derjenige der Kassenhaltung steigt, kann man sich denn
auch in der Neoklassik selbst eine nutzenmaximierende Verwendung von positiver
Kassenhaltung vorstellen. (Ebd., S. 81-82).Der Zentralbank
obliegt lediglich der Schutz des Tauschwertes des Kassenhaltungsgeldes, der im
Modell mit dem Preisindex eines bestimmten Warenkorbes an Konsumgütern gemessen
wird. In der heutigen Zeit mit ihrem nichteinlösbaren Papiergeld muß
sie dafür die Geldmenge so fixieren, daß dem Ziel eines konstanten
Geldwertes entsprochen wird. Es ist dann erreicht, wenn die für die Optimierung
der Verbrauchs - und Produktionspläne angemessenen relativen Preise nicht
beeinflußt werden. Die neoklassische Zentralbank agiert mithin bei der Geldmengenfixierung
als exogene, der Wirtschaft administrativ beigegebene Instanz. Sie ist lediglich
Versorgerin mit einer Menge von Tauschmitteln, die - bei Stabilität des Geldwertes
- die Verbrauchsund Produktionspläne nicht beeinflußt, sondern ihre
Durchführung lediglich erleichtert. Erst aus einer solchen Vorst.ellung versteht
man das Bild von Milton Friedman (1912-2006) - dem Nobelpreisträger von 1976
- , der Haushalten und Unternehmen zusätzlich zu ihren Realkassenausstattungen
»Geld aus dem Hubschrauber« zuwirft, was über eine Störung
der relativen Preise in einer Inflation mündet. Für deren Bekämpfung
verwendet er entsprechend das Bild von einem »Hochofen« (Milton Friedman,
a.a.O.), der auf vergleichbare Weise eine Deflation erzeugt, wenn eine bestimmte
Geldmenge abgesaugt und verbrannt wird. (Ebd., S. 82).In
Eigentumswirtschaften kann eine Zielgröße der Geldmenge bestenfalls
angestrebt, niemals jedoch fixiert werden. Dies ist der Tatsache geschuldet, daß
die Änderung der Geldmenge durch eine Interaktion zwischen Geschäftsbanken
und Zentralbank reguliert wird, bei der letztere gegen zinsbelastete Vermögenstitel
der Geschäftsbanken Geld herausgibt bzw. Geld gegen den Verkauf solcher Vermögenstitel
einzieht. Diese zinsbelasteten Vermögenstitel sind, wie wir noch zeigen werden,
Ausdruck einer von der Neoklassik nicht thematisierten, aber für die Eigentumswirtschaft
elementaren Beziehung zwischen Gläubigern und Schuldnern. (Ebd., S.
82-83).Auch die neoklassische Sicht der Geschäftsbanken wird
aus der Reduzierung von Transaktionskosten gewonnen. Die Kreditpartnersuche wird
ganz analog zur Tauschpartnersuche betrachtet. Während Geld die Marktbenutzungskosten
auf dem Gütermarkt reduziert, tut die Bank dasselbe auf dem Markt für
den in Geld eingekleideten intertemporalen Gütertausch. Durch koordinierte
Informationssammlung reduziert sie die Kosten für die Kreditpartnersuche,
Bonitätsprüfung, Vertragsschließung, Zins- und Tilgungszahlungen
u.s.w., die bei individuellem Vorgehen überproportional steigen würden.
Zentralbank und Geschäftsbanken gemeinsam bilden also die bereits erwähnte
hybride Währungsgemeinschaft. (Ebd., S. 83).Die neoklassische
Sicht der Bank erlaubt streng genommen keine Begrenzung der Kredite, solange die
intertemporalen Tauscher über in Geld ja nur einzukleidende Güter verfügen,
die produktiv sind. Eine Bonitätsprüfung müßte sich auf die
angemessene Verwendung des Kredits beschränken und etwa darauf achten, daß
er nicht einfach aktuell konsumiert wird. Aus anderen Gründen erwachsende
Verweigerungen von Gläubigern, Geld anzubieten, sind neoklassischen Ökonomen
selbstredend bekannt, aber in ihrem güterwirtschaftlichen Modell damit noch
lange nicht untergebracht. Diese anderen Gründe aber sind es, die intertemporale
Gütertauschakte, die von Haushalten oder Unternehmen durchaus nutzenmaximierend
geplant sind, nicht etwa durch Einkleidung in Geld erleichtern, sondern schlicht
dadurch verhindern, daß einem potentiellen Schuldner kein Geld geliehen
wird. Als Vertreter der Gläubiger exekutiert die Bank nämlich deren
Eigentumssicherung, die im neoklassischen Modell keinen Ort hat. (Ebd.,
S. 83).Wir werden also nach überzeugenderen Gründen als
dem beliebten Tausch fahnden müssen, um Geld, Kredit und Zins verstehen zu
können. Wir werden dabei zu zeigen haben, daß die Erklärung des
Unterschieds zwischen einer Geld - und einer Nichtgeldwirtschaft, die von der
Neoklassik und ihrem schärfsten Kritiker, John Maynard Keynes, so lauthals
angemahnt wurde, daran gescheitert ist, daß nicht nach dem Unterschied zwischen
einer Eigentumswirtschaft mit ihrer Ökonomisierung und Gesellschaften ohne
Eigentum mit ihrer bloßen Nutzung von Ressourcen gesucht wurde. (Ebd.,
S. 83-84).
5) Zusammenfassung
Ist eine Eigentumswirtschaft einmal etabliert,
dann gibt es Waren mit Geldpreisen. Deshalb könnte man - wenn man es denn
wollte - solche Waren direkt in einem sogenannten Äquivalententausch
gegeneinander handeln. Die Wirtschaftstheorie hat sich dazu entschlossen, in diesem
bloß gedanklich vorstellbaren Vorgang, den sie als Gütertausch bezeichnet,
das Wesen der gesamten Wirtschaft zu verorten. Als Agenten denkt sie an einen
vorteilsuchenden, rational tauschenden Menschen den sogenannten Homo oeconomicus.
Ihre Wirtschaftstheorie ist mithin eine Theorie über den Menschen ganz allgemein.
Dadurch glaubt sie, den Anforderungen an eine universelle Theorie zu entsprechen
- an eine Theorie also, die wie eine Naturwissenschaft überall und jederzeit
Gültigkeit haben soll. (Ebd., S. 84).Die von der herrschenden
Wirtschaftstheorie angeregte Forschung hatte nach dieser tauschorientierten Vorgabe
nur noch danach Ausschau zu halten, wie und warum menschliche Tauscher von äquivalenten
Gütern dazu übergangen sind, nicht mehr Gut gegen Gut, sondern Güter
gegen Geld zu tauschen. Zu diesem Schritt habe der Homo oeconomicus aus
dem Interesse der Reduzierung der Transaktionskosten des Gütertauschs gefunden.
Nach der Existenz und Wirkung dieses Motivs der Reduzierung von Transaktionskosten
hatte die Forschung nun ebenfalls zu fahnden. (Ebd., S. 84).Zur
Verblüffung der neoklassisch inspirierten Gelehrten ist nach einer mehr als
hundertjährigen Suche in Stammes- und Feudalgesellschaften ein sogenannter
vormonetärer Äquivalententausch in der Menschheitsgeschichte nicht belegbar.
Er erweist sich vielmehr als ein Stück wirtschaftswissenschaftlicher Folklore.
Da es den sogenannten Äquivalententausch schon geldlos nicht gibt, müssen
naturgemäß auch Versuche fehlen, ihn anschließend zu monetarisieren.
Ganz entsprechend hat sich eine Vorstellung von Transaktionskosten, die den Menschen
schon der Stammes - und Feudalgesellschaft bei der Bewegung von Gütern belastet
hätten, nicht nachweisen lassen. Das gilt dann selbstverständlich auch
für ein ewiges Interesse des Menschen, Kosten zu reduzieren. (Ebd.,
S. 84-85).Diese massive Falsifizierung der tauschtheoretischen
Grundannahme über einen Homo oeconomicus hat jedoch nur kurzfristig
und eher am Rande Verunsicherungen hervorgerufen. Im Hauptstrom der neoklassischen
Gedankenführung sind die alarmierenden Forschungsergebnisse schlicht verdrängt
worden. Regelmäßige Mahnungen der Fachleute an die Wirtschaftstheoretiker,
ihre Annahmen am empirischen Befund zu korrigieren, werden in den Wind geschlagen
- selbst dann, wenn sie von insgesamt treu zu Neoklassik stehenden Gelehrten kommen.
Jeder Student der Wirtschaftswissenschaften beginnt denn auch weiterhin mit dem
vorteilsuchenden Tausch eines Homo oeconomicus. (Ebd., S. 85).Wie
sie in Geldoperationen lediglich eine Erleichterung des nichtgeldlich vorgestellten
Tausches und damit etwas für die Wirtschaft nicht Wesentliches sieht, so
betrachtet die Neoklassik auch den Zins als ein universelles und vormonetäres
Phänomen, das unserer Gattung von Anfang an und in allen Gesellschaftsstrukturen
zukomme. Er resultiere aus der Zeitpräferenz oder Gegenwartsvorliebe. Diese
Vorliebe nun müsse ein Schuldner mit Zins in Form einer höheren Gütermenge
ausgleichen. Das ist aber nur unter der Annahme möglich, daß dem geliehenen
Gut qua Investition ein Güterertrag - der sogenannte Eigenzins - automatisch
innewohnt. (Ebd., S. 85).Da die Eigenzinssätze für
jedes Gut unterschiedlich hoch ausfallen, kann es nur unter der unwahrscheinlichen
Annahme unveränderlicher relativer Preise aller Güter im Zeitablauf
zu einem einheitlichen Realzins kommen, der dem einheitlichen Geldzins entspricht.
In dieser freimütig eingeräumten Unwahrscheinlichkeit erschöpft
sich die Schwäche der Zinserklärung keineswegs. Vor allem wird der Zins
nicht als Erzwinger eines Mehrertrags angesehen - dafür müßte
er eine eigenständige, nicht aus Gegenwartsvorliebe stammende Herkunft haben.
Vielmehr wird ein allemal anfallender - von irgendwoher kommender Mehrertrag vorausgesetzt,
der die Forderung und Leistung eines Zinses ermöglicht. Niemals ist es gelungen,
dieses »irgendwoher« des Mehrertrags überzeugend zu konkretisieren.
Das räumt die Neoklassik durchaus ein, so daß sie ohne plausible Erklärung
für den Güterzins dasteht. Ihre Schwäche bestätigt sich dann
bei der Behandlung des zinses auf Geld. Der werde nicht anders realisiert als
der mysteriöse Eigenzins auf Güter - nämlich aus einem Zusammenspiel
von Konsumverzicht des Gutes Geld und einer intertemporalen Produktivität
des investierten Gutes Geld. Dabei taucht von neuern das Problem der unterschiedlichen
Eigenzinssätze der Güter auf, die nur durch die Hilfskonstruktion einer
Änderung ihrer relativen Preise in einen einheitlichen Geldzinssatz transformiert
werden können. Da je nach Wahl des für Geld herangezogenen Gutes wiederum
unterschiedliche Güterzinse anfallen, mißlingt die Lösung des
Problems; die auch von der Neoklassik gesehene Einheitlichkeit des Geldzinses
bleibt unerklärbar. (Ebd., S. 85-86).Das dem monetären
Zins zugrundeliegende Gelddarlehen kommt nicht anders als das Geld selbst zustande.
So wie Geld zwischen den Tausch von Gütern geschaltet wird, um die Transaktionskosten
des Direkttausches zu reduzieren, dient das Gelddarlehen der Reduzierung der Transaktionskosten
beim direkten intertemporalen Tausch in Form von Sachdarlehen. Die Institutionen
der Geschäftsbank und der Zentralbank werden ebenfalls aus dem Kalkül
der Transaktionskostenreduktion hergeleitet. (Ebd., S. 86).Wenn
es aber die zu reduzierenden Transaktionskosten nicht sind, die zu Geld, Geldzins
und Banken führen, und diese monetären Phänomene gleichwohl existieren,
dann muß die Frage nach ihrem Grund gänzlich neu gestellt werden. Die
herrschende Wirtschaftslehre hat lediglich eine Folge von einmal etablierten Geldpreisen
- nämlich die Möglichkeit, damit überhaupt erst die Gleichwertigkeit
zweier Waren ausdrücken zu können - als Idee vom Äquivalententausch
auf die gesamte Menschheitsgeschichte zurückprojiziert. Nachdem dort eine
Kalkulation von Güteräquivalenten aber nicht aufzufinden ist, stellt
sich die Frage, ob die Wirtschaftstheorie tatsächlich eine Theorie des Menschen
als solchem bleiben kann oder nicht doch die Theorie einer ganz besonderen Gesellschaftsstruktur
sein muß. Die Suche nach dieser Struktur ist es nun, die uns vom Tausch
weg und zum Eigentum hin führen muß. (Ebd., S. 86).Der
Neoklassik ist der Terminus »Eigentum« keineswegs fremd. Als property
rights, als Regelsystem für Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung
beschäftigt das Wort Eigentum eine ganze Reihe von Spezialisten der sogenannten
Institutionenökonomik.
Betrachtet wird aus ihrem Blickwinkel allerdings lediglich der Ordnungsrahmen
für ein individuelles Recht auf Tausch als nicht gratis zugestandenes
Verfügungsrecht über Sachgüter und Leistungen. Unerkannt bleiben
deshalb die immateriellen Eigenschaften von Eigentum, die dem Wirtschaften nicht
etwa nur eine wichtige Rahmenbedingung liefern, sondern es überhaupt erst
auf den Weg bringen. Was der neoklassischen Theorie am Eigentum wesentlich erscheint,
ist diesem nämlich gerade nicht zugehörig. Sie definiert Rechte über
die physische Nutzung von Gütern als Eigentum. Dabei handelt es sich jedoch
lediglich um Besitzrechte, die es in der Tat auch dort - also in Stamm und Feudalismus
gibt, wo die Fachforschung eine Geldentstehung zur Erleichterung eines Tausches
nicht finden kann. Besitzrechte sind durchaus solche des Menschen schlechthin
und doch bringen sie ihn nicht zu den von der Theorie postulierten Tauschoperationen.
Besitzrechte regeln Macht und Herrschaft über Ressourcen. Erst in Beziehung
zu Eigentum geraten Besitzrechte in die Mechanismen des Wirtschaftens. (Ebd.,
S. 86-87).Die ökonomischee Qualität des Eigentums besteht
in seiner Prämie, die sich in seiner Belastbarkeit in der Geldschaffung und
seiner Verpfändbarkeit durch einen Schuldner manifestiert. In diesen beiden
freien Dispositionen, die dem bloß physischen Besitz mangeln, geht es gerade
nicht darum, Güterbewegungen zu erleichtern oder überhaupt an Gütern
irgendeine Veränderung vorzunehmen. Bei der Schaffung von Geld und seiner
Verleihung im Kreditkontrakt werden lediglich die Eigentumsrechte von Gläubigern
und Schuldnern durch Aufgabe ihrer Eigentumsprämien beschränkt, während
die aus der Besitzseite des Eigentums erwachsenden Nutzungsrechte, auf deren angeblicher
Verleihung die neoklassische Zinstheorie ruht, gerade nicht übertragen
werden. Im Kredit wird Eigentumsprämie aufgegeben, der Besitzertrag aber
gerade nicht. Es sind also entschieden immaterielle Rechtstitel an Eigentum und
nicht etwa die Beschaffenheiten von Gütern, die jemand in Produktion, Distribution
und Konsumtion physisch nutzen könnte, aus denen das Wirtschaften
vom Eigentum hervorgebracht wird. (Ebd., S. 87).Für
Kreditsicherheit und Gelddeckung haftendes Eigentum soll überhaupt nicht
bewegt und schon gar nicht vom Gläubiger physisch genutzt werden. Eine Veränderung
in der Eigentumsposition kann lediglich dann eintreten, wenn kreditvertragliche
Pflichten unerfüllt bleiben und über den Weg der Vollstreckung Eigentum
an andere Eigentümer, Gläubiger also, gelangt oder ganz verloren geht.
Die Übertragung von Eigentumstiteln bei der Vollstreckung, die auch zu einem
Besitzwechsel führt, kommt mithin nicht zustande, weil da etwas getauscht
werden will, sondern weil abgetreten werden muß. (Ebd., S.
87-88).Obwohl die neoklassische Theorie inzwischen (1996)
ihren 125. Geburtstag feiern kann, hat sie erst kürzlich damit begonnen,
sich für die ökonomische Bedeutung von Kreditsicherheiten ein wenig
zu interessieren. Wie den Terminus Eigentum, so kennt sie durchaus auch den Terminus
Sicherheiten. Sie sieht in ihnen vor allem ein Instrument zur Sicherstellung eines
wirtschaftlichen Umgangs mit Ressourcen und zur Abwehr von Betrugsversuchen des
Schuldners gegenüber seinem Gläubiger. Damit mißlingt wiederum
die Erkenntnis der konstitutiven Rolle der Eigentumshaftung für das Hervorbringen
von Geld, das aus dem Belasten von Eigentum resultiert und zugleich das Verpfänden
von Eigentum verlangt. (Ebd., S. 88).Die Unerklärbarkeit
des Geldes aus dem Tausch nötigt nun die Autoren dieses Buches dazu, dieser
alternativen Erklärung des Geldes nachzugehen. In den neoklassischen Blick
kommen aber lediglich manipulative und betrügerische Interessen von Schuldnern,
denen Gläubiger mit Sicherheiten zu begegnen versuchten. Diesem nachgeschobenen
und insgesamt beiläufigen Interesse der Neoklassik für Sicherheiten
entspricht mithin die absolute Randständigkeit, die sie ihnen für ihre
Wirtschaftstheorie einräumt. (Ebd., S. 88).
B) Das Kapitel vom Eigentum: Eigentum als Gegenposition zum
Besitz
1) Die theoretische Konfusion über Eigentum und Besitz
Unter
den theoretisch ehrgeizigen beobachtern der abendländischen Kultur/Zivilisation
haben die genaueren ... durchaus geahnt, daß weder die Produktion, wie die
Klassik glaubt, noch der Tausch, wie die Neoklassik annimmt, sondern ein ganz
anderes gesellschaftliches Element dafür sorgt, daß »Kauf und
Verkauf, Darlehen und Kredit« in die Welt gelangen. (Ebd., S. 89-90).Schon
Marcus Tullius Cicero (106-43 v.u.Z.) berichtet: »Von Natur aus gibt es
kein Eigentum. .... Ursprünglich gab es ... nur Gemeinbesitz.» (Cicero,
a.a.O.). Stammes- und Feudalgesellschaften kennen mithin nur Besitz und die damit
verbundene Verfügung, die Nutzung von Gütern. Abwesend ist nicht nur
das Eigentum, sondern auch Zins, Geld und Markt kommen nicht vor. Zudem fehlen
Kapital, Wert, Preis und Profit, um nur die wichtigsten wirtschaftlichen Kategorien
zu nennen. (Ebd., S. 90).Das Eigentum, so wird ebenfalls
gesehen, kommt nicht allein. Mit sich bringt es die nicht minder aufregende Institution
der Freiheit: »Fast genügt es, darauf hinzuweisen, daß
es nicht möglich ist, das Wort Freiheit, im Griechischen eleutheria,
im Lateinischen libertas oder die Bezeichnung frei in irgendeine
der vorderasiatischen Sprachen einschließlich des Hebräischen (oder
übrigens auch der fernöstlichen Sprachen) zu übersetzen.»
(Lewis Henry Morgan, Die Urgesellschaft, 1877, a.a.O., S. 184). (Ebd.,
S. 90).Wenn wir in Verweisen auf moderne Autoren zuweilen dem Terminus
»Privateigentum« begegnen, so drückt sich darin lediglich
eine sprachliche Konvention aus. In der Sache reicht der Begriff »Eigentum«
aus. Der Verzicht auf die Vorsilbe »Privat« schützt zugleich
vor dem Mißverständnis, das Privateigentum automatisch als Gegensatz
zum Staatseigentum aufzufassen. Denn am Eigentum ist nicht entscheidend, ob es
Individuen oder Kollektiven zuzuordnen ist, sondern daß es vielmehr eine
Gegenposition zum Besitz ausdrückt. Besitz bedeutet immer Rechte zur Verfügung
über und damit die physische Nutzung von bestimmten Gütern oder Ressourcen
und ist unabhängig davon, ob Eigentum existiert oder nicht. (Ebd.,
S. 90-91).Der Besitz kann wie das Eigentum individuell oder kollektiv
zugeordnet sein. Im Unterschied zu Eigentum gab es Besitz in der Tat bereits unter
Neandertalern, die eifersüchtig über die Nutzung ihrer Faustkeile wachen
mochten. In den Stammesgesellschaften wird die spezifische Beherrschung der Ressourcen
über die Sitte geregelt. In Feudalgesellschaften einschließlich des
Sozialismus wird die Beherrschung der Ressourcen durch Befehl einer besitzlichen
Nutzung zugewiesen. (Ebd., S. 91).Da die Verwechslung oder
Nichtunterscheidung von Eigentum und Besitz die Kernschwäche der ökonomischen
Schulen markiert, haben insbesondere Juristen immer wieder nach Begriffen gesucht,
die mehr Eindeutigkeit nahelegen. So steht etwa die Wörterkombination Freies
Eigentum für einen solchen Klärungsversuch. Wir übernehmen
ihn hier nicht, meinen bei Eigentum jedoch immer die volle Dispositionsfreiheit,
die im Belasten, Verpfänden und Verkaufen ihre wichtigsten Elemente hat.
(Ebd., S. 91).Auch in der Eigentumsgesellschaft geht die sich aus
dem Besitztitel ergebende Nutzung von Ressourcen nicht verloren. Da nun hier aber
jeder Besitz zugleich mit einem Eigentumstitel verbunden ist, das heißt
ein Besitzer nicht unabhängig von einem Eigentümer handeln kann, muß
die bloße Herrschaft über Ressourcen ihrer Bewirtschaftung weichen,
um den ökonomischen Erfordernissen des Eigentums gerecht zu werden, das heißt
um seiner immateriellen Prämie bzw. seiner herrschaftsfreien Kontrahierbarkeit
durch Belastung und Verpfändung zu entsprechen. (Ebd., S. 91).Freie
Belastbarkeit und freie Verpfändbarkeit sind die Prämie des Eigentqms,
die einen Schuldner zur Ökonomisierung von Ressourcen zwingen. Er muß
nämlich - wie noch zu zeigen - den Zins für den Verzicht des Gläubigers
auf dessen Eigentumsprämie erwirtschaften und zugleich den Tilgungsbetrag,
um seine Eigentumsprämie wiederzugewinnen, die er durch Verpfändung
aufgegeben hat. Das Besondere an dieser Operation besteht nun darin, daß
der Status des Besitzes an Ressourcen, deren Eigenturnseite ihnen überhaupt
erst die ökonomische Grundlage liefert, nicht verändert wird. Gegen
das Credo der Neoklassik, die im Kredit physische Nutzungsrechte an Gütern
von Gläubigern auf Schuldner übertragen sieht, sind es gerade diese
Nutzungsrechte, die nicht übertragen werden. (Ebd., S. 91-92).Anders
als die universelle und ewige Größe des Besitzes liefern mithin die
Besonderheiten des Eigentums den entscheidenden Bruch zur Organisation der materiellen
Reproduktion in Stammes- und Befehlsgesellschaft. Vor allem bei der wirtschaftlichen
Verteidigung des Eigentums, bei seiner Mehrung und bei der Vollstreckung gegen
es entstehen alle entscheidenden ökonomischen Operationen. Das
stammesgriechische und auch das feudalmykenische Haus (= oikos), das lediglich
genutzt wurde, wird - wie zu zeigen - in der Polis als »Eigentum«
einem Netz von Vertragsrechten (= nomoi) unterworfen, das nun jene Wirtschaft
herbeizwingt, die der Öko-Nomie ihr Thema stellt. (Ebd., S.
92).Das Eigentum ist nicht definiert durch die Anzahl seiner Halter,
ob es also einem Einzelnen oder einem Kollektiv gehört. Das kann nicht deutlich
genug betont werden, da in der Theoriegeschichte dieser Halterstatus immer wieder
in die Definition von Besitz und Eigentum eingeflossen ist. Kollektive von Haltern
gelten gerne als Beweis für die Aufhebung von Eigentum, während Individuen
oft exklusiv mit Eigentum assoziiert werden. Selbstverständlich können
aber auch Genossen Eigentum halten, ohne diese Basis für das Wirtschaften
damit im geringsten zu unterminieren. (Ebd., S. 92).Exemplarisch
für solche Konfusionen möge Marx herangezogen werden, der in den »Kooperativfabriken
der Arbeiter selbst«, vor allem aber in der »Bildung von Aktiengesellschaften
... die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum«, das heißt den
evolution ären Übergang zu einer sozialistischen Produktionsform sah:
»Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb
der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein sich selbst aufhebender
Widerspruch, der prima facie als bloßer Übergangspunkt zu einer
neuen Produktionsform sich darstellt. .... Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle
des Privateigentums.« (Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, Buch III, 1867,
a.a.O., S. 456 / 452 / 454). (Ebd., S. 92).Richtig ist, daß
die juristische Person »Aktiengesellschaft« anders aussieht als natürliche
Personen. Richtig ist auch, daß nur die juristische Person »Aktiengesellschaft«
mit ihren Aktiva haftet. Für die Aktionäre als natürliche Personen
bedeutet dies, daß bei Verlusten der Gesellschaft auf ihre Anteile an derselben
keine Erträge (Dividenden) fallen und/oder der Wert dieser Aktien sinkt.
Mit dem übrigen Teil ihres Eigentums haften sie für die Aktiengesellschaft
in der Tat nicht. Beide Vermögensteile jedoch sind Eigentum, und die Gläubiger
wissen, daß sie die Aktiva der Aktiengesellschaft nicht mit dem übrigen
Eigentum der Aktionäre verwechseln dürfen. Von einer Aufhebung der Kontrolle
durch das Eigentum kann mithin keine Rede sein. (Ebd., S. 93).Es
mag überraschend wirken, wenn wir die Nichtthematisierung oder Verwischung
der Differenz von Eigentum und Besitz behaupten, obwohl sowohl Klassik wie auch
Neoklassik gesehen haben, daß Eigentümer und Besitzer sehr oft in einem
Gegenüber von Auftraggeber und Agent stehen. Die bekanntesten Fälle
liefern dabei die Beziehungen zwischen Grundeigentümer und Pächter,
Aktionär und Manager oder Vermögenseigentümer und Bank als Vermögensbesitzer.
Die Literatur zu diesen Beziehungen fließt selbstredend reichlich. Im Ergebnis
besagt sie lediglich, daß der Eigentümer als Rentier seine eigentlichen
ökonomischen Funktionen an jemand anderen delegiert hat. (Ebd., S.
93).Am ehesten hat unter den Ökonomen noch Karl Marx eine
blitzhaft aufleuchtende und dann ebenso schnell wieder entfleuchende Ahnung davon
verspürt, was es ökonomisch heißen könnte, daß »der
Einzelne verlieren kann sein Eigentum.» (Karl Marx, Grundrisse der Kritik
der politischen Ökonomie, 1857/1858, Teil III, S. 394). Die kostbare
Ahnung besteht darin, daß am Ende desselben Abschnitts unvermittelt - und
nicht wieder ernsthaft aufgegriffen - »die Verschuldung etc.« aufgeführt
wird. Daß zwischen der Gefahr des Eigentumsverlustes und der Verschuldung
ein eiserner Konnex besteht, aus dem alles Wirtschaften zu erklären ist,
hat er niemals gesehen. (Vgl. Gunnar Heinsohn, Privateigentum, Patriarchat,
Geldwirtschaft, 1984, S. 160). Der Grund dafür liegt wiederum im Kernfehler
aller Ökonomen, Besitz und Eigentum nicht korrekt unterscheiden zu können.
Marx sieht bereits, daß er Stamm und Feudalismus anders behandeln muß
als die Polis. Er erkennt dadurch, daß im antiken Feudalismus (der
»orientalischen Form«) »dies Verlieren kaum möglich«
ist. Daraus schließt er aber nicht etwa auf die Abwesenheit von Eigentum,
sondern redet sogar für Stammesgesellschaften ungeniert von solchem: »Dieses
Verhalten als Eigentümer ... setzt voraus ein bestimmtes Dasein des Individuums
als Glied eines Stamm- oder Gemeinwesens.» (Ebd., S. 395). (Ebd.,
S. 93-94).Diese Fehlverortung von Eigentum unterläuft Marx,
obwohl er für die »Stadtgemeinde«, also die griechische Polis
und die römische Civitas, deren Herausbildung uns weiter unten beschäftigt,
zu sehen vermag, daß ihre »ebenbürtigen Bürger ... Eigentümer«
sind. Er sieht sogar, daß in Gesellschaften der orientalischen Form oder
eines Stammes, »der Einzelne nie zum Eigentümer, sondern nur zum Besitzer«
wird. (Vgl. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie,
1857/1858, Teil III, S. 393). Da er bei Abwesenheit des ungebundenen Einzelnen
seinem Kollektiv das Eigentum zuspricht, wird ihm dieses zu einer ewigen
Gegebenheit aller Gesellschaftsformen. Marx kann sich schlichtweg nicht vorstellen,
daß Eigentum in einer Gesellschaft überhaupt nicht vorhanden ist. Darin
ähnelt er - wie noch zu zeigen - den marxistischen Herrschern des 20. Jahrhunderts,
die nach der Abschaffung des Privateigentums mit der Konstruktion eines »Volkseigentums«
dem Glauben anhingen, daß Eigentum - und sei es als kollektives - einfach
immer vorhanden sei. (Ebd., S. 94).Am Eigentum interessiert
Marx lediglich, ob es Einzelnen oder Kollektiven zugeordnet wird. Von ökonomischer
Relevanz aber ist - unabhängig von dieser Zuordnung - der Gegensatz von Eigentum
zum Besitz. Dieser Gegensatz besteht darin, daß Eigentum frei verkauf- und
blockierbar ist, was mit Besitz eben nicht gemacht werden kann. Wo immer Besitztransaktionen
erfolgen, müssen Güter bewegt und ihre Nutzung übertragen werden.
Eigentumsoperationen verbleiben diesseits solcher Transaktionen. Sie ermöglichen
erst das kreditgetriebene Wirtschaften, ohne daß Gläubiger und
Schuldner bei Belastung bzw. Verpfändung ihrer Nutzungsrechte verlustig gehen.
(Ebd., S. 94-95).Eigentum und Besitz haben - anders als Marx es
sieht - gerade gemeinsam, daß sie sowohl individuell als auch kollektiv
zugeordnet sein können. Gegensätze und Gemeinsamkeiten von Eigentum
und Besitz nicht scharf herausarbeiten zu können, verdirbt mithin auch Marx
einen möglichen Einstieg in die Mechanismen der Eigentumswirtschaft.
(Ebd., S. 95).Auch Marx macht letzten Endes die ganz besondere
und überdies höchst bedrohliche Freiheit der »Ebenbürtigen«
aus der Polis deshalb theoretisch nicht fruchtbar, weil er den Tausch -nicht
anders als die von ihm kritisierten Klassiker -an den Beginn des Wirtschaftens
stellt. Daraufhin trübt sich der Blick auf das Eigentum und seine Verlierbarkeit
unwiederbringlich. Über das Tauschparadigma gelangt Marx mit allen übrigen
Ökonomen in dasselbe Boot. Das Tauschparadigma aber ist wiederum verbunden
mit der Überzeugung, daß der kalkulatorische Umgang von Individuen
mit einem ihnen vorgegebenen Ressourcenbesitz Alpha und Omega des Wirtschaftens
ausdrücke. (Ebd., S. 95).
2) Die Unauffindbarkeit von Eigentum in Stammes- und Befehlsgesellschaft
Der
Glaube an Vorteilsuche im Markttausch als wichigsten Antrieb und zugleich zentralen
mechanismus der Wirtschaft. deruns schon an der Neoklassik zu beschäftigen
hatte, ist ... nicht dem Marxschen Verstande entsprungen, sondern stammt bereits
von Adam Smith (einem der ersten Klassiker also; Anm. HB),
der im Jahre 1776 die vorteilsuchende Betätigung des Menschen als »Folge
eines gewissen Hanges der menschlichen Natur« auffaßte, »des
Hanges zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln«.
(Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes,
1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17). Dieser Sicht eines immer schon dagewesenen
Homo oeconomicus ist ausdrücklich Karl Polanyi entgegengetreten: »Eine
Unzahl von Autoren, die sich mit Nationalökonomie, Gesellschaftsgeschichte,
Staatswissenschaft und allgemeiner Gesellschaftswissenschaft befaßten, waren
den Spuren von Smith gefolgt und übernahmen sein Paradigma vom Tauschhandel
treibenden Wilden als ein Axiom für ihre jeweiligen Wissenschaften. Im übrigen
waren Adam Smith' Behauptungen bezüglich der wirtschaftlichen Psychologie
des Frühmenschen ebenso falsch wie Rousseaus Auffassungen über die politische
Psychologie der Naturmenschen.» (Karl Paul Polanyi, a.a.O.). (Ebd.,
S. 97-98).Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) hatte in seiner berühmten
Attacke gegen das Privateigentum, das die an sich perfekte Natur des Menschen
durch Stiftung der Ungleichheit korrumpiert habe, unter dem Titel Diskurs über
den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen (1755) geschrieben: »Der
Erste, dem es in den Sinn kam, ein Grundstück einzuhegen und zu behaupten
Das gehört mir und der Menschen fand, einfältig genug, ihm
zu glauben, war der eigentliche Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.«
(Ebd., a.a.O.). Wir werden weiter unten in diesem Kapitel sehen, daß es
gerade der von Rousseau bewunderte Drang nach Gleichheit gewesen ist, der die
Revolution zum Privateigentum beflügelte, wohingegen eine Ungleichheit sein
vorab nicht erwartetes und ökonomisch dann so folgenreiches Ergebnis gewesen
ist. (Ebd., S. 98-99).Zum Tausch als solchem allerdings hatte
sich mit Aristoteles schon ein Bürger der altgriechischen Eigentumsgesellschaft
geäußert. Seine ökonomische Analyse setzte bei den menschlichen
Grundbedürfnissen an, die angeblich in einer ersten Gemeinschaft,
dem Haus (oikos), noch tauschfrei durch eine sogenannte Subsistenzwirtschaft
mit ihren fünf natürlichen Aneignungsweisen - Viehzucht, Ackerbau, Jagd,
Fischfang und Raub - befriedigt wurden. Erst bei Erweiterung der Gemeinschaft
über das Haus hinaus zum Dorf konnten jedoch auch über den Tag hinausreichende
Bedürfnisse befriedigt werden. Dafür mußte eine Spezialisierung
eintreten, und anschließend konnte dann der Austausch von Gebrauchsgegenständen
beginnen. (Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, V, 1133a12-1134a; Politik
I, 1252b, 1256a-1257a). An einen biologischen Tauschhang oder gar ein Interesse
an einem Überschuß durch Tausch -an die neoklassische Vorteilsuche
- dachte der Grieche dabei aber nicht. (Ebd., S. 99).Deshalb
kann es nicht überraschen, daß Aristoteles auch seinen bloß technisch
gedachten Austausch der Spezialistengüter für eine Erklärung des
Eigentums nicht herangezogen hat. Dessen wirtschaftliche Bedeutung ist ihm dunkel
geblieben, was schon daran deutlich wird, daß es ihm nicht gelingt, Besitz
und Eigentum zu unterscheiden, womit er zum Ahnherren einer grundlegenden Konfusion
der Wirtschaftstheorie avanciert. Da wird das römische Recht, um das die
Wirtschaftstheorie sich zu ihrem Nachteil nicht kümmert - im Unterschied
zum altgriechischen, das für Besitz und Eigentum mit chrema lediglich
ein Wort kannte - viel genauer. Es findet nämlich die der proprietas
- dem Eigentumsrecht - gegenübergestellte Formel possessio in facto non
in iure consistit, das heißt, Besitz besteht in Tatsachen, nicht jedoch
in Rechtstiteln. (Ebd., S. 99).Besitz ... ist eine universelle
Kategorie, die also nicht nur in der Stammes- und der Feudalgesellschaft, sondern
auch in der Eigentumswirtschaft anzutreffen ist. Besitz bedeutet die Ausübung
eines Nutzungsrechts: Die Mitglieder der einzelnen Gesellschaften haben eine konkrete
physische Kontrolle über Ressourcen (Güter). Bei dieser Nutzung sind
die Mitglieder von Stammes- und Feudalgesellschaften gegen willkürliche Eingriffe
im allgemeinen durch Sitte und fixierte Regeln geschützt. (Ebd., S.
102).In der Eigentumsgesellschaft hingegen tritt der Eigentümer
lediglich in besonderen Fällen auf Zeit und per Vertrag die gütermäßige
Nutzung seines Eigentums an einen Besitzer - Pächter, Mieter etc. - ab. Vom
Eigentum bleibt ein Nutzunsgrechte erwerbender Pächter-Besitzer ausgeschlossen.
Die an diesen Titel gebundenen Rechte auf Blockieren für Kredit und auf Verkaufen
gehen also nicht auf ihn über. Die Beziehung des Pächters zum Eigentümer
ist jedoch nicht mehr durch Sitte oder ein Dienst- und Abgabepflichten regelnden
Befehl bestimmt, dem Besitzer in traditionellen Gesellschaften unterliegen, sondern
durch einen Kontrakt, der für die bloße Überlassung des
Besitzes des Eigentümers diesem eine besondere Leistung - Pacht oder Miete
- einbringt. (Ebd., S. 102).
3) Die Ratlosigkeit über die Entstehung der Eigentumswirtschaft
Statt
sich ... Spekulationen anheimzugeben, hätten die modernen Historiker einmal
bei ihren Kollegen aus der Antike nachschlagen können. das gilt heute als
unzeitgemäß, erweist sich aber für die Frage nach der Herausbildung
der Eigentumswinschaft als ausgesprochen fruchtbar. Bei den Gelehrten aus dem
Altenum ist keineswegs von Stammesgesellschaften als Vorläufern der Polis
die Rede, sondern von feudalen Burgherren: Vor der Polis »hatte man
erbliche Königtümer mit gesetzlichen Ehrenrechten« (Thukydides,
Geschichte des Peleponnesischen Krieges, I, 13), verbürgt sich der
Menschheit erster Augenzeugen- und Quellenhistoriker Thukydides (460-400 v.u.Z.).
(Ebd., S. 110-111).Die Sicht einer feudalistischen und nicht stammesgesellschaftlichen
Vorstufe der Polis wurde im Altenum niemals bestritten, sondern etwa vom
Römer Lukrez (99-55 v.u.Z.) ausdrücklich unterstrichen:»Später
erst (nach der Burgenherrschaft) kam das Privateigentum mit dem Gold,
welches die Starken und Schönen der früheren Ehre leicht beraubte.« | (Lukrez
[Titus Lucretius Carus], De rerum natura, 1113-1114). (Ebd., S. 111).»Privateigentum
mit dem Gold« ist selbstredend zu lesen als Privateigentum mit dem Geld,
denn Gold als Schmuck- und Prestigemetall gab es während der feudalen Burgenherrschaft
bereits in großer Vielfalt und beträchtlicher Menge. Daß dem
Eigentum dieser neuen Gesellschaft Geld inhärent ist und es gerade nicht
irgendeinem allemal schon in Stamm- oder Befehlsgesellschaft ablaufenden Tausch
entspringt, ist für die besten Gelehnen der römischen Republik ein ausgesprochen
ernst genommener Befund. Sie wissen, daß sie vom Gelde nur reden können,
wenn sie die Eigentumsverfassung im Auge haben. (Ebd., S. 111).Nun
ist der Wirtschaftsgeschichte die Ablösung eines Feudalismus durch eine Privateigentumsgesellschaft
weder fremd noch rätselhaft und am ausführlichsten an der revolutionären
Umwandlung des mittelalterlichen England zum sogenannten Agrarkapitalismus untersucht
worden! (Ausführlich dazu Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld, Produktivität
und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan, Band 9, Nr.
2, 1981, S. 164-194)). Dieser Prozeß bekommt einen entscheidenden Anstoß
durch die im Jahre 1303 einsetzende sogenannte Kleine Eiszeit. Sie führt
in Grönland und Nordisland zum Ende der Landwirtschaft sowie zu Menschenverlusten.
In England fällt die Weinanbaugrenze um 600 km nach Süden (vom südlichen
Schottland nach Cornwall). In fast ganz Europa fallen die Erträge. Die im
Mittelalter austarierten Abgabepflichten der Leibeigenen werden plötzlich
unerfüllbar. Daraufhin setzt die Epoche der Bauernkriege ein, die im Jahre
1306 mit dem Aufstand von Leibeigenen in Schottland beginnt. Die Große Pest
von 1348 bis 1352 verringert die Zahl der Leibeigenen um durchschnittlich 30 und
regional bis zu 60 Prozent (sogenannte Europäische Bevölkerungskatastrophe).
(Ebd., S. 111-112).Die Bauernkriege werden dann auf ganz unterschiedliche
Weise beendet. Lediglich in England werden nach dem Lollardenaufstand von 1381
Leibeigene in nennenswertem Ausmaß zu Freien, was auch ihre ehemaligen adligen
Herren, die nun ihre »Zwangsarbeiter« verloren haben, in bloße
Eigentümer von Grund und Boden verwandelt: »Der Versuch, die Kontrolle
über das Landvolk zu behaupten oder gar zu erweitern, wurde zur weit verbreiteten
Antwort der Grundherren auf die Krise des Feudalismus in ganz Europa - und zwar
deshalb, weil Arbeitskräfte überall knapp geworden waren. .... In Osteuropa
wurde die Kontrolle über die Bauern verschärft. In großen Teilen
Westeuropas erwarb ein bedeutender Teil des Landvolks nicht nur Freiheit, sondern
gewann faktisch auch freie Eigentumsrechte an einem erheblichen Teil des Bodens.
(Gleichwohl wurden sie von einer sich in diesem Gebiet über den Aufbau des
absolutistischen Staates neu formierenden Aristokratie meist wieder abhängig
gemacht.) .... In England brach das System der Leibeigenschaft zusammen, dennoch
behielten die Grundherren die Kontrolle über Grund und Boden.« (Robert
Brenner, a.a.O.). (Ebd., S. 112).In England werden die feudalen
Herrschaftsbeziehungen zunehmend ersetzt durch ökonomische Kontrakte zwischen
Grundeigentümern, die nur ihre adligen Namen behalten, also faktisch Bürger
wer den, und Freien ohne Grundeigentum, aus denen die freien Pächter und
Lohnarbeiter hervorgehen. Diese Konstellation führt nach einem fast zweihundertjährigen
Kampf zwischen den neuen Bodenbürgern und ihren Pächtern und Arbeitern
einerseits sowie den verbliebenen Feudalherren andererseits im 16. Jahrhundert
zur wirtschaftlichen Überlegenheit Englands in Europa. Der Zwang zur technologischen
Verringerung der nur über Verschuldung erlangbaren Lohngeldvorschüsse
wird für diese überlegene Dynamik verantwortlich, wie wir im Akkumulationskapitel
ausführlich zeigen werden. (Ebd., S. 112-113).Nach und
nach nötigt die englische Entwicklung überall in Europa - zuletzt ab
1861 auch in Rußland (aber nur teiweise und vorübergehend!
Anm. HB) und ab 1868 in Japan - zur Einführung des Eigentums an Grund
und Boden. .... Im zwanzigsten Jahrhundert macht sich vor allem Südostasien
(Südkorea, Taiwan u.s.w.) durch eine Bodenreform in die Eigentumsgesellschaft
auf und überholt schnell die realsozialistischen Staaten der Zweiten und
die Entwicklungsländer der Dritten Welt. In Ostasien
selbst wird die Überlegenheit der Eigentumsstruktur dadurch besonders deutlich,
daß etwa die Philippinen, die nach 1945 mehr Pro-Kopf-Entwicklungshilfe
als irgendein anderes asiatisches Land bekommen hatten, dennoch rückständig
blieben, weil sie bis vor kurzem keine nennenswerte Bodenreform zum Eigentum durchzuführen
vermochten. (Ebd., S. 113).Es ist also nicht eine spezifisch
ostasiatische - im Schlagwort Japan lncorporated u.s.w. persiflierte -
Industriepolitik, die das sogenannte Wirtschaftswunder dieser Region bewirkt hat.
Im empirischen Vergleich mit den alten Geldwirtschaften des Westens hat sich gezeigt,
daß die ostasiatischen »Tiger« durch besonders geringe staatliche
Eingriffe in die Verwendung des Eigentums und der Einkommen gekennzeichnet sind:
Dieser Befund hat sich in einer Untersuchung über die wirtschaftliche Entwicklung
von 102 Ländern im Zeitraum von 1975-1995 bestätigt. Je größer
während dieser Periode die ökonomische Freiheit eines Landes war, desto
größer fiel das ökonomische Wachstum pro Kopf aus. Freiheit ist
dabei definiert als Schutz legal erworbenen Eigentums und die Möglichkeit
es frei zu nutzen und zu veräußern, ohne die Eigentumsrechte anderer
zu beeinträchtigen. Ganz ähnlich zeigt der Ende 1995 vom Heritage
Trust (Washington) vorgelegte »Index für wirtschaftliche Freiheit
für 142 Länder, daß der einzige Weg zu Wachstum und Wohlstand
über eine freie Wirtschaft führt.« (I. Rohwedder, Wie der Index
für wirtschaftliche Freiheit Investoren die besten Claims zeigt, in:
Welt am Sonntag, 21.01.1996, S. 41). (Ebd., S. 113-114).In
Amerika ist das Realexperiment der Eigentumsschaffung bereits viel früher
als in Asien durchgeführt worden. Der am spätesten europäisierte
Norden (die heutigen USA und Kanada) hat Eigentums- und Freiheitsrechte umgehend
und radikal durchgesetzt und damit den halbfeudalen lateinischen Raum sehr schnell
überholt. (Ebd., S. 114).
4) Die Eigentumsprämie: Die Potenz der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit
Es
kann kaum deutlich genug betont werden, wie eklatant das an revolutionäre
Männer gelangte Grundeigentum sich vom Besitz an beweglichen Gütern
- wie etwa Speeren oder Kanus - unterscheidet, die als Produkte eigener Arbeit
selbstverständlich bereits von den Männern und Frauen in der Stammesgesellschaft
respektiert wurden. Über Stammesland jedoch kann dort niemand nach eigenem
Belieben verfügen, und erst recht kann er mit ihm nicht haften, mit ihm kreditieren
oder es gar verkaufen. Auch kann niemand in es vollstrecken. Verlieren kann man
das Stammesland an siegreiche Gegner, aber auch durch freiwillige oder von der
Natur erzwungene Aufgabe. Für die Funktionen des Grundeigentums - Verpfänden,
Verpachten, Verkaufen u.s.w. steht es nicht zur Verfügung. (Ebd., S.
122).Das Eigentum einzelner freier, aber zunächst gerade nicht
gütermäßig reicher, sondern armer Männer in dieser neuen
Gesellschaft unterscheidet sich aber auch vom Besitz großer Männer
der Feudalgesellschaft. (Ebd., S. 122).Die Verwechslung von
Eigentum und Besitz beherrschte bereits die berühmte Debatte über Sozialismus
und Kapitalismus. .... Diese vor dem Eigentumm blinde Auseinandersetzung führte
zur Verharmlosung des Unterschieds zwischen beiden Systemen, indem der Sozialismus
als »zentral geleitet Wirtschaft« und der Kapitalismus als dezentrale
»Verkehrswirtschaft« klassifiziert wurde (vgl. Walter Eucken, Die
Grundlagen der Nationalökonomie, 1940, S. 93). Auf zentrale versus
dezentrale Wirtschaftspläne schrumpfte die Differenz zwischen beiden Gesellschaften.
Die Konsequenz dieses Denkens bestand dann darin, daß der als »Kollektiveigentum«
falsch verstandene Staatsbesitz der Sowjetunion und das unstrittige Eiegntum unter
dem Nationalsozialismus in ihren Auswirkungen auf den Wirtschaftsprozeß
»nicht wesentlich verschieden« seien. Hier wie dort sei für die
Ökonomie entscheidend gewesen, daß die Pläne einer Zentrale und
nicht einzelner Betriebe den entscheidenden ökonomischen Einfluß gehabt
hätten (und das ist falsch; Anm. HB).
(Ebd., S. 126-127).Auch in der neoklassischen Theorie der property
rights mißlingt beispielsweise die Abgrenzung des sozialen Umverteiluingsstaates
à la Schweden vom nationalszialistischen Staat, wenn die Differenz darin
gesehen wird, daß die Entscheidungsrechte über Ressourcen bei ersteren
von privateigentümern und bei letzteren von regierungsagenten exekutiert
worden würden (und das ist falsch; Anm. HB).
Der Gegensatz zwischen beiden Gesellschaften wird auf den Gegensatz zwischen Privateigentum
und Staatseigentum reduziert (und das ist falsch; Anm. HB).
(Ebd., S. 126-127).Wenn deutlich geworden ist, daß die Heraufkunft
von Eigentum und Freiheit keiner ökonomischen oder gar historischen Gesetzmäßigkeit
geschuldet ist, muß sich umgehend die Frage ergeben, warum ... gerade ...
Athen und Rom oder ... England ... Eigentum und Freiheit so radikal entwickelten.
Diese Fragen können nur mit Hilfe von Detailuntersuchungen beantwortet werden,
die der historischen Zufallskonstellation ihr Recht lassen müssen. Der neoklassischen
Idee jedoch, daß »private property rights« aus einem »genetisch
verankerten biologischen Instinkt zur besseren Kontrolle von immer mehr Ressourcen«
(Armen Albert Alchian, a.a.O.) entstanden seien, können dabei keine Zugeständnisse
gemacht werden. Da Genetik überall am Werke ist, bliebe ja unverstehbar,
warum sie nur an so wenigen Orten und zu so seltenen Zeitpunkten eine Landaufteilung
zu Eigentum herbeizuführen vermochte. Richtig allerdings ist, daß Kinder
»bis zum dritten Geburtstag ... ein Gefühl für den Besitz entwickeln.«
(Armen Albert Alchian, a.a.O.). (Ebd., S. 128-129).Die Existenz
eines solchen Gefühls muß tatsächlich auch bereits dem Neandertaler
zugebilligt werden, ist also für jede Form der materiellen Reproduktion von
Anfang an in Rechnung zu stellen und insofern trivial. Der Neoklassik ist dabei
gar nicht entgegenzuhalten, daß sie ohnehin nicht von Eigentum redet, sondern
bloßen Besitz meint, wenn sie von »property rights« spricht.
Denn dort, wo Eigentum ist, gibt es Besitz ja weiterhin. Gleichwohl impliziert
eine dubiose genetische Besitzherleitung keine Erklärung dafür, wie
sich Eigentümer verhalten. Wenn ein Gläubiger einem zinsverpflichteten
Schuldner Anrechte auf sein Eigentum zeitweilig überläßt, kann
er sich für diese Operation auf Genetik gerade nicht berufen. So viel hat
ja schon Aristoteles gesehen, als er zwar die Gründe des Zinses für
Kredit nicht verstand, ihm aber ankreidete, daß er als »Geld vom Geld
... am meisten der Natur zuwiderläuft.» (Aristoteles, Politik,
I, 1258a). (Ebd., S. 129).Der Rückbezug auf die Genetik
ist insofern überraschend, als andeutungsweise ja bereits ein Gründungsvater
der Neoklassik, Carl Menger, versucht hat, das Eigentum daraus zu erklären,
daß es Gewalttätigkeiten verhindere,die aus dem Mißverhältnis
von Bedarf nach und Besitz von Gütern entsprängen. (Vgl. Carl Menger,
Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 1871, S. 55). (Ebd., S.
129).Wenn die kühnen Gründer von Polis und Civitas
auch nicht historischen, ökonomischen oder gar biologischen Gesetzmäßigkeiten
folgten, so standen sie dennoch unter dem Einfluß übergreifender Ursachen,
die auch dort wirkten, wo Revolutionen zum Eigentum ausblieben oder scheiterten
oder wo lediglich Putsche mit Auswechslung der Feudalherren erfolgten. Die
Umstände der sogenannten Achsenzeit (vgl. Karl Jaspers, Vom Ursprung und
Ziel der Geschichte, 1949) mögen immerhin durchsichtig machen, warum
Revolutionäre nicht schon früher ihren Aufstand begannen, wenn sie auch
nicht erklären können, warum andernorts die Chance ungenutzt verstrich.
Weltweit regierten die feudalen Herren der ersten Stufe der Hochkultur (Bronzezeit)
nicht mit Betrug und Gewalt, sondern hatten als opfernde Priesterkönige Bevölkerungen
zu beruhigen, die sich vor den Katastrophen (Kataklysmen [**|**])
fürchteten, welche die Bronzezeit ... durchzogen. Die mykenischen Ruinen,
auf denen die polis erbaut wurde, waren vom letzten dieser Kataklysmen zerschmettert
worden. Danach schwand die Angst und damit auch die Bereitschaft, heilsbringende
Führer zu versorgen. (Ebd., S. 130-131).Gerade die sorgfältigen
Altertumswissenschaftler haben diesen eruptiven Übergang vom Feudalismus
der kataklysmischen (**|**)
Bronzezeit zur Eigentumsrepublik gespürt, auch wenn die »Dunklen Zeitalter«
der modernen Chronologen sie hinderten, ihn explizit ins Auge zu fassen. Für
die antiken Historiker hingegen - wie etwa Varro - war dieser dramatische Übergang
Gewißheit: »Nach Varros Bericht gibt es nämlich drei Zeitalter
der Geschichte, das erste reicht vom Beginn der Menschheit bis zum ersten Kataklysmos,
und da man über diese Zeit nichts weiß, heißt sie die ungewisse
(modern: Steinzeit). Das zweite Zeitalter geht vom ersten Kataklysmos bis zu den
ersten Olympischen Spielen (776 v.u.Z) und zugleich letzten Kataklysmos
und weil aus dieser Zeit viel Sagenhaftes berichtet wird, nennt man sie mythische
(modern: Bronzezeit). Das dritte Zeitalter dauert von den Olympischen Spielen
(776 v.u.Z) bis auf unsere Zeit, von dem man als historischem (modern:
Eisenzeit) spricht, da die Ereignisse dieser Zeit durch echte historische Überlieferung
erfaßt sind.« (Cernsorinus, De die natali liber, 21, 1).
(Ebd., S. 131).Die moderne Archäologie hat Varros Aussagen
über die kataklysmische (**|**)
Bronzezeit glänzend bestätigt. Für den gesamten vorderasiatischen
Raum heißt es für diese Periode des Priesterfeudalismus: »Unsere
Untersuchung hat erbracht, daß die aufeinanderfolgenden Verwerfungen, welche
die Epochen des 3. und 2. Jahrtausends einleiteten und beendeten, nicht durch
Menschenhand herbeigeführt wurden. Im Gegenteil: Verglichen mit dem Ausmaß
dieser allumfassenden Krisen und ihren tiefgreifenden Folgen wirken die Großtaten
militärischer Eroberer und die Anschläge politischer Führer geradezu
unbedeutend.« (C. F. Schaeffer, a.a.O.). Auch für den europäischen
Nordostmittelmeerraum bestätigt sich dieser kataklysmische Befund: »Archäologische
Forschungen bringen Katastrophen ans Licht, können uns aber nicht sagen,
was dazu geführt hatte oder wer beteiligt war.« (M. I. Finley, a.a.O.).
(Ebd., S. 131).Auch das katastrophische Ende des »mythischen«
(**)
Feudalzeitalters sieht die heutige Archäologie ganz wie Varro. »Von
Thessalien im Norden bis Lakonien und Messenien im Süden wurde mindestens
ein Dutzend Burgen und Palastanlagen vernichtet. .... Über das Ausmaß
der Katastrophe auf dem Festland besteht kein Zweifel. Es wäre allerdings
mißverständlich, einfach vom Ende oder der Zerstörung einer Kultur
zu sprechen, ohne den Begriff zu erläutern. Unter Zerstörung verstehen
wir zunächst einmal die Vernichtung der Palastanlagen und ihrer Befestigungswerke.
Mit ihnen ging vermutlich die besondere pyramidenförmige Gesellschaftsordnung
dahin, die diese Bauten in erster Linie hervorgebracht hatte. .... Mit den Palästen
war es so gründlich vorbei, daß es sie auch später in der Geschichte
des antiken Griechenlands nie wieder gegeben hat. .... Die mykenische Gesellschaft
hatte ihre führende Schicht verloren.« (M. I. Finley, a.a.O.).
(Ebd., S. 132).
5) Zusammenfassung
Die Untersuchung der Entstehung von Eigentum,
das in Stammes- und Feudalgesellschaften fehlt, obliegt der Historiographie. Die
Analyse der Wirkungen von Eigentum liefert hingegen der Wirtschaftstheorie
ihre Aufgabe. da die Eigentumsentstehung ... bisher für unerklärbar
gehalten wird, war ihre historiographische und archäologische Rekonstruktion
in unserer Grundlegung der Wirtschaftstheorie in aller Kürze zu resümieren.
(Ebd., S. 135-136).Eigentum hat es - anders als diese Schulen glauben
- nicht von Beginn der Menschheitsgeschichte an gegegeben. .... Die Verwechslung
von Besitz und Eigentum sorgt immer wieder dafür, daß diese für
die Entstehung des Wirtschaftens so entscheidenden Epochenbrüche niemals
wirklich deutlich ins Blickfeld geraten. (Ebd., S. 136).Was
das eine - Eigentum - mit dem anderen - ökonomische Kontrakte - zusammenhängen
könnte, gilt nun nicht nur für die Wirtschaftsgeschichte, sondern auch
für die Wirtschaftstheorie als schmerzliches Rätsel. (Ebd., S.
137).Die wirtschaftsgebärende Bedeutung des Eigentums bleibt
deshalb unerkannt, weil die klassisch und neoklassisch geprägte ökonomische
Forschung auf Ressourcen und ihre Gütergestalt fixiert ist. (Ebd.,
S. 137).Die Schaffung von Eigentum ist jedoch kein Schritt, der
an den Gütern etwas verändert. (Ebd., S. 137).Das
Wirtschaften entsteht ... aus der absoluten Dispositionsfreiheit des Eigentümers,
die zwar kein Recht auf Mißbrauch einschließt, ihn aber nicht auf
Besitz und die damit verbundenen materiellen Nutzungsrechte beschränkt.
(Ebd., S. 138).Diese Freiheit hat ihre wichtigsten ökonomischen
Bestandteile in den Rechten auf Belasten, verpfänden und Verkaufen von Eigentum.
.... Für diese eigentlich ökonomische Sphäre gilt nicht
das Sachenrecht, für das die güternutzende Sphäre des Besitzes
zuständig ist, sondern das Schuldrecht. Juristen, denen - anders als
den Ökonomen - der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz bekannt ist,
haben gleichwohl Schwierigkeiten damit, das Eigentum nicht ausschließlich
an Sachen festzumachen, also auch (und vor allem) im Schuldrecht zu verorten.
So wird beispielsweise im BGB die Kategorie des Eigentums (als Gegenposition zu
der des Besitzes) nur im Sachenrecht behandelt, während sie im Schuldrecht
nicht auftaucht. Dort wird lediglich von Kategorien wie »Forderungen«
und »Vermögen« gesprochen, allerdings ohne zu erklären,
daß es sich dabei um Eigentumstitel handelt. (Ebd., S. 138).An
der Verpfändung von Eigentum als Kreditsicherheit und an seiner Belastung
für Geldemission wird unmittelbar deutlich, daß hier nicht Güter
bewegt oder genutzt werden, vor allen Dingen nicht - wie die Neoklassik glaubt
- in einem Kreditvertrag. Das zeigt sich besonders daran, daß auch Forderungen
des Schuldners gegenüber Dritten selbstredend als Kreditsicherheit fungieren
können. Dabei bleiben dem Verpfänder aber die Erträge aus seinen
Forderungen. Lediglich wenn ein Nutzungspfand (wie heute noch in §
1214 BGB) gesondert vereinbart wird, gehen die Erträge aus dem Pfand an den
Gläubiger über, müssen aber mit den Verpflichtungen des Schuldners
(Tilgung und Zins) verrechnet werden. Überdies kann sich der Gläubiger
eines UnternehmerSchuldners im voraus den Erlös zukünftigen Warenverkaufs
auf dem Wege des sogenannten verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten
lassen. (Ebd., S. 138-139).Lediglich bei Inanspruchnahme
des Verpfändeten durch Vollstreckung erfährt Eigentum eine Statusveränderung,
die wiederum nichts mit irgendeiner physischen Inanspruchnahme zu tun hat. Der
immaterielle Charakter der Eigentumsverpfändung verweist darauf, daß
es niemals beim Kreditieren um zu nutzende neoklassische Güter, sondern um
Geld geht, wobei dieses keine Ressourcen in einem intertemporalen Tausch einkleidet,
sondern Anrechte auf Eigentum überträgt. (Ebd., S. 139).Der
für die Erlangung des Geldes zur Auflösung der Kreditkontrakte notwendige
Verkauf hat ebenfalls nichts mit einem geldvermittelten atemporalen Gütertausch
zu tun. Er erzwingt vielmehr eine Produktion von Waren (nicht Gütern). Diese
ergeben sich als etwas Neues und nicht aus der Nutzung zeitweilig überlassener
Ressourcen. Weil er Eigentum verpfändet hat, kann er sich mit im Kredit überlassenem
Geld Ressourcen aneignen und in mehr Eigentum verwandeln. Es muß also keine
Ressourcen einkleidendes Geld vorab gespart werden, damit nachher Produktion in
Gang kommen kann. Eigentum muß vorab geschaffen sein, damit es nachher für
die Geldschaffung belastet und für den Kredit verpfändet werden kann.
(Ebd., S. 139).
