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Gunnar Heinsohn (*1943)
- Theorie des Familienrechts - Geschlechtsrollenaufhebung, Kindesvernachlässigung, Geburtenbrückgang (1974) -
- Theorie des Kindergartens und der Spielpädagogik (1975) -
- Menschenproduktion (1979) -
- Liebe ist in gewissem Sinne überflüssig (1979) -
- Die Kinder Europas (1980) -
- Lohn für Mütter (1980) -
- Das „Apriori“ von Kindheit (1980) -
- Kommentar zur Periodisierung der Kindheitsgeschichte durch Lloyd DeMause: „Hört ihr die Kinder weinen?“, 1974 (1981) -
- Geld, Produktivität und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus (1981) -
- Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft (1982) -
- Die Vernichtung der weisen Frauen (1985) -
- Wann lebten die Pharaonen? (1990) -
- Wie alt ist das Menschengeschlecht? (1991) -
- Eigentum, Zins und Geld (1996) -
- Eigentumstheorie des Wirtschaftens versus Wirtschaftstheorie ohne Eigentum (1996) -
- Lexikon der Völkermorde (1999) -
- Völkermordfrühwarnung (2000) -
- Eigentum und Entwicklung (2001) -
- Zins und Geld (2001) -
- Söhne und Weltmacht (2003) -
- Warum werden sie zu Kriegern?  (2003) -
- Machtfaktor Söhne (2004) -
- Zwei - nicht mehr und nicht weniger (2005) -
- Finis Germaniae?  (2005) -
- Kinder, Kinder (2005) -
- Eigentumsökonomik (2006) -
- Jung, aggressiv und engagiert (2007) -
- Die demographische Kapitulation (2007) -
- Phänomenologie der Gewalt (2007) -
- Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen (2010) -
Heinsohn-Zitate. Da ich Gunnar Heinsohn für einen doch schlauen Wissenschaftler halte, möchte ich ihm eine
   separate Seite widmen und aus folgenden seiner Werke zitieren:
Menschenproduktion (mit: Rolf Knieper und Otto Steiger; 1979)  -
Das „Apriori“ von Kindheit (1980)  -
Kommentar zur Periodisierung der Kindheitsgeschichte ... (1981)  -
Eigentum, Zins und Geld (mit: Otto Steiger; 1996)  -
Söhne und Weltmacht (2003)  -
Warum werden sie zu Kriegern? (2003)  -
Zwei - nicht mehr und nicht weniger (2005)  -
Gespräch im „Philosophischen Quartett“: Die Diktatur des Kapitals (2005)  -
Finis Germaniae?  (2005)  -
Kinder, Kinder (2005)  -
Gespräch im „Philosophischen Quartett“: Radikalismus und Bevölkerungswachstum (2006)  -
- Jung, aggressiv und engagiert (2007) -
- Die demographische Kapitulation (2007) -
Gespräch im „Philosophischen Quartett“: Halbzeit der Krise? (2009)  -
-  Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen (2010)  -

-  Gabriel und die Gene (2010)  -

 

Kritk bzw. Skepsis
- „Kritik bzw. Skepsis an der Bevölkerungstheorie von Heinsohn & Co“ -
- „Kritik bzw. Skepsis an der Wirtschaftstheorie von Heinsohn und Steiger“ -

 

Eigentum, Zins und Geld. Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft (1996) **

Ko-Autor: Otto Steiger

„Eigentum, Zins und Geld werden von der etablierten Wirtschaftswissenschaft bis heute umrätselt. So hat noch kein Vertreter der herrschenden lehre überzeugend erklären können, daß und wie der Güteraustausch, von dem alles Ökonomische abzuleiten sei, überhaupt Geld hervorbringt.
Heinsohn und Steiger begründen einen Paradigmenwechsel: Nicht der Tausch, sondern das Eigentum ist der Usprung allen Wirtschaftens; Zins und Geld sind seine »erstgeborenen Abkömmlinge«. Wo Eigentum fehlt oder abgeschafft wird, gibt es keine Ökonomie, sonder nur Produktion.
Eigentum, Zins und Geld ist ins Lexikon ökonomischer Werke - 650 wegweisende Schriften von der Antike bis zum 20. Jahrhundert - aufgenommen worden und wird vom Geldmuseum der Deutschen Bundesbank zu den 5 bedeutendsten gelderklärungen gezählt.
»Der theoretische Ansatz von Heinsohn und Steiger bringt die Lösung des Problems der Schaffung von Geld - ein problem, um das sich viele Theoretiker drücken. Die Autoren ziehen dazu eine enorm weitgespannte Literatur heran - nicht nur aus der Wirtschaftswissenschaft, sondern auch aus Soziologie, Ethnologie, Geschichte der Antike und Religionswissenschaft. ein höchst seriöser und sorgfältig durchdachter Beitrag in einer sehr persönlich geprägten Forschungsrichtung.« Professor Augusto Graziani, Universität Rom.“
(Ebd., Klappentext).

Vorrede (S. 15-38) 
A)Das Kapitel vom Tauschparadigma: Geld, Zins und Eigentumsprobleme der neoklassischen Wirtschaftslehre (S. 39-88)
B)Das Kapitel vom Eigentum: Eigentum als Gegenposition zum Besitz (S. 89-139)
C) Das Kapitel vom Zins: Die Eigentumsprämie als Schlüsselgröße für das Wirtschaften (S. 141-220)
D)Das Kapitel vom Geld: Eigentumsbelastung und Eigentumsverpfändung im Kreditkontrakt (S. 221-308)
E)Das Kapitel vom Markt: Wert, Preis, Ware und Konkurrenz (S. 309-343)
F) Das Kapitel von der Akkumulation: Kapital, freie Lohnarbeit und technischer Fortschritt (S. 345-390)
G)Das Kapitel von der Krise: Konjunkturzyklen, Depression und Arbeitslosigkeit (S. 391-441)
H)Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung: Herrschafts-, Markt-, Geld- und Eigentumsverfassung (S. 443-470)

Vorrede

Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft als Untertitel dieser Abhandlung zu wählen, bedeutet nicht, daß hier ein Rest an Fragen beantwortet werden soll, der einer insgesamt erfolgreichen Wirtschaftstheorie bisher noch dunkel geblieben wäre. Vielmehr treten wir mit der Behauptung vor die Öffentlichkeit, daß die Grundelemente des Wirtschaftens bis heute nicht verstanden sind. Eine wissenschaftliche Lehre, die den Namen ökonomische Theorie verdienen würde, gibt es noch nicht. Ihre Grundlegung wird hiermit versucht.“ (Ebd., S. 15).

„Den Begriff »Eigentum« im Obertitel Eigentum, Zins und Geld an den Anfang zu setzen, besagt, daß es zu einer befriedigenden Wirtschaftstheorie niemals gekommen ist, weil die Ökonomen sich von Aristoteles (383 bis 322 v.u.Z.) bis heute auf Tauschoperationen als Kern allen Wirtschaftens fixiert haben. Dadurch mußten sie in der zum Besitz gehörenden Güter- oder Ressourcensphäre verharren und konnten dabei den immateriellen Ertrag des Eigentums, belastbar und verpfändbar zu sein, nicht erfassen. Diese Eigentumsprämie ist es nun, gegen deren Aufgabe im Kreditkontrakt das Wirtschaften mit Zins und Geld konstituiert wird. Sie ist niemals zum Thema geworden. Alle ökonomischen Schulen haben sich gegenüber dem Eigentum wie ein Fisch verhalten, der die elementare Bedeutung des Wassers erst versteht, nachdem er es verlassen hat.“ (Ebd., S. 15).

„Das freimütig eingeräumte Scheitern der dominierenden Theoriegebäude bei der angemessenen Gewichtung und überzeugenden Herleitung von Zins und Geld ist dem Verfangensein in der Gütersphäre geschuldet. Die unlösliche Verkettung von Zins und Geld mit der Blockierung, das heißt dem Belasten und Verpfänden von Eigentum - und verbunden mit letzterem der Vollstreckung im Eigentum - mußte aus dem Blickwinkel des Tauschparadigmas von Gütern übersehen werden. Entscheidend an diesen Eigentumsoperationen wirkt, daß sie als ökonomische Akte jenseits und vor der Gütersphäre erfolgen. Die genuin ökonomischen Vorgänge erfolgen mithin als abstrakte und güterunabhängige Operationen, deren Verständnis die Gütersphäre selbst erst einer ökonomischen Analyse zugänglich macht.“ (Ebd., S. 15-16).

„Die Theorien haben sich bisher also nicht mit dem Wirtschaften beschäftigt, sondern mit der Produktion, Distribution und Konsumtion sowie dem Verleihen von Gütern. Produziert, verteilt, konsumiert und verliehen wird immer, Wirtschaften hingegen hebt erst an, wenn es Eigentümer sind, die Kreditverträge eingehen und dabei nicht etwa Güter weggeben, sondern Eigentum für Belastung und Verpfändung heranziehen. Als Ergebnis dieses Vorgangs werden selbstredend auch Güter produziert, verteilt und konsumiert - niemals aber werden Güter verliehen.“ (Ebd., S. 16).

„Bereits vor über sechzig Jahren hatte John Maynard Keynes (1883-1946) die herrschende Wirtschaftstheorie verworfen, weil in ihr eine zureichende Erklärung des Zinses und daher auch des Geldes fehlte. Obwohl auch Keynes gegenüber dem Eigentum begriffslos und deshalb eine neue Wirtschaftstheorie, die diesen Namen verdient, schuldig geblieben ist, hat er doch mit der Ahnung des Genies eine entscheidende Größe des Wirtschaftens ins Zentrum seiner Forschung gestellt. Auf die Frage eines Reporters der BBC im Jahre 1934, als seine erst zwei Jahre später erscheinende Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes von Eingeweihten schon heftig umraunt wurde, worin die bisherigen Gedanken über Wirtschaft denn ihren entscheidenden Fehler hätten, antwortete Keynes: »Ich bin überzeugt, daß es im ... orthodoxen Denken ... einen fatalen Fehler gibt; dieser Fehler ist vor allem auf das Scheitern der klassischen Schule (das heißt Klassik und Neoklassik) zurückzuführen, eine befriedigende Zinstheorie zu entwickeln.« (John M. Keyenes, a.a.O).“ (Ebd., S. 16).

„Im Jahre 1996 ein Buch mit dem Titel Eigentum, Zins und Geld - Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft vorzulegen, impliziert selbstredend die Behauptung, daß auch Keynes am Wesentlichen gescheitert ist. Auf der Suche nach dem entscheidenden Fehler aller bisherigen Versuche, eine Wirtschaftstheorie zu formulieren, werden wir zeigen, daß die Ökonomen bloß Geschichte getrieben haben, wo sie theoretisch hätten arbeiten sollen. Überdies haben ihre historischen Vorstellungen mit dem Lauf der Welt nichts, mit dem irrlichternden Zauber evolutionistischer oder gar teleologischer Ideen jedoch alles zu tun.“ (Ebd., S. 17).

„Wir stehen mit dieser Untersuchung deshalb vor zwei Aufgaben. Wir müssen einerseits die Theorie der Wirtschaft schreiben und andererseits deutlich machen, daß der Mensch nicht ewig gleichen Grundprinzipien des Wirtschaftens folgt. Die Menschheit kennt nicht nur eine, sondern drei gesellschaftliche Grundstrukturen, die für die materielle - im Unterschied zur biologischen - Reproduktion bedeutend sind. An ihnen ist erst zu zeigen, inwieweit diese Reproduktion ökonomisch oder eben anders bestimmt ist bzw. was den Begriff der Wirtschaft konstituiert. Diese drei Grundstrukturen sind (1) die Solidargesellschaft des Stammes, (2) die Befehlsgesellschaft des Feudalismus und Realsozialismus, (3) die Eigentumsgesellschaft der Freien. (**|**). Jede dieser Strukturen unterliegt eigenen Gesetzen, wobei die beiden ersten den Gesetzen von Sitte bzw. Befehl folgen. Allein die Gesetze der Eigentumsgesellschaft können durch das erschlossen werden, was als ökonomische Theorie zu bezeichnen ist.“ (Ebd., S. 17).

„Die Differenz zwischen Stamm und Feudalismus einerseits und Eigentumsgesellschaft andererseits ist prinzipieller und nicht gradueller Natur. Stämme sowie Feudalismus und Sozialismus kennen kein Eigentum, sondern lediglich Besitz, also die bloße Nutzung von oder Verfügung über Ressourcen. Solidar- und Befehlsgesellschaft verharren daher per Sitte bzw. Befehl in einer bloßen Beherrschung von Ressourcen zur materiellen Reproduktion. Diese erschöpft sich in Anweisungen zur Produktion (einschließlich Vorratshaltung und gegebenenfalls Akkumulation), Distribution und Konsumtion, die zu Transaktionen von Gütern, nicht aber ihrer Ökonomisierung führen. (Diese Transaktionen von Gütern gelten auch für den nicht unbeachtlichen Sektor der »Eigenarbeit«, deren Resultete - anders als die »Schwarzarbeit«, aber vergleichbar den stammesgesellschaftlichen Güteraktivitäten . zu Recht nicht in die berechnung des Bruttosozialprodukts fließen). Das Verständnis der Besitzgesellschaften benötigt deshalb keine Theorie über das Wirtschaften. Für diese Systeme reicht eine soziologische Analyse aus, um die Auswirkungen unterschiedlicher Herrschaftsmechanismen auf die Ressourcennutzung zu erklären.“ (Ebd., S. 17-18).

„Dem Blick auf einen lediglich herrschaftsmäßigen Umgang mit Ressourcen bleibt das Wesentliche der Eigentumsgesellschaft verborgen. Es ist dieses eingeengte Schauen auf die Gütersphäre, das die Erarbeitung einer Theorie der Wirtschaft erschwert hat. Die Eigentumsgesellschaft bedient sich nicht mehr der überkommenen Instrumente von Herrschaft für die Regelung der Ressourcennutzung. Sie schützt vor allem das Eigentum als Rechtstitel und den Eigentümer als Träger dieses Titels, dem der Besitz - das Verfügungsrecht über die Nutzung also- nun unterworfen ist. Sie schützt damit unvermeidlich auch das Recht auf Vollstreckung in das Eigentum eines Schuldners, der seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist und dadurch das Eigentum des Gläubigers vermindert hat. Damit ist die Eigentumsrechtsordnung ausdrücklich blind für die Welt der Güter und für die persönlichen Privilegien der traditionellen Gesellschaften. Wer innerhalb der Eigentumsgesellschaft weiterhin mit überkommenen Herrschaftsmitteln an Ressourcen heran will, vergreift sich nunmehr an Eigentum und nicht an den Loyalitätsbeziehungen von Blutsverwandtschaft oder Gefolgschaft. Die Eigentumsschutzgesetze treffen ihn deshalb ohne Rücksicht auf herkömmlich geregelte Verfügungen über Ressourcen. Erst die Ausschaltung eines herrschaftlichen Zugangs zu Gütern erzwingt das Wirtschaften als Konsequenzen des Eigentums. Die wichtigsten Eigentumsoperationen erwachsen aus dem Zwang, ein ökonomisches Verlieren von Eigentum zu verhindern. Diese ökonomische Verteidigung von Eigentum vollzieht sich jenseits der hoheitlichen Operationen, mit denen ein krimineller Verlust von Eigentum abgewehrt wird.“ (Ebd., S. 18).

„Die ganz unstofflichen Operationen der freien Verkaufbarkeit, vor allem aber der freien Belastbarkeit und Verpfändbarkeit von Eigentum im Kreditkontrakt liefern einer angemessenen Theorie des Wirtschaftens erst ihren Stoff. Alle drei Eigenschaften kommen ohne jede Rücksicht auf die Besitzseite des Eigentums zum Einsatz. Sie sind die Prämie des Eigentums und können von einer Wissenschaft, die vorwiegend auf die Nutzung von Ressourcen schaut, nicht erschlossen werden. Eigentum ist ein abstraktes Ding. Man kann es nicht sehen, riechen, schmecken oder anfassen. Was immer bei solchen Operationen verspürt wird, ist Besitz. Eigentum steht für einen Rechtstitel. Wann immer wir von Eigentum reden, ist dieser Titel gemeint.“ (Ebd., S. 18-19).

„Die Eigentumsoperationen sorgen - so unsere weitere These - dafür, daß es überhaupt erst zur Bewirtschaftung von Ressourcen kommt, also auch die durch Sitte oder Herrschaft gefesselte Nutzung des Besitzes gelockert wird. Erst in der Beziehung zu Eigentümern entstehen - in Stamm und Feudalismus fehlende - Besitzoperationen wie Pacht, Miete oder Leasing, denen eigentümlich ist, daß die Rechte zu ihrer Nutzung erst durch besondere Leistungen (Pacht- und Mietzahlungen) an die Eigentümer erlangt werden können. Diese Operationen bleiben jedoch dem Eigentum nachgeordnet, erwachsen gerade aus seinen gänzlich güterneutralen Verwendungen und bleiben deshalb auch für die Wirtschaftstheorie nachrangig.“ (Ebd., S. 19).

„In den bisherigen Wirtschaftstheorien werden Aktivitäten aus den drei Reproduktionsformen der Solidar-, der Befehls- und der Eigentumsgesellschaft vermischt und sogar in ein evolutionäres Kontinuum gebracht. Wir hingegen haben zu klären, welcher Begriff in welcher Gesellschaft seinen angemessenen Ort findet und ob er von dort nur um den Preis theoretischer Konfusion in eine andere Gesellschaft verpflanzt werden kann. Besitz als in der Tat universale Größe gibt es in allen drei Gesellschaften, während Eigentum in Stamm und Feudalismus fehlt, also der Eigentumsgesellschaft vorbehalten ist, wo es den Besitz - anders als in den Nichteigentumsgesellschaften - in die Ökonomie zwingt.“ (Ebd., S. 19).

„Aus dem Fehlen von Eigentum in Stamm und Feudalismus ergibt sich für diese Gesellschaften auch die Abwesenheit eines Ertrages an Sicherheit, den allein die ökonomischen Potenzen des Eigentums - Belastungs- und Verpfändungsrechte - ermöglichen. Diese Eigentumsprämie stellt mithin eine nichtphysische Größe dar.“ (Ebd., S. 19-20).

„Die Vorstellung einer immateriellen oder nichtpekuniären, aber dennoch ökonomisch überaus bedeutsamen Ertragsart ist von keinem geringeren als Keynes unter dem Begriff »Liquiditätsprämie« im Jahre 1936 in seiner Allgmeinen Theorie vorgestellt worden. Diese Prämie betrachtete er als die Annehmlichkeit der Geldhaltung, monetäre Verpflichtungen jederzeit erfüllen zu können. Für diese immaterielle Annehmlichkeit sei der Zins zu zahlen. Da der große Engländer aber das Vorhandensein von Geld immer schon voraussetzte, konnt er nicht erklären, wie es überhaupt zur Fähigkeit kommt, Geld schaffen und dann monetäre Verpflichtungen eingehen zu können. Seine Liquiditätsprämie ist deshalb ohne Fundament und ohne Erklärungskraft für den Zins geblieben.“ (Ebd., S. 20).

„In der Wirtschaftstheorie nach Keynes - sieht man einmal vom Monetärkeynesianismus ab - hat die Existenz einer Liquiditätsprämie keine Rolle gespielt. Die Eigentumsprämie ist nicht einmal als Begriff vorhanden. Ihre gleichsam als das perpetuum mobile des Wirtschaftens wirkende Potenz hat sich auch den übrigen mit der Eigentumsgesellschaft befaßten Wissenschaften bis heute erfolgreich entzogen.“ (Ebd., S. 20).

„Keynes selbst dachte bei »Liquidität« zwar keineswegs nur an gehaltenes Geld, hat sie aber dennoch nicht aus der Möglichkeit herleiten können, Eigentum für die Generierung von Geld zu belasten und dieses im Gläubiger-Schuldner-Kontrakt gegen verpfändetes Eigentum zu kreditieren. Wir fassen mithin die Prämie des Eigentums, belastbar und verpfändbar zu sein, als den für das Wirtschaften entscheidenden immateriellen Ertrag. Nur durch Aufgabe dieser Eigentumsprämie kann es im Kredit zu Zins und Geld kommen. Die Liquiditätsprämie des Geldes hat also die Existenz der Eigentumsprämie zur Voraussetzung, da Geld als Anrecht auf Eigentum - also auf einen Titel und nicht auf Güter - entsteht. Das gilt nicht allein für Geld in der heutigen Form als Banknote, sondern auch in seiner früheren Form als Münze, die ein auf Metall gedrucktes Anrecht gewesen ist. Wo immer wir Keynes' Begriff der Liquiditätsprämie verwenden, unterscheiden wir sie deshalb strikt von der Eigentumsprämie.“ (Ebd., S. 20-21).

„In Stamm und Feudalismus sowie Realsozialismus fehlen nicht allein die Eigentumsprämie und die Liquiditätsprämie. Auch andere wesentliche Hervorbringungen der Eigentumsgesellschaft sind diesen Gemeinwesen fremd. Neben Geld kann also auch von Zins, Kredit und Kapital sowie Wert, Preis, Profit und Markt in diesen Besitzgesellschaften keine Rede sein. Da es jedoch Besitz in allen drei Gesellschaften gibt, ist daraus für das Verständnis der Eigentumswirtschaft viel Verwirrung erwachsen. Eine Theorie der Eigentumsoperationen ist nicht einmal erwogen worden.“ (Ebd., S. 21).

„Dieser Mangel gilt bereits für die ökonomische Klassik von Adam Smith (1723-1790) bis Karl Marx (1818-1883). Zwar wurde in der Klassik ausführlich über das »Privateigentum« gesprochen und geschrieben. Allerdings hat man sich dabei im wesentlichen für die Herrschaftsposition des Privateigentümers als Besitzer interessiert und damit ebenfalls die essentielle Rolle des Eigentums für das Wirtschaften verfehlt. Die Klassik verbleibt im Kern ihrer Theorie eine Tauschtheorie, eine Analyse des Tausches von Gütermengen, bei der sie sich vor allem für die »objektiven« Arbeitswerte als Tauschwerte interessiert. In der Diskussion dieser Tauschwerte macht sie am ehesten noch zur freien Verkaufbarkeit - zumindest indirekte - Aussagen, während die aus der Eigentumsblockierung resultierende Kreditierbarkeit unthematisiert bleibt. Ihre entscheidenden Kategorien der Belastbar- und Verpfändbarkeit als nichtphysische Erträge des Eigentums können deshalb nicht einmal benannt werden. “ (Ebd., S. 21).

„In der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts begründeten und bis heute die Wirtschaftstheorie dominierenden Neoklassik erscheint Eigentum lediglich als ein zwar wichtiges, aber nachrangiges Ordnungselement. Im Kern der neoklassischen Theorie steht ebenfalls die Betrachtung von Besitzern, die Gütermengen tauschen. Dabei interessiert sich die Theorie nicht für objektive Arbeitswerte, sondern für die »subjektive« Bedürfnisbefriedigung (»Nutzen«) durch die physische Nutzung, die einem Optimierungskalkül unterworfen ist. In ihrer atemporalen Fassung impliziert die Gütertauschtheorie indirekt die Verkaufbarkeit und in ihrer intertemporalen die Verleihbarkeit, die jedoch nichts mit Kreditierbarkeit von Geld zu tun hat. Die Verpfändbarkeit schließlich wird überhaupt erst seit Mitte der achtziger Jahre thematisiert, ohne daß dabei zur konstitutiven Rolle der Eigentumsverpfändung für die Kreditierung vorgestoßen würde. Die Eigentumsprämie hat in der neoklassischen Theorie keinen Ort.“ (Ebd., S. 21-22).

„Obwohl wir viele Begriffe analysieren, die auch in den bisherigen Theorien auftauchen, kann man diese Theorien nicht als Versuche klassifizieren, die aus der Eigentumsprämie erwachsenden Operationen zu verstehen. Daraus ergibt sich ein Problem der Kommensurabilität. Konkurrierende Theorien der Eigentumswirtschaft, an denen wir uns messen könnten, liegen noch nicht vor. Das macht den Vergleich zwischen unseren Erörterungen und denen der herrschenden Lehre nicht immer einfach. Gleichwohl kann auf die Gegenüberstellung von - eher unsystematischen - Aussagen der dominierenden Lehren zu Kategorien, die wir ins Zentrum der Erklärung stellen, nicht verzichtet werden, will man ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen.“ (Ebd., S. 22).

„Für unser Vorhaben, erstmals eine Theorie der Eigentumswirtschaft zu konzipieren, können wir mithin weder auf dem Boden der vorherrschenden Strömungen verbleiben noch uns häretischen Theorieversuchen anheimgeben. Wir können uns auch nicht einfach in die Linie der beiden großen Theoriekritiken einreihen, die das Beste ihrer Epoche festhalten und in eine neue Synthese einbringen wollten: Das Kapital (1867) von Karl Marx und Warenproduktion mittels Waren (1960) von Piero Sraffa (1898-1983). Ersterer hatte im 19. Jahrhundert seine Ideen in Auseinandersetzung mit der Politischen Ökonomie der Klassik gewonnen, letzterer im 20. Jahrhundert seine Position gegen die ökonomische Theorie der Neoklassik herausgearbeitet. Beide haben deshalb mit allem Recht Kritik der politischen Ökonomie (Marx) und - etwas bescheidener - Einleitung zu einer Kritik der ökonomischen Theorie (Sraffa) als Untertitel ihrer Werke gewählt.“ (Ebd., S. 22).

„Die Lösung der in unserem Untertitel angezeigten »Rätsel der Wirtschaftswissenschaft« soll nicht weniger als die Grundlegung der Wirtschaftstheorie erbringen. Eine solche »Grundlegung«, ist bewußt ohne Analogie zur Kritik von Marx und Sraffa formuliert worden. Wir können also weder von der herrschenden Lehre noch von ihren Herausforderern ausgehen, obwohl wir keine der Richtungen ignorieren. Hätten wir einen Untertitel in Analogie zu Marx oder Sraffa wählen müssen, dann wäre »Kritik der tauschtheoretischen Grundlagen der ökonomischen Theorien« der angemessene gewesen. Im Text wird diese Kritik durchgängig geleistet. Unsere Arbeit ist darüber hinaus jedoch gezwungen, einen Paradigmenwechsel gegen die klassische und neoklassische Theorie der Tauschwirtschaft - verstanden als Kapitalismus (Klassik) bzw. Marktwirtschaft (Neoklassik) - hin zur Theorie der Eigentumswirtschaft zu vollziehen.“ (Ebd., S. 22-23).

„Dieser Wechsel verschont auch die vom Berliner Ökonomen Hajo Riese (*1933) begründete monetärkeynesianische Theorie der Geldwirtschaft nicht, in der das geldtheoretische Versagen der neoklassischen Theorie besonders scharfsinnig hervorgehoben wird. Obwohl auch die Berliner Schule das Tauschparadigma kritisch sieht, ist sie ihm doch nicht wirklich entkommen, was an ihrer Fassung des Gütermarktes als Tauschplatz offensichtlich wird.“ (Ebd., S. 23).

„Der von uns keineswegs vorab beabsichtigte, aber im Wege der Analyse eingetretene Paradigmenwechsel besteht schlichtweg darin, daß sich fast alle Begriffe der bisherigen Theorien als unangemessen erweisen oder bloße Allgemeinplätze ohne Trennschärfe darstellen, wie etwa »Transaktion«, »Produktion«, »Konsumtion«, »Distribution«, »Unsicherheit«, »Erwartungen« oder gar das »Verstreichen von Zeit«.“ (Ebd., S. 23).

„Während der eine Leser die von uns vorgenommene Kritik an den herrschenden Theoriegebäuden als unverzichtbaren Beitrag erwarten wird, mag der andere sich gerade dadurch verwirrt oder unnötig belastet fühlen. Wir haben beiden Interessen dadurch gerecht zu werden versucht, daß unsere eigene Sicht bzw. die positive Theorie der Eigentumswirtschaft im Kapitel über die Wirtschaftsverfassung noch einmal zusammengefaßt wird, obwohl alle ihre Elemente in den anderen Kapiteln entwickelt und zugleich immer wieder, wenn nicht gar zu häufig, mit der herrschenden Argumentation konfrontiert werden. Überdies wird jedes Kapitel mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, in der wir die Argumente der herrschende Lehre und der Theorie der Eigentumswirtschaft noch einmal knapp charakterisieren.“ (Ebd., S. 23).

„Mit unserer Theorie der Eigentumswirtschaft werden wir nicht nur die Kategorie des Marktes als nachrangig und daher den Begriff »Marktwirtschaft« als unzureichend zurückweisen, sondern auch die Kategorie des Geldes und damit den Begriff »Geldwirtschaft« als den Kern des Wirtschaftens nicht treffend. Das gleiche gilt für den von uns lange verwendeten Begriff der »Zinswirtschaft«.“ (Ebd., S. 23-24).

„Ungeachtet der Wahl des Begriffs »Eigentumswirtschaft« sind die in der ökonomischen Literatur bisher höchst widersprüchlich und unzureichend analysierten Begriffe Zins und Geld als gewissermaßen erstgeborene Abkömmlinge der Eigentumsprämie auszuweisen. Deshalb stehen Termini wie Geldwirtschaft und - mehr noch - Zinswirtschaft näher am primum movens der Ökonomie als die herrschende Rede von einer Marktwirtschaft. Am Ende jedoch müssen alle Theorienamen, die den Kern des Wirtschaftens unbenannt lassen, dem Verdacht anheimfallen, daß ihnen die Ökonomie insgesamt rätselhaft geblieben ist.“ (Ebd., S. 24).

„Im Verlauf unserer Argumentation angestellte Strukturvergleiche und historische Vergegenwärtigungen sollen es dem Leser einfacher machen, den ökonomischen Begriffen ihren korrekten Ort anzuweisen. Wir präsentieren historische Exkurse also nicht deshalb, weil - wie schon Balduin Penndorf 1913 betonte - »ohne historisches Fundament alles Können unvollkommen und das Urteil über die Erscheinungen der Gegenwart unsicher« (ebd., a.a.O., S. III) bliebe. Wir machen auch keineswegs dasselbe wie der Gründungsheros der Ökonomie als Wissenschaft, Adam Smith, der seine theoretischen Erkenntnisse für sein Werk Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes (1776) bekanntlich aus seiner Sicht der Sozialgeschichte gewonnen hat. Gerade an ihm werden wir sehen, wie seine Überzeugung von ewigen Prinzipien des Wirtschaftens ihn immer wieder dazu verführt, sein Material entweder theoretisch unausgelotet zu lassen oder haltlos zu überziehen. Insbesondere seine Gewißheit, daß sich aus dem angeblichen menschlichen »Hang zu tauschen« (ebd., 1. Buch, Band 1, Kapitel 1, S. 17), alles weitere - wie vor allem Arbeitsteilung und Markt, Wert und Preis, Geld und Kredit, Kapital und Akkumulation sowie Zins und Profit - zwangsläufig und logisch ergebe, ist für die Wirtschaftstheorie verhängnisvoll geworden.“ (Ebd., S. 24-25).