C) Das Kapitel vom Zins: Die Eigentumsprämie als Schlüsselgröße
für das Wirtschaften
1) Das Übersehen des Zusammenhanges von Zins und Eigentum im Chaos
der Zinstheorien
Es ist ... - durch Möglichkeit des Eignetumsverlustes
- spezifisch prekäre Existenz der Eigentümer, die ein notgedrungenes
Interesse an der Vermeidung von Vertragsbrüchen erstmals konstituiert. Damit
wird einer gängischen neoklassischen Lehrmeinung diametral widersprochen,
die eine Nichtgesellschaft gerade durch »den Mangel an wechselseitigen
Vertrauen« (P. de Gijsel, a.a.O.) charakterisiert glaubt. Erst gegen
Vertragsbrecher der Eigentumsgesellschaft werden jedoch rechtliche Regelungen
und ihre Justizinstanzen immer massiver ausgebaut. Gerade in der regelrecht heiligen
Gesittung und strengen Ordnung von Nichteigentums-Gesellschaften also wäre
ein vorteilsuchender Gütertausch, wenn es ihn denn gäbe, besonders reibungslos
und sicher abzuwickeln. (Ebd., S. 147-148).Die prekäre
Lage von Eigentümern übersehen auch Monetärkeynesianer, die sich
bei der Definition einer Ökonomie mit Eigentum von dem Allgemeinen Gleichgewichtstheoretiker
Debreu nur dadurch unterscheiden, daß sie seinen Konsumentenhaushalt als
entscheidenden Agenten des Wirtschaftsprozesses durch die Figur des Vermögensbesitzers
ersetzen. Werden bei Debreu »Ökonomien mit Privateigentum« als
»Ökonomien untersucht, in denen die Konsumenten die Ressourcen besitzen
und gleichzeitig die Produzenten kontrollieren« (G. Debreu, a.a.O.), so
heißt es bei Rüdiger Dragendorf ganz entsprechend: »Es wird eine
Ökonomie betrachtet, in der Eigentumsverhältnisse und die funktionelle
Zuordnung der Wirtschaftssubjekte eindeutig geregelt sind. Die Vermögensbesitzer
halten alle Ressourcen und kontrollieren die Produzenten, die als technische Sachwalter
der Eigentümer die Produktion dezentralleiten und dabei neben Produktionsmitteln
auch Arbeit einsetzen. .... Eine solche Ökonomie wird als Private-Ownership-Economy
bezeichnet.« (Rüdiger Dragendorf, Zinsrate und Profitrate in der
[neu-]klassischen und keynesianischen Theorie, in: Ökonomie und Gesellschaft,
Band 6, 1988, S. 121-147, hier: S. 123). (Ebd., S. 148).Sowohl
die Neoklassik wie auch der Monetärkeynesianismus betreiben hier ein begriffliches
Verwirrspiel. Vage spürend, daß in ihrer - jeweils aus ganz eigenen
Axiomen deduzierten - Wirtschaft am Ende doch Eigentum die maßgebende Rolle
spielen könnte, hantieren sie mit diesem Begriff keineswegs beiläufig,
wenden ihn aber - was nicht erkannt wird - durchgehend auf Besitz an. Sie interessieren
sich für saubere Rollenverteilungen eines alles in allem bloß technisch-praktisch
definierten Wirtschaftssystems. Tatsächlich spielen Eigentümer nicht
unterschiedliche Rollen in einem System, sondern konstituieren durch den Einsatz
ihrer Eigentumsprämie für Belastung und Verpfändung überhaupt
erst das Wirtschaften, das in beiden Schulen schlicht vorausgesetzt und deshalb
gar nicht erst untersucht wird. (Ebd., S. 148-149).Wir
haben bereits im Eigentumskapitel
gesehen, daß güterbasiert es Leihen und Verleihen zwischen Besitzern
aus Stammes- und Feudalgesellschaften selbstredend gang und gäbe sind. Diese
Variante von Leihen, das gerade kein Kredit ist und bei der tatsächlich physisch
nutzbare Ressourcen transferiert werden, ist allgemein menschlich und gibt wirtschaftstheoretisch
keine Probleme auf, gehört also in die völkerkunde und die Soziologie.
Zins jedoch für die Materialisierung der Eigentumsprämie des Gläubigers
und auch Verpfändung als Materialisierung der Eigentumsprämie des Schuldners
sind als Operationen mit bloßen Besitzgütern nicht zu haben. Diese
Potenzen nicht sehen und deshalb nach ihrem Grund im Eigentum auch nichtfragen
zu können, einigt alle bisherige Wirtschaftstheorie. (Ebd., S. 149).Die
Neoklassik weist bei ihrer Verwechslung von Besitz und Eigentum allerdings den
Vorteil auf, daß sie mit dem, was sie als Ökonomie mit Privateigentum
(Debreu) versteht, ausdrücklich »keine Geldtheorie« bietet. »Es
wird (lediglich) angenommen, daß die Volkswirtschaft ohne eine als Austauschmittel
dienende Ware funktioniert.« In dieser Wirtschaft ist auch der Zins einmal
mehr neoklassisch lediglich «die Differenz zwischen dem Wert (eines Gutes
in der Periode) t + 1, den man erhält und dem Wert (eines Gutes in
der Periode) t, den man gibt« (G. Debreu, a.a.O., S. 96f.). In dieser
Aussage wird bezeichnenderweise nicht thematisiert, daß die Differenz zwischen
erhaltenem und gegebenem Wert eines Gutes nur möglich ist, wenn der Schuldner
dem Gläubiger Eigentum verpfändet, damit dieser wiederum Anrechte gegen
sein Eigentum als Geld verleiht. (Ebd., S. 149).Der Monetärkeynesianismus
dagegen betrachtet den Verrnögensbesitzer als »stolzen Besitzer einer
Geldsumme«, der über »die drei Alternativen: Realkapitalhaltung
..., Geldleihe und Geldhaltung« eine Portfoliowahl vornimmt, in der der
Zins lediglich aus dem Verzicht auf Geldhaltung entsteht. (Vgl. Rüdiger Dragendorf,
, Zinsrate und Profitrate in der [neu-]klassischen und keynesianischen Theorie,
in: Ökonomie und Gesellschaft, Band 6, 1988, S. 121-147, hier: S. 136). Der
Neoklassik wird nun nicht etwa vorgehalten, daß an ihren Akteuren keineswegs
die seit Ewigkeiten existierenden Ressourcen von Interesse sind, sondern daß
sie die Hierarchie unter den Eigentümern nicht sieht, die dazu führt,
daß mit Gütern und Ressourcen in einer ganz besonderen Weise umgegangen
werden muß. Dieser Umgang bestehe darin, daß Ressourcen nur über
Geld erworben werden können - Geld, das nur über zinsbelastete, in einem
Geldstandard ausgedrückte Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zu haben ist.
Der Monetärkeynesianismus bewahrt sich - ungeachtet seiner gelegentlichen
Rede vom vorausgesetzten Eigentum - gegenüber dieser prekären Struktur
eine liebenswerte Unschuld. Er beharrt lediglich darauf, daß Geld -dessen
Herkunft dunkel bleibt -das Medium darstelle, mit dem allein die neoklassischen
Ressourcen eingetauscht werden könnten. (Ebd., S. 149-150).Kehren
wir zu den wenigen mit Neugier ausgestatteten Forschern zurück. Was haben
sie am Eigentum, das ihnen zum Beispiel an der Polis vors Auge tritt, gesehen?
Vor allem ist ihnen aufgefallen, daß sich mit ihm umgehend »Kauf und
Kredit« (Humphreys) einstellen. Dasselbe gilt übrigens für die
uns hier nicht weiter beschäftigende mesopotarnische Hochkultur: »Praktisch
alle Kreditverträge ... wurden von Privatpersonen abgeschlossen.« (M.
Silver, a.a.O.). Uns interessiert hier ... nicht die herrschende Überzeugung,
daß im Vorderen Orient die Privateigentumsökonomie zwei Jahrtausende
früher als in der europäischen Antike aufgetreten sei (!).
(Ebd., S. 150).Neoklassiker, die sich direkt auf Zinstheorie spezialisieren,
äußern ein Unbehagen, das der Verstimmung immer mehr historisch orientierten
Kollegen nicht unähnlich ist. Mit einer Vielfalt von Ansätzen konfrontiert,
können sie sich leicht »im Chaos der Zinstheorien verlieren.«
(Friedrich A. Lutz, Zinstheorie, 1956, S. 9). »Es ist eine Eigenart
der Zinstheorie, daß in ihr die Frage, warum es überhaupt einen Zins
gibt, einen breiten Raum einnimmt.« (). In der Lohntheorie wird die entsprechende
Frage in der regel nicht gestellt, weil die Antwort selbstverständlich erscheint.«
(Freidrich A. Lutz, Entwicklung der Zinstheorie, in: Handwörterbuch
der Wirtschaftswissenschaft, Band 2, 1980, S. 541a). Diese Feststellung aus
dem Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, dem einschlägigen
deutschsprachigen Standardwerk, verdient noch zusätzliche Aufmerksamkeit,
weil dem Zins und der Zinstheorie nicht einmal eigene Stichwötrter eingeräumt
werden, sondern die Materie sich unter der Rubrik »Faktorpreisbildung«
versteckt. Dieselbe Auslassung gilt für das einschlägige internationale
Standardwerk, The New Palgrave Dictionary of Economics (1987), wo der Zins
nur in seiner Beziehung zum Profit erörtert wird (»Jnterest and profit«).
Sogar im jüngst erschienenen The New Palgrave Dictionary of Money and
Finance (1992) wird diese Lücke weiter gepflegt. Eine ganze Reihe von
Stichwörtern widmet sich dem Umgang mit und den Erscheinungsformen von Zins.
Er selbst jedoch wird einer Behandlung nicht gewürdigt. Dabei ist auch in
der Neoklassik keineswegs unbekannt, daß hier eher ein Problem versteckt
als ein Phänomen übergangen wird, weil alle es längst verstanden
hätten: »Die Zinstheorie erweist sich seit langem als schwacher Punkt
der Wirtschaftstheorie. Die Erklärung und Bestimmung des Zinssatzes hat zwischen
Ökonomen mehr Uneinigkeit erzeugt als irgendein anderer Zweig der allgemeinen
ökonomischen Theorie.« (Gottfried von Haberler, a.a.O., S. 195).
(Ebd., S. 151-152).Wie hängt nun der Zins mit dem Eigentum
zusammen? Es ist nicht das Verleihen an sich, das ihn zu erklären vermag.
Diese Praxis existierte selbstverständlich auch in Gesellschaften ohne Eigentum.
Theoretisch interessierte Zinsforscher haben gerade deshalb die Hoffnung aufgeben
müssen, ihn an jedweden Akt binden zu können, in welchem einer einem
anderen Güter borgt. Am meisten hatte man sich dabei von Nomadenstämmen
versprochen, weil die Fortpflanzungsfähigkeit verliehener Tiere es noch am
ehesten wahrscheinlich machte, daß ein zinsähnliches Entgelt verlangt
wird. Unter Anwendung der ökonomischen Terminologie der klassischen Schule
auf Stammesgesellschaften konstatiert einer der einfallsreichsten Zins- und Geldhistoriker,
Bernhard Laum (1884-1973), im Hinblick auf die häufig behandelte »Viehleihe«
auf Zeit: »Bemerkenswert ist, daß hier wie dort weniger Gewicht auf
Zins und Zinshöhe gelegt wird. Das Interesse konzentriert sich auf das geliehene
(Vieh-)Kapital.« (Bernhard Laum, Viehleihe und Viehkapital in den asiatisch-afikaischen
Hirtenkulturen, 1965, S. 60). (Ebd., S. 152-153).Ebenso
entnervt wie Laum - und wie dieser ohne jeden Gedanken an den Unterschied von
Besitz und Eigentum - hatte früher schon der erste Name unter den Wirtschaftshistorikern
seiner Zeit, Fritz Moritz Heichelheim (1901-1968), den klassischen und neoklassischen
Ökonomen den Auftrag zurückgegeben, ihre Zinsideen empirisch zu bestätigen.
Zwar konnte ihm ganz in der Manier der Neoklassik fast jedes Gut, das von einem
Stamm zum anderen wechselte, zu »Geld« werden. Dennoch mußte
er einräumen: »Alle die bisher genannten Geldformen (wie bevorzugte
Tauschobjekte, Schmuckgeld, Kleidergeld, Gerätgeld,
Nahrungsmittelgeld) unterschieden sich freilich in der Regel ökonomisch
dadurch von dem heute üblichen Geld, daß man sie nicht auf Zinsen leihen
konnte.« (Fritz Moritz Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums
vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slaven und Araber,
1938, Band 1, S. 62). Das berühmte Viehgeld war nicht einmal an seinem
idealen Entstehungsort nachzuweisen. (Ebd., S. 153).Ungeachtet
des unstrittigen Interesses eines Stammesgenossen am Wiedergewinn verliehener
Tiere und Gebrauchsgegenstände, kann man sagen, daß nicht einmal in
der Viehleihe ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt zustande kommt, der
den Schuldner wenigstens zur Rückzahlung ohne Zins zwingt. Obwohl
hier verliehen wird und auch relativ viel Zeit verstreicht, bevor das Vieh zurückerwartet
wird, kommt es keineswegs zu jener besonderen Art von vertragsrechtlichen Kontrakten,
die in der Neoklassik für intertemporalen Gütertausch als so unverzichtbar
angesehen wird. Die Viehtransaktionen funktionieren auf der bloßen Basis
von Besitzverhältnissen. Die Idee aus der ökonomischen Theorie der Kontrakte,
daß »Verträge und Vertragsrecht wichtig werden, wo die Zeit
lang ist,« (A. T. Kronman / R. A. Posner, a.a.O.) kümmert unsere
nomadischen Viehverleiher nicht. (Ebd., S. 153).Die stammesgesellschaftlichen
Verleiher von Vieh-»Kapital« auf Zeit bringen aber auch eine Zinstheorie
in Verlegenheit, die unter allen Versuchen seiner nicht güterwirtschaftlichen,
sondern monetären Erklärung seit Keynes herausragt, die von Hajo Riese.
Unter Rückgriff auf die Liquiditätsprämie von Keynes geht
er in einer älteren Fassung seiner Zinstheorie davon aus, daß ein »Vermögensbesitzer,
der sein Vermögen mit dem Halten von Geld sichert und mit der Aufgabe von
Geld zu vermehren trachtet«, für seine Bereitschaft, »Geld für
einen bestimmten Zeitraum aufzugeben, ... eine Prämie, den Zins« verlangt.
Weil er wegen »Unvorhersehbarkeit der Zukunft« eine »Unsicherheit
des Vermögensrückflusses« in Rechnung zu stellen habe, halte er
sein »Angebot an Aufgabe von Liquidität« knapp. Diese Knapphaltung
seines Geldvermögens ermögliche es ihm erst, einen Zins als Knappheitspreis
des Geldes zu erzielen, (Vgl. Hajo Riese, Theorie der Inflation, 1986,
S. 54f.). (Ebd., S. 153-154).Unsere Nomaden erfüllen
nun all diese Bedingungen. Der Viehrückfluß ist in der Tat unsicher.
Die Zukunft kennen sie nicht. Und selbst wenn sie die Zukunft kennen und dabei
sicher wissen würden, daß die Schuldner ihre Schuld schuldig bleiben,
müssen sie - anders als im neoklassischen Modell der Zukunftsmärkte,
in dem dann ein Kontrakt nicht zustande käme - dennoch verleihen und das
auch noch ohne Zins. Überdies können sie die Stellung eines Pfandes,
also Sicherheiten nicht verlangen. Ja, sie geben sogar ein weiteres Mal Vieh heraus,
wenn der schon beim erstenmal nicht tilgende Stammesgenosse von neuem darum nachsucht:
»Die Bereitwilligkeit, arm gewordenen Hirten Tiere herzugeben, war bisweilen
so groß, daß der reiche Entleiher durch Verschenken und Ausleihen
seine große Herde bis auf eine geringe Zahl verminderte und gelegentlich
sogar völlig verlor.« (Bernhard Laum, Viehleihe und Viehkapital
in den asiatisch-afikaischen Hirtenkulturen, 1965, S. 47). (Ebd., S.
154).Die Unsicherheit eines Vermögensrückflusses per
se kann also keine Zinstheorie begründen. Dennoch bedarf die Bedeutung
dieses Risikos einer näheren Erörterung. Ihm wird durch die Verpfändung
von Eigentum als Sicherheit für den Gläubiger Rechnung getragen. Fehlen
allerdings solche Sicherheiten oder sind sie nur unzureichend vorhanden, dann
wird - wie auch schon in der Antike üblich - »die Geldleihe ohne besondere
Pfänder zu einem dem Risiko entsprechenden Zinsfuß« vorgenommen.
(Vgl. Fritz Moritz Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums vom Paläolithikum
bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slaven und Araber, 1938, Band 1,
S. 144). Das bedeutet, daß diesem Risiko durch einen gesonderten Aufschlag,
der als Risikoprämie zusätzlich zu dem ihm vorausgesetzten Zins erhoben
wird, Rechnung zu tragen ist. (Ebd., S. 154-155).Wird erwartet,
daß die verfügbaren Sicherheiten des Schuldners Wertschwankungen unterliegen,
dann führt das wiederum nicht zu einem Zins, sondern zu einer anderen Risikoabsicherung
in Form der Beleihungsgrenze. Die Sicherheiten werden nur zu einem bestimmten
Prozentsatz beliehen, aber dennoch in voller Höhe blockiert. (Ebd.,
S. 155).Probleme, die nicht zum Zins, sondern zu einer Risikoprämie
führen, entstehen selbstredend auch bei handelbaren Forderungen, also von
Schuldnern ausgegebenen Titeln. Die Zinshöhe solcher Titel korreliert
eindeutig mit der Bonität - der Eigentumsposition - des Schuldners, liegt
also bei schlechter eingeschätzter Bonität höher als bei gut eingeschätzter.
Überdies werden Schuldtitel gleicher Bonität in Phasen wirtschaftlicher
Unsicherheit zu einem höheren Zins gehandelt. Weder die Bonitätsgrade
noch die allgemeine wirtschaftliche Lage haben mit dem Zins als solchem zu tun.
Bis zu neunzehn Faktoren, die seine Höhe beeinflussen, werden in der zinsprognostischen
Fachliteratur aufgelistet. Der Zins selbst benötigt jedoch eine eigene Theorie.
(Ebd., S. 155).Rieses ältere - und von vielen seiner Schüler
ungebrochen vertretene - Zinstheorie vermag also lediglich aus Risiken erwachsende
Aufschläge zum Zins zu erklären, bleibt aber vor dessen Existenz gänzlich
ratlos. Den Unterschied zwischen Rieses Risikoprämie als der Zins selbst
und Keynes' Liquiditätsprämie auf Geld als angeblicher Bedingung für
Zins, hat letzterer selbst unmißverständlich klargestellt: »Ein
entscheidender Unterschied besteht darin, daß man von einer Risikoprämie
erwartet, daß sie ... mit einem höheren Ertrag am Ende der Leih-Frist
belohnt wird. Von einer Liquiditätsprämie hingegen wird überhaupt
nicht erwartet, daß sie auf diese Weise belohnt wird. Sie ist nicht eine
Zahlung für die Erwartung eines höheren greifbaren Einkommens am Ende
der Frist, sondern für einen höheren Grad an Wohlbefinden und Vertrauen
während der Frist.« (John M. Keynes, a.a.O.). Keynes weiß
also, daß die Prämie für »das Risiko des Gläubiger
... addiert wird ... zum reinen Zinssatz« und mit ihm selbst nichts zu tun
hat. (Vgl. John M. Keynes, a.a.O.). Zur Unterscheidung zwischen Risikoprämie
und Zins hat auch die Neoklassik gefunden: »Immer und überall ist der
Zinssatz für Darlehen mit großem Verlustrisiko höher als der für
ein sicheres Darlehen, das durch wertvolles und handelbares Vermögen abgesichert
ist. Allerdings ist es offensichtlich, daß dies als Aufschlag einer Risikoprämie
auf den herrschenden Zinssatz verstanden werden kann.« (C. J. Bliss, a.a.O.).
(Ebd., S. 155-156).Wir müssen also festhalten, daß der
Zins nicht aus einer wie auch immer gearteten Unsicherheit eines Vermögensrückflusses
oder sonstigen Risiken erklärt werden kann, sondern anderen Ursprungs sein
muß. (Ebd., S. 156).
2) Die vergebliche Suche nach dem Zins in eigentumslosen Gesellschaften
2a) Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Stammesgesellschaft: Die Bedeutung
von Gegengeschenken und Exogamie
In
der völkerkundlichen Wirklichkeit sieht der Potlatsch - chinooksprachlich
für Geschenk - ganz anders aus. Die Beteiligten versuchen, sich dadurch
»zu vernichten« (Franz Boas, a.a.O.), daß sie ein heute empfangenes
Geschenk in der Zukunft mit einem größeren übertreffen. Die auf
einem Fest von ihren Gastgebern Beschenkten laufen diesen also dadurch den Rang
ab, daß sie bei der Gegeneinladung zu ihrem Fest noch größere
Geschenke machen. Schon während des jeweiligen Festes werden die Gaben des
Gastgebers verpraßt, ja es werden sogar Decken und Häuser verbrannt,
um zu zeigen, was man sich leisten kann. Je mehr der Gastgeber an die Gäste
verschleudern kann, desto höher wird sein Ansehen. Deshalb konnten zu solchen
Festen gewaltige Gütermengen, die teilweise über Jahre angesammelt wurden,
in kürzester Zeit vernichtet werden. (Ebd., S. 159).Die
Neoklassik hat mit der Erforschung von Risiko und Unsicherheit bei ökonomischen
Entscheidungen, wie wir sie bei der Nutzenmaximierung von Haushalten und der Profitmaximierung
von Unternehmen bereits kennengelernt haben, erst in jüngerer Zeit begonnen.
Die von ihr inspirierten Völkerkundler die sogenannten »evolutionistischen
Ökologen« - haben ganz entsprechend auch erst seit einigen Jahren danach
Ausschau gehalten, wie mit dem Risiko der ökonomischen Bedingungen und dem
Mangel an Information, also der Unsicherheit über diese Risiken, in Stammesgesellschaften
umgegangen wird. Sie konzentrieren sich dabei auf Überlebensrisiken, die
meist ökologischer Natur sind, wie etwa Erntekrisen. Zu ihrer Überraschung
stellen sie fest, daß diese Risiken - anders als nach den entsprechenden
neoklassischen Modellen erwartet - weniger mit ökonomischen als »mit
gesellschaftlichen Strategien« beantwortet werden. Eine wissenschaftlich
zureichende Wirtschaftstheorie muß verstehen, daß es für jede
Gesellschaftsformation unterschiedliche Antworten auf die übergreifende Frage
nach dem Management des Überlebensrisikos gibt. Erst dann gelingt die Formulierung
spezifischer Theorien, die ganz unterschiedliche Aussagen für entsprechend
verschiedene Gesellschaftssysteme der Menschheitsgeschichte treffen. Nur die Eigentumsstruktur
- so wird dann sichtbar - führt erst zur Ökonomisierung und liefert
deshalb den Gegenstand für die Theorie des Wirtschaftens im Unterschied zu
Theorien der Herrschaft. (Ebd., S. 164).Das
materielle Überleben des Menschen aus der Stammesgesellschaft, dem - wie
gezeigt - Eigentum und Zins fremd sind, wird zur Aufgabe der Blutsverwandten.
Schon an den Viehnomaden war zu zeigen, daß die Unterstützungspflicht
zwischen Stammesgenossen derjenige Mechanismus ist, auf den die einzelnen für
die Notlagenabwehr rechnen. Diese Hilfeleistungspflicht endet erst dann, wenn
der Helfende selbst ohne alle Mittel dasteht (**).
Er stellt diese Mittel deshalb bereitwillig auf Zeit zur Verfügung, verleiht
also Güter, weil er bei eigener Notlage wiederum auf die Verwandten zurückgreifen
kann. Das verliehene Gut ist durchaus kein Geschenk, sondern wird zurückverlangt.
Höher als der Rückerstattungsanspruch rangiert aber auch weiterhin die
blutsverwandtschaftliche Hilfspflicht. Erweist sich der Leiher zur Rückerstattung
der Güter unfähig, dann zwingt diese höherrangige Norm den Verleiher
zum Verzicht selbst für den Fall, daß er dadurch seine Existenz gefährdet
sieht. Es gibt keinen individuell durchzusetzenden Kontrakt, also keine Gläubiger-Schuldner-Beziehung,
in dem Eigentum belastet und verpfändet wird. Es gibt im Stamm auch keinen
sozialen Ort, an dem ein Verleiher seinen unglücklichen Verwandten zur individuellen
Leistungserbringung zwingen darf. Im Gegenteil, er muß ihm sogar von neuem
aushelfen, wenn er, ein weiteres Mal in Not geraten, wieder als Güterleiher
an ihn herantreten muß. Im Stamm ist also gewissermaßen
feste Regel, was in der gegenwärtigen Debatte über die Schulden der
Dritten Welt von den Gläubigern der Ersten Welt gefordert wird - bei Zahlungsunfähigkeit
neue Kredite zu gewähren, die Schulden zu streichen oder mit zusätzlichen,
nicht rückzahlbaren Transfers die sogenannte Entwicklungshilfe aufzustocken.
(Ebd., S. 165).Die gegenseitigen Hilfspflichten der Stammesgenossen
enden erst, wenn alle ohne Güter dastehen, was im Extremfall bedeuten kann,
daß der Stamm untergeht. Aus diesem Grunde versuchen alle Stammesgesellschaften,
die Zahl ihrer Blutsverwandten zu erhöhen. Nicht durch vorteilsuchenden individuellen
Gütertausch wird die eigene und allgemeine Wohlfahrt erhöht, sondern
durch Erweiterung des Netzes von Verwandten, die im Unterschied zu Fremden den
unschätzbaren Vorteil aufweisen, helfen zu müssen. Lediglich
also die über Verwandte sich ergebende zusätzliche Gütermenge wird
zur Ressource, mit der Stammesgenossen ihr materielles Überleben verbessern
können. (Ebd., S. 165).Nicht nur
ohne nutzenmaximierenden Gütertausch, sondern auch ohne Güterproduktion
verbessern Stammesgenossen ihre materielle Sicherheit. Sie erreichen das durch
Außenverheiratung des Nachwuchses. Diese sogenannte Exogamie wird meistens
als Weitergabe von Töchtern praktiziert (**).
Eine nicht innerhalb des eigenen Klans, sondern nach außen verheiratete
Schwester oder Tochter bringt Schwager oder Schwiegersöhne ein, die nun wie
Blutsverwandte vom zinslosen Verleihen bis zum gemeinsamen Untergang bei materiellen
(und kriegerischen) Notlagen einstehen müssen. Die völkerkundliche Forschung
unterstreicht - allerdings in neoklassischem Jargon - diesen elementaren Mechanismus
der Wohlstandssicherung: »Da Verwandtschaft als wichtigste Reichtums- und
Machtquelle vorindustrieller Gesellschaften dient, ist die biologische Fähigkeit
der Frauen, neue Stammesgenossen zu erzeugen, eine wichtige Kapitalanlage für
jede Einzelperson oder Gruppe, die sie kontrolliert« (K. E. Paige, a.a.O.).
Dieser Schutz gegen Unsicherheit der materiellen Reproduktion existiert ganz unabhängig
davon, ob die jeweiligen Stämme ihre Produktion effizienter gestalten oder
nicht. Verwandtschaft als solche bleibt - oft über Jahrtausende -
auch dann als Sicherheitsquelle in Kraft, wenn der Output stagniert oder sogar
fällt. (Ebd., S. 166).Der Zins fehlt in Stammesgesellschaften.
In ihnen wird das Verleihrisiko ihrer Mitglieder -der zeitweilige Nichtzugriff
auf die verliehenen Güter -von allen anderen Mitgliedern aufgefangen. Nicht
aus einer Zinsleihe, die den Leiher zu einer Produktion über das Kreditvolumen
hinaus zwingt, wird deshalb die Sicherheit der materiellen Reproduktion gesteigert,
sondern nur aus dem Zugewinn von hilfspflichtigen Verwandten. Das, was die einzelnen
für die Steigerung ihrer materiellen Reproduktionsfähigkeit bzw. zur
Steigerung ihres Besitzes an Vorräten tun, geht im Bedarfsfall wiederum in
die Solidarpflicht für die Verwandten ein. Deshalb wird bei der Außenverheiratung
natürlich darauf geachtet, eher güterreiche als güterarme Verwandte
zu gewinnen. (Ebd., S. 166).Bei dieser Transaktion kommen
Verträge über Hilfspflichten für die gesamte Dauer der abgetretenen
Gebärfähigkeit zustande. Sie können neu ausgehandelt werden, wenn
die eingetauschte Fruchtbarkeit nicht hält, was man sich von ihr erwartet.
Obwohl das Risiko der exogamischen Aufgabe von Töchtern auf den ersten Blick
einem Kreditgeberrisiko ähneln könnte, entsteht kein Zins. Wollte man
eine Kategorie des Ertrages einführen, müßte man sogar feststellen,
daß er in Form von Kindern gerade bei den Aufnehmern der Töchter anfällt.
Die Leistungsfähigkeit dieser Mädchen steht den neuen Familien mithin
immer, der Herkunftsfamilie aber nur im Risikofall zur Verfügung. (Ebd.,
S. 166-167).Diese Sicht des Wertes der Mädchen wird übrigens
durch die Praxis von Stammesgesellschaften unterstrichen, die mit einer Eigentumswirtschaft
in Kontakt kommen und den ihnen erst einmal unverständlichen Begriff Zins
mit »fruchtbare Frau« übersetzen. Sie ähneln dabei Aristoteles.
Der hatte zu einer Zeit, als die stammesgeschichtliche Erinnerung noch rege und
die Eigentumswirtschaft noch nicht überall durchgesetzt - geschweige denn
verstanden - war, für Zins den Begriff tokos kanonisiert. Er ist aus
dem Verb tiktein ( = gebären) gebildet und kann als »Nachwuchs«
bzw. »Kind« übersetzt worden: »Der Zins jedoch
vermehrt dieses (das Geld) selbst. Daher hat der Zins auch seinen
Namen bekommen. Ähnlich ist nämlich das Geborene selber dem Gebärenden,
und so bedeutet der Zins Geld vom Geld.« (Aristoteles, Politik, I,
1258b). (Ebd., S. 167).Die Antwort auf die Frage nach dem
materiellen Überlebenssicherungsmechanismus der Stammesgesellschaft lautet
Exogamie bzw. Außenverheiratung der Töchter. Sucht man mithin nach
dem stammesgesellschaftlichen Analogon zum Zins - ein Äquivalent für
ihn gibt es dort mangels Eigentum eben nicht -, dann findet es sich in der exogamisch
zu stärkenden Solidarpflicht aller Blutsverwandten. Am Homo oeconomicus
bleibt mithin auch für die Stammesgesellschaft richtig, daß er seine
nutzbaren Ressourcen zu sichern trachtet. Der aus einer evolutionistischen Geschichtsvorstellung
geborene Irrtum der Neoklassik besteht darin, daß sie ihre Sicht einer güterorientierten
ökonomischen Strategie auf Gesellschaftsstrukturen projiziert, die keineswegs
den Gütertausch einer vorgegebenen Erstausstattung an Ressourcen optimieren,
sondern soziale Beziehungen zu sichern haben. In der Stammesgesellschaft findet
also keine optimale intertemporale Allokation der Güter aus der Erstausstattung
statt. Stammesgenossen verfügen zwar über Ressourcen, die im Sinne der
neoklassischen Erstausstattung aufgefaßt werden könnten. Dem Stamm
geht es mit der Exogamie aber lediglich um die bloße Erweiterung des Zugriffs
auf Ressourcen. Die ihm von der Neoklassik abverlangte Akkumulation betreibt
er nicht, sondern begnügt sich mit einer Subsistenzproduktion. (Ebd.,
S. 167-168).
2b) Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Befehlsgesellschaft: Die Bedeutung
von Abgabepflichten und Zuteilungen
Reine Feudalgesellschaften unterscheiden
sich von reinen Stammesgesellschaften, aber auch von der Eigentumswirtschaft dadurch,
daß zwei Kasten existieren, für die zwei unterschiedliche materielle
Überlebenssicherungsmechanismen angetroffen werden. Wie der klassische Sozialhistoriker
des mittelalterlichen europäischen Feudalismus, Marc Bloch (1886-1944), herausgearbeitet
hat, steckt im Terminus feudal nicht nur das lateinische Wort foedus,
das Bund oder Anordnung heißen kann, sondern auch das angelsächsische
fief, das mit dem deutschen Wort Vieh verwandt ist. Das mittellateinische
feos zieht diese Bedeutungen zusammen und bezeichnet ursprünglich
einen beweglichen Besitz. In der Verschiebung zu feus kehrt sich diese
Bedeutung zu unbeweglichem Landbesitz um, der auch im mittelalterlichen
Begriff foedum erhalten bleibt. In den Landessprachen gab es dann im Französischen
die Ausdrücke bénefice sowie fief oder auch fee
im Englischen. Da im Deutschen das Wort Vieh für Rinder weiter im Gebrauch
blieb, wurde auf den Begriff Lehen übergegangen, der im Verb verleihen,
das aus der Güterleihe stammt, seine Wurzel hat und eine zeitweise Überlassung
von Gütern bedeutet. (Ebd., S. 168).Ein Foedum
oder Lehen ist ein Stück Land, das entweder direkt vom König, der im
Idealfall alles Land von einer - selbst nicht agierenden, sondern nur legitimierenden
- Gottheit hat, oder von seinem adligen Lehnsmann an einen Leibeigenen verliehen
wird, der in der Kette der Vasallen am Schluß steht. Die Kastentrennung
zwischen dem Landgewährer und dem Belehnten drückt sich im europäischen
Mittelalter darin aus, daß letzterer die Anweisung des Landstückes
auf Knien empfängt. Nachdem er einen Treueid geschworen hat, zieht sein Herr,
dessen Mann er nun ist, ihn zu sich hoch. Auch dieser Herr jedoch ist nicht
als ein dem Eigentümer ähnliches freies Subjekt mißzuverstehen.
Er handelt in Vertretung des letztendlich immer einer Gottheit unterworfenen Besitzerkollektivs:
»Für das altdeutsche Recht wird mit Fug von der herrschenden Ansicht
daran festgehalten, daß es kein Privateigentum am Grund und Boden gegeben
hat. Alles Land war Volkland und wurde dem Einzelnen nur von der Gesamtheit zur
Nutzung überlassen: z.T. diente es als gemeine Mark oder Allmende, dem allgemeinen
Nutzen.» (R. Stammler, Eigentum und Besitz, in: Handwörterbuch
der Staatswissenschaften, 1923, Band 3, S. 339a). (Ebd., S. 168-169).Zwischen
Landgewährer und belehntem Landbesitzer besteht keine freie Vertrags-, sondern
eine Befehlsbeziehung. Diese nötigt den Leibeigenen zur Gratisarbeit auf
dem Gut des Herren und zur Abgabe eines Teils seiner eigenen Produktion. Diese
nichtökonomische Beziehung existiert unabhängig davon, ob die Produktion
steigt, stagniert oder fällt: »Hohe Herren und Untertanen gleichermaßen
lebten von der Hand in den Mund und mußten damit zufrieden sein, was gerade
vorhanden war.« (Marc Bloch, a.a.O.) (Ebd., S. 169).Die
im Vorratshaus des Herrn einzulagernden Produkte stellen auch keinen Kredit des
Leibeigenen an sein Oberhaupt dar. Ihm stehen weder Verzinsung noch Tilgung zu.
Lediglich in Notzeiten darf er auf Rationen aus dem von ihm selbst erarbeiteten
Vorrat rechnen. Im Krieg steht ihm Schutz zu, den er oft allerdings nicht benötigt,
da der Feind leibeigene Bauern ja hinzugewinnen und nur ihre Herren beseitigen
will. Das Unbewaffnetsein der Bauern drückt deshalb die eigentliche Furcht
der Herren aus. Sie wollten ihre Macht nicht beeinträchtigt sehen und rechnen
beim Leibeigenen auf einen mutigen Mitkämpfer gegen einen anderen Herren
nur im Ausnahmefall. (Ebd., S. 169).Obwohl rein sprachlich
Lehen mit Verleihen und mit dem englischen Wort für Gelddarlehen, loan,
verwandt ist, hat es mit einem Kredit des Herren an den Leibeigenen nichts zu
tun. Deshalb erhält der Herr ebensowenig einen Zins wie der Belehnte. Es
gibt keine Leistung, mit deren Erfüllung der Leibeigene den ihm verliehenen
Besitz zu Eigentum machen kann. Zudem unterscheidet sich der Lehnsherr von einem
Gläubiger, der im Kreditzeitraum sein Eigentum belastet, aber weiterhin seine
Besitzseite nutzen kann, dadurch, daß er gerade die Nutzung abgetreten hat.
(Ebd., S. 170).Zugleich behält der Herr den Belehnten auch
dann, wenn dieser aufgrund äußerer Umstände weniger leisten kann.
Während ein Gläubiger einen nicht zahlungsfähigen Schuldner nicht
aus der Zahlungspflicht entläßt, muß der Lehnsherr den leistungsschwachen
Leibeigenen sogar aus seinem Vorratshaus unterstützen. (Ebd., S. 170).Der
Leibeigene hat auch nichts mit einem Pächter gemein, der in einer Eigentumswinschaft
auf einem ihm nicht eigenen Grund und Boden winschaftet und dadurch die Möglichkeit
erhält, ebenfalls Eigentum zu erwerben. Das hat, als eine Ausnahme unter
den Ökonomen, Axel Leijonhufvud immerhin gesehen. Dieser Verreter der Schule
des sogenannten Neukeynesianismus, die auch Keynesianische Makroökonomik
heißt, vermerkt, daß die »moderne Auffassung von Eigentum»«
(Axel Leijonhufvud, a.a.O., 1975) nicht auf die feudalen Reproduktionsbeziehungen
projizien werden darf. (Ebd., S. 170).Wie
im Stamm hängen die Menschen auch im Feudalismus von einer bloßen Subsistenzproduktion
ab und sind deshalb vergleichbaren Risiken ausgesetzt (**).
Gleichwohl haben die Vorratsreserven einen anderen Status als im Stamm. Es sind
die Leibeigenen, die alle Vorräte produzieren, aber die Herren, die bei Notzeiten
daraus zuteilen. Die Leibeigenen können ihre Überlebenssicherheit nicht
durch den Zugewinn an solidarpflichtigen Blutsverwandten, sondern nur durch gehorsame
Füllung der Vorratshäuser des Herren steigern. Wie wenig aus dieser
Produktionsweise alles in allem herauskam, hat schon ein so scharfsinniger Denker
wie John Locke (1632-1704) beim Vergleich der Inka- und Aztekenreiche mit der
englischen Eigentumswirtschaft gesehen: »Reich an Land, sind sie (einige
Völker Amerikas), doch arm an allen Annehmlichkeiten des Lebens. Die Natur
hat sie ebenso freigiebig wie irgendein anderes Volk ausgestattet. .... Der König
eines großen und fruchtbaren Landes dort wohnt, nährt und kleidet sich
schlechter als ein Tagelöhner in England« (John Locke, Über
die Regierung, 1690, Kapitel V, § 41, s. 37). (Ebd., S. 170-171).Im
Adel lebt die Exogamie als Mittel zur Klanerweiterung zwar fort (**|**),
sein entscheidender Mechanismus für die Steigerung seiner Überlebenssicherheit
besteht jedoch in der Beseitigung anderer Adliger, was unter Verwandten naturgemäß
schwerer fällt, weshalb in der Stammesgesellschaft der Krieg als Mittel zur
Reichtumsvermehrung nur gelegentlich auftritt. Es ist mithin der gewaltsame Zugewinn
an dienst- und abgabepflichtigen Leibeigenen von anderen Herren, wodurch sich
ohne zusätzliche Produktion die eigene materielle Position optimieren läßt.
Kolonisation neuen Landes mit den »überschüssigen« Kindern
von Leibeigenen wird dabei lediglich zu einer speziellen Variante dieser Optimierung.
(Ebd., S. 171).Die Ende der 1980er Jahre untergegangenen parteikommunistischen
Aristokratien im sogenannten Realsozialismus des 20. Jahrhunderts haben ganz ähnlich
wie die gottkaiserlichen Inkas oder der mittelalterliche Feudaladel von Gottes
Gnaden das Überleben ihrer Werktätigen bzw. Arbeiter-und-Bauern
durch Zwang und Loyalitätsbeziehungen betrieben. Wiewohl diese auf geplante
Vorgaben angewiesenen Abgabensysteme zur Bildung gewaltiger Territorialherrschaften
und Kombinate führten, überstieg ihre Produktionsdynamik doch nicht
wesentlich diejenige der stammesgesellschaftlichen Subsistenzproduktion (**).
(Ebd., S. 171).Der Realsozialismus sah lediglich deshalb entwickelter
aus, weil er den - im Akkumulationskapitel
noch zu erklärenden - technischen Fortschritt der Eigentumswirtschaft beerbte,
ihn aber nicht eigenständig weiterentwickeln konnte. Die revolutionäre
Beseitigung des Privateigentums führte nämlich nicht zum Eigentum des
Volkes, sondern - wie im mittelalterlichen Feudalismus - zu einem Kollektivbesitz.
In seinen Produktionsbetrieben eingebrachte Innovationen waren denn auch so gut
wie immer auf Imitationen oder schlichte Spionagediebstähle von Erfindungen
der andernorts weiterarbeitenden Eigentumswirtschaft zurückzuführen.
(Ebd., S. 171-172).Die marxistischen Theoretiker der frühen
Sowjetunion hatten hingegen geglaubt, daß die Sozialisierung der Produktionsmittel
ein kollektives System des Eigentums beim »proletarischen Staat« schaffen
würde. (Vgl. E. Preobrazhensky, a.a.O.). Sie sollte die Entwicklung der sozialistischen
Wirtschaft noch gewaltiger vorantreiben, als das nach der Schaffung des Privateigentums
am Ende des Feudalismus für die kapitalistische Wirtschaft der Fall gewesen
ist. (Ebd., S. 172).Genauer als Ökonomen haben gelegentlich
Religionsforscher - wie z.B. Bernard Lewis - die strukturelle Äquivalenz
von marxistischen und religiösen Feudalismen erkannt: »Diese Art von
Säkularismus scheint die Mängel früherer Orthodoxien bewahrt zu
haben, nicht dagegen ihre Vorzüge. Ihre Anhänger sind atheistisch, aber
nicht gottlos. Sie haben keine Theologie, wohl aber ein Credo. Sie haben keine
Religion, zweifellos aber eine Kirche, eine Kirche mit Schriften und Dogmen, Prälaten
und Oberpriestern, Orthodoxien, Häresien und eine Inquisition zu deren Aufdeckung
und Ausmerzung.« (Bernard Lewis, Der Traum von Koexistenz: Muslime, Christen
und Juden, in: Merkur, Band 46, 1992, S. 827). (Ebd., S. 172).Nach
dem Untergang des sozialistischen Feudalsystems sind Gründerheroen am Werk,
deren Aufgabe den Taten eines Theseus oder Romulus am Ende des antiken Priesterfeudalismus
nicht nachsteht. Budapests Oberbürgermeister Gábor Demszky berichtete
über die herkulische Aufgabe der Eigentumsschaffung: »Hier in der Stadt
gab es überhaupt kein Eigentum, es herrschten feudale Verhältnisse,
es wurden Lehensgüter vergeben.« (Gábor Demszky, a.a.O.). Leipzigs
Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, dem als ehemaligem Oberstadtdirektor
von Hannover die Bedeutung des Eigentums für die ökonomischen Entscheidungen
eines staatlich-kommunalen Beamtenapparats ohne weiteres geläufig ist, formuliert
zum besseren Verständnis für Politiker ähnlich wie sein ungarischer
Kollege, verfällt dabei allerdings in die Gleichsetzung von Eigentum mit
Nutzungsrechten: »Schon der Begriff Volkseigentum war und ist
für westliches Denken irreführend. Alles Wesentliche am Eigentumsbegriff
war in ihm bewußt ausgemerzt: ein vermessenes und dadurch bestimmbares Stück
Land, an dem eine natürliche oder juristische Person umfassende Nutzungs-
und Verfügungsrechte hat. Das Volkseigentum hatte nichts davon. Es war so
etwas wie die germanische Allmende, niemandem und allen gehörig, zur bloßen
Verwaltung und Nutzung zugeteilt an einzelne oder Wirtschaftseinheiten, bei Bedarf
umverteilt. Damit nun Volkseigentum übertragbar und beleihbar wird, damit
es Fundament sein kann für alles ... Wirtschaften im neuen System, muß
es in neues, echtes Eigentum umgewandelt werden.« (Hinrich Lehmann-Grube,
Zeitbombe im Grundbuch: Die Bundesregierung muß von der Rückgabe
enteigneten Grundbesitzes Abschied nehmen, in: Die Zeit, Nr. 50, 06.12.1991,
S. 36f.) (Ebd., S. 172-173).
3) Die Eigentumstheorie des Zinses
3b) Die Entdeckung des Zinses durch die Eigentumsprämie
Die
wirtschaftlich entscheidende inmaterielle Prämie, die Eigwetumsprämie,
erwächst aus einer exklusiven Rechtlichkeit, nicht jedoch aus irgendeiner
- wie auch immer imponierenden - Gütermäßigkeit. Die Eigentumsprämie
kommt also von etwas Nichtphysischem und bleibt bei einem Blick auf die physische
Welt der Güter schlichtweg verbrogen. Auch ein Derivat des Eigentums ...
teilt mit dem Eigentum den Charakter des Nichtphysischen. (Ebd., S. 184).Geld
ist ein Anrecht auf Gläubigereigentum, für dessen Schaffung im Kredit
Schuldnereigentum verpfändet werden muß. (Ebd., S. 184).Unahängig
davon, wie Eigentum zustande kommt, schafft es eine durch Wirtschaften bestimmte
neue Struktur materieller Reproduktion. Dieser Schritt zur Ökonomie ändert
an der vorgefundenen konkreten Welt nichts, erfolgt also aus dem »;Nichts«.
Das Wirtschaften ist mithin Ergebnis eines Recht setzenden Aktes. Dasselbe gilt
zum Beispiel für Eigentum, das aus den Besitztümern eines Stammes
gebildet wird, der in der Nachbarschaft von Eigentumsgesellschaften lebt und für
die Anpassung an deren ökonomische Überlegenheit seine überkommenen
Strukturen durch Übernahme von Eigentumsrechten ablegt. (Ebd., S. 184).Wir
haben gesehen, daß es nur die Besitzgesellschaften wie Stamm, Feudalismus
und Realsozialismus sind, die das Verleihen von physischen Gütern auf Zeit
kennen. Aber sie kennen keinen Zins, gelangen mithin nicht zum Kreditieren, bei
dem Gläubiger Eigentum belasten und Schuldner - monetäre - Anrechte
auf Gläubigereigentum gegen Zins und Verpfändung von Eigentum auf Zeit
erhalten. Bei Mangel tritt - wie gezeigt - für den Stammesgenossen die blutsverwandtschaftliche
Solidarpflicht ein. Bei Not von Leibeigenen müssen die Herren ihrer Schutzpflicht
nachkommen, indem sie aus den Vorräten Rationen zuteilen, die von ihren Untertanen
zuvor angelegt werden mußten. In beiden Gesellschaften verfällt niemand
auf den Gedanken, durch Verleihen von Gütern einen Aufschlag von mehr Gütern
für das leichtere Abwenden von Not zu gewinnen. Vielmehr wissen Stammesgenossen,
daß sie womöglich von neuern mit Gütern helfen müssen, diese
also verlieren, niemals jedoch verzinsen können. Grundherren wissen, daß
sie von neuern Rationen zum Erhalten ihrer Leibeigenen austeilen müssen,
bis diese verbraucht sind. (Ebd., S. 184-185).Die Eigentumsstruktur
zerstört diese gütergebundenen Sicherungsmechanismen umgehend. Der griechische
Agrarökonom Hesiod wird im Abendland (antike Kultur
und abendländische Kultur werden hier als eine Kultur angesehen; Anm. HB)
zum ersten Wirtschaftstheoretiker, der diesen Namen wirklich verdient und ist
- anders als Platon (427-347 v.u.Z.) oder Aristoteles - dennoch in der ökonomischen
Theorie und sogar in den umfassendsten Dogmengeschichten und Lexika völlig
unbekannt geblieben. Gleichwohl ist er es, der zuerst und darüber hinaus
höchst einsichtsvoll - und damit Aristoteles weit überlegen - den ungewöhnlichen
Schwierigkeiten beim Leihen nachgeht, die unter den ersten griechischen Eigentümern
bzw. Polisbürgern zu beobachten waren. Hesiod weiß vor allem, daß
Menschen jetzt zwar immer noch Nachbarn und doch längst keine solidarischen
Stammesgenossen mehr sind:»Das
ist die Regel, die gilt für das Saatland. .... ..., wenn du willst, daß
zu ihren Zeiten Demeters (der Erntegöttin) Werke du alle besorgst, auf
daß dir ein jedes Zu seiner Zeit aufwächst, daß du später
nicht etwa im Mangel Dich in den Höfen der anderen herumdrückst,
und du bekommst nichts. So wie du jüngst zu mir kamst. Doch ich werde
dir gar nichts mehr schenken Und keinen Scheffel mehr leihen. An die Arbeit,
törichter Perses, ... Daß du nicht einst mit Weib und Kindern, Kummer
im Herzen, Bettelst um Brot ringsum bei den Nachbarn, die aber wegsehen.« (Hesiod,
Werke und Tage, 392-400). | Nicht allein die Nachbarn
sind keine solidarischen Stammesgenossen mehr, so weiß Hesiod. Sogar leibliche
Geschwister müssen einander in der Eigentumsgesellschaft mißtrauen:»Und
auch beim Bruder, mit Scherz, aber doch einen Zeugen hinzuziehn. Zutrauen
hat schon genauso wie Mißtrauen Männer vernichtet. Laßt nicht
ein Weib deinen Sinn, das den Steiß dreht, listig betören, Gleißnerisch
süß dich beschwatzend, den Blick auf dem Vorrat im Hause. Wer einem
Weibe vertraut, der Mann hat Vertrauen zu Gaunern.« (Hesiod, Werke
und Tage, 371-375). | Beim Beschreiben der Nachbarn
als unwillige Gläubiger übersieht Hesiod keineswegs, daß von ihrer
Verleihunwilligkeit eine Praxis unberührt bleibt, die als überkommenes
stammesrechtliches Borgen aus Gefälligkeit bezeichnet werden kann und rudimentär
bis auf unsere Tage weiterlebt. Im Lateinischen heißt dieses aus dem ius
gentium (Stammesrecht) stammende Verleihen deshalb nicht fenus - das
Wort für Zins aus Kredit nach dem ius civile, in dem das Schuldrecht
kodifiziert ist -, sondern mutuum, das auf Gegenseitigkeit, also zinslos
verborgte Gut: »Fenus ... steht dann in scharfem Gegensatz
zu mutuum. Letzteres erscheint als ein Gefälligkeits- und Gelegenheitsvorgang
unter Freunden, als ein unverzinsliches, aus dem ius gentium stammendes Freundesdarlehen.«
Das mutuum hat also den »Charakter einer pecunia gratuita (kostenlose Geldleihe),
welcher die Beifügung einer Zinsberedung unmöglich machte.« (F.
Klingmüller, Fenus, in: Pauly - Realencyclopädie der Classischen
Altertumswissenschaft [Alfred Druckenmüller], 12. Halbband, Sp. 2187-2205,
hier: 2187). Es gleicht darin dem griechischen Terminus chreos, der aus
der Vorpoliszeit stammt und deshalb auch unter dem Eigentum das »urtümliche
Bedürftigkeitsdarlehen der Nachbarhilfe« noch festhält. Der neue
Begriff für das nicht zinsfreie Darlehen wird der Terminus daneion. Mutuum
und chreos berühren nicht die Kreditwürdigkeit, sondern die Liebenswürdigkeit
eines Nachbarn, dem man bei feindlichen Beziehungen selbst dann nicht gefällig
sein wird, wenn er als wohlhabend bekannt ist. Es muß mithin ein Liebenswürdiger
nicht kreditwürdig sein und ein Kreditwürdiger nicht liebenswürdig.
Auch in der Nachbarschaftsleihe kann der Borgende seine Dankbarkeit selbstredend
mit einer kleinen Anerkennung verbinden, die auch als »Pseudozins«
bezeichnet wird. Beim Stamm der Semang in Malaysia wird zum Beispiel ein wenig
Essen in dem Topf gelassen, den man sich fürs Kochen geborgt hat. Hesiod
beschreibt die Fortsetzung dieser Sitte in der frühen Eigentumsgesellschaft:»Gutes
Maß laß dir geben vom Nachbarn, gutes gib wieder, Und mit demselben
Gemäß, auch reichlicher, kannst du es irgend, Daß du, wenn
du's brauchst, ihn später gefällig noch findest.« (Hesiod,
Werke und Tage, 349-351). | Eine Erklärung der
ans Eigentum gebundenen Zögerlichkeit beim Kreditieren liefert Hesiod zwar
nicht, er ist aber weiter als Allgemeine Gleichgewichtstheoretiker, die sich eine
»Nichtgeldwirtschaft« ausgerechnet nur als eine Gemeinschaft vorstellen
können, »in der jedes Wirtschaftssubjekt jedem mißtraut.«
(P. de Gijsel / F. Haslinger, Quantitative versus qualitative (Nicht-)Neutralität
des Geldes, in: Der Stand und die nächste Zukunft der Geldforschung,
Hrsg: Hans-Joachim Stadermann / Otto Steiger, 1993, S. 118). Hesiod hingegen weiß
noch, daß Gewißheit des Vertrauens gerade zu den entschwundenen Gesellschaftssystemen
gehört, in denen Geld keine Rolle spielt. Deshalb beschreibt er die solidarisch
teilende Stammesgesellschaft als freudvolles »Goldenes Zeitalter«,
(Hesiod, Werke und Tage, 198-119) über dessen Verschwinden er in seinem
eigenen »Eisernen Zeitalter« in qualvolles Jammern ausbricht. Die
Eigentümer müssen gerade missen, was die Stammesgenossen verband:»Und
niemals bei Tage Werden sie ruhen von Mühsal und Weh, und niemals zur
Nachtzeit Sind sie verschont und die Götter verleihen dann quälende
Sorgen .... Nicht in der eigene Bruder mehr lieb, wie es früher gewesen. Bald
mißachten sie dann ihre altersgebeugten Erzeuger, .... Geben dann
auch nicht Ihren greisen Erzeugern zurück den Entgelt für die Aufzucht. ....
Die Ehrfurcht Gibt es nicht mehr. Und der Schlechte gewinnt und schädigt
den Beßren, Deckt mit krummem Gerede den Trug und beschwört's mit
dem Meineid.« (Hesiod, Werke und Tage, 349-351). | Die
das Eigentum schaffenden Revolutionäre vom Theseus- oder Romulustyp zielen
erfolgreich auf das Abwerfen feudaler Hörigkeit, handeln sich aber eine soziale
Struktur ein, von der sie vorher nicht wissen können, daß sie eine
andere Verfassung erzwingen würde, die sich als etwas Neues, als Ökonomie
nämlich, erweisen sollte. Hier wird - wie gesagt -
»aus dem Nichts«, wie mit einem »Federstrich«, durch bloßen
Rechtsakt die Weltgeschichte zur Wirtschaftsgeschichte transformiert. (Wir verwenden
hier bewußt den Begriff ex nihilo bzw. »aus dem Nichts«,
den Joseph Schumpeter - Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911,
S. 109 - für die Schaffung neuen oder zusätzlichen Geldes durch das
Bankensystem ins Spiel gebracht hat. Im Geldkapitel
werden wir zeigen, daß er die Eigentumsbelastung als notwendige Voraussetzung
für die Geldschaffung nicht untersucht. Dasselbe gilt für die Metapher
»Federstrich«, die neuerdings der Bundesbankdirektor Michael Ledig
- »Zentralbankgeld und Bürgergeld«, in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung, Nr. 262 vom 10. November 1992, S. 11 - analog zu Schumpeter
für die Geldschaffung einer Zentralbank verwendet.). Ohne irgendeine physische
Veränderung wird die bedeutendste Reichtumsquelle der Geschichte, die Eigentumsprämie
eben, geschaffen. (Ebd., S. 185-188).Die Polisbürger
können sich bei plötzlicher Not oder Mangel allein noch aus ihrem Eigentum
sichern. Sie haben zwar die Rechte auf Alimentationspflichten durch Herren oder
auf Solidarpflichten durch Stammesgenossen verloren. Gewonnen abet haben sie die
Verfügung über ihr Eigentum, das ihnen - anders als Besitz - das Vermögen
seiner Belastbarkeit und Verpfändbarkeit, die Eigentumsprämie eben,
eingetragen hat. (Ebd., S. 188).Nur solange Eigentum nicht
belastet oder verpfändet wird, bleibt seinen Haltern die damit verbundene
Sicherheit. Ein Bürger, der als Gläubiger sein Eigentum belastet,
indem er Anrechte darauf als Geld an einen Schuldner gibt, verliert zwar die Eigentumsprämie,
gewinnt jedoch die Zinsforderung. Es ist also diese immaterielle Prämie -
und nicht Keynes' Liquiditätsprämie -, die zu Zins materialisierbar
ist. (Ebd., S. 188).Ein Bürger, der als Schuldner sein
Eigentum verpfändet, verliert ebenfalls Eigentumsprämie und muß
die Zinsforderung erfüllen. Er gewinnt dafür aber Geld auf Zeit, in
der er über Produktion und Markt einen Profit erwirtschaften kann,
der ihm nicht nur erlaubt, den Zins zu leisten, sondern einen Überschuß
zu gewinnen. Der Schuldner, der um die Gefahren dieser Operationen weiß,
mag sich nach Stamm oder Palastfeudalismus - modern: Realsozialismus - zurücksehnen,
muß sich hier und heute aber an andere Eigentümer als Gläubiger
wenden, wenn er sich aus der Besitzseite seines Eigentums, der Güternutzung,
nicht reproduzieren kann. (Ebd., S. 189).Gläubiger jedoch
weigern sich, anderen Bürgern Güter zu leihen, da diese nicht nur bloße
Nutzungsmöglichkeiten aufweisen, sondern ein Vermögen darstellen, das
Vermögen der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit, kurz: eine Eigentumsprämie
haben. Mit dem Eigentum verschwindet die Güterleihe, wenn man von Ausnahmen
wie dem zinslosen Borgen unter Nahestehenden absieht. Ganz dominierend aber wird
der Gläubiger-Schuldner-Kontrakt. In ihm manifestieren sich die wesentlichen
Elemente des Wirtschaftens:1. | der
Zins zur Kompensation der aufgegebenen Prämie auf Gläubigereigentum,
das während der Kontraktfrist belastet ist; | 2. | die
Verpfändung von Schuldnereigentum zur Sicherung der Refundierung der im Kontrakt
verliehenen Anrechte auf Gläubigereigentum; | 3. | das
Geld als diese Anrechte auf das im Kontrakt belastete Gläubigereigentum. | Diese
drei Elemente sind genau zu unterscheiden. Die Refundierungsunsicherheit kann
nicht den Zins begründen und der Verlust an Eigentumsprämie durch Belastung
nicht die Verpfändung. Daran ändert sich selbstredend auch dadurch nichts,
daß bei unsicherem Wert des verpfändbaren Eigentums zum »reinen
Zinssatz« eine Prämie für »das Risiko des Gläubigers
... addiert wird« (John M. Keynes, The General Theory of Employment,
Interest and Money, 1936, Kapitel 11, S. 144f.). Diese Risikoprämie wird
zwar als Aufschlag auf den Zins erhoben, ist ihm jedoch nachgeordnet. In diesem
Kapitel beschäftigt uns allerdings vorrangig die immaterielle Prämie
auf Eigentum und ihre Aufgabe gegen materiellen Zins bei Belastung bzw.
Blockierung des Eigentums im Kreditkontrakt. Die Verpfändung des Eigentums,
die sich in der aufgegebenen Eigentumsprämie des Schuldners manifestiert,
sowie das Geld als Anrecht auf Eigentum werden uns im nachstehenden Geldkapitel
ausführlicher beschäftigen. (Ebd., S. 189-190).Der
Zins als Ausgleich für den Verlust der Eigentumsprämie kann zwei Gestalten
annehmen, wovon im Abendland die historisch frühere die Schuldknechtschaft
gewesen ist. Sie wird von vielen Wirtschaftshistorikern mit einer Verpfändung
der Person des Schuldners für den Fall von Nichttilgungsfähigkeit nach
Ablauf des Kreditzeitraums verwechselt. Ein relativ spät datierter Schuldkontrakt
aus dem hellenistischen Griechentum, der im Kontext der vorderasiatischen Gemengelage
aus Feudalismus und Eigentumswirtschaft in - der am Euphrat gelegenen Stadt -
Dura Europus über eine Geldsumme geschlossen wurde, stellt jedoch sehr schön
klar, daß die Schuldknechtschaft eine Institution der Eigentumsgesellschaft
ist. Der dort erwähnte Schuldknecht ist kein Leibeigener, sondern ein freier
Mann, der allerdings auf Zeit ganz bestimmte Dienste leisten muß. Mit diesen
fungiert der Schuldner anstelle von Zins, nicht jedoch anstelle von Sicherheiten.
Für letztere haftet er mit dem Grundeigentum, das ihm über seine eigene
Person - das Eigentum an sich selbst - hinaus gehört. (Ebd., S. 190).In
jedem Kreditkontrakt zwischen Eigentümern wird auf den Schuldner ein Anspruch
auf das Eigentum des Gläubigers übertragen, der - je nach dem, in welcher
Form die Übertragung erfolgt - zu einer zeitweiligen Belastung bzw. Blockierung
des Gläubigereigentums führt. Wann immer im Kredit ein Anspruch gegen
solches Eigentum übertragen wird, bleibt es in seiner besitzmäßigen
Güternutzung zwar beim Gläubiger, ist für diesen auf Zeit aber
nicht mehr in seinen genuin ökonomischen Funktionen (Belastungs- und Verkaufsrechte)
verfügbar. Die zeitweilige Aufgabe der nur aus Eigentum erwachsenden Rechte
bringt den Gläubiger um seine Eigentumsprämie, wofür ihn sein Schuldner
mit Zins kompensieren muß. (Ebd., S. 190-191).Die Blockierung
von Eigentum besagt, daß es nicht noch einmal belastet, verpfändet
oder veräußert werden kann. Die Blockierung von Gläubigereigentum
besagt dabei, daß er sich verpflichtet, es jederzeit an Einlöser seiner
emittierten Ansprüche auf Eigentum - Geld also - herauszugeben, es also mit
Kontraktbeginn riskiert. Lediglich aus dem Besitz resultierende Nutzungsmöglichkeiten
von Eigentum, das eine physische Seite hat, also die Nutzung von Realaktiva -
wie das Betreiben von Gewerbe auf Grundstücken, das Bewohnen von Häusern,
das Bestellen von Feldern u.s.w. - verbleiben dem Deckung leistenden Gläubiger
und gehen eben nicht, wie die Neoklassik behauptet, an den Schuldner über.
Dieser erhält im Kredit keine Güter. Auch die Erträge von Finanzaktiva,
die entsprechend blockiert, also nicht mehr handelbar sind, fallen weiter an den
sie belastenden Gläubiger. Die Blockierung des Schuldnereigentums
besagt, daß er sein verpfändetes Eigentum - gleich ob Real- oder Finanzaktiva
- zwar weiterhin nutzen, nicht jedoch noch einmal verpfänden und auch nicht
veräußern kann. Mit Beginn des Kontrakts verliert er seine Eigentumsprämie
und riskiert diesen Verlust dauerhaft, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
(Ebd., S. 191).Wenn - um zur Schuldknechtschaft zurückzukehren
- anstelle des Zinses persönliche Leistungen des Schuldners vereinbart werden,
ändert sich an den Eigentumsbeziehungen prinzipiell nichts. Lediglich im
Anspruch des Gläubigers auf den Schuldner als physisch Leistenden erwirbt
er an ihm Nutzungsrechte. Ansonsten verliert der Schuldner seine persönliche
Freiheit nicht, bleibt also Eigentümer seiner selbst. Für diese Beziehung
verwendet das Griechische den Terminus paramone, abgeleitet von paramenein
(bei jemandem bleiben). Paul Koschaker (1879-1951) hat dabei scharfsinnig von
einem Fall »geteilten Eigentums« gesprochen. (Vgl. Paul Koschaker,
Über einige Rechtsurkunden aus dem östlichen Randgebieten des Hellenismus:
Mit Beiträgen zum Eigentums- und Pfandbegriff nach griechischen und orientalischen
Rechten, 1831, S. 46). Tatsächlich teilt der Schuldner in seiner Funktion
als Leistender, auf die der Gläubiger ja wie auf einen Zins eine Forderung
hat, die Besitzseite seiner Person mit dem Gläubiger. (Ebd., S. 191).Das
einschlägige historische »Dokument (aus Dura Europus) ist ein Schuldkontrakt,
in dem bestimmt wird, daß (a) der Barlaas (der Schuldner) bei dem
Phraates (dem Gläubiger) bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung bleibt (paramenon)
und (b) anstelle des Zinses für ihn sklavenähnliche Dienstleistungen
(doulike chreia) erbringt. Dabei muß er alles tun, was ihm geheißen
wird, und er darf sich ohne Erlaubnis des Phraates weder bei Tag noch bei Nacht
entfernen,. Weiterhin gilt, daß, wenn Barlaas seine Schuld nicht bei Fälligkeit
zurückzahlt, er beim Phraates bleiben und die gleichen Dienstleistungen
wie oben bis zur Rückzahlung des Geldes leisten muß.« (M.
I. Finley, a.a.O.). Aus einem früheren Zeitraum liegt uns aus dem zentralmesopotamischen
Kissura ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt ebenfalls mit einem solchen Nutzungspfand
vor, im dem zwar »fünf Tage Arbeit den Zins repräsentierten«,
der Gläubiger aber keineswegs eine »absolute Verfügungsmacht«
über seinen Schuldner gewinnt. Der Zins in Form der Schuldnernutzung liegt
höher als der Geldzins, weil es dem Gläubiger und nicht dem Schuldner
obliegt, seine Leistungen in Geld zu verwandeln. (Ebd., S. 192).Der
Schuldknecht ist ein Eigentümer. Nur als Eigentümer hat er überhaupt
das Potential, Schuldner zu werden. Denn schon das Rückerstattungsrisiko
des Gläubigers erfordert die Stellung von Sicherheiten aus diesem Eigentum,
die an den Gläubiger fallen, wenn der Kredit nicht getilgt wird, die als
Anrechte auf Eigentum de. Gläubigers emittierte Geldsumme nicht zurückgegeben
werden, aber weiterhin gegen ihn präsentiert werden können. Die kreditierte
Geldsumme muß immer mit Schuldnereigentum gesichert werden, weil gegen das
emittierte Geld - wenn und von wem immer es präsentiert wird - belastetes
Eigentum abgetreten werden muß. (Ebd., S. 192-193).Es
ist also kein neoklassisches Gut, sondern die Eigentumsprämie, die während
der Belastung von Eigentum - bzw. während der zeitweiligen Herabstufung
des Gläubigers auf den Status eines bloßen Nutzers der Besitzseite
seines Eigentums - verloren ist. Dieser Verlust an Eigentumsprämie tritt
zum Tilgungsrisiko hinzu, kann also durch Absicherung des Tilgungsrisikos durch
Verpfändung von Schuldnereigentum nicht ausgeräumt werden. Deshalb führt
die zeitweilig aufgegebene Eigentumsprämie zum Zins und nicht die Gefahr
des Verlustes des kreditierten Geldes. (Ebd., S. 193).Jeder
Schuldner muß daher die seinem Gläubiger bei Blockierung des Eigentums
verlorengehende Eigentumsprämie durch Zins kompensieren. Auch der Schuldknecht
erfüllt diese Verpflichtung, wenn er bei Beginn des Kreditzeitraums umgehend
Dienste leistet. Der nicht zum partiellen Knecht werdende Schuldner hingegen erbringt
den Zins in Geld. In Griechenland und Rom etwa wird das die Regel, nachdem durch
Solon (640/638-559 v.u.Z.) im 7./6. Jahrhundert bzw. durch das Zwölftafelgesetz
im 5. Jahrhundert v.u.Z. die Schuldknechtschaft verboten wird. (Ebd., S.
193).
4) Die unmögliche Verknüpfung von Liquiditätsprämie
und Zins mit einer Geldhaltung
Anders als die Neoklassik, die den
Zins als Belohnung für den Aufschub von Kosum versteht, sieht Keynes den
Zins als Belohnung für die Aufgabe eines Gutes geld, das eine Liquiditätsprämie
hat. (Ebd., S. 194).Ganz wie die Neoklassik kennt Keyenes
... nur den - schon im Neandertaler verkörperten - Besitzer. (Ebd.,
S. 195).Es gibt keine Geldkiste, das heißt es gibt kein
Haltung von Geld, kein Horten. Liquide zu werden, bedeutet mithin, daß
die zu leihende Geldsumme erst generiert werden muß. Dafür muß
ein Eigentümer auf Eigentumsprämie verzichten, für deren Kompensation
der Zins zu zahlen ist. Das Unverständnis des Geldes selbst, das einfach
vorausgesetzt wird, hat Keynes also dazu verführt, dem Geld jene Prämie
zuzuordnen, die zum Zins führt. (Ebd., S. 197-198).Die
Liquiditätsprämie tritt erst auf, werden durch die Aufgabe von Eigentumsprämie
im Gläubiger-Schuldner-Kontrakt Geld geschaffen worden ist. (Ebd.,
S. 199).
5) Zusammenfassung
Für die herrschende Wirtschaftstheorie
gibt es die Zinsforderung des Gläubigers, weil er auf Nutzung seiner Güter
zugunsten eines Schuldners vorübergehend verzichtet. Sie hat nur dann einen
Sinn, wenn der Schuldner im Zeitraum des ihm eingeräumten Kreditzeitraums
einen Profit erzielt. Dieser wird als Reinertrag von Gütern durch Transformation
von Güterwerten in höhere Güterwerte verstanden, aus denen der
Zins geleistet wird. Die Unterstellung der Existenz eines Reinertrages bildet
den wunden Punkt der neoklassischen Zinstheorie. Sie nimmt diesen Ertrag als Faktum,
ohne seinen ökonomischen Erzwingungsgrund angeben zu können. (Ebd.,
S. 216).Die Neoklassik steht damit in Analogie zur Klassik, die
einen Profit als Einkommen von Produktionsmitteleigentum voraussetzt, aus dem
der Zins als ein abgeleitetes Profiteinkommen von denjenigen der »industriellen
Kapitalisten« (Marx) aufgebracht wird, die Produktionsmittel erst erwerben
wollen und dafür bei »Geldkapitalisten« (David Ricardo, 1772-1823)
Kredit nehmen müssen. Der ökonomische Grund der Profiterzwingung kann
auch von der Klassik nicht angegeben werden. Sie verfällt für seine
Herkunft deshalb auf eine Herrschaftstheorie. Berühmt wurden entsprechende
Charakterisierungen bei Marx: »Die industriellen Kapitalisten, diese neuen
Potentaten, ... die Ritter von der Industrie brachten ... die Knechtschaft des
Arbeiters.« (Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, 1. Buch, 1867, a.a.O.,
S. 743) In solcher Sicht des Wirtschaftens wächst aus der Macht über
Produktionsmitteleigentum die Macht zur Ausbeutung eigentumsloser und damit machtloser
Arbeiter, die durch eben diese Macht auf den bloßen Reproduktionslohn gedrückt
werden, was den Profit als Überschuß über den Reproduktionslohn
ermöglicht. (Ebd., S. 216).Klassik und Neoklassik haben
niemals dem Befund Rechnung tragen können, daß der Zins völlig
unabhängig von Profit oder Reinertrag anfällt und selbst bei Verlusten
des Schuldners zu leisten ist. Dieser Umstand verweist darauf, daß der Zins
für etwas zu bezahlen ist, das weder mit Ausbeutung noch mit einer
physischen Transformation zu tun hat. (Ebd., S. 216).Die
Suche nach diesem »Etwas« hat Keynes zum zentralen Thema seiner Theorie
gemacht. Den ökonomischen Erzwinger von Zins identifiziert er in einer immateriellen
Liquiditätsprämie, in einem Betrag an Annehmlichkeit und Sicherheit.
Dieser erwachse aus dem Halten dauerhafter Güter als Vermögen und sei
bei dem Vermögensgut Geld am höchsten. Da dem Gläubiger beim Kreditieren
von Geld diese Liquiditätsprämie während des Kreditzeitraums entgehe,
müsse der Schuldner sie durch etwas ausgleichen. Dieser Ausgleich sei der
Zins. (Ebd., S. 217).Mit Keynes' Idee einer immateriellen
Prämie beginnt - vage noch und am Ende erfolglos - ein Denken, das im eigentlichen
Sinne als Theorie der Wirtschaft bezeichnet werden kann. Es sind nicht mehr biologische,
psychische oder soziale Elemente wie Gier, Bedürfnisse und Machtbefugnisse,
die das Wirtschaften erzwingen, sondern eine zu Zins materialisierbare immaterielle
Prämie. (Ebd., S. 217).Durch diese Einsicht wird die
richtige Erklärung der zinsgebärenden Prämie zum Fundament der
Wirtschaftstheorie. Keynes scheitert jedoch hieran, weil er der universalen Kategorie
von Gütern verhaftet bleibt und auf ihre Dauerhaftigkeit die immaterielle
Prämie legt. Da dauerhafte Güter und auch ihr Verleihen in der Tat immer
schon zur Menschheitsgeschichte gehören, der Zins jedoch nicht, muß
die zum Zins führende Prämie einen Grund haben, der nicht in Gütern
als solchen oder ihrer Eigenschaft liegt, dauerhaft und auf Zeit verleihbar sein
zu können. (Ebd., S. 217).Erst das Gut, das Eigentum
ist, welches nicht durch seine Dauerhaftigkeit oder seine Nutzungsqualität,
sondern durch Rechtsakt definiert ist, konstituiert die für den Zins relevante
Prämie. Sie besteht in dem Vermögen von Eigentum, belastbar und verpfändbar
sein zu können, kurz: der Eigentumsprämie. Bei Belastung von Eigentum
im Kreditkontrakt verliert der Gäubiger seine Eigentumsprämie, wofür
ihn der Schuldner mit Zins kompensieren muß. (Ebd., S. 217).Gläubiger
halten kein Gut Geld in irgendeiner Kiste, auf deren Inhalt sie eine Liquiditätsprämie
legen, sondern schaffen im Kreditkontrakt überhaupt erst Geld als Anrecht
gegen ihr Eigentum. Mit dieser Blockierung verzichten sie auf die Eigentumsprämie,
gewinnen aber den Zins. Schuldner leihen sich dieses Geld, indem sie Eigentum
als Sicherheit verpfänden und einen Zins zahlen müssen. Sie verlieren
ebenfalls Eigentumsprämie, gewinnen aber die Liquidätsprämie des
Geldes, das heißt sein Vermögen, Kauf- und dann wieder Kreditkontrakte
erfüllen zu können. (Ebd., S. 217-218).Nach der
hier vertretenen Eigentumstheorie des Zinses entsteht der Zins also nicht aus
dem Verlust der Liquiditätsprämie auf Geld, das heißt nicht erst,
wenn sich jemand von bereits geschaffenem Geld trennt. In diesem Fall können
zwar Zinsen verdient werden, der Zins selbst aber entsteht schon vorher aus dem
Verzicht auf die Eigentumsprämie, der immer dann eintritt, wenn Geld von
einem Gläubiger als Anrecht gegen sein Eigentum überhaupt erst geschaffen
und das Eigentum dabei belastet und so blockiert wird. Durch den Verzicht eines
Gläubigers auf seine Eigentumsprämie gelangt mithin der Schuldner für
ihre Kompensation durch Zins an die Liquiditätsprämie des in diesem
Gläubiger-Schuldner-Kontrakt geschaffenen Geldes. Selbstverständlich
- und insofern ohne theoretische Aussagekraft - verleiht die Möglichkeit
der Verwandlung dieses Geldes in Güter und Aktiva auch diesen die Eigenschaft
der Liquiditätsprämie - und zwar in dem Grade, in dem sie wieder in
Geld, also in Kontrakterfüllungsmittel zurückverwandelt werden können.
(Ebd., S. 218).Mit dem Geld kann der Schuldner die Verpflichtungen
aus Kaufkontrakten erfüllen, die ihm eine Produktion erlauben, deren Realisierung
durch Einwerbung von Verkaufskontrakten ihm wiederum das Geld verschafft, mit
dem er seine Verpflichtungen aus Kreditkontrakten erfüllt. Der Gläubiger
gewinnt bei Erfüllung des Kreditkontrakts von neuem die Prämie seines
Eigentums, belastbar zu sein. Er kann mithin von neuem Geld schaffen. Das ihm
vom Schuldner refundierte Geld ist eliminiert und kommt in keine Kiste, in der
es dann eine Liquiditätsprämie abwürfe. (Ebd., S. 218).Gesellschaften
ohne Eigentum kennen lediglich Besitzer von Gütern, deren Nutzung durch blutsverwandtschaftliche
Solidarpflichten oder feudalherrliche Fürsorgepflichten gewährleistet
wird. Frei disponierbare Eigentumstitel an Gütern, die ihre Belastbarkeit
und Verpfändbarkeit ermöglichen, haben sie nicht. Deshalb fehlen Eigentumsprämie,
Zins und Geld. (Ebd., S. 218).Der Eigentümer hat die
traditionellen Kollektivsicherungssysteme verloren, dafür jedoch durch die
Exklusivität seines Eigentums das Recht auf - abgesehen vom Mißbrauch
- unbegrenzte Disponierbarkeit über dasselbe gewonnen. Diese exklusive Verfügung
konstituiert die Möglichkeit des Wirtschaftens mit Eigentum, das heißt
seiner Verteidigung und Vermehrung durch Belastung und Verpfändung. Das Wirtschaften
mit Eigentum tritt zur Güternutzung der Besitzseite des Eigentums also hinzu.
Ökonomie hat ihren Kern mithin in der Umwandlung der nur aus der Exklusivität
des Eigentums erwachsenden Prämie, die bei ihrer Aufgabe durch seine Belastung
im geldschaffenden Kreditkontrakt die Zinsforderung gebiert. (Ebd., S. 218-219).Da
Geld - als Anrecht auf Eigentum - nun die Form ist, welche den Einsatz des Eigentums
in Kreditkontrakten erlaubt, scheitert die ausschließlich an das Kreditieren
von Geld gebundene Herleitung des Zinses als monetärer Zins bei Keynes und
den Monetärkeynsianern nicht anders als die an das Verleihen von Gütern
geknüpfte Erklärung des Zinses als realer Zins in der Neoklassik.
(Ebd., S. 219).Alle Erörterungen über den Zins legen
großes Gewicht auf die Binsenweisheiten des Verstreichens von Zeit und der
Nichtkenntnis der Zukunft. Richtig ist, daß immer Zeit verstreicht und die
Zukunft niemals bekannt ist. Aus der vagen Zukunft erfolgt jedoch keine ökonomisch
folgenreiche Unsicherheit, wie die nur Besitz kennenden Gesellschaften des Stammesverbandes
und der Abgabenverfassung illustrieren. (Ebd., S. 219).Metatheoretisch
betrachtet unterläuft den herrschenden Wirtschaftslehren folgendes: Sie wissen
nicht, was Eigentum ist, sondern halten bereits Besitz für Eigentum. Entsprechend
verwenden sie die beiden Begriffe Eigentum und Besitz unterschiedslos für
die eine Sache Besitz, woraufhin das Eigentum selbst theoretisch unausgelotet
bleibt. Dieses Vorgehen rächt sich bei der Erklärung des Zinses, der
nun als Derivat der entscheidenden Größe für das Wirtschaften,
der Eigentumsprämie, nicht einmal in Erwägung gezogen werden kann.
(Ebd., S. 219).Da bisher nicht verstanden worden ist, warum es
zum Wirtschaften kommt, enden alle Versuche zur Erklärung des Zinses im »Chaos
der Zinstheorien«. Die Klassiker sehen den Zins als Derivat des Profits,
die Neoklassiker als Derivat der Zeitpräferenz oder Gegenwartsvorliebe. Für
Keynes ist der Zins einmal der Preis, der Annehmlichkeiten der Geldhaltung überwindet,
aber auch Ausdruck für die Unsicherheit seiner zukünftigen Höhe.
Die Monetärkeynesianer erklären den Zins einerseits als Kompensation
für die Unsicherheit des Vermögensrückflusses, andererseits jedoch
als Preis für die Verfügung über das Vermögen des Geldes,
Kontrakte erfüllen zu können. Dabei werden Phänomene, die exklusiv
der Eigentumswirtschaft angehören, häufig als universelle Größen
mißverstanden und nicht selten auch in Stammes- und Feudalgesellschaften
verortet. Damit bringen sich die Wirtschaftstheoretiker um die Möglichkeit,
auch nur danach zu fragen, was die Eigentumsgesellschaft von Besitzgesellschaften
strukturell unterscheidet, warum also nur erstere zur Bewirtschaftung von Ressourcen
findet, während letztere über ihre Beherrschung nicht hinausgelangen.
(Ebd., S. 219-220).Geld wird in diesem Buch erst nach Eigentum und Zins
behandelt, da das Geld von diesen beiden Elementen abhängt und nicht etwa
der Zins vom Geld oder gar Tausch, wie die Berliner Schule des monetären
Keynesianismus bzw. die Neoklassiker glauben. (Ebd., S. 221).Für
den Monetärkeynesianismus muß ein nichtökonomisches Geld oder
ein Vorrat immer schon vorhanden sein, damit sich eines Tages eine Autorität
den Zins ausdenkt, ihn für solches »Vorratsgeld« anbietet und
damit ökonomisches Geld in die Welt setzt. In die Pflicht zwingender Ableitungen
gestellt, ahnt die Neoklassik im Unterschied zum Monetärkeynesianismus immerhin,
daß man sich nicht einfach ein irgendwie immer schon daseiendes oder ein
autoritär gesetztes Geld aus den Tiefen der Geschichte zurechtfabulieren
kann, sondern es aus seinem ökonomischen Hauptaxiom - dem Tauschparadigma
- gewinnen muß. Wie im Tauschkapitel
gezeigt, entsteht Geld für die Neoklassik zur Verfeinerung des Gütertauschs:
Über die Transaktionskostenreduzierung fänden die Tauscher zur Verwendung
und Haltung des dafür ausgewählten Tauschgutes Geld. Der neoklassisch-keynesianische
Geldtheoretiker und Ökonomienobelpreisträger von 1981, James Tobin (1918-2002),
kann entsprechend verkünden: »Der Grund für die Universalität
des Geldes als einer gesellschaftlichen Institution besteht darin, daß es
den Handel erleichtert.« (James Tobin, a.a.O.). (Ebd., S. 221-222).Der
grundlegende Irrtum der Neoklassik liegt nicht in mangelnder Stringenz, sondern
in ihrem evolutionistischen Hauptaxiom selbst, aus dem sie ihre Ableitungen gewinnt.
Indem sie fest daran glaubt, daß der gewinnsuchende Tausch als ewig menschliche
und damit universelle Kategorie die Geschichte von Beginn an bis heute beherrscht,
wo er aber - wie zu zeigen war - keineswegs zu finden ist, gründet auch sie
ihr Modell ausschließlich auf eine Fiktion. Solange sie sich innerhalb
dieser Fiktion bewegt, kann sie durchaus immanent logische Aussagen machen, weshalb
die Neoklassik nicht als logisch inkonsistente, sondern als nicht zutreffende
Theorie zu kennzeichnen ist. Die Hauptdifferenz zwischen Neoklassik und Monetärkeynesianismus
besteht also darin, daß erstere einen übergeschichtlichen Tausch als
Axiom genommen hat, den es jedoch gänzlich unabhängig davon, ob er historisch
oder ahistorisch aufgefaßt wird, nicht gibt, während letztere auf ein
Axiom eigentlich verzichtet und gleich mit dem Geld beginnt, weshalb sie geschichtlich
argumentieren muß und sich dafür vor- oder außerökonomische
Gelder konstruiert, die es nicht gibt. (Ebd., S. 222).Die
von uns vertretene Eigentumstheorie des Wirtschaftens impliziert das Interesse
von Menschen an der Steigerung der Sicherheit ihrer materiellen Reproduktion,
aber hat darin nicht ihr wesentliches Moment. Dieses Motiv existiert universell
und ewig. Es kommt jedoch - wie im Zinskapitel
gezeigt - in drei unterschiedlichen Verkörperungen vor: (1)
Zugewinn solidarpflichtiger Verwandter in der Stammesgesellschaft, (2)
Zugewinn tributpflichtiger Unfreier in der Feudalgesellschaft und 3. Zugewinn
von Zins durch Preisgabe der Eigentumsprämie im Kreditkontrakt. (**|**).
Nur im (3) Fall gibt es das Wirtschaften, das Theorie
benötigt. In ihm wird durch Belastung von Gläubigereigentum Geld geschaffen,
für dessen Erwerb im Kreditkontrakt der Schuldner die Eigentumsprämie
des Gläubigers mit Zins kompensieren muß und zugleich das vom Gläubiger
riskierte Eigentum mit verpfändetem eigenen Eigentum zu sichern hat.
(Ebd., S. 222-223).
D) Das Kapitel vom Geld: Eigentumsbelastung und Eigentumsverpfändung
im Kreditkontrakt
1) Das auf Gläubiger- Schuldner-Kontrakte und nicht auf Gütertausch
bezogene Geld
Kauf und Verkau, Darlehen und Kredit sind ökonomische
Lontrakte, deren Nachbarschaft zum Eiegntum einige Wirtschaftshistoriker durchaus
zu sehen vermögen, aber eben nicht theoretisch fassen können.
(Ebd., S. 238-239).
2) Belastung und Verpfändung, Geld und Kredit
Der
Rieseschüler (Riese ist einer der Vetreter der Berliner
Schule; Anm. HB) Karl Betz hat als erster die monetärkeynesianischen
Gedanken in einem makroökonomischem Gleichgewichtsmodell dargestellt. In
diesem gibt es folgende Gruppen von Wirtschaftssubjekten: (i)
Haushalte mit «Rechten auf Sachen», die Eigentümer von Sachvermögen
oder kurz Vermögenseigentümer genannt werden; (ii)
eigentumslose Unternehmer ohne Sachvermögen; (iii)
eigentumslose Geschältsbanken; (iv) eine eigentumslose
Zentralbank und (v) eigentumslose Haushalte, die
über Arbeitskraft verfügen. (Vgl. Karl Betz, Ein monetärkeynesianisches
makroökonomisches Gleichgewicht, 1993, S. 50). (Ebd., S. 238-239).Die
Unternehmer wollen investieren, weil sie positive Profiterwartungen haben, die
selber nicht weiter abgeleitet werden. Dafür fragen sie Kredite nach, die
nur von den Geschäftsbanken angeboten werden. Die Geschäftsbanken wiederum
können das Geld für die Kredite nur von der Zentralbank bekommen. Diese
schafft das Geld aus dem Nichts (**)
und leiht es gegen einen Zins (Diskont) den Geschäftsbanken. Die Zentralbank
erhält also verzinsliche Forderungen gegen die Geschäftsbanken, und
diese haben entsprechend verzinsliche Verbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank.
Bei Abschluß des Kreditvertrages zwischen Geschäftsbanken und Unternehmern
erhalten erstere verzinsliche Forderungen und letztere einen zu verzinsenden Geldvorschuß.
Mit diesem Geldvorschub kaufen die Unternehmer bei den Vermögenseigentümern
Sachvermögen, das sie als Produktivvermögen im Produktionsprozeß
einsetzen, um damit Güter für den Profit zu produzieren. Bei dieser
Güterproduktion fragen sie auch Arbeitskraft nach. Die Vermögenseigentümer
halten das von den Unternehmern an sie gelangte Geld wiederum als verzinsliches
Geldvermögen in der Form von Sichteinlagen bei den Geschäftsbanken.
Die Vermögenseigentümer haben also die Option zwischen dem Halten ihres
Sachvermögens - dann wird nicht produziert - oder seiner Umwandlung in Geldvermögen,
was ihnen Zins einbringt und zur Güterproduktion führt. (Ebd.,
S. 239).Wo liegen nun die entscheidenden Mängel dieses Modells?
Die verzinslichen Forderungen der Zentralbank gegen die Geschäftsbanken,
die gleichzeitig mit ihrem Schaffen von Geld entstehen, werden als abstrakte Forderungen
aufgefaßt, denen kein Vermögenseigentum entspricht: »Dieses Zahlungsmittel
wird von einer Zentralbank (so) geschaffen ..., daß mit der Emission von
Geld zugleich Forderungen (der Zentralbank) in diesem Geld entstehen.« (Karl
Betz, Ein monetärkeynesianisches makroökonomisches Gleichgewicht,
1993, S. 47). (Ebd., S. 239).In dieser Aussage wird schlicht
übergangen, daß die Zentralbank bei der Geldschaffung Forderungen aus
dem Eigentum der Geschäftsbanken auf Zeit kauft und damit für ihre weitere
Verwendung durch die Geschäftsbanken blockieren. Übersehen wird überdies,
daß die Unternehmer ohne Verpfändung von Eigentum bei den Geschäftsbanken
keinen Kredit erhalten können. Auf die Idee einer Geldschaffung aus dem Nichts
(**) kann
also nur verfallen werden, weil das Eigentum in seinen entscheidenden Potenzen
der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit vollkommen ausgeblendet bleibt. Deshalb
ist es nur konsequent, wenn Betz »Rechte auf Sachen« zum Ausgangspunkt
seiner Analyse nimmt, die von den neoklassischen Besitzrechten an einer Erstausstattung
ununterscheidbar werden. Die ökonomischen Funktionen des Eigentums wirken
gerade und ausdrücklich jenseits ihrer Sachenqualität. (Ebd.,
S. 239-240).Riese kann seinen im Kern richtigen Vorwurf gegen die
Vorstellung eines Güterverzichts in der Kreditvorstellung der Allgemeinen
Gleichgewichtstheorie deshalb nicht auf einen vielversprechen Weg leiten,
weil er Geld »aus dem Nichts« (**)
schöpft. Genuines Geld ist immer durch Eigentum gedeckt. Das gilt auch für
die Emissionsdeckung durch Devisen (das heißt kurzfristige und verzinsliche
Forderungen in einer Fremdwährung), die wiederum nur als eigentumsgedeckte
für diese Rolle in Frage kommen. Bei der Geldschöpfung durch private
Notenbanken verfügen diese über Eigentum, das sie belasten. Bei der
Geldschöpfung durch die Zentralbank wiederum gibt diese ihr Geld nur gegen
den Erwerb der Eigentumstitel von Geschäftsbanken heraus. Gütermäßig
leisten in der Tat weder private Notenbanken noch Zentralbanken einen Verzicht.
Erstere räumt dem Inhaber ihrer Noten jedoch ein Anrecht auf ihr Eigentum
ein, das durchaus unbewegt bleibt, aber im Fall der jederzeit möglichen Einlösung
übertragen werden muß. Die Zentralbank wiederum zwingt ihren Schuldner
Geschäftsbank dazu, auf die Verfügung über ihr Eigentum während
der Dauer des Kreditkontraktes mit der Zentralbank zu verzichten. (Ebd.,
S. 240).Ohne die Übertragung von Eigentumstitel an sie kann
also auch die Zentralbank nicht in Aktion treten. Deshalb handelt sie ganz und
gar nicht bloß kraft ihrer Autorität. Die Verbindlichkeiten der Geschäftsbank
gegenüber der Zentralbank sind also mehr als das bloße Versprechen,
Zins zu zahlen und das geliehene Geld zu refundieren. Rieses These, »Geld
entsteht gegen Zahlung eines Zinses im Gefolge eines Kreditkontraktes zwischen
Zentralbank und Schuldner« (Hajo Riese, Geld - Zeit - Wert, 1995,
a.a.O., S. 76) greift daher um das Wesentliche zu kurz. Unberücksichtigt
bleibt nämlich die Sicherheitsleistung des Schuldners, das heißt seine
Verpfändung von Eigentum. Darüber hinaus wird nicht gesehen, daß
der Schuldner generell für die Qualität seiner Verpfändung überdies
mit seinem nicht verpfändeten Eigentum zu haften hat. Die Deutsche Bundesbank
etwa weiß das sehr genau, wenn sie in ihren Richtlinien für »Geschäfte
mit Kreditinstituten« vorschreibt, daß beim Diskontkredit im Prinzip
Wechsel nur dann gekauft werden können, wenn für die im Wechsel fixierten
Forderungen »drei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften«.
Ganz entsprechend wird beim sogenannten Lombardkredit verzinsliche Darlehen gegen
Wechsel als Pfänder - bei Verzug des Schuldners der Bundesbank das Recht
eingeräumt, »das Pfand durch einen ihrer Beamten ... zu versteigern.«
(Gesetz über die Deutsche Bundesbank, in: Deutsche Bundesbank, Die
Deutsche Bundesbank, a.a.O., § 19). (Ebd., S. 240-241).
2a) Eigentumsbestände versus Güterbestände bei der
Emission und Kreditierung von Geld
Was bedeutet nun die Gläubigerhaftung
bei der Geldschaffung? Sie bedeutet keineswegs, daß - wie Schumpeter richtig
gesehen hat, ohne allerdings den Grund der Haftung zu verstehen - die Geldschöpfung
lediglich ein technischer Vorgang sei, der »auf Tausch von Ware gegen Ware,
also auf Vorgänge in der Güterwelt schlechthin zurückgeführt
wäre.« (Joseph Alois Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung,
1911, Kapitel 3, S. 146). In der Tat wird mit dem geliehenen Geld eine Nachfrage
erzeugt, auf die hin neue Güter überhaupt erst produziert werden können.
Also entsprechen diesem Geld keine vorab schon existierenden Güter, so daß
die Geldemission ganz offensichtlich nicht durch fehlende Güter begrenzt
wird. Das bedeutet aber keineswegs, daß sie unbegrenzt ist. Den Krdeitgeber
beunruhigt nämlich nicht, daß der Schuldner Güter erst produzieren
soll und evrkaufen muß, bevor er refundieren kann. Zitiefst beunruhigen
würde ihn allerdings, wenn da vom Schuldner als Sicherhiet gestellte Eigentum
nicht existierte bzw. ein Nichts wäre. (Ebd., S. 241-242).Was
macht nun der mit Eigentum haftende Schuldner während des Kreditzeitraums
mit dem geliehenen Anrecht auf das Eigentum des Gläubigers? Er behandelt
es wie sein eigenes. Warum hat er dann aber Eigentum verpfändet, um an Geld
heranzukommen, statt es direkt durch Verkauf in Geld zu verwandeln? Er hätte
in diesem Fall seine Nutzungsrechte unmittelbar verloren. Er hätte nur noch
das Geldeigentum, während ihm bei Aufnahme eines Darlehens sein verpfändetes
Eigentum mit seiner besitzmäßigen Nutzungsseite bleibt. (Ebd.,
S. 256).Durch die Existenz der Prämie auf Eigentum, die bei
Belastung bzw. Blockierung desselben in eine Zinsforderung verwandelt wird, behandeln
alle Eigentümer - unabhängig davon, ob sie Gläubiger oder Schuldner
sind - alles Geld wie ihnen kreditiertes, wenn sie es »real« investieren,
das heißt es in Kapitalgüter verwandeln. Da ein Investor jederzeit
Geld in zinstragende Titel verwandeln könnte, wird seinem Geld bei selbstfinanzierter
Investition ein kalkulatorischer Zins angerechnet, der dem Kreditzins entspricht.
(Ebd., S. 256).Bei dieser Selbstfinanzierung
mit Eigenkapital als unbelastetem, Eigentum erhält das Eigenkapital keineswegs
den Charakter des Fremdkapitals, welches eine Verbindlichkeit gegen andere darstellt,
auch wenn das Eigenkapital wie das Fremdkapital in der Vermögensbilanz auf
der Passivseite steht, was aber nur aus buchungstechnischen Gründen geschieht.
Als Überschuß der Aktiva über die Passiva ist das Eigenkapital
ein Vermögen, das zur Sicherung der Aktiva dient. (Ebd., S. 256-257).
2b) Die Unmöglichkeit eines Warengeldes
Aus welchem
Mechanismus heraus entsteht nun die Suche nach einem Umgang mit Eigentum, der
güterförmige bewegungen und Verluste ausschließt? Es ist zuerst
der private Gläubiger, der sein Eigentum für die Emission von
geld heranzieht. Dabei geht es ihm darum, das geld vor dem Schicksal eines nutzbaren
Gutes unbedingt zu bewahren. Zins wird von ihm ja gerade nicht als Gut, sondern
für den Ausbau der Eigentumsposition gesucht. (Ebd., S. 257-258).Aus
dem fundamentalen Interesse der Eigentümer an Eigentumssicherung und Eigentumsvermehrung
finden sie bereits in der Antike dazu, nicht etwa Güter physisch zu bewegen,
sondern dokumentarisch - auf Metall, Ton, Papier und ähnlichem - fixiene
Ansprüche gegen ihr Eigentum - insbesondere also gegen Grund und Boden -
in Umlauf zu bringen. Der Eigentümer als Gläubiger muß bei solcher
Kreditoperation keinerlei Verzicht auf Güter leisten -wie im neoklassischen
Denken vorausgesetzt wird -, hat aber - was im monetärkeynesianischen Denken
übergangen wird - ein Anrecht gegen sein Eigentum herausgegeben, das ihm
jederzeit als Kaufmittel präsentiert werden kann, gegen das er dann Eigentum
übenragen muß. Bekanntlich laufen frühe Gläubiger-Schuldner-Kontrakte
zwischen altmesopotamischen Eigentümern nicht nur über Silber oder nur
über Getreide und andere Agrarprodukte, sondern auch als gemischte SilberGetreide-Kontrakte
.... (Ebd., S. 258).Aus unserer Analyse der altmesopotamischen
Kontrakte ... ergibt sich, daß produzierte waren niemals Geld gewesen sind
- auch in den unstrittig agrarisch geprägten Frühformen der Eigentumsgesellschaft,
an der eben nicht der Ackerbau, sondern das Eigentum diejenige ökonomische
Größe wird, deren Belastung - und gerade nicht Verleihung - zum Gelde
führt. (Ebd., S. 262).
2c) Die Geburt der Bank aus dem stärksten privaten Gläubiger
Sehen
wir uns die Eigentümer aus der Antike näher an, zwischen denen die Kreditkontrakte
geschlossen werden. Der Schuldner haftet hier mit Eigentum an Grund und Boden,
während der Gläubiger durch zeitweilige Aufgabe seiner Eigentumsprämie
sein Eigentum belastet, was zur Zinsforderung führt und darüber hinaus
die kreditienen Anrechte auf das Eigentum, das eigentliche Geld, riskien, was
ihm die Sicherheitsübereignung von Eigentum des Schuldners einbringt.
(Ebd., S. 264).Beide Partner sind aufs höchste an der Kontrakterfüllung
interessiert. Der Schuldner will nicht mehr leisten als er vereinbart hat, will
also seine Kontraktfähigkeit als Eigentümer, das heißt seine Kreditwürdigkeit,
erhalten. Der Gläubiger mag (mag!) versucht
sein, vor Ablauf der Kontraktzeit die Anrechte gegen sein Eigentum zurückzugewinnen
oder den Venrag auf andere Weise zu verletzen. Diese Interessenlage bringt umgehend
die Institution der Kontraktbezeugung durch Dritte in die Welt. Schon Hesiod belegt
- wie gesagt - das Elementare dieser Operation für die Eigentumsökonomie:
»Und auch beim Bruder, mit Scherz, aber doch einen Zeugen hinzuziehen. Zutrauen
hat schon genauso wie Mißtrauen Männer vernichtet.« (Hesiod,
Werke und Tage, 371f.). (Ebd., S. 264-265).Solche
Bezeugungsarbeit zwischen Kreditpartnern kann selbstredend von jedem Eigentümer
ausgeführt werden. Da es in den Kontrakten um die elementaren ökonomischen
Interessen der Eigentümer geht, darf nicht überraschen, daß es
private Gläubiger und Schuldner und nicht professionelle Bankhäuser
sind, die zuerst - durch Aufgabe der Eigentumsprämie - als Schließer
bezeugter Kontrakte Anrechte auf Eigentum als Geld übertragen, Eigentum belasten
und verpfänden sowie Zins vereinbaren: »Private Darlehensgeber existieren,
aber keine privaten Bankunternehmer.« (Fritz Moritz Heichelheim, »Bankwesen«,
in: Der kleine Pauly, 1979, Band 1, Sp. 819). (Ebd., S. 265).Dieser
Sachverhalt besagt, daß im Prinzip jeder Eigentümer Anrechte gegen
sein Eigentum als privat emittiertes Geld verleihen und damit als eigene Währung
in Umlauf bringen kann. Es können mithin so viele unterschiedliche Währungen
entstehen, wie individuelle Darlehensgeber Ansprüche gegen ihr Eigentum kreditieren.
(Ebd., S. 265).Aus den unterschiedlich starken Eigentümerpositionen
resultiert eine Rangordnung in der Akzeptanz der von ihnen emittierten Gelder
als Zahlungsmittel. Für die Lösung dieses Konkurrenzproblems wird von
den individuell emittierten zu überindividuell emittierten Geldern vorangeschritten.
Auf diesem Wege erst entstehen die Banken ganz analog zur späteren Gründung
der Zentralbank, die mit ihrem Geld als einem einheitlichen Zahlungsmittel die
Gelder der konkurrierenden privaten Notenbanken ersetzt. (Ebd., S. 265).Die
ersten Banken erfinden also das Geld nicht, sondern fassen lediglich individuell
emittierte - und damit nicht mehr konkurrierende Gelder zu einer umlauffähigeren
Form zusammen. Geld ist erfunden, sobald ein Eigentümer Ansprüche
gegen sein Eigentum einem anderen Eigentümer kreditiert, wofür dieser
Zins und Tilgung verspricht sowie einen Teil seines Eigentums verpfändet.
Der historische Befund weist in dieselbe Richtung, wenn
es vom »Münzgeld« heißt, daß es »als Mittel
zur Umwandlung immobilen Vermögens in rechenbares Vermögen« (C.
G. Starr, a.a.O.) geschaffen wurde. Setzt man - worauf die Historiker nicht kommen
- für »immobiles Vermögen« Eigentum an Grund und Boden und
für »rechenbares Vermögen« Anrechte auf dieses Eigentum,
dann hat man die Theorie der Geldentstehung verifiziert. (**).
(Ebd., S. 265-266).Dieser Befund widerspricht dem von der Berliner
Schule behaupteten besonderen bzw. ersten »historischen Moment«, an
dem Tempel qua religiöser Autorität für die zeitweilige Überlassung
von Gütern an sie einen Zins versprechen und diese Güter so in das erste
Geld transformieren. (Vgl. Hajo Riese, a.a.O.). Gegen diese Vorstellung sprechen
auch die Überlieferungen zur Transformation von Bratspießgeld zu Münzgeld
in Griechenland: »Die Münze schufen wohl Privatleute für wirtschaftliche
Zwecke, doch lassen Bilder wie der lydische Löwe, die Biene von Ephesus u.a.
erkennen, daß die Ausgabe bald in staatliche Regie gelangte.« (H.
Chantraine, »Münzwesen«, in: Der kleine Pauly, 1979, Band
3, Sp. 1448). Wir werden noch sehen, daß dieses »bald« nicht
für ein bloßes zeitliches «später« steht, sondern
einen zweiten Schritt bedeutet, der nach der Schöpfung unterschiedlicher
privater Währungen für eine bessere Akzeptanz und damit Umlauffähigkeit
von Geld durch Verdrängung der schwächeren Emittenten sorgt. (Ebd.,
S. 266).Es sind also weder säkulare noch klerikale private
Bankhäuser, die am Beginn des Kredit- und Geldwesens der Eigentumswirtschaft
stehen, sondern Eigentümer, die Anrechte gegen ihr Eigentum kreditieren und
sie so zu Zahlungsmitteln machen. Wiederum sagt die historische Forschung, die
sich in diesem Falle nicht einmal für die Theorie der Geldentstehung interessiert,
nichts anderes: »Der Kredit in seiner juristischen Ausgestaltung, die Sicherheiten
und die Zinserhebungen dürften nicht zuerst in den Tempeln praktiziert worden
sein. Die Privatkontrakte sind viel älter als die heiligen Kontrakte. Wir
glauben, daß es Privatleute, Kaufleute oder Eigentümer, gewesen sind,
die den Schuldkontrakt erfunden haben. Unter den (mesopotamischen) Dynastien von
Isin und Larsa haben dann die Heiligtümer ... die Privatkapitalisten nachgeahmt.«
(R. Bogaert, a.a.O.). Auch das »nachgeahmt« ist nicht einer Imitationslust
geschuldet, sondern ein zweiter - aus Emittentenkonkurrenz geborener - geldvereinheitlichender
Schritt. (Ebd., S. 266-267).Anders als die Berliner Schule
glaubt, können individuelle Eigentümer sehr wohl die »spezifische
Funktion« Zahlungsmittel zu produzieren«, wahrnehmen. Es bedarf keineswegs
religiöser oder herrschaftliche Autorität für diesen Akt. Vielmehr
wird das Maß der Glaubwürdigkeit, mit der Verpflichtungen aus Eigentum
erfüllt werden können, zur Bedingung dafür, daß ein Eigentümer
Zahlungsmittel schaffen, also Anrechte gegen sein Eigentum als Geld emittieren
kann. Für diese Entwicklung bleibt zweitrangig, ob eine solche Eigentumsposition
von weltlichen oder klerikalen Personen erlangt wird. (Ebd., S. 267).Es
versteht sich, daß die von Gläubiger-Eigentümern ermöglichten
Kreditbeziehungen zwischen sich und anderen Eigentümern, die nach Sicherheitsleistung
(Verpfändung) Schuldner werden, nichts mit der neoklassischen Vorstellung
des Verleihens gemein haben. Dieser Vorgang wird nicht als Kreditierung verstanden,
das heißt, Blockierung von Gläubigereigentum) sondern als zeitweilige
Verleihung von physischen Gütern, bei der ein Gläubiger seine Güter
einem Schuldner zur Nutzung überläßt. Damit ein Kontrakt zwischen
beiden zustandekommen und erfüllt werden kann, bedarf es eines dieser Güter
als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel. Es ist dieses besondere Gut, das die
Neoklassik als Geld betrachtet. (Ebd., S. 267).Gegen die
neoklassische Geldsicht wendet Riese zu Recht ein, daß die Funktion des
Tausch- und Wertautbewahrungsmittels auch von anderen Gütern erfüllt
werden könne, während Geld gerade nicht durch Güter ersetzt werden
kann. (Vgl. (Hajo Riese, Geld - Zeit - Wert, 1995, a.a.O., S. 75). Riese
vernachlässigt allerdings, daß die Kreditbeziehungen zwischen Eigentümern
mit einer zeitweiligen Überlassung von Gütern rein gar nichts zu tun
haben. Eigentümer können Zahlungsmittel schaffen, was neoklassischen
Besitzern und Verleihern von Gütern in der Tat unmöglich ist. Der Eigentümer
als Gläubiger leistet ja - anders als der neoklassische Gläubiger -
keinerlei Güter- bzw. Kosumverzicht, sondern emittiert einen gegen sein Eigentum
gerichteten Anspruch, also Geld. Das Eigentum selbst bleibt dabei unbewegt, unbearbeitet
und unvermindert. Aber es muß da sein und riskiert werden. Mit dieser gänzlich
güterfreien Operation antizipieren die Eigentümer als private Geldschaffer
die Noten emittierenden Banken, die in diesem zentralen Punkt nichts Wesentliches
mehr hinzufügen können. (Ebd., S. 268).Von Beginn
an entscheidend wird im Altertum die Verankerung der Kreditoperationen in Grundeigentum.
Banken, die diese Geschäfte eigenständig betreiben, sind anfänglich
immer »berufliche Privatbanken« (Fritz Moritz Heichelheim,
»Bankwesen«, in: Der kleine Pauly, 1979, Band 1, Sp. 819), die
auch später gegenüber den staatlichen und klerikalen Kreditunternehmen
ihre Bedeutung nicht verlieren. Schon in Mesopotamien werden Bankgeschäfte
also »nicht nur von den königlichen Schatzhäusern und Tempeln,
sondern häufig auch von Privatleuten betrieben.« (Fritz Moritz Heichelheim,
Wirtschaftsgeschichte des Altertums, 1938, S. 145 / 345). (Ebd.,
S. 268).Wie gelangen nun in der Konkurrenz zwischen den Eiegtümern
die klerikalen in eine so überlegene Vermögensposition, daß sehr
sie zur Bank heranwachsen, also die vielen von priavten Eigentümern emittierten
Gelder durch ein einheitliches ersetzen können? Ein wichtiger Grund für
ihre Vermögenszunahme hat durchaus mit Religion zu tun. Für erlangtes
Heil dankbare oder auf Heil hoffende Gläubige schaffen durch Schenkungen
und Erbschaften den Institutionen der Pietät Vorteile, auf die ander Eigentümer
kaum hoffen können. (Ebd., S. 269).Das Geld der Tempel
wird in diesem Verdrängungswettbewerb nach und nach zum exklusiven Zahlungsmittel
und damit der Tempel zum Prototyp der Bank. Mit diesem Schritt ist jedoch die
Kreditpotenz der säkularen Eigentümer nicht ausgelöscht. Als Gläubiger
treten nun auch sie mit dem Tempel in einen Kreditkontrakt, in dem diese Bank
ihr Schuldner wird. Damit erweitert sich die Tempelbank zur Depositenbank.
Aus dieser Enwicklung wird deutlich, daß die Bank nicht als Vermittler zwischen
Gäubigern und Schuldnern entsteht. Vielmehr wird der stärkste Eigentümer
zum Emittenden des besten Geldes und nötigt dadurch die schwächeren
Gläubiger in die Rolle der Einleger. Um diese konkurriert sie wiederum mit
anderen Banken, gegenüber denen sie umso eher reüssiert, je mehr belastbares
Eigentum sie kommandiert. Dieses manifestiert sich schließlich in jenem
Reichtum, der die bekannten steinernen Tempelbauten mit kostbaren Säulen,
Kapitellen und Reliefs ermöglicht, die man heute mit einer Tempelbank assoziiert
und die auch manche moderne Bank noch zieren. (Ebd., S. 271).Diese
dominierende Stellung der Tempelbanken vollzieht sich beispielsweise in Griechenland
.... Ebenso wie also die Eigentumswirtschaft nicht von einem ursprünglich
akkumulierten Reichtum kommt, sondern ganz im Gegenteil von - im Vergleich mit
den früheren mykenischen Feudalherren - armen Privateigentümern auf
den Weg gebracht wird, sind in der Frühzeit der eigentumsgeprägten Polis
auch die Tempel »enge Gebäude mit einem Raum und einer Vorhalle«,
die lediglich »aus Holz, Bruchstein oder getrockneten Lehmziegeln«
zusammengefügt sind. (Vgl. M. I. Finley, a.a.O.). (Ebd., S. 271).Wir
kennen nunmehr im Geflecht der Gläubiger-Schuldner-Kontrakte drei Typen von
Eigentümern: (I) den Gläubiger »Nichtbank«,
der Einleger bei einer Bank ist, (II) den Schuldner
»Nichtbank«, der Kreditnehmer bei einer Bank ist und (III)
die Bank als Schuldner gegenüber einem Gläubiger «Nichtbank«
und als Gläubiger gegenüber dem Schuldner »Nichtbank«.
(Ebd., S. 272).In diesem System, das eine Kreditbeziehug zwischen
dem Gläubiger »Nichtbank« und dem Schuldner »Nichtbank«
sowie eine Geldemission durch den Gläubiger »Nichtbank« ausschließt
und in dem die Bank nicht nur Kredit gibt und Einlagen annimmt, sondern auch Geld
emittiert, gelten folgenden Eigentumsbeziehungen: Der Gläubiger »Nichtbank«
trennt sich auf Zeit von Geld, das die Bank durch Belastung ihres Eigentums emittiert
und erworben hat. Er hält eine verzinsliche Forderung gegen die Bank. Dem
Schuldner »Nichtbank« wird nun nicht das vom Gläubiger »Nichtbank«
deponierte, sondern das von der Bank selbst emittierte Geld kreditiert. Sie ist
es, die ihr Eigentum belastet und nicht der Gläubiger »Nichtbank«.
Die Bank ist mithin keine Vermittlungsinstanz zwischen Gläubigern und Schuldnern
als Nichtbanken. (Ebd., S. 272). Wie verhält es sich
in diesem Geflecht mit der Eigentumsprämie und dem Zins? Auf die Eigentumsprämie
verzichtet die Bank als Geldemittent, während die Bank als Schuldner nicht
anders als der Schuldner »Nichtbank« Zins zu erwirtschaften hat und
beide durch Haftung Eigentumsprämie aufgeben. (Ebd., S. 272).Das
Eigentum, mit dem gehaftet wird, ist in der Frühzeit der Eigentumsökonomie
- wie oben gezeigt wurde - im wesentlichen Grund und Boden. Bis heute dominiert
diese nicht-produzierbare und deshalb am wenigsten von Wertverfall bedrohte Eigentumsform
das Geldwesen. So ist - wie gesagt - für japanische Banken gut belegt, daß
sie Kredite gegen die Sicherheit von Grund und Boden, nicht von Gebäuden
vergeben. (Ebd., S. 272).Warum werden diese Anrechte bzw.
das Geld von Ressourceneigentümern, denen der jetzt bei der Bank Verschuldete
sie offeriert, akzeptiert? Warum also verkaufen sie etwas gegen Anrechtsscheine,
die noch keinesfalls gesetzliches Zahlungsmittel sein müssen, ihn also nicht
zur Annahme zwingen? Der Akzeptant weiß, daß er die Anrechte gegenüber
ihrem Aussteller, der Bank also, jederzeit als Forderung präsentieren und
von dieser dafür Eigentum erhalten kann, mit dem ja wiederum sie für
die emittierten Anrechtstitel haftet. Anders formuliert: Mit den von der Bank
herausgegebenen Anrechten kann umgehend Eigentum der Bank gekauft werden. Der
Akzeptant kann mithin jederzeit wieder Eigentum kaufen, gewinnt vor allem aber
die Fähigkeit, seine Geldschulden zu bezahlen, die bei jedem Kreditkontrakt
anfallen. Der Geldannehmer geht mithin davon aus, daß die Anrechte emittierende
Bank als zureichender Eigentümer ausgewiesen ist. Zusätzlich - was aber
für die Akzeptanzposition der Bank selbstverständlich nicht ausschlaggebend
ist - geht er davon aus, daß sie diese Anrechte immer nur dann herausgibt,
wenn sie Eigentum verpfändende Schuldner für zinsbelastete Kreditverträge
gewonnen hat, ihr Eigentum also nicht nur belastet, sondern auch sichert.
(Ebd., S. 274).Der Verkäufer wird nur bereit sein, im Kaufkontrakt
Eigentum aufzugeben, wenn er dafür einen echten Eigentumstitel, wie an Grund
und Boden gebundenes Geld, und nicht irgendein qua Ermächtigung als Geld
gesetztes Medium (wie etwa das »Heilige Geld« der Monetärkeynesianer)
erhält. Es ist mithin ausschließlich die Einbeziehung der Geld emittierenden
Instanz in die Eigentümervernetzung, die das Geld akzeptabel macht. Eine
den privaten Kontraktbeziehungen entzogene Macht wäre für die gesellschaftliche
Durchsetzung von Geld gerade die ungeeignetste Instanz, da die Eigentümer
sie zur Einhaltung von Verpflichtungen, und das heißt wiederum zur Leistung
aus ihrem Eigentum, nicht zwingen könnten. Je größer mithin die
kontrahierbare Eigentumsposition der Geld emittierenden Instanz ausfällt,
desto stärker wird ihre »Macht« zur gesellschaftlichen Durchsetzung
ihres Geldes. Die eigene Eigentumsposition mit zusätzlichem Eigentum auszubauen,
muß denn auch bereits die antike Eigentumsökonomie beherrschen. Hesiod
hat dafür einen unsterblichen Vers gefunden: »Auf daß anderer
Land du erwirbst, nicht deines ein andrer.« (Hesiod, Werke und Tage,
341). (Ebd., S. 274).
2d) Die Geburt des eigentlichen Geldes aus der Belastung von Eigentum
Obwohl
die gesamte Geldforschung daran gescheitert st, die Herkunft des eigentlichen
Geldes (money proper) aus Gläubiger-Schuldner-Kontrakten zwischen
Eigentümern zu erfassen haben ihre scharfsinnigen Vertreter immerhin vermutet,
daß die Münze wegen der sehr hohen Nennwerte der frühen
Stücke nicht zur Tauscherleichterung erfunden wurde, sondern als Mittel zur
Umwandlung immobilen Vermögens in rechenbares Vermögen diente. (**).
(Ebd., S. 277).Wir ... erklären den Zins aus der zeitweiligen
Blockierung von Gläubigereigentum. Die mit seiner Belastung aufgegebene Eigentumsprämie
ist es, die der Schuldner mit Zins kompensieren muß. Die Blockierung bewirkt
- wie gezeigt -, daß Eigentum weder veräußert noch neuerlich
für Geldschaffung belastet bzw. für die Verschuldung verpfändet
werden darf, aber umgehend an Einlöser des emittierten Geldes übertregen
werden muß. (Ebd., S. 278).Grundsätzlich knappgehalten
wird Geld von der Bereitwilligkeit, Anrechte auf Eigentum zu kreditieren
und Eigentum selbst zu verpfänden. Eigentum selbst wiederum ist knapp, weil
es Eigentümer hat und eben kein sogenanntes freies Gut darstellt. Nicht also
Häufigkeit oder Seltenheit ein Gutes bestimmen, ob es »frei«
oder knapp ist. Auch das physisch reichlich vorhandene Gut wird ökonomisch
knapp, wenn es einen Eigentümer hat, der also über seinen Einsatz entscheiden
kann (Halten versus Belasten bzw. Verpfänden), und das selten Gut
ist ökonomisch »frei«, wenn es keinen Eigentümer hat.
(Ebd., S. 279).
2e) Die unabdingbare Sicherung der Geldemission durch Eigentum auch im
modernen, zweistufigen Bankensystem
Eine Golddeckung bedeutet ...
keine Deckung einer auf Papier gedruckten Note durch ein Geldstück aus Gold,
sondern eine Deckung der Papiernote durch Eigentum in Form von Gold zu einem von
der Bank garantierten Preis in Höhe des der Note aufgedruckten Betrages.
So garantierte etwa die Bank von England im 19. Jahrhundert, daß jemand,
der ihre Noten hielt, nicht besser gestellt war als jemand, der ein bestimmtes
Gewicht Gold hielt. Das Statut der Bank von England »verpflichtete sie ...
nicht nur, jedem Einlieferer ihrer Noten gebührende Edelmetallmengen auszuhändigen,
sondern vor allem ... für eine mit dem Feingewicht von 7,32239 Gramm bestimmte
Goldmenge jedem Einlieferer unter allem Umständen ...eine Banknote mit dem
Nennwert 1 Pfund Sterling herauszugeben. .... Das erst stabilisierte den Preis
des Goldes.« (Hans-Joachim Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik,
1994, S. 174). (Ebd., S. 286-287).Bis zum Zweiten Weltkrieg
sind die im 19. Jahrhundert entstanden Zentralbanken dem Prinzip der Bank von
England gefolgt. So stand zum Beispiel auf den Banknoten des Federal Reserve
System der USA nicht allein, daß sie gesetzliches Zahlungsmittel für
alle Schulden, sondern auch »einlösbar in gesetzmäßiges
Geld«, seien. Dabei handelte es sich um ungemünztes Gold. Gold an sich
für gesetzmäßiges Geld, Banknoten jedoch für davon abgeleitetes
gesetzliches Zahlungsmittel zu halten, war nun einer bis hin zu Keynes fortgeschleppten
Illusion geschuldet. Sie beruht auf dem bis heute gerne geteilten Irrtum, daß
Münzen Geld waren, weil man sie aus wertvollem Edelmetall schlagen konnte,
einlösbare Banknoten dagegen kein Geld, weil sie das Edelmetall nur repräsentierten.
Die Münze aus Edelmetall war aber - wie gezeigt - niemals etwas anderes als
eine auf Edelmetall statt auf Papier gedruckte Banknote. Erst der mit dem Papiergeld
mögliche Mißbrauch - seine Abkoppelung von dem Wert belasteten Eigentums
- hat jedoch etliche seiner Varianten so sehr in Mißkredit gebracht, daß
dem Publikum als nicht wertloses und damit gesetzmäßiges Geld nur solches
erschien, das in sich selbst Wert transportierte statt lediglich den Wert von
Eigentum zu repräsentieren. (Ebd., S. 287-288).Ist es
nun tatsächlich so, daß die modernen Zentralbanken ihre uneinlösbaren
Noten ohne Deckung herausgeben? Wäre für ihr Geld die Eigenschaft des
Geldes, Eigentum zu repräsentieren, aufgehoben? Könnte es also grenzenlos
produziert werden? Für solchen Glauben spricht - wie oben bereits angesprochen
- nichts: »Jede Zentralbank, die ein stabiles Geld anbieten will, kann das
tun. Sie muß sich nur dafür entscheiden, ausschließlich Vermögenswerte
anzukaufen, die für eine bankmäßige Deckung geeignet sind. Das
sind Vermögenswerte, die eine Forderung gegen einen Eigentümer darstellen
und nicht nur Zahlungsversprechen von Schuldnern sind.« (Hans-Joachim Stadermann,
Geldwirtschaft und Geldpolitik, 1994, S. 177). Richtig an dieser Formulierung
ist, daß allein Zahlungsversprechen von Schuldnern nicht für eine ausreichende
Deckung taugen. Allerdings muß präzisiert werden, was die Forderung
gegen einen Eigentümer meint, da auch der Schuldner Eigentümer ist,
dessen Zahlungsversprechen ohne haftendes Eigentum ja wertlos wäre. Die Forderung,
auf die es für die Deckungsfähigkeit eines Vermögens ankommt, bezieht
sich auf einen Eigentümer, der Gläubiger ist. Die seitens der Zentralbanken
von den Geschäftsbanken geforderten »guten Handelswechsel« für
die nur als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften können, stellen
traditionell die geeigneten Vermögenswerte zur Deckung ihrer Geldemission
dar. Diese Verpflichteten sind, wie jedem einschlägigen Lehrbuch für
das Kreditwesen zu entnehmen ist, Gläubiger, die für die Eigenschaft
des Geldes, Eigentum repräsentieren müssen, einstehen. (Ebd.,
S. 288).Schauen wir uns den Vorgang einmal im Detail an: Mit einem
Wechsel bezahlt ein nicht sofort zahlungsfähiger Schuldner als sogenannter
Bezogener zu einer bestimmten Frist eine Rechnung für gelieferte Waren
über einen - in einem bestimmten Geldstandard - festgelegten Geldbetrag.
Diese Wechselsumme liegt höher als die Rechnungssumme, da der Schuldner nicht
sofort zahlt und für die ihm eingeräumte Frist Zins leisten muß.
Dieser Wechsel wird vom Gläubiger als sogenanntem Aussteller geschaffen.
Er unterschreibt auf der Vorderseite des Wechsels. Der Wechsel muß von dem
im Wechsel als Bezogener benannten Schuldner angenommen werden. Diesen
Akzept drückt der Bezogene durch seine Unterschrift ebenfalls auf
der Vorderseite des Wechsels aus. Neben Bezogenem und Aussteller findet sich auf
der Wechselvorderseite auch die Auskunft darüber, an welchen Wechselnehmer
- den Aussteller oder einen von ihm benannten fremden Gläubiger, gegenüber
dem der Aussteller selbst eine Verbindlichkeit aus einer Warenlieferung aufweist
- der Bezogene zu bezahlen hat. Präsentiert der fremde Gläubiger den
Wechsel dem Bezogenen und trifft diesen als nicht zahlungsfähig an, dann
haftet der Wechselaussteller. (Ebd., S. 288-289).Obwohl der
Bezogene also für seine Schuld gegenüber dem ausstellenden Gläubiger
haftet, herrscht im Wechselverkehr das Prinzip der Gläubigerhaftung.
Der Wechselnehmer, der dem ausstellenden Gläubiger Geld gibt, muß sich
nicht um die Zahlungsfähigkeit des bezogenen Schuldners kümmern, sondern
braucht sein Vertrauen nur auf die Zahlungsfähigkeit des ausstellenden Gläubigers
zu setzen. Er vertraut damit auf die Sorgfalt des Gläubigers. Dieser haftet
für Annahme (Zahlungsbereitschaft) und Zahlung (Zahlungsfähigkeit des
im Wechsel Bezogenen). Seine Haftung führt zu einer besonderen Sorgfalt.
Sie resultiert daraus, daß er nicht selbst dadurch in eine Zahlungspflicht
geraten will, daß ein Dritter - der Bezogene - sich gegenüber dem Wechselnehmer
als zahlungsunfähig erweist. Mithin wird ein Eigentümer überhaupt
nur dann Aussteller eines Wechsels werden, wenn er wiederum der Eigentumsstärke
des Bezogenen vertraut. Andernfalls wird der Zahlungsaufschub, der dem Aussteller
vom Wechselnehmer durch Weitergabe des Wechsels an diesen gewährt worden
ist, hinfällig, und der ausstellende Gläubiger muß seine Forderung
an den bezogenen Schuldner abschreiben. Weil also der Gläubiger (Aussteller)
bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verlieren soll und nicht der Schuldner
(Bezogener), muß eine Ökonomie, deren Prinzip die Verteidigung von
Eigentum ist, automatisch den Vorrang der Gläubigerhaftung etablieren.