„Uns geht es also nicht um Weltweisheit und theoretische Deduktionen aus Konstruktionen über den Geschichtsablauf. Wir schauen nur deshalb immer wieder auch auf den historischen Stoff, um die Abgrenzung der für unterschiedliche Gesellschaftsformen idealtypischen Grundstrukturen der materiellen Reproduktion voneinander schärfer herauszuarbeiten. Material für die Theorie sind diese Strukturen, während die Besonderheiten ihres Entstehens und Vergehens Thema der Historiographie sind. Jede dieser Strukturen verlangt ihre eigene Theorie und kann durch ökonomische Allgemeinaussagen, die über physische und psychische Selbstverständlichkeiten der conditio humana hinausgehen, nur mißverstanden werden. Die gefundene Theorie muß dann aber vom Beginn der jeweiligen Struktur an gültig sein und darf sich nicht auf historische Besonderheiten berufen, wo es ihr in Wirklichkeit an Konsistenz mangelt.“ (Ebd., S. 25).

„Unsere Wirtschaftstheorie braucht mithin nicht die Geschichte um ihrer selbst willen, sondern lediglich als genaue Kennzeichnung der gesellschaftlichen Grundstrukturen, deren jeweilige materielle Reproduktion zu erklären ist. Bei diesem Bezug auf Historisches müssen wir lediglich dann eigene Rekonstruktionen vornehmen, wenn Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften eingestandenermaßen daran scheitern, die für Theoriearbeit entscheidenden Strukturen zu erkennen oder gar ihre Entstehung herzuleiten. Diese gelegentlich anzustellende historische Arbeit hat allerdings mit der von uns zu erarbeitenden Wirtschaftstheorie nichts zu tun. Sie muß sich lediglich der üblichen historiographischen Überprüfung stellen.“ (Ebd., S. 25).

„Immer wieder werden wir offenzulegen haben, daß die im herrschenden ökonomischen Wissenschaftsbetrieb als Theorie anerkannten Lehrgebäude vor allem deshalb versagen, weil sie von bloßen Schreibtischkonstruktionen über eine Evolution des Tauschens geradezu durchtränkt sind. Dieses nicht zu erkennen, hängt zu einem guten Teil damit zusammen, daß Ökonomen sich ausdrücklich als der Historie nicht bedürftig definieren. Gelegentlich räumen heutige Autoren sogar ein, daß ihre Vorgänger mit irrigen Annahmen über die Geschichte der Wirtschaft und des Tausches operiert hätten. Solche Irrtümer werden dann aber nicht korrigiert, sondern es wird statt dessen erklärt, daß Geschichte für die Theoriearbeit ohnehin irrelevant sei.“ (Ebd., S. 25-26).

„Selbstverständlich muß die Wirtschaftstheorie ohne Rückgriff auf die Geschichte arbeiten. Wenn jedoch als Stoff für die ökonomische Theorie der Tausch genommen wird, dann bezieht sie sich unerkannt auf eine historische Konstruktion und nicht - wie sie glaubt - auf eine wirtschaftliche Operation. Die Grundannahme der Wirtschaftstheorien stammt mithin aus einem evolutionistischen Geschichtsdenken, das weder von der Vergangenheit noch von der Gegenwart gedeckt ist. Die Tatsache, daß Geschichtswissenschaft und Wirtschaftstheorie auf methodisch unterschiedlichen Ebenen agieren, darf also nicht in den Glauben münden, die Theorie könne ungestraft mit Annahmen operieren, die - wie der am Individualkalkül orientierte Gütertausch - in einem fundamentalen Widerspruch zu historischen Forschungsresultaten stehen. In diesem Punkt verschlägt auch der Einwand von Karl Popper (1902-1993) nicht, daß der Ermittlung solcher Resultate ein selbst schon theoretisch geformter Blick allemal vorausgehe. Das ist richtig, aber insofern auch trivial, als die erkannten und unerkannten theoretischen Prämissen des historischen Blicks selbstverständlich ebenso der Kritik ausgesetzt sind wie diejenigen der Wirtschaftstheorie.“ (Ebd., S. 26).

„Nun könnte der Einwand erhoben werden, daß der Begriff des Tausches nicht für einen empirischen Befund steht, sondern als nur durch theoretische Analyse erschließbarer Wesensbegriff fungiert. Tausch wäre dann die unsichtbar hinter den offenliegenden ökonomischen Erscheinungen wirkende eigentliche Operation, von der ohne Theorie nichts gewußt würde. Dieser Einwand verschlägt indes nicht, da die Neoklassik keineswegs - wie noch zu zeigen - von einer prinzipiellen Unsichtbarkeit des Tausches, sondern nur im Falle des Geldgebrauchs von einem Schleier spricht, der den Tausch verdeckt. Ihre Grundannahme des Gütertausches soll mithin eindeutig empirisch fundiert sein, weshalb es kein Zufall ist, daß ihre Vorstellung eines geldlosen, also sichtbaren Tausches für die Vorstellung des Tausches mit Geldgebrauch unverzichtbar ist. “ (Ebd., S. 26).

„Wenn man so will, dann stellt die Eigentumsprämie einen » Wesensbegriff« dar, der etwas nicht offen zu Tage Liegendes fassen will. Sie erwächst gerade nicht aus Gütern als solchen, sondern ist der Eigentumsstruktur inhärent und kann erst in den Blick geraten, wenn nach dem Grund der wichtigsten Elemente der Eigentumswirtschaft - Belastung und Verpfändung, Zins und Geld - gefahndet wird. Dabei ist auch das »Wesen« der Eigentumswirtschaft nicht in einem materiellen Bereich zu erkennen, sondern erst an ihrer besonderen rechtlichen, also immateriellen Struktur, die sich von den sehr handfesten Maßnahmen von Sitte und Befehl in Stamm und Feudalismus ganz eigengesetzlich freimacht.“ (Ebd., S. 26-27).

„Das theorieverderbende Unterfutter unerkannter Geschichtsdurchwirktheit erweist sich also deshalb als so durchschlagend, weil die in alle Argumente einfließenden Vorstellungen der Ökonomen über Vergangenheit und Gegenwart sehr wenig mit Wirtschaftsgeschichte, aber alles mit Fiktion oder - besser - mit Spekulation über Geschichte zu tun haben. Was stolz im Gestus des Mathematikers für ein ahistorisches Axiom oder Apriori gehalten wird, aus dem dann alles weitere gefolgert werden könne, läßt sich ohne große Schwierigkeiten als willkürliche Setzung über das Wirtschaften von gestern und heute erweisen. Zwar versteht die Neoklassik sich als eine positive Theorie, die nicht davon redet, was sein soll, sondern sich dem zuwendet, was ist, aber bei der Benennung dessen, was ist, wird merkwürdigerweise keineswegs von diesem »Ist« gehandelt, sondern mit schlichten Annahmen begonnen. Die berühmteste ist dabei im Bild von den zwei Leuten gefaßt, die mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Erstausstattungen einen Tausch beginnen. Solche Fiktionen vom »Ist« werden allerdings nicht nur an der Neoklassik, sondern auch am Monetärkeynesianismus sichtbar werden, wenn ein immer schon daseiendes nichtökonomisches Geld durch ein Zinsangebot ökonomischen Gehalt bekommt.“ (Ebd., S. 27).

„Wir behaupten somit, daß wir Wirtschaftstheorie treiben, wohingegen die sich als Theorie verstehenden Positionen lediglich historische Fehlannahmen in ökonomische Begriffe kleiden. Um dieses kenntlich zu machen, werden wir nicht nur die Inkonsistenz solcher »Theorie« zu erörtern haben, sondern diese auch auf ihre geschichtsfiktiven Gründe zurückführen müssen. Deshalb werden wir nicht zögern, Autoren heranzuziehen, die besonders scharfsinnig über die aus neuen Strukturen erwachsende Wirtschaft geschrieben haben. Oft handelt es sich dabei um Gelehrte, die - wie etwa Hesiod (ca. 8. Jahrhundert v.u.Z.) - bereits vor unserer Zeitrechnung bekannt geworden sind. Daß einer schon vor zweitausend Jahren zwei plus zwei zu vier addieren konnte, ändert nämlich nichts daran, daß diese Aussage eine mathematische und keine historische ist. Für die Theorie aufschlußreiche Beobachtungen sind also nicht deshalb abzuweisen, weil sie schon so früh gemacht wurden. Etliche der von uns zitierten Autoren sind bezeichnenderweise niemals als Ökonomen angesehen worden. Deshalb trägt dieses Buch ganz nebenher auch dazu bei, gerade solchen Denkern theoriegeschichtliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ihre Befunde sind deshalb so relevant, weil sie von Zeitzeugen stammen, die noch von der früheren Gesellschaftsstruktur - Stamm oder Feudalismus - geprägt waren, dann aber die Auswirkungen des Eigentums zu studieren hatten und deshalb für die hier vorgelegte Theorie der Eigentumsökonomie ihre Bedeutung niemals verlieren können.“ (Ebd., S. 27-28).

„Der entscheidende Fehler für das Scheitern aller bisherigen theoretischen Anstrengungen besteht in der Annahme, daß eine Wirtschaftstheorie über den Homo sapiens sapiens (seit der Entdeckung, daß der Neandertaler seine Toten geschmückt hat, heißt er Homo sapiens neanderthalensis, weshalb »wir« ein zweites sapiens bekommen haben [und seit die Genetik die relativ großen Unterschiede zwischen beiden Sapienten entdeckt hat, sollen »wir« wieder ohne das zweite sapiens auskommen; Anm. HB]), über einen ewigen Homo oeconomicus zu schreiben sei, weil der Mensch von Beginn an denselben Prinzipien folge. Ein solcher Ansatz versucht sich mithin an einer Wirtschaftstheorie über den Menschen, wohingegen wir eine Wirtschaftstheorie des Eigentums anstreben. Weil der Mensch als solcher und nicht der in Eigentumsstrukturen agierende Mensch für die Basis des Wirtschaftens gehalten wird, kann nicht überraschen, daß selbst in den nachdenklichsten ökonomischen Werken immer wieder auf biologische und psychologische Grundannahmen - neben dem bereits erwähnten »Hang« zum Tausch alle Varianten der menschlichen Gier rekurriert wird, aus denen dann vorgeblich universelle ökonomische Kategorien abgeleitet werden. Selbstredend bestreiten wir diese Eigenschaften des Menschen nicht. Sie müssen in vielen Zusammenhängen unser Interesse erregen. Für eine Theorie des Wirtschaftens jedoch geben sie nichts her.“ (Ebd., S. 28).

„Unter den herausragenden Gelehrten der Neoklassik hat lediglich der Nobelpreisträger für Ökonomie von 1974, Friedrich A. Hayek (1899-1992), ein ausgeprägtes Gespür dafür entwickelt, daß ein natürlicher Tauschhang keine Eigenschaft darstellt, die dem Menschen a priori zukommt. Ein als Ökonomisierung zu kennzeichnendes Verhalten des Menschen darf nach Hayek nicht von vornherein unterstellt werden, sondern ist überhaupt das, was erst durch Theorie erhellt werden kann: »Die Notwendigkeit für eine Erklärung ökonomisierenden Verhaltens kann in der neoklassischen Wirtschaftstheorie gar nicht erst entstehen, weil es vorausgesetzt ist. In Hayeks Denken braucht das ökonomisierende Verhalten als solches eine Erklärung, weil Hayek nicht von vornherein annimmt, daß der Mensch ein Homo oeconomicus ist.« (Friedrich von Hayek, a.a.O.).“ (Ebd., S. 28-29).

„Viel mehr als die Forderung nach einer Theorie für das Ökonomisieren hat Hayek der Neoklassik allerdings nicht hinterlassen. Er verbleibt in vagen Aussagen über eine kulturelle Evolution von einem primitiven, altruistisch-sozialen Menschen hin zu einem modernen, egoistisch-ökonomischen Menschen. Auf bisher ungeklärte Weise - in einer wissenschaftlich noch unausgeloteten Leerstelle der Evolution sei der Primitive aus dem »Mikrokosmos ... unserer Familien«, in denen er bis heute fortexistiert, als Homo oeconomicus in den »Makrokosmos unserer Zivilisation« gelangt. (Vgl. Friedrich von Hayek, a.a.O.). In dieser Sicht äußert sich der Glaube an eine soziologische Gesetzmäßigkeit, die selbst eine Umformung der menschlichen Natur zustandebringe. Statt Wirtschaftstheorie zu treiben, wird in eine übergeordnete Theorie gesellschaftlichen Wandels ausgewichen. Einmal mehr wird Wirtschaftstheorie preisgegeben für etwas anderes.“ (Ebd., S. 29).

„Wir hingegen schreiben ausdrücklich keine historische, biologische, psychologische, soziologische oder gar eine diese vier Sichtweisen mischende Theorie des Menschen in seiner wirtschaftlichen Rolle. Wir analysieren die materielle Reproduktion in den drei bekannten Gesellschaftsstrukturen, wobei es gänzlich gleichgültig ist, daß die in ihnen agierenden Menschen physisch und psychisch tatsächlich immer dieselben alten Adams und Evas geblieben sind. Es können sogar ein und dieselben Personen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen hin- und herspringen und sich dabei gegenüber so divergierenden Anforderungen wie einer bloßen Beherrschung oder auch einer Bewirtschaftung von Ressourcen bewähren. Solche Menschen wissen deshalb manchmal besser als Ökonomen, daß es eine zutreffende Theorie nur für die jeweilige Struktur geben kann, nicht jedoch eine universelle ökonomische Theorie vom Neandertaler bis heute.“ (Ebd., S. 29-30).

„Damit ist allerdings nicht gesagt, daß universelle Interessen an materieller Reproduktion in der Eigentumswirtschaft ohne Bedeutung wären. Aus solchen Interessen lassen sich aber keine spezifischen Eigentumsoperationen ableiten. In ihrer jeweiligen Gesellschaftsstruktur versuchen die Individuen sehr wohl, ihre Existenz zu sichern. Sie tun das jedoch gemäß den Mechanismen, die diese Strukturen zulassen bzw. erzwingen.“ (Ebd., S. 30).

„Nun war es die sogenannte (deutsche) Historische Schule der Wirtschaftswissenschaften (mit den wichtigsten Werken zwischen 1843 und 1900), die sich vorgenommen hatte, eine prinzipiell unendliche Variationsbreite von außerökonomischen Bedingungen zu erforschen, unter denen Menschen wirtschaften. Entsprechend wollte sie die abstrakte Strenge der Wirtschaftstheorie in einer realitätsgesättigten Wirtschaftsgeschichte aufgehen lassen. Eine ausgesprochene Theoriefeindlichkeit gehörte zu dieser Denkrichtung. Während also der herrschenden Wirtschaftstheorie vorzuhalten ist, daß die grundlegende Tauschprämisse ihres Theoriegebäudes lediglich eine historische Fiktion darstellt, ist der Historischen Schule anzulasten, daß sie durch nichtfiktives Beschreiben der Wirklichkeit die reine Theorie ins Abseits drängen will. Mit der herrschenden Lehre verbindet uns das Beharren auf Theorie, während wir ihre Fiktionen verwerfen. Die Historische Schule wiederum hat darin recht, daß es keine universelle Theorie des wirtschaftenden Menschen gibt. Sie irrt jedoch fundamental, wenn sie beliebig viele Wirtschaftsweisen in einer Art universellen - nicht nur ökonomische Faktoren einbegreifenden - historischen Entwicklungstheorie unterbringen will. Für uns hingegen gibt es Wirtschaften nur in der Eigentumsgesellschaft, deren ökonomische Operationen überhaupt nur durch Theorie verständlich gemacht werden können. Die vielfältigen Stoffe der Historischen Schule fallen unter das Beherrschen von Ressourcen, nicht jedoch unter ihre Ökonomisierung, die am Eigentum hängt. Die herrschende Wirtschaftstheorie und die Historische Schule bilden insofern lediglich zwei Seiten einer Medaille. Im Grunde verzichten beide auf Theorie. Die Historische Schule hat dabei den Vorteil, das selbstbewußt hervorzuheben, während die Neoklassik ungebrochen noch eine akademische Übung für Theorie hält, bei der es in der Tat unwesentlich ist, ob ihr Gegenstand in der Welt ist.“ (Ebd., S. 30-31).

„Das einzig von uns anerkannte universelle Interesse, die Sicherung der materiellen Reproduktion, ist für jede der drei bekannten Gesellschaftsstrukturen (**|**|**) gesondert zu analysieren. Dabei wird durchaus etwas in den Blick kommen, was als Rationalität identifiziert werden kann. Diese Orientierung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem, was neoklassisch als Optimierung (Maximierung des Nutzens bei einer gegebenen Erstausstattung) bestimmt wird. Bereits der neoklassische Nobelpreisträger von 1972, Kenneth Arrow (*1921), hat gesehen, daß nicht einmal im Rahmen der neoklassischen Theorie ausschließlich diese besondere individuelle Rationalität in Rechnung gestellt werden dürfe: »Rationalität ist im Prinzip für eine Wirtschaftstheorie nicht wesentlich.« (Ebd., a.a.O.).“ (Ebd., S. 31).

„Die ökonomische Wissenschaft ist bisher zu einer befriedigenden Theorie nicht vorgedrungen, sondern hat sich in historischen Tauschfiktionen verloren, weil sie keine Erklärungen der Auswirkungen unterschiedlicher Strukturen für die materielle Reproduktion gesucht hat, sondern ein bereits vortheoretisch geglaubtes Tauschprinzip in ganz unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen lediglich wiederfinden wollte. In diesem Widerwillen gegen die theoretische Auslotung unterschiedlicher Gesellschaftsstrukturen - Stamm, Feudalismus, Freie (**|**|**) - hatte und hat ein Gedankengebäude Macht über das ökonomische Denken, das am Ort seiner naturwissenschaftlichen Entstehung inzwischen zunehmend aufgegeben wird, aber auch dort dafür verantwortlich gewesen ist, daß eine seriöse Forschung fast eineinhalb Jahrhunderte schwer behindert wurde. Dieses Gedankengebäude ist die teleologisch-evolutionistische Überzeugung, daß die Natur- und Menschheitsgeschichte in kleinsten Schritten und über extrem lange Zeiträume von Anfang an nur durch solche Kräfte sich weiter ausdifferenziere, die wir auch heute kennen, weshalb die Lehre als Aktualismus oder Uniformitarismus bekannt ist.“ (Ebd., S. 31-32).

„Vor mehr als hundertundsechzig Jahren hatte der Aktualismus die Erde diesem Gesetz kleinster Kräfte wie Regen, Wind, Sonne u.s.w. unterworfen und damit den bis dahin in den Naturwissenschaften existierenden Katastrophismus verdrängen können. .... Mit Charles Darwin (1809-1882) und seinem Buch Die Entstehung der Arten (1859) wurde der aktualistische Glaube an minimale Veränderungen durch ewig gleiche Wirkkräfte in den Naturwissenschaften weltweit dogmatisiert. Außenseiter, die auf die Evidenz verwiesen, fanden nicht mehr Gehör.“ (Ebd., S. 32).

„Fachintern hat der vorurteilsfreie Blick auf die Natur sich erst im Jahre 1972 wieder vorsichtig bemerkbar gemacht, als die darwinistisch erzogenen us-amerikanischen Biologen und Geowissenschaftler Niles Eldredge (*1942) und Stephen Jay Gould (1942-2002) einräumten, daß tatsächlich punktschnelle Entwicklungen Veränderungen in der Natur veranlassen, deren Ursachen mit Regen, Wind und Sonne allein nicht zu fassen sind. Seitdem gibt es in der herrschenden Lehre einen ununterbrochenen Strom neuer katastrophistischer Publikationen. Ende der 1980er Jahre schließlich hat dieser Umbruch unter der Formel »Darwin hatte Unrecht« die Standardlehrbücher für US-Colleges erobert. Bereits Mitte der 1980er Jahre räumte der us-amerikanische Astrophysiker David Raup (*1930) auch für die Himmelswissenschaftler ein, daß die »›Uniformitätslehre‹ zugunsten der Katastrophentheorie ... abdanken« müsse.“ (Ebd., S. 32-33). **

„Insbesondere die plötzliche Entstehung und der nicht weniger abrupte Untergang der Dinosaurier hat den kosmischen Kataklysmos in die wissenschaftliche Debatte zurückgebracht. Durch den Sturz des Shoemaker-Levy-9-Kometen in den Jupiter im Sommer 1994 hat der Neokatastrophismus aus Biologie, Geologie und Astrophysik auch die Laienöffentlichkeit erobert. Seitdem stehen Fachwissenschaftler und Medien in einem regelrechten Wettlauf um die Neuetablierung des Katastrophismus, dessen Verdrängung durch den Darwinismus - wie zunehmend eingeräumt wird - die Naturforschung bald eineinhalb Jahrhundene gekostet hat. Innerhalb des Faches verläuft die Frontlinie jetzt zwischen sogenannten recentists, die auch die darwinisierend langen Zeiträume der Natur- und Menschheitsgeschichte in Frage stellen, und den übrigen Neokatastrophisten, die noch ganz ungebrochen die Geschichte des (höheren! Anm. HB) Lebens vor 600 Millionen Jahren beginnen lassen.“ (Ebd., S. 33-34). **

„Vor allem Soziologie und Ökonomie jedoch haben diese Entwicklung kaum nachvollzogen und sind weiterhin stolz auf einen Glauben, den sie für naturwissenschaftlich und damit allein für eigentlich wissenschaftlich halten, obwohl er doch nur eine der Religionen des bürgerlichen Zeitalters darstellt. Dabei ist der Einfluß eines Glaubens an stetige Höherentwicklung auf die Neoklassik besonders offensichtlich. Zwar hat auch die Klassik - insbesondere Adam Smiths von Aristoteles' »Politik« beeinflußte Schrift »Wohlstand der Nationen« - evolutionsorientiert argumentiert, also schon im »Barbaren« die Rohform allen Wirtschaftens ausgemacht, von einem gesetzmäßigen Evolutionismus war jedoch noch keine Rede. Die Wucht und der Zauber dieses Gedankens, der alles weitere Denken in feste Bahnen zwang, sind erst durch die Darwinisten kanonisiert worden. Die weniger gelesene als vielmehr kolportierte Arbeit Origin of Species war gerade 12 bzw. 15 Jahre auf dem Markt, als das neoklassische Gründungsdreigestirn die Pionierarbeiten des neoklassischen Tauschdogmas vorlegte: Carl Menger (1840-1921): Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871),William Stanley Jevons (1835-1882): The Theory of Political Economy (1871) und Leon Walras (1834-1910): Éléments d'économie politique pure ou théorie de fa richesse sociale (1874-1877).“ (Ebd., S. 34-35).

„Karl Marx hatte bekanntlich die Freundschaft Darwins gesucht. Der dafür an Darwin geschickte Brief ist verlorengegangen. Am Ende hat er ihn lediglich zitiert und ihm ein handsigniertes Exemplar zugesandt, das die Widmung trug: »Herrn Charles Darwin von seinem aufrichtigen Bewunderer.« Sein Glaube an eine gesetzmäßige Entwicklung zu höherstehenden Gesellschaftsformen aus dem Klassenkämpfe erzeugenden Widerspruch dynamischer Produktivkräfte und fesselnder Produktionsverhältnisse steht in Analogie zu einem naturwissenschaftlichen Denken, das aus Überpopulation, Mutation und Anpassung höhere Arten entstehen lassen will. Noch am Grabe Marxens (17. März 1883) hat Friedrich Engels (1820-1895) die gemeinsame Leidenschaft für den Evolutionismus beschworen: »Charles Darwin entdeckte das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur. .... Marx ist der Entdecker jenes grundlegenden Gesetzes, das den Gang und die Entwicklung der menschlichen Geschichte bestimmt.« (Ebd., a.a.O.).“ (Ebd., S. 35).

„Auf der Grenze zwischen Natur- und Sozialwissenschaften stehend fällt es der Archäologie offenbar leichter, Naturkatastrophen als Ursachen auch für soziale Umbrüche zu erkennen. Daß der Geschichte erstes - altakkadisches - Großreich einer Megakatastrophe zum Opfer fiel, also in historischer Zeit, als die Menschen schon Texte verfaßten, Kataklysmen zur Zerstörung einer Feudalordnung führten, ist jetzt auch in der archäologischen Lehrmeinung nicht mehr strittig.“ (Ebd., S. 36).

„Das dramatische und schnelle Erscheinen neuer sozialer Strukturen, die dann ebenso schnell eine ihnen gemäße materielle Reproduktion erzeugen, wird selbstredend leichter ins Auge gefaßt, wenn nicht nur Ausdifferenzierungen eines Tausches, sondern ganz andere Kräfte als historische Agenten berücksichtigt werden dürfen. Wenn diese Arbeit sich vom evolutionistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsdenken freimacht, dann profitiert sie auch davon, daß sie an das naturhistorische Fundament solchen Denkens - zusammen mit den Naturwissenschaftlern - nicht mehr glaubt. Die elementaren Strukturbrüche zwischen Stammes- und Befehlsgesellschaft einerseits sowie Eigentumswirtschaft andererseits verlieren das Ungewöhnliche oder gar Exotische fürs Denken, wenn die ihm zugrundeliegenden Erschütterungen außerhalb des Sozialen mitgedacht werden.“ (Ebd., S. 36).

„Ungeachtet der hier verfolgten Sichtweise versteht es sich von selbst, daß wir keine bisher unbekannten Anforderungen an Theorie aufstellen. Sie verlangt immer und überall innere Schlüssigkeit und Gegenstandsbezug der Axiome. Die Wirklichkeit soll nicht verfehlt, verdrängt, verfälscht oder falsch erklärt werden. Zureichende Erklärungen und ihre innere Stringenz sind mithin für eine Theorie, die sich auf Wirtschaft bezieht, ebenso einzufordern wie für Erklärungsversuche, die sich irgendeinem anderen Gegenstand widmen.“ (Ebd., S. 36).

„So sehr die hier versuchte Grundlegung der Wirtschaftstheorie für ein umfassendes Forschungsprogramm steht, so deutlich soll sie den noch nicht mehr sein als eben dieses - Grundlegung also. Zins, Geld und Kredit, Wert, Preis und Markt, Profit, Kapital, Akkumulation und Krise sind herzuleiten. Detailuntersuchungen jedoch, etwa zu Zinsbewegungen, Geldwertstabilität, Wettbewerbsgrad oder Wachstumsraten, gehören nicht in diese Arbeit. Sie will vielmehr die notwendigen begrifflichen Klärungen bereitstellen, von denen Spezialstudien dann ausgehen können.“ (Ebd., S. 36-37).

„Für diese begriffliche Grundlegung der Wirtschaftstheorie haben wir das Buch in acht Kapitel gegliedert. Im Kapitel vom Tauschparadigma (A) werden die wichtigsten Inkonsistenzen der herrschenden neoklassischen Theorie vorgestellt, die wir als Geld-, Zins- und Eigentumsprobleme dieser Lehre identifizieren. Das Kapitel vom Eigentum (B) konzentriert sich auf das Scheitern aller bisherigen Wirtschaftstheorie, eine genaue Unterscheidung zwischen dem ubiquitärem Besitz und dem - das Wirtschaften erst konstituierenden - Eigentum vorzunehmen. Sie kann deshalb zur Eigentumsprämie nicht gelangen. Das Kapitel vom Zins (C) stellt dem nicht endenden »Chaos der Zinstheorien« eine Eigentumstheorie des Zinses entgegen, in der die Eigentumsprämie die Schlüsselgröße zum Verständnis von Zins, Geld und auch seiner Liquiditätsprämie bildet. Das Kapitel vom Geld (D) verwirft die tauschbegründeten und außerökonomischen Erklärungen des Geldes. Es wird als Anrecht auf Eigentum dechiffriert, ohne dessen Belastung Geld nicht in die Welt kommt und ohne dessen Verpfändung Geld nicht geliehen werden kann. Das Kapitel vom Markt (E) zeigt, daß Wirtschaften nicht etwa durch einen allemal schon vorausgesetzten Tauschplatz konstituiert wird, sondern im Markt als Instanz zur Gewinnung von Schuldendeckungsmitteln sich vollenden muß, damit die Kontrakte zwischen Eigentümern über geliehenes Geld erfüllt werden können. Das Kapitel von der Akkumulation (F) zeigt, daß nicht etwa Güteranhäufung oder Güterallokation, sondern das gütermäßig gerade aus dem Nichts (**) als Rechtstitel gesetzte Eigentum durch seine physisch vollkommen neutrale Belastbarkeit - die Eigentumsprämie - die permanente Schaffung von materiellem Reichtum ermöglicht. Das Kapitel von der Krise (G) überwindet ihre tauschtheoretische Unmöglichkeit in Klassik und Neoklassik dadurch, daß Gläubiger und Schuldner, die beide Eigentümer sind, für die Sicherung ihres Eigentums seine Vermehrung durch Belastung und Verpfändung unterbrechen. Im abschließenden Kapitel von der Wirtschaftsverfassung (H) werden die gängigen Interpretationen - Herrschaftsverfassung, Marktverfassung und Geldverfassung - durch die Eigentumsverfassung abgelöst. “ (Ebd., S. 37-38).

A) Das Kapitel vom Tauschparadigma: Geld, Zins und Eigentumsprobleme der neoklassischen Wirtschaftslehre

1)  Geldwirtschaft als Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch (S. 39-44)
2)  Das neoklassische zeitfreie Gütertauschmodell: Geld als bloße Recheneinheit (S. 44-56)
3)  Das neoklassische Gütertauschmodell mit Zeit (S. 56-64)
4)  Die neoklassische Suche nach dem Grund des Geldgebrauchs (S. 64-84)
5)  Zusammenfassung (S. 84-88)

1) Geldwirtschaft als Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch

„Seit 1969 werden Nobelpreise für Ökonomie verliehen. Fast alle Preisträger sind Anhänger einer wirtschaftlichen Analyse, die akademisch seit etwa 1870 als Neoklassik bekannt ist.“ (Ebd., S. 39).

2) Das neoklassische zeitfreie Gütertauschmodell: Geld als bloße Recheneinheit

„Am Anfang der neoklassischen Vorstellung von Wirtschaftsgeschichte und damit immer auch von Wirtschaftstheorie stehen mit einem Individualkalkül operierende Menschen - sogenannte Haushalte - mit einer positiven, aber begrenzten, also knappen Menge an Ressourcen oder Gütern, der sogenannten Erstausstattung, die für Konsum (Verbrauch) zur Verfügung steht. Dieses kalkulierende Individuum wird von vornherein als universale, ewige Kategorie des Wirtschaftens gesetzt, so daß die keineswegs universale, sondern - wie zu zeigen - an das durch Rechtsakt gesetzte Eigentum gebundene Dispositionsfreiheit selbst nicht mehr theoretisch ausgelotet werden kann. In der Theorie der Eigentumswirtschaft muß jedoch gerade dieses Recht auf Kreditieren, Verkaufen und Verpfänden sowie das Komplementärrecht auf Vollstreckung in Eigentum ins Zentrum rücken. Nur aus diesen exklusiven Rechten des Eigentümers kann erwachsen, was dann Knappheit genannt wird. Wirtschaftstheorie ist - wie zu zeigen - nichts anderes als die Erklärung dieser Operationen.“ (Ebd., S. 44).