(Ebd., S. 289).Das Pprinzip der Gläubigerhaftung zieht sich
durch den gesamten Lebenslauf des Wechsels hin bis zu seiner Einlösung. Diese
muß entweder zu dem termin erfogen, der auf dem Wechsel vereinbart ist,
oder - bei einem sogenannten Sichtwechsel - immer dann, wenn der Wechselnehmer
ihn dem bezogenen vorlegt. Das Pprinzip der Gläubigergerhaftung besagt nun,
daß jeder weitere Wechselnehmer seine Vorgänger in Haftung nimmt. Bei
diesen weiteren Wechselnehmern handelt es sich wiederum um Gläubiger, gegenüber
denen ihre Vorgänger Verbindlichkeiten haben, die durch Wechselnahme abgegolten
werden. (Ebd., S. 289-290).Die für die Übertragung
der Wechselrechte zu erfüllenden Formalitäten finden auf der Rückseite
des Wechsels statt. Dort steht der Vermerk des Berechtigten aus dem Wechsel über
die Übertragung der Wechselrechte - das sogenannte Indossament. Der
Aussteller dieses Vermerks heißt Indossant, der neue Wechselgläubiger
bzw. vorläufig letzte Wechselinhaber Indossatar. Dieser Indossatar
kann nun alle ihm vorhergehenden Wechselgläubiger -einschließlich des
Ausstellers -in beliebiger Reihenfolge mit ihrem Eigentum in Haftung nehmen, wenn
der Bezogene nicht bezahlt. (Ebd., S. 290).Alle Wechselgläubiger
- vom Aussteller bis zum letzten Indossatar - haben lediglich eine Forderung erhalten,
die zwar gegen eine Verbindlichkeit aufgerechnet werden kann, aber kein Geld darstellt.
Will ein Wechselgläubiger vor Ablauf der Verfallzeit des Wechsels an Geld
herankommen, dann kann er ihn an eine Geschäftsbank verkaufen. Diese Bank
gibt ihm nun zwar Geld, aber nicht in der Höhe der Wechselsumme. Von dieser
zieht sie einen bestimmten Prozentsatz ab - den Diskont - und zahlt den
Rest in Geld aus, das nun zum Erwerb von Eigentum verwendet werden kann. Warum
muß der Wechselverkäufer diesen Diskont zahlen bzw. was läßt
die Bank sich durch ihn ausgleichen? Diese Frage wird in der Geld- und Kredittheorie
selbst dort nicht beantwortet, wo der Wechsel durchaus als Kern einer funktionierenden
Geldwirtschaft wahrgenommen wird. Dieselbe Nichtthematisierung gilt für die
einschlägige Literatur zum Wechselrecht. Eine Ausnahme ist wieder einmal
Keynes (vgl. a.a.O.). Er hat beispielsweise in der Fachliteratur als »zinslose
Darlehen« bezeichneten Kontrakten Altmesopotamiens angesehen, daß
sie - ganz wie moderne Wechsel - Dokumente sind, auf denen eine Zinszahlung zwar
nicht vermerkt ist, die gleichwohl aber einen zinsbelasteten Kredit ausdrücken,
weil der gegebene Kredit geringer war als die zu zahlende Schuld am Ende der Frist.
(Ebd., S. 290).Die Frage nach dem Diskont wird umgehend beantwortbar,
wenn man in Erinnerung ruft, daß der Wechselschuldner (der Bezogene) eine
über der Rechnungssumme liegende Wechselsumme akzeptieren mußte, weil
der Gläubiger ihm Zahlungsaufschub gewährt hatte, für den Zins
zu zahlen war. Die den Wechsel hereinnehmende Kreditbank, die selbst Banknoten
emittiert, erhält eine für sie nicht weiter verzinsliche Forderung (den
Wechsel), die sie erst zu einem späteren Zeitpunkt dem Bezogenen präsentieren
kann. Für den Fall, daß dieser dann nicht zahlen kann, stehen wiederum
die Wechselgläubiger mit ihrem Eigentum für die Bank in Haftung. Die
Bank selbst gibt für den Wechsel Banknoten heraus. Diese stellen ebenfalls
unverzinsliche Forderungen (gegen sie selbst) dar. Anders jedoch als der erst
in der Zukunft präsentierbare Wechsel sind diese Forderungen sofort und jederzeit
gegen Eigentum der Notenbank einlösbar. Zahlte sie für den erst in Zukunft
einlösbaren und nicht weiter verzinslichen Wechsel mit ihren ebenfalls unverzinslichen,
aber gegen sie jederzeit einlösbaren Forderungen in gleicher Höhe, dann
würde sie einen Verlust erleiden. Sie hätte nämlich heute Eigentum
blockiert, über das sie erst zu einem späteren Zeitpunkt -dem Zahlungstermin
des Bezogenen - verfügen kann. Für diesen zeitweiligen Verlust der Eigentumsprämie
auf ihr Eigentum haften die Wechselgläubiger nicht. Deshalb läßt
sie sich ihn durch Zins vergüten, den sie dem Wechselgläubiger als Diskont
abzieht. (Ebd., S. 291).Die Notenbank kann also ihre Banknoten
erst nach folgendem Vorgang schaffen: Eine Zinsforderung ist entstanden, nachdem
ein Eigentümer als Gläubiger gegenüber einem Eigentümer als
Schuldner auf die ihm zustehende Rechnungssumme vorübergehend verzichtet
hat. Zugleich haftet der Rechnungsgläubiger für sein dem Schuldner zeitweilig
belassenes Geld gegenüber Dritten - also auch der Bank. Diese erhebt ihren
Diskont also nicht deshalb, um die Herausgabe von Banknoten knappzuhalten. Vielmehr
wird im Diskont der Zins fällig, der als Entschädigung für den
zeitweiligen Zugriffsverlust des Gläubigers längst in der Welt war.
Deshalb ist Geld ein Anrecht gegen Eigentümer, das keine Zinsen trägt,
selbst aber nur gegen Zins zu haben ist. (Ebd., S. 291).Als
entscheidende Instanz für den Verkauf von Wechseln gegen Geld dient seit
der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr die private, sondern zunehmend die zentrale
Notenbank. Im Prinzip ändert sich im Vergleich zur privaten Notenemission
wenig. (1.) Es gilt: Auf den ihr präsentierten
Wechseln müssen »mindestens drei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete
haften. Die Bundesbank kann sich mit zwei Unterschriften begnügen, wenn die
Sicherheit des Wechsels in anderer Weise gewährleistet ist. (2.)
Der Wechsel soll ein guter Handelswechsel sein, das heißt, er soll aufgrund
von Warengeschäften oder Dienstleistungen zwischen U nternehmen und/ oder
wirtschaftlich Selbständigen begeben worden sein. (3.)
Der Verkäufer ist verpflichtet, auf Verlangen über die geschäftliche
Grundlage der Wechsel Auskunft zu geben.« (W. Grill u.a., a.a.O.).
(Ebd., S. 291-292).Alle Verpflichteten sind Gläubiger. Das
Minimum von zwei Gläubigern ergibt sich dann, wenn der Wechselnehmer und
die den Wechsel zur Refinanzierung einreichende Geschäftsbank als Gläubiger
gegenüber der Bundesbank haften. Dabei muß letztere bei Zahlungsunfähigkeit
ersterer auf ihr Eigenkapital zurückgreifen, also ebenfalls haften. Erst
bei Erfüllung dieser Bedingungen gibt sie nach Abzug des Diskonts eigentliches
Geld (money proper) heraus. Auch Zentralbankgeld wird also keineswegs »aus
dem Nichts« (**)
oder »gleichsam mit einem »Federstrich« (**),
geschaffen, wie das selbst Direktoren solcher Institutionen glauben und der Öffentlichkeit
mitteilen. Vielmehr wird eigentliches Geld gegen Verpfändung oder Verkauf
von Eigentumstiteln herausgegeben. Platzt der von der Zentralbank hereingenommene
Wechsel, kann also beim Rechnungs- bzw. Wechselschuldner (dem Bezogenen) nach
Ablauf der Verfallszeit der im Wechsel vereinbarte Betrag nicht eingetrieben werden,
dann muß gegenüber der Zentralbank die Geschäftsbank aus ihrem
Eigentum ganz unabhängig davon haften, ob sie sich beim Gläubiger, der
ihr den Wechsel eingereicht hat, ihrerseits schadlos halten kann. Dieser wiederum
haftet mit seinem Eigentum gegenüber der Geschäftsbank unabhängig
davon, ob er sich beim Schuldner, dessen Wechsel er akzeptiert hat, schadlos halten
kann. Es wird also deutlich, daß hinter dem Zentralbankgeld nicht nur einer,
sondern eine Kette von Eigentümern steht, die allesamt Eingriffe in ihr Eigentum
zugestanden haben müssen, bevor Geld generiert werden kann. (Ebd.,
S. 292).An diesem Schöpfungsprozeß von Zentralbankgeld
wird einmal mehr deutlich, daß es nicht etwas ist, das von Priestern oder
anderen trickreichen Personen vorab für außerökonomische Zwecke
erdacht und gemacht werden muß, damit es danach durch Zinsangebote den ökonomischem
Geldgebrauch auf den Weg bringt. Auch Zentralbankgeld entsteht - nicht anders
als die Note einer privaten Emissionsbank - als ein Anrecht auf Eigentum. Auch
die Zentralbank dokumentiert mit den Unterschriften ihrer Verantwortlichen auf
den Banknoten, daß sie die Haftungsfähigkeit der Geschäftsbanken
als Gläubiger geprüft hat. (Ebd., S. 292-293).Nun
könnte die Zentralbank etwas tun, was Kreditbanken als Notenbanken aus Eigeninteresse
tunlichst vermeiden. Letztere halten ihre Banknoten schon deshalb knapp, weil
sie in der Konkurrenz mit anderen privaten Notenbanken bestehen müssen und
deshalb darauf zu achten haben, daß sie nicht im Rufe stehen, einlösungsunfähig
zu sein. Noten dieser Emissionsbanken wurden entsprechend dem Grad solcher Unsicherheit
mit Ab- oder Aufschlägen gehandelt. Die zentrale Notenbank hingegen konkurriert
im wesentlichen nur mit anderen Zentralbanken. Deren Währungen werden in
der Regel politisch dadurch ausgeschaltet, daß sie nicht als gesetzliches
Zahlungsmittel zugelassen werden. Vor allem aus der Macht der Währungshoheit
müssen Zentralbanken per Gesetz zu einem Verhalten gezwungen werden, das
jede Emissionsbank ohne besondere Aufforderung von allein praktiziert. Man muß
ihnen also regelrecht verbieten, Geld per Federstrich »aus dem Nichts«
(**) zu
schaffen. »Das Notengeld behält seine Schlüsselrolle allerdings
nur, wenn sein Angebot nicht beliebig vermehrt werden kann«, heißt
es deshalb im offiziellen Kommentar der Bundesbank zum »Gesetz über
die Deutsche Bundesbank« (vgl. a.a.O.). Generell wird die Aufgabe, die Geldknapphaltung
- das Vermeiden seiner beliebigen Vermehrung - durch Bindung an haftendes Eigentum
nicht zu zerstören, durch den § 3 dekretiert, der verlangt. »die
Währung zu sichern«. Wenn die Knapphaltung von Geld durch haftendes
Eigentum durchgehalten wird, dann resultiert die Sicherung der sogenannten Zahlungsmittelfunktion
aus der Vermeidung von Inlandsinflation (Verteidigung der Preisstabilität).
Die Verteidigung des Wechselkurses bzw. die Vermeidung seiner Abwertung gegen
andere Währungen als zweite zentrale Aufgabe der Währungssicherung wird
ebenfalls dadurch erreicht, daß Geld nur gegen gehörige Sicherheiten
generiert wird. (Ebd., S. 293-294).Auf welchem Wege kann
nun das gefürchtete ungebremste Angebot von Zentralbankgeld entstehen? Kennengelernt
haben wir bereits den »Zentralbankdefekt« des Federal Reserve System
aus der Kurspflege der von der Zentralbank hereingenommenen staatlichen Schuldtitel
durch die Zentralbank selbst (Glass.Steagall Act von 1933). Aber - mit
der Gefahr einer Hyperinflationen - kann der Staat unter Ausschaltung belastender
Gläubiger-Eigentümer seine Schuldtitel auch »ungepflegt«)
bei der Zentralbank einreichen und sich dafür Zentralbankgeld aushändigen
lassen. (Ebd., S. 294).Neben der Umgehung potentieller Gläubiger,
die ihre Eigentumsprämie höher schätzen als die Zinsaussichten
bei Belastung ihres Eigentums, können spekulative Wertsteigerungen des als
Sicherheit stellbaren Eigentums (wie etwa Immobilien, aber auch Tulpenzwiebeln
etc.) das Angebot an Zentralbankgeld erweitern. Der aus solchen Wertsteigerungen
erwachsenden Wechselvermehrung, die zur Geldbeschaffung benutzt wird, begegnet
die Zentralbank im allgemeinen konsequent durch eine Erhöhung ihres Diskonts
oder notfalls durch eine Begrenzung des Rediskontkontingents der Geschäftsbanken.
(Ebd., S. 294).Von Zentralbankleitungen wird eine solche restriktive
Geldpolitik übrigens gerne damit verteidigt, daß hierdurch den Gefahren
einer Inflation begegnet werde. Das ist aber nur richtig, solange man der quantitätstheoretischen
Annahme folgt) daß die Höhe der absoluten Preise durch die Geldmenge
bestimmt werde und nicht - wie wir seit Keynes wissen - durch die Höhe der
Nominallöhne bei unveränderter Arbeitsproduktivität. Daß
die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht bei der Zinspolitik,
sondern bei der Einkommenspolitik in Gestalt einer Nominallohnpolitik angesiedelt
werden muß, hat immer wieder Hajo Riese hervorgehoben. Durch Zinserhöhung
der Inflation gegensteuern zu wollen, heißt nämlich, daß Investitionen
ungebührlich verteuert werden, wodurch die Beschäftigung gefährdet
wird. (Ebd., S. 294).
3) Die Überzeugungen vom Primat der Marktverfassung bzw. der Geldverfassung
und das Fiasko der Transformation vom Sozialismus zur
Eigentumsökonomie
Zwar nicht belanglos,
aber essentiell absolut nachgeordnet ist im monetären Procedere der Eigentumsökonomie,
ob oboloi (Bratspieße), Münzen, private Banknoten oder Zentralbanknoten
als eigentliches Geld (money proper) zum Zuge kommen. Alle diese Geldformen
haben also einen zinsbelasteten Gläubiger-Schuldner-Kontrakt als Voraussetzung.
Ungeachtet der für die Geldentstehung unverzichtbaren Gläubigerhaftung
für diesen Kontrakt bleibt die Tatsache, daß in ihm Eigentum auf Zeit
blockiert wird. Deshalb können nur Verträge zwischen Eigentümern
dem Geld die Grundlage liefern. (Ebd., S. 296).Aus diesem
Grund sind die in den realsozialistischen Staaten verwendeten Noten und Münzen
eben kein Geld, sondern - im Unterschied zu Lebensmittelkarten - unspezifizierte
Zuteilungsscheine. Die sogenannten Staatsbanken dieser Gesellschaften sind entsprechend
auch keine Banken. Sie halten keine Aktiva, also Forderungen auf Eigentum, gegen
deren Hereinnahme sie Banknoten emittieren. Von der Staatsbank der DDR galt dann
folgerichtig: »Ihre Forderungen bestanden ganz überwiegend in Verbindlichkeiten
öffentlicher Haushalte, Verbindlichkeiten der Produktionsbetriebe und der
Verwaltungen der Wohnungswirtschaft. Es waren dies alles - zumindest kurzfristig,
aber überwiegend auch auf Dauer - uneinlösbare, also mit Null zu bewertende
Forderungen.« (Hans- Joachim Stadermann, Die Ungeduld beim Aufschwung
Ost, 1993, S. 20). Die sozialistischen Banknoten waren lediglich Instrumente,
mit denen die Staatsbank die Obrigkeit zu befähigen hatte, Ressourcen zuzuteilen
und im Sinne der Ziele der zentralen Güterplanungsinstanz nutzen zu lassen.
(Ebd., S. 296-297).Bei der Transformation sozialistischer Gesellschaften
in Eigentumswirtschaften hat sich das Unverständnis der Eigentumsbasis von
Zins und Geld bitter gerächt, indem man die Aufgabe der Umwandlung darin
sah, sogenannte zentral geplante Verwaltungswirtschaften mit administrierten Preisen
in dezentrale, von individuellen Preiskalkülen bestimmte Marktwirtschaften
zu überführen. Entsprechend wurde damit begonnen, Preise freizugeben
und der alten Staatsbank aufzuerlegen, Geld über Zins knapp zu halten. Dabei
wurde übersehen, daß diese Bank weder einer Zentral- noch einer Geschäftsbank
der Eigentumswirtschaft vergleichbar war und das von ihr ausgegebene »Geld«
nicht durch eigentumsgedeckte Kontrakte generiert werden konnte. Daher konnte
auch der »Zins« dieser Bank nicht aus der Eigentumsprämie entstehen.
Man traute der Staatsbank eine solche Geld- und Zinskonstruktion aber zu, weil
der kollektive Staatsbesitz mit frei disponierbarem Eigentum verwechselt
wurde, das in einer Eigentumswirtschaft nicht nur die Einzelperson, sondern selbstredend
auch der Staat haben kann. (Ebd., S. 297).Solange jedoch
die Verwandlung von Besitz in Eigentum nicht erfolgt, wobei es erst einmal sekundär
ist, ob dieses Eigentum privaten Individuen zufällt oder beim Staat angesiedelt
ist, kann das Geld nicht leisten, was es in der »Markt«- Wirtschaft
soll. Das willkürliche Knapphalten durch Überstülpen eines Zinses
auf ohne Beziehung zum Eigentum in die Welt gekommenes Geld führt dann -
wie allenthalben sichtbar - zum Lavieren zwischen Zusammenbruch der Produktion
bei knappem und Hyperinflation bei nicht knappem Geld. Zusammenbruch der Produktion
resultiert daraus, daß Geld immer noch zugeteilt wird und nicht durch Belastung
von Eigentumstiteln in U mlauf gelangt. Die Hyperinflation wiederum entsteht daraus,
daß man Geld ohne Hereinnahme solcher Titel ausgibt, also keine objektive
Grenze das in sich knappe, da durch sein Angebot beschränkte Eigentum nämlich
- für seine Emission setzen kann. Ein Zins, wie hoch auch immer, wird von
den Betrieben einfach zugesagt. Bei ausbleibender Tilgung kann ihnen schließlich
auch weiterhin nichts passieren. Es gibt die Betriebe nämlich nicht in der
Form von Eigentum, das zu verteidigen wäre. (Ebd., S. 297-298).Es
ist ein seltenes Glück für die alles in allem ja noch junge Berliner
Schule des Monetärkeynesianismus, daß sie in der gegenwärtig erfolgenden
Transformation von sozialistischen zu Eigentumswirtschaften die Chance erhält,
ganze Nationen ihren Grundannahmen auszusetzen und ihre Axiome daran zu testen.
Riese hat die aus seiner Theorie erwachsende Zuversicht für diesen großen
Prozeß in einem Interview pointiert: »Dabei gebührt der Etablierung
einer Geldverfassung absolutes Primat, da gesundes Geld die Grundbedingung
dafür ist, daß sich Marktkräfte entfalten können, wie die
Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland nachdrücklich zeigt.«
(N.N., a.a.O.). (Ebd., S. 298).Wir werden zum Markt im nächsten
Kapitel (**)
übergehen und können hier beim »Primat« der Geldverfassung
für eine erfolgreiche Transformation bleiben. In dieser Vorstellung spiegelt
sich einmal mehr die Überzeugung, daß der - doch allein für die
Eigentumswirtschaft unverzichtbare - Geldgebrauch von einem Gelde komme, das außerökonomisch
längst da gewesen wäre. Die elementare Bindung des Geldes an Eigentum
wird wiederum nicht ins Auge gefaßt. Wäre diese Bindung erkannt, hätte
selbstredend der Schaffung von Eigentum der theoretische Primat eingeräumt
werden müssen. Das mißlingt auch deshalb, weil in der Berliner Schule
vom Realsozialismus geglaubt wird, daß sein Staatsbesitz allemal schon »Staatseigentum«
gewesen sei. (Vgl.. H. Herr / A. Westphal, Die Inkohärenzen der Planwirtschaft
und der Transsformationsprozeß zur Geldwirtschaft, in: Systemwandel
und Reform in östlichen Wirtschaften, Hrsg.: J. Backhaus, 1991, S. 156).
(Ebd., S. 298).Was ihm nicht als Primat in den Sinn kommt, versucht
Riese immerhin mit der sogenannten Vermögensfunktion des Geldes anzusprechen.
Damit meint er die »Bereitschaft zur Kontrahierung, das heißt zum
Eingehen eines Schuldverhältnisses, durch das (Geld-) Vermögen entsteht.«
(Hajo Riese, Transformationsprozeß und Stabilisierungspolitik, in:
Von der Plan- zur Marktwirtschaft, Hrsg.: B. Gahlen / H. Hesse / H. J.
Ramser, 1992, S. 146). Für die frühe Bundesrepublik, an deren Beispiel
er sich zu Bedingungen (»Verbindung von Protektionismus und niedrigem Zinsniveau«)
für solche Vermögensbildung äußert, bleibt wiederum unerwähnt,
daß ihre entscheidende Differenz zur früheren DDR die Eigentumsverfassung
gewesen ist. Eine wirtschaftswissenschaftliche Auslotung dieses elementaren Unterschiedes
wird nicht für notwendig erachtet. Es wird also nicht gesehen, daß
die Verwandlung des Staatsbesitzes in belast- und verpfändbares Eigentum
das A und O für die Konstituierung des ersehnten Vermögensmarktes darstellt.
(Ebd., S. 299).Rieses Überzeugung vom Primat der Geld- vor
der Eigentumsverfassung für eine erfolgreiche Transformation ihrer ehemals
sozialistischen Gesellschaftssysteme ist in mehreren RGW-Staaten um einen hohen
Preis gläubig aufgegriffen worden. Ein zugleich auch komisches Beispiel hat
dabei der Monetärkeynesianer Andreas Hauskrecht geliefen, der die vietnamesische
Regierung bei der Reform ihres Geldwesen beraten hat: »Statt die Gelder
wie zu guten sozialistischen Zeiten zuzuteilen, wenn auch gegen einen
formalen Zins, ging die Zentralbank in Hanoi dazu über, die Kreditwünsche
aller zu erfüllen, wenn sie nur bereit wären, den jeweils gefordenen
Zins zu zahlen. Die Kreditnehmer erwiesen sich als völlig unempfindlich gegenüber
auch astronomischen Zinshöhen und fragten massenweise Kredite nach. Die Folge
waren Zentralbankbilanzen, die fast nur aus faulen Krediten bestanden. Noch dazu
kam, daß die Kreditoren liebend gern ihre frisch geliehenen Dongs
sogleich auf der Zentralbank in echtes Geld umtauschten, wodurch die Zentralbank
ihre Devisenreserven verlor. Auf meine(Ulf Heinsohns)
Frage, ob die Debitoren - also in der Masse die Staatsbetriebe - denn überhaupt
schon liquidiert werden können und in sie vollstreckt werden könne,
antwortete er (Hauskrecht) nein. Aber das brächte
auch nichts, weil es da in der Regel nichts zu holen gäbe. Warum solche Betriebe
überhaupt Kredit bekämen, beantwortete er so, daß man ja nicht
die ganze Wirtschaft abwürgen könne. Die Tatsache, daß die Dong-
Debitoren versuchten, Deviseneigentümer zu werden, führte er auf die
Vormacht der westlichen Währungen zurück, die ihrer Außenhandelsüberschüsse
wegen andere Währungen in die Überbewertung zwängen, so daß
Vietnam kaum eine Chance habe. Daß die Flucht aus dem Dong wohl eher
der Tatsache geschuldet ist, daß der dang substanzloses Papier darstellt,
wollte Hauskrecht nicht gelten lassen, da er die Notwendigkeit einer Sicherheit
für Kredite überhaupt abstreitet.« (Ulf Heinsohn, Bericht aus
einem Seminar am Institut für Theorie der Wirtschaftspolitikn an der Freien
Universität Berlin, Sommersemester 1994, Typoskript vom 20.12.1994).
(Ebd., S. 299-300).Diese und ähnliche Konsequenzen unbesicherten
Geldes haben die Verantwortlichen in anderen ehemaligen RGW-Staaten sehr schnell
dazu genötigt, die theoretische Schützenhilfe aus dem Westen erst einmal
beiseite zu lassen und sich aus eigener Kraft an die Gesetze einer Eigentumsökonomie
heranzutasten. Das ist gut belegt für polnische Privatbanken, die es nach
dem Zeugnis der gegenwärtigen Zentralbankpräsidentin, Hanna Gronkiewicz-Waltz,
erst seit der Wende gibt: »Grundsätzlich gab es bis 1990 in Polen keine
einzige Geschäftsbank.« (N.N., a.a.O.). Nach ihrer Gründung müßten
diese Banken erleben, wie kreditsuchende Kunden - immerhin auf Märkten tätige
Geschäftsleute - glaubten, daß man für sie einfach eine Schublade
mit Bargeld öffnen und es ihnen geben würde, wenn sie nur bereit wären,
dafür Zinsen zu bezahlen. Viele von ihnen hatten niemals ein Bankkonto gehabt.
Man mußte sie in der Tat zur Eröffnung eines Kontos zwingen, damit
sie überhaupt ein Darlehen erhalten konnten. (Ebd., S. 300).Die
meisten Bankangestellten wußten nicht, was eigentlich zur Prüfung eines
Darlehensantrags gehört. Die Zentralbank leistete ihnen dabei keine Hilfe.
Sie fuhr mit der realsozialistischen Praxis des Druckens und Verteilens von Noten
fort und glaubte - ganz wie beim »Geld aus dem Nichts« (**)
der Berliner Schule -, daß alles schon seine Ordnung habe, wenn sie die
Geschäftsbanken nur zur Zinszahlung nötigte. Allein dieser Zins bot
eine Neuerung gegenüber der Vergangenheit. Gute Handelswechsel, die sie den
Geschäftsbanken hätte abverlangen können, standen diesen wegen
der Rarität eigentumspotenter Schuldner selbstredend auch kaum zur Verfügung.
Deshalb schockierte allenthalben die Erkenntnis, daß es so etwas wie faule
Schulden geben kann. Was die begeistert übernommene Theorie nicht bedenken
konnte, brachte die Panik über platzende Kredite umgehend ins Bewußtsein.
Die in hastig angesetzten Crashkursen zu lernende Grundlehre für die wichtigste
monetäre Institution einer Eigentumswirtschaft -für das Bankwesen also
- lautete denn auch: »Lektion 1: In der neuen Wirtschaft mußt Du vom
Schuldner Sicherheiten verlangen.« (R. W. Stevenson, a.a.O.). (Ebd.,
S. 300-301).Was die wirtschaftstheoretischen Berater vom neoklassischen
Schlage eines Jeffrey Sachs (Marktbefreiung) oder auch aus der monetärkeynesianischen
Berliner Schule (zweistufiges Bankensystem mit Zins als Geldknapphalter) nicht
erraten konnten, weil sie es doch nicht verstanden, haben am Ende die aus dem
Westen so dringend ersehnten Unternehmer in den ehemals realsozialistischen Ländern
ohne umschweife vorgetragen. So verlangten sie von der polnischen Regierung die
Legalisierung des Eigentumserwerbs, indem sie »auf die Bedeutung von Immobilienbesitz
(sic!) für die Betriebsfinanzierung, aufmerksam machten. Nachdem
die Irreführung durch die westlichen Gelehrten sieben wichtige Jahre gekostet
hatte (1989-1996), ist der Immobilienerwerb in Polen zwar immer noch nicht wirklich
befreit, aber im März 1996 doch entschieden erleichtert worden. Selbstredend
soll mit den neuen Gesetzen nicht Immobilienbesitz - wie der hier zitierte
Wirtschaftsjournalist schreibt -, sondern Eigentum für die Kreditbesicherung
zur Finanzierung der Betriebe geschaffen werden. Einmal mehr wird an diesem Schritt
deutlich, daß Eigentum, dessen Belastung das Wirtschaften konstituiert,
aus dem Nichts (**),
durch bloßen Rechtsakt also entsteht und mit einer Akkumulation von Gütern
- die es realsozialistisch ja gab - gar nichts zu tun hat. Das haben die polnischen
Banklehrlinge erst jetzt begriffen und die westlichen Unternehmer ohnehin gewußt.
Nun müssen nur noch die Wirtschaftstheoretiker informiert werden. (Ebd.,
S. 301-302).Auch in Ungarn - der ehemaligen »Volksrepublik«
- werden Konsequenzen mangelnder Eigentumsschaffung bitter gespürt. Dort
ist der Wohnungsbestand weitgehend »privatisiert« worden, so daß
90% der 10,5 Millionen Ungarn in den eigenen vier Wänden wohnen. Allerdings
gelten 40% der Wohnungen als dringend renovierungsbedürftig und die Hälfte
davon eigentlich als abbruchreif. Kredite für Renovierungen sind aber nur
schwer zu erhalten: »Die Banken verlangen bei 30 Prozent Inflation und riesigen
uneinbringlichen Forderungen in ihren Büchern für einen Kredit inklusive
Gebühren derzeit 36 Prozent Zinsen im Jahr, räumen ihn wegen unzureichender
Besicherung aber kaum ein. Denn Grundbucheintragungen benötigen Monate, sind
teuer ..., und außerdem ist im Extremfall der Zwangsversteigerung für
den Schuldner eine Ersatzwohnung bereitzustellen.« (N.N., a.a.O.).
(Ebd., S. 302).Wir haben privatisiert in Anführungszeichen
gesetzt, weil eben die Zwangsvollstreckung in die Wohnung bei Fallierung des Schuldners
nicht ohne weiteres möglich ist. Die Bank muß dem Bankrotteur, dessen
Wohnung sie zu versteigern hat, umgehend mit einer anderen Wohnung und am einfachsten
dann ja wohl mit dieser Wohnung selbst versorgen. Das unbeschränkte Zugriffsrecht
auf die vom Schuldner verpfändete Sicherheit existiert mithin nicht. Was
Privatisierung genannt wird, erweist sich im entscheidenden Aspekt - fehlende
freie Belast- und Verpfändbarkeit - lediglich als eine Umwandlung von Staatsin
Privatbesitz bzw. zu »unvollständigem Eigentum.« (T. J. F. Riha,
a.a.O). Deshalb fehlt in Ungarn nicht eigentlich das vielbeklagte Geld für
die Renovierungen, das nun magisch aus dem Westen kommen soll. Vielmehr fehlt
in Ungarn immer noch die freie Verpfändbarkeit von Eigentum, gegen das allein
Geld im Kredit zur Verfügung gestellt werden kann. Ungarn braucht mithin
lediglich einen Rechtsakt, der Eigentum tatsächlich konstituiert. Dessen
Umsetzung macht keinerlei materielle Aufwendungen erforderlich, die von irgendwo
anders geleistet werden müßten. Alles ist im eigenen Lande verfügbar.
(Ebd., S. 302-303).Auch an der vielgerühmten - zu 100 Prozent
durch Devisen gedeckten - estnischen Krone rächt sich die Vernachlässigung
der Eigentumsverfassung bei der Einführung einer Geldverfassung. Mit Ratlosigkeit
berichten die Berater der Europäischen Union, daß die estnischen Geschäftsbanken
über keine Instrumente verfügen, Kredite zu vergeben, weil einmal die
Einlagen nur geringen Umfang haben und im wesentlichen nur aus Sichtguthaben bestehen.
Zum zweiten existiert eine Refinanzierungsmöglichkeit bei der Zentralbank
ebensowenig wie eine eigenständige Geldpolitik letzterer etwa durch Diskont-
oder Lombardpolitik. (Ebd., S. 303).Verblüffung kann
sich bei den westlichen Experten nur einstellen, weil sie das Fehlen estnischer
Eigentumstitel übersehen, mit denen bei der Kreditaufnahme gehaftet und gegen
die durch Hinterlegung bei der Zentralbank Geldemission betrieben werden könnte.
Das Fehlen solcher Titel ist aus dem schlichten, aber alles entscheidenden Umstand
zu erklären, daß offensichtlich nur sehr wenig Staatsbesitz in Eigentum
transformiert worden ist. Eine Lösung des estnischen Problems kann deshalb
auch nicht über das westliche Anmahnen einer Vervollständigung des zweistufigen
Bankensystems gelingen. Ist jedoch die Transformation zum Eigentum erst einmal
durchgesetzt, dann wird in Estland auch ganz ohne die Raffinessen eines zweistufigen
Bankensystems das Kreditsystem auf die Beine kommen. Dabei mag ein Blick auf die
ungemein erfolgreiche Eigentumswirtschaft des Stadtstaates Hongkong helfen, wo
die drei führenden Geschäftsbanken auch ohne die Hilfe einer Zentralbank
den heimischen Dollar stabil halten. (Ebd., S. 303).
4) Zusammenfassung
Geld ist nicht da und wird auch nicht
einfach von einer Institution zur Verfügung gestellt, damit man es verleihen
kann. Es kann nur in einem Kreditkontrakt entstehen, der zwischen Eigentümern
geschlossen wird, so daß die Schaffung von Geld und sein Verleihen uno
actu erfolgen. (Ebd., S. 304).Das in den Kreditkontrakten
geschaffene Geld wird in einem Geldstandard ausgedrückt, den Keynes als money
of account bezeichnet hat. Er hat ihn zu Recht als Hauptbegriff der Geldtheorie
etabliert, ohne den das eigentliche Geld, Keynes' money proper, nicht vorgestellt
werden kann. (Ebd., S. 304).Hawtreys berühmte Formel,
daß Geld nicht das Schuldenmachen ermöglicht, sondern das Schuldenmachen
überhaupt erst zur Festlegung dessen nötigt, was Geld ist, hat sich
in den beiden Begriffen money of account (Geldstandard) und money proper
(eigentliches Geld) niedergeschlagen. Das eigentliche Geld gibt es nur in Beziehung
zu einem Schuldkontrakt. Dieser muß ihm vorhergehen, damit es selbst emittiert
werden kann. Deshalb ist die richtige Antwort auf die Frage, »Wie kommt
es zum Geld?«, im Sinne von eigentlichem Geld, nur zu finden, wenn zuvor
die Frage beantwortet wird: »Warum gibt es zinsbelastete, durch Eigentum
gesicherte Schuldkontrakte?« Der Standard, in dem diese Kontrakte
ausgedrückt werden, Keynes' money of account also, determiniert das
eigentliche Geld, Keynes' money proper, womit sie zu erfüllen sind.
(Ebd., S. 304).Das eigentliche Geld ist also immer Schuldendeckungs-
oder Zahlungsmittel. Das eigentliche Geld verschwindet wieder, wenn der es generierende
Kontrakt erfüllt worden ist. Das bedeutet, daß Geld die Kontrakte,
in denen es geschaffen und verliehen worden ist, wieder aufzulösen hat. Eine
Geldhaltung zur Erzielung einer in Zins materialisierbaren LiquiditätSprämie
widerspricht seiner Bindung an die Existenz der Kreditkontrakte. Sie besteht deshalb
nur unfreiwillig in der Form von Mindestreserve, Schwarzgeld und Sorten in Weichwährungsländern.
Die Liquiditätsprämie indiziert lediglich den Grad, mit dem Aktiva des
Schuldners in Schuldendeckungsmittel verwandelt werden können. Zahlungsfähigkeit
ist die Prämie des Geldes. (Ebd., S. 304).Was als eigentliches
Geld oder Zahlungsmittel bezeichnet wird, ist ein Anrecht auf Eigentum, das durch
Belastung von Eigentum geschaffen wird. Mit dieser Blockierung geht dem Gläubiger
die Eigentumsprämie verloren, wofür der Schuldner Zins leisten muß.
Bloße Anrechte auf Eigentum werden im Kreditkontrakt in money of account
(Geldtandard) ausgedrückt, die als money proper (eigentliches Geld)
mit dem Eigentum des Gläubigers gesichert werden. Letzterer trennt sich mithin
nicht von Eigentum ,elbst. Allerdings verliert er seine Prämie. Das auf das
money of account bezogene money proper besteht dann eben aus solchen
Eigentumsanrechten, für die eine zirkulierbare dokumentarische Form (Münzen
oder Noten) gefunden wird. (Ebd., S. 304-305).Geld in der
Form eines Eigentumsanrechts kann also nur emittieren, wer über Eigentum
zu seiner Deckung verfügt, das mit solchen Anrechten auf Eigentum wiederum
gekauft werden kann. Eine wesentliche Bedingung für das Knapphalten von Geld
- neben dem Knapphalten durch den Zins - besteht mithin in der Notwendigkeit der
Emittenten, ihr Eigentum nicht dadurch zu gefährden, daß unkontrolliert
Anrechte auf Eigentum in die Wirklichkeit gelangen, gegen die sie ihr Eigentum
im Verkauf hergeben oder gegen das sie es einlösen müssen. (Ebd.,
S. 305).Eine ebenso wichtige Bedingung für das Knapphalten
von Geld in Form von Eigentumsanrechten ist dadurch gegeben, daß ein Schuldner
Geld überhaupt nur erhält bzw. seine Emission befördert, wenn er
mit ,einem Eigentum dafür haftet, daß es zurückgezahlt wird. Das
von Schuldnern verpfändbare Eigentum stellt mithin - nach dem die Emission
sichernden Gläubigereigentum - die zweite wesentliche Begrenzung für
die Geldemission dar. (Ebd., S. 305).Jedes
Geld in der Form von Anrechten auf Eigentum, das ohne Eigentumsdeckung der Emittenten
zustandekommt und ohne Eigentumshaftung der Schuldner verliehen wird, ermöglicht
seinen Benutzern gleichwohl die Erwerbung von Eigentum und führt damit zur
Eigentumshergabe gegen ein Geld, das als Willkürgeld zu bezeichnen ist.
(Ebd., S. 305).Die augenfälligste Form des eigentlichen Geldes
in Form der Münze aus edlen Metallen ist für die Existenz des money
proper vollkommen unerheblich. Sie erklärt sich einzig und allein aus
der Absicht, die Herstellung von Falschgeld zu verhindern. Wäre es in den
frühen Eigentumsgesellschaften möglich gewesen, mit geringstem Aufwand
fälschungssichere Anrechte auf Eigentum herzustellen, wäre es zur Edelmetallmünze
niemals gekommen. Dennoch haben auch diese frühen Ökonomien sich niemals
auf die Knappheit der Edelmetalle als Fälschungsschutz verlassen, sondern
- etwa in der griechischen Antike - zusätzlich die Todesstrafe gegen Falschmünzer
verhängt. Das beste eigentliche Geld ist in der Tat solches, das nur Eigentum
repräsentiert, vom eigenen Material her jedoch wertlos und doch fälschungssicher
ist. Kosten, also Eigentumsverluste für die Schaffung seiner monetären
Repräsentaten lägen dann bei Null, weshalb eine Annäherung an die
vollkommene intrinsische Wertlosigkeit des money proper seit Beginn der Eigentumsgesellschaft
gesucht wird. (Ebd., S. 305-306).Diese Suche nach Nullkosten
des money proper (eigentlichen Geldes) darf nun nicht damit verwechselt
werden, daß solches Geld selbst aus dem Nichts geschöpft werde, wie
sich etwa der Monetärkeynesianismus das vorstellt. Eine Geld emittierende
Bank ist im Kern ein Eigentumskonglomerat, das Anrechte gegen sein Eigentum kreditiert.
Dieses Eigentum selbst allerdings ensteht durch einen immateriellen Rechtsakt,
der dem immer schon gegebenen, physischen Besitz die Eigentumsprämie hinzufügt.
Sie ist insofern ein Nichts, als sie dem nun in Eigentum transformierten Besitz
rein gütermäßig nichts hinzufügt. Bei ihrer Aufgabe jedoch
konstituiert sich das Wirtschaften mit Geld und Zins. (Ebd., S. 306).Banknoten,
die im Vergleich zur Edelmetallmünze dem Nichtskostenideal schon sehr nahe
kommen, sind Anrechte an das Eigentum der Bank. Sie achtet darauf, daß diese
Noten nur dann emittiert werden, wenn sie Kreditkontrakte abschließen kann,
in denen die Schuldner für ihre Refundierung mit Eigentum haften. Es ist
mithin ausschließlich das Eigentum der Gläubiger, das die Banknote
- eine papierene Münze sozusagen - möglich macht. Wo solche Deckung
fehlt, ist wiederum von Falschgeld oder eben von Willkürgeld (**)
die Rede, das deshalb so ungemein gefürchtet wird, weil es als bloßes
Anrecht auf Eigentum wirkliches Eigentum solange kaufen kann, bis seine Falschheit
oder Wertlosigkeit bekannt ist. (Ebd., S. 306).Niemals kann
ein Gut oder eine Ware Geld sein, da Geld bloßes Anrecht auf Eigentum ist.
Sehr wohl aber können sich bestimmte Arten von money proper (eigentlichem
Geld) plötzlich als Ware wiederfinden, wenn ihr Materialwert über ihren
Nominalwert steigt. Dem Kupferpfenning, der für mehr als einen Pfennig Kupfer
enthält, kann die Verwandlung in Ware dabei ebenso unterlaufen wie einem
money proper aus Gold oder Silber. Es ist diese kostspielige Materialseite
vieler Arten von money proper, durch die Geldtheoretiker immer wieder in
Verwirrung gestürzt werden. (Ebd., S. 306).Die Eigentumsbindung
des Geldes gilt auch für das Zentralbankgeld. Anders als bei Privatbanknoten
ist allerdings nicht unmittelbar offensichtlich, daß es ohne haftendes Gläubigereigentum
eine Emission auch von Zentralbanknoten nicht gibt. Denn es muß ja in dem
dafür notwendigen Kreditkontrakt zwischen Zentralbank und Geschäftsbank
durch letztere eine Übertragung von Verpflichtungen, für die sie als
Gläubiger haftet, an die Zentralbank vorgenommen werden. Wiewohl es manchen
so erscheint, als ob die Zentralbank Geld aus dem Nichts (**)
schafft, da sie mit ihrer »Geldschöpfung kein Gläubigerrisiko
eingeht« (Hajo Riese, Geld, 1995, a.a.O., S. 58), zwingt sie die
Geschäftsbanken in ein Gläubigerrisiko. Damit kann die Zentralbank sich
aber nicht begnügen, sondern muß selbst ein Gläubigerrisiko eingehen,
indem sie mit ihrem Eigenkapital die Forderungen an die Geschäftsbanken zusätzlich
absichert. Das kann sie selbstredend nur hinreichend, wenn ihr Vermögen Eigenkapital
als Überschuß der Forderungen über die Verbindlichkeiten (**),
ihre emittierten Banknoten, der Qualität der Sicherheiten der Geschäftsbanken
in nichts nachsteht und - wie bei der Bundesbank - weit über der Eigenkapitalquote
der Geschäftsbanken liegt. (Ebd., S. 307).Die hier vertretene
Eigentumstheorie des Geldes löst das Schumpetersche Paradox der herrschenden
Tauscherklärung des Geldes auf. Es beruht darauf, daß offensichtlich
mehr Geld im Kredit geschaffen wird, als durch Ersparnisse angesammelt werden
kann. Woher kommt dann das Geld, mit dem Unternehmer Aufträge für -
somit erst in der Zukunft vorhandene - Waren erteilen, und mit dem wiederum andere
diese kaufen können? Schumpeter flüchtete in die Antwort: »Aus
dem Nichts« (**).
Die Eigentumstheorie hingegen besagt schlicht, daß belastbare Eigentumstitel
für die Emission von Geld sorgt, das somit keine Güter, die verliehen
werden, einkleidet. Der Kredit, das heißt die Verleihung eines durch Eigentumsbelastung
geschaffenen Geldes wird also nicht durch die Höhe des Sparens eines Gütergeldes
begrenzt. (Ebd., S. 307).Eigentumshaftung hat also nichts
mit der Vorstellung der Real-Bills-Doktrin zu tun, die Geld durch gehandelte
Güter gedeckt sah. Eine solche Grenze für die Geldemission gibt es nicht.
Die Vorstellung der Gegenposition, daß es dann eben gar keine Grenze gäbe,
lebt von der richtigen Wahrnehmung, daß Geld vor den zu produzierenden
Gütern da ist. Was wiederum vor diesem Geld da ist -
das belastbare Eigentum - wird dabei nicht gesehen. Dieses liefert dem Geld Volumen
und Knapphaltung zugleich. (Ebd., S. 307-308).Acht Jahrzehnte
nach Schumpeter muß der Monetärkeynesianismus seine »Nichts«-Antwort
(**) übernehmen,
weil auch er belastbares Eigentum für die Schaffung von Geld und verpfändbares
Eigentum als Basis seiner Verleihung nicht ins Auge fassen kann. In der »Nichts«-Theorie
des Geldes steht die Wirtschaft ohne Fundament da. Die Eigentumstheorie des Geldes
hingegen erweist den Scheincharakter dieses Bildes. Das angebliche »Nichts«,
verweist vielmehr auf das durch nichtphysischen Rechtsakt wirklich geschaffene
Eigentum. Seine Belastbarkeit kommt ausschließlich ihm, niemals jedoch einem
Nullum zu, wenn es auch richtig ist, daß die Belastbarkeit ein Ertrag des
Eigentums ist, die immaterielle Eigentumsprämie. (Ebd., S. 308).Das
Übersehen der Eigentumsbindung des Geldes kann nur selten geschichtsmächtig
werden. Nach dem Sturz des Realsozialismus jedoch haben die Überzeugung neoklassischer
Transformationsberater von einer Markttausch-Basis des Geldes und die Überzeugung
monetärkeynesianischer Berater von einer Nichts-Basis des Geldes unübersehbaren
Schaden angerichtet. Beide Schulen glauben fest daran, daß Geld im Sozialismus
bereits vorhanden gewesen wäre. Die Neoklassiker wollten es durch Einführung
einer Marktverfassung lediglich wirksamer als bisher werden lassen. Die
Monetärkeynesianer wiederum wollten es durch Implantation einer Geldverfassung
in Form eines zweistufigen Bankensystems knapper als bisher machen. Nach
vielen verlorenen Jahren einer »Privatisierung« ohne Eigentumsbildung,
in der das Wirtschaften nicht entstehen, die Befehlsproduktion aber sehr wohl
vergehen konnte, wird jetzt - eher instinktiv als theoretisch wirklich aufgeklärt
- aus dem Verlangen westlicher Unternehmer und einheimischer Bankangestellter
stückweise Eigentum geschaffen und damit ebenso holperig die Schaffung von
echtem Geld auf den Weg gebracht. (Ebd., S. 308).
E) Das Kapitel vom Markt: Wert, Preis, Ware und Konkurrenz
Im
Begriff Marktwirtschaft feiert die Neoklassik ihren größten
Triumph, gelingt es ihr doch damit, den Glauben zu verallgemeinern, daß
es an Vorteilorientierte Tauschoperationen mit Mengen knapper Güter und Ressourcen
seien, die - ganz unabhängig vom Geldgebrauch - alles Wirtschaften konstituieren.
Als Tauschwerttheorie bildet ihre Werttheorie -modern: Mikrotheorie -ungebrochen
das Herzstück ihrer ökonomischen Analyse. In der Tauschoperation findet
die Neoklassik ihr höchstes Prinzip, weshalb sie den Markt nicht weiter ableiten
muß. Jede ökonomische Theorie hingegen, die optimierenden Tausch nicht
als ihr erstes Axiom betrachtet, muß den Markt erklären, also diejenigen
Bedingungen herausarbeiten, die Marktoperationen erst erzwillgen. (Ebd.,
S. 309).Der Begründer der Klassik, Adam Smith, hat zwar die
exklusive Herrschaft über Ressourcen als wichtigsten Bestandteil seiner Exploitationstheorie
entwickelt (vgl. auch unten das
Kapitel von der Wirtschaftsverfassung), eher beiläufig aber auch den
Markt in einer Weise gesehen, die das Modell der Neoklassik weitgehend vorwegnahm:
»Wenn die Arbeitsteilung einmal durchweg eingeführt ist, so ist derjenige
Teil von den Bedürfnissen eines Menschen, welcher durch das Produkt seiner
eigenen Arbeit befriedigt werden kann, nur ein sehr kleiner. Den weitaus größten
Teil derselben befriedigt er dadurch, daß er jenen Produktenüberschuß
seiner Arbeit, der über seinen eigenen Bedarf hinausgeht, gegen solche Produkte
der Arbeit anderer, die er gerade braucht, vertauscht. Dann lebt jeder vom
T ausch, oder wird gewissermaßen ein Kaufinann, und die Gesellschaft selbst
wird eigentlich eine Handelsgesellschaft.« (Adam Smith, Untersuchung
über Wissen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1,
Kapitel 4, S. 28). (Ebd., S. 310).
1) Die Suche nach dem Markt als Tauschplatz mit Geldgebrauch
1a) Die Unauffindbarkeit von Marktoperationen in Stamm- und Befehlsgesellschaft
Physisch
knappe Güter und Ressourcen und selbst ihre Verbindung mit prinzipiell unbegrenzten
Bedürfnissen des Menschen bringen - was bereits im Eigentumskapitel
anzusprechen war - einen vorteilsuchenden Markttausch keineswegs hervor.
Die Güterarmut von Stammes- und Feudalgesellschaften ist ebenso unstrittig
wie die Abwesenheit von Märkten in diesen Reproduktionssystemen. Sie sind
keine Marktgesellschaften. Für die Stammeswelt hat das - nach Jahrhunderten
ethnologischer Wirtschaftsforschung - am besten wohl Marshall Sahlins zusammengefaßt:
«In
vielen dieser Stämme sind Sphären des Austausches entdeckt
worden, in denen für die verschiedenen Güterkategorien unterschiedliche
Ansehensgrade im Rahmen einer moralischen Rangordnung von Werten im Sinne von
Tugenden ermittelt werden. Das ist nun alles andere als eine Tauschwerttheorie.
Die verschiedenen Bewertungen (im Sinne von Tugenden) von Dingen hängen ganz
besonders von den Schranken ab, die ihrem Austausch gesetzt sind, also davon,
daß Güter aus einer Sphäre keineswegs in Güter aus einer
anderen Sphäre konvertiert werden dürfen. Und selbst für die Transaktionen
Übertragungen) innerhalb einer Sphäre gilt, daß
Determinanten für die Tauschwertraten bis heute nicht nachweisbar sind. ....
Deshalb ist unsere Theorie eine Theorie für den Wert im Nichttausch oder
für den Nichttauschwert. Für eine Wirtschaft, die nicht nach gängigen
Geschäftsprinzipien funktioniert, ist sie ebenso angemessen wie vom Standpunkt
einer Markttheorie paradox. .... Allerdings wirken diese Tatsachen für anthropologische
Grundüberzeugungen wie etwa das Vorherrschen von Reziprozität
- was immer das bedeuten mag - in primitiven Wirtschaften nicht minder verwirrend.
In der Tat sind die Fakten gerade deswegen verwirrend, weil wir uns kaum um Aussagen
darüber kümmern, was diese Gegenseitigkeit als Tauschwertrate bedeutet.
Aber dann müssen wir gewahr sein, daß eine Reziprozität
die präzisen Tauschmengenverhältnissen folgt, selten angetroffen wird.Die
Eigentümlichkeit des primitiven Tausches besteht in der Unbestimmtheit der
Tauschraten. In unterschiedlichen Transaktionen wechseln ähnliche Güter
in unterschiedlichen Proportionen die Hand. Das gilt insbesondere für alle
gewöhnlichen Transaktionen, wie den alltäglichen Geschenketausch und
die gegenseitige Hilfeleistung, sowie für die interne Wirtschaft der Verwandtschaftsgruppen
und Stammesverbände. Obwohl die beterligten Individuen die Güter in
jeder Hinsicht für gleichwertig erachten, gibt es Veränderungen der
Tauschraten innerhalb derselben Zeitperiode, am selben Ort und bei unveränderten
wirtschaftlichen Bedingungen. Mit anderen Worten: Die üblichen Gründe
für ein unvollkommenes Funktionieren des Marktes scheinen dafür nicht
verantwortlich gemacht werden zu können. Auch ist die Veränderlichkeit
der Reziprozität nicht auf jene höhere Form der Unvollkommenheit zurückzuführen,
die man als Feilschen bezeichnet. Dort fehlt tatsächlich die Offenheit des
Geschäfternachens. Der Wettbewerb ist letztlich auf eine orientalische Konfrontation
zwischen Käufer und Verkäufer reduziert. Obwohl also das Feilschen theoretisch
für die genannte Unbestimmtheit verantwortlich gemacht werden könnte,
kommt es in der Welt der Primitiven so selten vor, daß es für eine
allgemeine Erklärung nicht herangezogen werden kann. Bei den meisten primitiven
Völkern ist Feilschen vollkommen unbekannt; bei den übrigen kommt es
nur als flüchtige Beziehung mit Fremden vor. ....Jene
Art von Marktkonkurrenz, die in der ökonomischen Theorie allein Angebot und
Nachfrage eine solche Macht über den Tauschwert gibt, kommt bei dem hier
untersuchten T auschhandel überhaupt nicht vor.« (Marshall Sahlins,
a.a.O., 1972). | Es ist vor allem die Ungreifbarkeit
von Gründen für die »Veränderlichkeit der Reziprozität«,
die Sahlins zu dem Ergebnis bringt, daß ein Begriff wie Tauschwert in der
Stammesgesellschaft vollkommen abwegig ist. Er findet dort überhaupt kein
objektives Kriterium für Wert. Das illustriert er mit einer sogenannten Handelskette
australischer Ureinwohner. Ein am Meer bei Kap York lebender Stamm A fischt
Stachelrochen und produziert daraus Stachelrochenspeere. Diese Speere werden bei
Stämmen im Landesinneren im Rahmen einer Geschenketauschkette gegen Steinäxte
getauscht, die ein Stamm E produziert, der circa 675 km südlich von
A entfernt lebt. Stamm B, der am nächsten zu A liegt,
fordert für eine E-Axt zwölf A-Speere. Ein etwa 250 km
südlich von B entfernter Stamm C verlangt für einen A-Speer
eine E-Axt. Stamm D schließlich, der noch weiter südlich
und damit am nächsten zu E liegt, begehrt für einen A-Speer
keine bestimmte Anzahl von E-Äxten, sondern »mehrere«.
An solchen und zahllosen ähnlichen Beispielen demonstriert die empirische
Völkerkunde die Aussichtslosigkeit, irgendeine bestimmte Tauschrelation zu
evaluieren. (Vgl. Marshall Sahlins, a.a.O.). Es ist die persönliche
- und deshalb auch gegenüber ein und demselben Geschenktauschpartner schwankende
- Wertschätzung, die sich per definitionem einer gesetzmäßigen
Quantifizierung entzieht. Mit diesen höchst unterschiedlichen Wertschätzungen
werden Loyalitäten ausgedrückt und angemahnt. Insofern leisten sie etwas
für den Zusammenhalt des Stammes als soziales System, haben also durchaus
etwas mit seiner materiellen Überlebensfähigkeit zu tun. Es wäre
abwegig, schwankende Wertschätzungen aus unterschiedlich entschlossenem Händlergeist
zu erklären. Feilschen setzt den Geldgebrauch allemal schon voraus und würde
zwischen Stammesleuten, die Gaben austauschen, als unehrenhaft empfunden werden.
Durch einen Redeschwall kann man sein Ansehen allenfalls senken. (Ebd.,
S. 310-313).Die umfassendste Studie zur Existenz von Geld in sogenannten
primitiven Gesellschaften hat Geld hier und da durchaus gefunden, aber feststellen
müssen, daß sogenanntes »externes kommerzielles Geld« von
»Kontakten mit dem Westen« (vgl. a.a.O.) herrührt, also in Eigentumsgesellschaften
generiert werden muß, um dann in Nichteigentumsgesellschaften verschlagen
werden zu können. Für eine korrekte Beweisführung müssen deshalb
reine Stammes- oder Feudalgesellschaften untersucht werden. Das gelingt am besten
für die Antike vor den Eigentumsgesellschaften und in der Neuzeit
in der Neuen Welt vor Ankunft der Europäer. (Ebd., S. 313-314).Die
mykenischen Schriftdokumente des okzidentalen Feudalismus der Antike, der »Burgenzeit«
(Lukrez) vor dem Privateigentum also, zeigen, daß ungeachtet der reichen
Gold- und Silbergeräte die Existenz eines Geldes für die Erleichterung
eines Tausches völlig unbekannt ist: »Was wir von diesem ökonomischen
System zu erkennen vermögen, ist einzig und allein die Aktivität des
Palastes, der - wenn etwas zu tun ist - den Untertanen des Königs Produkte
und zweifellos auch manches andere abpreßt, aber auch Rationen und Material
aushändigt. Dabei notiert man exakt, was empfangen oder ausgegeben wird und
werden sollte. Es gibt keinen Hinweis auf Aktivitäten außerhalb des
Palastsystems, von dem anzunehmen ist, daß es das ganze Land erfaßte.
Nichts deutet auf Geld oder auf einen Standard hin, mit dem Werte hätten
verglichen werden können; die Gegenstände wurden jeweils für sich
gezählt, gewogen oder gemessen. Es gibt auch keinen direkten Hinweis
auf Fernhandel, der ja eine An von Austausch beinhaltet haben müßte;
wir können mit gutem Grund annehmen, daß der Palast, der so viel kontrollierte,
auch diesen kontrolliert hätte.« (A. Andrewes, 1967, a.a.O.).
(Ebd., S. 314).Über noch mehr Gold als die Mykener verfügten
bekanntlich die Feudalgesellschaften der südamerikanischen Inkas und der
mittelamerikanischen Azteken. Selbst ihre klügsten Männer scheiterten
daran, sich das Konzept des Geldes auch nur vorstellen zu können. Hernando
Cortés (1485-1547), der Eroberer des Aztekenreiches, wird - wie er Kaiser
Karl V. berichtet - von einem Anführer der Tarasken gefragt, der von »einem
Geld als allgemeines Äquivalent« nichts ahnt: »Wozu wollen sie
all dieses Gold? Diese Götter müssen es wohl essen, deshalb , verlangen
sie so sehr danach.« (Tzvetan Todorov, 1982, a.a.O.). Der bereits erwähnte
Sepulveda räson" niert über »das Fehlen des Geldes, dieses
allgemeinen Äquivalents, das von der Notwendigkeit entbinde, beim Austausch
die Güter noch selbst nebeneinanderzustellen.« (Tzvetan Todorov, 1982,
a.a.O.). (Ebd., S. 315).Für die Feudalgesellschaft des
europäischen Mittelalters ist die ebenfalls höchst ernsthaft und über
viele Jahrzehnte betriebene Suche nach neoklassischen Märkten ebenso fehlgeschlagen
wie bei der Stammesgesellschaft und der geplanten Reproduktion des antiken Feudalismus.
Das hat in der gebotenen Genauigkeit Marc Bloch zusammengefaßt: »Wir
wissen, daß Märkte dort existierten, wo das Landvolk in der Tat einen
Teil seiner Agrarprodukte an die Stadtbevölkerung, den Klerus oder das Militär
verkaufte. Auf diese Weise sicherte sich die Landbevölkerung Denarii,
um ihre Abgaben zu bezahlen. Und in der Tat war derjenige arm, der niemals einige
wenige Unzen Salz oder ein Stück Eisen kaufen konnte. Für die Autarkie
der großen Güter würde dies bedeutet haben, daß ihre Herren
ohne Waffen oder Juwelen hätten auskommen müssen, daß sie (bei
fehlender Eigenproduktion) niemals Wein getrunken hätten und bei der Bekleidung
mit dem groben Material hätten vorlieb nehmen müssen, das die Frauen
ihrer Hintersassen webten. Darüber hinaus trugen bereits die Unzulänglichkeiten
der Agrartechnik, die krisenhafte Lage der Gesellschaft und das rauhe Wetter dazu
bei, daß sich interner Handel eines bestimmten Umfangs behauptete: Denn
für den Fall, daß die Ernte schlecht ausfiel, wurde die Bevölkerung
nicht aufs äußerste reduziert, obwohl viele Leute buchstäblich
Hungers starben. Auch wissen wir, daß es einen Getreidehandel von den besser
dastehenden Gebieten zu denjenigen gab, die von Dürre betroffen wurden, wodurch
der Spekulation Tür und Tor geöffnet wurde. Daher war der Handel
keineswegs abwesend, sondern extrem unregelmäßig. Die Gesellschaft
dieses Zeitalters war mit Kauf oder Verkauf gewiß nicht unvertraut, aber
sie lebte keineswegs wie unsere Gesellschaft von Kaufen und Verkaufen. Weiterhin
war der Handel selbst in der Form des Realtauschs nicht die einzige oder bedeutendste
Nabelschnur, durch die zu jener Zeit Güter zwischen den verschiedenen Klassen
zirkulierten. Eine große Anzahl von Produkten lief von Hand zu Hand als
Abgaben an einen Herren für seine Gegenleistung in Form von Schutz oder schlicht
als Anerkennung seiner Macht. Dasselbe galt für jenes andere Gut, die menschliche
Arbeit: Durch Zwangsarbeit wurde viel mehr Arbeit geleistet als durch Einstellungen.
Kurz gesagt, Austausch im strengen Sinne war in der Wirtschaft sicher viel weniger
bedeutend als die Bezahlung in Naturalien; und weil der Tausch daher eine seltene
Sache war, erwies sich, daß Reichtum und Wohlergehen untrennbar an die
Herrschaft gebunden waren. Nur die Ärmsten mußten damit zufrieden sein,
ausschließlich vom Produkt ihrer Arbeit zu leben.« (Marc Bloch, a.a.O.).
(Ebd., S. 315-316).Die Denarii der mittelalterlichen Feudalzeit
haben wohl am häufigsten zu der Annahme verführt, dort bereits eine
evolutionistische Vorstufe der als Geldwinschaft aufgefaßten modernen Eigentumswinschaft
auszumachen. Sie sind am ehesten aber mit den DM- und Dollarscheinen zu vergleichen,
die in Staaten des real existierenden Sozialismus ebenfalls dazu verhelfen konnten,
einfachen Leuten Güter und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfs - wie ein
Pfund Kaffee oder einen Klempner - ins Haus zu bringen und der Nomenklatura darüber
hinaus französischen Cognac oder einen Volvo zu bescheren. Zukünftige
Historiker des DDR-Sozialismus könnten leicht den Schluß ziehen, daß
nachweisbare DM-Verwendungen den evolutionären Weg des Sozialismus zur Tausch-
und Marktwinschaft beweisen. Wie der Realsozialismus in Nachbarschaft zu Eigentumsökonomien
lebte und don generiertes Geld in einigen Sphären verwendete, so stand auch
das europäische Mittelalter in Kontakt zu den Währungen Ostroms und
des Kalifats. Zum Beispiel zirkulierte »Gold nur in der Form arabischer
oder byzantinischer Münzen oder Nachahmungen von ihnen.« (Marc Bloch,a.a.O.).