„Auch an der Kategorie der Ressource ist zwischen universellen und nicht universellen Bestimmungen zu unterscheiden. Als Element der materiellen Reproduktion gibt es sie nicht nur in Stamm und Feudalismus, sondern auch in der Eigentumsgesellschaft. Einen Eigentumstitel an Ressourcen jedoch gibt es nur in der Eigentumsgesellschaft. Dieser ist unterschieden von einem Besitztitel, der für ein bloßes Nutzungsrecht steht, das in der Tat universell angetroffen wird. Besitz als die Beherrschung von Ressourcen läuft also durch alle Gesellschaftsstrukturen. Eigentum an Ressourcen hingegen, das erst zu ihrer Bewirtschaftung durch Belasten und Verpfänden im Kredit sowie zu Kaufkontrakten führt, gibt es nur in der Eigentumsgesellschaft. Das ist der Neoklassik jedoch nicht bewußt, weshalb ihr bereits am Ausgangspunkt das Entscheidende der von ihr analysierten Wirtschaft, das genuin ökonomische Operationen erst erzwingende Eigentum mithin, unthematisiert bleibt. Wenn der Terminus Eigentum dann später - wie in ihrer unten zu betrachtenden Institutionenökonomik - nachgeschoben und auch für wichtig gehalten wird, unterbleibt dennoch die notwendige Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum, weshalb - wie noch zu zeigen - die erstrebte Begründung von Zins und Geld mißlingt.“ (Ebd., S. 44-45).

„Mit der sogenannten Erstausstattung - so lautet die Grundüberzeugung - werden die kalkulierenden Wirtschaftssubjekte, solange man sie nicht hindert, Handlungen vornehmen, die sie als vorteilhaft ansehen und die zu einer optimalen Allokation oder Verteilung der Güter führen, bis ein allgemeines Gleichgewicht der Wirtschaft zustande kommt. Die Güterverteilung in diesem Gleichgewicht wird nach dem Neoklassiker Vilfredo Pareto (1848-1923) paretooptimal genannt. Dabei ist nicht unbedingt an ein soziales Optimum gedacht, sondern an eine effiziente Gestaltung des Wirtschaftsprozesses in dem Sinne, daß kein Wirtschaftssubjekt durch seine Aktivitäten sich verbessern kann, ohne daß ein anderes sich verschlechtert.“ (Ebd., S. 45).

„Sowie die Haushalte ihre prinzipiell unersättlichen Bedürfnisse aus ihrer knappen Erstausstattung oder sogenannten Budgetbegrenzung an Ressourcen (Gütern) nicht optimal befriedigen können, schauen sie bei anderen Haushalten nach. Von deren Erstausstattungen versuchen sie Güter einzutauschen, mit denen sie insgesamt einen größeren Nutzen erzielen als mit ihrer eigenen Erstausstattung. Als rational handelnde Individuen wickeln sie diesen Markthandel nach einem Konsum- oder Güterverbrauchsplan dergestalt ab, daß sie ihren Nutzen aus eigenen und durch Tausch erwerbbaren Gütermengen maximieren.“ (Ebd., S. 45).

„Im neoklassischen Modell wird angenommen, daß die Haushalte einer sogenannten Präferenzordnung folgen, die eine Rangordnung der subjektiven Bedürfnisbefriedigung aus dem Nutzen der einzelnen Güter ausdrückt und durch sogenannte Nutzenindexfunktionen oder Güterpräferenzfunktionen beschrieben wird. Da eine subjektive Nutzenwertschätzung nicht meßbar ist, gibt die Nutzenindexfunktion lediglich ihre relative Höhe an. Bei einem gegebenen Nutzenniveau bieten Haushalte aus ihrer Erstausstattung also Verbrauchsgüter an, die sie weniger stark bevorzugen und fragen aus den Erstausstattungen anderer nach, was in deren Präferenzordnung nachrangig ist und deshalb angeboten wird. Nehmen wir dafür zwei Haushalte A und B in einer durchschnittlichen Stammesgesellschaft mit den alleinigen - und überdies typischen - beiden Grundnahrungsmitteln Jamswurzeln und Schweinen. A besitzt eine Erstausstattung von 90 Schweinen bestimmter Gewichts- und Qualitätsklasse, B eine solche von 1200 Jamswurzeln bestimmter Gewichts- und Qualitätsklasse. Wenn beide für sich selbst eine sogenannte Eigennachfrage nach jeweils zwei Dritteln der ihnen zur Verfügung stehenden Güter haben, dann kann A 30 Schweine B anbieten und 400 Jamswurzeln von B nachfragen sowie B 400 Jamswurzeln A anbieten und 30 Schweine von Anachfragen.“ (Ebd., S. 45-46).

„Die Neoklassik unterstellt bei diesem Angebot ganz selbstverständlich, daß ein Überschuß aus der Erstausstattung über den für die Reproduktion absolut notwendigen Eigenbedarf hinaus existiert, der somit für den Tausch allemal schon zur Verfügung steht. Dieses allemal wird durchaus historisch gesehen, für dessen genauen Zeitpunkt man sich jedoch nicht interessieren muß. Daraus erklärt sich etwa Hahns Zurückweisung der Kritik der neoricardianischen Schule - eine Renaissance der ökonomischen Klassik - an der neoklassischen Annahme einer gegebenen Erstausstattung: »Keine vernünftige Theorie würde ... mit dem Neandertaler beginnen.« (F. H. Hahn, a.a.O.). Dieser Streit resultiert daraus, daß die Klassik als Theorie der Reproduktion in Klassengesellschaften einem besonderen Typus von Produzenten ihre Aufmerksamkeit schenkt, der als kapitalistischer Unternehmer über seine Reproduktion hinaus profitorientiert ist. Dieser geht also nicht zum Markt, um den Nutzen seiner Erstausstattung zu maximieren, sondern um dort Geld zu erlangen, das heißt er ist tauschwert- und nicht gebrauchswertorientiert.“ (Ebd., S. 46).

„Einen besonderen Typus von Produktion und eben nicht jede beliebige Erstausstattung macht die Klassik zur Bedingung von Märkten. Die Neoklassik hingegen braucht kein gesondertes Profitmotiv, damit es zur Produktion von Gütern und ihrem Markttausch kommt. Ihr reicht dafür die vorteilhafteste Weise der Realisierung von Bedürfnissen, und es ist für ihre Tauschtheorie in der Tat völlig gleichgültig, ob sie bei Haushalten beginnt, die Erstausstattungen tauschen oder bei Haushalten und Unternehmungen, wobei letztere stellvertretend für erstere produzieren. Völkerkundlich ist die Neoklassik im Recht, wenn sie darauf verweist, daß Überschüsse tatsächlich sehr früh und eben auch schon in Stammesgesellschaften vorhanden sind. Recht hat aber auch die klassische Theorie, wenn sie darauf besteht, daß Überschüsse aus Stammes- und Feudalgesellschaften keineswegs aus sich heraus in einen sogenannten rationalen Markttausch münden.“ (Ebd., S. 46-47).

„Aber die klassische Setzung eines Profitmotivs von kapitalistischen Produzenten als der primären Ursache für den Markt ist - worauf wir ausführlich im Eigentumskapitel zurückkommen - ebenfalls nicht haltbar. Weder Klassik noch Neoklassik noch die verschiedenen keynesianischen Schulen erkennen nämlich, daß - wie bereits in unserer Vorrede angesprochen - die Menschheitsgeschichte drei Gesellschaftsformationen (**|**) aufweist, die ganz eigenständige Prinzipien der materiellen Reproduktion hervortreiben und deshalb bei ihrer Untersuchung niemals als ein und dieselbe Grundstruktur oder auch nur als evolutionistisches Kontinuum angesehen werden dürfen. Die (1) Stammesgesellschaft mit ihrer blutsverwandtschaftlichen Solidarpflicht bei der materiellen Reproduktion folgt anderen Regeln als die (2) Befehls- oder Feudalgesellschaft mit herrschaftlicher Aneignung und Redistribution von Gütern. Beide wiederum unterscheiden sich grundlegend von den erstmals genuin ökonomischen Gesetzen der (3) Eigentumsgesellschaft der Freien. (**|**). In dieser kommt es durch die Belastung von Eigentum in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten zur Aufgabe der Eigentumsprämie bzw. zur Blockierung des Eigentums des Gläubigers, wodurch Geld als Anrecht auf Eigentum geschaffen wird, für das der Schuldner Zins zu zahlen hat und Eigentum verpfänden muß, das heißt ebenfalls auf Eigentumsprämie zu verzichten hat. Diese immateriellen Operationen erfolgen jenseits und vor der materiellen Reproduktion, die von ihnen überhaupt erst ökonomisiert wird.“ (Ebd., S. 47).

3) Die neoklassische Gütertauschmodell mit Zeit: Die Bestimmung des Zinses

„Eine Wirtschaftstheorie, die nicht zeigen kann, wodurch dieser »Reinertrag« - der Zins also - ökonomisch erzwungen wird, hat vor der wichtigsten Aufgabe einer Theorie der Eigentumswirtschaft kapituliert. Um so gebieterischer ist nach einer zureichenden Zinstheorie zu fahnden und auch jede andere Denkrichtung daran zu messen, ob sie dem von der Neoklassik so schmerzlich empfundenen Scheitern entkommt. Dabei wird - wie ... zu zeigen - darauf einzugehen sein, daß im Kreditvertrag nicht nur der Zins eine zentrale Rolle spielt, sondern auch die Belastung und Verpfändung von Eigentum. Diese Blockierung bedeutet, daß Anrechte auf Eigentum des Gläubigers - aber gerade nicht physische Nutzungsrechte an Gütern - in einem Kreditvertrag an einen Schuldner abgetreten werden, wofür dieser mit Eigentum haftet. Im Vorgang des Kreditierens nehmen beide Eigentümer sich partiell auf die Position von Besitzern zurück. Sie behalten mithin die aus dem Besitzrecht folgenden Ertragspotenzen (Güter- und Forderungsnutzung), geben aber die aus ihren Eigentumsprämien rührende Sicherheit auf. Damit machen sie das genaue Gegenteil dessen, was die Neoklassik in der Güterleihe ablaufen läßt. Im Kredit wird der Güterbestand bzw. der Besitz gerade nicht bewegt, sondem bleibt bei den Kontraktpartnern. Wo - wie etwa in der Stammesgesellschaft oder unter Nachbarn - Güterleihe existiert, erfolgt sie - wie im Zinskapitel ausführlich zu zeigen - gerade ohne Zins. Die wirkliche Güterleihe läßt die neoklassische Kredit- und Zinstheorie mithin gänzlich ins Leere laufen.“ (Ebd., S. 63).

4) Die neoklassische Suche nach dem Grund des Geldgebrauchs: Die property rights und die Transaktionen

4a)   Die Analyse der Institutionen einer Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch (S. 65-73)
4b)   Die Ableitung des Geldes als Transaktionskosten reduzierendes Tauschmittel (S. 74-77)
4c)   Die Herleitung von Geldzins, Geschäfstbanken und Zentralbank als weitere Innovationen zur Reduktion der Transaktionskosten (S. 78-84)
4a) Die Analyse der Institutionen einer Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch

Für die sogenannte Institutionenökonomik reicht es nicht aus, die individuellen Verhaltensweisen der einzelnen Haushalte und Unternehmungen, ihre stabilen Präferenzen und die Art ihres zweckrationalen Verhaltens zu kennen. Sie unterstellt zusätzlich, daß die Tauscher ihre Marktoperationen in einer bestimmten Ordnung vollziehen, die ihren Interessen entspricht. In dieser läuft nicht einfach ein Tausch von Gütern ab, sondern es existieren sogenannte property rights, das heißt Verfügungsrechte über Güter. Haushalte und Unternehmen schließen also Verträge über den Austausch von Verfügungsrechten über Güter ab. Die Ordnung, verstanden als unverzichtbare Rechtsordnung, soll die Verfügungsrechte nach dem - wie es ausdrücklich heißt - »Grundsatz des Privateigenturns« (Rudolf Richter, Geldtheorie, 1987, S. 69) regeln.“ (Ebd., S. 65).

„Nun wird dieser Grundsatz aber gerade nicht im Sinne eines Eigentumsrechtes, sondern im Sinne eines Besitzrechtes verstanden, das es selbstverständlich auch in der Eigentumswirtschaft gibt, dort jedoch dem Eigentumsrecht untergeordnet ist. Für den Besitz nämlich gilt, was in der Neoklassik fälschlich für Eigentum postuliert wird: »die Nutzung und Übertragung der Verfügungsrechte« (Rudolf Richter, Geldtheorie, 1987, S. 70). Wir werden noch sehen, daß es die Eigentumsprämie ist, aus der die wesentlichen Mechanismen des Wirtschaftens mit ihren zentralen Größen Zins und Geld erwachsen. Sie stehen für die zeitweilige - immer der Gefahr von Endgültigkeit unterliegenden - Belastung bzw. Blockierung von Eigentum.“ (Ebd., S. 65).

„Durchgehend wird deutlich werden, daß die neoklassische Verwendung von Begriffen wie Eigentum oder property rights keineswegs bedeutet, daß ihre Vertreter wissen, was sie damit bezeichnen - nämlich den bloßen Besitz mit seiner stofflichen Beschränkung: »Ein Eigentumsrecht an einem Gut ist das Recht, über seine - und nur seine - möglichen physischen Nutzungen oder Beschaffenheiten verfügen zu können.« (Armen Albert Alchian, a.a.O.).“ (Ebd., S. 65-66).

„Das folgenreiche Erbe der Verwechslung von Besitz mit Eigentum schleppt die Neoklassik seit Walras mit sich herum. Das Problem des Eigentums beschäftigt ihn ausschließlich unter dem moralischen Gesichtspunkt einer gerechten Aneignung bzw. als Beziehung zwischen Ethik und Wirtschaftswissenschaften: »Die Bedingungen, die durch die Theorie des Eigentums bestimmt werden, sind moralische Bedingungen, die aus der Prämisse der Gerechtigkeit ableitbar sind. Dagegen sind jene, die durch die Theorie von Gewerbe und Industrie bestimmt werden, ökonomische Bedingungen, die von der Prämisse der materiellen Wohlfahn ableitbar sind« (Léon Walras, a.a.O.).“ (Ebd., S. 66).

„Auch ein so tiefschürfender Neoklassiker wie Irving Fisher hat aus dem Besitzkorsett der Eigentumsdefinition nicht herausfinden können: »Was bedeutet es, Eigentümer von Reichtum zu sein? Wir antwonen: das Recht darauf, es zu nutzen. Ein solches Recht wird Eigentum genannt oder genauer ein Eigentumsrecht. Das Recht einer Person an der Nutzung eines Gegenstandes des Reichtums kann als seine Freiheit, beschränkt nur durch Gesetz und Gesellschaft, definiert werden, sich an den Leistungen dieses Gegenstandes zu erfreuen.« (Irving Fisher, a.a.O.)“ (Ebd., S. 66-67).

„Die aus seiner ökonomischen Verlierbarkeit erzwungene Verteidigung und Vermehrung von Eigentum, aus der die entscheidenden ökonomischen - unstofflichen - Operationen wie Belasten und Verpfänden im Kredit erwachsen, hat in den neoklassischen Inhaltsbestimmungen von property rights keinen systematischen Ort. In ihr geht es allein um die uralte besitzrechtliche Bestimmung darüber, welche Ressourcen wer, wo und wie beherrschen, also nutzen kann. Der Grund für die Existenz dieser Rechte wird denn auch wie folgt abgeleitet: »Sie verhindern eine ununterbrochene Schwächung durch destruktive Gewalt beim Versuch, die Kontrolle über Ressourcen zu gewinnen. Dadurch erlauben sie die Konzentration der Kräfte auf produktive Tätigkeit.« (Armen Albert Alchian, a.a.O.). Die Operationen des Belastens und Verpfändens, die aus dem Eigentum resultieren und - über eine bloße Beherrschung oder Kontrolle hinaus - eine Bewirtschaftung oder Ökonomisierung von Ressourcen herbeiführen, bleiben wiederum ausgeschlossen. “ (Ebd., S. 67).

„Mit ihrem Scheitern beim Auseinandersortieren von Besitz und Eigentum ähnelt die Neoklassik der Astronomie des Claudius Ptolemäus (2. Jahrhundert u.Z.). Der wußte selbstredend, daß es Sonne und Erde gibt und hat sich keineswegs durch diese Einsicht von Nikolaus Kopernikus (1473-1543) unterschieden. Er scheiterte, weil er kein richtiges Verständnis vom Lauf der Erde um die Sonne hatte, obwohl er mit den Wörtern Erde und Sonne ebenso zu hantieren wußte wie die Neoklassik mit den Wörtern Besitz und Eigentum.“ (Ebd., S. 67).

„Die Eigentumshaftung bleibt mithin für jede Gütertauschtheorie - auch im Gewande der Institutionenökonomik - ein unverdaubarer Brocken. Wo ökonomische Venräge geschlossen werden, haben sie Eigentum auf beiden Seiten zur unverzichtbaren Voraussetzung. Erst dieses macht sie ökonomisch relevant. Das wird sogleich deutlich, wenn die Freiheit der Vertragsparteien genauer angeschaut wird. Sie umfaßt erstens das Eigentum an sich selbst, also die persönliche Freiheit, die es in Stammes- und Befehlsgesellschaft nicht gibt, sowie zweitens das Eigentum an materiellen und immateriellen Sachen. Die ökonomisch bedeutungsvollen Konsequenzen dieser beiden Eigentumskomponenten von Freiheit bestehen in der Gefahr des Verlustes von Eigentum und in seiner von daher erzwungenen Veneidigung und Vermehrung. Es ist dieser in der Eigentumswrtschaft alles beherrschende Umgang mit Eigentum, welcher die Wirtschaftssubjekte in den Schutz von Verträgen zwingt. Bei deren Verletzung wird nämlich der Vertragsbrüchige mit Eigentumsverlust bestraft. Von einer vorab lieblich gesetzten Freiheit, die dann unter anderem zu einvernehmlich dezentraler Vertragsschließerei einlädt, können die Eigentümer deshalb nur träumen. Für sie ist das heute Gegebene gerade nicht gesetzt, sondern morgen verlierbar, und dazwischen passien Bewinschaftung von Ressourcen, die wiederum gebunden ist an das freie Verkaufen, Belasten und Verpfänden von Eigentum.“ (Ebd., S. 69).

„Ein neoklassisches Winschaftssubjekt, das mit Venrägen die Kosten der Nutzungsrechte optimien, hat mit dem Eigentümer, der den Schutz staatlicher Gewalt gegen Eigentumsverlust durch Vertragsbruch in Anspruch nehmen will, wenig gemeinsam. Ersteres ist ein bloßer Besitzer, der sich um ökonomisch ungefährdete Nutzungen kümmert, während letzterer als Gläubiger sein Eigentum durch Belastung blockieren muß, wenn er Kredit gibt.“ (Ebd., S. 69-70).

„Nun ließe sich der Neoklassik bei wohlwollender Deutung noch zugestehen, daß Operationen wie das Kreditieren und das Verkaufen unter ihre Kategorie der Verfügung über Nutzungen subsumiert werden könnten. Die Neoklassik selbst würde jedoch darauf beharren, daß in ihrem Modell Kreditieren einerseits immer Güterleihe bedeutet und andererseits diese sowie das Verkaufen keineswegs als primäre Operationen gelten können, sondern zur Erleichterung für die eigentlich entscheidende atemporale und intertemporale Allokation von Gütern dienen. Noch deutlicher jedoch wird die theoretische Vernachlässigung der Eigentumsoperationen, wenn nicht auf Kreditieren und Verkaufen, sondern auf das Verpfänden geschaut wird. Im umfangreichsten Wörterbuch der herrschenden Lehre, dem vierbändigen The New Palgrave Dictionary of Economics (1987) mit mehr als 3500 Seiten und 2000 Stichwörtern fehlt ein eigenes Stichwort für colateral (Sicherheitspfand), das lediglich unter den Stichwörter credit und credit rationing eher beiläufig erwähnt wird. Erst im dreibändigen Speziallexikon The New Palgrave Dictionary of Money and Finance (1992) gibt es auf 2600 Seiten mit mehr als 1000 Stichwörtern einen gesonderten Eintrag von zwei Seiten über »collateral«, der die erst ab Mitte der 1980er Jahre nachgeschobenen Gedanken der Neoklassik zur Sicherheitsverpfändung zusammenfaßt.“ (Ebd., S. 70).

„Im Vordergrund der neoklassischen Pfanderörterung steht die Beobachtung, daß der sogenannte Kreditmarkt nicht so funktioniert, wie es von einem Gütermarkt erwartet wird. Ein Überschuß der Nachfrage über das Angebot wird auf dem Gütermarkt kurzfristig durch eine Erhöhung des Preises beseitigt, langfristig durch eine Erhöhung des durch die Preissteigerung induzierten Angebotes, wodurch der Preis wieder sinkt. Würde nun auf dem Kreditmarkt ein Überschuß der Nachfrage durch eine Erhöhung des Zinses (»Preises«) beseitigt, dann ergäbe sich ein spezielles Problem daraus, daß der Zins nur ein versprochener Preis ist. Der Gläubiger - anders als der Güteranbieter - muß also damit rechnen, daß die Zahlungsfähigkeit des Schuldners um so geringer wird, je höher sein Zinsversprechen ausfällt. Im Extrem treibt die zugesagte Zinshöhe den Schuldner in den Bankrott, so daß der Gläubiger gerade bei höchsten »Preisen« am wenigsten einnehmen kann. Je höher der Zins, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit des Zinsverdienstes.“ (Ebd., S. 70-71).

„Um nun Schuldner, die für Kredit schlichtweg jeden verlangten Zins und noch etwas darüber hinaus versprechen würden, von einem bankrotträchtigen - den Gläubiger schädigenden - Weg abzubringen, müsse statt der Zinserhöhung die marktfremde Technik der »Kreditrationierung« zum Zuge kommen, wie sie vom Nobelpreisträger des Jahres 2001, Joseph Stieglitz (*1941), ins Spiel gebracht worden ist. Für die Erstellung einer solchen Rangliste von Schuldnern werden Informationen über ihre Kreditwürdigkeit gesammelt. Dafür liefern die potentiell zu stellenden Sicherheiten das entscheidende Kriterium.“ (Ebd., S. 71).

„Mit dieser Beobachtung wird indirekt eingeräumt, daß - in unserer Terminologie - nur Eigentümer Schuldner werden können und nicht jedermann, der Zins verspricht. Dadurch, daß die Kenntnis über Schuldnervermögen aber nur als Information für Gläubiger eingestuft wird, bleibt für die Neoklassik unerörterbar, warum ein Schuldner Eigentum verpfändet. Warum verkauft er es nicht direkt? Er würde in diesem Fall die Nutzung der Besitzseite seines Eigentums, das durch Verpfändung lediglich blockiert ist, umgehend verlieren. Er hätte nur noch das durch Verkauf eingeworbene Geld, während ihm bei Aufnahme eines Darlehens die Nutzung seines verpfändeten Eigentums bleibt. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Realaktiva handelt - wie weiterhin genutzte Immobilien oder sonstige Güter und Ressourcen - oder um Finanzaktiva (etwa festverzinsliche Wertpapiere), die er nicht mehr handeln darf, deren Eigentumsprämie er verliert, deren Erträge ihm aber bleiben, falls er nicht ein Nutzungspfand vereinbart hat.“ (Ebd., S. 71).

„Allein durch die Kreditierung von Ansprüchen auf fremdes Eigentum um den Preis der zeitweiligen Verpfändung des eigenen hat er hier und heute die Ausgangslage für die Veneidigung seiner Eigentümerposition verbessen; er hat damit dem Kernmechanismus der Eigentumswinschaft entsprochen. Weil es diese Untersuchung der Eigentumsverteidigung für die Neoklassik nicht gibt, kann ihre theoretische Unentschlossenheit gegenüber dem Verpfänden nicht überraschen: »Wir haben wenig eindeutige Hinweise auf die relative ökonomische Bedeutung der ... (bislang) vorgelegten Erklärungen zum Sicherheitspfand.« (George Kanatas, a.a.O.).“ (Ebd., S. 72).

„Die Größe der neoklassischen Ratlosigkeit wird daran deutlich, daß die Bereitschaft des Schuldners, Eigentum zu verpfänden, statt es gleich zu verkaufen, nicht etwa mit dem Erhalt der Nutzungsmöglichkeit aus seiner Besitzerposition, sondern aus geradezu kriminellen Interessen erklärt wird. Was einmal verkauft wurde, sei weg, was aber nur verpfändet ist, könne noch heimlich ausgeschlachtet, wahrheitswidrig beschrieben oder schlicht vernachlässigt, also für »Manipulationen« mißbraucht werden. In der Tat wird die Veneidigung des Eigentums in dieser Liste von Wirtschaftsdelikten der Schuldner ungewollt reflektiert.“ (Ebd., S. 72).

„Zu einem ökonomischen Verständnis der Eigentumsverpfändung, das heißt zur Eigentumsprämie findet die Neoklassik nicht. Das zeigt sich schlagend an ihrer Diskussion der Regeln des Bankrotts. Für diesen gibt es in einem Gütenauschmodell gar keinen Ort. Wenn er überhaupt behandelt wird, dann erfolgt seine Untersuchung mit Hilfe der auf der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie aufbauenden Spieltheorie: »Sobald der Kredit in ein Spiel eingeführt ist ..., wird es notwendig, die Spielregeln um Bankrottbedingungen zu erweitern. .... Sie werden wirksam, sobald es mißlingt, die Schuld zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen«. (Martin Shubick, a.a.O.). Die Spieltheorie weiß durchaus, daß Sicherheiten im Kreditkontrakt eine Rolle spielen. Das zeigt sich in ihrer Unterscheidung des Bankrotts durch Insolvenz von der Illiquidität bei Solvenz, bei der vorhandene Sicherheiten die Schuld zwar decken, aber nicht schnell genug zu Geld gemacht werden können. Vor der Frage aber, wie der Zusammenhang zwischen Bankrott und Sicherheiten befriedigend theoretisiert werden kann, resigniert die Spieltheorie: »In der Modellierung dieser Phänomene liegt eine Versuchung, sich in Details zu verlieren oder, alternativ, zu stark zu vereinfachen. .... Es scheint dazu keine zufriedenstellende Darstellung vorgelegt worden zu sein«. (Martin Shubick, a.a.O.). Über den Truismus der Art, daß bei der Existenz von Ehen auch mit Scheidungen zu rechnen ist, kommt die neoklassische Spieltheorie beim Bankrott nicht heraus, wenn ihr auffällt, daß bei Krediten das Problem der Zahlungsunfähigkeit auftreten kann.“ (Ebd., S. 72-73).

„Das ökonomische Unverständnis der Verpfändung hat sich - wie im Geldkapitel zu zeigen - bei der Beratung für die Transformation der realsozialistischen Länder durch Neoklassiker bitter gerächt. Den osteuropäischen Ländern konnte von einer Tauschtheorie her einfach nicht gesagt werden, daß die sogenannte Deregulierung der Märkte einen nachgeordneten Schritt darstellt. Konstituiert werden muß das Wirtschaften mit dem rechtlichen Setzen von Eigentum, dessen Belastbarkeit und Verpfändbarkeit Geld und Kredit ermöglicht, wodurch Preise erzwungen werden, die dann auf Märkten zu realisieren sind, die es vorher nicht gibt.“ (Ebd., S. 73).

4b) Die Ableitung des Geldes als Transaktionskosten reduzierendes Tauschmittel


Die Zahlen stehen für die Güterzahlen,
die Pfeile für die Austauschrelationen.
2 Güter haben nur 1 Austauschrelation,
3 haben 3, 4 haben 6, 5 haben 10, 6 haben 15,
7 haben 21 Austauschrelationen, ... u.s.w..
Entsprechend lautet die Formel n(n -1) / 2,
wobei n die Anzahl der Güter angibt.
„Die Suche nach Reduktion der Transaktionskosten führt für die Neoklassik zur ökonomischen Begründung zweier Phänomene, des Geldgebrauchs und des dafür erforderlichen institutionellen Rahmens ihrer Geldwirtschaft, der sogenannten Währungsordnung. In einer Gütertauschgesellschaft müssen die Austauschverhältnisse jedes Gutes mit jedem anderen Gut gebucht werden. Bei mehr als zwei Gütern ergibt sich dabei das Problem, daß die Anzahl der wechselseitigen Tauschrelationen wesentlich stärker zunimmt als die Anzahl der getauschten Güter. Während bei zwei Gütern nur ein Austauschverhältnis existiert, haben wir bei drei Gütern schon drei, bei vier bereits sechs, bei zehn dann fünfundvierzig und bei hundert nicht weniger als viertausendneunhundertundfünfzig solcher Relationen (vgl. Abbildung). Verwenden dagegen die Tauschpartner die Mengeneinheit nur eines Gutes als Recheneinheit für alle anderen, wächst die Zahl der Austauschverhältnisse lediglich im gleichen Verhältnis wie die Zahl der Güter. Bei drei Gütern gibt es zwei, bei zehn dann neun und bei hundert lediglich neunundneunzig solcher Relationen.“ (Ebd., S. 75).

„Die Neoklassik spekuliert, daß für diese Transaktionskostenreduzierung durch Verminderung der Austauschrelationen ein bestimmtes Gut abstrakt als die schon erwähnte allgemeine Rechnungseinheit auf evolutionistischem Wege eine lohnende Verwendung gefunden hat: »Man könnte sich denken, daß das Geld so entstanden ist, daß zunächst irgendein gehandeltes Gut allgemein als Rechnungseinheit benutzt wurde und dann erst als allgemeines Tauschmittel Verwendung fand.« (Rudolf Richter, Geldtheorie, 1987, S. 120). Der fehlende Wahrheitsgehalt solcher Geschichtsfiktion ist der Neoklassik gleichgültig, da es ihr allemal wichtiger erscheint, den ökonomischen Vorteil der Reduzierung der Transaktionskosten durch Reduzierung der Kosten der für ein rationales Marktverhalten ja unverzichtbaren Informationen über die Zahl der Austauschrelationen plausibel zu machen. Die Allgemeine Gleichgewichtstheorie, die doch stolz darauf ist, Walras' konkretes Numéraire-Gut Geld durch eine abstrakte allgemeine Rechnungseinheit ersetzt zu haben, landet doch wieder bei diesem Numéraire, wenn sie die Einheit aus einem bestimmten Rechengut ableitet und dann die Rede von dessen Abstraktheit lediglich als Behauptung nachschiebt.“ (Ebd., S. 75-76).

„Diese Rechnung in einem Numéraire, also in einem bestimmten Rechengut, heißt nicht zwingend, daß dieses konkrete Ding auch als reales Tauschmittel verwendet wird, da für einen solchen Schritt ein ökonomischer Vorteil ermittelbar sein muß. Dabei gerät als Problem in den Blick, daß ein direkter Tausch nur zustande kommt, wenn die Wünsche der Tauschpartner wechselseitig übereinstimmen. Diese Schwierigkeit wird als das Koinzidenzproblem des direkten Tauschs bezeichnet. Ein Haushalt A kann seine Jamswurzeln nur dann direkt gegen die von ihm gewünschten Schweine tausch~n, wenn er einen Schweinebesitzerhaushalt B findet, der im gleichen Maße Jamswurzeln begehrt. Ist das nicht der Fall, dann muß A seine Schweinewünsche über den Umweg des indirekten Tausches befriedigen, indem er seine Jamswurzeln zum Beispiel bei einem jamswurzelbegehrenden Maiskolbenbesitzer C eintauscht, dessen Frucht wiederum bei einem Schweinebesitzer auf Gegenliebe stoßen muß u.s.w.. Dies erschwert den Tauschhandel bzw. verursacht Transaktionskosten, die so hoch steigen können, daß der Tausch unterbleibt. “ (Ebd., S. 76).

„Wählen die Tauschpartner statt dessen ein Gut aus, mit dem sie ihren indirekten Tausch regelmäßig betreiben, dann erledigt sich das Koinzidenzproblem des Direkttausches, indem die angebotenen und nachgefragten Gütermengen über das ausgewählte allgemeine Tauschmittel in Übereinstimmung gebracht werden. Dieses bezeichnet die Neoklassik ebenfalls als Geld. Mit ihm werden wiederum - wie mit dem Geld als Rechnungseinheit - Transaktionskosten gespart, weil im wesentlichen für jeden Haushalt nicht mehr prinzipiell unendlich viele, sondern nur noch zwei Tauschakte erforderlich sind. Es gilt - erstens - die Angebotsmenge seines Gutes gegen dieses ausgewählte Tauschmittel und - zweitens - die nachgefragte Menge des anderen Gutes gegen eben dieses Mittel zu tauschen. Die Neoklassik bezeichnet das als Tauschmittel benutzte Gut in Anlehnung an den Soziologen und Sozialhistoriker Max Weber (1864-1920) als naturales Zahlungsmittel, verwendet diesen Begriff aber als Synonym für allgemeines Tauschmittel, das Richter in einem wiederum unverstandenen Anschluß an Keynes' money proper als konkretes Geld bezeichnet. Für Keynes ist ja gerade - wie wir im Geldkapitel zeigen werden - das money proper von einem Geld als Tauschmittel zu unterscheiden. Letzteres kann Keynes sich zwar durchaus vorstellen, bei der Analyse seiner Geldwirtschaft jedoch interessiert es ihn nicht. Das money proper (das eigentliche Geld) hat nämlich keine zu tauschenden Güter, sondern das money of account (der Geldstandard) aus einem zinsbelasteten Gläubiger-Schuldner-Kontrakt zur Voraussetzung.“ (Ebd., S. 76-77).

„Der neoklassische Terminus »Zahlungsmittel« bleibt an den realen Gütertausch gebunden. Wir werden noch sehen, daß Geld als Zahlungsmittel gerade nicht Tauschmittel ist, sondern für kreditierte bzw. zu refundierende Anrechte auf Eigentum steht. Einmal mehr besteht die Neoklassik bei der Herleitung ihres naturalen Zahlungsmittels nicht unbedingt darauf, daß historisch tatsächlich ein bestimmtes Gut zum allgemeinen Tauschmittel avancierte und dieses von den Menschen dann als Geld angesehen wurde. Als unstrittig gilt ihr aber, daß seine Verwendung ökonomisch rational ist, weil es Transaktionskosten im Sinne von Marktbenutzungs- und Rechtsordnungskosten reduziert.“ (Ebd., S. 77).

„Die - einmal mehr an historischer Bestätigung desinteressierte - Neoklassik übersieht, daß es erst die exklusive Verwiesenheit von Individuen auf ihr Eigentum ist, die die Vorstellung von Kosten als Folge von Verpflichtungen aus dem Kredit konstituiert und damit auch die Zwangsläufigkeit, mit der generell zu ihrer Reduzierung geschritten wird. Ein allgemein menschliche Neigung zur Vermeidung von Kosten gibt es gerade nicht als universelles Konzept. Deshalb muß - wie noch zu zeigen - eine zu Geld führende Transaktionskostenreduzierung für die historische und ethnologische Forschung in Nichteigentumsgesellschaften unauffindbar bleiben.“ (Ebd., S. 77).

4c) Die Herleitung von Geldzins, Geschäftsbanken und Zentralbank als weitere Innovationen zur Reduktion der Transaktionskosten

„Bei Erhebung eines bestimmten Gutes zum allgemeinen Tauschmittel (konkretes Geld) wird neoklassisch davon ausgegangen, daß es gleichzeitig auch als allgemeine Rechnungseinheit (abstraktes Geld) dient. Mit der realen Verwendung dieses Geldes wandelt sich die Marktgemeinschaft zu der - fälschlich vom money of account (Geldstandard) hergeleiteten »Währungsgemeinschaft«. Für ihre Ausgestaltung müssen die Tauscher über die Grundsätze der Vertragsfreiheit und des Privateigentums hinaus zusätzliche Institutionen vereinbaren. Sie müssen die Bestimmung des Gutes vornehmen, das als die verbindliche Rechnungseinheit bzw. als Tauschmittel dienen soll. Sie müssen zudem den Tauschwert und das Volumen dieses Geldes fixieren.“ (Ebd., S. 78).

„Für die Bewältigung dieser Aufgaben schaffen sie sich eine Zentralstelle. Diese sorgt für eine weitere Reduzierung von Transaktionskosten, wenn sie statt eines Gutes für die Tauschakte sogenanntes Chartalgeld einführt. Dieses repräsentiert wie ein Datenträger das reale Gut und befreit von dessen Unwägbarkeiten. Eine noch ungeregelte Währungsgemeinschaft, die ein Metall zum Geld erhoben hat - ein sogenanntes Warengeld -, ist mit Gewichts- und Echtheitsprüfungen und möglicherweise Beschaffungsproblemen belastet. Legt sich diese Zentralstelle eine Münzstätte zu, wird die Währungsgemeinschaft von diesen Lasten durch vorab gestempelte und gewogene Metallmünzen befreit, kann also wiederum ihre Transaktionskosten mindern.“ (Ebd., S. 78).

„Die Münze oder Münzstätte wird mithin als Urform der Zentralbank betrachtet. Für die originäre Währungsgemeinschaft ist die Zentralbank primär, weil ihr Geld den indirekten Tausch ökonomisiert, während Banken erst sekundär beim Kredit für die Abwicklung des intertemporalen Tausches ins Spiel kommen und dann eine subsidiäre Währungsgemeinschaft konstituieren, die zusammen mit der originären die hybride Währungsgemeinschaft der Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch bildet.“ (Ebd., S. 78).

„Im Rahmen ihrer Güterwirtschaftstheorie besteht die Neoklassik nun darauf, daß Zins auf Geld nicht anders zustande kommt als der Eigenzins auf reale Güter, das heißt durch das Zusammenspiel von Zeitpräferenz für Konsumgüter und Netto-Grenzproduktivität von Kapitalgütern. Deren intertemporaler Tausch wird durch Geldverwendung lediglich eingekleidet. Der Geldzins ergibt sich dann aus der Zeitpräferenzrate des wie ein Konsumgut behandelten Geldes und einer in Geld bewerteten Netto-Grenzproduktivität des in Geld ausgepreisten Kapitals, der von Keynes so bezeichneten Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, das heißt der erwarteten Profitrate. Die intertemporalen Preise müssen dabei von der Zentralstelle als Preisziele bestimmt werden. Bei Existenz eines Totalen Konkurrenzgleichgewichts sind sie bekannt und können als vorgegeben angesehen werden.“ (Ebd., S. 78-79).

„Für die Erfüllung all dieser Aufgaben wird die Währungsgemeinschaft als Zahlungsgemeinschaft zu einer Kreditgemeinschaft erweitert, für die wiederum die Zentralstelle bestimmt, was Schuldmaßstab für den Abschluß von Kreditverträgen und was Mittel für ihre Auflösung ist. Die derart ermöglichten Gelddarlehen reduzieren die Transaktionskosten, die bei Abschluß von Sachdarlehen - dem intertemporalen Tausch von Gütern - anfallen würden, in gleicher Weise wie der Tausch mit Geld als Rechnungseinheit und Geld als Tauschmittel die Transaktionskosten des atemporalen direkten Tauschs von Gütern vermindert.“ (Ebd., S. 79).

„Mit ihren Geldzinsideen liefert die Neoklassik eine strikt güterwirtschaftliche bzw. nichtmonetäre Zinstheorie, die in ihrer einfachsten Form als Leihfondstheorie des Geldzinses von Dennis Robertson (1890-1963) entwickelt worden ist. So wie der intertemporale Tauscher auf Konsumgüter heute verzichtet und damit einen Fonds zur Produktion von mehr Gütern morgen in Form eines Sachdarlehens gegen einen Realzins zur Verfügung stellt, so kommt der damit beabsichtigte intertemporale Tausch unter einer bloßen Zwischenschaltung eines Gelddarlehens mit monetärem Zins zustande.“ (Ebd., S. 79).

„Die güterwirtschaftliche Fundierung des Geldzinses verlangt, daß in ihm der Eigenzins des Gutes wieder auftaucht, das mit dem Geld heute eingetauscht wird. Aus dieser Annahme folgt, daß die unterschiedlichen Eigenzinssätze der Güter durch Änderungen ihrer relativen Preise (Auf - bzw. Abwertung) kompensiert werden, da sonst mit einem Gleichgewicht unvereinbare sogenannte Arbitragegewinne existieren würden. Daraus folgt im intertemporalen Gleichgewicht zwar der einheitliche Geldzinssatz, den die Wirtschaft kennt. Ihm entsprechen allerdings - je nachdem, welches Gut als Index verwendet wird - unterschiedliche Realzinssätze. Diese Güterzinssätze finden sich in der Wirtschaft aber nicht als Zinsen, das heißt als feste Forderungen in einem Schuldkontrakt, sondern als Profitraten. Bei diesen handelt es sich jedoch nicht um kontraktbestimmte, sondern lediglich um erwartete Größen.“ (Ebd., S. 79-80).

„Überdies unterstellt die Neoklassik, daß für alle zu tauschenden knappen Ressourcen immer genügend Geld als Tauschmittel bereitgestellt wird, wobei lediglich zu beachten ist, daß die Geldmenge so knapp gehalten wird, daß die Kaufkraft des Geldes, der Preisindex, stabil bleibt. In der Eigentumswirtschaft aber ist die Knappheit von Geld nicht allein an die Stabilität der Kaufkraft gebunden, was jeder auf höchst elementare Weise spürt, wenn er - unabhängig von Preisschwankungen - für einen Kredit über Geld Zins zahlen und Eigentum als Sicherheit stellen muß. Dieser Zusammenhang zwischen Geldmenge, Zins und verpfändbaren Eigentumstiteln aber wird von der Neoklassik in keiner Weise thematisiert. Da die Neoklassik das im Kontrakt geschaffene Geld nicht kennt, ihr Geld mithin immer nur willkürlich gesetztes Geld bleibt, muß es auch per Quantitätsregel mit Ausrichtung am Preisniveau kontrolliert werden. Eine ökonomische Regulation der Geldmenge fehlt, da Belastung und Verpfändung für die Entstehung von Geld und damit für seine Verknappung nicht gesehen werden.“ (Ebd., S. 80).

„Obwohl bisher vom Geld der Neoklassik schon oft die Rede warhat sie es - außer im Bild des Generationenmodells - noch nicht in wirklichem Gebrauch. Für die Verbuchungs - bzw. Tauscheinkleidungsakte reichte die abstrakte Vorstellung von Geld als allgemeiner Rechnungseinheit, die mit einem konkreten Tauschmittel identisch ist, ja aus, wenn seine Funktion der Transaktionskostenreduzierung plausibel sein soll. Realer Geldgebrauch benötigt jedoch darüber hinaus wie Frank Hahn fordert - ökonomische Gründe für das »am besten entwickelte Modell der Wirtschaft« (Frank Hahn, a.a.aO.), also für die Arrow-Debreu-Version der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie, die zu Recht von so etwas Trivialem wie Transaktionskosten abstrahieren kann. Der Geldgebrauch in der Wirtschaft braucht also zusätzliche ökonomische Argumente, die keineswegs schon dadurch gegeben sind, daß man - wie Don Patinkin - einfach auf einem positiven Tauschwert des Geldes beharrt. Diese Richtung müßte schon Gründe angeben, warum Geld, das - anders als Güter - bekanntlich keinen direkten Nutzen abwirft, als Rechnungseinheit nicht einen »Tauschwert von Null« haben sollte. Doch selbst ein Jahrhundert nach der Begründung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie durch Walras (1874) muß Frank Hahn einräumen: »Diese Gründe wurden nicht gegeben.« (Frank Hahn, a.a.aO.).“ (Ebd., S. 80-81).

„Dieses selbstkritische Eingeständnis bedeutet keineswegs, daß die Neoklassik zum Tauschmittelgebrauch nun vorsichtig argumentierte oder gar schwiege. Sie will das Feld in jedem Fall besetzt halten. Wie tut sie das? Ihrer güterwirtschaftlichen Grundüberzeugung treu bleibend, behandelt sie das Einspeisen von Geld in eine zinstragende Rolle wiederum in Analogie zur Transaktion von Gütern. Auch das Tauschen von Geld in festverzinsliche Wertpapiere verursacht die bekannten Transaktionskosten. Ihr überproportionaler Anstieg sorgt dafür, daß eine Position erreicht wird, an der ein noch zu erlangender Zins genau den zusätzlichen Kosten einer Transaktion, also ihren Grenzkosten entspricht. Der Zins für den zuletzt angelegten Euro wird also aufgezehrt von den marginalen Kosten dieser Transaktion. Dieser Sachverhalt führt dazu, daß Tauschmittel gehalten werden bzw. die sogenannte Kassenhaltung - immer verstanden als Realkasse - positiv ist. Der dabei entgangene Zinsbetrag firmiert unter dem Begriff »Alternativkosten der Kassenhaltung«. Einmal mehr erweist sich die Wirtschaft gegenüber der Neoklassik als störrisch. Bei einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht, das sie in ihrem Totalen Konkurrenzgleichgewicht modellieren will, tritt eine Geldnachfrage, welche durch die positive Kassenhaltung ja ausgedrückt wird, nicht auf. Lediglich für den Spezialfall der Deflation, wenn der Tauschwert des Geldes und damit auch derjenige der Kassenhaltung steigt, kann man sich denn auch in der Neoklassik selbst eine nutzenmaximierende Verwendung von positiver Kassenhaltung vorstellen.“ (Ebd., S. 81-82).

„Der Zentralbank obliegt lediglich der Schutz des Tauschwertes des Kassenhaltungsgeldes, der im Modell mit dem Preisindex eines bestimmten Warenkorbes an Konsumgütern gemessen wird. In der heutigen Zeit mit ihrem nichteinlösbaren Papiergeld muß sie dafür die Geldmenge so fixieren, daß dem Ziel eines konstanten Geldwertes entsprochen wird. Es ist dann erreicht, wenn die für die Optimierung der Verbrauchs - und Produktionspläne angemessenen relativen Preise nicht beeinflußt werden. Die neoklassische Zentralbank agiert mithin bei der Geldmengenfixierung als exogene, der Wirtschaft administrativ beigegebene Instanz. Sie ist lediglich Versorgerin mit einer Menge von Tauschmitteln, die - bei Stabilität des Geldwertes - die Verbrauchsund Produktionspläne nicht beeinflußt, sondern ihre Durchführung lediglich erleichtert. Erst aus einer solchen Vorst.ellung versteht man das Bild von Milton Friedman (1912-2006) - dem Nobelpreisträger von 1976 - , der Haushalten und Unternehmen zusätzlich zu ihren Realkassenausstattungen »Geld aus dem Hubschrauber« zuwirft, was über eine Störung der relativen Preise in einer Inflation mündet. Für deren Bekämpfung verwendet er entsprechend das Bild von einem »Hochofen« (Milton Friedman, a.a.O.), der auf vergleichbare Weise eine Deflation erzeugt, wenn eine bestimmte Geldmenge abgesaugt und verbrannt wird.“ (Ebd., S. 82).

„In Eigentumswirtschaften kann eine Zielgröße der Geldmenge bestenfalls angestrebt, niemals jedoch fixiert werden. Dies ist der Tatsache geschuldet, daß die Änderung der Geldmenge durch eine Interaktion zwischen Geschäftsbanken und Zentralbank reguliert wird, bei der letztere gegen zinsbelastete Vermögenstitel der Geschäftsbanken Geld herausgibt bzw. Geld gegen den Verkauf solcher Vermögenstitel einzieht. Diese zinsbelasteten Vermögenstitel sind, wie wir noch zeigen werden, Ausdruck einer von der Neoklassik nicht thematisierten, aber für die Eigentumswirtschaft elementaren Beziehung zwischen Gläubigern und Schuldnern. “ (Ebd., S. 82-83).

„Auch die neoklassische Sicht der Geschäftsbanken wird aus der Reduzierung von Transaktionskosten gewonnen. Die Kreditpartnersuche wird ganz analog zur Tauschpartnersuche betrachtet. Während Geld die Marktbenutzungskosten auf dem Gütermarkt reduziert, tut die Bank dasselbe auf dem Markt für den in Geld eingekleideten intertemporalen Gütertausch. Durch koordinierte Informationssammlung reduziert sie die Kosten für die Kreditpartnersuche, Bonitätsprüfung, Vertragsschließung, Zins- und Tilgungszahlungen u.s.w., die bei individuellem Vorgehen überproportional steigen würden. Zentralbank und Geschäftsbanken gemeinsam bilden also die bereits erwähnte hybride Währungsgemeinschaft.“ (Ebd., S. 83).

„Die neoklassische Sicht der Bank erlaubt streng genommen keine Begrenzung der Kredite, solange die intertemporalen Tauscher über in Geld ja nur einzukleidende Güter verfügen, die produktiv sind. Eine Bonitätsprüfung müßte sich auf die angemessene Verwendung des Kredits beschränken und etwa darauf achten, daß er nicht einfach aktuell konsumiert wird. Aus anderen Gründen erwachsende Verweigerungen von Gläubigern, Geld anzubieten, sind neoklassischen Ökonomen selbstredend bekannt, aber in ihrem güterwirtschaftlichen Modell damit noch lange nicht untergebracht. Diese anderen Gründe aber sind es, die intertemporale Gütertauschakte, die von Haushalten oder Unternehmen durchaus nutzenmaximierend geplant sind, nicht etwa durch Einkleidung in Geld erleichtern, sondern schlicht dadurch verhindern, daß einem potentiellen Schuldner kein Geld geliehen wird. Als Vertreter der Gläubiger exekutiert die Bank nämlich deren Eigentumssicherung, die im neoklassischen Modell keinen Ort hat.“ (Ebd., S. 83).

„Wir werden also nach überzeugenderen Gründen als dem beliebten Tausch fahnden müssen, um Geld, Kredit und Zins verstehen zu können. Wir werden dabei zu zeigen haben, daß die Erklärung des Unterschieds zwischen einer Geld - und einer Nichtgeldwirtschaft, die von der Neoklassik und ihrem schärfsten Kritiker, John Maynard Keynes, so lauthals angemahnt wurde, daran gescheitert ist, daß nicht nach dem Unterschied zwischen einer Eigentumswirtschaft mit ihrer Ökonomisierung und Gesellschaften ohne Eigentum mit ihrer bloßen Nutzung von Ressourcen gesucht wurde.“ (Ebd., S. 83-84).

5) Zusammenfassung

„Ist eine Eigentumswirtschaft einmal etabliert, dann gibt es Waren mit Geldpreisen. Deshalb könnte man - wenn man es denn wollte - solche Waren direkt in einem sogenannten Äquivalententausch gegeneinander handeln. Die Wirtschaftstheorie hat sich dazu entschlossen, in diesem bloß gedanklich vorstellbaren Vorgang, den sie als Gütertausch bezeichnet, das Wesen der gesamten Wirtschaft zu verorten. Als Agenten denkt sie an einen vorteilsuchenden, rational tauschenden Menschen den sogenannten Homo oeconomicus. Ihre Wirtschaftstheorie ist mithin eine Theorie über den Menschen ganz allgemein. Dadurch glaubt sie, den Anforderungen an eine universelle Theorie zu entsprechen - an eine Theorie also, die wie eine Naturwissenschaft überall und jederzeit Gültigkeit haben soll.“ (Ebd., S. 84).

„Die von der herrschenden Wirtschaftstheorie angeregte Forschung hatte nach dieser tauschorientierten Vorgabe nur noch danach Ausschau zu halten, wie und warum menschliche Tauscher von äquivalenten Gütern dazu übergangen sind, nicht mehr Gut gegen Gut, sondern Güter gegen Geld zu tauschen. Zu diesem Schritt habe der Homo oeconomicus aus dem Interesse der Reduzierung der Transaktionskosten des Gütertauschs gefunden. Nach der Existenz und Wirkung dieses Motivs der Reduzierung von Transaktionskosten hatte die Forschung nun ebenfalls zu fahnden.“ (Ebd., S. 84).

„Zur Verblüffung der neoklassisch inspirierten Gelehrten ist nach einer mehr als hundertjährigen Suche in Stammes- und Feudalgesellschaften ein sogenannter vormonetärer Äquivalententausch in der Menschheitsgeschichte nicht belegbar. Er erweist sich vielmehr als ein Stück wirtschaftswissenschaftlicher Folklore. Da es den sogenannten Äquivalententausch schon geldlos nicht gibt, müssen naturgemäß auch Versuche fehlen, ihn anschließend zu monetarisieren. Ganz entsprechend hat sich eine Vorstellung von Transaktionskosten, die den Menschen schon der Stammes - und Feudalgesellschaft bei der Bewegung von Gütern belastet hätten, nicht nachweisen lassen. Das gilt dann selbstverständlich auch für ein ewiges Interesse des Menschen, Kosten zu reduzieren.“ (Ebd., S. 84-85).

„Diese massive Falsifizierung der tauschtheoretischen Grundannahme über einen Homo oeconomicus hat jedoch nur kurzfristig und eher am Rande Verunsicherungen hervorgerufen. Im Hauptstrom der neoklassischen Gedankenführung sind die alarmierenden Forschungsergebnisse schlicht verdrängt worden. Regelmäßige Mahnungen der Fachleute an die Wirtschaftstheoretiker, ihre Annahmen am empirischen Befund zu korrigieren, werden in den Wind geschlagen - selbst dann, wenn sie von insgesamt treu zu Neoklassik stehenden Gelehrten kommen. Jeder Student der Wirtschaftswissenschaften beginnt denn auch weiterhin mit dem vorteilsuchenden Tausch eines Homo oeconomicus.“ (Ebd., S. 85).

„Wie sie in Geldoperationen lediglich eine Erleichterung des nichtgeldlich vorgestellten Tausches und damit etwas für die Wirtschaft nicht Wesentliches sieht, so betrachtet die Neoklassik auch den Zins als ein universelles und vormonetäres Phänomen, das unserer Gattung von Anfang an und in allen Gesellschaftsstrukturen zukomme. Er resultiere aus der Zeitpräferenz oder Gegenwartsvorliebe. Diese Vorliebe nun müsse ein Schuldner mit Zins in Form einer höheren Gütermenge ausgleichen. Das ist aber nur unter der Annahme möglich, daß dem geliehenen Gut qua Investition ein Güterertrag - der sogenannte Eigenzins - automatisch innewohnt.“ (Ebd., S. 85).

„Da die Eigenzinssätze für jedes Gut unterschiedlich hoch ausfallen, kann es nur unter der unwahrscheinlichen Annahme unveränderlicher relativer Preise aller Güter im Zeitablauf zu einem einheitlichen Realzins kommen, der dem einheitlichen Geldzins entspricht. In dieser freimütig eingeräumten Unwahrscheinlichkeit erschöpft sich die Schwäche der Zinserklärung keineswegs. Vor allem wird der Zins nicht als Erzwinger eines Mehrertrags angesehen - dafür müßte er eine eigenständige, nicht aus Gegenwartsvorliebe stammende Herkunft haben. Vielmehr wird ein allemal anfallender - von irgendwoher kommender Mehrertrag vorausgesetzt, der die Forderung und Leistung eines Zinses ermöglicht. Niemals ist es gelungen, dieses »irgendwoher« des Mehrertrags überzeugend zu konkretisieren. Das räumt die Neoklassik durchaus ein, so daß sie ohne plausible Erklärung für den Güterzins dasteht. Ihre Schwäche bestätigt sich dann bei der Behandlung des zinses auf Geld. Der werde nicht anders realisiert als der mysteriöse Eigenzins auf Güter - nämlich aus einem Zusammenspiel von Konsumverzicht des Gutes Geld und einer intertemporalen Produktivität des investierten Gutes Geld. Dabei taucht von neuern das Problem der unterschiedlichen Eigenzinssätze der Güter auf, die nur durch die Hilfskonstruktion einer Änderung ihrer relativen Preise in einen einheitlichen Geldzinssatz transformiert werden können. Da je nach Wahl des für Geld herangezogenen Gutes wiederum unterschiedliche Güterzinse anfallen, mißlingt die Lösung des Problems; die auch von der Neoklassik gesehene Einheitlichkeit des Geldzinses bleibt unerklärbar.“ (Ebd., S. 85-86).

„Das dem monetären Zins zugrundeliegende Gelddarlehen kommt nicht anders als das Geld selbst zustande. So wie Geld zwischen den Tausch von Gütern geschaltet wird, um die Transaktionskosten des Direkttausches zu reduzieren, dient das Gelddarlehen der Reduzierung der Transaktionskosten beim direkten intertemporalen Tausch in Form von Sachdarlehen. Die Institutionen der Geschäftsbank und der Zentralbank werden ebenfalls aus dem Kalkül der Transaktionskostenreduktion hergeleitet.“ (Ebd., S. 86).

„Wenn es aber die zu reduzierenden Transaktionskosten nicht sind, die zu Geld, Geldzins und Banken führen, und diese monetären Phänomene gleichwohl existieren, dann muß die Frage nach ihrem Grund gänzlich neu gestellt werden. Die herrschende Wirtschaftslehre hat lediglich eine Folge von einmal etablierten Geldpreisen - nämlich die Möglichkeit, damit überhaupt erst die Gleichwertigkeit zweier Waren ausdrücken zu können - als Idee vom Äquivalententausch auf die gesamte Menschheitsgeschichte zurückprojiziert. Nachdem dort eine Kalkulation von Güteräquivalenten aber nicht aufzufinden ist, stellt sich die Frage, ob die Wirtschaftstheorie tatsächlich eine Theorie des Menschen als solchem bleiben kann oder nicht doch die Theorie einer ganz besonderen Gesellschaftsstruktur sein muß. Die Suche nach dieser Struktur ist es nun, die uns vom Tausch weg und zum Eigentum hin führen muß.“ (Ebd., S. 86).

„Der Neoklassik ist der Terminus »Eigentum« keineswegs fremd. Als property rights, als Regelsystem für Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung beschäftigt das Wort Eigentum eine ganze Reihe von Spezialisten der sogenannten Institutionenökonomik. Betrachtet wird aus ihrem Blickwinkel allerdings lediglich der Ordnungsrahmen für ein individuelles Recht auf Tausch als nicht gratis zugestandenes Verfügungsrecht über Sachgüter und Leistungen. Unerkannt bleiben deshalb die immateriellen Eigenschaften von Eigentum, die dem Wirtschaften nicht etwa nur eine wichtige Rahmenbedingung liefern, sondern es überhaupt erst auf den Weg bringen. Was der neoklassischen Theorie am Eigentum wesentlich erscheint, ist diesem nämlich gerade nicht zugehörig. Sie definiert Rechte über die physische Nutzung von Gütern als Eigentum. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um Besitzrechte, die es in der Tat auch dort - also in Stamm und Feudalismus gibt, wo die Fachforschung eine Geldentstehung zur Erleichterung eines Tausches nicht finden kann. Besitzrechte sind durchaus solche des Menschen schlechthin und doch bringen sie ihn nicht zu den von der Theorie postulierten Tauschoperationen. Besitzrechte regeln Macht und Herrschaft über Ressourcen. Erst in Beziehung zu Eigentum geraten Besitzrechte in die Mechanismen des Wirtschaftens.“ (Ebd., S. 86-87).

„Die ökonomischee Qualität des Eigentums besteht in seiner Prämie, die sich in seiner Belastbarkeit in der Geldschaffung und seiner Verpfändbarkeit durch einen Schuldner manifestiert. In diesen beiden freien Dispositionen, die dem bloß physischen Besitz mangeln, geht es gerade nicht darum, Güterbewegungen zu erleichtern oder überhaupt an Gütern irgendeine Veränderung vorzunehmen. Bei der Schaffung von Geld und seiner Verleihung im Kreditkontrakt werden lediglich die Eigentumsrechte von Gläubigern und Schuldnern durch Aufgabe ihrer Eigentumsprämien beschränkt, während die aus der Besitzseite des Eigentums erwachsenden Nutzungsrechte, auf deren angeblicher Verleihung die neoklassische Zinstheorie ruht, gerade nicht übertragen werden. Im Kredit wird Eigentumsprämie aufgegeben, der Besitzertrag aber gerade nicht. Es sind also entschieden immaterielle Rechtstitel an Eigentum und nicht etwa die Beschaffenheiten von Gütern, die jemand in Produktion, Distribution und Konsumtion physisch nutzen könnte, aus denen das Wirtschaften vom Eigentum hervorgebracht wird.“ (Ebd., S. 87).

„Für Kreditsicherheit und Gelddeckung haftendes Eigentum soll überhaupt nicht bewegt und schon gar nicht vom Gläubiger physisch genutzt werden. Eine Veränderung in der Eigentumsposition kann lediglich dann eintreten, wenn kreditvertragliche Pflichten unerfüllt bleiben und über den Weg der Vollstreckung Eigentum an andere Eigentümer, Gläubiger also, gelangt oder ganz verloren geht. Die Übertragung von Eigentumstiteln bei der Vollstreckung, die auch zu einem Besitzwechsel führt, kommt mithin nicht zustande, weil da etwas getauscht werden will, sondern weil abgetreten werden muß.“ (Ebd., S. 87-88).