Die Feudalismen der Inkas und Azteken dagegen, die vor der europäischen Eroberung
solchen Kontakt ebensowenig kannten wie die sogenannten antiken Palastwirtschaften
vor der Revolution zum Privateigentum, haben denn auch weniger Anlaß für
evolutionistische Mißverständnisse zur Entstehung von Geld und Märkten
gegeben. (Ebd., S. 317).Auf andere Art als für stammesgesellschaftliche
Speere und Äxte erwies es sich auch für das feudale System der sozialistischen
Staaten als unmöglich, für einen Wenbegriff sinnvolle Entsprechungen
zu finden. Wie ein Beispiel aus der DDR-Geschichte illustrirt, erlaubte die zentrale
Plan- und Preisbehörde, daß LPG-Bauern privat gezüchtete Kaninchen
zum Preis von 70 Mark pro Stück an den Schlachthof abliefern konnten, der
sie dann über HO-Läden für 20 Mark weiterreichte. (Ebd.,
S. 317).Umgekehrt erhielten beispielsweise Hersteller feiner Damenunterwäsche
für die Ablieferung eines »Teilchens« an einen »Exquisit«-Laden
20 Mark, während dann das gute Stück nur für 100 Mark zu haben
war. Diese beiden Verpflichtungen - Abliefern und Zuteilen - kennzeichnen die
feudale Gesellschaft. Ihre administrativen Preise haben - ebenso wie die der Stammesgesellschaft
- mit wie auch immer zu berechnenden Werten nichts zu tun. Verkaufspreise, die
unterhalb der Produktionspreise angesetzt waren, leisteten gleichwohl etwas für
die soziale Kohärenz. Die im Vergleich zu den Produzentenpreisen wesentlich
höheren Konsumentenpreise dienten dazu, der Gefahr eines dadurch möglichen
»Geld«-Überhangs zu begegnen. In den Preisen drückte sich
kein Signal für Verpflichtungen der Produzenten aus, bei deren Nichterfüllung
sie einer ökonomischen Haftung anheimfielen. Das dafür erforderliche
Eigentum war ja abgeschafft. Sie hatten nichts, wo hinein hätte vollstreckt
werden können. Gleichwohl waren sie nicht frei von Pflichten. Die Obrigkeit
versuchte - mehr oder weniger erfolgreich - mit Hilfe ihres Disziplinierungsapparates
darüber zu wachen, daß die geplanten Ablieferungen erfolgten.
(Ebd., S. 318).
1b) Hicks' verblüffende Entdeckung des Markttausches in Nichteigentumsgesellschaften
Unter
den Berühmtheiten der Neoklassik hat der Nobelpreisträger John Hicks
am ausführlichsten und entschlossensten die Ergebnisse der ethnologischen
Wirtschaftsforschung in den Wind geschlagen und an einer Tauschentstehung von
geldbenutzenden Märkten festgehalten. Um unübersehbar als Fels in der
Brandung unangenehmer Forschungsergebnisse erkannt zu werden, hat er sein letztes
Werk geradezu trotzig mit dem Titel Eine Markttheorie des Geldes (1989)
versehen. Bereits in seiner ausdrücklich theoretisch angelegten Wirtschaftsgeschichte
Eine Theorie der ökonomischen Geschichte (1969) hat er die völkerkundlichen
Schreibtischkonstruktionen neoklassischer Urväter wie v.a. Carl Menger der
seriösen Forschung vorgezogen. (Ebd., S. 318).Menger
hatte zuerst in seinem Werk Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871)
und dann in Aufsätzen ... das Geld aus dem sogenannten Tauschgut mit der
höchsten »Marktgängigkeit« (vgl. ders., Geld, 1891,
S.557) abgeleitet und somit die neoklassische Theorie der Tauscherleichterung
durch Geld auf angeblich immer schon daseienden, aber keineswegs immer schon Geld
gebrauchenden Märkten begründet. Fast gleichzeitig hat der zweite Urvater
- nach dem ersten Urvater (Menger) und vor dem dritten Urvater (Walras) - der
Neoklassik, William Stanley Jevons, seine Definition des geldvermittelten Tausches
vorgelegt: Er »ist als Realtausch des Überflüssigen gegen das
Notwendige bezeichnet worden, und diese Definition ist korrekt, wenn wir sie
zuspitzen zum Realtausch des relativ Überflüssigen gegen das relativ
Notwendige. .... Geld (als Tauschmedium) ist ganz einfach jede Ware. .... Obwohl
viele Waren fähig sein mögen, die Funktion dieses Mediums mehr oder
weniger perfekt zu erfüllen, wird aus Gewohnheit oder der Macht der Umstände
gewöhnlich irgendein Artikel als Geld par excellence ausgewählt.«
(W. St. Jevons, a.a.O.). (Ebd., S. 318-319).Unter Berufung
auf diese Säulenheiligen seiner Schule geht Hicks nun persönlich daran,
sich einen geldgebrauchenden Markt sowohl für den Stamm als auch für
den Feudalismus zusammenzufabulieren. Dabei steht ihm die Evolution zu einer Kunstfigur
vor Augen, die sich den noch eher beiläufigen Handel der ersten Menschen
zur Spezialität macht und als distinkter middleman eine »neue
Welt« des Marktes hervortreibt, in der er kauft, um zu verkaufen: »Der
einfachste Weg, auf dem regelmäßiger Handel sich entwickeln mag, ist
wahrscheinlich der folgende: Jede Art sozialer Geselligkeit (wie ein religiöses
Fest) bietet die Gelegenheit zum Handel - ein Handel, der beiläufig beginnt,
aber zur Gewohnheit wird. Die Gegenstände mögen ursprünglich für
den persönlichen Konsum während des Festes oder als Geschenke für
einen Gott mitgebracht worden sein. Aber wenn die einzelnen Teilnehmer unterschiedliche
Dinge dabeihabenwerden sie versucht sein, einige der mitgebrachten Güter
miteinander zu tauschen. .... Wenn die Vorteile bedeutend werden, wird diese neuartige
Aktivität zunehmen; und sie mag durchaus auf Kosten des ursprünglichen
Begegnungsmotivs wachsen. Das religiöse Erntefest verwandelt
sich in einen Dorfmarkt.« (John Hicks, a.a.O.). (Ebd., S. 319-320).Durchaus
von der Ahnung getrieben, daß auf diesem Wege doch kein kontinuierliches
Marktgeschehen entstanden ist, wendet sich Hicks kurz entschlossen einer feudalistischen
Gesellschaft zu, wo er mehr Spezialisierung erkennt als im Stamm: »Handel
im großen Stil kann gleich an der Spitze beginnen. Irgend ein mächtiger
König empfängt Botschafter von benachbanen Häuptlingen - einige
im Vergleich zu ihm kleine Fische, andere ihm an Macht fast oder ganz ebenbünig.
Sie bringen Geschenke mit, die er als Tribut erhält; aber es wäre unter
seiner Würde, keine Gegengeschenke zu machen. Unter den angebotenen Dingen
werden sich einige finden, von denen er gerne mehr hätte. Der einfache Weg,
sie zu bekommen, besteht darin, einen Botschafter mit Geschenken und Instruktionen
über akzeptable Gegengeschenke in die Gegenrichtung zu schicken. Der zu diesem
Zweck angestellte Hofmeister nimmt -allerdings per Anweisung - bereits einige
Funktionen eines Kaufmanns wahr. .... Er ist kein unabhängiger Kaufmann,
aber doch ist er ein Kaufmann. .... Soviel zum externen Handel. Aber
es gibt einen internen Handel, der sich im Grunde auf ähnliche Weise entwickeln
kann. Grundlage der königlichen, eigentlich also feudalen Ökonomie sind
Ablieferungen. Aber Abgaben, die in natura bezahlt werden, werden normalerweise
.. .in einer anderen Form oder an einem anderen On geleistet, als es der Herrschaft
genehm ist. Diejenigen, die die Ablieferungen ... organisieren, ähneln dem
Hofmeister, der für den externen Handel eingesetzt wird. Aus dem Eintreiben
der feudalen Einkünfte und ihrer Verwendung werden sich noch viele andere
Gelegenheiten für einen Teilzeithandel ergeben. Und aus dem Teilzeithandel
wird flugs ein Vollzeithandel. .... Wir können kaum umhin, diesen (Handel)
als merkantil oder vielleicht sogar kommerziell zu bezeichnen.«
(John Hicks, a.a.O.). (Ebd., S. 320-321).Plötzlich fällt
Hicks noch ein, daß diese Marktwirtschaft, deren Triebkräfte er sozialhistorisch
zur Genüge hergeleitet glaubt, auch noch Geld, Eigentum und Kontrakte aufweist.
Ihre vorläufige Nichtberücksichtigung entschuldigt er damit, daß
er ja "in üblicher Manier der Ökonomen gerade hinter den Schleier
des Geldes« (John Hicks, a.a.O.) und - so könnte man hinzufügen
- auch hinter den Schleier von Eigentum und Kontrakten schauen wolle. Allein in
diesen Formen könne sich der Tausch bewegen, weshalb er Geld, Eigentum und
Kontrakte »nahezu von Anfang an, vielleicht direkt vom Beginn« (ebd.)
der Marktwirtschaft an durch letztere selbst geschaffen sieht. (Ebd., S.
321).Hicks liefert also eine Tauscherklärung von Eigentum,
Kontrakten und Geld. Diese Formen müssen nun gesetzlich geschützt werden,
um den die Marktwirtschaft bestimmenden Tausch sicher realisieren zu können.
Es ist dieser hinzutretende neuanige gesetzliche Schutz von Eigentum, Kontrakten
und Geld, der in der Stammes- oder Feudalgesellschaft, aus denen Hicks die Marktwirtschaft
hervorgehen läßt, nicht vorhanden gewesen sei und der die Marktwinschaft
erst zum Blühen gebracht habe. In Analogie zu den an Profit orientierten
»Rassen« von Keynes, die Geld erfinden, erklärt Hicks das Entstehen
einer Marktwrtschaft im alten Rom, im Unterschied etwa zu China oder Japan, dann
auch konsequent aus der »Verfassungsstrenge« (John Hicks, a.a.O.)
des lateinischen Menschen. (Ebd., S. 321-322).Es ist hier
nicht der Forschungsstand zu Stamm und Feudalismus zu wiederholen, gegen den Hicks
sich stemmt. Anzuerkennen bleibt, wie peinlich er sich der Not bewußt ist,
Eigentum und Kontrakte zu erklären. Da er die Verträge von ideenreichen
Völkern dem Tausch nur hinzufügen läßt, kann er aus ihnen
natürlich für die Operationen des Marktes selbst nichts Wesentliches
mehr herausholen, sondern muß sie in eine Magdstellung zum Tausche verweisen.
Wissen aber hätte er können, daß auch fix und fenig herausgebildete
Kaufleute und Unternehmer bis heute vor und auch nach dem Abschluß von Geschäften
Geschenke austauschen und dabei nicht so sehr der Erwartung frönen, selbst
welche zu bekommen, sondern in Form sogenannter Werbegeschenke Geschäftsabschlüsse
zu befördern. (Ebd., S. 322).Auf den Gedanken jedoch,
daß ihre eigentlichen Geschäfte nur evolutionäre Verbesserungen
stammesgemäßer Schenkerei und feudaler Botschaftergaben sind, kommen
heutige Kaufleute verständlicherweise nicht. Hat Hicks daraus in seinem zwanzig
Jahre später erschienen letzten Werk noch Schlüsse ziehen können?
Keineswegs! Vielmehr erreicht seine souveräne - man möchte sagen: hinreißende
- Ignoranz der Tatsachen erst jetzt ihren Höhepunkt. Was die empirische Völkerkunde
minutiös wiederholt, ja geradezu wütend und oft sogar verzweifelt immer
wieder dementiert hat, unterschiebt er ihr als von ihm gerne übernommene
Weisheit, auf der er bestens aufbauen könne: »Es gab Gesellschaften,
so berichten uns ganz besonders die Völkerkundler, in denen Vieh als Geld
verwendet wurde.« (john Hicks, a.a.O.). Damit hat der Neoklassiker zum Klassiker
zurückgefunden, denn Adam Smith hatte bereits mehr als zwei Jahrhunderte
zuvor verkündet: »In den rohen Zeiten der Gesellschaft soll Vieh das
allgemeine Handelsmittel gewesen sein, und obgleich es ein sehr unbequemes sein
mußte, so findet man doch in alter Zeit häufig die Dinge nach der Stückzahl
des Viehes geschätzt, welches dafür in Tausch gegeben wurde. Die Rüstung
des Diomedes, sagt Holler, ist nur neun Ochsen wert) die des Glaukus aber hundert.«
(Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen u dUrsachen des Volkswohlstandes,
1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 4, S. 29). (Ebd., S. 322-323).
2) Die Eigentumstheorie des Marktes
Wenn
der Markt nicht von Tauschspezialisten, also Händlern, erfunden wird - und
auch nicht dadurch entsteht, daß pfiffige Priester ein archaisches und noch
außerökonomisches Geld ihrer Gläubigen gegen Zins an sich ziehen,
um es anschließend wie eine Bank zu verleihen und so Geldgebrauch nebst
Markttausch auf den Weg zu bringen -, was ist dann der wirkliche Grund
für das Entstehen des Marktes? Es sind nicht vertrauensvolle Gläubige,
sondern höchst mißtrauische Gläubiger, die ihre Schuldner dazu
zwingen, den Markt in die Welt zu bringen. Diese Schuldner haben Anrechte auf
Eigentum geliehen, die in Beziehung auf ein kontrahiertes money of account
(Geldstandard) als money proper (eigentliches Geld) dienen. Dieses eigentliche
Geld ist ein Kürzel für Anspruch auf Gläubigereigentum in eben
der Form, in der es auch verzinst und wieder getilgt werden muß. Da durch
Präsentieren dieses Geldes seine Deckung eingefordert, letztendlich also
Eingriffe in Eigentum vollzogen werden können, sind alle Zahlungsmittel,
die nicht für dieses in Kontraktketten und damit immer bei konkreten Eigentümern
endende - fixierte Recht stehen, als Schuldendeckungsmittel untauglich. Der Schuldner
hat an seinen Verzinsungs- und Tilgungsterminen mithin Geld abzuliefern, das heißt,
sich von Anrechten auf Eigentum - und nicht von irgend etwas anderem - auch wieder
zu trennen. (Ebd., S. 323-324).Es sind diese abstrakten Anrechte
auf Eigentum, die der Gläubiger zurückhaben muß. Würde er
an ihrer Stelle etwas anderes akzeptieren, dann würden das von ihm emittierte
und im Kreditkontrakt verliehene Geld immer noch gegen ihn präsentiert werden
können und dann mit Eigentum eingelöst werden müssen. Würde
er statt dieser Anrechte auf Eigentum Güter akzeptieren, dann fiele auf ihn
das Problem ihrer Monetarisierung. Da diese nur über Verkaufskontrakte auf
dem Markt gelingen kann, also per definitionem unsicher ist, kann er nicht
wissen, ob er die Geldsumme erlöst, die ihm geschuldet war. (Ebd.,
S. 324).Alles, was nicht solche Anrechte auf Eigentum darstellt,
muß also bereits der Schuldner in eben diese, Geld also, verwandeln, um
den im Kontrakt fixierten Tilgungen und Zinszahlungen nachkommen zu können.
Das erfolgt durch Verkauf von Waren. Wie kommt es nun zu diesem Verkauf? Anders
gefragt, wie kommt es zu Käufern? Es sind die übrigen verschuldeten
Produzenten, die als Verpfänder ihres Eigentums in einem Kredit Geld erhalten
haben, mit dem sie nun als Käufer auftreten, um die Kapitalgüter zu
erlangen, mit denen sie dann ihre Waren produzieren, deren Umwandlung in Geld
wiederum die Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Kontrakte ist. Es müssen
mithin nicht vorab irgendwoher kommende Güter gegen ein irgendwoher kommendes
Geld verkauft worden sein, damit Geld für weiteres Kaufen vorhanden ist.
Es muß lediglich durch Belastung von Gläubiger- und Verpfändung
von Schuldnereigentum in einem Kreditvertrag Geld geschaffen worden sein.
(Ebd., S. 324).Es würde dem verschuldeten Produzenten nichts
nützen, seine Produkte klassisch/neoklassisch gegen andere Produkte einzutauschen,
indem er anbietet, was er kostengünstiger als der Tauschpartner herstellen
kann, der wiederum seine Güter vorteilhafter zu produzieren vermag als ersterer,
so daß im Sinne des - im Krisenkapitel
noch zu behandelnder - Sayschen Theorems jedes Angebot eine Nachfrage schafft
und umgekehrt. Sich auf einen solchen kostengünstigen Tausch zu werfen, würde
ihm nicht dabei helfen, an das vereinbarte Schuldendeckungsmittel heranzukommen.
Dieses ist ihm aber auch durch Verkauf keineswegs garantiert, da für die
Geldmittel potentieller Käufer wie anderer Unternehmer-Schuldner - eben Eigentum
verpfändet wurde. Alle potentiellen Käufer verteidigen also ihre Eigentümerposition
und entscheiden von dieser her über ihre Geldverwendung. (Ebd., S.
324-325).Der Markt ist kein Tauschplatz für Angebot
und Nachfrage von Gütermengen, sondern die Institution, in der Schuldner
sich die Mittel zu beschaffen trachten, in denen sie ihre Zins- und Tilgungspflichten
vereinbart haben. Allein zu diesem Zweck eingesetzte Produkte sind Waren.
Diese Waren nun stehen in einem gänzlich anderen Rahmen als getauschte bzw.
abzuliefernde Güter wie Speere und Äxte der Stammesgesellschaft oder
Kaninchen und Damenunterwäsche des feudalen Sozialismus. Für die Ermittlung
des Wertes der Waren gibt es im Unterschied zu den unbestimmten Tauschraten der
Stammesgüter bzw. der administrierten Preise für die abzuliefernden
Güter des Feudalsystems - eindeutige Kriterien. Diese sehen allerdings ganz
anders aus, als sie in klassischer, neoklassischer und monetärkeynesianischer
Theorie gesehen werden. (Ebd., S. 325).
2a) Klassische, neoklassische und monetärkeynesianische Werttheorie
als jeweils grundlegende Interpretation des Wirtschaftens
In
der Geschichte der ökonomischen Theorien hat es bisher drei Werttheorien
gegeben. Die klassische Werttheorie wurde von Adam Smith und David Ricardo begründet.
Sie ist im wesentlichen auch von Karl Marx übernommen worden und wird heute
vom Neo-Ricardianismus vertreten, der in Piero Sraffa seinen markantesten Denker
hat. Die bis heute dominierende Werttheorie der Neoklassik geht auf die bereits
erwähnten Werke von Carl Menger, Stanley Jevons und Leon Walras aus den frühen
siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zurück. Ihre prominentesten modernen
Vertreter haben wir im Tauschkapitel
kennengelernt. Unter den Versuchen, im Anschluß an Keynes eine eigenständige
Werttheorie zu entwickeln, die den großen Engländer selbst übrigens
nicht interessiert hat, ragt die Berliner Schule des Monetärkeynesianismus
hervor. Der Begründer dieser Schule, Hajo Riese, hat ihre eigenständigen
werttheoretischen Elemente im Rahmen eines Systemvergleichs von »Geldwirtschaft«
und »Nichtgeldwirtschaft« - letztere am Beispiel des Sozialismus -
dargestellt. Dieser Vergleich soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Interessant
ist Rieses werttheoretische Analyse allerdings insofern, als er die gleiche Ökonomie,
die in der Klassik »Kapitalismus« und in der Neoklassik »Marktwirtschaft«
heißt, in bewußter Verwerfung dieser beiden Bezeichnungen als »Geldwirtschaft«
charakterisiert. (Ebd., S. 325-326).Wichtig
für Riese ist nun, daß die jeweiligen Werttheorien unterschiedliche
Normen abbilden, weil sie unterschiedlichen Prinzipien folgen, denen wiederum
verschiedene Interpretationen des Phänomens »Wirtschaften«, von
Ökonomie und ihrer Kohärenz also, zugrunde liegen. Die klassische
Ökonomie folgt dem Prinzip der Reproduktion; daraus folgt für
sie die Norm der Kostendeckung bzw. der Akkumulation für den Fall
der erweiterten Reproduktion. Die neoklassische Ökonomie folgt dem
Prinzip der Bedürfnisbefriedigung; aus ihm ergibt sich die Norm der
Effizienz, der optimalen Allokation. Die monetärkeynesianische
Ökonomie schließlich pocht auf das Prinzip der Vermögenssicherung;
daraus resultiert die Norm des Knapphaltens von Geld. Nach Riese liefert
dabei die neoklassische die Verallgemeinerung der klassischen und die monetärkeynesianische
die Verallgemeinerung der neoklassischen Theorie - und zwar in dem Sinne, daß
die jeweils allgemeinere Theorie die Schwächen der spezielleren aufhebe.
(Ebd., S. 326-327).Die Schwächen der klassischen Werttheorie,
nach der Preise über Kosten erklärt werden, liegen nach Riese darin,
daß sie als Ökonomie der Reproduktion nicht zeigen kann, wie und auf
Grund welcher Kalküle der Markt funktioniert, der die einzelnen Wirtschaftssubjekte
zu einer sich reproduzierenden Gesamtwirtschaft zusammenschweißt. Dabei
unterläuft ihr die bekannte - vor allem von Marx thematisierte Dichotomie
zwischen Tauschwert und Gebrauchswert, das sogenannte Wertparadoxon. Es besagt,
daß Güter von hohem Gebrauchswert einen niedrigen Tauschwert und Güter
von niedrigem Gebrauchswert einen hohen Tauschwert haben können. (Ebd.,
S. 327).Die neoklassische Werttheorie, die Preise über
Grenznutzenverhältnisse auf Märkten erklärt, löst dieses Paradox,
indem sie über das Zweite Gossensche Gesetz die Maximierung des Gesamtnutzens
auf dem Wege des Grenznutzenausgleichs postuliert. Damit vermag sie den Wert nicht
beliebig reproduzierbarer, das heißt knapper Güter zu erklären.
Dadurch kann die Neoklassik zugleich das wenig überzeugende Postulat der
Unterauslastung nicht-reproduzierbarer Ressourcen, also von Arbeit und Boden,
aufheben, das in der klassischen Werttheorie für die Bestimmung der Preise
durch die Kosten unverzichtbar ist. Die neoklassische Lösung für das
werttheoretische Problem der Klassik, die sie dazu geführt hat, die Preisbildung
nicht einseitig über Kosten, sondem auf Märkten zu erklären, enthält
allerdings die Schwäche, daß sie nur für das individuelle Verhalten
von Wirtschaftssubjekten auf Einzelmärkten funktioniert. (Ebd., S.
327).Auf diesen Einzelmärkten passen die Subjekte als Anbieter
und Nachfrager von Gütern für den angenommenen Fall der vollkommenen
Konkurrenz ihre Gütermengen lediglich vorgegebenen Preisen an. Das bedeutet,
daß bei einem hohen Preis viel angeboten und entsprechend wenig nachgefragt,
umgekehrt jedoch bei einem niedrigen Preis wenig angeboten und viel nachgefragt
wird. Ungeachtet der Aussage, daß neben Kosten auch Bedürfnisse und
Märkte zur Bestimmung der Preise wichtig sind, werden letztere durch das
Konzept der Einzelmärkte keineswegs erklärt. Das gilt auch für
das - von uns im Tauschkapitel ausführlich behandelte -Totalmodell der modernen
Neoklassik, der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie also. Diese verwendet zur Festsetzung
der Preise die Kunstfigur des Auktionators, der die Preis- und Mengenvorstellungen
der einzelnen Wirtschaftssubjekte in Übereinstimmung bringt und den Tausch
vollzieht. Der Auktionator aber drückt die Unmöglichkeit einer Preisbestimmung
durch die Wirtschaftssubjekte bei vollkommener Konkurrenz aus. Die Neoklassik
zeigt also lediglich die formale Möglichkeit eines allgemeinen Marktgleichgewichts,
keinesfalls jedoch, welche Kräfte die Marktwirtschaft zusammenbinden.
(Ebd., S. 327-328).Die Lösung dieses Kohärenzproblems
beansprucht nach Riese die monetärkeynesianische Werttheorie, indem
sie Geld an den Anfang ihrer Überlegungen stellt. Dieses Geld wird als Medium
aufgefaßt, das nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch als allgemeingültiger
Ausweis der Erfüllung von Kontrakten dient. (Ebd., S. 328).Diese
Rolle kann Geld nur spielen, wenn es so knapp gehalten wird, daß es seine
Funktion, Güter anzueignen, ebenso ausüben kann wie seine Funktion,
Vermögen zu sichern. In dem Maße, in dem Geld knapp gehalten wird,
werden Produktionsprozesse von den Unternehmern knapp gehalten, was ihnen erst
einen Profit ermöglicht. Dies führt zu einer Dominanz der Geldsphäre
über die Gütersphäre und liefert zugleich eine Erklärung der
Preisfestsetzungsmacht der einzelnen Unternehmer. Da Knapphalten von Geld der
Vermögenssicherung, nicht aber der Vermögenserweiterung dient, kann
letztere nur durch die zeitweilige Aufgabe von Geld, das heißt seiner Verwendung
in der Produktion, angestrebt werden. Die Preisfestsetzung durch die einzelnen
Unternehmer, die in der neoklassischen Theorie bei vollkommener Konkurrenz unmöglich
ist, ergibt sich im Monetärkeynesianismus dadurch, daß die Unternehmer
die Aufgabe des Geldes zur Aneignung von Gütern, also zur Produktion, in
einer Weise begrenzen, die in der Neoklassik nur bei unvollkommener Konkurrenz
möglich ist. Geld, das durch Zins knapp gehalten wird, sichert mithin den
Zusammenhalt des Marktsystems. Der Monetärkeynesianismus illustriert mit
diesem Gedankengebäude Keynes' berühmte Aussage, daß Kapital knapp
ist, weil Zins im Wettbewerb um Geld angeboten wird. (Ebd., S. 328-329).Die
Schwierigkeit des Monetärkeynesianismus besteht - wie im Zinskapitel
und im Geldkapitel
gezeigt - darin, daß er ein Zinsangebot dezisionistisch einführt, um
mit ihm bis dato außerökonomisch umlaufendes Geld in profanes ökonomisches
zu verwandeln bzw. es knapp zu halten. Der wirkliche Grund für die in der
Eigentumswirtschaft unabdingbare Knappheit von Geld - das zu blockierende Eigentum
- bleibt dabei unerhellt. (Ebd., S. 329).
2b) Die Eigentumstheorie des Wertes
Die
monetärkeynesianische Werttheorie bedarf als Fundament einer Eigentumstheorie
des Wertes. Knappes Geld ist in der Tat eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren
der Eigentumswinschaft. Warum es knapp ist, kann jedoch nicht schon dadurch erklärt
werden, daß für Geld ein pfiffig ausgedachter Zins angeboten wird.
Es ist nämlich nicht der Zins per se, der das Geld knapp hält,
sondern es ist das per se »knappe« Eigentum, das gebieterisch
verlangt, Geld niemals aus der Bindung an sich - das heißt: Belastung beim
Gläubiger und Verpfändung beim Schuldner - zu entlassen. Die am Eigentum
haftende Prämie kann nur in eine Zinsforderung verwandelt werden, wenn die
Emission von Geld gegen Eigentumsbelastung durchgehalten wird. (Ebd., S.
329).Die einzige künstliche Maßnahme beim Knapphalten
von Geld besteht - neben der oben erörterten Variation des Zinses durch die
Geld emittierende Institution - in den Schutzmaßnahmen gegen das Zirkulieren
von gefälschten, das heißt nicht in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten
fixierten und an verpfändetes Eigentum gebundenen Anrechten auf Eigentum.
Nicht nur die einfache, sondern sogar eine »geschärfte Todesstrafe«
auf Geldfälschung erschien denn auch schon in den Eigentumsgesellschaften
der Spätantike als die gebotene Maßnahme gegen Münzverbrechen
(falsum). Ein englisches Gesetz von 1350 setzte Geldfälschung mit
Hochverrat gleich und bestrafte sie ebenfalls mit dem Tode? Der Kommentar zum
Bundesbankgesetz zeigt sich in seiner Sorge keineswegs vermindert: »Bei
der Entwicklung und Herstellung der Banknoten steht der Schutz gegen Fälschungen
im Vordergrund.« (Deutsche Bundesbank, Die Deutsche Bundesbank, a.a.O.,
S. 17). (Ebd., S. 329-330).Nicht zuletzt diese Strafandrohungen
haben dafür gesorgt, daß die ganz großen <Fälschungen)
nicht von Einzelpersonen oder auch Banden, sondern von den emittierenden Institutionen
selbst ausgingen. Die Zentralbankgesetze zielen deshalb -wie im Geldkapitel gezeigt
-immer darauf ab, die »Währung zu sichern«. Damit ist gemeint,
daß Geld nur dann emittiert werden darf, wenn an seinem Ausgangspunkt die
Haftung durch das Eigentum eines als zahlungsfähig bekannten Gläubigers
steht. Dessen Eigentum (»Vermögen«) wird also nicht durch den
Zins gesichert, der ja die Eigentumsprämie materialisiert, sondern durch
den Verzicht auf die Emission eines Geldes, mit dem Leute Eigentum kaufen können,
ohne daß es mit Eigentum gesichert wäre. Das Geheimnis hinter der Knappheit
des Geldes ist also das belast- oder verpfändbare und damit riskierbare Eigentum.
Seine immaterielle Prämie gibt auf, wer sich zu seiner Blockierung entschließt.
(Ebd., S. 330).Der Wert, den für einen verschuldeten Produzenten
- und es ist die Produktion, mit der ein Schuldner im Normalfall die Waren für
die Erlangung seiner Schuldendeckungsmittel schafft - eine bestimmte Warenmenge
verkörpert, ist ihm vorgegeben durch eine aus Schuld und Zins zusammengesetzte
absolute Summe, die sich auf ein money of account (Geldstandard) aus einem
Kreditkontrakt bezieht. Wie es das zur Begleichung der Schulden notwendige money
proper (das eigentliche Geld) erst dann geben kann, wenn es sich wiederum
auf dieses ihm in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten vorhergehende money of
account bezieht, so erhält auch ein Gut erst einen Wert, wenn sein Preis
in eben diesem - ihm ebenfalls vorhergehende money of account ausgedrückt
wird. Nur über die Fixierung dieser Beziehung zwischen einem Gut und einer
Kreditbeziehung wird ein Gut zur Ware. Der Wert einer Ware, ihre Bewertung, ist
deshalb unausweichlich immer nur in Einheiten eines Geldstandards ausdrückbar.
Dieser wird durch einen Kreditkontrakt gesetzt und nicht - wie in der Neoklassik
- aus einem für den Geldgebrauch besonders geeigneten Tauschgut als Rechnungseinheit
gewonnen. (Ebd., S. 330-331).Einen schönen etymologischen
Hinweis für die Identität von Bewertung und monetärem Ausdruck
liefert das lateinische Wort für ökonomische Bewertung: aestimatio.
Es ist aus dem Wort aes gebildet, das Erz oder Metall bedeutet und zugleich
ein Wort für Geld ist. Aes rude bezeichnet das ungemünzte, in Barren
ausgewogene Erz. Aes grave hingegen ist das vollgewichtige Geld, ein Barren im
Gewicht von einem Pfund. Wörtlich würde das lateinische Wort für
Bewertung mithin Begeldlichung lauten. Wir hatten im Geldkapitel gesehen,
daß die lateinische Bezeichnung moneta für das gemünzte
Geld -die Münze also ebenfalls die ökonomische Theorie illustriert,
da das monere ( = ermahnen, auffordern, züchtigen etc.) daran erinnert,
daß Geld sich auf einen zeitlich limitierten und vollstreckbaren Kontrakt
bezieht. (Ebd., S. 331).Eben diese Zusammenhänge mag
Hawtrey gespürt haben, wenn er darauf beharrte, daß Schuldkontrakte
nicht - wie in den neoklassischen intertemporalen Kontrakten -in einem irgendwie
sich herausbildenden Gut Geld ausgedrückt werden. Vielmehr »muß
Geld von Schuldkontrakten her definiert werden« (Ralph Hawtrey, a.a.O.),
die ihm vorhergehen. Deshalb müssen auch diejenigen Gläubiger-Schuldner-Kontrakte,
die in der Gestalt von Kauf- und Verkaufskontrakten über Geld ausgepreiste
Waren daherkommen, dem money proper (dem eigentlichen Geld) vorhergehen,
das zu ihrer Erfüllung notwendig ist. Wiederum erweist sich die lateinische
Terminologie als einschlägig. Ein Angebot stellen und einen Preis bestimmen
sind ein und dasselbe: pretium constituere. Eine Ware anzubieten, heißt
also ihren Geldpreis zu nennen, womit gleichzeitig ihre Wertbestimmung
ausgedrückt wird: Wert haben heißt entsprechend Preis haben bzw. pretium
habere. (Ebd., S. 331-332).Der Wert einer Ware ist etwas
gänzlich anderes als die Idee des relativen Preises in Klassik und Neoklassik,
der ja als Mengentauschrelation ausdrücklich unabhängig vom Geld gedacht
wird. Der Wert in der Eigentumswirtschaft ist vielmehr ein absoluter Preis, der
in money of account (Geldstandard) gemessen werden muß und somit
ein Geldpreis ist. Schulden und Preise müssen also unausweichlich
im selben Maß ausgedrückt werden, da die Schuldfestsetzung der Preisfestsetzung
vorhergeht. Für die Wertbestimmung einer produzierten Warenmenge sind mithin
nicht die relativen Kostenpreise der Klassik entscheidend, die weitt gehend unabhängig
von den Angebots-Nachfrage-Konstellationen auf dem Markt die Güterpreise
bestimmen. Entscheidend sind auch nicht die auf dem Markt sich herausbildenden
Angebots-Nachfrage-Konstellationen, in denen sich die relativen Grenznutzenpreise
der Neoklassik verwirklichen. (Ebd., S. 332).Klassische und
neoklassische Güterpreistheorie kranken daran, daß sie - worauf übrigens
bereits Wolfgang Stützel (1925-1987) hingewiesen hat - eine Preistheorie
liefern, ohne zu berücksichtigen, daß bei Existenz von Geld Preise
gerade nicht durch das Abstimmen von Plänen über das Tauschen von Gütern
bestimmt werden können. Die von der Neoklassik ausdrücklich dem Geld
zugewiesene Rolle, den Tausch von Gütern zu erleichtern bzw. Kauf- und Verkaufspläne
kompatibel zu machen, muß davon absehen, daß die Existenz von Geld
immer mit »Geldvermögen« einhergeht, dem verzinsliche
Forderungen und zu verzinsende Verpflichtungen entsprechen, die sich in sogenannten
Einnahme-Ausgabe-Salden manifestieren müssen. Diese Salden bestehen aus einzelwirtschaftlichen
Einnahmeüberschüssen, die -als positive Differenz zwischen Käufen
und Verkäufen -zu Forderungen führen, bzw. aus einzelwirtschaftlichen
Ausgabenüberschüssen, die - als negative Differenzen zwischen Käufen
und Verkäufen - Verpflichtungen nach sich ziehen. (Ebd., S. 332).Diese
Forderungen und Verpflichtungen zeigen, daß das »Wesen des Geldes«
darin liegt, »nie bloße Recheneinheit« zu sein, selbst
wenn auf allen Märkten Gleichgewicht herrscht. In der Neoklassik hingegen
»bleibt Geld bloße Recheneinheit«, selbst wenn auf allen Märkten
Ungleichgewicht herrscht. (Vgl. Wolfgang Stützel, Volkswirtschaftliche
Saldenmechanik, 1958, Kapitel 4, S. 192). In diesem Fall werden die ... festgelegten
Preise von Gütern solange variieren, bis die Erlöse aus dem Verkauf
eines Gutes gerade ausreichen, den Kauf eines anderen Gutes zu finanzieren, das
heißt, einen Tausch von Gütern durch Bestimmung ihrer Tauschraten stattfinden
zu lassen. (Ebd., S. 332-333).Stützel sieht nun, daß
eine durch solches Variieren herbeigeführte Abwesenheit von Salden durch
das neoklassische Preissystem bei freiem Wettbewerb keineswegs garantiert werden
kann. Vielmehr gelte - sobald Geld existiert -, daß unabhängig davon,
ob die Märkte im Gleichgewicht sind oder nicht, »bei Einzelwirtschaften
Budgetsalden zwischen Käufen und Verkäufen auftreten« müssen.
Bei der neoklassischen Preisbestimmung wird also durchgehend vernachlässigt,
daß Einnahmen-Ausgaben-Salden keineswegs durch »falsche« oder
Unngleichgewichtspreise zustandekommen, sondern »primär durch die Kreditkonditionen«,
also durch den Zins entschieden werden. (Vgl. Wolfgang Stützel, Volkswirtschaftliche
Saldenmechanik, 1958, Kapitel 4, S. 195). Ihm - und damit verbunden dem Geld
sowie den es generierenden Krediten, die zu den Salden führen - muß
damit eine entscheidende Rolle bei der Preisbestimmung zukommen. All das jedoch
wird von der Neoklassik vernachlässigt. (Ebd., S. 333).Das
von Stützel gesehene »Geldvermögen« ist von der monetärkeynesianischen
Werttheorie aufgegriffen worden. Sie hat es zu einer Theorie der Hierarchie
von Märkten entwickelt, in der - wie gezeigt - die Geldsphäre die
Gütersphäre dominiert, indem sie die Preisfestsetzung über eine
Geldknapphaltung durch Zins oder schlicht Verweigerung eines Geldangebots ermöglicht.
Für die Wertbestimmung einer produzierten Ware ist nun aber diese Möglichkeit
der Preisfestsetzung nicht entscheidend. Selbstredend hält knapp gehaltenes
Geld die Warenproduktion, die ja aus dem Kapital als Geldvorschuß finanziert
werden muß, ihrerseits knapp und ermöglicht deshalb dem Produzenten
auch bei vollkommener Konkurrenz eine Preisfestsetzung zur Erlangung eines Profits,
der im Gleichgewicht mindestens seine Verpflichtung aus Zins und Tilgung zu erfüllen
erlaubt. Da knapp gehaltenes Geld aber eine abgeleitete Knappheit darstellt, die
von der Belastungsfähigkeit des Eigentums bestimmt wird, findet die Warenproduktion
ihre Grenze an der Prämie, die potentielle Gläubiger und Schuldner auf
das Angebot ihres unbelasteten Eigentums setzen. In der Zinshöhe, die sowohl
zu Kredit- als auch Verschuldungsverweigerung führen kanndrückt diese
Prämie sich lediglich aus. (Ebd., S. 333-334).
2c) Hierarchie von Märkten versus Einheit des Marktgeschehens
Die
monetärkeynesianische Rede von einer Hierarchie von Märkten, in der
Vermögensmärkte Gütermärkte dominieren, ist durchaus in dem
Sinne zutreffend, daß nur mit Geld ausgestattete Subjekte sich Güter
aneignen können. Richtig ist auch, daß Vermögenseigentümer
und Vermögensbesitzer - wie die Banken, wenn sie über Einlagen von Vermögenseigentümern
verfügen -, darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Schuldnern
bzw. Unternehmern Geld zur Verfügung gestellt wird, mit dem dann Ressourcen
für die Produktion erworben werden können und bei dessen Nichtzurverfügungstellung
selbstverständlich Nichtbeschäftigung der Ressourcen eintreten muß.
Diese Erkenntnis bleibt für die theoretische Erklärung des Warenmarktes
jedoch ohne Belang, weil ihm Geld, Zins und damit Kredit als vermeintlich einfallsreich
ausgedachte Setzungen einfach vorweggestellt werden. (Ebd., S. 334).Es
ist jedoch die Eigentumsprämie, deren Aufgabe im Kreditkontrakt überhaupt
erst Zinsforderungen begründet, die in einem money of account (dem
Geldstandard) ausgedrückt sind. Diese Gläubiger-Schuldner-Kontrakte
erzwingen dann die Marktoperationen der Schuldner zur Erlangung des auf sie bezogenen
money proper (eigentlichen Geldes), das selbst wiederum erst durch einen
Kreditkontrakt in die Welt gekommen ist. (Ebd., S. 334).Warum
es überhaupt Märkte geben muß, wird im Monetärkeynesianismus
- ganz wie in der Neoklassik - gar nicht erst untersucht. Er interessiert sich
lediglich für den Preisbildungsprozeß auf dem Markt. Er selbst
wird einfach unter der Hand eingeführt, nicht aber einer Erklärung für
würdig befunden. (Ebd., S. 334).Die monetärkeynesianische
Formel von der Markthierarchie ist eher dazu angetan, die essentiellen Triebkräfte
für Warenmärkte - einschließlich des Arbeitsmarktes - zu verschleiern
als offenzulegen. Wie wir noch zeigen werden, herrscht auch für den Monetärkeynesianismus
auf diesen Märkten - wenn auch nicht im Marktgeschehen insgesamt - das Tauschparadigma
ganz unangefochten. Hier wird also immer noch der Marktterminologie der Neoklassik
hinterhergelaufen. Letztere wird sich jedoch davon keineswegs beeindrucken lassen,
weil sie ihr Tauschparadigma von einer umgekehrten Märktehierarchie Dominanz
der Gütermärkte - genauso bestätigt sehen wird wie von ihrer Fiktion
eines ursprünglichen Güterrealtauschs, der unmittelbar Marktgeschehen
konstituierte. Überdies ist beim Monetärkeynesianismus nicht immer eindeutig,
ob das, was er Preis nennt, ein relativer Preis bleibt und damit eine Tauschrelation
für Gütermengen auf dieselbe Weise im Zentrum seines Kalküls steht,
wie das in der Neoklassik beim monopolistischen Verhalten eines Produzenten bei
unvollkommener Konkurrenz der Fall ist. (Ebd., S. 334-335).Dem
verschuldeten Eigentümer ist also weder klassischer Arbeitsaufwand, noch
neoklassische Nutzenoptimierung, noch eine monetärkeynesianische Orientierung
an den Kalkülen von Vermögensbesitzern aufgegeben, die ihm eine selbständige
Preissetzung bei knapp gehaltenem Geld ermöglichen und nicht - wie in der
Neoklassik im Fall der vollkommenen Konkurrenz - lediglich eine Anpassung seiner
Mengen an vorgegebene oder vom Auktionator bestimmte Preise erlauben. Der verschuldete
Produzent versucht vielmehr von Anfang an, einen monetären Preis in einer
Höhe festzulegen, die es ihm ermöglicht, zumindest seinen Kontraktverpflichtungen,
also Tilgung und Zins, nachzukommen. (Ebd., S. 335).Was bedeutet
dieser Geldpreis im Unterschied zu einem relativen Preis, der Tauschrelationen
zwischen Gütern ausdrückt? Der verschuldete Unternehmer setzt die zu
erstellende Produktmenge auf ganz dieselbe Weise umgehend zum money of account
(Geldstandard) in Beziehung, wie ja auch die von ihm zu leistende Geldsumme, also
Tilgung und Zins, zu diesem selben money of account in Beziehung gesetzt
ist. Da das Produkt aus Gütermenge und Preis mindestens seiner Schuldsumme
aus Tilgung und Zins entsprechen muß, ermittelt er die Preise, die er zur
Kreditkontrakterfüllung für seine Güter erzielen muß, durch
Division der geschuldeten Geldsumme durch die Gütermenge. Insofern macht
die Rede von einem Preis nur Sinn als Rede von einem Geldpreis. Wo diese
Ableitung des Geldpreises nicht vorgenommen wird, erfolgt lediglich die vortheoretische
Adaption eines unverstandenen Begriffes namens Preis. (Ebd., S. 335-336).Zwischen
den Transaktionen auf dem Vermögensmarkt, wo Gläubiger gegen Zins Geld
auf Zeit kreditieren, und denen auf dem Warenmarkt besteht keineswegs ein essentieller,
sondern nur ein gradueller Unterschied. Die Transaktionen auf dem Warenmarkt sind
notwendiges Resultat und Teil von Kreditoperationen zwischen Eigentümern.
Diese Kreditoperationen als einen eigenständigen Vermögensmarkt
abzutrennen, also zwei unterschiedliche Markttypen vorauszusetzen, dokumentiert
bereits eine grundlegende theoretische Verlegenheit. Sie zeigt sich darin, daß
ein geldwirtschaftlicher »Vermögensmarkt« einem tauschwirtschaftlichen
»Gütermarkt« gegenübergestellt wird. So werde auf dem Vermögensmarkt
eine Transaktion erst dann beendet, «wenn die kreditierte Liquidität
zurückgezahlt worden ist«, »während auf dem Gütermarkt
mit der Übertragung eines Gutes gegen ein anderes Gut (mit dem Medium Geld
oder Forderungen oder was auch immer) ein Tausch abgeschlossen« werde. Weiterhin
werde auf dem »Vermögensmarkt« - anders als auf dem »Gütermarkt«
- ein doppeltes Entscheidungskalkül verlangt: »Denn der Vermögensbesitzer
hat nicht nur wie der Produzent zu überprüfen, ob er den Marktpreis
(bei ersterem also den Zinssatz) erzielt, sondern anders als der Produzent darüber
hinaus die Sicherheit des Vermögensrückflusses abzuschätzen.«
(Hajo Riese, Theorie der Inflation, 1986, S. 54). (Ebd., S. 336).Riese
spricht bezeichnenderweise von einem Gütermarkt, auf dem getauscht
wird, nicht aber von einem Warenmarkt, von einem Markt also, auf dem für
ausschließlich monetär ausgepreiste Güter Kaufkontrakte gesucht
werden. Dabei unterliegt jedoch der verschuldete produzent - ganz wie Rieses Vermögensbesitzer
- ebenfalls einem doppelten Entscheidungskalkül. Er muß sich keinesfalls
nur darum kümmern, ob er für seine produzierten Güter den Marktpreis
erzielt, sondern er hat - wie der Gläubiger »Vermögensbesitzer«
die Sicherheit des »Vermögensrückflusses« - die Sicherheit
der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten abzuschätzen. Das Verbindlichkeitserfüllungskalkül
des Schuldners erweist sich deshalb als nicht minder wirksame Begrenzung für
den Einsatz von Ressourcen als das »Vermögensrückflußkalkül«
des Gläubigers. Eine Erhöhung der Eigentumsprämie führt also
nicht nur zu einer Reduktion des Kreditangebots durch den Gläubiger, sondern
auch zu einer Reduktion der Kreditnachfrage durch den Schuldner. Es ist also nicht
ein »Besitz« von Geld allein, der den Einsatz von Ressourcen begrenzt,
sondern die Veneidigung des Eigentums, die für Gläubiger und Schuldner
gleichermaßen Priorität hat. (Ebd., S. 336-337).In
diesem Verbindlichkeitserfüllungskalkül des privaten Schuldners und
Produzenten erst finden die von Klassik und Neoklassik für ihre wentheoretischen
Gedanken herangezogenen Phänomene ihren Grund. Die Berücksichtigung
der von der Klassik herausgestellten Kosten für das marktfähige Angebot
beziehungsweise der sich in Angebot und Nachfrage ausdrückenden neoklassischen
Präferenzen von Produzenten und Konsumenten über neu zu produzierende
Güter ist unverzichtbar, damit überhaupt das Zustandekommen von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten
erklärt werden kann. Selbstverständlich wird Kredit an Schuldner nur
in der Erwanung gegeben, daß sie ihre Waren für die Erzielung der durch
die Schuldsumme vorgegebenen monetären Preise so produzieren, daß die
Einsatzfaktoren nicht zu Preisen bezahlt werden, die durch den am Markt erzielbaren
Preis nicht mit abgedeckt werden können. Auch die Faktorpreise der Produzenten
sind in Beziehung auf das money of account (den Geldstandard) des ursprünglichen
Schuldkontraktes zu bewerten. Ebenso selbstverständlich haben die Produzenten
auf die Nachfrage nach ihren Waren, also auf die Nutzenpräferenzen der Konsumenten
zu achten. (Ebd., S. 337).
2d) Die Eigentumstheorie von Marktkonkurrenz, Warenmarkt und Bewertung
Auch
die Marktkonkurrenz, die als vollkommene Konkurrenz in der Klassik überproponionale
und in der Neoklassik - mit Ausnahme der anormalen »Marktlagengewinne«
- im Gleichgewicht alle Profite verschwinden läßt und bei letzterer
überdies zur optimalen Allokation der Ressourcen, also zu ihrer effizienten
Verwendung führt, hat ihren wirklichen Grund darin, daß individuelle
Schuldner bei ihrer Geldpreisfestsetzung auf andere produzierende Eigentümer
zu achten haben, die ebenfalls auf dem Markt an Schuldendeckungsmittel zu gelangen
trachten. Die Existenz eines Wettbewerbs ist dementsprechend dem Versuch geschuldet,
die existenzentscheidende Aussicht zu verbessern, an Schuldendeckungsmittel heranzukommen
und die Kontrakte zu erfüllen. Diese Aussicht bedeutet jedoch nicht, daß
die Preise von außen bestimmt werden. Sie führt lediglich dazu, daß
die Preisfestsetzung als Aufschlag auf die Kosten immer nahe an der vorgegebenen
und zu verzinsenden Schuld bleibt. (Ebd., S. 337-338).Der
Wettbewerb ist mithin ein Abfallprodukt der schuldengetriebenen Produktion. In
der Rede von der »Konkurrenzgesellschaft« steckt deshalb das gleiche
Unbegriffensein der zu analysierenden Gesellschaftsform wie in der allseits herrschenden
Rede von der »Marktwirtschaft«. Nicht zuletzt die ebenso künstlichen
wie fehlgeschlagenen Versuche, einen »sozialistischen Wettbewerb«
in das Abgabensystem einer Befehlsgesellschaft einzulagern, belegen den Nexus
der Marktkonkurrenz mit dem Kalkül der Verbindlichkeitserfüllung verschuldeter
Produzenten, für die eine Produktion im Sinne eines bloßen Ablieferungssolls
wertlos bliebe. (Ebd., S. 338).Am Anfang der abendländischen
Eigentumsgesellschaft ist es einmal mehr der scharfsinnige Hesiod, der die ökonomische
Konkurrenz als echte Innovation ausgemacht hat, die er weder auf ewige Charaktereigenschaften
des Menschen noch gar auf besondere Charakterzüge einzelner Völker zurückführt.
Er bestätigt damit die ethnologische Wirtschaftsforschung, die gezeigt hat,
daß im Stamme, der Kriegsstreit und Attraktivitätskonkurrenz ausgiebig
pflegt, Marktkonkurrenz »überhaupt nicht vorkommt« (Sahlins).
Hesiod sieht in ihr einen ganz besonderen Streit am Werk, den er von einer anderen
Form gesellschaftsrelevanten Streites, »dem drückenden Streit«,
der zum Kriege führt, genau zu unterscheiden weiß:»Und
es setze ihn (diesen Streit) Zeus, hochthronend, himmelbewohnend, Tief in
die Wurzeln der Erde, und vielmals besser den Menschen; Auch einen hilflosen
Mann, wie die andern, weckt er zur Arbeit; Denn auf den Nächsten blickt
einer hin und drängt nun zum Wirken, Auf einen Reichen, der emsig sich
rührt beim Pflügen und Pflanzen Und beim Bestellen des Hauses. Den
Nachbarn stachelt der Nachbar, Wenn er nach Wohlstand strebt. Der Streit ist
gut für die Menschen! Und zwischen Töpfer und Töpfer ist Groll,
zwischen Zimmrer und Zimmrer.« (Hesiod, Werke und Tage, 18-25). | All
diese ganz unstrittigen Verhaltensweisen der Marktteilnehmer haben weder eine
markt- noch eine wertkonstituierende Kraft, sondern ergeben sich schlicht daraus,
daß der Schuldner seine EigentÜmerposition und damit das verpfändete
Eigentum, das ihn ja erst kreditwürdig gemacht hat, nicht weniger entschlossen
verteidigt als der Gläubiger die seinige. Dabei hat er nicht nur eine Solvenz
zu achten, die darin besteht, daß hinreichend Eigenturtl für seine
Verpflichtungen vorhanden ist, sondern auch auf seine akute Zahlungsfähigkeit.
Diese besagt, daß er mit den Einnahmen aus dem Verkauf seinen monetär
ausgepreisten Waren jederzeit seine Verbindlichkeiten erfüllen kann und nichts
von der eigenen Eigentumsbasis hergeben muß. (Ebd., S. 338-339).Der
Warenmarkt liefert also aus der Perspektive des Schuldners die symmetrische Entsprechung
für die Perspektive des Gläubigers. Dessen Vermögensrückflußkalkül
impliziert mithin das Verbindlichkeitserfüllungskalkül des verschuldeten
Produzenten. Der Warenmarkt ist einerseits zwar das notwendige Resultat eines
Gläubiger-Schuldner-Kontraktes, weil der Schuldner nur über diese Institution
seine Verpflichtungen erfüllen kann. Er ist andererseits aber auch die notwendige
Voraussetzung dafür, daß eine Kreditoperation zum Abschluß gebracht
werden kann. Ein Verbot von Märkten kann mithin die Entstehung von Kreditoperationen
unterbinden. Hingegen führt die Erlaubnis von Märkten - wie sich gegenwärtig
sehr schön an den Nachfolgestaaten des Sozialismus zeigen läßt
- keineswegs zu Kreditoperationen, da diese an zu belastendes und zu verpfändendes
Eigentum gebunden sind. Ohne dessen Herbeiführung gelangt ein Warenmarkt
nicht in die Welt. (Ebd., S. 339).Die Symmetrie zwischen
Kredit- und Warenmarktoperationen macht erst verständlich, daß die
auf dem Warenmarkt agierenden Produzenten sich ebenfalls ihrem Eigentümerstatus
gemäß verhaltenNiemals tauschen Verkäufer Güter gegen Güter
oder auch nur Güter gegen das »Medium Geld oder Forderungen oder was
auch immer« (Riese). Die Kauf- und Verkaufsverträge stellen wiederum
nichts anderes als Gläubiger-Schuldner-Kontrakte dar, bei denen - wie im
Fall der umgehenden Zahlung in Geld - der Zins lediglich nicht erscheint, weil
das Eigentum, das Ware ist, sofort vom Produzenten bzw. seinem Agenten auf den
Konsumenten übertragen wird, der Produzent in seiner Rolle als Gläubiger
also nicht auf Zeit von ihr getrennt wird. An einer Ware, die ein Konsument nicht
sofort in Geld bezahlt, erwirbt er nach bürgerlichem Schuldrecht denn auch
kein Eigentum. Unter der Maßgabe des Eigentumsvorbehalts des Verkäufers
erlangt der Käufer lediglich Besitz an der Ware, für die bis zur endgültigen
Bezahlung, die nicht per Anweisung durch Scheck oder Kreditkarte, sondern erst
bei Übereignung des money proper (eigentlichen Geldes) erfolgt, ganz
wie bei einer befristeten Verbindlichkeit Zinsen zu zahlen sind. (Ebd.,
S. 339-340).Dieser Besitz einer Ware unterscheidet sich vom Besitz
eines Gutes in einer Nichteigentumsgesellschaft, das prinzipiell nicht zu Eigentum
werden kann. In der Eigentumsgesellschaft hingegen zeigt gerade der Kaufkontrakt
die wechselseitige Transformation von Eigentum in Besitz. Pacht- oder Mietverträge
könnten dann als eine besondere Form der Kaufverträge charakterisiert
werden, in der Eigentum und Besitz auf Dauer getrennt bleiben. Das Nichtübergehen
des Eigentums an Pächter oder Mieter verpflichtet sie für eben diese
Dauer zu Kompensationen dafür, daß der Eigentümer seine Besitz-,
also Nutzungsrechte nicht wahrnehmen kann. Letzterer behält aber seine Eigentumsrechte,
kann mithin immer noch verpfänden und verkaufen. (Ebd., S. 340).Zurück
zum Warenmarkt! Er ist kein Tauschplatz, sondern eine Instanz zur Erlangung von
Schuldendeckungsmitteln. Dadurch ist er dem Kreditvertrag, in dem diese Schulden
vereinbart sind, nachgeordnet. Die Transaktionen auf dem Warenmarkt bilden also
den notwendigen Abschluß einer Operation, die in der Eigentumsprämie
ihren Ausgangspunkt hat. Mithin erweist sich diese immaterielle, aber strukturell
unvermeidliche Prämie als Generator für Wert. Und die Zinsforderung
wird als transformierte Eigentumsprämie zum Erzwinger eines Preises, bei
dessen Erlösung dem Gläubiger Kreditsumme plus Zins geleistet werden
kann. Eigentumsprämie und Zins können sozusagen als Urwert und
Urpreis der durch Eigentum bestimmten Gesellschaftsform gekennzeichnet
werden. In dieser ist Geldgebrauch als Gebrauch von Anrechten auf Eigentum, nicht
jedoch zur Erleichterung eines Gütertausches, unabdingbar. (Ebd., S.
340).Eine Bewertung als solche beginnt in dem Moment, in dem ein
in money of account (Geldstandard) denominierter Betrag ins Verhältnis
gesetzt wird zu einem Teilbetrag derselben Denomination. Dieses geschieht automatisch,
wenn der Zins für den Zeitraum eines Kredits festgelegt wird. Der Zinssatz
ist dabei nichts anderes als das Verhältnis von Zinsen auf den Geldvorschuß
zum Geldvorschuß selbst. Sind die zu zahlenden Zinsen festgelegt, dann läßt
sich einfach zeigen, daß die Höhe des Zinssatzes den Wert des Geldvorschusses
bestimmt, der mithin nicht aus sich heraus fixierbar ist. Dafür schauen wir
auf die bekannte Formel zur Bestimmung des Kapitalwertes eines Gutes:Dabei
steht i für den Zinssatz, r für die Profite und R
für den Kapitalwert jeweils für eine bestimmte Periode. Unter der Annahme,
daß die Profite sich in der Periode nicht ändern, läßt sich
zeigen, daß der Kapitalwert R sich letztlich gegenläufig zu
Änderungen des Zinssatzes verändert, der Wert eines Kapitalguts also
durch den Zinssatz bestimmt wird. Die Bewertung allen Eigentums erfolgt nach derselben
Formel. Auch das als Sicherheit gestellte Eigentum kann nur als Eigentumswert,
also in Geldpreisen gemessenes Eigentum eingesetzt werden. (Ebd., S. 340-341).Nur
bei Eigentum, das über seine Belastung bzw. über den Verlust seiner
Prämie Zins fundiert und Anrechte gegen es als Geld generiert, kann von Werten
und Preisen gesprochen werden. Schuldner müssen permanent die für eigentumsfundiertes
Geld zu kompensierende Eigentumsprämie erwirtschaften. Daher sind alle Werte
oder Preise -vom Faktorpreis über den Produktpreis bis zum Marktpreis und
zum Zinssatz - von Anfang an Geldwerte oder Geldpreise. Die von der Forschung
so händeringend beklagte Unmöglichkeit, Werte und Preise auch in Stammes-
und Feudalgesellschaften dingfest zu machen, hat ihren Grund mithin darin, daß
dort neben dem Eigentum eben auch seine Prämie aus Belast- und Verpfändbarkeit
fehlt. (Ebd., S. 341).Die Symmetrie zwischen Kreditoperationen
und kreditären Verkaufsoperationen auf dem Warenmarkt findet ihre Grenze
darin, daß der Warenproduzent als Schuldner von vornherein in einem fixierten
Gläubiger-Schuldner-Vertrag steht, während derselbe Warenproduzent einen
Kontraktpartner für einen Kaufvertrag erst finden muß, in dem nun er
als Gläubiger agiert, dem vom Konsumenten als »Schuldner« die
Mittel zufließen, mit denen er seine Verbindlichkeiten ablöst. Auf
dem Kreditmarkt wird Geld von einem Gläubiger gegen Zins und gute Sicherheiten
an einen Schuldner auf Zeit übertragen. Auf dem Warenmarkt hingegen will
der Schuldner Gläubiger werden. Dafür muß er einen Schuldner erst
gewinnen, der ihm Geld gegen seine Waren verkauft, den er aber durch das bloße
Angebot seiner Ware zur Geldhergabe nicht zwingen kann. Während der
Produzent als Geldschuldner von seinem Gläubiger bei Nichterfüllung
seiner Verbindlichkeiten allemal mit seinen Sicherheiten in Haftung genommen wird,
darf derselbe Produzent als ja nur potentieller Gläubiger-Verkäufer
bei Nichtabschluß eines Kaufkontrakts doch keineswegs den ja ebenfalls nur
potentiellen Käufer-Schuldner in Haftung nehmen. (Ebd., S. 341-342).In
dem Maße, wie der verschuldete Produzent als Verkäufer-Gläubiger
erfolgreich ist, wird sein Gläubiger ihm bereitwilliger Kredit geben, also
gegen Zins Anrechte auf sein Eigentum übertragen. Im umgekehrten Fall wird
er entsprechend kreditunwilliger sein. Insofern ist in der Interaktion zwischen
Kreditmarkt und Warenmarkt die vom Monetärkeynesianismus behauptete Dominanz
des ersteren über den letzteren selbstredend zutreffend. (Ebd., S.
342).Die für die Eigentumswirtschaft typische Akkumulatio!;l
wie auch die ebenso typische Krise können überhaupt nur zustandekommen,
weil die Kalküle der Gläubiger auf Kreditmarkt und Warenmarkt zwar symmetrisch
sind, ihre Realisation jedoch durch die unterschiedlichen Inpflichtnahmemöglichkeiten
der jeweiligen Schuldner jenseits dieser Symmetrie liegt. (Ebd., S. 342).
3) Zusammenfassung
»Marktwirtschaft« lautet das
große Wort, das heutzutage in den ehemals sozialistischen Ländern genauso
wie im Westen als vorteilsuchender Tausch verstanden wird, der mithin letzter
Grund und. eigentlicher Beweger allen Wirtschaftens sein soll. (Ebd., S.
342-343).Bei einer Analyse der Eigentumswirtschaft hingegen zeigt
sich, daß Kaufkontrakte auf Märkten die Operationen abschließen,
die mit dem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt über eine zu tilgende und zu
verzinsende Geldsumme beginnen. Da solche Verträge einen mit kreditierbarem
Eigentum ausgestatteten Gläubiger und einen Eigentum verpfändenden Schuldner
benötigen, kann es nicht überraschen, daß die Forschung in reinen
Stammes- und Feudalgesellschaften (ohne Kontakt zu Eigentumsgesellschaften) vergeblich
nach Marktoperationen gefahndet hat. In diesen Gemeinwesen werden zwar Loyalitäts-
und Gastgaben in großer Vielfalt und Kostbarkeit hin- und hergeschenkt,
aber die von der herrschenden Theorie geforderten Preise, Allokationsoptimierungen
und Konkurrenzmechanismen sind beim besten Willen nicht auffindbar. (Ebd.,
S. 343).Nur in Eigentumsgesellschaften muß der in Geld verschuldete
Produzent für seine monetär ausgepreisten Güter Kaufkontrakte einwerben.
Es ist diese Operation, die den Markt konstituiert. Damit sind nur die von der
Schuldsumme her ihren Geldpreis erhaltenden Güter Waren. (Ebd., S.