„Obwohl die neoklassische Theorie inzwischen (1996) ihren 125. Geburtstag feiern kann, hat sie erst kürzlich damit begonnen, sich für die ökonomische Bedeutung von Kreditsicherheiten ein wenig zu interessieren. Wie den Terminus Eigentum, so kennt sie durchaus auch den Terminus Sicherheiten. Sie sieht in ihnen vor allem ein Instrument zur Sicherstellung eines wirtschaftlichen Umgangs mit Ressourcen und zur Abwehr von Betrugsversuchen des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger. Damit mißlingt wiederum die Erkenntnis der konstitutiven Rolle der Eigentumshaftung für das Hervorbringen von Geld, das aus dem Belasten von Eigentum resultiert und zugleich das Verpfänden von Eigentum verlangt.“ (Ebd., S. 88).

„Die Unerklärbarkeit des Geldes aus dem Tausch nötigt nun die Autoren dieses Buches dazu, dieser alternativen Erklärung des Geldes nachzugehen. In den neoklassischen Blick kommen aber lediglich manipulative und betrügerische Interessen von Schuldnern, denen Gläubiger mit Sicherheiten zu begegnen versuchten. Diesem nachgeschobenen und insgesamt beiläufigen Interesse der Neoklassik für Sicherheiten entspricht mithin die absolute Randständigkeit, die sie ihnen für ihre Wirtschaftstheorie einräumt.“ (Ebd., S. 88).

B) Das Kapitel vom Eigentum: Eigentum als Gegenposition zum Besitz

1)  Die theoretische Konfusion über Eigentum und Besitz (S. 89-95)
2)  Die Unauffindbarkeit von Eigentum in Stammes- und Befehlsgesellschaft (S. 95-109)
3)  Die Ratlosigkeit über die Entstehung der realen Eigentumswirtschaft (S. 109-122)
4)  Die Eigentumsprämie: Die Potenz der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit (S. 122-135)
5)  Zusammenfassung (S. 135-139)

1) Die theoretische Konfusion über Eigentum und Besitz

„Unter den theoretisch ehrgeizigen beobachtern der abendländischen Kultur/Zivilisation haben die genaueren ... durchaus geahnt, daß weder die Produktion, wie die Klassik glaubt, noch der Tausch, wie die Neoklassik annimmt, sondern ein ganz anderes gesellschaftliches Element dafür sorgt, daß »Kauf und Verkauf, Darlehen und Kredit« in die Welt gelangen.“ (Ebd., S. 89-90).

„Schon Marcus Tullius Cicero (106-43 v.u.Z.) berichtet: »Von Natur aus gibt es kein Eigentum. .... Ursprünglich gab es ... nur Gemeinbesitz.» (Cicero, a.a.O.). Stammes- und Feudalgesellschaften kennen mithin nur Besitz und die damit verbundene Verfügung, die Nutzung von Gütern. Abwesend ist nicht nur das Eigentum, sondern auch Zins, Geld und Markt kommen nicht vor. Zudem fehlen Kapital, Wert, Preis und Profit, um nur die wichtigsten wirtschaftlichen Kategorien zu nennen.“ (Ebd., S. 90).

„Das Eigentum, so wird ebenfalls gesehen, kommt nicht allein. Mit sich bringt es die nicht minder aufregende Institution der Freiheit: »Fast genügt es, darauf hinzuweisen, daß es nicht möglich ist, das Wort ›Freiheit‹, im Griechischen eleutheria, im Lateinischen libertas oder die Bezeichnung ›frei‹ in irgendeine der vorderasiatischen Sprachen einschließlich des Hebräischen (oder übrigens auch der fernöstlichen Sprachen) zu übersetzen.» (Lewis Henry Morgan, Die Urgesellschaft, 1877, a.a.O., S. 184).“ (Ebd., S. 90).

„Wenn wir in Verweisen auf moderne Autoren zuweilen dem Terminus »Privateigentum« begegnen, so drückt sich darin lediglich eine sprachliche Konvention aus. In der Sache reicht der Begriff »Eigentum« aus. Der Verzicht auf die Vorsilbe »Privat« schützt zugleich vor dem Mißverständnis, das Privateigentum automatisch als Gegensatz zum Staatseigentum aufzufassen. Denn am Eigentum ist nicht entscheidend, ob es Individuen oder Kollektiven zuzuordnen ist, sondern daß es vielmehr eine Gegenposition zum Besitz ausdrückt. Besitz bedeutet immer Rechte zur Verfügung über und damit die physische Nutzung von bestimmten Gütern oder Ressourcen und ist unabhängig davon, ob Eigentum existiert oder nicht.“ (Ebd., S. 90-91).

„Der Besitz kann wie das Eigentum individuell oder kollektiv zugeordnet sein. Im Unterschied zu Eigentum gab es Besitz in der Tat bereits unter Neandertalern, die eifersüchtig über die Nutzung ihrer Faustkeile wachen mochten. In den Stammesgesellschaften wird die spezifische Beherrschung der Ressourcen über die Sitte geregelt. In Feudalgesellschaften einschließlich des Sozialismus wird die Beherrschung der Ressourcen durch Befehl einer besitzlichen Nutzung zugewiesen.“ (Ebd., S. 91).

„Da die Verwechslung oder Nichtunterscheidung von Eigentum und Besitz die Kernschwäche der ökonomischen Schulen markiert, haben insbesondere Juristen immer wieder nach Begriffen gesucht, die mehr Eindeutigkeit nahelegen. So steht etwa die Wörterkombination Freies Eigentum für einen solchen Klärungsversuch. Wir übernehmen ihn hier nicht, meinen bei Eigentum jedoch immer die volle Dispositionsfreiheit, die im Belasten, Verpfänden und Verkaufen ihre wichtigsten Elemente hat.“ (Ebd., S. 91).

„Auch in der Eigentumsgesellschaft geht die sich aus dem Besitztitel ergebende Nutzung von Ressourcen nicht verloren. Da nun hier aber jeder Besitz zugleich mit einem Eigentumstitel verbunden ist, das heißt ein Besitzer nicht unabhängig von einem Eigentümer handeln kann, muß die bloße Herrschaft über Ressourcen ihrer Bewirtschaftung weichen, um den ökonomischen Erfordernissen des Eigentums gerecht zu werden, das heißt um seiner immateriellen Prämie bzw. seiner herrschaftsfreien Kontrahierbarkeit durch Belastung und Verpfändung zu entsprechen.“ (Ebd., S. 91).

„Freie Belastbarkeit und freie Verpfändbarkeit sind die Prämie des Eigentqms, die einen Schuldner zur Ökonomisierung von Ressourcen zwingen. Er muß nämlich - wie noch zu zeigen - den Zins für den Verzicht des Gläubigers auf dessen Eigentumsprämie erwirtschaften und zugleich den Tilgungsbetrag, um seine Eigentumsprämie wiederzugewinnen, die er durch Verpfändung aufgegeben hat. Das Besondere an dieser Operation besteht nun darin, daß der Status des Besitzes an Ressourcen, deren Eigenturnseite ihnen überhaupt erst die ökonomische Grundlage liefert, nicht verändert wird. Gegen das Credo der Neoklassik, die im Kredit physische Nutzungsrechte an Gütern von Gläubigern auf Schuldner übertragen sieht, sind es gerade diese Nutzungsrechte, die nicht übertragen werden.“ (Ebd., S. 91-92).

„Anders als die universelle und ewige Größe des Besitzes liefern mithin die Besonderheiten des Eigentums den entscheidenden Bruch zur Organisation der materiellen Reproduktion in Stammes- und Befehlsgesellschaft. Vor allem bei der wirtschaftlichen Verteidigung des Eigentums, bei seiner Mehrung und bei der Vollstreckung gegen es entstehen alle entscheidenden ökonomischen Operationen. Das stammesgriechische und auch das feudalmykenische Haus (= oikos), das lediglich genutzt wurde, wird - wie zu zeigen - in der Polis als »Eigentum« einem Netz von Vertragsrechten (= nomoi) unterworfen, das nun jene Wirtschaft herbeizwingt, die der Öko-Nomie ihr Thema stellt.“ (Ebd., S. 92).

„Das Eigentum ist nicht definiert durch die Anzahl seiner Halter, ob es also einem Einzelnen oder einem Kollektiv gehört. Das kann nicht deutlich genug betont werden, da in der Theoriegeschichte dieser Halterstatus immer wieder in die Definition von Besitz und Eigentum eingeflossen ist. Kollektive von Haltern gelten gerne als Beweis für die Aufhebung von Eigentum, während Individuen oft exklusiv mit Eigentum assoziiert werden. Selbstverständlich können aber auch Genossen Eigentum halten, ohne diese Basis für das Wirtschaften damit im geringsten zu unterminieren.“ (Ebd., S. 92).

„Exemplarisch für solche Konfusionen möge Marx herangezogen werden, der in den »Kooperativfabriken der Arbeiter selbst«, vor allem aber in der »Bildung von Aktiengesellschaften ... die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum«, das heißt den evolution ären Übergang zu einer sozialistischen Produktionsform sah: »Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. .... Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.« (Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, Buch III, 1867, a.a.O., S. 456 / 452 / 454).“ (Ebd., S. 92).

„Richtig ist, daß die juristische Person »Aktiengesellschaft« anders aussieht als natürliche Personen. Richtig ist auch, daß nur die juristische Person »Aktiengesellschaft« mit ihren Aktiva haftet. Für die Aktionäre als natürliche Personen bedeutet dies, daß bei Verlusten der Gesellschaft auf ihre Anteile an derselben keine Erträge (Dividenden) fallen und/oder der Wert dieser Aktien sinkt. Mit dem übrigen Teil ihres Eigentums haften sie für die Aktiengesellschaft in der Tat nicht. Beide Vermögensteile jedoch sind Eigentum, und die Gläubiger wissen, daß sie die Aktiva der Aktiengesellschaft nicht mit dem übrigen Eigentum der Aktionäre verwechseln dürfen. Von einer Aufhebung der Kontrolle durch das Eigentum kann mithin keine Rede sein.“ (Ebd., S. 93).

„Es mag überraschend wirken, wenn wir die Nichtthematisierung oder Verwischung der Differenz von Eigentum und Besitz behaupten, obwohl sowohl Klassik wie auch Neoklassik gesehen haben, daß Eigentümer und Besitzer sehr oft in einem Gegenüber von Auftraggeber und Agent stehen. Die bekanntesten Fälle liefern dabei die Beziehungen zwischen Grundeigentümer und Pächter, Aktionär und Manager oder Vermögenseigentümer und Bank als Vermögensbesitzer. Die Literatur zu diesen Beziehungen fließt selbstredend reichlich. Im Ergebnis besagt sie lediglich, daß der Eigentümer als Rentier seine eigentlichen ökonomischen Funktionen an jemand anderen delegiert hat.“ (Ebd., S. 93).

„Am ehesten hat unter den Ökonomen noch Karl Marx eine blitzhaft aufleuchtende und dann ebenso schnell wieder entfleuchende Ahnung davon verspürt, was es ökonomisch heißen könnte, daß »der Einzelne verlieren kann sein Eigentum.» (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/1858, Teil III, S. 394). Die kostbare Ahnung besteht darin, daß am Ende desselben Abschnitts unvermittelt - und nicht wieder ernsthaft aufgegriffen - »die Verschuldung etc.« aufgeführt wird. Daß zwischen der Gefahr des Eigentumsverlustes und der Verschuldung ein eiserner Konnex besteht, aus dem alles Wirtschaften zu erklären ist, hat er niemals gesehen. (Vgl. Gunnar Heinsohn, Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft, 1984, S. 160). Der Grund dafür liegt wiederum im Kernfehler aller Ökonomen, Besitz und Eigentum nicht korrekt unterscheiden zu können. Marx sieht bereits, daß er Stamm und Feudalismus anders behandeln muß als die Polis. Er erkennt dadurch, daß im antiken Feudalismus (der »orientalischen Form«) »dies Verlieren kaum möglich« ist. Daraus schließt er aber nicht etwa auf die Abwesenheit von Eigentum, sondern redet sogar für Stammesgesellschaften ungeniert von solchem: »Dieses Verhalten als Eigentümer ... setzt voraus ein bestimmtes Dasein des Individuums als Glied eines Stamm- oder Gemeinwesens.» (Ebd., S. 395).“ (Ebd., S. 93-94).

„Diese Fehlverortung von Eigentum unterläuft Marx, obwohl er für die »Stadtgemeinde«, also die griechische Polis und die römische Civitas, deren Herausbildung uns weiter unten beschäftigt, zu sehen vermag, daß ihre »ebenbürtigen Bürger ... Eigentümer« sind. Er sieht sogar, daß in Gesellschaften der orientalischen Form oder eines Stammes, »der Einzelne nie zum Eigentümer, sondern nur zum Besitzer« wird. (Vgl. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/1858, Teil III, S. 393). Da er bei Abwesenheit des ungebundenen Einzelnen seinem Kollektiv das Eigentum zuspricht, wird ihm dieses zu einer ewigen Gegebenheit aller Gesellschaftsformen. Marx kann sich schlichtweg nicht vorstellen, daß Eigentum in einer Gesellschaft überhaupt nicht vorhanden ist. Darin ähnelt er - wie noch zu zeigen - den marxistischen Herrschern des 20. Jahrhunderts, die nach der Abschaffung des Privateigentums mit der Konstruktion eines »Volkseigentums« dem Glauben anhingen, daß Eigentum - und sei es als kollektives - einfach immer vorhanden sei.“ (Ebd., S. 94).

„Am Eigentum interessiert Marx lediglich, ob es Einzelnen oder Kollektiven zugeordnet wird. Von ökonomischer Relevanz aber ist - unabhängig von dieser Zuordnung - der Gegensatz von Eigentum zum Besitz. Dieser Gegensatz besteht darin, daß Eigentum frei verkauf- und blockierbar ist, was mit Besitz eben nicht gemacht werden kann. Wo immer Besitztransaktionen erfolgen, müssen Güter bewegt und ihre Nutzung übertragen werden. Eigentumsoperationen verbleiben diesseits solcher Transaktionen. Sie ermöglichen erst das kreditgetriebene Wirtschaften, ohne daß Gläubiger und Schuldner bei Belastung bzw. Verpfändung ihrer Nutzungsrechte verlustig gehen.“ (Ebd., S. 94-95).

„Eigentum und Besitz haben - anders als Marx es sieht - gerade gemeinsam, daß sie sowohl individuell als auch kollektiv zugeordnet sein können. Gegensätze und Gemeinsamkeiten von Eigentum und Besitz nicht scharf herausarbeiten zu können, verdirbt mithin auch Marx einen möglichen Einstieg in die Mechanismen der Eigentumswirtschaft.“ (Ebd., S. 95).

„Auch Marx macht letzten Endes die ganz besondere und überdies höchst bedrohliche Freiheit der »Ebenbürtigen« aus der Polis deshalb theoretisch nicht fruchtbar, weil er den Tausch -nicht anders als die von ihm kritisierten Klassiker -an den Beginn des Wirtschaftens stellt. Daraufhin trübt sich der Blick auf das Eigentum und seine Verlierbarkeit unwiederbringlich. Über das Tauschparadigma gelangt Marx mit allen übrigen Ökonomen in dasselbe Boot. Das Tauschparadigma aber ist wiederum verbunden mit der Überzeugung, daß der kalkulatorische Umgang von Individuen mit einem ihnen vorgegebenen Ressourcenbesitz Alpha und Omega des Wirtschaftens ausdrücke.“ (Ebd., S. 95).

2) Die Unauffindbarkeit von Eigentum in Stammes- und Befehlsgesellschaft

„Der Glaube an Vorteilsuche im Markttausch als wichigsten Antrieb und zugleich zentralen mechanismus der Wirtschaft. deruns schon an der Neoklassik zu beschäftigen hatte, ist ... nicht dem Marxschen Verstande entsprungen, sondern stammt bereits von Adam Smith (einem der ersten Klassiker also; Anm. HB), der im Jahre 1776 die vorteilsuchende Betätigung des Menschen als »Folge eines gewissen Hanges der menschlichen Natur« auffaßte, »des Hanges zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln«. (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17). Dieser Sicht eines immer schon dagewesenen Homo oeconomicus ist ausdrücklich Karl Polanyi entgegengetreten: »Eine Unzahl von Autoren, die sich mit Nationalökonomie, Gesellschaftsgeschichte, Staatswissenschaft und allgemeiner Gesellschaftswissenschaft befaßten, waren den Spuren von Smith gefolgt und übernahmen sein Paradigma vom Tauschhandel treibenden Wilden als ein Axiom für ihre jeweiligen Wissenschaften. Im übrigen waren Adam Smith' Behauptungen bezüglich der wirtschaftlichen Psychologie des Frühmenschen ebenso falsch wie Rousseaus Auffassungen über die politische Psychologie der Naturmenschen.» (Karl Paul Polanyi, a.a.O.).“ (Ebd., S. 97-98).

„Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) hatte in seiner berühmten Attacke gegen das Privateigentum, das die an sich perfekte Natur des Menschen durch Stiftung der Ungleichheit korrumpiert habe, unter dem Titel Diskurs über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen (1755) geschrieben: »Der Erste, dem es in den Sinn kam, ein Grundstück einzuhegen und zu behaupten ›Das gehört mir‹ und der Menschen fand, einfältig genug, ihm zu glauben, war der eigentliche Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.« (Ebd., a.a.O.). Wir werden weiter unten in diesem Kapitel sehen, daß es gerade der von Rousseau bewunderte Drang nach Gleichheit gewesen ist, der die Revolution zum Privateigentum beflügelte, wohingegen eine Ungleichheit sein vorab nicht erwartetes und ökonomisch dann so folgenreiches Ergebnis gewesen ist.“ (Ebd., S. 98-99).

„Zum Tausch als solchem allerdings hatte sich mit Aristoteles schon ein Bürger der altgriechischen Eigentumsgesellschaft geäußert. Seine ökonomische Analyse setzte bei den menschlichen Grundbedürfnissen an, die angeblich in einer ersten Gemeinschaft, dem Haus (oikos), noch tauschfrei durch eine sogenannte Subsistenzwirtschaft mit ihren fünf natürlichen Aneignungsweisen - Viehzucht, Ackerbau, Jagd, Fischfang und Raub - befriedigt wurden. Erst bei Erweiterung der Gemeinschaft über das Haus hinaus zum Dorf konnten jedoch auch über den Tag hinausreichende Bedürfnisse befriedigt werden. Dafür mußte eine Spezialisierung eintreten, und anschließend konnte dann der Austausch von Gebrauchsgegenständen beginnen. (Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, V, 1133a12-1134a; Politik I, 1252b, 1256a-1257a). An einen biologischen Tauschhang oder gar ein Interesse an einem Überschuß durch Tausch -an die neoklassische Vorteilsuche - dachte der Grieche dabei aber nicht.“ (Ebd., S. 99).

„Deshalb kann es nicht überraschen, daß Aristoteles auch seinen bloß technisch gedachten Austausch der Spezialistengüter für eine Erklärung des Eigentums nicht herangezogen hat. Dessen wirtschaftliche Bedeutung ist ihm dunkel geblieben, was schon daran deutlich wird, daß es ihm nicht gelingt, Besitz und Eigentum zu unterscheiden, womit er zum Ahnherren einer grundlegenden Konfusion der Wirtschaftstheorie avanciert. Da wird das römische Recht, um das die Wirtschaftstheorie sich zu ihrem Nachteil nicht kümmert - im Unterschied zum altgriechischen, das für Besitz und Eigentum mit chrema lediglich ein Wort kannte - viel genauer. Es findet nämlich die der proprietas - dem Eigentumsrecht - gegenübergestellte Formel possessio in facto non in iure consistit, das heißt, Besitz besteht in Tatsachen, nicht jedoch in Rechtstiteln.“ (Ebd., S. 99).

„Besitz ... ist eine universelle Kategorie, die also nicht nur in der Stammes- und der Feudalgesellschaft, sondern auch in der Eigentumswirtschaft anzutreffen ist. Besitz bedeutet die Ausübung eines Nutzungsrechts: Die Mitglieder der einzelnen Gesellschaften haben eine konkrete physische Kontrolle über Ressourcen (Güter). Bei dieser Nutzung sind die Mitglieder von Stammes- und Feudalgesellschaften gegen willkürliche Eingriffe im allgemeinen durch Sitte und fixierte Regeln geschützt.“ (Ebd., S. 102).

„In der Eigentumsgesellschaft hingegen tritt der Eigentümer lediglich in besonderen Fällen auf Zeit und per Vertrag die gütermäßige Nutzung seines Eigentums an einen Besitzer - Pächter, Mieter etc. - ab. Vom Eigentum bleibt ein Nutzunsgrechte erwerbender Pächter-Besitzer ausgeschlossen. Die an diesen Titel gebundenen Rechte auf Blockieren für Kredit und auf Verkaufen gehen also nicht auf ihn über. Die Beziehung des Pächters zum Eigentümer ist jedoch nicht mehr durch Sitte oder ein Dienst- und Abgabepflichten regelnden Befehl bestimmt, dem Besitzer in traditionellen Gesellschaften unterliegen, sondern durch einen Kontrakt, der für die bloße Überlassung des Besitzes des Eigentümers diesem eine besondere Leistung - Pacht oder Miete - einbringt.“ (Ebd., S. 102).

3) Die Ratlosigkeit über die Entstehung der Eigentumswirtschaft

„Statt sich ... Spekulationen anheimzugeben, hätten die modernen Historiker einmal bei ihren Kollegen aus der Antike nachschlagen können. das gilt heute als unzeitgemäß, erweist sich aber für die Frage nach der Herausbildung der Eigentumswinschaft als ausgesprochen fruchtbar. Bei den Gelehrten aus dem Altenum ist keineswegs von Stammesgesellschaften als Vorläufern der Polis die Rede, sondern von feudalen Burgherren: Vor der Polis »hatte man erbliche Königtümer mit gesetzlichen Ehrenrechten« (Thukydides, Geschichte des Peleponnesischen Krieges, I, 13), verbürgt sich der Menschheit erster Augenzeugen- und Quellenhistoriker Thukydides (460-400 v.u.Z.).“ (Ebd., S. 110-111).

„Die Sicht einer feudalistischen und nicht stammesgesellschaftlichen Vorstufe der Polis wurde im Altenum niemals bestritten, sondern etwa vom Römer Lukrez (99-55 v.u.Z.) ausdrücklich unterstrichen:
»Später erst (nach der Burgenherrschaft)
kam das Privateigentum mit dem Gold,
welches die Starken und Schönen
der früheren Ehre leicht beraubte.«
(Lukrez [Titus Lucretius Carus], De rerum natura, 1113-1114).“ (Ebd., S. 111).

„»Privateigentum mit dem Gold« ist selbstredend zu lesen als Privateigentum mit dem Geld, denn Gold als Schmuck- und Prestigemetall gab es während der feudalen Burgenherrschaft bereits in großer Vielfalt und beträchtlicher Menge. Daß dem Eigentum dieser neuen Gesellschaft Geld inhärent ist und es gerade nicht irgendeinem allemal schon in Stamm- oder Befehlsgesellschaft ablaufenden Tausch entspringt, ist für die besten Gelehnen der römischen Republik ein ausgesprochen ernst genommener Befund. Sie wissen, daß sie vom Gelde nur reden können, wenn sie die Eigentumsverfassung im Auge haben.“ (Ebd., S. 111).

„Nun ist der Wirtschaftsgeschichte die Ablösung eines Feudalismus durch eine Privateigentumsgesellschaft weder fremd noch rätselhaft und am ausführlichsten an der revolutionären Umwandlung des mittelalterlichen England zum sogenannten Agrarkapitalismus untersucht worden! (Ausführlich dazu Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld, Produktivität und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan, Band 9, Nr. 2, 1981, S. 164-194)). Dieser Prozeß bekommt einen entscheidenden Anstoß durch die im Jahre 1303 einsetzende sogenannte Kleine Eiszeit. Sie führt in Grönland und Nordisland zum Ende der Landwirtschaft sowie zu Menschenverlusten. In England fällt die Weinanbaugrenze um 600 km nach Süden (vom südlichen Schottland nach Cornwall). In fast ganz Europa fallen die Erträge. Die im Mittelalter austarierten Abgabepflichten der Leibeigenen werden plötzlich unerfüllbar. Daraufhin setzt die Epoche der Bauernkriege ein, die im Jahre 1306 mit dem Aufstand von Leibeigenen in Schottland beginnt. Die Große Pest von 1348 bis 1352 verringert die Zahl der Leibeigenen um durchschnittlich 30 und regional bis zu 60 Prozent (sogenannte Europäische Bevölkerungskatastrophe).“ (Ebd., S. 111-112).

„Die Bauernkriege werden dann auf ganz unterschiedliche Weise beendet. Lediglich in England werden nach dem Lollardenaufstand von 1381 Leibeigene in nennenswertem Ausmaß zu Freien, was auch ihre ehemaligen adligen Herren, die nun ihre »Zwangsarbeiter« verloren haben, in bloße Eigentümer von Grund und Boden verwandelt: »Der Versuch, die Kontrolle über das Landvolk zu behaupten oder gar zu erweitern, wurde zur weit verbreiteten Antwort der Grundherren auf die Krise des Feudalismus in ganz Europa - und zwar deshalb, weil Arbeitskräfte überall knapp geworden waren. .... In Osteuropa wurde die Kontrolle über die Bauern verschärft. In großen Teilen Westeuropas erwarb ein bedeutender Teil des Landvolks nicht nur Freiheit, sondern gewann faktisch auch freie Eigentumsrechte an einem erheblichen Teil des Bodens. (Gleichwohl wurden sie von einer sich in diesem Gebiet über den Aufbau des absolutistischen Staates neu formierenden Aristokratie meist wieder abhängig gemacht.) .... In England brach das System der Leibeigenschaft zusammen, dennoch behielten die Grundherren die Kontrolle über Grund und Boden.« (Robert Brenner, a.a.O.).“ (Ebd., S. 112).

„In England werden die feudalen Herrschaftsbeziehungen zunehmend ersetzt durch ökonomische Kontrakte zwischen Grundeigentümern, die nur ihre adligen Namen behalten, also faktisch Bürger wer den, und Freien ohne Grundeigentum, aus denen die freien Pächter und Lohnarbeiter hervorgehen. Diese Konstellation führt nach einem fast zweihundertjährigen Kampf zwischen den neuen Bodenbürgern und ihren Pächtern und Arbeitern einerseits sowie den verbliebenen Feudalherren andererseits im 16. Jahrhundert zur wirtschaftlichen Überlegenheit Englands in Europa. Der Zwang zur technologischen Verringerung der nur über Verschuldung erlangbaren Lohngeldvorschüsse wird für diese überlegene Dynamik verantwortlich, wie wir im Akkumulationskapitel ausführlich zeigen werden.“ (Ebd., S. 112-113).

„Nach und nach nötigt die englische Entwicklung überall in Europa - zuletzt ab 1861 auch in Rußland (aber nur teiweise und vorübergehend! Anm. HB) und ab 1868 in Japan - zur Einführung des Eigentums an Grund und Boden. .... Im zwanzigsten Jahrhundert macht sich vor allem Südostasien (Südkorea, Taiwan u.s.w.) durch eine Bodenreform in die Eigentumsgesellschaft auf und überholt schnell die realsozialistischen Staaten der Zweiten und die Entwicklungsländer der Dritten Welt. In Ostasien selbst wird die Überlegenheit der Eigentumsstruktur dadurch besonders deutlich, daß etwa die Philippinen, die nach 1945 mehr Pro-Kopf-Entwicklungshilfe als irgendein anderes asiatisches Land bekommen hatten, dennoch rückständig blieben, weil sie bis vor kurzem keine nennenswerte Bodenreform zum Eigentum durchzuführen vermochten.“ (Ebd., S. 113).

„Es ist also nicht eine spezifisch ostasiatische - im Schlagwort Japan lncorporated u.s.w. persiflierte - Industriepolitik, die das sogenannte Wirtschaftswunder dieser Region bewirkt hat. Im empirischen Vergleich mit den alten Geldwirtschaften des Westens hat sich gezeigt, daß die ostasiatischen »Tiger« durch besonders geringe staatliche Eingriffe in die Verwendung des Eigentums und der Einkommen gekennzeichnet sind: Dieser Befund hat sich in einer Untersuchung über die wirtschaftliche Entwicklung von 102 Ländern im Zeitraum von 1975-1995 bestätigt. Je größer während dieser Periode die ökonomische Freiheit eines Landes war, desto größer fiel das ökonomische Wachstum pro Kopf aus. Freiheit ist dabei definiert als Schutz legal erworbenen Eigentums und die Möglichkeit es frei zu nutzen und zu veräußern, ohne die Eigentumsrechte anderer zu beeinträchtigen. Ganz ähnlich zeigt der Ende 1995 vom Heritage Trust (Washington) vorgelegte »Index für wirtschaftliche Freiheit für 142 Länder, daß der einzige Weg zu Wachstum und Wohlstand über eine freie Wirtschaft führt.« (I. Rohwedder, Wie der Index für wirtschaftliche Freiheit Investoren die besten Claims zeigt, in: Welt am Sonntag, 21.01.1996, S. 41).“ (Ebd., S. 113-114).

„In Amerika ist das Realexperiment der Eigentumsschaffung bereits viel früher als in Asien durchgeführt worden. Der am spätesten europäisierte Norden (die heutigen USA und Kanada) hat Eigentums- und Freiheitsrechte umgehend und radikal durchgesetzt und damit den halbfeudalen lateinischen Raum sehr schnell überholt.“ (Ebd., S. 114).

4) Die Eigentumsprämie: Die Potenz der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit

„Es kann kaum deutlich genug betont werden, wie eklatant das an revolutionäre Männer gelangte Grundeigentum sich vom Besitz an beweglichen Gütern - wie etwa Speeren oder Kanus - unterscheidet, die als Produkte eigener Arbeit selbstverständlich bereits von den Männern und Frauen in der Stammesgesellschaft respektiert wurden. Über Stammesland jedoch kann dort niemand nach eigenem Belieben verfügen, und erst recht kann er mit ihm nicht haften, mit ihm kreditieren oder es gar verkaufen. Auch kann niemand in es vollstrecken. Verlieren kann man das Stammesland an siegreiche Gegner, aber auch durch freiwillige oder von der Natur erzwungene Aufgabe. Für die Funktionen des Grundeigentums - Verpfänden, Verpachten, Verkaufen u.s.w. steht es nicht zur Verfügung.“ (Ebd., S. 122).

„Das Eigentum einzelner freier, aber zunächst gerade nicht gütermäßig reicher, sondern armer Männer in dieser neuen Gesellschaft unterscheidet sich aber auch vom Besitz großer Männer der Feudalgesellschaft.“ (Ebd., S. 122).

„Die Verwechslung von Eigentum und Besitz beherrschte bereits die berühmte Debatte über Sozialismus und Kapitalismus. .... Diese vor dem Eigentumm blinde Auseinandersetzung führte zur Verharmlosung des Unterschieds zwischen beiden Systemen, indem der Sozialismus als »zentral geleitet Wirtschaft« und der Kapitalismus als dezentrale »Verkehrswirtschaft« klassifiziert wurde (vgl. Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 1940, S. 93). Auf zentrale versus dezentrale Wirtschaftspläne schrumpfte die Differenz zwischen beiden Gesellschaften. Die Konsequenz dieses Denkens bestand dann darin, daß der als »Kollektiveigentum« falsch verstandene Staatsbesitz der Sowjetunion und das unstrittige Eiegntum unter dem Nationalsozialismus in ihren Auswirkungen auf den Wirtschaftsprozeß »nicht wesentlich verschieden« seien. Hier wie dort sei für die Ökonomie entscheidend gewesen, daß die Pläne einer Zentrale und nicht einzelner Betriebe den entscheidenden ökonomischen Einfluß gehabt hätten (und das ist falsch; Anm. HB).“ (Ebd., S. 126-127).

„Auch in der neoklassischen Theorie der property rights mißlingt beispielsweise die Abgrenzung des sozialen Umverteiluingsstaates à la Schweden vom nationalszialistischen Staat, wenn die Differenz darin gesehen wird, daß die Entscheidungsrechte über Ressourcen bei ersteren von privateigentümern und bei letzteren von regierungsagenten exekutiert worden würden (und das ist falsch; Anm. HB). Der Gegensatz zwischen beiden Gesellschaften wird auf den Gegensatz zwischen Privateigentum und Staatseigentum reduziert (und das ist falsch; Anm. HB).“ (Ebd., S. 126-127).

„Wenn deutlich geworden ist, daß die Heraufkunft von Eigentum und Freiheit keiner ökonomischen oder gar historischen Gesetzmäßigkeit geschuldet ist, muß sich umgehend die Frage ergeben, warum ... gerade ... Athen und Rom oder ... England ... Eigentum und Freiheit so radikal entwickelten. Diese Fragen können nur mit Hilfe von Detailuntersuchungen beantwortet werden, die der historischen Zufallskonstellation ihr Recht lassen müssen. Der neoklassischen Idee jedoch, daß »private property rights« aus einem »genetisch verankerten biologischen Instinkt zur besseren Kontrolle von immer mehr Ressourcen« (Armen Albert Alchian, a.a.O.) entstanden seien, können dabei keine Zugeständnisse gemacht werden. Da Genetik überall am Werke ist, bliebe ja unverstehbar, warum sie nur an so wenigen Orten und zu so seltenen Zeitpunkten eine Landaufteilung zu Eigentum herbeizuführen vermochte. Richtig allerdings ist, daß Kinder »bis zum dritten Geburtstag ... ein Gefühl für den Besitz entwickeln.« (Armen Albert Alchian, a.a.O.).“ (Ebd., S. 128-129).

„Die Existenz eines solchen Gefühls muß tatsächlich auch bereits dem Neandertaler zugebilligt werden, ist also für jede Form der materiellen Reproduktion von Anfang an in Rechnung zu stellen und insofern trivial. Der Neoklassik ist dabei gar nicht entgegenzuhalten, daß sie ohnehin nicht von Eigentum redet, sondern bloßen Besitz meint, wenn sie von »property rights« spricht. Denn dort, wo Eigentum ist, gibt es Besitz ja weiterhin. Gleichwohl impliziert eine dubiose genetische Besitzherleitung keine Erklärung dafür, wie sich Eigentümer verhalten. Wenn ein Gläubiger einem zinsverpflichteten Schuldner Anrechte auf sein Eigentum zeitweilig überläßt, kann er sich für diese Operation auf Genetik gerade nicht berufen. So viel hat ja schon Aristoteles gesehen, als er zwar die Gründe des Zinses für Kredit nicht verstand, ihm aber ankreidete, daß er als »Geld vom Geld ... am meisten der Natur zuwiderläuft.» (Aristoteles, Politik, I, 1258a).“ (Ebd., S. 129).

„Der Rückbezug auf die Genetik ist insofern überraschend, als andeutungsweise ja bereits ein Gründungsvater der Neoklassik, Carl Menger, versucht hat, das Eigentum daraus zu erklären, daß es Gewalttätigkeiten verhindere,die aus dem Mißverhältnis von Bedarf nach und Besitz von Gütern entsprängen. (Vgl. Carl Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 1871, S. 55).“ (Ebd., S. 129).

„Wenn die kühnen Gründer von Polis und Civitas auch nicht historischen, ökonomischen oder gar biologischen Gesetzmäßigkeiten folgten, so standen sie dennoch unter dem Einfluß übergreifender Ursachen, die auch dort wirkten, wo Revolutionen zum Eigentum ausblieben oder scheiterten oder wo lediglich Putsche mit Auswechslung der Feudalherren erfolgten. Die Umstände der sogenannten Achsenzeit (vgl. Karl Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949) mögen immerhin durchsichtig machen, warum Revolutionäre nicht schon früher ihren Aufstand begannen, wenn sie auch nicht erklären können, warum andernorts die Chance ungenutzt verstrich. Weltweit regierten die feudalen Herren der ersten Stufe der Hochkultur (Bronzezeit) nicht mit Betrug und Gewalt, sondern hatten als opfernde Priesterkönige Bevölkerungen zu beruhigen, die sich vor den Katastrophen (Kataklysmen [**|**]) fürchteten, welche die Bronzezeit ... durchzogen. Die mykenischen Ruinen, auf denen die polis erbaut wurde, waren vom letzten dieser Kataklysmen zerschmettert worden. Danach schwand die Angst und damit auch die Bereitschaft, heilsbringende Führer zu versorgen.“ (Ebd., S. 130-131).

„Gerade die sorgfältigen Altertumswissenschaftler haben diesen eruptiven Übergang vom Feudalismus der kataklysmischen (**|**) Bronzezeit zur Eigentumsrepublik gespürt, auch wenn die »Dunklen Zeitalter« der modernen Chronologen sie hinderten, ihn explizit ins Auge zu fassen. Für die antiken Historiker hingegen - wie etwa Varro - war dieser dramatische Übergang Gewißheit: »Nach Varros Bericht gibt es nämlich drei Zeitalter der Geschichte, das erste reicht vom Beginn der Menschheit bis zum ersten Kataklysmos, und da man über diese Zeit nichts weiß, heißt sie die ›ungewisse‹ (modern: Steinzeit). Das zweite Zeitalter geht vom ersten Kataklysmos bis zu den ersten Olympischen Spielen (776 v.u.Z) und ›zugleich letzten Kataklysmos‹ und weil aus dieser Zeit viel Sagenhaftes berichtet wird, nennt man sie ›mythische‹ (modern: Bronzezeit). Das dritte Zeitalter dauert von den Olympischen Spielen (776 v.u.Z) bis auf unsere Zeit, von dem man als ›historischem‹ (modern: Eisenzeit) spricht, da die Ereignisse dieser Zeit durch echte historische Überlieferung erfaßt sind.« (Cernsorinus, De die natali liber, 21, 1).“ (Ebd., S. 131).

„Die moderne Archäologie hat Varros Aussagen über die kataklysmische (**|**) Bronzezeit glänzend bestätigt. Für den gesamten vorderasiatischen Raum heißt es für diese Periode des Priesterfeudalismus: »Unsere Untersuchung hat erbracht, daß die aufeinanderfolgenden Verwerfungen, welche die Epochen des 3. und 2. Jahrtausends einleiteten und beendeten, nicht durch Menschenhand herbeigeführt wurden. Im Gegenteil: Verglichen mit dem Ausmaß dieser allumfassenden Krisen und ihren tiefgreifenden Folgen wirken die Großtaten militärischer Eroberer und die Anschläge politischer Führer geradezu unbedeutend.« (C. F. Schaeffer, a.a.O.). Auch für den europäischen Nordostmittelmeerraum bestätigt sich dieser kataklysmische Befund: »Archäologische Forschungen bringen Katastrophen ans Licht, können uns aber nicht sagen, was dazu geführt hatte oder wer beteiligt war.« (M. I. Finley, a.a.O.).“ (Ebd., S. 131).

„Auch das katastrophische Ende des »mythischen« (**) Feudalzeitalters sieht die heutige Archäologie ganz wie Varro. »Von Thessalien im Norden bis Lakonien und Messenien im Süden wurde mindestens ein Dutzend Burgen und Palastanlagen vernichtet. .... Über das Ausmaß der Katastrophe auf dem Festland besteht kein Zweifel. Es wäre allerdings mißverständlich, einfach vom Ende oder der Zerstörung einer Kultur zu sprechen, ohne den Begriff zu erläutern. Unter Zerstörung verstehen wir zunächst einmal die Vernichtung der Palastanlagen und ihrer Befestigungswerke. Mit ihnen ging vermutlich die besondere pyramidenförmige Gesellschaftsordnung dahin, die diese Bauten in erster Linie hervorgebracht hatte. .... Mit den Palästen war es so gründlich vorbei, daß es sie auch später in der Geschichte des antiken Griechenlands nie wieder gegeben hat. .... Die mykenische Gesellschaft hatte ihre führende Schicht verloren.« (M. I. Finley, a.a.O.).“ (Ebd., S. 132).

5) Zusammenfassung

„Die Untersuchung der Entstehung von Eigentum, das in Stammes- und Feudalgesellschaften fehlt, obliegt der Historiographie. Die Analyse der Wirkungen von Eigentum liefert hingegen der Wirtschaftstheorie ihre Aufgabe. da die Eigentumsentstehung ... bisher für unerklärbar gehalten wird, war ihre historiographische und archäologische Rekonstruktion in unserer Grundlegung der Wirtschaftstheorie in aller Kürze zu resümieren.“ (Ebd., S. 135-136).

„Eigentum hat es - anders als diese Schulen glauben - nicht von Beginn der Menschheitsgeschichte an gegegeben. .... Die Verwechslung von Besitz und Eigentum sorgt immer wieder dafür, daß diese für die Entstehung des Wirtschaftens so entscheidenden Epochenbrüche niemals wirklich deutlich ins Blickfeld geraten.“ (Ebd., S. 136).

„Was das eine - Eigentum - mit dem anderen - ökonomische Kontrakte - zusammenhängen könnte, gilt nun nicht nur für die Wirtschaftsgeschichte, sondern auch für die Wirtschaftstheorie als schmerzliches Rätsel.“ (Ebd., S. 137).

„Die wirtschaftsgebärende Bedeutung des Eigentums bleibt deshalb unerkannt, weil die klassisch und neoklassisch geprägte ökonomische Forschung auf Ressourcen und ihre Gütergestalt fixiert ist.“ (Ebd., S. 137).

„Die Schaffung von Eigentum ist jedoch kein Schritt, der an den Gütern etwas verändert.“ (Ebd., S. 137).

„Das Wirtschaften entsteht ... aus der absoluten Dispositionsfreiheit des Eigentümers, die zwar kein Recht auf Mißbrauch einschließt, ihn aber nicht auf Besitz und die damit verbundenen materiellen Nutzungsrechte beschränkt.“ (Ebd., S. 138).

„Diese Freiheit hat ihre wichtigsten ökonomischen Bestandteile in den Rechten auf Belasten, verpfänden und Verkaufen von Eigentum. .... Für diese eigentlich ökonomische Sphäre gilt nicht das Sachenrecht, für das die güternutzende Sphäre des Besitzes zuständig ist, sondern das Schuldrecht. Juristen, denen - anders als den Ökonomen - der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz bekannt ist, haben gleichwohl Schwierigkeiten damit, das Eigentum nicht ausschließlich an Sachen festzumachen, also auch (und vor allem) im Schuldrecht zu verorten. So wird beispielsweise im BGB die Kategorie des Eigentums (als Gegenposition zu der des Besitzes) nur im Sachenrecht behandelt, während sie im Schuldrecht nicht auftaucht. Dort wird lediglich von Kategorien wie »Forderungen« und »Vermögen« gesprochen, allerdings ohne zu erklären, daß es sich dabei um Eigentumstitel handelt.“ (Ebd., S. 138).

„An der Verpfändung von Eigentum als Kreditsicherheit und an seiner Belastung für Geldemission wird unmittelbar deutlich, daß hier nicht Güter bewegt oder genutzt werden, vor allen Dingen nicht - wie die Neoklassik glaubt - in einem Kreditvertrag. Das zeigt sich besonders daran, daß auch Forderungen des Schuldners gegenüber Dritten selbstredend als Kreditsicherheit fungieren können. Dabei bleiben dem Verpfänder aber die Erträge aus seinen Forderungen. Lediglich wenn ein Nutzungspfand (wie heute noch in § 1214 BGB) gesondert vereinbart wird, gehen die Erträge aus dem Pfand an den Gläubiger über, müssen aber mit den Verpflichtungen des Schuldners (Tilgung und Zins) verrechnet werden. Überdies kann sich der Gläubiger eines UnternehmerSchuldners im voraus den Erlös zukünftigen Warenverkaufs auf dem Wege des sogenannten verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten lassen.“ (Ebd., S. 138-139).

„Lediglich bei Inanspruchnahme des Verpfändeten durch Vollstreckung erfährt Eigentum eine Statusveränderung, die wiederum nichts mit irgendeiner physischen Inanspruchnahme zu tun hat. Der immaterielle Charakter der Eigentumsverpfändung verweist darauf, daß es niemals beim Kreditieren um zu nutzende neoklassische Güter, sondern um Geld geht, wobei dieses keine Ressourcen in einem intertemporalen Tausch einkleidet, sondern Anrechte auf Eigentum überträgt.“ (Ebd., S. 139).

„Der für die Erlangung des Geldes zur Auflösung der Kreditkontrakte notwendige Verkauf hat ebenfalls nichts mit einem geldvermittelten atemporalen Gütertausch zu tun. Er erzwingt vielmehr eine Produktion von Waren (nicht Gütern). Diese ergeben sich als etwas Neues und nicht aus der Nutzung zeitweilig überlassener Ressourcen. Weil er Eigentum verpfändet hat, kann er sich mit im Kredit überlassenem Geld Ressourcen aneignen und in mehr Eigentum verwandeln. Es muß also keine Ressourcen einkleidendes Geld vorab gespart werden, damit nachher Produktion in Gang kommen kann. Eigentum muß vorab geschaffen sein, damit es nachher für die Geldschaffung belastet und für den Kredit verpfändet werden kann.“ (Ebd., S. 139).

C) Das Kapitel vom Zins: Die Eigentumsprämie als Schlüsselgröße für das Wirtschaften

1)  Das Übersehen des Zusammenhanges von Zins und Eigentum im „Chaos der Zinstheorien“ (S. 141-156)
2)  Die vergebliche Suche nach dem Zins in eigentumslosen Gesellschaften (S. 156-173)
3)  Die Eigentumstheorie des Zinses (S. 173-193)
4)  Die unmögliche Verknüpfung von Liquiditätsprämie und Zins mit einer Geldhaltung (S. 193-215)
5)  Zusammenfassung (S. 216-220)

1) Das Übersehen des Zusammenhanges von Zins und Eigentum im „Chaos der Zinstheorien“

„Es ist ... - durch Möglichkeit des Eignetumsverlustes - spezifisch prekäre Existenz der Eigentümer, die ein notgedrungenes Interesse an der Vermeidung von Vertragsbrüchen erstmals konstituiert. Damit wird einer gängischen neoklassischen Lehrmeinung diametral widersprochen, die eine Nichtgesellschaft gerade durch »den Mangel an wechselseitigen Vertrauen« (P. de Gijsel, a.a.O.) charakterisiert glaubt. Erst gegen Vertragsbrecher der Eigentumsgesellschaft werden jedoch rechtliche Regelungen und ihre Justizinstanzen immer massiver ausgebaut. Gerade in der regelrecht heiligen Gesittung und strengen Ordnung von Nichteigentums-Gesellschaften also wäre ein vorteilsuchender Gütertausch, wenn es ihn denn gäbe, besonders reibungslos und sicher abzuwickeln.“ (Ebd., S. 147-148).

„Die prekäre Lage von Eigentümern übersehen auch Monetärkeynesianer, die sich bei der Definition einer Ökonomie mit Eigentum von dem Allgemeinen Gleichgewichtstheoretiker Debreu nur dadurch unterscheiden, daß sie seinen Konsumentenhaushalt als entscheidenden Agenten des Wirtschaftsprozesses durch die Figur des Vermögensbesitzers ersetzen. Werden bei Debreu »Ökonomien mit Privateigentum« als »Ökonomien untersucht, in denen die Konsumenten die Ressourcen besitzen und gleichzeitig die Produzenten kontrollieren« (G. Debreu, a.a.O.), so heißt es bei Rüdiger Dragendorf ganz entsprechend: »Es wird eine Ökonomie betrachtet, in der Eigentumsverhältnisse und die funktionelle Zuordnung der Wirtschaftssubjekte eindeutig geregelt sind. Die Vermögensbesitzer halten alle Ressourcen und kontrollieren die Produzenten, die als technische Sachwalter der Eigentümer die Produktion dezentralleiten und dabei neben Produktionsmitteln auch Arbeit einsetzen. .... Eine solche Ökonomie wird als Private-Ownership-Economy bezeichnet.« (Rüdiger Dragendorf, Zinsrate und Profitrate in der [neu-]klassischen und keynesianischen Theorie, in: Ökonomie und Gesellschaft, Band 6, 1988, S. 121-147, hier: S. 123).“ (Ebd., S. 148).

Sowohl die Neoklassik wie auch der Monetärkeynesianismus betreiben hier ein begriffliches Verwirrspiel. Vage spürend, daß in ihrer - jeweils aus ganz eigenen Axiomen deduzierten - Wirtschaft am Ende doch Eigentum die maßgebende Rolle spielen könnte, hantieren sie mit diesem Begriff keineswegs beiläufig, wenden ihn aber - was nicht erkannt wird - durchgehend auf Besitz an. Sie interessieren sich für saubere Rollenverteilungen eines alles in allem bloß technisch-praktisch definierten Wirtschaftssystems. Tatsächlich spielen Eigentümer nicht unterschiedliche Rollen in einem System, sondern konstituieren durch den Einsatz ihrer Eigentumsprämie für Belastung und Verpfändung überhaupt erst das Wirtschaften, das in beiden Schulen schlicht vorausgesetzt und deshalb gar nicht erst untersucht wird.„“ (Ebd., S. 148-149).

„Wir haben bereits im Eigentumskapitel gesehen, daß güterbasiert es Leihen und Verleihen zwischen Besitzern aus Stammes- und Feudalgesellschaften selbstredend gang und gäbe sind. Diese Variante von Leihen, das gerade kein Kredit ist und bei der tatsächlich physisch nutzbare Ressourcen transferiert werden, ist allgemein menschlich und gibt wirtschaftstheoretisch keine Probleme auf, gehört also in die völkerkunde und die Soziologie. Zins jedoch für die Materialisierung der Eigentumsprämie des Gläubigers und auch Verpfändung als Materialisierung der Eigentumsprämie des Schuldners sind als Operationen mit bloßen Besitzgütern nicht zu haben. Diese Potenzen nicht sehen und deshalb nach ihrem Grund im Eigentum auch nichtfragen zu können, einigt alle bisherige Wirtschaftstheorie.“ (Ebd., S. 149).

„Die Neoklassik weist bei ihrer Verwechslung von Besitz und Eigentum allerdings den Vorteil auf, daß sie mit dem, was sie als Ökonomie mit Privateigentum (Debreu) versteht, ausdrücklich »keine Geldtheorie« bietet. »Es wird (lediglich) angenommen, daß die Volkswirtschaft ohne eine als Austauschmittel dienende Ware funktioniert.« In dieser Wirtschaft ist auch der Zins einmal mehr neoklassisch lediglich «die Differenz zwischen dem Wert (eines Gutes in der Periode) t + 1, den man erhält und dem Wert (eines Gutes in der Periode) t, den man gibt« (G. Debreu, a.a.O., S. 96f.). In dieser Aussage wird bezeichnenderweise nicht thematisiert, daß die Differenz zwischen erhaltenem und gegebenem Wert eines Gutes nur möglich ist, wenn der Schuldner dem Gläubiger Eigentum verpfändet, damit dieser wiederum Anrechte gegen sein Eigentum als Geld verleiht. “ (Ebd., S. 149).

„Der Monetärkeynesianismus dagegen betrachtet den Verrnögensbesitzer als »stolzen Besitzer einer Geldsumme«, der über »die drei Alternativen: Realkapitalhaltung ..., Geldleihe und Geldhaltung« eine Portfoliowahl vornimmt, in der der Zins lediglich aus dem Verzicht auf Geldhaltung entsteht. (Vgl. Rüdiger Dragendorf, , Zinsrate und Profitrate in der [neu-]klassischen und keynesianischen Theorie, in: Ökonomie und Gesellschaft, Band 6, 1988, S. 121-147, hier: S. 136). Der Neoklassik wird nun nicht etwa vorgehalten, daß an ihren Akteuren keineswegs die seit Ewigkeiten existierenden Ressourcen von Interesse sind, sondern daß sie die Hierarchie unter den Eigentümern nicht sieht, die dazu führt, daß mit Gütern und Ressourcen in einer ganz besonderen Weise umgegangen werden muß. Dieser Umgang bestehe darin, daß Ressourcen nur über Geld erworben werden können - Geld, das nur über zinsbelastete, in einem Geldstandard ausgedrückte Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zu haben ist. Der Monetärkeynesianismus bewahrt sich - ungeachtet seiner gelegentlichen Rede vom vorausgesetzten Eigentum - gegenüber dieser prekären Struktur eine liebenswerte Unschuld. Er beharrt lediglich darauf, daß Geld -dessen Herkunft dunkel bleibt -das Medium darstelle, mit dem allein die neoklassischen Ressourcen eingetauscht werden könnten.“ (Ebd., S. 149-150).

„Kehren wir zu den wenigen mit Neugier ausgestatteten Forschern zurück. Was haben sie am Eigentum, das ihnen zum Beispiel an der Polis vors Auge tritt, gesehen? Vor allem ist ihnen aufgefallen, daß sich mit ihm umgehend »Kauf und Kredit« (Humphreys) einstellen. Dasselbe gilt übrigens für die uns hier nicht weiter beschäftigende mesopotarnische Hochkultur: »Praktisch alle Kreditverträge ... wurden von Privatpersonen abgeschlossen.« (M. Silver, a.a.O.). Uns interessiert hier ... nicht die herrschende Überzeugung, daß im Vorderen Orient die Privateigentumsökonomie zwei Jahrtausende früher als in der europäischen Antike aufgetreten sei (!).“ (Ebd., S. 150).

„Neoklassiker, die sich direkt auf Zinstheorie spezialisieren, äußern ein Unbehagen, das der Verstimmung immer mehr historisch orientierten Kollegen nicht unähnlich ist. Mit einer Vielfalt von Ansätzen konfrontiert, können sie sich leicht »im Chaos der Zinstheorien verlieren.« (Friedrich A. Lutz, Zinstheorie, 1956, S. 9). »Es ist eine Eigenart der Zinstheorie, daß in ihr die Frage, warum es überhaupt einen Zins gibt, einen breiten Raum einnimmt.« (). In der Lohntheorie wird die entsprechende Frage in der regel nicht gestellt, weil die Antwort selbstverständlich erscheint.« (Freidrich A. Lutz, Entwicklung der Zinstheorie, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Band 2, 1980, S. 541a). Diese Feststellung aus dem Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, dem einschlägigen deutschsprachigen Standardwerk, verdient noch zusätzliche Aufmerksamkeit, weil dem Zins und der Zinstheorie nicht einmal eigene Stichwötrter eingeräumt werden, sondern die Materie sich unter der Rubrik »Faktorpreisbildung« versteckt. Dieselbe Auslassung gilt für das einschlägige internationale Standardwerk, The New Palgrave Dictionary of Economics (1987), wo der Zins nur in seiner Beziehung zum Profit erörtert wird (»Jnterest and profit«). Sogar im jüngst erschienenen The New Palgrave Dictionary of Money and Finance (1992) wird diese Lücke weiter gepflegt. Eine ganze Reihe von Stichwörtern widmet sich dem Umgang mit und den Erscheinungsformen von Zins. Er selbst jedoch wird einer Behandlung nicht gewürdigt. Dabei ist auch in der Neoklassik keineswegs unbekannt, daß hier eher ein Problem versteckt als ein Phänomen übergangen wird, weil alle es längst verstanden hätten: »Die Zinstheorie erweist sich seit langem als schwacher Punkt der Wirtschaftstheorie. Die Erklärung und Bestimmung des Zinssatzes hat zwischen Ökonomen mehr Uneinigkeit erzeugt als irgendein anderer Zweig der allgemeinen ökonomischen Theorie.« (Gottfried von Haberler, a.a.O., S. 195).“ (Ebd., S. 151-152).

„Wie hängt nun der Zins mit dem Eigentum zusammen? Es ist nicht das Verleihen an sich, das ihn zu erklären vermag. Diese Praxis existierte selbstverständlich auch in Gesellschaften ohne Eigentum. Theoretisch interessierte Zinsforscher haben gerade deshalb die Hoffnung aufgeben müssen, ihn an jedweden Akt binden zu können, in welchem einer einem anderen Güter borgt. Am meisten hatte man sich dabei von Nomadenstämmen versprochen, weil die Fortpflanzungsfähigkeit verliehener Tiere es noch am ehesten wahrscheinlich machte, daß ein zinsähnliches Entgelt verlangt wird. Unter Anwendung der ökonomischen Terminologie der klassischen Schule auf Stammesgesellschaften konstatiert einer der einfallsreichsten Zins- und Geldhistoriker, Bernhard Laum (1884-1973), im Hinblick auf die häufig behandelte »Viehleihe« auf Zeit: »Bemerkenswert ist, daß hier wie dort weniger Gewicht auf Zins und Zinshöhe gelegt wird. Das Interesse konzentriert sich auf das geliehene (Vieh-)Kapital.« (Bernhard Laum, Viehleihe und Viehkapital in den asiatisch-afikaischen Hirtenkulturen, 1965, S. 60).“ (Ebd., S. 152-153).

„Ebenso entnervt wie Laum - und wie dieser ohne jeden Gedanken an den Unterschied von Besitz und Eigentum - hatte früher schon der erste Name unter den Wirtschaftshistorikern seiner Zeit, Fritz Moritz Heichelheim (1901-1968), den klassischen und neoklassischen Ökonomen den Auftrag zurückgegeben, ihre Zinsideen empirisch zu bestätigen. Zwar konnte ihm ganz in der Manier der Neoklassik fast jedes Gut, das von einem Stamm zum anderen wechselte, zu »Geld« werden. Dennoch mußte er einräumen: »Alle die bisher genannten Geldformen (wie ›bevorzugte Tauschobjekte‹, ›Schmuckgeld‹, ›Kleidergeld‹, ›Gerätgeld‹, ›Nahrungsmittelgeld‹) unterschieden sich freilich in der Regel ökonomisch dadurch von dem heute üblichen Geld, daß man sie nicht auf Zinsen leihen konnte.« (Fritz Moritz Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slaven und Araber, 1938, Band 1, S. 62). Das berühmte Viehgeld war nicht einmal an seinem idealen Entstehungsort nachzuweisen.“ (Ebd., S. 153).

„Ungeachtet des unstrittigen Interesses eines Stammesgenossen am Wiedergewinn verliehener Tiere und Gebrauchsgegenstände, kann man sagen, daß nicht einmal in der Viehleihe ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt zustande kommt, der den Schuldner wenigstens zur Rückzahlung ohne Zins zwingt. Obwohl hier verliehen wird und auch relativ viel Zeit verstreicht, bevor das Vieh zurückerwartet wird, kommt es keineswegs zu jener besonderen Art von vertragsrechtlichen Kontrakten, die in der Neoklassik für intertemporalen Gütertausch als so unverzichtbar angesehen wird. Die Viehtransaktionen funktionieren auf der bloßen Basis von Besitzverhältnissen. Die Idee aus der ökonomischen Theorie der Kontrakte, daß »Verträge und Vertragsrecht wichtig werden, wo die Zeit lang ist,« (A. T. Kronman / R. A. Posner, a.a.O.) kümmert unsere nomadischen Viehverleiher nicht.“ (Ebd., S. 153).

„Die stammesgesellschaftlichen Verleiher von Vieh-»Kapital« auf Zeit bringen aber auch eine Zinstheorie in Verlegenheit, die unter allen Versuchen seiner nicht güterwirtschaftlichen, sondern monetären Erklärung seit Keynes herausragt, die von Hajo Riese. Unter Rückgriff auf die Liquiditätsprämie von Keynes geht er in einer älteren Fassung seiner Zinstheorie davon aus, daß ein »Vermögensbesitzer, der sein Vermögen mit dem Halten von Geld sichert und mit der Aufgabe von Geld zu vermehren trachtet«, für seine Bereitschaft, »Geld für einen bestimmten Zeitraum aufzugeben, ... eine Prämie, den Zins« verlangt. Weil er wegen »Unvorhersehbarkeit der Zukunft« eine »Unsicherheit des Vermögensrückflusses« in Rechnung zu stellen habe, halte er sein »Angebot an Aufgabe von Liquidität« knapp. Diese Knapphaltung seines Geldvermögens ermögliche es ihm erst, einen Zins als Knappheitspreis des Geldes zu erzielen, (Vgl. Hajo Riese, Theorie der Inflation, 1986, S. 54f.).“ (Ebd., S. 153-154).

„Unsere Nomaden erfüllen nun all diese Bedingungen. Der Viehrückfluß ist in der Tat unsicher. Die Zukunft kennen sie nicht. Und selbst wenn sie die Zukunft kennen und dabei sicher wissen würden, daß die Schuldner ihre Schuld schuldig bleiben, müssen sie - anders als im neoklassischen Modell der Zukunftsmärkte, in dem dann ein Kontrakt nicht zustande käme - dennoch verleihen und das auch noch ohne Zins. Überdies können sie die Stellung eines Pfandes, also Sicherheiten nicht verlangen. Ja, sie geben sogar ein weiteres Mal Vieh heraus, wenn der schon beim erstenmal nicht tilgende Stammesgenosse von neuem darum nachsucht: »Die Bereitwilligkeit, arm gewordenen Hirten Tiere herzugeben, war bisweilen so groß, daß der reiche Entleiher durch Verschenken und Ausleihen seine große Herde bis auf eine geringe Zahl verminderte und gelegentlich sogar völlig verlor.« (Bernhard Laum, Viehleihe und Viehkapital in den asiatisch-afikaischen Hirtenkulturen, 1965, S. 47).“ (Ebd., S. 154).