343).Wettbewerb muß nun dadurch entstehen, daß verschuldete
Produzenten mit ihresgleichen um Kaufkontrakte werben, aus deren Gelderlös
sie die Kreditkontrakte zu erfüllen haben. Je sicherer ihre Aussicht auf
Kaufkontrakte ausfällt, desto besser können sie ihr Eigentumsposition
halten oder ausbauen. Je weniger Geld die Käufer im Kaufkontrakt abtreten,
desto größer wird die Aussicht des Verkäufers, seinen Warenpreis
erzielen, also seinen Gläubiger bedienen zu können. Konkurrenz ist mithin
an verschuldete Produzenten gebunden und nicht an gütertauschende
Produzenten oder Konsumenten. Sie muß also fehlen, wo Güter - wie in
Stamm und Feudalismus - aus anderen Gründen als Verschuldung produziert werden,
also keine Waren sind. (Ebd., S. 343).Da
die zu erzielende Geldpreissumme mindestens der Geldschuldsumme entsprechen muß,
können Preise keine relativen Preise als Gütertauschraten sein. Solche
Preise haben nur in der fiktiven Gütertauschgesellschaft einen Sinn, von
der Klassik und Neoklassik sowie - mit Einschränkung - auch der Monetärkeynesianismus
handeln. In der Eigentumswirtschaft gibt es nur absolute, also als Geldsumme ausgedrückte
Preise - Geldpreise. (Ebd., S. 343).
F) Das Kapitel von der Akkumulation; Kapital, freie Lohnarbeit
und technischer Fortschritt
1) Die »ursprüngliche« Akkumulationn der Klassik
Zins
und Geld sind die zentralen ökonomischen Derivate des Eigentums und bestimmen
die nur der Eigentumsgesellschaft inhärente Notwendigkeit der Bewirtschaftung
von Ressourcen. Die besondere Dynamik dieses Mechanismus ist nun zu analysieren.
Sie resultiert in einer Akkumulation von materiellem Reichtum, der von
keiner Stammes- oder Feudalgesellschaft auch nur annähernd erreicht worden
ist. Die herrschende Wirtschaftstheorie hat sich bei der Analyse dieser Akkumulation
vor allem auf die Akkumulation von Kapital in seiner gütermäßigen
Gestalt als -Profit abwerfender -Produktionsmittelwert konzentriert. Dabei wird
jedoch das Kapital als zu verzinsender Geldvorschuß, der aus der
Analyse des Eigentums folgt, nicht in den Blick genommen. Die Überlegenheit
der neuzeitlichen gegenüber der antiken Eigentumswirtschaft, die in der Institution
der freien Lohnarbeit zu suchen ist, wird überhaupt nicht thematisiert. Der
aus ihr resultierende dauerhafte technische Fortschritt gilt denn auch
ganz entsprechend als unerklärt. (Ebd., S. 346).Reichtum
könne erst systematisch produziert werden, wenn »zuvor«
auf evolutionärern Wege eine ursprüngliche Güteranhäufung
erfolgt sei, die dann als »Kapitalanhäufung« ökonomisch
alles weitere nach sich gezogen habe. (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung über
Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 6, S.
59). Dieser Glaube, daß der Wohlstand vom Reichtum komme, beherrscht die
klassischen Ökonomen und ihre Nachfolger bis heute. Sie haben sich auch durch
die empirische Forschung über den Zusammenhang von natürlichen Ressourcen
und Reichtumsentwicklung nicht verunsichern lassen. Deren Befunde zeigen, daß
in den vergangenen dreißig Jahren ressourcenarme Länder in Ostasien
- wie Südkorea, Taiwan, Honkong und neuerdings Thailand - die absoluten Spitzenplätze
beim wirtschaftlichen Wachstum belegt haben, während ressourcengesegnete
Staaten - wie Mexiko, Venezuela, Ghana, Nigeria, Rußland, Brasilien und
Argentinien - abgestürzt sind oder nur geringe Zuwächse an Pro-Kopf-Einkommen
aufweisen. In gewisser Weise gilt das auch für die Entdeckung von Bodenschätzen
- wie Öl und Gas - in England und Holland, die mittlerweile mit dem Begriff
»Holländische Krankheit« in Verbindung gebracht werden.
(Ebd., S. 346-347).Die leichte Verkaufbarkeit fossiler Brennstoffe
bringt hohe Geldeinkommen, die von ihren Bezahlern verdient bzw. verzinst werden
müssen, also bei ihnen und nicht an ihrem Fundort Leistung erzwingen. Zu
einem »Schatz« werden sie also nur, wenn Käufer sie nachfragen
und dafür Schulden machen. Diese Schuldenmacher können aus Territorien
ohne alle Bodenschätze kommen und dort dennoch hohe Akkumulation zustande
bringen, während die Bodenschatzländer nur ein vorübergehendes
Einkommen gewinnen. Großzügige »Erstausstattungen« an sich
erbringen kein selbst tragendes Wachstum zustande. (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung
über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel
2, S. 17).Es wird mithin nach einem anderen Grund als bloßern Güterreichtum
für die Akkumulation zu fahnden sein. (Ebd., S. 347).Die
Wirtschaftstheoretiker unterscheiden sich lediglich in den Begründungen für
die von ihnen unterstellte sogenannte ursprüngliche Akkumulation. Adam Smith
sieht Reichtum verkörpert in der »größten Vervollkommnung
der Produktivkräfte der Arbeit.« (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung
über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel
1, S. 17). Diese führt er zurück auf die Arbeitsteilung, die er wiederum
als eine »notwendige, wiewohl sehr langsame und allmähliche Folge«
des heute noch die Wirtschaftstheorie bestimmenden »Hanges zu tauschen«
betrachtet. (Vgl. ebd., Kapitel 2, S. 17). Ein auf nicht näher erläutertem
Wege entstandener »Vorrat von allerlei Gütern«6 ist ihm die vorab
gesetzte nicht nur notwendige, sondern auch gleich hinreichende Bedingung dafür,
daß die Reichtumserzeugung als Produktivkräftevervollkommnung überhaupt
systematisch in Gang kommt. (Vgl. ebd., 2. Band, Buch 2, Kapitel 2, S. 17).
(Ebd., S. 347-348).Karl Marx stimmt Smith zu, daß tatsächlich
eine »der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende ursprüngliche
Akkumulation unterstellt werden muß, »eine Akkumulation, welche nicht
das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt«.
Anders als Smith jedoch erkennt Marx in diesem Ausgangspunkt keinen »Vorrat«,
sondern die Trennung »des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen«.
Diese werde herbeigeführt von einem »Eigner von Geld, Produktions-
und Lebensmitteln«: »Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist
also nichts (anderes) als der historische Scheidungsprozeß von Produzent
und Produktionsmittel.« In dieser »Vorgeschichte« des Kapitals
sieht Marx das »Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation«: «Kapitalistische
Produktions- und Akkumulationsweise, also auch kapitalistisches Privateigentum,
bedingen die Vernichtung des auf eigener Arbeit beruhenden Privateigentums, d.h.
die Expropriation des Arbeiters.« (Vgl. Karl Marx, Das Kapital, 1.
Band, Buch 1, Kapitel 24, S. 741f., Kapitel 25, S. 802). (Ebd., S. 348).Durchaus
bemerkenswert am Marx'schen Zugang ist hier die Einsicht in einen weitreichenden
politischen Akt, der viel mit Eigentum zu tun hat. Daraus kann er dann jedoch
theoretisch nichts machen. Die englischen Arbeiter sorgen für die Dynamik
des modernen Kapitalismus nämlich gerade deshalb, weil sie durch Revolution
- den Lollardenaufstand von 1381 - das Eigentum an sich selbst überhaupt
erst schaffen (hierzu fehlen
die Quellen! Anm. HB), also von der Leibeigenschaft - diesem Besitztitel
des Herren - sich frei kämpfen. (Vgl. Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld,
Produktivität und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan,
Band 9, Nr 2, 19811, S. 164-194, bes. 165-171). Ein von Produktionsmitteln getrennter
Arbeiter ist ja auch der Leibeigene, dem keineswegs etwas gehört. Zu erklären
wäre gerade, warum die Feudalherren mit ihm eine kapitalistische Produktion
von sich aus nicht beginnen. Im Kapitel vom Eigentum war deshalb zu zeigen, daß
auch sie keine Eigentümer, sondern eingebunden in eine Lehns-, also Befehlskette
sind. (Ebd., S. 348-349).Der Akt, in dem die Eigentumswirtschaft
ihren Ausgangspunkt nimmt, besteht in der Schaffung von Eigentum bei allen Beteiligten
und nicht etwa in der Trennung oder gar Aufhebung von irgendeinem bereits vorhandenen
Eigentum. Die sich befreienden Leibeigenen erringen also nicht nur Eigentum an
sich selbst, sondern verwandeln auch ihre früheren Herren dadurch in Eigentümer,
daß sie ihnen als Besitz entkommen und so die Grundbedingung des Feudalismus
zerstören. Gleichwohl liefen die Eigentumswirtschaft mit freien Lohnarbeitern
nur eine Ausprägung der beiden auf Eigentum beruhenden Ökonomien. Ob
weitgehend ohne, wie in der Antike, oder mit freien Lohnarbeitern, wie im frühneuzeitlichen
(eher: spätmittelalterlichen; Anm. HB) England
- bei beiden Gelegenheiten kommen als unerwartetes Abfallprodukt der Eigentumsschaffung
Eigentumssprämie und zinsbelastete Kredite zwischen Gläubigern und verschuldeten
Produzenten in die Welt (hierzu
fehlen die Quellen! Anm. HB). (Ebd., S. 349).Wichtig
für das ökonomische Verständnis des zum freien Lohnarbeiter emanzipierten
Leibeigenem wird nun, daß er das bloße Eigentum an sich selbst weder
für die Emission von Geld noch als Haftung für einen Kredit einsetzen
kann und eben deshalb auf die Einwerbung von Geldlöhnen durch Arbeitskontrakte
verwiesen ist. Erst mit diesem verdienten Geld kann ihm der Erwerb von Eigentum
gelingen. (Ebd., S. 349).Marx' Scheitern, den Konnex zwischen
antifeudalem Aufstand und der Schaffung von Eigentum zu erkennen, spiegelt sich
in seiner zirkulären Argumentation, den »Kapitalismus«, der doch
erst zu erklären wäre, von »Eignern von Geld« herbeiführen
zu lassen. Wo Smith noch vergleichsweise bescheiden, aber auch schon tautologisch
das Kapital mit einem unerklärten Gütervorrat beginnen läßt,
stellt Marx an den Anfang der ihn interessierenden Winschaftsstruktur nicht minder
tautologisch - und fast schon monetärkeynesianisch - einen unerklärten
Geldvorrat, den er sich in seiner Verlegenheit beim »Handelskapital«
beschafft. (Vgl. Karl Marx, Brief an Friedrich Engels, a.a.O., S. 219).
Wiewohl diese Kaufleute beim Lollardenaufstand keinerlei Rolle gespielt haben
und ihr Geld von Marx überdies auch noch als »notwendiges Produkt des
Austauschprozesses« erklärt wird (vgl. Karl Marx, Das Kapital,
1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 101), leistet ihm sein historischer Irrweg immerhin
den interessanten Dienst, im weiteren nicht dauernd von Gütern reden zu müssen,
sondern im Kapitalismus eine Wirtschaft zu sehen, in der Geld und nicht - wie
bei Klassik und Neoklassik - Güter im Mittelpunkt des analytischen Interesses
zu stehen haben. Keynes konnte ihn deshalb ausdrücklich ein Stück weit
für seine »häretische« Formel G-W-G' (»Geld-Ware-[mehr]Geld«)
loben, weil sie dem Standpunkt der Geschäftswelt Rechnung trägt und
damit die klassische Formel W-G-W' (»Ware-Geld-[mehr]Ware«) kritisiert,
die bestenfalls den Standpunkt eines Konsumenten ausdrückt. (Vgl John Maynard
Keynes, a.a.O.). (Ebd., S. 349-350).
2) Die Überflüssigkeit einer ursprünglichen Akkumulation
für Entstehung und Dynamik der Eigentumsökonomie
Bis heute
stehen die in der herrschenden Wirtschaftstheorie erzogenen Forscher fassungslos
vor Gütervorräten, die ganz ohne Rücksicht auf die Lehrbücher
einfach nicht in Kapital transformiert werden. Geradezu empört wird über
die präkolumbianischen Feudal- und Stammesgesellschaften konstatiert, daß
ihnen »das notwendige Kapital für ein tragbares individuelles U nternehmertum
einfach nicht zur Verfügung stand«, weil potentielles »Kapital«
wie Gold und andere Kostbarkeiten immer vorschnell für andere Zwecke abgezweigt
wurde: »In den Anden steckten die Inka allen überschüssigen Reichtum
in die Paläste ihrer Mumien. bei den Stämmen verschenkten wohlhabende
Männer einen großen Teil ihres Besitzes, um dadurch einen Führungsstatus
zu erreichen, und vernichtete ihren Besitz manchmal sogar in aller Öffentlichkeit,
um Ansehen zu erlangen.« (F. Jennings, Amerikanische Grenzen, a.a.O.,
S. 457). (Ebd., S. 350-351).Der Glaube der Klassiker und
- insbeondere - von Marx an einen ursprünglichen Güter- bzw. Geldhaufen
als Bedingung für die weitere systematische Reichtumsschaffung sitzt auch
bei heutigen Forschern noch tief. (Ebd., S. 351).
3) Die Rätsel des Strebens nach Akkumulation und des Profits auf Kapital
Ebenso rätselhaft wie die Nachbarschaft des Eigentums zu »Kauf
und Verkauf sowie Darlehen und Kredit« ist den Forschern die Nachbarschaft
desselben Eigentums zu einem »kolossalen Zuwachs des Output-Volumens«,
zu »individueller Initiative«, zu »kontinuierlichem wirtschaftlichen
Wachstum« und zur Arbeitsteilung. Geahnt wird jedoch, daß all dieses
damit zu tun hat, daß »ein Bauer zum Dauerschuldner seines Nachbarn
werden konnte« (C. G. Starr, a.a.O.). Dieser Vorgang selbst jedoch gilt
den historisch arbeitenden Wirtschaftsforschern als ganz und gar »unklar«
(C. G. Starr, a.a.O.). (Ebd., S. 355).Das Rätselhafte
am »rücksichtslosen Streben nach Reichtum« (C. G. Starr), an
der Akkumulation also bzw. an der »Gier von Männern, die endlos Reichtum
aufhäufen« (A. Andrewes), ist nichts anderes als das Rätsel des
Profits. Dieser wird ja nicht zufällig auch im gewöhnlichen Bewußtsein
immer wieder gut tautologisch aus einer Gier nach ihm erklärt. Klassische
Ökonomie und auch eine Seite im Keynes'schen Denken (»races keen for
a profit«) sagen im Kern nichts anderes. Akkumulation kommt zustande, weil
Leute »aus ihrer Natur« heraus umgehend Profit machen wollen, sobald
ein erster akkumulierter Gütervorrat in ihre Hände gelangt ist. Ausdrücklich
ist von einem »Begehren« die Rede, »da zu ernten, wo sie nicht
gesät haben.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und
Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 6, S. 63). Damit
stehen Klassik und Kernes als Evolutionshistoriker gegen die Neoklassik, die den
Konsumverzicht, Sparsamkeit also, für die Akkumulation verantwortlich macht.
Mit dieser Annahme muß die Neoklassik dem aus Ersparnis gebildeten Gütervorrat,
den sie wie die Klassik »Kapital« nennt, einen eigenständigen
Ertrag unterstellen, also annehmen, daß dieses Kapital produktiv ist.
(Ebd., S. 355-356).Gewiß ist richtig, daß Akkumulation
ohne Profit nicht zu haben ist. Warum jedoch Profit angestrebt wird, bleibt bei
dieser Beobachtung gänzlich unerhellt. Marx stellt sich vor allem deshalb
gegen die Klassik, weil bei dieser ein angeblich auf dem Markt entstehender Profit
bei vollkommener Konkurrenz eigentlich verschwinden müßte, was er nun
aber nicht tut. Marx glaubt deshalb, daß es unbezahlte Mehrarbeit in der
Produktion - sein berühmter Mehrwert - sei, aus dem der Profit sich
speise. Auch damit jedoch wird die Frage lediglich auf die andere Frage verschoben,
warum Leute nach der Aneignung von unbezahlter Mehrarbeit gieren. Was ist dieser
Motor, der in Stamm und Feudalismus doch fehlt, obwohl dort Menschen leben, deren
Fähigkeit sowohl zu Verzicht als auch zu Gier sie von den Menschen der Eigentumswirtschaft
ja nicht unterscheidet? Das mußte selbst ein so hoffnungsvoller Völkerkundler
wie Mauss einräumen, der auf der Suche nach dem »edlen Wilden«
an seine Arbeit ging, dann aber auch für die Stammesgesellschaft eingestehen
mußte: »Der Erste, Schönste, Erfolgreichste, Stärkste und
Reichste sein - danach strebt man.« (M. Mauss, a.a.O.). Der notorische Hinweis
von Ökonomen auf die Unendlichkeit der Bedürfnisse ist deshalb so richtig
wie trivial. Da diese Unendlichkeit immer gilt, bleibt sie theoretisch unergiebig.
Dasselbe gilt selbstredend für die beliebte Debatte um echte und unechte
Bedürfnisse, in die sich die Wirtschaftstheorie deshalb zu Recht nicht einmischt.
(Ebd., S. 356-357).Ganz ähnlich wie Marx wenden sich Keynes
und der Monetärkeynesianismus gegen die Annahme des bei vollkommener Konkurrenz
verschwindenden Profits. Sie erklären den Profit vielmehr daraus, daß
es Zins gibt, der im »Wettbewerb« um Geld dafür sorgt, daß
Kapital knapp ist, der Profit also nie unter den Zins fallen kann, der
seinerseits immer als über Null liegend unterstellt ist. Die Existenz des
Zinses führt also dazu, daß dort, wo Kapital eingesetzt wird, allemal
ein positiver Profit erwartet wird und eben nicht auf Märkten wegkonkurriert
werden kann. Damit verschiebt sich das Profiträtsel zurück auf das Geheimnis
des Zinses, was Keynes ja durchaus geahnt hat: »Die Frage, warum Kapital
knapp ist, kann am besten als die identische Frage gestellt werden ..., warum
der Zinssatz größer als Null ist.« (John Maynard Keynes, a.a.O.).
(Ebd., S. 357).Es ist das Scheitern bei der von Keynes mit allem
Recht eingeforderten Zinserklärung, das auch die Monetärkeynesianer
in allgemein menschliche Triebkräfte abgleiten läßt. Bei der Berliner
Schule bedeutet dies, daß Vermögensbesitzer nach mehr Vermögen
gieren. Bei Keynes selbst lesen wir sogar ausdrücklich, daß es »ein
Charakteristikum der menschlichen Natur« sei, »etwas Positives zu
tun«, ohne gleich zu wissen, was dabei herauskommt. Deshalb könne dieses
Streben »allein das Resultat von Lebensgeistern (animal spirits) sein -
von einem spontanen Drang nach Aktivität und nicht nach Inaktivität.«
(John Maynard Keynes, a.a.O.). (Ebd., S. 357).Wenn die menschliche
Natur als solche nicht dazu taugt, das Streben nach Profit zu erklären, dann
muß es von einem Mechanismus erzwungen werden, dem auch diejenigen Menschen
sich nicht entziehen können, die möglicherweise gerade für ihre
Bescheidenheit bekannt sind. Die antiken Agrarökonomen müssen ihre noch
feudal oder stammesgesellschaftlich geprägten Zeitgenossen ja regelrecht
zu einfallsreicher Tätigkeit anfeuern und verlassen sich dabei keineswegs
auf die Natur derselben. Damit ähneln sie heutigen Spezialisten, die für
ehemalige Bürger des DDR-Sozialismus eigene Motivationsseminare veranstalten
und sich von einem schlichten Vertrauen auf natürliche Triebkräfte nicht
allzu viel versprechen. (Ebd., S. 357-358).Was ist nun dieser
Mechanismus, der Willige und Unwillige gleichermaßen in die Akkumulation
nötigt? Er resultiert nicht aus biologischen oder psychischen Antrieben,
die jeden Menschen auszeichnen, sondern aus ökonomischen Mechanismen, die
von der Institution des Eigentums in Gang gesetzt werden. Ein Schuldner, der die
Eigentumsprämie des Gläubigers in Zins umzuwandeln hat, wird dazu gezwungen
- in Konkurrenz mit anderen Schuldnern - mehr Geld zurückzuzahlen, als er
im Kreditkontrakt erhalten hat. Der Schuldner muß also seinen geliehenen
Geldvorschuß, das Kapital, in einer ganz besonderen Weise verwerten.
(Ebd., S. 358).Die Gleichsetzung von Kapital mit einem geliehenen
Geldvorschuß ist nicht so selbstverständlich. Ein so selbstkritischer
Neoklassiker wie Wicksell hat das bereits in seiner ersten kapitaltheoretischen
Arbeit anhand einer Erörterung »der Entwicklungsgeschichte des Begriffes
Kapital,. gezeigt: »Ursprünglich bezeichnete das Wort, wie bekannt,
einfach den Hauptstamm eines Gelddarlehens (capitale oder capitalis
pars debiti) im Gegensatz zu den Zinsen, also eine zinstragende Geldsumme.
Alle weiteren Bedeutungen des Wortes sind nun durch mehr oder weniger geschickte
Erweiterungen dieses Stammbegriffes gewonnen. Es lag dabei am nächsten, alle
zinstragenden Vermögensobjekte - das heißt alle Güter oder
Güterkomplexe, die ihrem Besitzer ein Einkommen verschaf Jen, ohne dabei
selbst aufgezehrt zu werden - mit dem Namen Kapital belegen zu wollen. ....
Eine konkrete Geldsumme hat offenbar ihr Analogon und Gegenstück nicht so
sehr in dem Grund und Boden oder sonstigen natürlichen Güterquellen,
als vielmehr in den erzeugten Gütern selbst. Sie ist der Typus des aufgespeicherten
Reichtums.« (Knut Wicksell, Über Wert, Kapital und Rente, 1893,
S. 71f.). (Ebd., S. 358).Das Problem der Neoklassik besteht
ja darin, daß sie meint, daß die »sog. Geldkapitalien oft nur
dem Namen nach Geld sind, in der Wirklichkeit aber lediglich eine in Geld abgeschätzte
Gütersumme bezeichnen« (Knut Wicksell, , Über Wert, Kapital
und Rente, 1893, S. 72). Geld sollte es neoklassisch also nur als Gütereinkleidung,
als Schleier für bereits vorhandene Ressourcen geben. Deshalb sprengt ein
Geldvorschuß, der nicht in »natürlichen Güterquellen"
sein Analogon hat, die neoklassische Kapitaltheorie. Die Maschinen werden ja nicht
nach Menge, Farbe und Gewicht in der Bilanz geführt, sondern als Geldwerte.
Wicksell sieht das, weil neoklassisch Güter verbraucht werden müßten,
um einen Wert (Nutzen) zu erbringen, während dies für das Kapital keineswegs
gilt: »Daß nun aber die verbrauchbaren Güter, d.h. Güter,
die in einer begrenzten Reihe von Gebrauchsakten ihren ganzen Nutzgehalt erschöpfen
oder zu erschöpfen scheinen, dennoch kapitalistisch angewendet
werden können, so daß ihr ganzer Wert dem Eigentümer aufbewahrt
bleibt und sie ihm dennoch Einkommen schaffen, diese scheinbar paradoxe Erscheinung,
dieses Perpetuum mobile des Volkswirtschaftsmechanismus bildet ... den eigentlichen
Kern der Kapitaltheorie .... Im großen und ganzen kann das natürlich
nur dadurch geschehen, daß die verbrauchbaren Güter oder ihr Äquivalent
an Wert durch die Produktion ... wieder erzeugt werden. Ihre frühere Existenz
muß dabei für die Produktion eine notwendige Bedingung sein, sonst
könnte unmöglich ein Teil der erzeugten Produkte dem Eigentümer
des Kapitals als solchem anheimfallen.« (Ebd., S. 73f.). (Ebd., S.
358-359).Wicksell kommt hier ungeachtet seiner glänzenden
Beobachtungen nicht weiter, weil er die Erklärung des Geldes als Mittel des
Tausches für bereits vorhandene Güter nicht überwinden kann. Die
hier vertretene Erklärung des Geldes löst sein Paradoxon ohne Schwierigkeiten.
Da Geld nicht als Anrecht auf Waren, sondern als Anrecht auf seine Emission deckendes
Eigentum in die Welt gelangt, wenn überdies Schuldner mit ihrem Eigentum
für diese geliehenen Anrechte haften, ist es selbstverständlich, daß
die Güterseite, die dem Eigentum ebenfalls zugehört, überhaupt
nicht zum Zuge kommt. Das Eigentum wird weder bewegt noch genutzt, sondern lediglich
als Deckung und Haftung eingesetzt. Diese Eigenschaften der Deckung und Haftung
stellen gütermäßig in der Tat ein Nichts dar, so daß ganz
richtig von einem Perpetuum mobile gesprochen werden kann, wenn die Leistung
des Kapitals zu umreißen ist. Gerade die Nichterörterung von Haftung
und Deckung ist es nun, die Wicksell ins Glied der Neoklassik zurücktreibt.
Ganz wie Böhm-Bawerk kennt er als Theoretiker des Gütertauschs nur »Verkauf,
Vermieten, Verleihen« von Gütern. (Vgl. Knut Wicksell, , Über
Wert, Kapital und Rente, 1893, S. 76). (Ebd., S. 359-360).Der
Gläubiger des Kapitals tauscht keinerlei Güter weg, wenn er Anrechte
auf sein Eigentum einem Schuldner auf Zeit als Geldvorschuß überträgt.
Auch der Schuldner gibt keinen Güternutzen als Sicherheit her, um das Kapital
zu erhalten, sondern gewinnt diesen Geldvorschuß gegen bloße - nur
potentiell und dann erst zukünftig vollziehbare - Verpfändung seines
Eigentums sowie gegen die Verpflichtung, die Eigentumsprämie des Gläubigers
in Zins zu verwandeln. Würde der Schuldner sein Eigentum direkt gegen Geld
verkaufen, statt es lediglich als Haftung für die Einwerbung von Kapital
einzusetzen, wäre ihm das zwar für ökonomische Operationen blockierte,
aber noch als Besitz nutzbare Eigentum genommen. (Ebd., S. 360).Da
der Geldvorschuß vom Gläubiger nur um den Preis der Belastung seines
Eigentums und für den Schuldner nur gegen Zinszusagen und bei Eigentumsverpfändung
zu haben ist, erhält die sogenannte Gier nach Profit ihre ganz unpsychologische
Herleitung aus der Wirtschaftstheorie. Die Kette läuft von der Eigentumsprämie
zum Zins auf den Geldvorschuß (als Kapital) zum erwarteten Profit auf den
Wert der Produktionsmittel (Kapitalgüter). Die Umsetzung des Geldvorschusses
zum Erwerb solcher Ressourcen durch ihren Eigentümer, die für eine Tilgung
und Zins erwirtschaftende Produktion eingesetzt werden, ist die Investition
in sogenannte feste Anlagen, Realkapital also, die zur Akkumulation führt.
(Ebd., S. 360).Eine »Bewirtschaftung von Ressourcen«
kann mithin überhaupt erst einsetzen, wenn die Ressourcen in Abhängigkeit
von einer Geldschuld stehen, also monetär bewertet werden. Diese Monetarisierung
zeigt das die Geldschuld selbst nicht etwa materielle Ressourcen repräsentiert,
sondern immaterielle Anrechte auf Eigentum darstellt, deren Ressourcen- oder Güterseite
außerhalb des Vorgangs bleibt. Die gütertheoretische Grundlegung des
Geldes erzeugt den Fluch, der auf der Neoklassik liegt und ihr immer wieder die
Analyse verbaut. (Ebd., S. 360).Dabei ist eine durchaus beeindruckende
Anhäufung von Gütermengen in Nichteigentumsgesellschaften selbstverständlich
möglich. Keine Variante hat dies besser vorgeführt als die Feudalgesellschaft
in Form des modernen Sozialismus. Für ihre durch Gewalt erzwungene Industrialisierung
hat diese Gesellschaft durch Pläne Produktionsgütermengen in der Tat
Stück für Stück vorgeschrieben. Dieser Vorgang sollte als sogenannte
primitive »sozialistische Akkumulation« einen Prozeß nachvollziehen,
von dem Marx geglaubt hatte, daß er als ursprüngliche Akkumulation
die notwendige Voraussetzung für die kapitalistische Produktionsweise gewesen
sei. Gleichwohl ist die Gewißheit, mit diesem güterplanenden Schritt
alle Springquellen des Reichtums aufreißen zu können, unerfüllt
geblieben. In der Rede von der »Tonnenideologie« hat sich diese bittere
Enttäuschung eines beträchtlichen Teils der Menschheit Ausdruck verschafft.
(Ebd., S. 361).Diese rein mengenmäßige Imitation
einer gütermäßig mißverstandenen Entwicklung der Eigentumsökonomie
mußte um ihre erhofften Früchte betrogen bleiben, weil die Eigentumswirtschaft
gerade nicht Güter - und schon gar nicht Kapitalgüter - ins Kalkül
faßt, sondern Kapitalwerte im Augehat, die sie immer als zu verzinsende
Geldvorschüsse bedrücken und die deshalb durch Innovationen eingespart
werden sollen. Lediglich als Folge dieses ökonomischen Zwanges ist es zu
den imponierenden Technologien gekommen, die der Sozialismus nachzumachen versuchte.
Die eigenständige Innovation kommt nicht von den imponierenden Maschinen
und ist durch deren bloße Imitation auch nicht einzufangen und in ein anderes
System zu übertragen. (Ebd., S. 361).So hat Janós
Kornai (*1928) - einer der bedeutendsten Reformökonomen des ehemaligen Ostblocks
- schon früh in einer empirischen Ermittlung der Herkunftsländer aller
wichtigen Innovationen der Jahre 1920 bis 1970 einräumen müssen: »Die
schwerwiegendste Folge ... ist die fast vollkommene Abwesenheit revolutionärer
Neuerungen in der Produktionsentwicklung. .... Offensichtlich gibt es einen
engen Zusammenhang zwischen dem ökonomischen Entwicklungsgrad eines Landes
und der Häufigkeit, mit der revolutionäre Pionierleistungen in die Produktion
eingebracht werden. Dennoch - beim Vergleich sozialistischer Wirtschaften mit
gleich entwickelten kapitalistischen - muß konstatiert werden, ... daß
- mit der Ausnahme einiger weniger Vorstöße kein sozialistisches Land
unter denjenigen zu finden ist, die revolutionäre neue Produkte zuerst eingeführt
haben.« (Janòs Kornai, Anti-Equikibrium, 1971, S. 287f.).
(Ebd., S. 361-362).
4) Der Zwang zur Innovation in der Eigentumsgesellschaft
Wie
kommt es nun zum spezifischen Innovationszwang der Eigentumsgesellschaften, der
im Sozialismus für die marxistischen Theoretiker auf so bestürzende
Weise verschwand? In welcher Situation steckt ein Produzent der Eigentumsgesellschaft
im U nterschied zu den Ressourcennutzern eines feudalen oder blutsverwandten Gemeinwesens?
Für den Produzenten gilt hier die eiserne Regel, daß die Verwertung
seines zusätzlichen Realkapitals mindestens der Summe aus Tilgung und Zinsen
der für ihren Erwerb aufgenommenen Geldvorschüsse entsprechen muß.
Dabei kann er natürlich mit dem Kapitalgut selbst diese Schuldforderung nicht
mehr bedienen. Mit seinem verpfändeten Eigentum will er sie zugleich niemals
bedienen müssen. Die nunmehr mit der Investition für den Markt erzeugten
Waren haben die aus Zins und Tilgung bestehende Geldsumme aus dem Schuldkontrakt
durch Einwerbung eines Kaufkontrakts zu erbringen. (Ebd., S. 362).Allerdings
erfordert die Investition zusätzliche Anstrengungen, um das durch sie verkörperte
Eigentum zu verteidigen. Dabei geht es nicht um den technischen VerschIeiß
des Produktionsapparates, dem durch Abschreibungen auf und entsprechende Ersatzinvestitionen
für den Kapitalstock zu begegnen ist. Die ökonomische Entwertung
resultiert nicht aus VerschIeiß, sondern aus technischem Fortschritt, der
eine nagelneue Anlage auf ihren Abfallwert reduziert. Die Konkurrenz der anderen
Verschuldeten verhindert also eine Werterhaltung des neu investierten Realkapitals
durch bloßen Ersatz des Verschleißes, zwingt also zu Innovationen.
Es ist dieser innovative Anteil an der Neuinvestition, der Akkumulation in der
Eigentumswirtschaft kennzeichnet. (Ebd., S. 362-363).Die
am Markt um Kaufkontrakte bzw. den Eingang von Schuldendeckungsmitteln konkurrierenden
Schuldner versuchen, soweit möglich, durch Mehrarbeit ihre Kosten zu kontrollieren.
Von diesem Fleiß im Dienst der besseren Chance zur Erzielung der schuldendeckenden
Preise am Markt reden immer wieder die Agrarökonomen der AntikeMehrarbeit
stößt jedoch an eine natürliche Grenze, da die absolute Länge
des Tages jenseits menschlicher Einflußnahme bleibt. Eine solche Grenze
gibt es jedoch prinzipiell nicht für das Zinserwirtschaften durch produktivere
Technik, für die lediglich der Einfallsreichtum der Eigentümer, nicht
aber die Zeit eine Schranke setzt. (Ebd., S. 363).
4a) Die Bedeutung der freien Lohnarbeit für den technischen Fortschritt
Eine
entscheidende Barriere für Innovationen wird durch das schlichte Verschwinden
von Eigentümern aufgerichtet. Das Streben, der Überschuldungsschwelle
zu entkommen, gilt für alle Eigentümer. Nicht alle jedoch enden bei
Verlust ihres Eigentums auf dieselbe Weise. Es macht mithin einen gewaltigen Unterschied
für die Akkumulationskraft einer Ökonomie, ob ihre überschuldeten
Eigentümer die Reihen der EigentÜmer verlassen müssen, also ihre
Freiheit verlieren, oder lediglich auf das Eigentum an sich selbst zurückgeworfen
werden, also weiterhin aus ihm ihre Sicherheit gewinnen müssen. Es ist diese
Differenz zwischen dem Fall in die Sklaverei und der dauerhaften Aufrechterhaltungfreier
Lohnarbeit, aus der die überlegene Akkumulationskraft der neuzeitlichen
... Eigentumsökonomien über diejenigen der antiken ... zu erklären
ist. (Ebd., S. 363).Für Polis und Civitas
gilt, daß die größte Dynamik des technischen Fortschritts in
ihren ersten Jahrhunderten erfolgt. Er verlangsamt sich dann jedoch und führt
nicht zu jenem - von David Landes (*1924) als einmalig bezeichneten - »kumulativen
und sich selbst tragenden technischen Fonschritt, dessen Auswirkungen in allen
Bereichen des Winschaftslebens spürbar« (ders.; Der entfesselte
Prometheus, 1969, S. 17) werden, wie das nur die neuzeitlichen Eigentumsökonomien
bis heute auszeichnet. Im Terminus »selbst tragend« wird die Basis
für dieses Adjektiveher verschleien als offengelegt. Ihm muß die Permanenz
des Erhalts von Eigentum vorgeordnet sein. (Ebd., S. 363-364).Der
permanente technische Fortschritt fehlte selbstredend in den höchst entwickelten
feudalen Zivilisationen und dem untergegangenen Realsozialismus ebenso wie in
den komplexesten Stammesgesellschaften. Ein Befund, der in eklatantem Widerspruch
zu dem seit Adam Smith verfochtenen und auch vom Marxismus gläubig übernommenen
Ewigkeitsprinzip steht, daß es der »Hang der menschlichen Natur zu
tauschen« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen
des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17) sei, der zur
Arbeitsteilung und damit zur Entwicklung der Produktivkräfte führe.
(Ebd., S. 364).Woher rührt nun der Unterschied zwischen dem
Innovationspotential antiker und neuzeitlicher Eigentumswinschaften? In der abendländischen
Antike (für Heinsohn und Steiger sind die apollinische
Antike und das faustische Abendland eine Kultur; Anm. HB) geht
dem Überschuldeten bei Übertragung seines verpfändeten Eigentums
an den Gläubiger nicht nur das Eigentum an Grund und Boden und anderen Aktiva
verloren, sondern auch das an der eigenen Arbeitskraft. Er hat nach seinen Familienangehörigen
schließlich auch sich selbst in die Sklaverei zu überstellen bzw. mit
sich selbst Zins und Tilgung zu leisten. Jeder durch Bankrott herbeigeführte
Sturz aus der Freiheit verringen das innovative Potential, das ja aus dem Zwang
resultiert, aus prinzipiell unverlängerbaren Zeitbudgets den für jede
Zeitperiode von neuern geforderten Zinsaufschlag auf Kredit bzw. die Prämie
auf Eigentum zu erwirtschaften. Zwar bleibt nun auch der durch Überschuldung
anderer Eigentümer entstehende Sklavenunternehmer vom Zwang zur Kostenminimierung
nicht verschont, die potentiellen Innovatoren dafür stehen jedoch nur in
abnehmendem Maße zur Verfügung. Der Notlage der unabhängigen und
einfallsreichen Einkommensgewinnung wird der Bankrotteur der Antike durch Verlust
seiner Freiheit entzogen. Schließlich wurde diese besondere Komponente »ökonomischer
Aktivität - daran ist immer wieder zu erinnern - m wesentlichen von freien
Männern ausgeführt.« (C. G. Starr, a.a.O.). (Ebd., S. 364-365).Der
Sklaveneigentümer war selbst zwar frei, bekümmerte sich bei seinem »der
Sprache mächtigen Vieh« jedoch gerade nicht um deren Einfallsreichtum.
»Ausschlaggebend war jedoch mehr die Ehrlichkeit der Arbeitskräfte,
ihre Ehrlichkeit in dem vollen Einsatz ihrer Arbeitszeit und dem Umgang mit Geld
und Gut, als die Verbesserung der Arbeitsqualität und des Nutzens der Arbeitskräfte
durch bessere Anbaumethoden oder durch die Einführung arbeitssparender Maßnahmen.
Dies sind die Gesichtspunkte eines Polizisten, nicht eines Unternehmers.«
(M. I. Finley, a.a.O.). (Ebd., S. 365).Das gegenseitige Bankrottkonkurrieren
der antiken Eigentümer führte schließlich zu ihrer dramatischen
Reduzierung: «In Etrurien hatte die alte einheimische Aristokratie im Bunde
mit den römischen Kapitalisten schon im Jahre 529 [134 v.u.Z.] es so weit
gebracht, daß es dort keinen freien Bauern mehr gab. Es konnte auf dem Markt
der Hauptstadt laut gesagt werden, daß die Tiere ihr Lager hätten,
den Bürgern aber nichts geblieben sei als Luft und Sonnenschein und daß
die, welche die Herren der Welt heißen, keine Scholle mehr ihr eigen nennten.«
(Theodro W. Mommsen, Römische Geschichte, 2. Band, 1854-1856, S. 81)
»Sechs Grundheren besaßen die Hälfte Afrikas, als Kaiser Nero
sie töten ließ.« (Plinius d.Ä., Naturkunde, Buch
XVIII, 35). Der schließliche Untergang der antiken Sklaven-Ökonomie
rührte aber nicht nur aus technologischer Stagnation, sondern auch aus dem
Verschwinden der Familie, da die Sklaven familienlos in Kasernen gehalten wurden
und mit dem Verschwinden des Familieneigentums somit auch die Menschenquelle versiegte.
Die von Plinius d.Ä. geprägte Erkenntnis, »Latifundia perdidere
Italiam, iam vero et provincias« (»Wollen wir
die Wahrheit gestehen, so haben die großen Güter Italien zerstört,
und nun auch die Provinzen«), bezieht sich zwar vor allem auf die
Menschenverluste durch das Wegkonkurrieren der Familienbetriebe, hält baer
auch den Innovationsverlust fest, der durch den Rückgang der Eigentümerzahl
eintritt (vgl. Plinius d.Ä., ebd., 35 [vgl. Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper
/ Otto Steiger, Menschenproduktion, 1979, S. 19-39]). (Ebd., S.
365-366).Die »schützende« und zugleich innovationslähmende
Seite der Sklaverei bleibt dem immer wieder in die Freiheit gestoßenen Schuldner
der Neuzeit verspern, der das Eigentum an seiner Person nicht verlieren und zugleich
über seine Arbeitskraft disponieren kann -und muß. Die ökonomische
Klassik hatte dafür durchaus ein Gespür: »Sklaven sind jedoch
selten erfinderisch, und die wichtigsten Verbesserungen im Maschinenwesen oder
in der Anordnung und Veneilung der Geschäfte, wodurch die Arbeit erleichten
und abgekürzt wird, sind alle Erfindungen freier Männer gewesen.«
(Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes,
1776, 2. Band, Buch 4, Kapitel 9, S. 551) Selbst das Wort Eigentum wird mit der
Innovation in Verbindung gebracht: »Große Verbesserungen ... sind
... am wenigsten dann zu hoffen, wenn Sklaven als Arbeiter gebraucht werden. Die
Erfahrung aller Zeiten und Länder beweist, wie ich glaube, daß die
von Sklaven verrichtete Arbeit, obgleich sie nur deren Unterhalt zu kosten scheint,
am Ende doch die teuerste von allen ist. Ein Mensch, der kein Eigentum
erwerben kann, kann kein anderes Interesse haben, als so viel als möglich
zu essen und so wenig als möglich zu arbeiten. Was immer er über das
hinaus leistet, was zu seinem Unterhalt hinreicht, kann ihm nur durch Gewalt und
nicht durch sein eigenes Interesse abgenötigt werden.« (Adam Smith,
Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776,
2. Band, Buch 3, Kapitel 2, S. 155). (Ebd., S. 366-367).Die
Verwendung des Wortes »Eigentum« kann nun nicht darüber hinwegtäuschen,
daß Smith es nicht vom Besitz zu unterscheiden weiß. Das zeigt sich
sehr schön an seinem Erklärungsversuch dafür, warum der Leibeigene,
der anders als der Sklave nicht nur Unterhalt, sondern auch Besitz hat, gleichwohl
nicht innovativ ist. Er bekommt dieses Erklärungsproblem nur deshalb, weil
er den Besitz von einem belast- und verpfändbaren Eigentum nicht trennen
kann. Er glaubt nämlich, daß die Innovation ausbleibt, weil zu hohe
Abgaben an den Herrn den Hintersassen desinteressiert machen. Auch den Lehnsherren
betrachtet er als einen Eigentümer, der - so ist dann zu schließen
- nicht innovativ ist, weil er ja all die Abgaben bekommt. (Ebd., S. 367).Diese
Klasse von Leibeigenen - so Smith - »konnte kein Interesse haben, einen
Teil des kleinen Kapitalvorrats, den sie von ihrem eigenen Anteil am Produkte
etwa erspart hatte, auf weitere Bodenverbesserung anzulegen, da der Grundherr,
der nichts anlegte, von allem die Hälfte genommen hätte. Schon der Zehnte,
der doch nur der zehnte Teil vom Produkte ist, erwies sich als ein großes
Hindernis aller Verbesserung.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über
Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 3, Kapitel 2,
S. 158). (Ebd., S. 367).Adam Smith formuliert mit dem freien
Erfinder zwar eine entscheidende Beobachtung für das Phänomen des technischen
Fonschritts, fällt in seinem Theoretisierungsversuch dann aber auf biologische
Annahmen über menschliches Verhalten zurück. In der Freiheit sieht er
lediglich eine Bedingung dafür, daß der dem Menschen eigentümliche
Hang zur Bequemlichkeit zum Tragen kommen könne. Weil er sein Leben angenehmer
machen wolle, nutze er die Freiheit zu Erfindungen: »Gar viele Maschinen
... waren ursprünglich Erfindungen gemeiner Arbeitsleute, die, da sie bei
irgendeiner sehr einfachen Operation beschäftigt waren, natürlich ihre
Gedanken darauf richteten, leichtere und bequemere Herstellungsarten herauszufinden.«
(Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes,
1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 1, S. 13). (Ebd., S. 368).Diese
Bequemlichkeitsthese für den freien Mann ließe sich bereits durch den
Stammesgenossen widerlegen, der sich in seinen menschlichen Bestrebungen - der
»Erste, Schönste, Erfolgreichste, Stärkste und Reichste«
(Mauss) zu sein - vom Smithschen freien Lohnarbeiter doch keineswegs unterscheidet
und dennoch einen sich »selbst tragenden technischen Fonschritt« (Landes)
gerade nicht hervorbringt. Deshalb schweigt Smith, der den Wilden ansonsten beredt
für Illustrationen heranzieht, über diesen Beweis gegen seine verhaltenstheoretische
Bequemlichkeitsthese und kontrastien statt dessen die Effektivität der freien
Arbeit mit der Ineffektivität der Sklaverei: »Schlüge ein Sklave
eine solche Verbesserung vor, so würde sein Herr sehr geneigt sein, den Vorschlag
für eine Eingebung der Faulheit und des Verlangens, auf Kosten der Herren
Arbeit zu sparen, anzusehen. Der arme Sklave erhielte wahrscheinlich statt einer
Belohnung einen tüchtigen Verweis ~ und vielleicht noch eine Züchtigung.
In den von Sklaven betriebenen Manufakturen muß daher in der Regel mehr
Arbeit zur Erzielung der gleichen Menge von Waren aufgewendet werden als in denen,
welche freie Leute betreiben. Deshalb ist gewöhnlich alles, was jene verfertigen,
teurer als die Arbeit dieser.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über
Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 4, Kapitel 9,
S. 552). (Ebd., S. 368-369).Genausowenig wie die ökonomische
Differenz zwischen Sklave und Freiem in der Unterdrückung des Bequemlichkeitsstrebens
durch den Sklaveneigentümer besteht, läßt sich die Differenz zwischen
Leibeigenem und Freiem aus der Unterdrückung der Innovationsmotivation durch
die Abgabenlast an den Feudalherren erklären. Sklave und Leibeigener unterschieden
sich vom Freien vielmehr darin, daß sie aus der Überschuldungsgefahr
des Eigentümers entlassen sind, während letzterer ihr gerade nicht zu
entkommen vermag. Der freie Mann muß permanent die Prämie auf Eigentum
erwirtschaften - habe er nun Geld in einem Kreditvertrag gegen Zins geliehen oder
selbst erwirtschaftetes Geld unter Verzicht auf einen Zins in eigene feste Anlagen
investiert. Weil diese entscheidende Differenz nicht gesehen wird, greift auch
eine Interpretation von Smith zu kurz, die bei der Suche nach dem Grund für
»technischen Fortschritt das Gewicht auf Wettbewerbsdruck legt.« (S.
Hollander, a.a.O.). Die Konkurrenz per se, von der ja auch Smith selbst
'wortreich zu reden weiß, kann keineswegs als primäre ökonomische
Größe herangezogen werden, da sie notwendig aus den Aktivitäten
freier und verschuldeter Produzenten folgt, ihre Aussicht zu steigern,
am Markt Kaufverträge zu schließen, aus denen ihnen Schuldendeckungsmittel
zufließen. (Ebd., S. 369).Die im frühneuzeitlichen
England nach dem Lollardenaufstand von 1381 eintretende Pattsituation, in der
Leibeigene faktisch frei werden, aber an Bodeneigentum nur selten herankommen
und nun als Pächter oder freie Arbeiter zur Verfügung stehen, während
Adlige die Gewalt über Arbeiter verlieren, aber plötzlich ihr Land als
Eigentum nutzen können und auch müssen, wenn sie nicht selbst den Acker
pflügen wollen, mündet in historisch neuen Freien ohne Grundeigentum.
(Vgl. Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld, produktivität und Unsicherheit
in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan, band 9, Nr. 2, 1981, S. 164-194).
Aus relativ rückständiger Randlage Europas wird deshalb England in wenigen
Jahrhunderten zum ökonomischen Vorreiter der Erde. (Ebd., S. 369-370).Die
den englischen Freien unmittelbar gestellte Aufgabe besteht nun darin, über
innovative Tüchtigkeit diejenigen zu werden, die als Pächter - bei jetzt
zu bloßen Eigentümern von Grund und Boden heruntergekommen ehemaligen
Feudalbesitzern - ihrer anfänglich »bodenlosen« Freiheit durch
in Eigentum umsetzbares Geld ein ökonomische Fundament geben. Nach dem Patt
des Lollardenaufstandes also mußten »Feudalherren den auf Hierarchie
und Diensten beruhenden Landbesitz in ein Vertragssystem umwandeln. Arbeitsdienste
wurden von Geldrenten aus Verpachtungen abgelöst. Dadurch wurde eine Klasse
unabhängiger Landwirte geschaffen. Diese Landwirte konnten selbst entscheiden,
was zu produzieren sei, wie die Fruchtfolge abzulaufen habe, welche Anteile Ackerbau
und Viehzucht einnehmen sollten und welche Tiere zu halten seien - und zwar in
einer Weise, wie der mehr oder weniger abhängige Leibeigene auf Domänenland
es gerade nicht konnte.« (E. Nell, a.a.O.). (Ebd., S. 370).
4b) Geldlöhne und Zinsen, Verringerung der Lohngeldsumme und Produktivitätssteigerung
Die
seit Beginn des 16. Jahrhunderts in England durchgesetzte und in der westlichen
Welt bis heute unumkehrbar gebliebene Freiheit der Person bedingt - und darin
liegt die Differenz zur antiken Eigentumsökonomie - eine permanente Innovationsnotwendigkeit,
der auch diejenigen unterworfen sind, die momentan weniger nah an der Überschuldungsschwelle
stehen als andere. Es sind nun die Geldlöhne für vertragsmäßig
anzuwerbende Freie, die den technischen Fortschritt der Neuzeit bis heute hin
bewirken. Diese Geldlöhne liegen anfänglich hoch, weil die Bevölkerungskatastrophe
des 14. Jahrhunderts, die ganz Eurasien trifft, auch und besonders England heimsucht.
Die dort Rebellierenden werden also nicht nur frei, sondern erst einmal auch selten.
Das ändert sich mit der gewaltsamen europäischen Menschenproduktion
und der daraus resultierenden europäischen Bevölkerungsexplosion sehr
schnell. (Vgl. Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto Steiger, Menschenproduktion,
1979, S. 46-83). (Ebd., S. 370-371).Was bedeutet nun ein
Geldlohn an Freie - ganz unabhängig von seiner Höhe - für die Innovation?
Wie unterscheidet er sich in seinen Auswirkungen von der Geldausgabe für
die Waren zum Unterhalt von Sklaven? Der vorgeschossene Lohn ist bei einer am
Markt scheiternden Umwandlung der Waren in Schuldendeckungsmittel, in Geld also,
unwiederbringlich verloren. Hingegen kann ein Sklavenunternehmer, der seine produzierten
Waren nicht losschlagen kann, immerhin noch durch Verkauf seiner Sklaven an Geld
herankommen. Der Sklave ist vergleichbar einem Zugtier oder einer Maschine - eine
Investition, während mit dem Lohnarbeiter ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt
einzugehen ist. Dieser Kontrakt bindet den Unternehmer immer, während er
seinerseits niemanden in einen Kaufkontrakt für seine Waren nötigen
kann. Seine stärkste Waffe dafür bleibt der Preis, für den der
Geldlohn eine entscheidende Bestimmungsgröße ist. Verringerung der
Geldlöhne verlangt nun nicht notwendig geringere Individuallöhne, sondern
Innovationen zur Verringerung der Geldlohnsumme, also dem Produkt aus Lohnarbeitsstunden
und Geldlöhnen. Aus diesem Grund wurde in England ein erster »technischer«
Fortschritt aus Verwandlung von Ackerland in Schafweide durch die sogenannte erste
Einhegungsbewegung nach 1485 bewerkstelligt. (Ebd., S. 371-372).Die
Bedeutung dieser Einhegungsbewegung liegt weniger in der wie die gut erforschte
Geschichte der »Tragödie der Allmende« zeigt unstrittigen Vertreibung
ehemals leibeigener Bauern von ihrem Grund und Boden als in der Anheuerung eines
Minimums an freien Geldlohnarbeitern. Die Innovateure, die sich diesen Schritt
einfallen lassen, wollen damit eine Warenmenge produzieren, deren in Geldlöhnen
gemessene Wertsumme zumindest nicht geringer ist als die der Konkurrenten, die
mehr Arbeiter in Geld zu entlohnen haben. Dieser Einsatz führt zum Übergang
vom arbeits- und geräteintensiven Getreideanbau zur Schafzucht auf durchaus
guten Böden mit relativ gut bezahlten, aber eben wenigen und zudem ausstattungsarmen
Hirten. Die so erzeugte billige, aber erstklassige Wolle läßt in England
die Tuchproduktion zur Eroberung der Märkte starten. Der neuen Wirtschaft
erste »Maschine« zur Erhöhung der Wollproduktion ist also keine
technische Anlage, sondern ein lohnkostensenkender Einfall. (Ebd., S. 372).Der
ökonomische Sinn dieser Innovation ist darin zu sehen, daß verschuldete
und daher am Profit zwangsläufig interessierte Landwirte »einen höheren
Anteil ihres Kapitals in eine liquidere Form dadurch umwandeln, daß sie
Ackerland in Schafweide verwandeln und dabei sowohl ihre Lohnsumme als auch ihre
Vorschüsse für fixes Kapital reduzieren. Dieser Übergang ist nicht
notwendigerweise profitabler. Er bedeutet lediglich, daß weniger Kapital
(vorgeschossenes Geld) für langfristige Projekte aufgebracht, das heißt
weniger für Löhne und Saatgut veranschlagt werden muß. Es ist
ein Übergang zu mehr Liquidität.« (E. Nell, a.a.O.).
(Ebd., S. 372).Selbstredend muß der Schuldner-Produzent
(Unternehmer) beim Reduzieren zu verzinsenden Geldes nicht nur auf die Lohngelder
schauen, sondern auch auf die Zinsforderungen für das vorgeschossene Kapital,
das ja immer eine Geldsumme ist. Jede Zinserhöhung vermindert das Einkommen
der Unternehmer, während er das Einkommen ihrer Gläubiger erhöht.
Jede Zinserhöhung erzwingt deshalb Anpassungen der Schuldner-Produzenten.
(Ebd., S. 372-373).Nach der tauschtheoretischen Vorstellung der
Neoklassik wird in diesem Fall die Nachfrage nach Realkapital reduziert und die
nach Arbeit erhöht, mit der Folge, daß - unter der Annahme sinkender
f Grenzproduktivität der Arbeit - die Reallöhne gesenkt werden und zugleich
technischer Rückschritt eintritt, der mindere Ansprüche an die Qualifikation
der Arbeitskraft stellt. Dagegen läßt sich jedoch zeigen, daß
in der Eigentumswirtschaft anders reagiert wird. Bei einer Zinserhöhung sichert
die Unternehmung «ihr Einkommen durch sofortige organisatorische Änderung
und durch die Einrichtung einer Technik, die an die Arbeitskräfte höhere
Ansprüche hinsichtlich (ihrer) Qualifikation stellt. Das bedeutet nicht nur,
daß eine gleiche Gütermenge mit unmittelbar geringeren Arbeitseinsatzmengen
hervorgebracht werden wird. Es bedeutet vor allem auch, daß nicht mehr alle
bisher beschäftigten Arbeitskräfte mit ihren Fähigkeiten dem Anforderungsprofil
der Unternehmungen gerecht werden.« (Hans-Joachim Stadermann, Geld und
Beschäftigung, in: Der Stand und die nächste Zukunft der Geldforschung,
Hrsg.: Hans-Joachim Stadermann & Otto Steiger, 1993, S. 289). (Ebd.,
S. 373).Im Ergebnis kann zwar die Beschäftigungsmenge kurz-
bis mittelfristig fallen, aber die Löhne werden in den Sektoren, in denen
technischer Fortschritt möglich ist, steigen. (Ebd., S. 373).
5) Die herrschende Ratlosigkeit vor dem technischen Fortschritt
Die
Verringerung der als Kapital aufzunehmenden Geldvorschüsse für Löhne
durch eine Neuorganisation der Produktion hin zu wenigen nicht jedoch schlecht
bezahlten - Lohnarbeitern führt zu einer höheren Produktivität
und damit - bei konstantem Preisniveau - auch zu einer höheren Profitabilität.
Technischer Fortschritt entspringt also der ständigen Notwendigkeit einer
Verringerung der Verschuldung von Eigentümern. Dieser Sachverhalt bringt
uns zur Suche der neoklassischen Theorie nach den Gründen des Wachstums,
die in den fünfziger Jahren unseres Jahrhundens durch eine Arbeit des Nobelpreisträgers
von 1987, Robert Solow (*1924), ihren Höhepunkt erreicht. Grundlegend ist
bis dahin die Vorstellung, daß Wachstum von den beiden Faktoren Kapital
und Arbeit gespeist werde. Als Kapital definien wird der gesamtwinschaftliche
Kapitalstock, der »als Bestand der in früheren Perioden akkumulienen
Güter« (R. Solow, a.a.O.) und nicht etwa als umgewandelte Geldvorschüsse
verstanden wird. Entsprechend wird die Kapitalakkumulation ganz neoklassisch durch
Konsumverzicht von Gütern (Sparen) gefaßt. Das Arbeitspotential wird
als Resultat des exogenen Bevölkerungswachstums erklärt. Ersteres wächst
mit der gleichen, konstanten Rate wie letzteres. Dabei resultiert ein Wachstum
des Outputs per Arbeiter (Arbeitsproduktivität) aus der relativen Ersetzung
von Arbeit durch Kapital mit der Folge einer tendenziell zunehmenden Rate von
Kapital zu Arbeit. (Ebd., S. 373-374).Kapitalakkumulation
gilt für eine lange Zeit also als der für Wachsturn wesentliche Faktor.
Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch dieser Faktor als vergleichsweise unbedeutend.
Studien ... erbringen das überraschende Resultat, daß das Wachstum
der US-Wirtschaft seit Ende des 19. Jahrhundens mindestens zu drei Vierteln aus
der zunehmenden Effizienz der in der Produktion verwendeten Faktoren Arbeit
und Kapital und nicht aus ihrem zunehmenden Einsatz an sich gespeist wird: »Diese
Implikation erwies sich als vollkommen verheerend: Die Erklärung des ökonomischen
Wachstums schien so weit außerhalb der traditionellen Überlegungen
der Ökonomen zu liegen, daß sie die Hypothese eines Residuals
erforderte.« (S. Metcalfe, a.a.O.). (Ebd., S. 374-375).
5a) Residualfaktor und technischer Fortschritt in der neoklassischen Wachstumstheorie
Dem
rätselhaften »Residual-Faktor« widmet die International Economic
Association (I.E.A.) im Jahre 1973 eine abschließende Tagung: »Wir
sind diesem Irrlicht in einer Reihe ~on Konferenzen der I.E.A. über die Wirkungen
von Kapital, von Bildung sowie von Qualität und Produktivität der Arbeit
bis zu dieser Konferenz über Forschung und Entwicklung gefolgt, auf der ein
letzter Versuch unternommen werden sollte, eine Erklärung für den Residual-Faktor
des Wachstums zu finden. Aber noch jede Erklärung hat lediglich eine Reihe
von Alibis, nicht jedoch eine Erklärung des Residuals gebracht. Die Experten
aus jedem einzelnen Gebiet vermuteten, daß ihr Fach für eine Erklärung
relativ bedeutungslos wäre. .... Wenn es nicht Kapital, nicht Bildung, nicht
forschung und Entwicklung und auch nicht verbesserter T echnologietransfer war,
wo soll dann noch eine Erklärung für das Wachstum dingfest gemacht werden?«
(Austin. Robuinson, a.a.O.). (Ebd., S. 375).Die neoklassische
Wachstumstheorie steht seitdem vor dem Fiasko, das vorgefundene Produktivitätswachstum
nicht erklären zu können, zugleich aber tut sie in ihren empirischen
Forschungen ungerührt kund, daß 75 bis 85 Prozent dieses Wachstums
keineswegs einem unerklärlichen Residualfaktor geschuldet sei, sondern einem
«technischen Fortschritt«. Mit dieser Ersetzung des Wortes »Residualfaktor«
durch das Wort «technischer Fortschritt« umgeht sie das Geständnis,
»daß die Theorie in keiner Weise das vorgefundene Produktivitätswachstum
erklärte.« (R. Nelson, a.a.O.). (Ebd., S. 376).Bei
diesem schon fast verzweifelten Scheitern bleibt es bis Mitte der achtziger Jahre.
Erst von da an wird -ausgehend von Paul Romer und dem Nobelpreisträger von
1995, Robert Lucas (*1937) - von neuern versucht, den exogen neben Kapital und
Arbeit gestellten Residualfaktor einer ökonomischen Erklärung zuzuführen,
indem man den technischen Fortschritt endogenisiert. Der grundlegende Gedanke
dieser sogenannten Neuen Wachstumstheorie liegt darin, daß Individuen nicht
nur Investitionen in Real-, sondern auch in Humankapital tätigen können.
Dabei wird die traditionelle aggregierte Produktionsfunktion der Neoklassik, in
der das Wachstum des Bruttosozialproduktes einer Nation (N) eine Funktion
(F) aus Kapital (K) und Arbeit (A) - multipliziert mit einem
in der Zeit (t) voranschreitenden, exogenen oder autonomen technischen
Fortschritt (T) - darstellt:durch
eine neue neoklassische Produktionsfunktion ersetzt. In ihr ist der technische
Fortschritt als Humankapital (H) gefaßt und als solches in den Faktor
Arbeit (HA) hineingeschoben, weshalb dieser nicht mehr A, sondern
HA genannt wird. (Ebd., S. 376).Zur
intertemporalen neoklassischen Wahl zwischen Gegenwartskonsum und Konsumverzicht,
das heißt Sparen und damit Investition in Realkapital, tritt nun also die
Alternative der Investition in Humankapital. Grundlage auch für diese Überlegung
ist wiederum das intertemporale Tauschmodell der Neoklassik. Ein repräsentativer
Haushalt wählt hier jedoch nicht allein zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum,
sondern hat zusätzlich die Option eines Konsumverzichts zugunsten der Investition
in Humankapital. Mit ihr verschafft er sich einen Wissensbestand, der seiner Arbeitskraft
eine höhere Qualität verleiht. Im Ergebnis erhält die neue neoklassische
Produktionsfunktion die von exogenen Faktoren formal freigehaltene Gestalt:Durch
die Investition in Humankapital wird nicht nur die eigene Arbeitskraft eines Unternehmens
produktiver, sondern ein allgemein zugänglicher Wissensbestand geschaffen,
der die menschliche Arbeit insgesamt produktiver macht, indem er durch sogenannte
Spill-over-Effekte auf die ganze Wirtschaft übergreift. Während
die Kapitalakkumulation allein nicht in der Lage ist, das Wachstum der Wirtschaft
langfristig zu erhöhen, sorgt die Humankapitalakkumulation dafür, daß
der Investitionsanreiz während des Wachstumsprozesses nicht verschwindet.
Es bleibt für die Unternehmer ständig profitabel, eine zunehmend besser
ausgebildete Arbeitskraft mit zusätzlichem Kapital auszustatten. Im Aggregat
aller ergeben sich dann zunehmende Ertragszuwächse. (Ebd., S. 377).Durch
diese Endogenisierung des technischen Fortschritts werden die in traditionell
neoklassischer Auffassung auf Abnahme angelegten Ertragszuwächse der Faktoren
Arbeit und Kapital nicht nur kompensiert, sondern führen vielmehr zu gesamtwirtschaftlichern
Wachstum. Nicht einmal in der Neoklassik hat diese Formelveränderung jedoch
großen Eindruck gemacht, da selbstverständlich jedes mathematische
Modell, das den technischen Fortschritt endogenisiert, die genannten positiven
Wirkungen zu errechnen erlaubt. Solow hat denn auch nur ironisch angemerkt: »Es
stellt sich die Frage, warum dieser schlichte Kunstgriff nicht häufiger zur
Anwendung kommt. .... Hier beschränke ich mich auf die Vermutung, daß
man so wenig über die Bestimmungsgründe des technischen Wandels weiß,
daß ein Aufgreifen dieses Gedankengangs lediglich bedeuten würde, einen
Satz mehr oder weniger beliebiger Parameter durch einen anderen zu ersetzen. Die
Aussage, daß die Nation A irgendeine höhere Fähigkeit hat,
technischen Fortschritt zu schaffen als die Nation B, unterscheidet sich
nicht sonderlich von der Aussage, daß die Nation A eine schnellere
Rate des technischen Fortschritts hat als die Nation B.« Die neue
Formel der 1980er Jahre läuft mithin auf die Tautologie hinaus, daß
die Fähigkeit zum technischen Fortschritt von der Rate des technischen Fortschritts
abhängt. Daher kann Solow auch spotten, daß die neuen Wachstumsmodelle
gewiß »genial, suggestiv und wertvoll« sind: »Ich wundere
mich manchmal aber, warum ich ein Auto mit so vielen Pferdestärken kaufen
soll, um auf einer so dunklen und kurvenreichen Strecke zu fahren.« (Robert
Solow,a.a.O.). In dieser Skepsis wiederholt Solow die bereits auf dem I.E.A.-Kongreß
getroffene Feststellung, daß die Neoklassik den technischen Fortschritt
in ihrem Gedankengebäude auch dann nicht unterbringen kann, wenn sie ein
paar Anbauten vornimmt. (Ebd., S. 377-378).Zu diesen Anbauten
zählt auch das evolutionistisch-darwinistisches Modell der Kritiker der neoklassischen
Wachstumstheorie, Richard Nelson (*1930) und Sidney Winter (*1935),68 das Ungleichgewichte
und damit Veränderungen einschließen will, sich also gegen einen über
Profitmaximierung zum Gesamtgleichgewicht strebenden Unternehmer wendet. Nach
der Vorstellung dieser Richtung mutiert eine quasigenetische Betriebsroutine,
die überkommene Profitmöglichkeiten ausschöpft, zu einer neuen
Suchroutine, die neue Profitmöglichkeiten findet. In einem dritten Schritt
kommt es zur Selektion zugunsten der Wachstum induzierenden, profitstärkeren
Routinen. So sehr mit diesen Termini beschrieben werden mag, was realiter abläuft,
so hilflos bleibt der Sprung aus ökonomischen in biologische Denkweisen,
die sich - wie in der Vorrede gezeigt -
vom Evolutionismus zugunsten eines Neokatatrophismus übrigens längst
freigemacht haben. (Ebd., S. 378-379).
5b) Property rights und technischer Fortschritt
Ein
auf den ersten Blick vielversprechender Zugang zum Wachstum und zum technischen
Fortschritt sucht seit Beginn der 1970er Jahre innerhalb der Neoklassik die im
Tauschkapitel
bereits behandelte Institutionenökonomik. Sie geht in einer wirtschaftshistorischen
Analyse des Wachstums der westlichen Welt davon aus, daß herkömmliche
Erklärungen wie technischer Fortschritt, Skalenerträge, Ausbildung,
Kapitalakkumulation u.s.w. »nicht die Ursachen des Wachstums sind, denn
sie sind das Wachstum.« (Douglas C. North, a.a.O.). (Ebd., S. 379).Vor
allem die - ebenfalls im Tauschkapitel
behandelten - property rights werden hier als der spezifische Antreiber
für die so rätselhaft bleibenden Phänomene ins Auge gefaßt.
Was jedoch wird tatsächlich gesehen? Unterstellt ist einmal mehr der ewige
Homo oeconomicus, der nur darauf wartet bzw. erpicht ist, noch profitabler
als bisher schon zu optimieren. Ebenso ewig steckt dieses Subjekt in einer Struktur
von Institutionen und property rights, an denen es sein angeborenes Optimierungsstreben
ausrichtet. Das Subjekt kann nun auf Institutionen treffen, die seinen Drang mehr
oder auch weniger begrenzen. Nicht jedoch wird es als jemand gesehen, der von
äußeren Zwängen gehetzt wird, die ihm ganz und gar nicht angeboren
oder gar angenehm sind. Äußeres bremst ihn, angetrieben ist es selbst.
(Ebd., S. 379).Ausgehend von ersten Überlegungen zu Institutionen
und property rights, wie sie in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt wurden,
ahben Dopuglas C. North (*1920, Nobelpreisträger von 1993) und Robert Paul
Thomas (*um 1930) versucht, eine »ökonomische Theorie des Wachstums
der westlichen Welt« (Dauglas C. North / Robert Paul Thomas, a.a.O.) zu
formulieren. Von der Gestaltung ökonomischer Institutionen - - insbesonder
eben der property rights - hänge ab, ob das Verhalten der Individuen
in einer Gesellschaft in einem Prozeß mündet, der entweder zu ökonomischem
Wachstum, zu Stagnation oder zu Niedergang führt. (Ebd., S. 379-380).
6) Die Eigentumstheorie der Akkumulation
Kehren wir nach
diesem Ausflug in als property rights mißverstandene Besitzrechte
noch einmal zu den Konstrukteuren der Neuen Wachstumstheorie zurück. Ein
einziger Blick auf die hohen Ingenieurszahlen des Realsozialismus hätte sie
darüber belehren können, daß durch Humankapital angereicherte
Arbeitskraft als solche für den technischen Fortschritt wenig bis gar nichts
bringt. Auch innerhalb der Eigentumsökonomien ist eine direkte Ableitung
der Zunahme von Hightech-Sektoren aus einer Zunahme von hochqualifizierten Arbeitskräften
nicht nachweisbar: »In den neunziger Jahren hat die US-Wirtschaft ein hohe
Wachstumsrate der Produktivität, eine noch höhere Wachstumsrate der
Investitionen in Informationstechnologien und die Schaffung von über acht
Millionen neuen Arbeitsplätzen erreicht. Aber diese Erfolge sind ohne eine
spürbare Verbesserung im nationalen Berufs- und Allgemeinbildungssystem erzielt
worden.« (S. Head, a.a.O.). (Ebd., S. 382).Der ehemalige
Realsozialismus hat nicht einmal den von Eigentumsökonomien imitierten oder
auch per Industriespionage gewonnenen technischen Fortschritt in die Organisation
seiner materiellen Reproduktion integrieren können. Selbst das Fehlen von
Betriebsgeheimnissen zwischen Betrieben innerhalb des Sozialismus hat die ersehnten
spill over-Effekte zwischen den Produktionsstätten niemals herbeigeführt:
»Der sozialistischen Modernisierung, so wie wir sie bis heute kennen, scheint
die Fähigkeit abzugehen, eine Eigendynamik zu entfalten. Unter Berücksichtigung
der relativen Rückständigkeit der meisten sozialistischen Länder
mußte man eine Zeit lang mit einer nachahmenden Entwicklung rechnen. Aber
der Grad und die Dauer der Imitation sind ungewöhnlich - ausgenommen vielleicht
der Militärsektor, den wir nicht beurteilen können. Eine modernere Technologie
- ganz gleich, ob importiert oder in der einheimischen Produktion imitiert - muß
normalerweise zu einer wachsenden Produktivität führen. Der Modernisierungseffekt
für die Wirtschaft sollte jedoch nicht allein an diesem Ergebnis gemessen
werden, sondern in erster Linie durch den Spill-Over-Effekt, der zu einer
hausgemachten Technologie- und Produktinnovation anspornen sollte. Das findet
in den sozialistischen Ländern aber trotz der vermuteten Vorteile in Wissenschaft
und Bildungssystem kaum statt. Der Spill Over profitiert auch nicht von
der Beseitigung des Betriebsgeheimnisses, die einen ungehemmten Informationsfluß
zwischen brüderlichen Kombinaten, Sektoren und Nationen sicherstellen sollte.«
(W. Brus, a.a.O.). (Ebd., S. 382-383).Inzwischen wissen wir
angesichts der Ruinenfelder veralteter Industrie- und Infrastrukturanlagen - ganz
zu schweigen von der katastrophalen Umweltzerstörung durch den Realsozialismus
-, daß diese Einschätzung aus dem Jahre 1983 noch zu optimistisch klingt.
Auch der sozialistische Rüstungssektor verdankte seine alles in allem nicht
imponierenden Resultate einer - im Vergleich zur Eigentumswirtschaft - bis zu
achtfach überbesetzten Ausstattung mit technisch hoch geschultem Personal,
das wiederum - wie mehrfach bezeugt - viel mehr aus Spionage gewonnenes als selbst
ersonnenes Wissen umsetzte. (Ebd., S. 383-384).Wenn mehr
H in A (**) bzw. mehr Ingenieure
unter den Arbeitern als solche nicht verständlich machen können, wodurch
Effizienzsteigerung und Akkumulation hervorgetrieben werden, dann muß einmal
mehr der Blick auf die Verteidigung des Eigentums gewendet werden, um diese begehrten,
aber seinerzeit auch verfluchten Elemente der »westlichen« Wirtschaft
zu verstehen. Von allen Kontrakten der Eigentumswirtschaft ist der zwischen Unternehmer-Schuldner
und Lohnarbeiter geschlossene Vertrag der am wenigsten unsichere. Das für
Lohn verausgabte Geld bedeutet eine unmittelbare Übertragung von Ansprüchen
auf Eigentum. Der Vertrag zwischen dem Unternehmer-schuldner als Verkäufer
und dem Käufer auf dem Warenmarkt hingegen ist dagegen am unsichersten, da
er erst in der Konkurrenz mit anderen Verk4Jufern erkämpft werden muß.
Der Vertrag zwischen dem Gläubiger des Geldvorschusses (Kapital) und dem
Unternehmer-Schuldner nimmt bezüglich seiner Sicherheit eine Zwischenstellung
ein, da er einerseits mit dem verpfändeten Eigentum des Schuldners gesichert
ist, andererseits in seiner Erfüllbarkeit von der Unsicherheit des nicht
erzwingbaren Kaufkontrakts auf dem Warenmarkt beeinflußt wird. (Ebd.,
S. 384).Damit die freien Lohnarbeiter ihr Eigentum an sich selbst
erhalten können, müssen sie einen Teil davon, ihre Arbeitskraft auf
Zeit bewirtschaften lassen. Anders als der sonstige Eigentümer kann
der freie Arbeiter sein Eigentum an sich selbst - etwa durch Streik oder Muße
nicht beliebig oder zumindest nicht in gleichem Maße wie dieser zurückhalten.
Er kann entsprechend dieses Eigentum auch nicht als Sicherheit gegen Kredit verpfänden
noch gegen es vollstrecken lassen, was auf die ökonomische Nachrangigkeit
dieser Eigentumskategorie verweist. Das Eigentum an seiner Person unterscheidet
den freien Lohnarbeiter gleichwohl vom Sklaven der Antike, der von seinem Eigentümer
in diesen Funktionen ohne weiteres verwendet werden konnte. (Ebd., S. 384).Die
Bewirtschaftung des freien Arbeiters wird allerdings nur durch jemanden geschehen,
der selbst sein geliehenes Kapital (Geldvorschuß) zu bewirtschaften, also
die vom Gläubiger aufgegebene Eigentumsprämie in Form von Zins zu erbringen
hat. In einen Kontrakt über den Verkauf seiner Arbeitskraft kann der freie
Arbeiter mithin überhaupt nur deshalb gelangen, weil er dafür verwendbar
ist, den für das Lohngeld geschuldeten Zinsaufschlag auf das Kapital zu erwirtschaften.
(Ebd., S. 384-385).Was bei Marx als Mehrwert bzw. als Ergebnis
»unbezahlter Mehrarbeit« gefaßt wird, als Arbeit, die über
die Erwirtschaftung der Reproduktionskosten des Arbeiters hinausgeht, ist mithin
nicht Ergebnis der Trennung vom Eigentum an Produktionsmitteln oder gar Folge
eines finsteren Ausbeutungskalküls machtvoller Produktionsmitteleigentümer.
Der Mehrwen ist allein der Tatsache geschuldet, daß jeder einen Zins zahlen
muß, der an diejenige Form von Ansprüchen auf Eigentum herankommen
will, die als Schuldendeckungsmittel verlangt wird - an Geld also. Der eine muß
mit dem Verkauf seines Eigentums in Form von Arbeitskraft Geld erwerben, während
der andere durch Verpfändung von Eigentum Geld im Kredit für den Kauf
von Produktionsmitteln erhält. Ersterer hat bereits verkauft, während
letzterer produzieren und dann Kaufvenräge durch die Vermarktung der Produkte
als Waren noch einwerben muß. (Ebd., S. 385).Wovon
hängen also Akkumulation und der mit ihr unausweichlich verbundene technische
Fonschritt in der Eigentumswinschaft ab? Beide sind das Resultat des Zwanges von
verschuldeten Produzenten, Geldvorschüsse von Gläubigern, um die sie
konkurrieren, in einer Weise zu investieren, daß in unverlängerbaren
Fristen Eigentum für die stets neu anfallenden Zinsaufschläge entsteht,
was nur durch produktivere Technik, neue Produkte sowie neue Absatz- und Organisationsstrukturen
- allgemein gesprochen: Prozeß- und Produktinnovationen - möglich
ist. (Ebd., S. 385).Es gibt in der menschlichen Gesellschaft
also nicht irgendeine Reichtumsquelle per se, die jemand nur innovativanzapfen
müsse, was er aber auch jederzeit lassen könnte. Selbstredend gibt es
ein Motiv zur Reichtumsproduktion in allen Systemen materieller Reproduktion.
Es ist aber der Zins, der erst die Produktion von Reichtum erzwingt, und es ist
die Verpfändung von Eigentum, die erst die Produktion von Reichtum ermöglicht.
Den Zins wiederum gibt es nur in Eigentumsökonomien, in denen jedes Eigentum
mit einer Prämie behaftet ist, die bei seiner zeitweiligen Belastung immer
durch ihn kompensien werden muß. (Ebd., S. 385).Neoklassische
Kalküle wie ein Konsumverzicht, der zur Realkapi talakkumulation oder Produktivitätssteigerung
durch Humankapital akkumulation eingesetzt werden kann, vermitteln die Idylle
eine Freiwilligkeit, die es in der Eigentumswirtschaft gerade nicht gibt un aus
der sie auch nicht hervorgebracht werden kann. Die klassischc Ökonomie, nicht
zuletzt Marx, wiederum zeichnet mit ihrer Profitgie] einer mit Herrschaft versehenen
Menschenklasse das finstere Gemälde einer Bösartigkeit, von der die
hier zu analysierende Eigentumswirt schaft ebenfalls nicht erzeugt wird. Der Monetärkeynesianismu:
schließlich versucht sich am nüchternen Kalkül einer Vermehrung
zinstragenden »Vermögens«, weiß aber von dem eigentumsgebundener
Grund nichts aus dem der die Vermehrung dieses Vermögens erzwingende Zins
entsteht. (Ebd., S. 386).Es ist diese generelle Unkenntnis,
die nicht zuletzt dazu verführer kann, im Wachstum eine beliebig manipulierbare
Größe der Mensch. heitsgeschichte zu sehen. Insbesondere ökologische
Kritiker des Wirtschaftswachstums halten es schlicht für eine politisch
beabsichtigte Entwicklung. Mit einer anderen Politik könne deshalb auch in
einf ganz andere Richtung gesteuert werden. Sie sind - wie die Mitglieder des
Club of Rome - deshalb davon überzeugt, »daß jede Haltung
gegenüber den Grenzen des Wachstums eine Frage der kulturellen Übereinkünfte
ist und eine Sache der Wahl, des freien Willens und möglicherweise der Vernunft.«
(W. van Dieren. Mit der Natur rechnen, 1995, S. 25). (Ebd., S. 386).Einmal
mehr wird in fröhlichem Beiseitelassen des Zinses und der für seine
Bedienung in Gang gesetzten Produktion drauflos argumentiert. Nur so kann geglaubt
und gepredigt werden, daß die »Ideen« des materiellen Fortschritts
und des Wirtschaftswachstums «ohne Übertreibung als die Zwangsvorstellungen
der Moderne betrachtet werden« können. (Vgl. W. van Dieren. Mit
der Natur rechnen, 1995, S. 25). Für diese wird selbstredend der Westen
als Schuldiger dingfest gemacht. Ihm sei es gelungen, mit Wachstum als »dem
heimlichen Programm der Moderne« (so der Titel von S. Toulmin, 1990) die
ganze Welt zu überrumpeln. Daß hier nicht eine kollektive Neurose,
sondern der eiserne Zwang der Eigentumswirtschaft alle Betroffenen ganz unabhängig
von ihrer individuellen Charakterstruktur in Bewegung hält, können die
Öko-Ökonomen nicht einmal vermuten, weil sie gegen ihre neoklassische
Schulung zwar aufbegehren, ihr aber analytisch nicht zu begegnen wissen.
(Ebd., S. 386-387).Statt einer angeblich alles steuernden Hidden
Agenda werden in den ökonomischen Schulen also Ewigkeitsannahmen über
allgemein menschliches Verhalten wie Profitgier, vorteilsuchender Konsumverzicht
oder Streben nach Vermögensvermehrung als Grund für die Dynamik des
Wirtschaftens und damit auch als ökonomischer Mechanismus hinter Akkumulation
und Wachstum in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Wenn man sich auf solche
Strebungen ökonomisch verlassen könnte, sollten Zusammenbrüche
der Akkumulation und damit Wirtschaftskrisen außerhalb menschlicher Gemeinwesen
liegen und doch gibt es sie. Die Krise - als Umkehrung der Dynamik der Eigentumswirtschaft
- verdient deshalb im folgenden Kapitel
eine eigene Betrachtung. (Ebd., S. 387).
7) Zusammenfassung
Die Klassik braucht vorab angehäufte
Gütermengen - eine wie auch immer historisch erfolgte »ursprüngliche
Akkumulation« -, um einen Prozeß in Gang zu setzen, der die Beherrscher
dieser Güteranhäufung dazu befähigt, von ihrer Beherrschung ausgeschlossene
und deshalb ohne Einkommen dastehende Arbeiter für die weitere Vermehrung
der Güter einzuspannen. Sie liefert deshalb keine Wirtschaftstheorie, sondern
eine historische Theorie der Herrschaft von Besitzern über ausgebeutete Besitzlose.
(Ebd., S. 387).Die Neoklassik hingegen gibt allen Subjekten eine
Erstausstattung an erzeugbaren und nutzbaren Gütern, deren Allokation diese
entsprechend ihren Bedürfnispräferenzen durch Markttausch optimieren.
Sie liefert mithin ebenfalls eine historische Theorie, die sich allerdings nicht
für Herrschaft, sondern für die durch Kalkül gesteuerte Evolution
von Tauschoperationen interessiert. Anders als durch die Klassenausbeutung der
Klassik wird in der Neoklassik die Akkumulation von Gütern durch allgemeine
Strebungen besorgt, die im Sparen - dem Aufschieben von Konsumbedürfnissen
- ihre spezifisch menschliche Qualität hat. (Ebd., S. 387-388).Den
bei dieser Akkumulation beobachtbaren technischen Fortschritt sieht die Neoklassik
versteckt in einem bisher unaufklärbaren Residualfaktor. Schon die Klassik
kommt über seine bloße Beobachtung nicht hinaus, beschreibt ihn aber
als Resultat einer innovativen Nutzung des aus der Akkumulation gewonnenen Zeitbudgets.
Die Neoklassik hat die Zirkularität dieses Arguments offengelegt, das einerseits
Arbeitsteilung voraussetzt, um innovative (also besser arbeitsteilende) Zeit zu
gewinnen, zugleich aber der Arbeitsteilung innovative Zeit vorhergehen lassen
muß. (Ebd., S. 388).Keynes wendet sich gegen die unausgewiesene
neoklassische Behauptung, daß Kapital einen Zinsertrag erziele, weil es
produktiv sei. Keynes muß nun auf anderem Wege zeigen, warum ein Überschuß
des Kapitals über seine Kosten - ein Profit also - zustandekommt. Für
ihn muß das in Produktionsmittel transformierte Kapital einen Profit erzielen
und damit der Akkumulation zuarbeiten, weil der als Kapital kreditierte Geldvorschuß
auch in zinstragenden Forderungen angelegt werden kann. Jede Profitaussicht konkurriert
mit dem marktüblichen Zins. Es ist diese Verwendungskonkurrenz von Geld,
die den Geldvorschuß »Kapital« automatisch knapphält.
(Ebd., S. 388).Obwohl Keynes eine wirtschaftstheoretische Herleitung
von Geld und Zins dringend einfordert und auch selbst versucht, wird er daran
von seiner gütertheoretischen Sichtweise gehindert. Deshalb bleibt die Herkunft
des profiterzwingenden, weil kapitalknapphaltenden Zinses dunkel. (Ebd.,
S. 388).Gesellschaften mit technischem Fortschritt und Akkumulation
unterscheiden sich von anderen Gesellschaften nicht dadurch, daß sie Gütermengen
per Beherrschung oder Optimierung allozieren, sondern dadurch, daß sie auf
Eigentum basieren, das erstmals ökonomische Mechanismen wie Belastung und
Verpfändung generiert. Innerhalb der Eigentumsgesellschaften nun übertrifft
der technische Fortschritt von Gesellschaften mit freier Lohnarbeit denjenigen
von solchen ohne freie Lohnarbeiter. (Ebd., S. 388).Beide
Eigentumsgesellschaften sind durch die Eigentumsprämie gekennzeichnet, die
beim Kreditieren von Ansprüchen gegen dabei belastetes Eigentum des Gläubigers
in Zins verwandelbar ist. Beide verwenden Anrechte auf Eigentum als Geld, das
gegen Zinspflichtigkeit und Verpfändung von Eigentum des Schuldners über
Gläubiger-Schuldner-Kontrakte das Winschaften erzwingt. (Ebd., S. 388-389).Die
gegen Zins kreditienen Anrechte auf Eigentum werden zu Kapital. Ein solcher Geldvorschuß
kleidet mithin keine materiellen Ressourcen ein. Das Eigentum, gegen das Geld
als Anrecht steht, wird in der Kreditoperation nicht bewegt, das heißt vom
Schuldner niemals genutzt. Das Rätsel eines Geldes, das vor einer handelbaren
Gütermenge existien, löst sich dadurch, daß vor dem Geld das Eigentum
steht. Deshalb entsteht Kapital jenseits der Gütersphäre und muß
dementSprechend in Gesellschaften fehlen, die zwar Güter, aber keine Eigentumstitel
und entsprechend auch keine Eigentumsprämie kennen. (Ebd., S. 389).Da
Kapital nur als Geldvorschuß entsteht, auf den Zinsen zu zahlen sind, muß
seine Umsetzung in Produktionsmittelwene, also in monetär ausgepreiste Faktoren,
so erfolgen, daß ein Profit entsteht, der mindestens der Zinshöhe entspricht.
Die Produktionsmittelwene gibt es mithin nur in Abhängigkeit und in demselben
Standard, in dem der aufgenommene Geldvorschuß ausgedrückt worden ist.
Akkumulation erfolgt also aus der Kette:1. | Aufgabe
der Eigentumsprämie eines Gläubigers durch Belastung seines Eigentums, | 2. | Kreditieren
von Geld in Form von Anrechten auf Gläubigereigentum gegen Zins und gegen
Haftung von Schuldnereigentum sowie | 3. | die
Umwandlung dieses Geldvorschusses in Arbeit und Realkapital, also in monetär
bewenete Produktionsmittel mit der Maßgabe einer Profiterzielung mindestens
in der Höhe des Zinses. | Die unterlegene Akkumulationsdynamik
der antiken Eigentumsgesellschaften resultien daraus, daß überschuldete
Eigentümer aus der Gruppe der Eigentümer ausscheiden, also in die Sklaverei
Überwechseln. Der römische »Kaufsklavenkapitalismus« (Max
Weber) hat in seiner Gipfelperiode um die Zeitenwende - wie Cicero überliefert
- nur noch 2000 Eigentümer. Die großen technologischen Innovationen
erfolgen mithin am Beginn der Gesellschaft von Eigentümern, deren Zahl dann
progressivabnimmt. Der Sklave hat das Eigentum an sich selbst verloren. Er fungien
mithin wie ein Produktionsmittelwen, den sein Eigentümer, für den er
Realkapital ist, wieder in Geld verwandeln kann. Gleichwohl garantiert ihm - wie
auch bei anderen Eigentumsvarianten - dabei niemand den Wiedererlös des eingesetzten
Geldes. (Ebd., S. 389-390).Die meisten neuzeitlichen Eigentumsgesellschaften
haben die Sklaverei politisch abgeschafft, weshalb sie in jedem zusätzlichen
Menschen einen weiteren Eigentümer begrüßen. Diese freien Menschen
können ihr Eigentum an Arbeitskraft verkaufen. Der ihnen dafür auszuhändigende
Geldlohn ist für den Unternehmer zunächst ein verlorener Geldvorschuß,
den er gleichwohl verzinsen muß. Während der Sklave wie eine Maschine
oder ein Grundstück wieder verkauft und so zur Rückgewinnung von Geld
eingesetzt werden kann, ist das Lohngeld erst einmal verloren, weil die Ware noch
die Hürde des Marktverkaufs nehmen muß. Mit dem Lohnarbeiter ist ein
verbindlicher Vertrag über Lohngeld zu erfüllen, während ein Käufer,
der dann einen Kaufvertrag durch Leistung des Preises erfüllt, erst gesucht
werden muß. Die Freiheit des Lohnarbeiters besteht ja gerade darin, daß
er - anders als der Sklave - nicht für das zur Zahlung seines Lohnes geliehene
Geld in Haftung genommen werden kann. (Ebd., S. 390).Permanent
wird deshalb versucht, die Verausgabung von Lohngeld zu vermeiden. Der Geldlohn
bedeutet die Umwandlung von Unternehmereigentum in Eigentum des Lohnarbeiters
und schmälert damit die Eigentumsposition des Unternehmers. Sein ununterbrochener
Versuch, das für Arbeitskraft in der Produktion aufzuwendende Geld nicht
zu verlieren, sorgt also in entscheidender Weise für den stetigen technischen
Fortschritt in den Eigentumsgesellschaften der Neuzeit. Die sich »technisch«
niederschlagende Innovation soll die potentiellen Lohngeld- bzw. Eigentumsverluste
reduzieren. (Ebd., S. 390).Die Differenz zwischen Antike
und Neuzeit liegt nicht darin, daß beim Sklaven der arbeitssparende Einfallsreichtum
als Faulheit bestraft wird, während der freie Arbeiter mit solchen Einfällen
einem allgemein menschlichen Streben nach Bequemlichkeit gerade gerecht werde.
Antiker und neuzeitlicher Unternehmer unterscheiden sich auch nicht durch voneinander
abweichende Ausprägungen einer Gier (Klassik), eines Konsumverzichts (Neoklassik)
oder einem Interesse an Vermögensvermehrung (Monetärkeynesianismus).
Im Sklaven hat der Unternehmer vielmehr Eigentum, während er an den Lohnarbeiter
Geld verliert. Die Reduzierung eben dieser Verluste macht ihn ununterbrochen angewiesen
auf arbeitssparende Einfälle. (Ebd., S. 390).
G) Das Kapitel von der Krise: Konjunkturzyklen, Depression
und Arbeitslosigkeit
1) Die Unmöglichkeit
der Krise in den tauschtheoretischen Ansätzen von Klassik, Neoklassik und
Neokeynesianismus (S. 392-420) 2) Die geldtheoretischen Ansätze
einer Krisen- und Arbeitslosigkeitstheorie bei Keynes und den Monetärkeynesianern
(S. 420-431) 3) Die
Eigentumstheorie der Krise (S. 432-439) 4) Zusammenfassung
(S. 439-441) |
»Es
gibt drei Faktoren, die jeder für sich notwendig sind, damit das Bankensystem
aus eigener Kraft eine Kreditexpansion in Gang setzen kann. Zum ersten müssen
die einzelnen Banken überzeugt sein, daß sie so reichlich mit Mitteln
versehen sind - eine so große Liquiditätsreserve haben -, daß
sie ohne Gefährdung ihrer eigenen Position ihre Ausleihungen steigern können,
falls gute Kunden auftauchen. .... Zum zweiten müssen Unternehmer
da sein, die eine so optimistischen Ausblick auf die Profitabilität und die
kommende Entwicklung haben, daß sie es wagen, aktiv zu sein und ein Darlehen
aufzunehmen. Und drittens müssen die Banken diese Kunden als kreditwürdig
ansehenAlle diese drei Faktoren sind in hohem Grade psychologisch bestimmt«
(Ragnar Frisch [1895-1973], 1935; vgl. Norwegische Parlamentsgutachten vom 30.11.1935).
(Ebd., S. 391).Die Kehrseite der Akkumulation ist die Krise bzw.
die Unterbrechung von Akkumulation, die ja aus Geldvorschuß mit technischem
Fortschritt zur Reduzierung allemal verlorener Lohngeldvorschüsse entspringt.
Dieser Zwang zu technischem Fortschritt führt bestenfalls kurz- und mittelfristig
zu Arbeitslosigkeit, weil neue Produktionssektoren entstehen, von denen die freigesetzten
Arbeitskräfte absorbiert werden. Die Arbeitslosigkeit stellt sich als Resultat
des Abbruchs von Akkumulation ganz unabhängig davon ein, ob diese mit oder
ohne technischen Fonschritt erfolgt. Dieser Abbruch zeigt sich empirisch am deutlichsten
im Rückgang der Nachfrage nach Realkapital, der Investitionen also, und dadurch
als Produktionsrückgang mit negativen Rückwirkungen auf Einkommen und
Beschäftigung. Dieser Rückgang verkörpen sich vor allem in einem
Rückgang von Profiten. (Ebd., S. 391-392).Eine ernsthafte
theoretische Beschäftigung mit der Krise ist lediglich von Marx und Keynes
versucht worden. Marx kaprizien sich dabei auf die prekäre Stufe des Verkaufs
der produzienen Waren gegen Geld, der nicht erzwungen werden und also ausbleiben
kann. Keynes hingegen interessien sich für die effektive, also mit Geld auftretende
Nachfrage, die hoch genug sein muß, damit dieser Verkauf erfolgen kann.
(Ebd., S. 392).
3) Die Eigentumstheorie der Krise
So richtig es ist, daß
Zins- und Profitänderungen zu einer Neubewertung aller Eigentumstitel führen
und so die Rentabilität von Investitionen entscheidend beeinflussen, so unerhellt
bleibt der Grund, wodurch diese Umwenungen erzwungen werden. (Ebd., S. 432).Wir
kommen dieser Ursache näher, wenn wir - wie die Monetärkeynesianer -
daran denken, daß der Investor Geld - und nichts als Geld - für die
allenthalben als rentabel erkannte neue Produktionskapazität braucht. Nehmen
wir weiterhin an, daß er dieses Geld nicht zur Verfügung hat. Denn
hätte er es, wäre es in Vermögenstiteln angelegt, die nur unter
Verlusten kurzfristig in Geld zurückverwandelt werden könnten. Er muß
sich also den benötigten Kapital-Geldvorschuß von einer Bank kreditieren
lassen. Dafür muß er eine Bedingung erfüllen, die uns nicht nur
vom Monetärkeynesianismus, sondern auch von Klassik und Neoklassik weit wegführt.
Er muß sich nämlich nicht nur zur Refundierung und Zinszahlung verpflichten,
sondern zuvor Eigentum haben, das er der Bank zu verpfänden hat, damit sie
sich die Refundierung holen kann, wenn er fallien. Ohne solche Sicherheit kommt
er an Geld überhaupt nicht heran. (Ebd., S. 432).Die
Krise ist immer dadurch gekennzeichnet, daß haftendes Eigentum entwertet
wird. Dadurch verlieren die von Entwenung betroffenen Unternehmer ihre Kreditwürdigkeit.
Ihre Schulden nämlich bleiben fix, aber die Besicherung für die Schulden
droht unter die Schuldsumme zu fallen. Washeißt das für ihre Gläubiger,
die Geschäftsbanken? Sie haben ihre Forderungen mit haftendem Eigentum gesichen,
das nun abgewenet ist, was zu »schlechten« Forderungen zu führen
droht. Die Forderungen gegen die Bank selbst jedoch - also die von ihr zu verzinsenden
und, je nach Fälligkeit, in Geld einzulösenden Einlagen - bleiben in
ihrer Höhe unverminden. Deshalb müssen sich die Banken im Maß
ihrer schlechten, das heißt nicht mehr gesichenen Forderungen refinanzieren.
Das wiederum verlangt, daß sie der Zentralbank gute Titel verpfänden
oder verkaufen können. Dabei kann es sich aber nur um Vermögenstitel
handeln, die Geschäftsbanken von guten Schuldern erworben haben und die in
ihrer Qualität den »guten Handelswechseln« nicht nachstehen.
(Ebd., S. 432).Gute Schuldner werden in der Krise jedoch
rar: Während der Weltwinschaftskrise im Deutschen Reich (zweites Halbjahr
1931) zum Beispiel »konnte es nicht ein unvermindertes Angebot von Rediskontmaterial
im Markt geben. In einer Situation, in der der Zins nur von Schuldnern, nicht
aber von Gläubigern als hoch eingeschätzt wird, kann es nur begrenzt
noch Wechselmaterial aus den für gute Handelswechsel typischen Transaktionen
geben. Wer eine Forderung hat, wird sich in Erwartung steigender Zinsen ... naturgemäß
nicht mit der Annahme eines Wechsels an Zahlungs statt zufrieden geben wollen.
Es wird nur in eine derartige Erfüllung der Forderungen einwilligen, wer
eine äußerst schwache Marktposition hat. Das bedeutet, daß sich
das weiter verfügbare Material in seiner Quantität vermindert und in
seiner Qualität verschlechtert. Jeder Gläubiger mit einer starken Marktposition
-das heißt: jeder wirkliche Vermögenseigentümer -wird es unter
derartigen Umständen vorziehen, Bargeld zu erhalten und dies auch durchsetzen
können.«65 Ähnliches hat für die Weltwirtschaftskrise in
den USA Jan Kregel (*1944) festgestellt: »Zu Beginn der dreißiger
Jahre hatte sich die Wirtschaftslage so verschlechtert, daß es nicht genügend
gute Handelswechsel zur Diskontierung gab«. (Jan Kregel, a.a.O.).
(Ebd., S. 432-433).Verzinsliche - also in Geld denominierte
- Titel, welche die Gläubiger halten, stehen immer unter dem Damoklesschwert
der Geldentwertung. Ununterbrochen müssen solche Verluste befürchtet
werden ganz unabhängig davon, ob Schuldner leisten können oder nicht.
Die Befürchtungen können in ihrer Intensität wanken. Sie können
-wie zu Beginn der Weltwirtschaftskrise in den USA - auch unbegründet sein.
Sie machen sich auf jeden Fall auf dem Kreditmarkt in tendenziell höheren
Realzinsen bemerkbar, wodurch sich die Zentralbanken zu einer restriktiven Geldpolitik
gezwungen sehen. Das ist besonders gut belegt für den Begin der Weltwirtschaftskrise
in den USA mit ihren lediglich nominal niedrigen Zinsen. Dort stiegen die Realzinsen
nach der kleinen Krise des Jahres 1927 bereits vor dem Crash im Oktober 1929 auf
über 5% und bis Ende 1930 auf ca. 14%. (Ebd., S. 433-434).An
dieser restriktiven Geldpolitik leiden alle Schuldner, mithin auch die »guten«
Das tun sie deshalb, weil das Herunterfahren der Beleihungsgrenzen - des für
Haftung akzeptierten Eigentumsanteils auch sie trifft. Dasselbe gilt für
ausbleibende Krediterneuerungen. Das Ansteigen des Zinses läßt den
Wert ihres als Sicherheit stellbaren Vermögens sinken. Und selbst ein minimaler
Diskont, wie ihn die japananische Zentralbank 1995 mit 0,5 Prozent etabliert hat,
kann zu hoch sein, wenn die bereits erfolgte Entwertung haftenden Eigentums damit
nicht aufgehoben wird. (Ebd., S. 434). In der Krise
werden also auch die besten Schuldner mit einer Entwertung ihres Haftungseigentums
bei gleichzeitiger Steigerung ihrer Zinsverpflichtungen konfrontiert. Sie müssen
deshalb als Investoren zurückhaltender werden. Zugleich zahlen die Geschäftsbanken,
deren Verpflichtungen fix geblieben, die von ihnen akzeptierten Sicherheiten aber
im Wert gefallen sind, eher ihre Verbindlichkeiten bei der Zentralbank zurück
als Geld für neue Investitionen zu kreditieren. So versuchte während
der Weltwirtschaftskrise das Federal Reserve System in den USA durch Kauf
von Staatsschuldtiteln auf dem offenen Markt die Geschäftsbanken mit Geld
auszustatten, um ihre Kreditvergabemöglichkeiten zu erhöhen: »Aber
die Banken, die Staatsschuldtitel an das Federal Reserve System verkauften,
verwandten ihre Einnahmen nicht dazu, die Kreditausleihungen zu steigern; stattdessen
zahlten sie sofort ihre vorhergehenden Diskontverpflichtungen liegenüber
dem Federal Reserve System vorfristig zurück« (Jan Kregel, a.a.O.).
(Ebd., S. 434).Die Versuche, durch die erleichterte Refinanzierung
bei der geldausgebenden Institution - in der Regel also der Zentralbank - den
Kredit zu erhöhen, scheitern deshalb, weil diese Institution nicht die Möglichkeit
hat, die potentiellen Schuldner-Unternehmer mit Haftungseigentum auszustatten,
auf dem die Geschäftsbanken bestehen müssen. Selbst staatliche Bürgschaften
oder Zinssubventionen können nur in begrenztem Umfang eintreten, wenn die
Funktionsregeln der Eigentumswirtschaft nicht zerstört werden sollen.
(Ebd., S. 435).Schauen wir nun den Schuldner-Unternehmer
noch etwas genauer an. Als verpfändbares Eigentum steht sein Bestand an Realkapital
und marktfähigen Forderungen gegen Dritte zur Verfügung. Dieses wird
nun von einer Bank nicht anders bewertet als vom Investor selbst, das heißt
über den aktuellen Geldzinssatz und die Profiterwartungen. Ein Sinken des
Kapitalwertes (Vermögenspreises) durch Zinserhöhung bei konstanten Profiterwartungen
bzw. durch sinkende Profiterwartungen bei konstantem Zinssatz führt entsprechend
zu einem Sinken des Wertes des als Sicherheit für den Kredit zu stellenden
Eigentums. Von vornherein wird die Bank deshalb einen Kredit nur in Höhe
eines Teils dieses als Pfandsicherheit stellbaren Eigentums gewähren, um
gegen Wertminderungen geschützt zu sein, falls sie in den Schuldner vollstrecken
muß. Mit dieser Beleihungsgrenze vermeidet sie auf ihrer Seite zugleich
die kostspielige Durchführung permanenter Neubewertungen. (Ebd., S.
435).Hingegen muß der Investor über die Bestimmung
des Wertes seines verpfändbaren Eigentums (Vermögenspreises) ständig
ermitteln, ob er Eigentum verliert oder seine Kreditwürdigkeit erhält.
Bei fallenden Eigentumswerten reduziert sich seine Verpfändungsfähigkeit
und wird damit zu einer Grenze für Investitionen in Realkapital bzw. zur
Ursache für eine verminderte Verschuldung. Aus denselben Gründen sinkt
auch die Kreditvergabebereitschaft der Bank. Aufschwung, Abschwung und Krise sind
also nicht nur vom Investitionskalkül abhängig, sondern auch von der
Verpfändungsfähigkeit seines Eigentums, die Bewertungsveränderungen
unterliegt. (Ebd., S. 435).Selbst wenn das Verpfändungspotential
ausreicht, kann die Bereitschaft zur Verschuldung abnehmen. Das Investitionskalkül
kann dadurch negativ beeinflußt werden, daß der potentielle Investor
nicht dauerhaft günstige Absatzerwartungen hegt, da er eben nicht von einer
unbegrenzten Sayschen Aufnahmefähigkeit des Marktes ausgehen kann. Als Produzent
befindet sich der Investor mithin in der Lage eines Gläubigers, der seine
Kontrakte nicht direkt mit einem Schuldner abschließt, sondern lediglich
erwarten kann, daß sich für seine Waren genügend Schuldner als
Käufer finden. (Ebd., S. 435-436).Jede Bewertung
von Eigentumsbeständen kann sich insofern als »Überbewertung«
erweisen, als die Neubewertung aufgrund steigender Zinssätze oder fallender
Profiterwartungen zu einer Wertminderung von Eigentum führt. Von dieser zu
unterscheiden ist die Überbewertung von Eigentum durch direkte Spekulation,
die zu einer Krise führen kann. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung
des Vermögenspreises, die sich von seiner Bestimmung durch die mit dem Zinssatz
abdiskontierten erwarteten Profite weitgehend losgelöst hat. Als typische
Beispiele können Haussen an der Börse, wie an der Wall Street
in den späten 1920er Jahren, ebenso herangezogen werden wie Grundstücksspekulationen
vom Typus der japanischen in den späten 1980er Jahren. (Ebd., S. 436).Eine
Überbewertungskrise kommt nun dadurch in Gang, daß spekulativ aufgeblähte
Vermögenswerte zur Grundlage einer Sicherheit für Kredite gemacht werden.
Werden diese Vermögenspreise wieder an die Bewertung durch Zins- und Ertragserwartungen
rückgekoppelt, dann stürzen mit ihnen auch die Werte der Kreditsicherheiten.
Die Schuldner müssen zur Abdeckung ihrer Verpflichtungen verkaufen und werden
damit die Preise weiter nach unten treiben. Oder sie mÜssen nachschießen,
was aber nur schwer gelingen kann, da ihr verpfändbares Eigentum ja gerade
entwertet wird. Die Gläubiger wiederum können in die fallierenden Schuldner
kaum noch vollstrecken, da ihre Pfänder enorm an Wert verloren haben. Ob
eine solche Krise zu einer allgemeinen führt oder nicht - wie im Crash an
der Wall Street am 28. und 29. Oktober 1929 (zusammen minus 24,5%) oder vom 19.
Oktober 1987 (minus 22,6%) -, hängt davon ab, in welchem Ausmaß die
Zentralbank Geld zur Verfügung stellen kann oder Vermögensbestände
zur Abdeckung der Verluste zu Geld gemacht werden können. Im heutigen Japan,
wo in der Spekulation (vorwiegend in Grundstücken) 80 Billionen Yen (ca.
1,15 Billionen DM) als uneinbringbar geschätzt werden (Oktober 1995), scheint
die kritische Grenze für eine allgemeine Wirtschaftskrise zumindest nicht
weit fern zu liegen. (Ebd., S. 436).Die in der Wirtschaftstheorie
nicht beachtete Verpfändung von Eigentum im Kreditkontrakt steht im Zentrum
einer Eigentumstheorie der Krise. Was besagt sie allgemein? In der Eigentumsgesellschaft
stehen alle Subjekte in der Verteidigung ihres Eigentums. Eine Gefährdung
desselben - insbesondere durch befürchtete Geldentwertung führt mithin
dazu, daß die Eigentumsprämie steigt und seine Belastungs- und Verpfändungsfähigkeit
eingeschränkt wird. Es gibt also nicht nur Gläubiger, die Produzenten
von der Geldversorgung abschneiden, sondern auch potentielle Schuldner, die auf
Eigentumsvermehrung durch die Erwirtschaftung von Profit verzichten und damit
die Enstehung von Gläubigerpositionen verhindern. (Ebd., S. 436-437).Besonders
gut illustriert wird dieses Kalkül der Akteure einer Eigentumswirtschaft
bereits durch alle konkreten Gefährdungen von Eigentum, die aus seiner Zerstörung
durch äußere Einflüsse, durch Enteignung oder ähnlichem erwachsen
können. Zum Beispiel kann dann eine Eigentumsflucht in Form der »Kapitalflucht«
in besser eigentumsgesicherte Währungen krisenauslösend wirken.
(Ebd., S. 437).Die Krise resultiert daraus, daß
alle Eigentümer eine Gefährdung ihrer Position sehen, also für
das belastbare Eigentum oder Forderungen gegen das Eigentum anderer eine Wertverminderung
erwarten. Die Gläubiger fürchten, daß ihre Forderungen nicht mehr
hinreichend gedeckt sind bzw. an Wert verlieren, während die Schuldner wissen,
daß sie bei Sinken des Wertes ihres Eigentums ihre Kreditwürdigkeit
verlieren. (Ebd., S. 437).Die Besonderheit der Eigentumsökonomie
führt nun dazu, daß wie etwa Riese gesehen hat -ihre makroökonomische
Steuerung in Paradoxien geraten kann, die sich allerdings nicht aus der Bereitschaft,
Geld aufzugeben bzw. nicht aufzugeben, das heißt einer niedrigen bzw. hohen
Liquiditätsprämie erklären. Die für einen solchen Schritt
erforderliche Geldhaltung ist - wie gezeigt - nicht gegeben. Gegeben ist vielmehr
Eigentum, dessen Belastung Geld als Anrechte auf Eigentum im Kreditkontrakt bereitstellen
kann. Die von Riese erörterten Paradoxien haben also ihren Grund in der Bereitschaft,
diese Anrechte herauszugeben, sowie in der Fähigkeit, zu ihrer Erlangung
Eigentum zu verpfänden. Beide Eigenschaften werden durch die Eigentumsprämie
ausgedrückt. Es sind ihre Schwankungen, von denen die Konjunkturzyklen bestimmt
werden. Die Schwankungen der Liquiditätsprämie hingegen reflektieren
diese Zyklen bloß. (Ebd., S. 437-438).Die
Erkenntnis, daß bei hohen Profiterwartungen die Eigentumsprämie niedrig
ist, besagt also, daß die Bereitschaft, Anrechte auf Eigentum zu verleihen
und die Fähigkeit, Eigentum zu verpfänden, hoch ist. Sie erklärt
sich daraus, daß Eigentümer sowohl als Gläubiger als auch als
Schuldner in einer solchen Konsteallation die Gefahr des Eigentumsverlustes gering
schätzen. Ein daraus erwachsender Konjunkturaufschwung nebst Inflationsgefahr
kann nun aber nicht dadurch gebremst werden, daß eine Instanz vorhanden
wäre, die an der Eigentumssprämie manipulieren könnte. Die Zentralbank
kann lediglich die Zinsen hoch setzen und darüber die Profiterwirtschaftung
erschweren. Dadurch entstehen unbeabsichtigte Effekte bis hin zum Abwürgen
einer gut laufenden Konjunktur. Die von den jetzt zinsgewürgten Profiterwartungen
nach oben getriebene Eigentumsprämie, die ja durch Zins kompensiert werden
muß, kann vielmehr eine Rezession ungewollt befördern. (Ebd.,
S. 438).Umgekehrt führen niedrige Profiterwartungen
zu einer hohen Eigentumsprämie und damit zu einer Rezession mit nachfolgender
Arbeitslosigkeit, weil die Bereitschaft, Anrechte auf Eigentum zu kreditieren
und die Fähigkeit, Eigentum zu verpfänden, niedrig sind. Wie im Boom
eine Erhöhung der Zinsen durch die Geldpolitik nicht zu einer Erhöhung
der Eigentumsprämie führt, so gilt in der Rezession, daß eine
Senkung der Zinsen durch die Zentralbank keine Senkung der Eigentumsprämie,
also keine Erhöhung der Bereitschaft erzwingen kann, Anrechte auf Eigentum
im Kredit zu schaffen bzw. Eigentum zu verpfänden. Dazu müßte
sie die Möglichkeit haben, belastbares und haftungsfähiges Eigentum
zur Verfügung zu stellen. Zentralbanken können dies nicht. (Ebd.,
S. 438).Der Staat jedoch könnte dreierlei tun. Er
kann (1.) Eigentum neu verteilen und so Verschuldungsfähigkeit wiederherstellen.
Er kann (2.) diesen Schritt herausschieben und sich selbst für die Bürger
mit dem Resultat einer Nachfrageschaffung verschulden. Damit verbunden kann er
(3.) seine Staatsschuldtitel den Geschäftsbanken als Ersatz für gute
Handelswechsel anbieten. Während er sich mit letzterer Politik wie im Geldkapitel
erörtert - einen »Zentralbankdefekt« einhandeltkann die zweite
Politik bei bereits hoher Staatsverschuldung dazu führen, daß die Zinsbelastung
seine Steuereinnahmen verzehrt, so daß am Ende nur die erste Alternative
bleibt. (Ebd., S. 438-439).
4) Zusammenfassung
Die auf dem Tauschparadigma basierenden
ökonomischen Theorien von Klassik, Neoklassik und auch Neokeynesianismus,
Monetarismus und Neuklassik können aus sich heraus die Krise nicht denken.
Da sie Geld als neutral-passiven Mittler des Realtausches auffassen, der die relativen
Preise oder Tauschraten nicht - oder nur störend - zu beeinflussen vermag,
sollte die Flexibilität der Tauschraten eine Krise ausschließen.
(Ebd., S. 439).Eine - aus welchen Gründen auch immer gegebene
- Nichtflexibilität der Tauschraten, aber auch für die Tauschwirtschaft
mit Geldgebrauch exogene Einflüsse wie eine für die Tauscherfordernisse
zu geringe Geldmenge (sogenannte monetäre Schocks) oder plötzlich die
Tauschvorgänge beeinflussende Produktivitäts- und Präferenzveränderungen
(sogenannte reale Schocks) können - nach der herrschenden Theorie - zu einer
Krise führen, die aber nach Anpassung der Tauschraten an diese Schocks bestenfalls
vorübergehenden Charakter hat. (Ebd., S. 439).Die Unfähigkeit
zur Erklärung der Wirtschaftskrisen wird von diesen Schulen offen eingeräumt
und entschieden beklagt. Die fragwÜrdigen tauschtheoretischen Grundlagen
aber werden nicht in Frage gestellt. (Ebd., S. 439).Anders
als die meisten Vertreter der Neoklassik erwartet sich Keynes von der Flexibilität
der Preise keineswegs ein Ausbleiben von Krisen. Er sieht dabei, daß Preise
immer Geldpreise sind, die auf Gläubiger-Schuldner-Kontrakte, die ja ebenfalls
in Geld denominiert sind, direkt durchschlagen. Deshalb liegt ihm daran, daß
die Geldpreise sich gerade nicht flexibel verhalten, sondern stabil bleiben. Ein
allgemeines Fallen der Geldpreise würde die Möglichkeit eröffnen,
daß die Schuldner ihre in festen Geldpreisen nominierten Kontrakte nicht
mehr erfüllen können und damit nicht nur sich selbst gefährden,
sondern ihre Gläubiger mitreißen. Das daraus resultierende Zerreißen
zahlloser Gläubiger-Schuldner-Kontrakte würde die Krise verschärfen.
(Ebd., S. 439-440).Gleichwohl gibt es auch bei Keynes einen relativ
nichtflexiblen Preis - den Zins. Da der Einbruch der Profitrate die Krise einleitet,
richtet sich nunmehr die Nachfrage auf Geld und nicht auf produzierbare Güter.
Diese Nachfrage auf das Gut Geld kann - anders als die Nachfrage nach Gütern,
die kein Geld sind - nicht zu einer höheren Produktion und Beschäftigung
führen. Und diese Nachfrage nach Geld bewirkt, daß der Zins langsamer
zurückgeht als der Profit. Würde hingegen der Zins noch schneller fallen
als die Profitrate, dann würde eine Krise wie in der Neoklassik nur vorübergehend
sein. Da bei Keynes Geld nicht als ein Tauschgut fungiert, wird es zum Krisennexus.
(Ebd., S. 440).Im Monetärkeynesianismus wird anders als bei
Keynes nicht die nach Profiteinbruch steigende Nachfrage nach Geld, sondern das
Angebot von Geld thematisiert. Bei Einbruch der Profite erhöhe sich nämlich
die Liquiditätsprämie der Vermögensbesitzer , das heißt der
Gläubiger im Kreditkontrakt, worauf sie ihr Geldangebot verringern und nicht
- wie bei Keynes - mehr Geld nachfragen. Dadurch unterbrechen sie den Akkumulationsprozeß.
Spahn ergänzt zu dieser Unterbrechung, daß das Kalkül für
Investitionen in Realkapital durch eine Zinserhöhung insofern negativ beeinflußt
wird, als sie zu einer Wertminderung des bereits gehaltenen Realkapitalbestandes
führt. Dadurch kann der Vermögenspreis des Kapitalbestandes unter den
Produktionspreis der Investitionen in neues Realkapital sinken, wodurch diese
unrentabel werden. (Ebd., S. 440).In dieser Sicht wird stillschweigend
vorausgesetzt, daß das Geld für eine Investition zur Verfügung
gestellt wird, wenn diese als so rentabel gilt, daß der Rückfluß
des verliehenen Geldes erwartet werden kann. Dabei wird die entscheidende Bedingung,
daß über Geld nur verfügen kann, wer ausreichend gute Sicherheiten
zu stellen vermag, Übergangen. Dieses verpfändbare Eigentum wird vom
Gläubiger, der das Geldkapital für die Investition in Realkapital als
Vorschuß zur Verfügung stellt, auf dieselbe Weise bewertet wie vom
Investor selbst, also über den Zins und den davon beeinflußten Profiterwartungen.
Das gleiche gilt für den Investor in seiner Rolle als Schuldner des geliehenen
Geldkapitals. Bewertungsveränderungen des verpfändbaren Eigentums beeinflussen
die Bereitschaft des Gläubigers zur Kreditvergabe und der Fähigkeit
des Schuldners zur Kreditaufnahme. Diese Umwertungen werden durch die ständige
Furcht vor Verlusten der immer in fixen nominalen Beträgen gehaltenen Forderungen
der Gläubiger erzwungen. (Ebd., S. 440-441).Im Aggregat
sind dann die Bewertungsveränderungen verantwortlich für Aufschwung,
Abschwung, Krise und damit verbunden Arbeitslosigkeit. Alle diese Momente sind
im Kern der Tatsache geschuldet, daß in einer Eigentumswirtschaft die Akteure
- ob in ihrer Gläubiger- oder Schuldnerrolle - der Notwendigkeit nachkommen
müssen, ihr im Wert schwankendes Eigentum zu verteidigen. Wertschwankungen
entscheiden über den Konjunkturverlauf, insbesondere über Akkumulation
und Krise und damit auch über die Höhe der Beschäftigung.
(Ebd., S. 441).In der Eigentumswirtschaft kann die »monetäre
Autorität« die Zentralbank, diese Schwankungen nur begrenzt über
den Zins beeinflussen. Die Eigentumsprämie kann sie nicht senken, da sie
in der Krise das schmerzhafte Fehlen guter Sicherheiten nicht beheben kann. Die
staatliche Autorität, die politische Führung, könnte dem Fehlen
guter Sicherheiten bei den Bürgern dadurch begegnen, daß der Staat
sich für seine Bürger verschuldet. Diese Politik würde jedoch auf
Dauer stumpf. Am Ende bleibt für die Bekämpfung der Krise in einer Eigentumsgesellschaft
kein anderer Weg als bei der Etablierung dieses Systems. Der Staat müßte
wie ein Romulus handeln, also durch die radikale Verteilung von Eigentum die Verschuldungsfähigkeit
wiederherstellen. (Ebd., S. 441).
H) Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung: Herschafts-,
Markt-, Geld- und Eigentumsverfassung
»Was
zu allererst gemacht werden muß, wenn man eine Vorllesung oder Abhandlung
über Politische Ökonomie beginnt, ist die Definition der Wissenschaft
selbst, ihres Gegenstands, ihrer Gebiete, ihres Wesens und ihrer Reichweite. Ich
will mich dieser Verpflichtung in keiner Weise entziehen; ich muß allerdings
betonen, daß sie zeitaufwendiger und schwieriger zu erfüllen ist, als
man annehmen möchte. Eine befriedigende Definition der Politischen Ökonomie
steht noch aus. Von allen Definitionen, die bisher vorgeschlagen worden sind,
hat nicht eine die allgemeine und endgültige Billigung gefunden, die das
Kennzeichen etablierter wissenschaftlicher Wahrheit ist.« (Leon Walras,
1874) (Ebd., S. 443).Die hier vertretene Theorie hingegen
erfaßt das Wirtschaften aus dem Eigentum, dessen immaterieller Ertrag, die
Eigentumsprämie als seine Belastungs- und Verpfändungsfähigkeit,
das Wirtschaften nebst Zins, Geld und Markt konstituiert. Wir sprechen deshalb
von der Eigentumswirtschaft. Dieser Begriff impliziert, daß die beiden anderen
Schulen das Eigentum auch dann nicht verstehen, wenn sie von ihm reden, sondern
es durchweg mit Besitz verwechseln, bei dem es um eine physische Nutzung von Gütern,
nicht jedoch um genuines Wirtschaften geht. Für uns kommt die Marktwirtschaft
also nicht vom Markt, der Wettbewerb nicht von einer Wettbewerbsordnung und die
Geldwirtschaft nicht vom Geld. Durch das Hinsetzen von Märkten und von zweistufigen
Bankensystemen läßt sich denn auch keine Konkurrenz um monetäre
Kaufkontrakte hervorbringen, durch die Schaffung von Eigentum aber geht das alles
sehr wohl. (Ebd., S. 444).
1) Das ökonomische System als Kapitalismus oder Herrschaftswirtschaftt
in der Klassik
An dieser Stelle muß auch auf die Klassik eingegangen
werden. Sie hat zum Eigentum ja ebenfalls vielfältig und wortgewaltig geschrieben.
Wo die Klassik allerdings vom Eigentum spricht, in ihrer Terminologie vor allem
vom »Privateigentum«, meint auch sie nur Besitz mit seinen typischen
Verfügungs- oder Nutzungsrechten. Schon am Begründer der Klassik, Adam
Smith, läßt sich das unmißverständlich zeigen. Bis hin zu
Karl Marx - als dem Spätsprößling der Klassik (obwohl
er auch schon ein Kritiker der Klassik war; Anm. HB) - ist zu seinen Grundgedanken
nie mehr etwas entscheidend Neues hinzugetreten. (Ebd., S. 444).Wie
ihr neoklassischer Erbe betrachtet auch die Klassik die Wirtschaft als eine Tauschwirtschaft.
Die Erklärung des Geldes bindet sie ausschließlich an eine Evolution
im Prozeß der Tauscherleichterung, welche die Kongruenz der Gütertauschwünsche
herstellt. Adam Smith illustriert diese Sicht mit seinem Beispiel vom Fleischer
und vom Bäcker. Der Fleischer hat seine Brotwünsche bereits befriedigt,
der Bäcker begehrt aber immer noch Fleisch:»Um
den Übelstand einer solchen Lage zu vermeiden, wird jeder kluge Mensch zu
allen Zeiten gesellschaftlichen Lebens, sobald die Arbeitsteilung eingeführt
war, natürlich bemüht gewesen sein, sich so einzurichten, daß
er außer dem besonderen Produkte seines eigenen Gewerbes jederzeit noch
irgendeine Menge von einer oder der anderen Ware in Bereitschaft hatte, von der
er voraussetzen konnte, daß sie wahrscheinlich wenig Menschen beim Tausche
gegen das Erzeugnis ihres Gewerbes zurückweisen würden. Mancherlei verschiedene
Ware sind vermutlich dafür ins Auge gefaßt und zu diesem Zwecke verwendet
worden. / Auf diese Weise ist das Geld bei allen zivilisierten Völkern das
allgemeine Handelsinstrument geworden, durch dessen Vermittlung Güter aller
Arte gekauft und verkauft, oder gegeneinander ausgetauscht werden.« (Adam
Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes,
1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 4, S. 29 / 35). | In
ihrer Gütertauschökonomie unterscheidet die Klassik nun zwei Etappen:
das »Gemeineigentum« und das »Privateigentum«. Die Verortung
von Eigentum schon in der Stammesgesellschaft gerät ihr nun zum entscheidenden
Irrweg. Sie glaubt nämlich, daß, was dort in der materiellen Reproduktion
getrieben wird, setze sich später auf lediglich höherer Stufe fort.
Schon auf der frühen Stufe gäbe es einen durch Arbeitsmengen - und damit
anders als in der Neoklassik - bestimmten Tausch von Waren, deren Werte identisch
mit ihren relativen Preisen sind und der auf einem Tauschplatz Markt mit dem Gebrauch
von Geld vollzogen wird. In einem durch Arbeitsteilung wachsenden Produktionsprozeß
(technischer Fortschritt) funktionieren neben der Arbeit die produzierte Ressource
Kapital (Gütervorrat) sowie die ursprüngliche Ressource Grund und Boden.
Als einzige Einkommensquelle existiert der Arbeitslohn. (Ebd., S. 444-446).Auf
der höheren Stufe mit nun privater Aneignung treten lediglich die Einkommensarten
Profit und Bodenrente hinzu: »Sobald sich das Kapital in den Händen
einiger Personen gesammelt hat, werden natürlich einige von ihnen ihr Kapital
dazu verwenden, fleißige Leute zu beschäftigen und sie mit Material
und Lebensmitteln zu versorgen, um aus dem Verkauf ihres Arbeitserzeugnisses ...
Profit zu erlangen. / Sobald aller Grund und Boden eines Landes Privateigentum
geworden ist, begehren die Grundherren, gleich allen anderen Menschen, da zu ernten,
wo sie nicht gesät haben und verlangen sogar für sein natürliches
Produkt eine Rente.« (Adam Smith, Eine Untersuchung
über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1,
Kapitel 6, S. 60 / 63). (Ebd., S. 446).Profit
und Rente werden nun nicht ökonomisch hergeleitet, sondern als Ergebnis eines
Machtverhältnisses gefaßt, das den privaten Herren erlaubt,
die Arbeiter auf einen Lohn zu drücken, der nur für ihre Reproduktion
ausreicht. Der über diesem Reproduktionslohn liegende Überschuß
wird nach Einführung des »Privateigentums« von den (neuen) Kapital-
und Grundbesitzern nun als Profit bzw. Rente angeeignet. Dieser Überschuß
ist gleichbedeutend mit dem Unterschied der Warenpreise zu den -nach wie vor durch
die Arbeitsmengen bestimmten -wirklichen Warenwerten. Der auf dem Markt erzielte
Warenpreis wird in der Privateigentumsstufe der klassischen Wirtschaft nicht mehr
nur für Löhne verwendet, sondern muß auch die beiden anderen ursprünglichen
Einkommensquellen Profit und Bodenrente ermöglichen. Damit rangiert für
die Klassik der Zins hinter dem Profit. Wer selbst über Kapital verfügt,
erhält den gesamten Profit. Wer sich hingegen Kapital erst beschaffen muß,
hat jemanden zu finden, der ihm das Profitmachen ermöglicht. Als Entgelt
für diese an ihn ergehende Delegation von Macht über Kapital muß
er aus dem Profit Mittel abzweigen, die als Zins an den Kapitaleigentümer
abzuliefern sind. Der Zins existiert mithin nur als Derivat der Verfügungsmacht
über Kapital und der allein durch sie ermöglichten Profitmacherei.