„Die Unsicherheit eines Vermögensrückflusses per se kann also keine Zinstheorie begründen. Dennoch bedarf die Bedeutung dieses Risikos einer näheren Erörterung. Ihm wird durch die Verpfändung von Eigentum als Sicherheit für den Gläubiger Rechnung getragen. Fehlen allerdings solche Sicherheiten oder sind sie nur unzureichend vorhanden, dann wird - wie auch schon in der Antike üblich - »die Geldleihe ohne besondere Pfänder zu einem dem Risiko entsprechenden Zinsfuß« vorgenommen. (Vgl. Fritz Moritz Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slaven und Araber, 1938, Band 1, S. 144). Das bedeutet, daß diesem Risiko durch einen gesonderten Aufschlag, der als Risikoprämie zusätzlich zu dem ihm vorausgesetzten Zins erhoben wird, Rechnung zu tragen ist.“ (Ebd., S. 154-155).

„Wird erwartet, daß die verfügbaren Sicherheiten des Schuldners Wertschwankungen unterliegen, dann führt das wiederum nicht zu einem Zins, sondern zu einer anderen Risikoabsicherung in Form der Beleihungsgrenze. Die Sicherheiten werden nur zu einem bestimmten Prozentsatz beliehen, aber dennoch in voller Höhe blockiert.“ (Ebd., S. 155).

„Probleme, die nicht zum Zins, sondern zu einer Risikoprämie führen, entstehen selbstredend auch bei handelbaren Forderungen, also von Schuldnern ausgegebenen Titeln. Die Zinshöhe solcher Titel korreliert eindeutig mit der Bonität - der Eigentumsposition - des Schuldners, liegt also bei schlechter eingeschätzter Bonität höher als bei gut eingeschätzter. Überdies werden Schuldtitel gleicher Bonität in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit zu einem höheren Zins gehandelt. Weder die Bonitätsgrade noch die allgemeine wirtschaftliche Lage haben mit dem Zins als solchem zu tun. Bis zu neunzehn Faktoren, die seine Höhe beeinflussen, werden in der zinsprognostischen Fachliteratur aufgelistet. Der Zins selbst benötigt jedoch eine eigene Theorie.“ (Ebd., S. 155).

„Rieses ältere - und von vielen seiner Schüler ungebrochen vertretene - Zinstheorie vermag also lediglich aus Risiken erwachsende Aufschläge zum Zins zu erklären, bleibt aber vor dessen Existenz gänzlich ratlos. Den Unterschied zwischen Rieses Risikoprämie als der Zins selbst und Keynes' Liquiditätsprämie auf Geld als angeblicher Bedingung für Zins, hat letzterer selbst unmißverständlich klargestellt: »Ein entscheidender Unterschied besteht darin, daß man von einer Risikoprämie erwartet, daß sie ... mit einem höheren Ertrag am Ende der ›Leih-‹Frist belohnt wird. Von einer Liquiditätsprämie hingegen wird überhaupt nicht erwartet, daß sie auf diese Weise belohnt wird. Sie ist nicht eine Zahlung für die Erwartung eines höheren greifbaren Einkommens am Ende der Frist, sondern für einen höheren Grad an Wohlbefinden und Vertrauen während der Frist.« (John M. Keynes, a.a.O.). Keynes weiß also, daß die Prämie für »das Risiko des Gläubiger ... addiert wird ... zum reinen Zinssatz« und mit ihm selbst nichts zu tun hat. (Vgl. John M. Keynes, a.a.O.). Zur Unterscheidung zwischen Risikoprämie und Zins hat auch die Neoklassik gefunden: »Immer und überall ist der Zinssatz für Darlehen mit großem Verlustrisiko höher als der für ein sicheres Darlehen, das durch wertvolles und handelbares Vermögen abgesichert ist. Allerdings ist es offensichtlich, daß dies als Aufschlag einer Risikoprämie auf den herrschenden Zinssatz verstanden werden kann.« (C. J. Bliss, a.a.O.).“ (Ebd., S. 155-156).

„Wir müssen also festhalten, daß der Zins nicht aus einer wie auch immer gearteten Unsicherheit eines Vermögensrückflusses oder sonstigen Risiken erklärt werden kann, sondern anderen Ursprungs sein muß.“ (Ebd., S. 156).

2) Die vergebliche Suche nach dem Zins in eigentumslosen Gesellschaften

2a)   Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Stammesgesellschaft: Die Bedeutung von Gegengeschenken und Exogamie (S. 157-168)
2b)   Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Befehlsgesellschaft: Die Bedeutung von Abgabepflichten und Zuteilungen (S. 168-173)
2a) Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Stammesgesellschaft: Die Bedeutung von Gegengeschenken und Exogamie

„In der völkerkundlichen Wirklichkeit sieht der Potlatsch - chinooksprachlich für Geschenk - ganz anders aus. Die Beteiligten versuchen, sich dadurch »zu vernichten« (Franz Boas, a.a.O.), daß sie ein heute empfangenes Geschenk in der Zukunft mit einem größeren übertreffen. Die auf einem Fest von ihren Gastgebern Beschenkten laufen diesen also dadurch den Rang ab, daß sie bei der Gegeneinladung zu ihrem Fest noch größere Geschenke machen. Schon während des jeweiligen Festes werden die Gaben des Gastgebers verpraßt, ja es werden sogar Decken und Häuser verbrannt, um zu zeigen, was man sich leisten kann. Je mehr der Gastgeber an die Gäste verschleudern kann, desto höher wird sein Ansehen. Deshalb konnten zu solchen Festen gewaltige Gütermengen, die teilweise über Jahre angesammelt wurden, in kürzester Zeit vernichtet werden.“ (Ebd., S. 159).

„Die Neoklassik hat mit der Erforschung von Risiko und Unsicherheit bei ökonomischen Entscheidungen, wie wir sie bei der Nutzenmaximierung von Haushalten und der Profitmaximierung von Unternehmen bereits kennengelernt haben, erst in jüngerer Zeit begonnen. Die von ihr inspirierten Völkerkundler die sogenannten »evolutionistischen Ökologen« - haben ganz entsprechend auch erst seit einigen Jahren danach Ausschau gehalten, wie mit dem Risiko der ökonomischen Bedingungen und dem Mangel an Information, also der Unsicherheit über diese Risiken, in Stammesgesellschaften umgegangen wird. Sie konzentrieren sich dabei auf Überlebensrisiken, die meist ökologischer Natur sind, wie etwa Erntekrisen. Zu ihrer Überraschung stellen sie fest, daß diese Risiken - anders als nach den entsprechenden neoklassischen Modellen erwartet - weniger mit ökonomischen als »mit gesellschaftlichen Strategien« beantwortet werden. Eine wissenschaftlich zureichende Wirtschaftstheorie muß verstehen, daß es für jede Gesellschaftsformation unterschiedliche Antworten auf die übergreifende Frage nach dem Management des Überlebensrisikos gibt. Erst dann gelingt die Formulierung spezifischer Theorien, die ganz unterschiedliche Aussagen für entsprechend verschiedene Gesellschaftssysteme der Menschheitsgeschichte treffen. Nur die Eigentumsstruktur - so wird dann sichtbar - führt erst zur Ökonomisierung und liefert deshalb den Gegenstand für die Theorie des Wirtschaftens im Unterschied zu Theorien der Herrschaft.“ (Ebd., S. 164).

„Das materielle Überleben des Menschen aus der Stammesgesellschaft, dem - wie gezeigt - Eigentum und Zins fremd sind, wird zur Aufgabe der Blutsverwandten. Schon an den Viehnomaden war zu zeigen, daß die Unterstützungspflicht zwischen Stammesgenossen derjenige Mechanismus ist, auf den die einzelnen für die Notlagenabwehr rechnen. Diese Hilfeleistungspflicht endet erst dann, wenn der Helfende selbst ohne alle Mittel dasteht (**). Er stellt diese Mittel deshalb bereitwillig auf Zeit zur Verfügung, verleiht also Güter, weil er bei eigener Notlage wiederum auf die Verwandten zurückgreifen kann. Das verliehene Gut ist durchaus kein Geschenk, sondern wird zurückverlangt. Höher als der Rückerstattungsanspruch rangiert aber auch weiterhin die blutsverwandtschaftliche Hilfspflicht. Erweist sich der Leiher zur Rückerstattung der Güter unfähig, dann zwingt diese höherrangige Norm den Verleiher zum Verzicht selbst für den Fall, daß er dadurch seine Existenz gefährdet sieht. Es gibt keinen individuell durchzusetzenden Kontrakt, also keine Gläubiger-Schuldner-Beziehung, in dem Eigentum belastet und verpfändet wird. Es gibt im Stamm auch keinen sozialen Ort, an dem ein Verleiher seinen unglücklichen Verwandten zur individuellen Leistungserbringung zwingen darf. Im Gegenteil, er muß ihm sogar von neuem aushelfen, wenn er, ein weiteres Mal in Not geraten, wieder als Güterleiher an ihn herantreten muß. Im Stamm ist also gewissermaßen feste Regel, was in der gegenwärtigen Debatte über die Schulden der Dritten Welt von den Gläubigern der Ersten Welt gefordert wird - bei Zahlungsunfähigkeit neue Kredite zu gewähren, die Schulden zu streichen oder mit zusätzlichen, nicht rückzahlbaren Transfers die sogenannte Entwicklungshilfe aufzustocken.“ (Ebd., S. 165).

„Die gegenseitigen Hilfspflichten der Stammesgenossen enden erst, wenn alle ohne Güter dastehen, was im Extremfall bedeuten kann, daß der Stamm untergeht. Aus diesem Grunde versuchen alle Stammesgesellschaften, die Zahl ihrer Blutsverwandten zu erhöhen. Nicht durch vorteilsuchenden individuellen Gütertausch wird die eigene und allgemeine Wohlfahrt erhöht, sondern durch Erweiterung des Netzes von Verwandten, die im Unterschied zu Fremden den unschätzbaren Vorteil aufweisen, helfen zu müssen. Lediglich also die über Verwandte sich ergebende zusätzliche Gütermenge wird zur Ressource, mit der Stammesgenossen ihr materielles Überleben verbessern können.“ (Ebd., S. 165).

„Nicht nur ohne nutzenmaximierenden Gütertausch, sondern auch ohne Güterproduktion verbessern Stammesgenossen ihre materielle Sicherheit. Sie erreichen das durch Außenverheiratung des Nachwuchses. Diese sogenannte Exogamie wird meistens als Weitergabe von Töchtern praktiziert (**). Eine nicht innerhalb des eigenen Klans, sondern nach außen verheiratete Schwester oder Tochter bringt Schwager oder Schwiegersöhne ein, die nun wie Blutsverwandte vom zinslosen Verleihen bis zum gemeinsamen Untergang bei materiellen (und kriegerischen) Notlagen einstehen müssen. Die völkerkundliche Forschung unterstreicht - allerdings in neoklassischem Jargon - diesen elementaren Mechanismus der Wohlstandssicherung: »Da Verwandtschaft als wichtigste Reichtums- und Machtquelle vorindustrieller Gesellschaften dient, ist die biologische Fähigkeit der Frauen, neue Stammesgenossen zu erzeugen, eine wichtige Kapitalanlage für jede Einzelperson oder Gruppe, die sie kontrolliert« (K. E. Paige, a.a.O.). Dieser Schutz gegen Unsicherheit der materiellen Reproduktion existiert ganz unabhängig davon, ob die jeweiligen Stämme ihre Produktion effizienter gestalten oder nicht. Verwandtschaft als solche bleibt - oft über Jahrtausende - auch dann als Sicherheitsquelle in Kraft, wenn der Output stagniert oder sogar fällt.“ (Ebd., S. 166).

„Der Zins fehlt in Stammesgesellschaften. In ihnen wird das Verleihrisiko ihrer Mitglieder -der zeitweilige Nichtzugriff auf die verliehenen Güter -von allen anderen Mitgliedern aufgefangen. Nicht aus einer Zinsleihe, die den Leiher zu einer Produktion über das Kreditvolumen hinaus zwingt, wird deshalb die Sicherheit der materiellen Reproduktion gesteigert, sondern nur aus dem Zugewinn von hilfspflichtigen Verwandten. Das, was die einzelnen für die Steigerung ihrer materiellen Reproduktionsfähigkeit bzw. zur Steigerung ihres Besitzes an Vorräten tun, geht im Bedarfsfall wiederum in die Solidarpflicht für die Verwandten ein. Deshalb wird bei der Außenverheiratung natürlich darauf geachtet, eher güterreiche als güterarme Verwandte zu gewinnen.“ (Ebd., S. 166).

„Bei dieser Transaktion kommen Verträge über Hilfspflichten für die gesamte Dauer der abgetretenen Gebärfähigkeit zustande. Sie können neu ausgehandelt werden, wenn die eingetauschte Fruchtbarkeit nicht hält, was man sich von ihr erwartet. Obwohl das Risiko der exogamischen Aufgabe von Töchtern auf den ersten Blick einem Kreditgeberrisiko ähneln könnte, entsteht kein Zins. Wollte man eine Kategorie des Ertrages einführen, müßte man sogar feststellen, daß er in Form von Kindern gerade bei den Aufnehmern der Töchter anfällt. Die Leistungsfähigkeit dieser Mädchen steht den neuen Familien mithin immer, der Herkunftsfamilie aber nur im Risikofall zur Verfügung.“ (Ebd., S. 166-167).

„Diese Sicht des Wertes der Mädchen wird übrigens durch die Praxis von Stammesgesellschaften unterstrichen, die mit einer Eigentumswirtschaft in Kontakt kommen und den ihnen erst einmal unverständlichen Begriff Zins mit »fruchtbare Frau« übersetzen. Sie ähneln dabei Aristoteles. Der hatte zu einer Zeit, als die stammesgeschichtliche Erinnerung noch rege und die Eigentumswirtschaft noch nicht überall durchgesetzt - geschweige denn verstanden - war, für Zins den Begriff tokos kanonisiert. Er ist aus dem Verb tiktein ( = gebären) gebildet und kann als »Nachwuchs« bzw. »Kind« übersetzt worden: »Der ›Zins‹ jedoch vermehrt dieses (das Geld) selbst. Daher hat der ›Zins‹ auch seinen Namen bekommen. Ähnlich ist nämlich das Geborene selber dem Gebärenden, und so bedeutet der Zins Geld vom Geld.« (Aristoteles, Politik, I, 1258b).“ (Ebd., S. 167).

„Die Antwort auf die Frage nach dem materiellen Überlebenssicherungsmechanismus der Stammesgesellschaft lautet Exogamie bzw. Außenverheiratung der Töchter. Sucht man mithin nach dem stammesgesellschaftlichen Analogon zum Zins - ein Äquivalent für ihn gibt es dort mangels Eigentum eben nicht -, dann findet es sich in der exogamisch zu stärkenden Solidarpflicht aller Blutsverwandten. Am Homo oeconomicus bleibt mithin auch für die Stammesgesellschaft richtig, daß er seine nutzbaren Ressourcen zu sichern trachtet. Der aus einer evolutionistischen Geschichtsvorstellung geborene Irrtum der Neoklassik besteht darin, daß sie ihre Sicht einer güterorientierten ökonomischen Strategie auf Gesellschaftsstrukturen projiziert, die keineswegs den Gütertausch einer vorgegebenen Erstausstattung an Ressourcen optimieren, sondern soziale Beziehungen zu sichern haben. In der Stammesgesellschaft findet also keine optimale intertemporale Allokation der Güter aus der Erstausstattung statt. Stammesgenossen verfügen zwar über Ressourcen, die im Sinne der neoklassischen Erstausstattung aufgefaßt werden könnten. Dem Stamm geht es mit der Exogamie aber lediglich um die bloße Erweiterung des Zugriffs auf Ressourcen. Die ihm von der Neoklassik abverlangte Akkumulation betreibt er nicht, sondern begnügt sich mit einer Subsistenzproduktion.“ (Ebd., S. 167-168).

2b) Die Unauffindbarkeit des Zinses in der Befehlsgesellschaft: Die Bedeutung von Abgabepflichten und Zuteilungen

„Reine Feudalgesellschaften unterscheiden sich von reinen Stammesgesellschaften, aber auch von der Eigentumswirtschaft dadurch, daß zwei Kasten existieren, für die zwei unterschiedliche materielle Überlebenssicherungsmechanismen angetroffen werden. Wie der klassische Sozialhistoriker des mittelalterlichen europäischen Feudalismus, Marc Bloch (1886-1944), herausgearbeitet hat, steckt im Terminus feudal nicht nur das lateinische Wort foedus, das Bund oder Anordnung heißen kann, sondern auch das angelsächsische fief, das mit dem deutschen Wort Vieh verwandt ist. Das mittellateinische feos zieht diese Bedeutungen zusammen und bezeichnet ursprünglich einen beweglichen Besitz. In der Verschiebung zu feus kehrt sich diese Bedeutung zu unbeweglichem Landbesitz um, der auch im mittelalterlichen Begriff foedum erhalten bleibt. In den Landessprachen gab es dann im Französischen die Ausdrücke bénefice sowie fief oder auch fee im Englischen. Da im Deutschen das Wort Vieh für Rinder weiter im Gebrauch blieb, wurde auf den Begriff Lehen übergegangen, der im Verb verleihen, das aus der Güterleihe stammt, seine Wurzel hat und eine zeitweise Überlassung von Gütern bedeutet.“ (Ebd., S. 168).

„Ein Foedum oder Lehen ist ein Stück Land, das entweder direkt vom König, der im Idealfall alles Land von einer - selbst nicht agierenden, sondern nur legitimierenden - Gottheit hat, oder von seinem adligen Lehnsmann an einen Leibeigenen verliehen wird, der in der Kette der Vasallen am Schluß steht. Die Kastentrennung zwischen dem Landgewährer und dem Belehnten drückt sich im europäischen Mittelalter darin aus, daß letzterer die Anweisung des Landstückes auf Knien empfängt. Nachdem er einen Treueid geschworen hat, zieht sein Herr, dessen Mann er nun ist, ihn zu sich hoch. Auch dieser Herr jedoch ist nicht als ein dem Eigentümer ähnliches freies Subjekt mißzuverstehen. Er handelt in Vertretung des letztendlich immer einer Gottheit unterworfenen Besitzerkollektivs: »Für das altdeutsche Recht wird mit Fug von der herrschenden Ansicht daran festgehalten, daß es kein Privateigentum am Grund und Boden gegeben hat. Alles Land war Volkland und wurde dem Einzelnen nur von der Gesamtheit zur Nutzung überlassen: z.T. diente es als gemeine Mark oder Allmende, dem allgemeinen Nutzen.» (R. Stammler, Eigentum und Besitz, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 1923, Band 3, S. 339a).“ (Ebd., S. 168-169).

„Zwischen Landgewährer und belehntem Landbesitzer besteht keine freie Vertrags-, sondern eine Befehlsbeziehung. Diese nötigt den Leibeigenen zur Gratisarbeit auf dem Gut des Herren und zur Abgabe eines Teils seiner eigenen Produktion. Diese nichtökonomische Beziehung existiert unabhängig davon, ob die Produktion steigt, stagniert oder fällt: »Hohe Herren und Untertanen gleichermaßen lebten von der Hand in den Mund und mußten damit zufrieden sein, was gerade vorhanden war.« (Marc Bloch, a.a.O.)“ (Ebd., S. 169).

„Die im Vorratshaus des Herrn einzulagernden Produkte stellen auch keinen Kredit des Leibeigenen an sein Oberhaupt dar. Ihm stehen weder Verzinsung noch Tilgung zu. Lediglich in Notzeiten darf er auf Rationen aus dem von ihm selbst erarbeiteten Vorrat rechnen. Im Krieg steht ihm Schutz zu, den er oft allerdings nicht benötigt, da der Feind leibeigene Bauern ja hinzugewinnen und nur ihre Herren beseitigen will. Das Unbewaffnetsein der Bauern drückt deshalb die eigentliche Furcht der Herren aus. Sie wollten ihre Macht nicht beeinträchtigt sehen und rechnen beim Leibeigenen auf einen mutigen Mitkämpfer gegen einen anderen Herren nur im Ausnahmefall.“ (Ebd., S. 169).

„Obwohl rein sprachlich Lehen mit Verleihen und mit dem englischen Wort für Gelddarlehen, loan, verwandt ist, hat es mit einem Kredit des Herren an den Leibeigenen nichts zu tun. Deshalb erhält der Herr ebensowenig einen Zins wie der Belehnte. Es gibt keine Leistung, mit deren Erfüllung der Leibeigene den ihm verliehenen Besitz zu Eigentum machen kann. Zudem unterscheidet sich der Lehnsherr von einem Gläubiger, der im Kreditzeitraum sein Eigentum belastet, aber weiterhin seine Besitzseite nutzen kann, dadurch, daß er gerade die Nutzung abgetreten hat.“ (Ebd., S. 170).

„Zugleich behält der Herr den Belehnten auch dann, wenn dieser aufgrund äußerer Umstände weniger leisten kann. Während ein Gläubiger einen nicht zahlungsfähigen Schuldner nicht aus der Zahlungspflicht entläßt, muß der Lehnsherr den leistungsschwachen Leibeigenen sogar aus seinem Vorratshaus unterstützen.“ (Ebd., S. 170).

„Der Leibeigene hat auch nichts mit einem Pächter gemein, der in einer Eigentumswinschaft auf einem ihm nicht eigenen Grund und Boden winschaftet und dadurch die Möglichkeit erhält, ebenfalls Eigentum zu erwerben. Das hat, als eine Ausnahme unter den Ökonomen, Axel Leijonhufvud immerhin gesehen. Dieser Verreter der Schule des sogenannten Neukeynesianismus, die auch Keynesianische Makroökonomik heißt, vermerkt, daß die »moderne Auffassung von ›Eigentum»‹« (Axel Leijonhufvud, a.a.O., 1975) nicht auf die feudalen Reproduktionsbeziehungen projizien werden darf. “ (Ebd., S. 170).

„Wie im Stamm hängen die Menschen auch im Feudalismus von einer bloßen Subsistenzproduktion ab und sind deshalb vergleichbaren Risiken ausgesetzt (**). Gleichwohl haben die Vorratsreserven einen anderen Status als im Stamm. Es sind die Leibeigenen, die alle Vorräte produzieren, aber die Herren, die bei Notzeiten daraus zuteilen. Die Leibeigenen können ihre Überlebenssicherheit nicht durch den Zugewinn an solidarpflichtigen Blutsverwandten, sondern nur durch gehorsame Füllung der Vorratshäuser des Herren steigern. Wie wenig aus dieser Produktionsweise alles in allem herauskam, hat schon ein so scharfsinniger Denker wie John Locke (1632-1704) beim Vergleich der Inka- und Aztekenreiche mit der englischen Eigentumswirtschaft gesehen: »Reich an Land, sind sie (einige Völker Amerikas), doch arm an allen Annehmlichkeiten des Lebens. Die Natur hat sie ebenso freigiebig wie irgendein anderes Volk ausgestattet. .... Der König eines großen und fruchtbaren Landes dort wohnt, nährt und kleidet sich schlechter als ein Tagelöhner in England« (John Locke, Über die Regierung, 1690, Kapitel V, § 41, s. 37).“ (Ebd., S. 170-171).

„Im Adel lebt die Exogamie als Mittel zur Klanerweiterung zwar fort (**|**), sein entscheidender Mechanismus für die Steigerung seiner Überlebenssicherheit besteht jedoch in der Beseitigung anderer Adliger, was unter Verwandten naturgemäß schwerer fällt, weshalb in der Stammesgesellschaft der Krieg als Mittel zur Reichtumsvermehrung nur gelegentlich auftritt. Es ist mithin der gewaltsame Zugewinn an dienst- und abgabepflichtigen Leibeigenen von anderen Herren, wodurch sich ohne zusätzliche Produktion die eigene materielle Position optimieren läßt. Kolonisation neuen Landes mit den »überschüssigen« Kindern von Leibeigenen wird dabei lediglich zu einer speziellen Variante dieser Optimierung.“ (Ebd., S. 171).

„Die Ende der 1980er Jahre untergegangenen parteikommunistischen Aristokratien im sogenannten Realsozialismus des 20. Jahrhunderts haben ganz ähnlich wie die gottkaiserlichen Inkas oder der mittelalterliche Feudaladel von Gottes Gnaden das Überleben ihrer Werktätigen bzw. Arbeiter-und-Bauern durch Zwang und Loyalitätsbeziehungen betrieben. Wiewohl diese auf geplante Vorgaben angewiesenen Abgabensysteme zur Bildung gewaltiger Territorialherrschaften und Kombinate führten, überstieg ihre Produktionsdynamik doch nicht wesentlich diejenige der stammesgesellschaftlichen Subsistenzproduktion (**).“ (Ebd., S. 171).

„Der Realsozialismus sah lediglich deshalb entwickelter aus, weil er den - im Akkumulationskapitel noch zu erklärenden - technischen Fortschritt der Eigentumswirtschaft beerbte, ihn aber nicht eigenständig weiterentwickeln konnte. Die revolutionäre Beseitigung des Privateigentums führte nämlich nicht zum Eigentum des Volkes, sondern - wie im mittelalterlichen Feudalismus - zu einem Kollektivbesitz. In seinen Produktionsbetrieben eingebrachte Innovationen waren denn auch so gut wie immer auf Imitationen oder schlichte Spionagediebstähle von Erfindungen der andernorts weiterarbeitenden Eigentumswirtschaft zurückzuführen.“ (Ebd., S. 171-172).

„Die marxistischen Theoretiker der frühen Sowjetunion hatten hingegen geglaubt, daß die Sozialisierung der Produktionsmittel ein kollektives System des Eigentums beim »proletarischen Staat« schaffen würde. (Vgl. E. Preobrazhensky, a.a.O.). Sie sollte die Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft noch gewaltiger vorantreiben, als das nach der Schaffung des Privateigentums am Ende des Feudalismus für die kapitalistische Wirtschaft der Fall gewesen ist.“ (Ebd., S. 172).

„Genauer als Ökonomen haben gelegentlich Religionsforscher - wie z.B. Bernard Lewis - die strukturelle Äquivalenz von marxistischen und religiösen Feudalismen erkannt: »Diese Art von Säkularismus scheint die Mängel früherer Orthodoxien bewahrt zu haben, nicht dagegen ihre Vorzüge. Ihre Anhänger sind atheistisch, aber nicht gottlos. Sie haben keine Theologie, wohl aber ein Credo. Sie haben keine Religion, zweifellos aber eine Kirche, eine Kirche mit Schriften und Dogmen, Prälaten und Oberpriestern, Orthodoxien, Häresien und eine Inquisition zu deren Aufdeckung und Ausmerzung.« (Bernard Lewis, Der Traum von Koexistenz: Muslime, Christen und Juden, in: Merkur, Band 46, 1992, S. 827).“ (Ebd., S. 172).

„Nach dem Untergang des sozialistischen Feudalsystems sind Gründerheroen am Werk, deren Aufgabe den Taten eines Theseus oder Romulus am Ende des antiken Priesterfeudalismus nicht nachsteht. Budapests Oberbürgermeister Gábor Demszky berichtete über die herkulische Aufgabe der Eigentumsschaffung: »Hier in der Stadt gab es überhaupt kein Eigentum, es herrschten feudale Verhältnisse, es wurden Lehensgüter vergeben.« (Gábor Demszky, a.a.O.). Leipzigs Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, dem als ehemaligem Oberstadtdirektor von Hannover die Bedeutung des Eigentums für die ökonomischen Entscheidungen eines staatlich-kommunalen Beamtenapparats ohne weiteres geläufig ist, formuliert zum besseren Verständnis für Politiker ähnlich wie sein ungarischer Kollege, verfällt dabei allerdings in die Gleichsetzung von Eigentum mit Nutzungsrechten: »Schon der Begriff ›Volkseigentum‹ war und ist für westliches Denken irreführend. Alles Wesentliche am Eigentumsbegriff war in ihm bewußt ausgemerzt: ein vermessenes und dadurch bestimmbares Stück Land, an dem eine natürliche oder juristische Person umfassende Nutzungs- und Verfügungsrechte hat. Das Volkseigentum hatte nichts davon. Es war so etwas wie die germanische Allmende, niemandem und allen gehörig, zur bloßen Verwaltung und Nutzung zugeteilt an einzelne oder Wirtschaftseinheiten, bei Bedarf umverteilt. Damit nun Volkseigentum übertragbar und beleihbar wird, damit es Fundament sein kann für alles ... Wirtschaften im neuen System, muß es in neues, echtes Eigentum umgewandelt werden.« (Hinrich Lehmann-Grube, Zeitbombe im Grundbuch: Die Bundesregierung muß von der Rückgabe enteigneten Grundbesitzes Abschied nehmen, in: Die Zeit, Nr. 50, 06.12.1991, S. 36f.)“ (Ebd., S. 172-173).

3) Die Eigentumstheorie des Zinses

3a)   Die Entdeckung eines immateriellen Ertrags als Liquiditätsprämie durch Keynes (S. 174-182)
3b)   Die Entdeckung des Zinses durch die Eigentumsprämie (S. 182-193)
3b) Die Entdeckung des Zinses durch die Eigentumsprämie

„Die wirtschaftlich entscheidende inmaterielle Prämie, die Eigwetumsprämie, erwächst aus einer exklusiven Rechtlichkeit, nicht jedoch aus irgendeiner - wie auch immer imponierenden - Gütermäßigkeit. Die Eigentumsprämie kommt also von etwas Nichtphysischem und bleibt bei einem Blick auf die physische Welt der Güter schlichtweg verbrogen. Auch ein Derivat des Eigentums ... teilt mit dem Eigentum den Charakter des Nichtphysischen.“ (Ebd., S. 184).

Geld ist ein Anrecht auf Gläubigereigentum, für dessen Schaffung im Kredit Schuldnereigentum verpfändet werden muß.“ (Ebd., S. 184).

„Unahängig davon, wie Eigentum zustande kommt, schafft es eine durch Wirtschaften bestimmte neue Struktur materieller Reproduktion. Dieser Schritt zur Ökonomie ändert an der vorgefundenen konkreten Welt nichts, erfolgt also aus dem »;Nichts«. Das Wirtschaften ist mithin Ergebnis eines Recht setzenden Aktes. Dasselbe gilt zum Beispiel für Eigentum, das aus den Besitztümern eines Stammes gebildet wird, der in der Nachbarschaft von Eigentumsgesellschaften lebt und für die Anpassung an deren ökonomische Überlegenheit seine überkommenen Strukturen durch Übernahme von Eigentumsrechten ablegt.“ (Ebd., S. 184).