(Ebd., S. 446-447).Am Privateigentum interessiert die Klassik also
die Macht zur Aneignung, die im Prinzip jeder Mensch sofort nutzen würde.
Da aber nicht allen Menschen Eigentum zugefallen ist, können nur einige seinen
Herrschaftsvorteil ausspielen, während die übrigen von ihm ausgeschlossen
sind. Einer natürlichen Gier der menschlichen Gattung folgend beuten deshalb
die Privateigentümer diejenigen aus, die ohne Eigentum angetroffen werden.
Die Klassik liefert also eine Theorie der Herrschaft, in die vorgefundene
ökonomische Kategorien - vor allem Privateigentum, Profit und Rente - eingebaut
werden. In der gesellschaftlichen Entwicklung sieht sie ganz entsprechend lediglich
unterschiedliche Formen von Herrschaft. Beim urtümlichen Gemeineigentum herrschen
alle, so daß keiner einen anderen zur Leistung von Profit und Rente zwingen
kann. Im entwickelten Zustand herrschen einige Privateigentümer, so daß
die Abpressung von Profit und Rente möglich wird. Beidemal geht es lediglich
um Verfügung über und die Nutzung von Ressourcen, das heißt um
ihren Besitz. (Ebd., S. 447).Ganz logisch folgt aus der klassischen
Sicht des Besitzes, den sie Eigentum lediglich nennt, der Glaube eines Karl Marx
und des auf ihm gründenden wissenschaftlichen Sozialismus. In dieser »dritten
und höchsten« Stufe gesellschaftlicher Entwicklung soll die Herrschaft
einiger durch die Abschaffung des Privat-»Eigentums,«, mit
dem sie ihre Profit- und Rentengier befriedigt haben, wieder beseitigt werden.
Nach Wiederherstellung von Gemein-»Eigentum« soll dann durch vorausschauenden
Plan jener - wenn nicht gar ein höherer - Überschuß erzeugt werden,
der zuvor von den Herren des Eigentums durch Ausbeutung abgepreßt worden
ist. (Ebd., S. 447).Spätestens diese historische »Endstufe«
der Herrschaft aller Werktätigen jedoch hat offenbart, daß die
von der Klassik allein betrachtete Verfügung über Ressourcen den von
ihr untersuchten und gepriesenen Wohlstand der Nationen bzw. das auf Kapitalakkumulation
und technischem Fonschritt beruhende Wachstum nicht erklären kann. Denn richtig
bleibt ja, daß auch im Sozialismus über Ressourcen verfügt wurde.
Es handelte sich nämlich um eine Wiedergeburt des Feudalismus mit seiner
hoheitlichen Aneignung und Umverteilung von Besitz. In diesem System sind nun
allerdings nicht - wie im Mittelalter - die Besten einer egalitären Kriegerkaste,
sondern die selbst ernannten Avantgarden der Arbeiterklasse zur Aristokratie geworden.
In der so heftig veruneilten Stufe des »Privateigentums« muß
mithin etwas ganz anderes als eine Ressourcenverfügung Einzelner das hervorgetrieben
haben, was im Sozialismus nicht etwa noch höher gestiegen, sondern zur Bestürzung
aller Beteiligten schlicht verlorengegangen ist. (Ebd., S. 447-448).Was
also - wenn nicht Herrschaft - war der verborgene ökonomische Motor der Eigentumswinschaft?
Um dieses herauszufinden, bedarf es einer Wirtschafts- und nicht einer
Herrschaftstheorie des Eigentums. Allein ersterer gelingt die ökonomische
Erklärung der Antriebskräfte aller Eigentumsökonomien - die Belastungs-
und Verpfändungsfähigkeit von Eigentum. Eine Herrschaftstheorie hingegen
kann sich nur auf die zu verteidigende oder anzugreifende Macht einer Kapitalisten-
und Junkerklasse kaprizieren. Nicht Eigentums-, Geld- oder Marktwinschaft, sondern
Kapitalismus ist denn auch das Etikett für die Wirtschaftsverfassung der
Klassik. (Ebd., S. 448).Die Klassik wird in diesem resümierenden
Kapitel noch einmal näher angeschaut, weil dem Mißverständnis
vorzubeugen ist, als wollten wir mit der Winschaftstheorie des Eigentums zu Quellen
zurück, die bereits bei der Klassik gesprudelt hätten. Sie ist jedoch
in den Hauptkapiteln des Buches gerade deshalb immer nur am Rande gestreift worden,
weil sie als bloße Herrschaftstheorie mit ökonomischem Jargon eine
Theorie des Wirtschaftens am allerwenigsten liefen. Sie steht keineswegs auf der
Höhe von Neoklassik und Monetärkeynesianismus, die wir als ökonomische
Gegenpositionen sehr genau anzuschauen hatten. Wir wollen also ausdrücklich
nicht zur Klassik zurück. Wir finden in ihr keinerlei - später verlorengegangene
- Klärungen, die in der Wirtschaftswissenschaft eine Renaissance verdient
hätten. (Ebd., S. 448).Der Wirtschaft kann es meist
gleichgültig sein, was Theoretiker von ihr denken. Das gilt allerdings nicht
für historische Momente, in denen eine theoretisch angeleitete Veränderung
der Grundstrukturen vollzogen wird. Die Klassik durfte uns hier auch deshalb noch
einmal beschäftigen, weil sie - in marxistischem Gewande - die russische
Revolution von 1917 in ihrer Transformation zum Sozialismus inspiriert hat.
(Ebd., S. 448-449).
2) Das ökonomische System als Marktwirtschaftt in der Neoklassik
Die
bisher vorgenommene strikte Unterscheidung zwischen den vier in diesem Buch ausführlich
entwickelten Wirtschaftsverfassungen verdeckt ein wenig, daß die jeweils
zentralen Begriffe - Herrschaft (Kapital), Markt, Geld und Eigentum - auch in
den von uns vorrangig behandelten beiden Schulen thematisiert werden. Die Neoklassik
äußert sich ausführlich zu Geldgebrauch und Privateigentum. Der
Monetärkeynesianismus kümmert sich durchaus um den Markt und manchmal
sogar um das Eigentum. Unsere Wirtschaftstheorie der Eigentumsverfassung wiederum
beharrt darauf, Markt und Geld erstmals ökonomisch erklären zu können.
(Ebd., S. 449).Wenn die Neoklassik den Markt ins Zentrum stellt,
dann interessiert sie sich nicht mehr für unterschiedliche Entwicklungsstufen
von Herrschaft. Sie sucht nach einem überall und ewig gültigen Gesetz
des Wirtschaftens und ist überzeugt, erst auf diesem Wege eine ökonomische
Theorie formulieren zu können, die vor der Strenge des naturwissenschaftlichen
Vorbilds bestehen kann. Als universales Anliegen von Wirtschaft sieht die Neoklassik
den optimalen Umgang mit Ressourcen, die prinzipiell knapp seien. Entgegen einer
verbreiteten Auffassung ist allerdings auch der Klassik Knappheit nicht fremd.
(Ebd., S. 449).Mit ihrer Erkenntnis einer möglichen Abweichung
der Tauschwerte von den Gebrauchswerten versucht sie diesem Phänomen durchaus
Rechnung zu tragen. Richtig ist jedoch, daß sie das sogenannte Wertparadoxon
nicht lösen kann. Es besteht darin, daß Güter mit geringem Gebrauchswert
-wie Diamanten -einen hohen Tauschwert haben, während solche mit hohem Gebrauchswert
- wie Wasser - einen niedrigen Tauschwert haben. Gleichwohl erfaßt die Klassik,
daß die Abweichung des - den Gebrauchswert ausdrückenden - Marktpreises
von dem - den Tauschwert ausdrückenden - sogenannten natürlichen Preis
sehr wohl von Knappheitsverhältnissen bestimmt ist, die sie allerdings nur
rudimentär aus der Relation von Angebot und Nachfrage bestimmt. Ist das Angebot
im Verhältnis zur Nachfrage knapp, liegt der Marktpreis über dem natürlichen
Preis. Fällt dagegen das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage reichlich
aus, liegt der Marktpreis unter dem natürlichen Preis. (Ebd., S. 449-450).Die
Neoklassik überwindet das Wertparadoxon der Klassik, indem sie die individuellen
Nutzenkalküle von der Knappheit abhängig macht. Der geringe Preis des
Wassers ist demnach dem geringen Grenznutzen einer zusätzlichen Einheit Wasser
geschuldet, während der relativ hohe Tauschwert des Diamanten aus dem relativ
hohen Grenznutzen eines zusätzlichen Diamantenquantums resultiert. Auf diesem
Wege eliminiert die Neoklassik die Differenz zwischen Tausch- und Gebrauchswert.
Ein von Kalkülen bestimmtes Markthandeln verwandelt die klassischen Begegnungen
von Angebots- und Nachfragemengen auf Märkten in eine von -auf Märkten
abgesegneten -Kalkülen gesteuerte Gesellschaft, also in eine Marktwirtschaft.
(Ebd., S. 450).Für die Klassik war der Markt ein eher beiläufiger
Ort. Er wurde gebraucht, um einer Reproduktionswirtschaft zur Ermittlung ihrer
natürlichen Preise zu verhelfen, die im rohen Zustand allein aus dem Lohn
und nach Einführung des Privateigentums aus Lohn, Profit und Rente gebildet
werden. Deshalb kann man die Verfassung der klassischen Ökonomie auch als
Reproduktionswirtschaft ohne bzw. mit Herrschaftsklassen bezeichnen.
Bei der Neoklassik hingegen haben die Haushalte bereits vor Aufsuchen der Märkte
darauf geachtet, daß sie dort ihre Kalküle realisieren können.
Diese werden also von der optimalen Nutzung ihrer knappen Erstausstattung bestimmt.
(Ebd., S. 450).Die optimierten Individualkalküle der Neoklassik
verbessern durchaus die Bewältigung des Knappheitsproblems. Sie können
aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die übrigen Schwächen
der Klassik auch von ihren Erneuerern nicht ausgeräumt werden. Das Grundaxiom
des die Wirtschaft bestimmenden Tausches wird von der Neoklassik einfach übernommen.
Adam Smith' »Hang der menschlichen Natur ...zu tauschen, zu handeln und
eine Sache gegen eine andere auszuwechseln« « (Adam
Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes,
1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17) wird nicht etwa als theoretische
Grundschwäche erkannt, sondern als die eifersüchtig verteidigte Basis
allen Wirtschaftens heilig gesprochen. Die elementare Differenz zwischen Besitz
und Eigentum, die der Klassik ungeachtet ihres evolution ären Stufenmodells
entgeht, bleibt also auch der universalistischen Neoklassik ein ewiges Rätsel.
Debreus Definition des Privateigentums als Ökonomie des Ressourcenbesitzes
von Konsumenten, die gleichzeitig Kontrolleure der Produzenten sind, setzt denn
auch ausdrücklich Privateigentum mit individuellem Besitz gleich, über
den lediglich verfügt werden kann. (Ebd., S. 450-451).Die
von Debreu auf den Punkt gebrachte Besitzdeutung des Eigentums unterstreicht einmal
mehr, daß die Neoklassik von ihren Gründungsheroen Menger, Jevons und
Walras bis hin zu den heutigen Theoretikern der property rights keine Theorie
des Eigentums besitzt, sondern immer nur von Besitz handelt. Eigentum wird also
durchweg als Besitz analysiert, auch wenn es Eigentum genannt wird. Besitz wiederum
wird durchaus wie Besitz behandelt, obwohl er mit dem Begriff Eigentum bezeichnet
wird. Bei dieser durchgängigen Besitzversessenheit ist es nur folgerichtig,
daß die Neoklassik - ganz wie die Klassik eine Theorie der Güterwelt
bleibt, in der auch Geld nur ein -wiewohl besonderes - Gut darstellt. Eine Besitzökonomie
interessiert sich nun einmal nicht für die beim Eigentum grundlegenden Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse.
Diese sagen nämlich niemals etwas über reale Nutzungen aus, sondern
legen ausschließlich Rechte und Verpflichtungen fest, die aus Belasten und
Verpfänden im Kredit - sowie Veräußern im Kaufkontrakt resultieren.
Ein Bürgerliches Gesetzbuch, das nicht mit den Eigentumsbeziehungen des Schuldrechts,
sondern mit den ihm doch logisch nachgeordneten Besitzverhältnissen des Sachenrechts
begänne und erst danach das Schuldrecht als Unterkategorie dieses Sachenrechts
abhandelte, könnte nicht absurder anmuten als die neoklassische Behandlung
von Gütern und einem ihnen dann nachgeordneten Geld. Die gerade in der Neoklassik
immer wieder beklagte Unmöglichkeit, Geld auf befriedigende Weise in ihre
Modelle einbauen zu können, es für die Theorie also wesentlich werden
zu lassen bzw. seine, die Tauschtheorie herausfordernde Nichtneutralität
mit dem reinen Gütertausch in Einklang bringen zu können, rührt
ausschließlich daher, daß die logischen Regeln einer Ökonomie
des Besitzes einen zureichenden Begriff von Geld ausschließen. (Ebd.,
S. 451-452).Die gleichermaßen in der Neoklassik bisweilen
eingestandene Schwierigkeit, den Zins als das - durch optimale Allokation in der
Zeit entstandene - Verhältnis intertemporaler Gütermengen mit dem Geldzins
der Wirtschaft in Einklang zu bringen, rührt ebenfalls daher, daß der
Zins mit den Eigenschaften von Gütern und den Beziehungen ihrer Besitzer
nichts, mit den Vertragsmodalitäten zwischen Eigentümern jedoch alles
zu tun hat. Was im neoklassischen Leihvertrag als auf Gegenwartskonsum - zugunsten
des Schuldners - verzichtender Gläubiger bezeichnet wird, ist nichts als
ein Besitzer, der das Nutzungsrecht an seinem Gut für eine bestimmte Zeit
auf einen anderen Besitzer überträgt. (Ebd., S. 452).Beim
Belasten und Verpfänden von Eigentum auf Zeit, dessen Verpflichtungen in
den Gläubiger-Schuldner-Kontrakten minutiös geregelt werden, interessiert
sich hingegen niemand für irgendwelche Nutzungen von Gütern in Gegenwart
oder Zukunft, da es ja nicht Güter sind, die verliehen werden, sondern Geld,
das als Anrecht auf Eigentum kreditiert wird. Die Besonderheit des Kreditvertrages
besteht gerade darin, daß die Nutzungen aus dem Besitzrecht des Eigentümers
bei ihm bleiben, ihm durch die kontrahierte Blockierung weitere Eigentumsoperationen
aber auf Zeit verstellt sind. (Ebd., S. 452).Im Kreditkontrakt
will man alles über die Eigentumsposition des Schuldners wissen, der nur
nach Haftung mit Eigentum in einen solchen Kontrakt hineingelassen wird. Ein so
traktierter Schuldner hat in den neoklassischen Kreditüberlegungen keinen
theoretischen Ort auch wenn der Neoklassiker als Privatmann sehr wohl um seine
prekäre Lage weiß. In unnachahmlicher Chuzpe wird dieses Problem umgangen,
wenn bei Erörterung des Kredits das für den Kontrakt Wesentliche einfach
ausgeschlossen wird: »Wir unterstellen ..., daß es kein Bankrottrisiko
gibt; folglich ist der Darlehensgeber gegenüber der Identität des Darlehensnehmers
indifferent.« (Don Patinkin,a.a.O.). (Ebd., S. 452).Wie
die Klassik als eine bloße Herrschaftstheorie des privateigentums den von
ihm hervorgetriebenen Zins nicht erkennt, worauf sie ihn - als politisch-marxistische
Bewegung - zusammen mit dem Privateigentum beseitigt und damit die durchaus bewunderte
ökonomische Dynamik nicht etwa dialektisch aufgehoben, sondern zerstört
hat, so rächt sich auch an der Neoklassik das Nichtverständnis der Eigentumswirtschaft
in durchaus welthistorischem Ausmaß. Die Klassik lieferte mit dem Marxismus
die Begründung für die Abschaffung der Eigentumswirtschaft, die sie
nicht verstand. Der Neoklassik ist mit dem Kollaps der Sowjetunion im Dezember
1990 ganz unerwartet die Aufgabe zugefallen, die marxistisch-klassisch beseitigte
Eigentumsökonomie wiederherzustellen. Darauf war die Neoklassik nicht im
mindesten vorbereitet. Ihre theoretische Unangemessenheit für die Eigentumswirtschaft
brauchte bis dahin allerdings niemanden zu interessieren. Man entsprach den Mechanismen
dieser Wirtschaft und kümmerte sich nicht weiter um akademische Modelle,
so daß diese nicht viel Unheil anrichten konnten. Erst bei der Aufgabe,
eine Strukturtransformation konzipieren und durchführen zu müssen -
ein Test, dem die Neoklassik womöglich niemals ausgesetzt sein wollte -,
erwies sich ihre theoretische Beschränktheit umgehend als Fiasko. (Ebd.,
S. 453).Die österreichische Schule der Neoklassik hatte schließlich
bereits in den 1930er Jahren mit ihrer Diskussion der wirtschaftlichen Möglichkeiten
des Sozialismus der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß der entscheidende
Unterschied zwischen Marktwirtschaft und sozialistischer Wirtschaft lediglich
darin bestehe, daß Eigentum einmal in der Hand von Privaten und im anderen
Fall in der Hand des Staates liege. Da Eigentum ja aber nicht als Eigentum, sondern
als Besitz analysiert wurde, schrumpfte die Differenz beider Gesellschaftsformen
auf den bloß quantitativen Unterschied zwischen individueller und zentraler
Nutzung von Ressourcen. Der dem Individualismus unterstellte Vorteil wurde in
der egoistischen Optimierung der Nutzung von Gütern festgemacht, während
bei ihrer staatlichen Nutzung dieses Kalkül nicht ausreichend zum Zuge kommen
konnte. Deshalb glaubte man alle Probleme der Transformation dadurch lösen
zu können, daß man die großen Staatsbetriebe in kleine Einheiten
zerlegte, die ihre Produktion unabhängig durchführen und mit selbständig
festlegten Preisen auf Märkte gehen sollten. Gewerbefreiheit also wurde zum
Fundament der neuen Winschaftsverfassung. (Ebd., S. 453-454).Die
unter dieser Gedankenführung eingeleitete Zerschlagung der großen Staatskombinate
brachte allerdings kein Eigentum hervor, obwohl die dezentrale Nutzung der Kombinatsteile,
die freie Festsetzung von Preisen und der freie Marktzutritt nun tatsächlich
erlaubt wurden. Der Glauben der neoklassischen Transformationsberater daran, daß
alles, was sie für Marktwinschaft halten, aus der Wirkmächtigkeit freier
Märkte erwachse, hat in der aktuellen Gegenwan übersehen, was für
Reformer an der Schwelle vom Feudalismus zum Kapitalismus noch ganz selbstverständlich
war: Es ist die Transformation von Besitz in Eigentum, die über alles andere
- einschließlich der freien Märkte - entscheidet, und nicht der vorabgesetzte
Markt. (Ebd., S. 454).Das Paradebeispiel für die Herbeiführung
von »Kapitalismus« liefern die - noch immer als bloße Emanzipationspolitik
mißverstandenen - Stein-Hardenbergschen Reformen zur Einführung des
Privateigentums in Preußen ab dem Jahre 1807. Die preußischen Reformer
wissen, daß feudales »Grund-Eigenthum« etwas anderes ist als
das von den feudalen Abgaben und Fesseln befreite Grundeigentum, obwohl auch sie
rein sprachlich zwischen den Begriffen Besitz und Eigentum hin- und herschwanken.
Nur bei dem entfeudalisienen Grundeigentum kann für die Reformer in einem
ökonomischen Sinne von »Werth« gesprochen werden. Das bedeutet,
daß die Grundeigentümer voll kreditwürdig werden, weil sie mit
ihrem Eigentum haften dürfen, es also verpfänden und damit auch verlieren
können. Ihnen wird durch die Reform erstmals erlaubt, Kredite »auf
die Substanz der Güter selbst, und nicht blos auf die Revenüen derselben,
hypothekarisch aufzunehmen.« (Edikt den erleichterten Besitz und den
freien Gebrauch des Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse
der Land-Bewohner betreffend vom 9. Oktober 1807. Vgl. Ernst Rudolf Huber,
Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, 1970, S. 41-43).
(Ebd., S. 454).Daß ein Wertbegriff, den die Klassik an die
Arbeitskosten der Besitzgüter und die Neoklassik an die diesbezüglichen
Nutzenkalküle bindet, nur bei Eigentum zu haben ist, unterstreichen die preußischen
Reformer überdies dadurch, daß für sie der »Werth der Arbeit«
- nicht anders als der »Werth des Grund-Eigenthums« - daran gebunden
ist, daß die feudalen »Beschränkungen .. .in den persönlichen
Verhältnissen des Landarbeiters« entfallen. Eigentum des Landarbeiters
an sich selbst und damit sein Recht auf freie Kontrakte über Geldlohnarbeit
treten gleichberechtigt neben das Eigentum an Grund und Boden. Die viel beschworene
Gewerbefreiheit von 1810 - nichts anderes als ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
durch noch vorhandene feudale oder zunftmäßige Privilegien - erweist
sich dann als trivialer Ausfluß der Einführung einer Eigentumsordnung,
die nun für jedermann und »Güter aller Art« dekretiert ist.
Nur um Mißverständnisse zu vermeiden, wird der Privilegienverlust von
Adeligen und Bürgern bei gleichzeitiger Ausdehnung der Eigentumsrechte beider
Klassen sowie der des bisher leibeigenen Bauern im Gesetz besonders detailliert
ausgeführt:»Jeder
Einwohner Unsrer Staaten ist, ohne alle Einschränkung in Beziehung auf den
Staat, zum eigenthümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke
aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht blos adelicher, sondern
auch unadelicher, bürgerlicher und bäuerlicher Güter aller Art,
und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht blos bürgerlicher, bäuerlicher
und anderer unadelicher, sondern auch adelicher Grundstücke, ohne daß
der eine oder der andere zu irgendeinem Gütererwerb einer besonderen Erlaubniß
bedarf.« (Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des
Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner
betreffend vom 9. Oktober 1807. Vgl. Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur
deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, 1970, S. 41-43 / 42). | Die
freie Verkaufbarkeit, Verpfiindbarkeit und Belastbarkeit von sowie Vollstreckbarkeit
in Eigentum aus dem Jahre 1807 und nicht die erst im Jahre 1810 verfügte
Gewerbefreiheit, die von den Reformern nur als logisch unverzichtbare Folge
des Privateigentums geregelt wird, sind es, die innerhalb von wenigen Jahrzehnten
die Grundlagen dafür legen, daß aus einer teilfeudalen Agrargesellschaft
die führende Industriemacht Deutschlands heranwachsen kann. (Zwischen
1820 und 1848 unter der Leitung von Finanzminister Christain Rother [1778-1849]
- zugleich Chef der Staatsverschuldungsverwaltung und der Königlichen Bank
- die »Preußische Seehandlung« (inoffizielle auch als »Preußische
Staatsbank« bzeichnet) die »Industrialisierung Preußens durch
eigene unternehmerische Initiative, durch Teilhaberschaft in Unternehmern der
privatwirtschaft und durch Kapitalzuwendungen an Privatleute« gefördert.
Zeitweilig war diese Firma, die insbesondere durch Straßen- und Kanalbau
die Infrastruktur entscheidend voranbrachte, größter Unternehmer Preußens.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als erhebliche Steigerungen der
Wachstumsraten erreicht waren, verlor die Seehandlung entschieden an Bedeutung.
[Vgl. Wolfgang Radtke, Die Preußische Seehandlung zwischen Staat und
Wirtschaft in der Frühphase der Industrialisierung, 1981, S. 39 und passim].).
Sie bildet den Kern des im - Jahre 1871 gegründeten 2. Deutschen Reiches
wird, das dann schnell zum globalen ökonomischen Herausforderer des Britischen
Imperiums avanciert. (Ebd., S. 454-456).
3) Das ökonomische System als Geldwirtschaft im Monetärkyenesianismus
Die
Schwächen der neoklassischen Theorie sind in der Wirtschaftswissenschaft
selbstverständlich nicht unbemerkt geblieben. Uns hat in diesem Buch dabei
vor allem der Monetärkeynesianismus beschäftigt, da er die Inkonsistenzen
des neoklassischen Paradigmas vom Gütertausch mit einer Vorherrschaft der
Gütermärkte, einer sekundären Rolle des Geldes und einem nicht
monetär bestimmten Zins zu überwinden trachtet. Getreu ihrer Einsicht,
daß im herrschenden Wirtschaftssystem nicht die Verfügung über
Ressourcen, die auf Märkten getauscht werden, entscheidend ist, sondern die
Verfügung über Geld, mit dem allein Ressourcen erworben werden können,
sprechen die Monetärkeynesianer nicht von einer Markt-, sondern von einer
Geldwirtschaft, die sie ausdrücklich von der neoklassischen »Geldwirtschaft«
(Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch) abgrenzen. Sie stellen entsprechend die Geld-
und nicht die Marktverfassung ins Zentrum ihrer Überlegungen. Sie wissen
sogar, daß die Verfangenheit der Neoklassik in der Güterwelt dazu führt,
daß diese Schule über eine »Theorie des Besitzes« (Hajo
Riese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 21)nicht hinausgelangen kann. Die
große Stärke des Monetärkeynesianismus gegenüber der Neoklassik
besteht darin, daß Geld nicht als ein Gut, geschweige denn als ein Standardgut
aufgefaßt wird, sondern als etwas, das vermag, was Güter nicht können:
die endgültige Auflösung von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten.
(Ebd., S. 456).Wird mit der Feststellung der neoklassischen Besitzverfangenheit
über eine bloß begriffliche Kritik an der herrschenden Lehre hinausgegangen?
Kommt es also im Monetärkeynesianismus zu einer Bestimmung des Eigentums,
die seinen Eigenschaften gerecht wird oder wird nur einmal mehr vom Eigentum gesprochen,
dabei jedoch an Besitz gedacht? Das ist in der Tat so! Hajo Rieses zustimmender
Rekurs auf die Klassik, welcher - im Unterschied zur Neoklassik - die Bestimmung
des Eigentums gelungen sei,1 nötigt zur Anwendung der oben vorgenommenen
Kritik der Klassik auch auf die Berliner Schule. (Ebd., S. 457).Die
Überzeugung, daß die Klassik das Eigentum verstehe, spiegelt sich darin,
daß der Monetärkeynesianismus -ganz wie die Klassik -im Sozialismus
»gesellschaftliches Eigentum« (Hajo Riese, Geld im Sozialismus,
1989, S. 9) am Werke sieht. Wird nun auch darin der Klassik gefolgt, daß
der kapitalistische Eigentümer als Besitzer mißverstanden wird? Zwar
wird ihr sogenannter Vermögensbesitzer durchaus als Eigentümer von Geld
verstanden. Wenn er Geld jedoch in einem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt zeitweilig
aufgibt, steht ihm auf der anderen Seite bemerkenswerterweise der Schuldner nur
in der Rolle »als Besitzer von Geld« gegenüber. (Vgl. Hajo Rieese,
Geld im Sozialismus, 1989, S. 80). Wie in der Klassik erscheint also im
Monetärkeynesianismus die Gesellschaft als zweigeteilt. Eigentümer hier
und bloße Besitzer dort scheinen hinreichend, um die Geldwirtschaft zu konstituieren.
Nun gibt es jedoch ohne die Bereitschaft, Eigentum zu belasten und zu verpfänden,
weder Geld noch einen Gläubiger-Schuldner-Vertrag. Der Schuldner steht nicht
nur als Besitzer von Geld einem Gläubiger als Eigentümer von Geld gegenüber,
sondern auch als Verpfänder von Eigentum. Der Gläubiger wiederum ist
nicht einfach Eigentümer von Geld, sondern schafft es erst durch die Belastung
seines Eigentums. Er hat also nicht die vorab existierende Liquiditätsprämie,
dank deren Aufgabe der Zins entsteht, sondern die mit dem Eigentum gegebene Eigentumsprämie,
deren Aufgabe die Zinsforderung erst begründet. Bei einem Fallen der Bereitschaft
zur Belastung und Verpfändung von Eigentum auf Null kommt es nicht mehr zur
Schaffung von Geld und seinem Verleihen in einem Kreditvertrag. (Ebd., S.
457-458).Dem Monetärkeynesianismus mißlingt die Erklärung
von Geld und von Kreditkontrakten gewissermaßen auf einen Schlag, weil die
Eigentumsstruktur der Wirtschaft zwar nicht abgestritten, aber dann doch nicht
theoretisch genutzt wird. Gewiß ungewollt, aber doch in allen Nuancen bleibt
er eine Theorie des Besitzes. Deshalb kann nicht überraschen, daß bei
der Definition einer Ökonomie mit Eigentum von einem Neoklassiker, wie etwa
Debreu, nur dahingehend abgewichen wird, daß dessen Konsumentenhaushalt
durch die Figur des Vermögensbesitzers ersetzt wird. Werden bei Debreu »Ökonomien
mit Privateigentum« als »Ökonomien untersucht, in denen die Konsumenten
die Ressourcen besitzen«, so heißt es im Monetärkeynesianismus
ganz entsprechend: »Die Vermögensbesitzer halten alle Ressourcen und
kontrollieren die Produzenten, die als technische Sachwalter der Eigentümer
die Produktion dezentralleiten.« (Rüdiger Dragendorf, Zinsrate und
Profitrate in der (neu-)klassischen und keynesianischen Theorie, in: Ökonomie
und Gesellschaft, Banf 6, 1988, S. 123). Selbst ein um die Eigentumsstruktur
ungemein ernsthaft ringender Vertreter der Berliner Schule fällt auf die
bloße Güterqualität von Haftungseigentum zurück, wenn er
die »Dauerhaftigkeit des Gutes« als Voraussetzung seiner Belastbarkeit
für den Abschluß von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten ansieht, über
die Geld zeitweilig zur Verfügung gestellt wird. (Vgl. Hans-Joachim Stadermann,
Geldwirtschaft und Geldpolitik, 1994, S. 15). Dieser Lapsus resultiert aus
der Gewißheit der Berliner Schule, eine Gelderklärung ohne Rücksicht
auf das Eigentum vornehmen zu können. (Lediglich Hans-Joachim Stadermann
ist diesere Sicht nicht mehr vergaftet). Geld wird in dieser Tradition nicht als
Anrecht auf sofortige und jederzeitige Übereignung von Eigentum der emittierenden
Instanz bzw. der ihr gegenüber haftenden Gläubiger angesehen. Vielmehr
wird es einfach gesetzt oder per eigenwilliger Geschichtskonstruktion aus einem
Herrschaftsakt gewonnen. Dabei sei ein sogenanntes nichtkommerzielles Geld eines
Tages durch Einwerbung gegen Zins, der dafür erfunden wurde, in kommerzielles
Geld verwandelt worden. In diesem mußten nun die -eigentümlicherweise
immer schon vorhandenen Gläubiger-Schuldner-Kontrakte abgeschlossen werden.
Es ist eine so vorgestellte Zinserfindung, von der die monetäre Zinstheorie
der Berliner Schule handelt. Ihre Erklärung des Zinses aus der aufgegebenen
Liquiditätsprämie mißlingt, weil sie ebensowenig wie Keynes sieht,
daß diese Prämie erst auf die Welt kommen kann, nachdem ein
Schuldner über einen Kreditkontrakt Geld gewonnen hat. In diesem Kreditkontrakt
hat er eine Zinsforderung seines Gläubigers akzeptiert, ehe er über
das geliehene Geld verfügen kann. Der Zins geht der Liquiditätsprämie
mithin logisch vorher. (Ebd., S. 458-459).Sowohl das
souveräne Schweigen zum Eigentum wie auch die abenteuerliche historische
Fiktion zum Geld haben nichts mit intellektuellem Ungenügen zu tun. Die unstrittige
Brillanz der monetärkeynesianischen Autoren kann aber nicht zum Zuge kommen,
weil der eklatante Unterschied zwischen Besitz und Eigentum niemals zum Thema
gemacht worden ist. Deshalb hat sich auch für die Monetärkeynesianer
die Transformation des sozialistischen Planfeudalismus zur Geldwirtschaft als
theoretisches Fiasko erwiesen. Da dort Eigentum, Zins, Geld und Banken, aber auch
Profit und Märkte bereits vorhanden gewesen sein sollen, wird von einer Wirtschaft
gesprochen, bei der die geldwirtschaftlichen Komponenten lediglich »defekt«
gewesen seien, weil die »Mengenplanung Dominanz über die Geldfunktion«
erhalten habe. (Vgl. Hajo Riese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 32). Aus
diesem Grunde müsse es einen absoluten »Primat« für die
Etablierung einer Geldverfassung geben. Alles andere falle dann von selbst an
den richtigen Platz. (Ebd., S. 459).Wo die Neoklassik die
Transformation also mit der Marktverfassung beginnt, erhofft der Monetärkeynesianismus
sich alles von einer an den Anfang gestellten Geldverfassung. Die Eigentumsfrage
wird unbekümmert hintangestellt, weil sie nicht als das Wesen der Sache gilt.
Eine Bindung von Geld an haftende Eigentumstitel kann deshalb niemals in den Sinn
kommen. (Ebd., S. 459).Ganz wie die Monetärkeynesianer
wußten übrigens auch die Angestellten der in der Transformation neu
geschaffenen Geschäftsbanken zuerst nichts von der für eine Geldemission
unverzichtbaren Eigentümerposition von Gläubiger und Schuldner.
Die meisten dieser frisch gewonnenen Kräfte hatten keine Ahnung davon, was
die Prüfung eines Darlehensantrags bedeutet. Die schon im Sozialismus vorhandene
sogenannte Zentralbank konnte dabei auch keine Hilfestellung geben. Sie fuhr mit
der realsozialistischen Praxis des Druckens und Verteilens von Noten einfach fort
und glaubte, daß alles schon seine Ordnung habe, wenn sie die Geschäftsbanken
nur brav zur Zinszahlung nötige. Daß es so etwas wie faule Schulden
geben kann, weil Schuldner weder tilgen können noch etwas zum Haften haben,
ist anfangs nicht ins Bewußtsein gedrungen. Die Panik über platzende
Kredite hat dann die Lehren erteilt, die von neoklassischen und monetärkeynesianischen
Theoretikern nicht zu haben waren. Die in Fortbildungsmaßnahmen umgehend
vermittelte Grundweisheit für das Funktionieren des Bankensystems der Eigentumswirtschaft
mußte deshalb - wie bereits im Geldkapitel
erwähnt - lauten: »In der neuen Wirtschaft mußt du vom Schuldner
Sicherheiten verlangen.« (R. W. Stevenson, a.a.O.). (Ebd.,
S. 459-460).Die Transformationsgesellschaften werden mit dem »aus
Nichts« geschaffenen Geld früher oder später aufhören und
- wie lokal sehr erfolgreich bereits in China durchgeführt - den Primat der
Eigentumsverfassung mit allen ihren Haftungskonsequenzen befolgen oder kollabieren.
Wollen sie also vorankommen, dann dürfen sie nie wieder Geld gegen ein bloßes
Zinsangebot herausgeben. (Ebd., S. 460).Die Vorstellung,
daß Geld durch Zins seine entscheidende Knapphaltung erfahre, kann selbstredend
nur zustande kommen, wo die guten Eigentumssicherheiten, ohne die Geld nicht zu
emittieren und zu verleihen ist, aus den Analysen herausgehalten werden. Ernsthaft
verführt werden konnten von dieser Vorstellung wiederum nur solche Gesellschaften,
die ohne Eigentum waren und doch das gute Geld, daß sie im »Kapitalismus«
am Werke sahen, ganz schnell haben wollten. Man wiederholte hier gewissermaßen
das Abschrauben von Badezimmerarmaturen, die einem zuhause durch Fixierung an
der Wand fließendes warmes Wasser liefern sollten. Wasch uns den Pelz bzw.
gib uns Geld, aber mach uns nicht naß bzw. schütze uns vor der Institution
des Eigentums, barmten die realsozialistischen Länder. Der Monetärkeynesianismus
versprach ihnen dieses Kunststück. (Ebd., S. 460-461).Auf
der Berliner Schule lastet ein Druck, wie er die Transformationsgesellschaften
jetzt schmerzt, selbstredend nicht. Deshalb dürfte ein durch bloßes
Zinsangebot erzeugtes Geld das A und O ihrer Theorie bleiben. Ohne diese Grundannahme
löst sich der Monetärkeynesianismus in jenes Nichts auf, aus dem ihm
das Geld erwachsen soll. (Ebd., S. 461).
4) Das ökonomische System als Eigentumswirtschaft
Muß
man nun alle Hoffnung auf Wirtschaftstheorie fahren lassen? Könnte es sogar
sein, daß die Phänomene prinzipiell undurchschaubar sind, wenn die
Gelehrten aus Klassik, Neoklassik und Monetärkeynesianismus gleichermaßen
vor ihnen blind geblieben sind? Wird es also niemals möglich sein, das Wirtschaften
zu erklären? Wir halten von solchem Pessimismus nichts. Sobald die Eigentumsverfassung
ins Blickfeld tritt, lassen sich auch die ökonomischen Mechanismen und ihre
Begriffe enträtseln. (Ebd., S. 461).Die gemeinsame Schwäche
aller drei behandelten Theorieschulen resultiert aus einem Umstand, den sie selber
gerade für ihre Stärke halten. Durchweg wollen sie das Wirtschaften
als ewiges und als solches erklären. Wie für den Lauf der Gestirne soll
es auch für das Wirtschaften permanent und überall gültige Gesetze
geben. Es ist dieser Universalismus, der die theoretische Blindheit erzeugt hat.
Die Eigentumswirtschaft ist jedoch ungeachtet ihrer globalen Dominanz lediglich
ein besonderer Typus materieller Reproduktion, dem man analytisch nur gerecht
werden kann, wenn man seine Besonderheiten anerkennt und nicht in einem ewigen
Fluß der Dinge unkenntlich macht oder gar einfach übersieht.
(Ebd., S. 461).Die alles beherrschende Besonderheit der uns interessierenden
Gesellschaft, die erstmals überhaupt das Wirtschaften konstituiert, ist das
Eigentum. Der Rechtsakt, durch den Eigentum - ohne jede güterseitige Aktivität
- geschaffen wird, erzeugt die besonderen Potenzen der Eigentumsprämie als
seine Belastbarkeit und Verpfändbarkeit. Im Unterschied zur bloßen
Beherrschung von Ressourcen in den Besitzgesellschaften erzwingen diese Operationen
erstmals eine Ökonomisierung von Ressourcen, die jetzt nicht mehr nur Besitz,
sondern immer auch Eigentum sind. Die Verfassung des Eigentums läßt
sich in einer Reihe von idealtypischen Kernsätzen festhalten. (Ebd.,
S. 461-462).(1.)
Die Eigentumsverfassung ist nicht naturgegeben. Immer negiert sie Besitzverhältnisse
der stammesgesellschaftlichen Solidarreproduktion und/oder der feudalen Befehlsreproduktion.
Aus diesem Grunde benötigt sie eine Rechtsverfassung. Diese erwächst
aus immateriellen Akten, entsteht mithin in dem Sinne aus dem Nichts (**),
daß sie von der materiellen Beschaffenheit ihres Ortes unabhängig ist.
Das Eigentum ist unsichtbar. Die Eigentumsordnung garantiert bei Androhung von
Strafen den Schutz des Eigentums gegen seinen nichtökonomischen Übergang
in das Eigentum oder den Besitz von anderen. Damit schützt sie durch das
ökonomische Recht der Vollstreckung in das Eigentum des säumigen Schuldners
automatisch auch das Eigentum des Gläubigers. Sowohl der Zugewinn wie auch
der Verlust von Eigentumsrechten darf also prinzipiell nur mit den Mitteln des
ökonomischen Vertrages zwischen Eigentümern, nicht jedoch mit den Instrumenten
der Sittengesetze oder der Herrschaft erreicht werden. (Ebd., S. 462).(2.)
Der rechtlich ausgeschlossene nichtökonomische Zugriff auf das Eigentum durch
andere sorgt dafür, daß alle Eigentümer nur über die Bewirtschaftung
von Eigentum zu Einkommen gelangen können -sei es als Eigentümer oder
als Besitzer von Eigentum eines anderen (als Pächter, Mieter etc.), den nur
die Eigentumswirtschaft kennt. Zum Eigentum gehört auch das Eigentum an der
eigenen Person. Es wird durch die bürgerlichen Freiheits- und Vertragsrechte
geregelt. (Ebd., S. 462).(3.)
Anders als das Eigentum, das sich aus vertraglich bewirtschaftbaren Rechtstiteln
zusammensetzt, besteht der Besitz in Nutzungsrechten an Sachen, Dienstleistungen
sowie anderen materiellen und immateriellen Gütern. Ihre Nutzung wird in
Stamm und Feudalismus durch Sitte bzw. Befehl angewiesen. In der Eigentumsgesellschaft
wird die Nutzung über Gläubiger-Schuldner-Kontrakte geregelt, in dem
Anrechte auf Eigentum übertragen werden. Ihre Besonderheit besteht darin,
daß Eigentum blockiert wird, seine Besitzseite jedoch -anders als bei den
gütermäßigen Transaktionen der Nichteigentümergesellschaften
nicht berührt wird. Durch die kontrahierte Blockierung ihres Eigentums nehmen
sich die am Kreditkrontakt Beteiligten zeitweilig auf den Status von Güterbesitzern
zurück. (Ebd., S. 462-463).(4.)
Der Rechtstitel am Eigentum ermöglicht unterschiedliche Arten der Bewirtschaftung
von Ressourcen, die sich aus der - im Unterschied zum Besitz - uneingeschränkten
Verfügbarkeit des Eigentums ergeben: (i) Halten von Eigentum, (ii) Belasten
von Eigentum zur Schaffung von Geld, (iii) Zinsforderung auf das so geschaffene
Geld im Kreditkontrakt, (iv) Verpfändung von Eigentum im Kreditkontrakt,
(v) Verkaufen von Eigentum. Der Kredit bedeutet, daß niemals Eigentum -und
schon gar nicht Besitz -verliehen wird. Es werden vielmehr Ansprüche auf
Eigentum auf Zeit übertragen. Aus dieser Belastung des Eigentums entsteht
die Zinsforderung. Die bloßen Anrechte selbst, das Geld also, bleibt als
Einlösungsversprechen für seinen Halter -und damit als Forderung gegen
den Gläubiger -unverzinslich. Einschränkungen ergeben sich für
das Eigentum an der eigenen Person, die ihre Arbeitskraft nur auf Zeit verkaufen
und sie nicht belasten und verpfänden kann. (Ebd., S. 463).(5.)
Das Halten von Eigentum steht mit seinen anderen BewirtSChaftungsformen in Konkurrenz.
An gehaltenes Eigentum werden ebenso Ertragserwartungen gerichtet wie an die anderen
Formen seiner BewirtSChaftung. Der Ertrag aus Eigentumshaltung besteht in der
Eigentumsprämie. Sie ist ein immaterieller Ertrag an ökonomischer Sicherheit,
der Belastbarkeit zur Geldschaffung und Verpfändbarkeit zur Kreditfähigkeit
umfaßt. Bei einer auch nur zeitweiligen Blockierung von Eigentum in G.läubiger-Schuldner-Kontrakten,
gehen nur diese Dispositionen über Eigentum verloren, nicht aber die Nutzungsrechte
an der Besitzseite des Eigentums. In dem Ausmaß und für den Zeitraum,
in dem Eigentum durch Deckung oder Verpfändung blockiert ist, verliert der
Eigentümer seine Prämie. (Ebd., S. 463).(6.)
Die Kreditierung gegen Eigentum besteht in der Übertragung von Ansprüchen
auf Eigentum, das heißt aus nichtphysischen Rechtstiteln, niemals jedoch
aus Ressourcen oder Gütern. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der endgültigen
Eigentumsüberschreibung und der zeitWeiligen Eigentumskreditierung. Erstere
erfolgt im Kaufkontrakt, letztere im Kreditkontrakt. Beide Kontrakttypen existieren
nur zwischen Gläubigern und Schuldnern, die zugleich Eigentümer sind.
(Ebd., S. 463).(7.)
Die ökonomisch fundamentalen Elemente der Eigentumswirtschaft entstehen bei
der zeitweiligen Übertragung von Anrechten auf Eigentum im Kreditkontrakt.
In einem solchen Vertrag steht ein Gläubiger, der seine Eigentumsverfügungsmacht
blockiert, aber seine Nutzungsrechte an der Besitzseite des Eigentums behält,
einem Schuldner gegenüber, dem die Ansprüche auf Gläubigereigentum
zur Verfügung gestellt werden. Zur Tilgungssicherung blockiert der Schuldner
durch Verpfändung eigenes Eigentum. Er verliert dadurch -nicht anders als
der Gläubiger -Eigentumsprämie, behält aber - wie dieser - das
Nutzungsrecht an der Besitzseite seines Eigentums. (Ebd., S. 463).(8.)
Bei jeder Kreditierung gegen Eigentum verliert der Gläubiger die an seinem
Eigentum haftende Belastungspotenz bzw. seine Prämie. Dieser Verlust aus
der vertraglichen Blockierung seines Eigentums begründet einen zusätzlichen
Rechtstitel - die Forderung auf eine Kompensation der ihm entgangenen Eigentumsprämie.
Diese besondere Forderung existiert zusätzlich zur Forderung auf Refundierung
der gegen sein Eingenturn emittierten Anrechte. Sie manifestiert sich im Zins.
(Ebd., S. 463).(9.)
Während die Eigentumsverpfändung des Schuldners als Haftung für
die geliehene Geldsumme dient, kompensiert der Zins lediglich die aufgegebene
Eigentumsprämie des Gläubigers. Obwohl auch für ausbleibenden Zins
mit dem verpfändeten Eigentum gehaftet wird, erfolgt die Verpfändung
nicht wegen der Zinsforderung. Deshalb kann mit der Verpfändung von Eigentum
des Schuldners auch kein Verzicht des Gläubigers auf den Zins erreicht werden.
Dieser resultiert allein aus der Blockierung seines Eigentums. Allerdings spielt
die Rangordnung der verpfändeten Sicherheiten von Eigentum an Grund und Boden
über dem an Realkapital und marktfähige Forderungen gegen Dritte bis
hin zum Eigentum an einem Einkommen aus Arbeit -eine Rolle bei der Bestimmung
der absoluten Zinshöhe. Das von der Höhe der Eigentumsprämie bestimmte
Niveau des reinen Zinses kann also um eine Risikoprämie erhöht werden,
die die Qualität der Sicherung in Rechnung stellt. (Ebd., S. 463-464).(10.)
Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zwischen Eigentümern erzwingen einen einheitlichen
Wertmaßstab -ein sogenanntes money of account (Keynes) bzw. einen
verbindlichen Geldstandard. Dieser Geldstandard darf niemals mit der von einem
Standardgut abgeleiteten neoklassischen Recheneinheit ... verwechselt werden.
Gläubiger-Schuldner-Kontrakte werden also niemals in einem aus Gütertauschprozessen
entspringendem allgemeinen Tauschmittel (Neoklassik) ausgedrückt und ebenso
wenig in einem außerökonomisch gesetzten Geld (Monetärkeynesianismus).
Vielmehr wird Geld überhaupt erst durch Gläubiger-Schuldner-Kontrakte
zwischen Eigentümern geschaffen. Ohne diese existiert es nicht. (Ebd.,
S. 464-465).(11.)
Die in den Kontrakten in money of account (Geldstandard) denominierten,
verzinsten Kreditforderungen werden in eigentlichem Geld erfüllt - dem sogenannten
money proper (Keynes). Im Prinzip kann jeder Eigentümer als Gläubiger
Ansprüche gegen sein Eigentum als Geld emittieren. Es ist sofort und jederzeit
gegen dieses Eigentum einlösbar. Aus der Konkurrenz Geld emittierender Gläubiger-Eigentümer
erwachsen die eigentumsstärksten zu Kreditbanken als Geldemissionsbanken.
Diese Notenbanken emittieren auf Metall oder -später -anderen Materialien
dokumentierte Anrechte auf ihr Eigentum. Die Eigentumsgebundenheit des Geldes
gilt auch für die heutige Zentralbank mit ihrem Monopol der Emission eines
»nichteinlösbaren« Zeichengeldes. Dafür erzwingt sie den
Verkauf oder die Verpfändung von eigentumsgesicherten, verzinsten Forderungen
durch die ihr Geld nachfragenden Geschäftsbanken. In
keinem Fall wird Geld aus dem »Nichts« (**)
geschaffen. Wo dieses geschieht, ensteht Willkürgeld. (Ebd., S. 465).(12.)
Da Geld nur in und uno actu mit einem Kreditkontrakt geschaffen werden
kann, also nicht aus irgendeiner anderen Ecke kommt, gibt es für die Vorstellung
einer Geldhaltung keine Basis. Die Idee des Hortens, einer Geldtruhe also, deren
Inhalt aufbewahrt wird, um ihn bei guter Gelegenheit gegen Zins verleihen zu können,
lebt mithin vom Nichtverstehen des Geldes. Weil der Gläubiger bei Erfüllung
des Kreditkontrakts durch den Schuldner die Anrechte auf sein Eigentum zurückerhält,
also seine Eigentumsprämie wiedergewinnt, ist die im Kontrakt geschaffene
Geldsumme -nicht jedoch der Zins -bei der Erfüllung des Kontraktes auch wieder
als Geld vernichtet. Nach dieser Aufhebung der Blockierung seines Eigentums kann
der Gläubiger von neuern Geld schaffen. Für diese Neuschaffung und Neukreditierung
von Geld kann er das an ihn refundierte money proper (das eigentliche Geld)
von neuem benutzen, was nicht nur bei Edelmetallmünzen, sondern auch bei
Zentralbanknoten üblich ist. Dieses money proper ist jedoch bis zu
seiner Wiederbenutzung in einem neuern Kredit kein Geld. Wenn der Emittent das
refundierte money proper physisch zerstört, verliert er kein Geld,
sondern nur seinen Materialwert. Der emittierende Gläubiger holt das unzerstörte
Material also nicht aus einem Hort voll Geld, sondern bringt das alte Material
durch neuerliche Belastung seines Eigentums als Geld in die Zirkulation, das nun
nicht weniger neu ist als solches aus frischem Material. (Ebd., S. 465-466).(13.)
Der Unternehmer als typischer Schuldner hat über einen in money of account
(Geldstandard) denominienen, verzinsten und mit seinem Eigentum gesichenen Kreditkontrakt
money proper (eigentliches Geld) zum Kauf von Produktionsmitteln erhalten.
Das so gewonnene Geld verschafft ihm eine Liquiditätsprämie, das heißt
das Vermögen, durch ihre Aufgabe Schuldkontrakte, also Kreditkontrakte und
Kaufkontrakte, auflösen zu können. Die Liquiditätsprämie entsteht
also erst dann, wenn der Zins als Kompensation der aufgegebenen Eigentumsprämie
des Gläubigers in der Welt ist und der Schuldner durch Verpfändung von
Eigentum selbst Eigentumsprämie aufgegeben hat. Aus der Sicht des Schuldners
ist mithin seine gewonnene Liquiditätsprämie nichts anderes als die
Kompensation seiner aufgegebenen Eigentumsprämie. Einmal mit dem Geld in
der Welt, übenrägt sich die Liquiditätsprämie auf alle Vermögensformen,
die nicht Geld sind, das heißt, die Kontrakte nicht endgültig auflösen
können - von Sichtguthaben über handelbare Forderungen bis hin zu Realkapital.
Der Grad der Leichtigkeit ihrer Transformierbarkeit in Geld bestimmt die Höhe
ihrer Liquiditätsprämie oder ihren Liquiditätsgrad. (Ebd.,
S. 466).(14.)
Da Produktionsmittel vom Unternehmer immer mit einem zu verzinsenden Vorschuß
an Geld erworben werden, sind die Produktionsmittel nicht selbst Kapital, sondern
werden überhaupt nur durch den Geldvorschuß zu Realkapital. Das eigentliche
Kapital ist deshalb immer ein Geldvorschuß. Es müssen mithin keine
vorab existierenden Güter zur Verfügung stehen, auf deren Konsum jemand
verzichten würde, die also zu sparen wären, damit es zu Realkapital
kommt. Dem Geld des Vorschusses entsprechen gerade keine Güter. Ihm liegt
vielmehr Eigentum zu Grunde, das vom Kapital bereitstellenden Gläubiger für
den Unternehmer-Schuldner belastet, ihm aber niemals verliehen wird. Kapital ist
also nicht durch Güter oder Ressourcen begrenzt, sondern nur durch das Angebot
belastbaren Eigentums. (Ebd., S. 466-467).(15.)
Den Geldvorschuß transformiert der Unternehmer-Schuldner in Produktionsmittel,
die für ihn deshalb unausweichlich und immer als monetäre Größe
existieren. Das bedeutet, daß die Produktionsmittelmenge mit Preisen bewertet
ist, die in demselben money of account (Geldstandard) denominiert sind
wie der kontrahierte Geldvorschuß, also in Geldpreisen. Das gleiche gilt
für die mit den Produktionsmitteln produzierten Waren, deren in Geld ausgedrückte
Summe - das heißt Gütermenge mal Geldpreis - mindestens der geschuldeten
Summe aus Kapital und Zins auf diesen Geldvorschuß entsprechen muß.
Die Produktion ist also immer eine monetäre Produktion. Das bedeutet, daß
der Unternehmer nicht an einer Güterproduktion per se, an bloßen
Mengen also, interessiert ist, sondern an mit Geldpreisen bewerteten Warenquanten,
Geldsummen mithin. (Ebd., S. 467).(16.)
Die Zinsforderung bedeutet, daß der Wert - Menge mal Geldpreis - der Produktion
des Unternehmer-Schuldners größer werden muß als der als Kapital
erhaltene Geldvorschuß. Die aus der Eigentumsprämie resultierende Zinsforderung
erzwingt mithin einen Wertüberschuß in der Produktion von Waren - den
Profit. Dieser zinserzwungene Profit ist es mithin, der die für die Eigentumswirtschaft
typische Akkumulation ermöglicht und nicht etwa eine vorherige Ansammlung
von Kapitalgütern (Reichtum). Die Eigentumsgesellschaft gewinnt mithin ihre
Dynamik nicht durch eine sogenannte ursprüngliche Akkumulation, sondern durch
die gänzlich güterneutrale Belastung (Geldemission) und Verpfändung
(Kreditsicherheit) von immateriellen Rechten auf Eigentum. (Ebd., S. 467).(17.)
Die monetär ausgepreiste Produktion bzw. die Waren erzwingen den Markt als
Mechanismus für die Erlangung von money proper zur Erfüllung der für
den Geldvorschuß eingegangenen Tilgungs- und Zinsverpflichtungen, das heißt
für die Erlangung von Schuldendeckungsmitteln. Der Markt ist also kein Tauschplatz
für Güter, die nach den Präferenzen von Konsumenten (Neoklassik)
oder nach den Kosten von Produzenten (Klassik) ihren Besitzer zu deren Vorteil
wechseln, sondem eine Instanz zur Einwerbung von Kaufverträgen über
Waren. Im Kaufkontrakt wird der Unternehmer, der im Kreditvertrag Schuldner einer
Geldforderung ist, als Eigentümer einer Ware zum Gläubiger einer Geldforderung.
Diesem Verkäufer steht - analog zum Kreditkontrakt - der Käufer als
Schuldner einer Geldforderung gegenüber. Er verpflichtet sich, die für
den Verkauf geforderte Geldsumme zu leisten. In der Frist bis zur Erfüllung
dieser Forderung ist der Käufer-Schuldner wegen des Eigentumsvorbehalts des
Verkäufer-Gläubigers lediglich Besitzer der Ware und muß als solcher
Zinsen zahlen. Bei sofortiger Erfüllung des Kaufvertrages hingegen erwirbt
er das Eigentum bzw. das uneingeschränkte Recht an der Ware. (Ebd.,
S. 467-468).(18.)
Das besondere Kennzeichen der neuzeitlichen - im Unterschied zur antiken - Eigentumswirtschaft
liegt in der Existenz des freien Lohnarbeiters. Dieser tritt mit dem nicht verlierbaren,
dadurch allerdings auch nicht verpfändbaren Eigentum an sich selbst in einen
Gläubiger-Schuldner-Kontrakt. In diesem überträgt er als Gläubiger
an den Unternehmer als seinen Schuldner auf Zeit Nutzungsrechte aus der Besitzseite
seines Eigentums, das heißt seine Arbeitskraft oder Arbeitsleistung. Der
Unternehmer muß im Gegenzug eine Forderung des Lohnarbeiters auf Geld -
den Geldlohn - erfüllen. Das als Lohn zu zahlende Geld muß sich der
Unternehmer vorab als Geldvorschuß (Kapital) im Kreditvertrag als Schuldner
beschaffen. Das Kapital und den Zins auf das Kapital muß der Unternehmer
mit der im Lohnkontrakt erworbenen Arbeitskraft erwirtschaften. Der Lohnarbeiter
kommt mithin an das Geld für seine Lohnforderung nur heran, wenn er die darauf
liegende Zinsforderung mit seiner abgetretenen Arbeitskraft erwirtschaften läßt,
aber nicht für sich verlangt. Wollte er auf andere Weise an Geld heran, müßte
er selbst Zins zahlen. (Ebd., S. 468).(19.)
Da der Unternehmer das im Lohnkontrakt vereinbarte Geld immer zu übereignen
hat, ohne daß ein Dritter seine Waren in einem Kaufvertrag für Geld
erwerben muß, ist er permanent gezwungen, seine Aussichten auf das Einwerben
von Kaufkontrakten auf dem Markt zu verbessern. Das gelingt durch Unterbietung
der Geldforderungen, die andere Verkäufer an potentielle Käufer stellen.
Diese Verringerung der Geldforderung bzw. seiner Preisforderung nötigt zu
einer geringeren Verschuldung in Lohngeld. Dafür muß er die für
Lohngeld gewinnbare Arbeitskraft durch technischen Fortschritt ersetzen. Diese
permanente Innovation ist denn auch neben dem freien Lohnarbeiter das zweite besondere
Merkmal der neuzeitlichen Eigentumswirtschaft. (Ebd., S. 468).(20.)
Gläubiger-Schuldner-Kontrakte für zeitweilige Übertragung von Anrechten
auf Eigentum kommen nur zustande, wenn Eigentum als Sicherheit verpfändet
wird. Diese Sicherheiten, wie auch die ihnen entsprechenden Forderungen, werden
in fixen nominalen Geldpreisen ausgedrückt. Erstere sind Bewertungschwankungen
durch den Markt ausgesetzt, letztere werden durch mögliche Verschlechterungen
des Geldwertes gefährdet. Diese Gefahr führt zu steigenden Zinsen, die
nicht nur die Profiterwartungen der Schuldner, sondern auch die Werte ihrer Sicherheiten
negativ beeinflussen. Reicht daraufhin das verpfändete Eigentum für
die Kreditsicherung nicht mehr aus, fällt die Bereitschaft zur Kreditvergabe
sowie die Fähigkeit zur Verschuldung mit der Folge einer Kontraktion von
Output und Beschäftigung. Die in der Krise steigende Eigentumsprämie
findet hierin ihre Begründung. Die in der Krise ebenfalls steigende Liquiditätsprämie
reflektiert die Krise lediglich. Die Eigentumsprämie ist durch Institutionen
der Eigentumswirtschaft, wie die Zentralbank, nur begrenzt zu beeinflussen, da
sie die zur Schaffung des Geldes in ihr Portfolio hereinzunehmenden, also zu blockierenden
guten Forderungen nicht produzieren und generell potentielle Schuldner nicht mit
Haftungseigentum ausstatten kann. Dafür bräuchte es eine Politik, deren
Radikalität den historischen Sternstunden der Schaffung von Eigentum nicht
nachsteht. (Ebd., S. 468-469).
5) Zusammenfassung
Die zwanzig Kernsätze zur Ökonomie
der Eigentumsverfassung (**)
zeigen, daß die von uns kritisierten Theorieschulen - Klassik, Neoklassik
und Monetärkeynesianismus - alle auf dieselbe Gesellschaft schauen, die konstitutive
ökonomische Rolle des Eigentums jedoch nicht sehen. Sie müssen deshalb
gegenüber der nur in einer Eigentumsgesellschaft möglichen Belastung
und Verpfändung, die allein Zins und Geld möglich machen, blind bleiben.
(Ebd., S. 469).Die Klassik konzentriert sich stattdessen auf eine
Betrachtung des Privateigentums, das ihr als eine Herrschaft über
physische Ressourcen erscheint, die eine Ausbeutung derer ermögliche, denen
der Ressourcenzugang versperrt sei. Die Neoklassik hingegen glaubt, daß
Eigentum mit property rights gleichzusetzen sei, durch die den Individuen
als Besitzern vorgegebener Güter- oder Ressourcenbestände dezentrale
Optimierungsentscheidungen über ihre physische Nutzung gelängen.
(Ebd., S. 469).Der Monetärkeynesianismus wiederum ist überzeugt,
daß jeder über Güter und Ressourcen verfügen könne,
wenn er nur über Geld verklassik aus dem Tausch der bereits im Besitz der
Akteure liegenden Güter durch eine monetäre Theorie des Zugangs zur
Güterwelt. Dabei muß aber vorab Geld existieren, damit die Akteure
überhaupt an Güter gelangen können. Auch in dieser häretischen
Sicht bleiben Belast- und Verpfändbarkeit des Eigentums als Schlüsselmechanismus
des Wirtschaftens gänzlich unausgelotet. Bevor eine Institution Geld überhaupt
emittieren kann, muß sie nämlich über belastbares Eigentum verfügen,
damit Geld als Anrecht auf Eigentum in die Welt kommen kann. Und bevor jemand
dieses Geld gegen Zins in einem Kreditkontrakt erwerben kann, muß er ebenfalls
über Eigentum verfügen, aus dem er gute Sicherheiten verpfänden
kann. (Ebd., S. 469-470).Belasten
und Verpfänden von Eigentum sind die Elemente, die dafür sorgen, daß
zinsbedienend und in Geld gewirtschaftet wird. Ohne diese Potenzen des Eigentums
gibt es nur die bloße Organisation oder Beherrschung der Produktion von
Gütern, aber keine Bewirtschaftung von Ressourcen, kurz: keine Wirtschaft.
(Ebd., S. 470). |