„Wir haben gesehen, daß es nur die Besitzgesellschaften wie Stamm, Feudalismus und Realsozialismus sind, die das Verleihen von physischen Gütern auf Zeit kennen. Aber sie kennen keinen Zins, gelangen mithin nicht zum Kreditieren, bei dem Gläubiger Eigentum belasten und Schuldner - monetäre - Anrechte auf Gläubigereigentum gegen Zins und Verpfändung von Eigentum auf Zeit erhalten. Bei Mangel tritt - wie gezeigt - für den Stammesgenossen die blutsverwandtschaftliche Solidarpflicht ein. Bei Not von Leibeigenen müssen die Herren ihrer Schutzpflicht nachkommen, indem sie aus den Vorräten Rationen zuteilen, die von ihren Untertanen zuvor angelegt werden mußten. In beiden Gesellschaften verfällt niemand auf den Gedanken, durch Verleihen von Gütern einen Aufschlag von mehr Gütern für das leichtere Abwenden von Not zu gewinnen. Vielmehr wissen Stammesgenossen, daß sie womöglich von neuern mit Gütern helfen müssen, diese also verlieren, niemals jedoch verzinsen können. Grundherren wissen, daß sie von neuern Rationen zum Erhalten ihrer Leibeigenen austeilen müssen, bis diese verbraucht sind.“ (Ebd., S. 184-185).

„Die Eigentumsstruktur zerstört diese gütergebundenen Sicherungsmechanismen umgehend. Der griechische Agrarökonom Hesiod wird im Abendland (antike Kultur und abendländische Kultur werden hier als eine Kultur angesehen; Anm. HB) zum ersten Wirtschaftstheoretiker, der diesen Namen wirklich verdient und ist - anders als Platon (427-347 v.u.Z.) oder Aristoteles - dennoch in der ökonomischen Theorie und sogar in den umfassendsten Dogmengeschichten und Lexika völlig unbekannt geblieben. Gleichwohl ist er es, der zuerst und darüber hinaus höchst einsichtsvoll - und damit Aristoteles weit überlegen - den ungewöhnlichen Schwierigkeiten beim Leihen nachgeht, die unter den ersten griechischen Eigentümern bzw. Polisbürgern zu beobachten waren. Hesiod weiß vor allem, daß Menschen jetzt zwar immer noch Nachbarn und doch längst keine solidarischen Stammesgenossen mehr sind:
»Das ist die Regel, die gilt für das Saatland. ....
..., wenn du willst, daß zu ihren Zeiten
Demeters (der Erntegöttin) Werke du alle besorgst, auf daß dir ein jedes
Zu seiner Zeit aufwächst, daß du später nicht etwa im Mangel
Dich in den Höfen der anderen herumdrückst, und du bekommst nichts.
So wie du jüngst zu mir kamst. Doch ich werde dir gar nichts mehr schenken
Und keinen Scheffel mehr leihen. An die Arbeit, törichter Perses, ...
Daß du nicht einst mit Weib und Kindern, Kummer im Herzen,
Bettelst um Brot ringsum bei den Nachbarn, die aber wegsehen.«
(Hesiod, Werke und Tage, 392-400).
Nicht allein die Nachbarn sind keine solidarischen Stammesgenossen mehr, so weiß Hesiod. Sogar leibliche Geschwister müssen einander in der Eigentumsgesellschaft mißtrauen:
»Und auch beim Bruder, mit Scherz, aber doch einen Zeugen hinzuziehn.
Zutrauen hat schon genauso wie Mißtrauen Männer vernichtet.
Laßt nicht ein Weib deinen Sinn, das den Steiß dreht, listig betören,
Gleißnerisch süß dich beschwatzend, den Blick auf dem Vorrat im Hause.
Wer einem Weibe vertraut, der Mann hat Vertrauen zu Gaunern.«
(Hesiod, Werke und Tage, 371-375).
Beim Beschreiben der Nachbarn als unwillige Gläubiger übersieht Hesiod keineswegs, daß von ihrer Verleihunwilligkeit eine Praxis unberührt bleibt, die als überkommenes stammesrechtliches Borgen aus Gefälligkeit bezeichnet werden kann und rudimentär bis auf unsere Tage weiterlebt. Im Lateinischen heißt dieses aus dem ius gentium (Stammesrecht) stammende Verleihen deshalb nicht fenus - das Wort für Zins aus Kredit nach dem ius civile, in dem das Schuldrecht kodifiziert ist -, sondern mutuum, das auf Gegenseitigkeit, also zinslos verborgte Gut: »Fenus ... steht dann in scharfem Gegensatz zu mutuum. Letzteres erscheint als ein Gefälligkeits- und Gelegenheitsvorgang unter Freunden, als ein unverzinsliches, aus dem ius gentium stammendes Freundesdarlehen.« Das mutuum hat also den »Charakter einer pecunia gratuita (kostenlose Geldleihe), welcher die Beifügung einer Zinsberedung unmöglich machte.« (F. Klingmüller, Fenus, in: Pauly - Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft [Alfred Druckenmüller], 12. Halbband, Sp. 2187-2205, hier: 2187). Es gleicht darin dem griechischen Terminus chreos, der aus der Vorpoliszeit stammt und deshalb auch unter dem Eigentum das »urtümliche Bedürftigkeitsdarlehen der Nachbarhilfe« noch festhält. Der neue Begriff für das nicht zinsfreie Darlehen wird der Terminus daneion. Mutuum und chreos berühren nicht die Kreditwürdigkeit, sondern die Liebenswürdigkeit eines Nachbarn, dem man bei feindlichen Beziehungen selbst dann nicht gefällig sein wird, wenn er als wohlhabend bekannt ist. Es muß mithin ein Liebenswürdiger nicht kreditwürdig sein und ein Kreditwürdiger nicht liebenswürdig. Auch in der Nachbarschaftsleihe kann der Borgende seine Dankbarkeit selbstredend mit einer kleinen Anerkennung verbinden, die auch als »Pseudozins« bezeichnet wird. Beim Stamm der Semang in Malaysia wird zum Beispiel ein wenig Essen in dem Topf gelassen, den man sich fürs Kochen geborgt hat. Hesiod beschreibt die Fortsetzung dieser Sitte in der frühen Eigentumsgesellschaft:
»Gutes Maß laß dir geben vom Nachbarn, gutes gib wieder,
Und mit demselben Gemäß, auch reichlicher, kannst du es irgend,
Daß du, wenn du's brauchst, ihn später gefällig noch findest.«
(Hesiod, Werke und Tage, 349-351).
Eine Erklärung der ans Eigentum gebundenen Zögerlichkeit beim Kreditieren liefert Hesiod zwar nicht, er ist aber weiter als Allgemeine Gleichgewichtstheoretiker, die sich eine »Nichtgeldwirtschaft« ausgerechnet nur als eine Gemeinschaft vorstellen können, »in der jedes Wirtschaftssubjekt jedem mißtraut.« (P. de Gijsel / F. Haslinger, Quantitative versus qualitative (Nicht-)Neutralität des Geldes, in: Der Stand und die nächste Zukunft der Geldforschung, Hrsg: Hans-Joachim Stadermann / Otto Steiger, 1993, S. 118). Hesiod hingegen weiß noch, daß Gewißheit des Vertrauens gerade zu den entschwundenen Gesellschaftssystemen gehört, in denen Geld keine Rolle spielt. Deshalb beschreibt er die solidarisch teilende Stammesgesellschaft als freudvolles »Goldenes Zeitalter«, (Hesiod, Werke und Tage, 198-119) über dessen Verschwinden er in seinem eigenen »Eisernen Zeitalter« in qualvolles Jammern ausbricht. Die Eigentümer müssen gerade missen, was die Stammesgenossen verband:
»Und niemals bei Tage
Werden sie ruhen von Mühsal und Weh, und niemals zur Nachtzeit
Sind sie verschont und die Götter verleihen dann quälende Sorgen
....
Nicht in der eigene Bruder mehr lieb, wie es früher gewesen.
Bald mißachten sie dann ihre altersgebeugten Erzeuger,
....
Geben dann auch nicht Ihren greisen Erzeugern zurück den Entgelt für die Aufzucht.
....
Die Ehrfurcht
Gibt es nicht mehr. Und der Schlechte gewinnt und schädigt den Beßren,
Deckt mit krummem Gerede den Trug und beschwört's mit dem Meineid.«
(Hesiod, Werke und Tage, 349-351).
Die das Eigentum schaffenden Revolutionäre vom Theseus- oder Romulustyp zielen erfolgreich auf das Abwerfen feudaler Hörigkeit, handeln sich aber eine soziale Struktur ein, von der sie vorher nicht wissen können, daß sie eine andere Verfassung erzwingen würde, die sich als etwas Neues, als Ökonomie nämlich, erweisen sollte. Hier wird - wie gesagt - »aus dem Nichts«, wie mit einem »Federstrich«, durch bloßen Rechtsakt die Weltgeschichte zur Wirtschaftsgeschichte transformiert. (Wir verwenden hier bewußt den Begriff ex nihilo bzw. »aus dem Nichts«, den Joseph Schumpeter - Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911, S. 109 - für die Schaffung neuen oder zusätzlichen Geldes durch das Bankensystem ins Spiel gebracht hat. Im Geldkapitel werden wir zeigen, daß er die Eigentumsbelastung als notwendige Voraussetzung für die Geldschaffung nicht untersucht. Dasselbe gilt für die Metapher »Federstrich«, die neuerdings der Bundesbankdirektor Michael Ledig - »Zentralbankgeld und Bürgergeld«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 262 vom 10. November 1992, S. 11 - analog zu Schumpeter für die Geldschaffung einer Zentralbank verwendet.). Ohne irgendeine physische Veränderung wird die bedeutendste Reichtumsquelle der Geschichte, die Eigentumsprämie eben, geschaffen.“ (Ebd., S. 185-188).

„Die Polisbürger können sich bei plötzlicher Not oder Mangel allein noch aus ihrem Eigentum sichern. Sie haben zwar die Rechte auf Alimentationspflichten durch Herren oder auf Solidarpflichten durch Stammesgenossen verloren. Gewonnen abet haben sie die Verfügung über ihr Eigentum, das ihnen - anders als Besitz - das Vermögen seiner Belastbarkeit und Verpfändbarkeit, die Eigentumsprämie eben, eingetragen hat.“ (Ebd., S. 188).

„Nur solange Eigentum nicht belastet oder verpfändet wird, bleibt seinen Haltern die damit verbundene Sicherheit. Ein Bürger, der als Gläubiger sein Eigentum belastet, indem er Anrechte darauf als Geld an einen Schuldner gibt, verliert zwar die Eigentumsprämie, gewinnt jedoch die Zinsforderung. Es ist also diese immaterielle Prämie - und nicht Keynes' Liquiditätsprämie -, die zu Zins materialisierbar ist.“ (Ebd., S. 188).

„Ein Bürger, der als Schuldner sein Eigentum verpfändet, verliert ebenfalls Eigentumsprämie und muß die Zinsforderung erfüllen. Er gewinnt dafür aber Geld auf Zeit, in der er über Produktion und Markt einen Profit erwirtschaften kann, der ihm nicht nur erlaubt, den Zins zu leisten, sondern einen Überschuß zu gewinnen. Der Schuldner, der um die Gefahren dieser Operationen weiß, mag sich nach Stamm oder Palastfeudalismus - modern: Realsozialismus - zurücksehnen, muß sich hier und heute aber an andere Eigentümer als Gläubiger wenden, wenn er sich aus der Besitzseite seines Eigentums, der Güternutzung, nicht reproduzieren kann.“ (Ebd., S. 189).

„Gläubiger jedoch weigern sich, anderen Bürgern Güter zu leihen, da diese nicht nur bloße Nutzungsmöglichkeiten aufweisen, sondern ein Vermögen darstellen, das Vermögen der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit, kurz: eine Eigentumsprämie haben. Mit dem Eigentum verschwindet die Güterleihe, wenn man von Ausnahmen wie dem zinslosen Borgen unter Nahestehenden absieht. Ganz dominierend aber wird der Gläubiger-Schuldner-Kontrakt. In ihm manifestieren sich die wesentlichen Elemente des Wirtschaftens:
1.der Zins zur Kompensation der aufgegebenen Prämie auf Gläubigereigentum, das während der Kontraktfrist belastet ist;
2.die Verpfändung von Schuldnereigentum zur Sicherung der Refundierung der im Kontrakt verliehenen Anrechte auf Gläubigereigentum;
3.das Geld als diese Anrechte auf das im Kontrakt belastete Gläubigereigentum.
Diese drei Elemente sind genau zu unterscheiden. Die Refundierungsunsicherheit kann nicht den Zins begründen und der Verlust an Eigentumsprämie durch Belastung nicht die Verpfändung. Daran ändert sich selbstredend auch dadurch nichts, daß bei unsicherem Wert des verpfändbaren Eigentums zum »reinen Zinssatz« eine Prämie für »das Risiko des Gläubigers ... addiert wird« (John M. Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936, Kapitel 11, S. 144f.). Diese Risikoprämie wird zwar als Aufschlag auf den Zins erhoben, ist ihm jedoch nachgeordnet. In diesem Kapitel beschäftigt uns allerdings vorrangig die immaterielle Prämie auf Eigentum und ihre Aufgabe gegen materiellen Zins bei Belastung bzw. Blockierung des Eigentums im Kreditkontrakt. Die Verpfändung des Eigentums, die sich in der aufgegebenen Eigentumsprämie des Schuldners manifestiert, sowie das Geld als Anrecht auf Eigentum werden uns im nachstehenden Geldkapitel ausführlicher beschäftigen.“ (Ebd., S. 189-190).

„Der Zins als Ausgleich für den Verlust der Eigentumsprämie kann zwei Gestalten annehmen, wovon im Abendland die historisch frühere die Schuldknechtschaft gewesen ist. Sie wird von vielen Wirtschaftshistorikern mit einer Verpfändung der Person des Schuldners für den Fall von Nichttilgungsfähigkeit nach Ablauf des Kreditzeitraums verwechselt. Ein relativ spät datierter Schuldkontrakt aus dem hellenistischen Griechentum, der im Kontext der vorderasiatischen Gemengelage aus Feudalismus und Eigentumswirtschaft in - der am Euphrat gelegenen Stadt - Dura Europus über eine Geldsumme geschlossen wurde, stellt jedoch sehr schön klar, daß die Schuldknechtschaft eine Institution der Eigentumsgesellschaft ist. Der dort erwähnte Schuldknecht ist kein Leibeigener, sondern ein freier Mann, der allerdings auf Zeit ganz bestimmte Dienste leisten muß. Mit diesen fungiert der Schuldner anstelle von Zins, nicht jedoch anstelle von Sicherheiten. Für letztere haftet er mit dem Grundeigentum, das ihm über seine eigene Person - das Eigentum an sich selbst - hinaus gehört.“ (Ebd., S. 190).

„In jedem Kreditkontrakt zwischen Eigentümern wird auf den Schuldner ein Anspruch auf das Eigentum des Gläubigers übertragen, der - je nach dem, in welcher Form die Übertragung erfolgt - zu einer zeitweiligen Belastung bzw. Blockierung des Gläubigereigentums führt. Wann immer im Kredit ein Anspruch gegen solches Eigentum übertragen wird, bleibt es in seiner besitzmäßigen Güternutzung zwar beim Gläubiger, ist für diesen auf Zeit aber nicht mehr in seinen genuin ökonomischen Funktionen (Belastungs- und Verkaufsrechte) verfügbar. Die zeitweilige Aufgabe der nur aus Eigentum erwachsenden Rechte bringt den Gläubiger um seine Eigentumsprämie, wofür ihn sein Schuldner mit Zins kompensieren muß.“ (Ebd., S. 190-191).

„Die Blockierung von Eigentum besagt, daß es nicht noch einmal belastet, verpfändet oder veräußert werden kann. Die Blockierung von Gläubigereigentum besagt dabei, daß er sich verpflichtet, es jederzeit an Einlöser seiner emittierten Ansprüche auf Eigentum - Geld also - herauszugeben, es also mit Kontraktbeginn riskiert. Lediglich aus dem Besitz resultierende Nutzungsmöglichkeiten von Eigentum, das eine physische Seite hat, also die Nutzung von Realaktiva - wie das Betreiben von Gewerbe auf Grundstücken, das Bewohnen von Häusern, das Bestellen von Feldern u.s.w. - verbleiben dem Deckung leistenden Gläubiger und gehen eben nicht, wie die Neoklassik behauptet, an den Schuldner über. Dieser erhält im Kredit keine Güter. Auch die Erträge von Finanzaktiva, die entsprechend blockiert, also nicht mehr handelbar sind, fallen weiter an den sie belastenden Gläubiger. Die Blockierung des Schuldnereigentums besagt, daß er sein verpfändetes Eigentum - gleich ob Real- oder Finanzaktiva - zwar weiterhin nutzen, nicht jedoch noch einmal verpfänden und auch nicht veräußern kann. Mit Beginn des Kontrakts verliert er seine Eigentumsprämie und riskiert diesen Verlust dauerhaft, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.“ (Ebd., S. 191).

„Wenn - um zur Schuldknechtschaft zurückzukehren - anstelle des Zinses persönliche Leistungen des Schuldners vereinbart werden, ändert sich an den Eigentumsbeziehungen prinzipiell nichts. Lediglich im Anspruch des Gläubigers auf den Schuldner als physisch Leistenden erwirbt er an ihm Nutzungsrechte. Ansonsten verliert der Schuldner seine persönliche Freiheit nicht, bleibt also Eigentümer seiner selbst. Für diese Beziehung verwendet das Griechische den Terminus paramone, abgeleitet von paramenein (bei jemandem bleiben). Paul Koschaker (1879-1951) hat dabei scharfsinnig von einem Fall »geteilten Eigentums« gesprochen. (Vgl. Paul Koschaker, Über einige Rechtsurkunden aus dem östlichen Randgebieten des Hellenismus: Mit Beiträgen zum Eigentums- und Pfandbegriff nach griechischen und orientalischen Rechten, 1831, S. 46). Tatsächlich teilt der Schuldner in seiner Funktion als Leistender, auf die der Gläubiger ja wie auf einen Zins eine Forderung hat, die Besitzseite seiner Person mit dem Gläubiger.“ (Ebd., S. 191).

„Das einschlägige historische »Dokument (aus Dura Europus) ist ein Schuldkontrakt, in dem bestimmt wird, daß (a) der ›Barlaas (der Schuldner) bei dem Phraates (dem Gläubiger) bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung bleibt (paramenon) und (b) anstelle des Zinses für ihn sklavenähnliche Dienstleistungen (doulike chreia) erbringt. Dabei muß er alles tun, was ihm geheißen wird, und er darf sich ohne Erlaubnis des Phraates weder bei Tag noch bei Nacht entfernen,. Weiterhin gilt, daß, wenn Barlaas seine Schuld nicht bei Fälligkeit zurückzahlt, ›er beim Phraates bleiben und die gleichen Dienstleistungen wie oben bis zur Rückzahlung des Geldes leisten muß‹.« (M. I. Finley, a.a.O.). Aus einem früheren Zeitraum liegt uns aus dem zentralmesopotamischen Kissura ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt ebenfalls mit einem solchen Nutzungspfand vor, im dem zwar »fünf Tage Arbeit den Zins repräsentierten«, der Gläubiger aber keineswegs eine »absolute Verfügungsmacht« über seinen Schuldner gewinnt. Der Zins in Form der Schuldnernutzung liegt höher als der Geldzins, weil es dem Gläubiger und nicht dem Schuldner obliegt, seine Leistungen in Geld zu verwandeln.“ (Ebd., S. 192).

„Der Schuldknecht ist ein Eigentümer. Nur als Eigentümer hat er überhaupt das Potential, Schuldner zu werden. Denn schon das Rückerstattungsrisiko des Gläubigers erfordert die Stellung von Sicherheiten aus diesem Eigentum, die an den Gläubiger fallen, wenn der Kredit nicht getilgt wird, die als Anrechte auf Eigentum de. Gläubigers emittierte Geldsumme nicht zurückgegeben werden, aber weiterhin gegen ihn präsentiert werden können. Die kreditierte Geldsumme muß immer mit Schuldnereigentum gesichert werden, weil gegen das emittierte Geld - wenn und von wem immer es präsentiert wird - belastetes Eigentum abgetreten werden muß.“ (Ebd., S. 192-193).

„Es ist also kein neoklassisches Gut, sondern die Eigentumsprämie, die während der Belastung von Eigentum - bzw. während der zeitweiligen Herabstufung des Gläubigers auf den Status eines bloßen Nutzers der Besitzseite seines Eigentums - verloren ist. Dieser Verlust an Eigentumsprämie tritt zum Tilgungsrisiko hinzu, kann also durch Absicherung des Tilgungsrisikos durch Verpfändung von Schuldnereigentum nicht ausgeräumt werden. Deshalb führt die zeitweilig aufgegebene Eigentumsprämie zum Zins und nicht die Gefahr des Verlustes des kreditierten Geldes.“ (Ebd., S. 193).

„Jeder Schuldner muß daher die seinem Gläubiger bei Blockierung des Eigentums verlorengehende Eigentumsprämie durch Zins kompensieren. Auch der Schuldknecht erfüllt diese Verpflichtung, wenn er bei Beginn des Kreditzeitraums umgehend Dienste leistet. Der nicht zum partiellen Knecht werdende Schuldner hingegen erbringt den Zins in Geld. In Griechenland und Rom etwa wird das die Regel, nachdem durch Solon (640/638-559 v.u.Z.) im 7./6. Jahrhundert bzw. durch das Zwölftafelgesetz im 5. Jahrhundert v.u.Z. die Schuldknechtschaft verboten wird.“ (Ebd., S. 193).

4) Die unmögliche Verknüpfung von Liquiditätsprämie und Zins mit einer Geldhaltung

„Anders als die Neoklassik, die den Zins als Belohnung für den Aufschub von Kosum versteht, sieht Keynes den Zins als Belohnung für die Aufgabe eines Gutes geld, das eine Liquiditätsprämie hat. “ (Ebd., S. 194).

„Ganz wie die Neoklassik kennt Keyenes ... nur den - schon im Neandertaler verkörperten - Besitzer.“ (Ebd., S. 195).

„Es gibt keine Geldkiste, das heißt es gibt kein Haltung von Geld, kein Horten. Liquide zu werden, bedeutet mithin, daß die zu leihende Geldsumme erst generiert werden muß. Dafür muß ein Eigentümer auf Eigentumsprämie verzichten, für deren Kompensation der Zins zu zahlen ist. Das Unverständnis des Geldes selbst, das einfach vorausgesetzt wird, hat Keynes also dazu verführt, dem Geld jene Prämie zuzuordnen, die zum Zins führt.“ (Ebd., S. 197-198).

„Die Liquiditätsprämie tritt erst auf, werden durch die Aufgabe von Eigentumsprämie im Gläubiger-Schuldner-Kontrakt Geld geschaffen worden ist.“ (Ebd., S. 199).

5) Zusammenfassung

„Für die herrschende Wirtschaftstheorie gibt es die Zinsforderung des Gläubigers, weil er auf Nutzung seiner Güter zugunsten eines Schuldners vorübergehend verzichtet. Sie hat nur dann einen Sinn, wenn der Schuldner im Zeitraum des ihm eingeräumten Kreditzeitraums einen Profit erzielt. Dieser wird als Reinertrag von Gütern durch Transformation von Güterwerten in höhere Güterwerte verstanden, aus denen der Zins geleistet wird. Die Unterstellung der Existenz eines Reinertrages bildet den wunden Punkt der neoklassischen Zinstheorie. Sie nimmt diesen Ertrag als Faktum, ohne seinen ökonomischen Erzwingungsgrund angeben zu können.“ (Ebd., S. 216).

„Die Neoklassik steht damit in Analogie zur Klassik, die einen Profit als Einkommen von Produktionsmitteleigentum voraussetzt, aus dem der Zins als ein abgeleitetes Profiteinkommen von denjenigen der »industriellen Kapitalisten« (Marx) aufgebracht wird, die Produktionsmittel erst erwerben wollen und dafür bei »Geldkapitalisten« (David Ricardo, 1772-1823) Kredit nehmen müssen. Der ökonomische Grund der Profiterzwingung kann auch von der Klassik nicht angegeben werden. Sie verfällt für seine Herkunft deshalb auf eine Herrschaftstheorie. Berühmt wurden entsprechende Charakterisierungen bei Marx: »Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, ... die Ritter von der Industrie brachten ... die Knechtschaft des Arbeiters.« (Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, 1. Buch, 1867, a.a.O., S. 743) In solcher Sicht des Wirtschaftens wächst aus der Macht über Produktionsmitteleigentum die Macht zur Ausbeutung eigentumsloser und damit machtloser Arbeiter, die durch eben diese Macht auf den bloßen Reproduktionslohn gedrückt werden, was den Profit als Überschuß über den Reproduktionslohn ermöglicht.“ (Ebd., S. 216).

„Klassik und Neoklassik haben niemals dem Befund Rechnung tragen können, daß der Zins völlig unabhängig von Profit oder Reinertrag anfällt und selbst bei Verlusten des Schuldners zu leisten ist. Dieser Umstand verweist darauf, daß der Zins für etwas zu bezahlen ist, das weder mit Ausbeutung noch mit einer physischen Transformation zu tun hat.“ (Ebd., S. 216).

„Die Suche nach diesem »Etwas« hat Keynes zum zentralen Thema seiner Theorie gemacht. Den ökonomischen Erzwinger von Zins identifiziert er in einer immateriellen Liquiditätsprämie, in einem Betrag an Annehmlichkeit und Sicherheit. Dieser erwachse aus dem Halten dauerhafter Güter als Vermögen und sei bei dem Vermögensgut Geld am höchsten. Da dem Gläubiger beim Kreditieren von Geld diese Liquiditätsprämie während des Kreditzeitraums entgehe, müsse der Schuldner sie durch etwas ausgleichen. Dieser Ausgleich sei der Zins.“ (Ebd., S. 217).

„Mit Keynes' Idee einer immateriellen Prämie beginnt - vage noch und am Ende erfolglos - ein Denken, das im eigentlichen Sinne als Theorie der Wirtschaft bezeichnet werden kann. Es sind nicht mehr biologische, psychische oder soziale Elemente wie Gier, Bedürfnisse und Machtbefugnisse, die das Wirtschaften erzwingen, sondern eine zu Zins materialisierbare immaterielle Prämie.“ (Ebd., S. 217).

„Durch diese Einsicht wird die richtige Erklärung der zinsgebärenden Prämie zum Fundament der Wirtschaftstheorie. Keynes scheitert jedoch hieran, weil er der universalen Kategorie von Gütern verhaftet bleibt und auf ihre Dauerhaftigkeit die immaterielle Prämie legt. Da dauerhafte Güter und auch ihr Verleihen in der Tat immer schon zur Menschheitsgeschichte gehören, der Zins jedoch nicht, muß die zum Zins führende Prämie einen Grund haben, der nicht in Gütern als solchen oder ihrer Eigenschaft liegt, dauerhaft und auf Zeit verleihbar sein zu können.“ (Ebd., S. 217).

„Erst das Gut, das Eigentum ist, welches nicht durch seine Dauerhaftigkeit oder seine Nutzungsqualität, sondern durch Rechtsakt definiert ist, konstituiert die für den Zins relevante Prämie. Sie besteht in dem Vermögen von Eigentum, belastbar und verpfändbar sein zu können, kurz: der Eigentumsprämie. Bei Belastung von Eigentum im Kreditkontrakt verliert der Gäubiger seine Eigentumsprämie, wofür ihn der Schuldner mit Zins kompensieren muß.“ (Ebd., S. 217).

„Gläubiger halten kein Gut Geld in irgendeiner Kiste, auf deren Inhalt sie eine Liquiditätsprämie legen, sondern schaffen im Kreditkontrakt überhaupt erst Geld als Anrecht gegen ihr Eigentum. Mit dieser Blockierung verzichten sie auf die Eigentumsprämie, gewinnen aber den Zins. Schuldner leihen sich dieses Geld, indem sie Eigentum als Sicherheit verpfänden und einen Zins zahlen müssen. Sie verlieren ebenfalls Eigentumsprämie, gewinnen aber die Liquidätsprämie des Geldes, das heißt sein Vermögen, Kauf- und dann wieder Kreditkontrakte erfüllen zu können. “ (Ebd., S. 217-218).

„Nach der hier vertretenen Eigentumstheorie des Zinses entsteht der Zins also nicht aus dem Verlust der Liquiditätsprämie auf Geld, das heißt nicht erst, wenn sich jemand von bereits geschaffenem Geld trennt. In diesem Fall können zwar Zinsen verdient werden, der Zins selbst aber entsteht schon vorher aus dem Verzicht auf die Eigentumsprämie, der immer dann eintritt, wenn Geld von einem Gläubiger als Anrecht gegen sein Eigentum überhaupt erst geschaffen und das Eigentum dabei belastet und so blockiert wird. Durch den Verzicht eines Gläubigers auf seine Eigentumsprämie gelangt mithin der Schuldner für ihre Kompensation durch Zins an die Liquiditätsprämie des in diesem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt geschaffenen Geldes. Selbstverständlich - und insofern ohne theoretische Aussagekraft - verleiht die Möglichkeit der Verwandlung dieses Geldes in Güter und Aktiva auch diesen die Eigenschaft der Liquiditätsprämie - und zwar in dem Grade, in dem sie wieder in Geld, also in Kontrakterfüllungsmittel zurückverwandelt werden können.“ (Ebd., S. 218).

„Mit dem Geld kann der Schuldner die Verpflichtungen aus Kaufkontrakten erfüllen, die ihm eine Produktion erlauben, deren Realisierung durch Einwerbung von Verkaufskontrakten ihm wiederum das Geld verschafft, mit dem er seine Verpflichtungen aus Kreditkontrakten erfüllt. Der Gläubiger gewinnt bei Erfüllung des Kreditkontrakts von neuem die Prämie seines Eigentums, belastbar zu sein. Er kann mithin von neuem Geld schaffen. Das ihm vom Schuldner refundierte Geld ist eliminiert und kommt in keine Kiste, in der es dann eine Liquiditätsprämie abwürfe.“ (Ebd., S. 218).

„Gesellschaften ohne Eigentum kennen lediglich Besitzer von Gütern, deren Nutzung durch blutsverwandtschaftliche Solidarpflichten oder feudalherrliche Fürsorgepflichten gewährleistet wird. Frei disponierbare Eigentumstitel an Gütern, die ihre Belastbarkeit und Verpfändbarkeit ermöglichen, haben sie nicht. Deshalb fehlen Eigentumsprämie, Zins und Geld.“ (Ebd., S. 218).

„Der Eigentümer hat die traditionellen Kollektivsicherungssysteme verloren, dafür jedoch durch die Exklusivität seines Eigentums das Recht auf - abgesehen vom Mißbrauch - unbegrenzte Disponierbarkeit über dasselbe gewonnen. Diese exklusive Verfügung konstituiert die Möglichkeit des Wirtschaftens mit Eigentum, das heißt seiner Verteidigung und Vermehrung durch Belastung und Verpfändung. Das Wirtschaften mit Eigentum tritt zur Güternutzung der Besitzseite des Eigentums also hinzu. Ökonomie hat ihren Kern mithin in der Umwandlung der nur aus der Exklusivität des Eigentums erwachsenden Prämie, die bei ihrer Aufgabe durch seine Belastung im geldschaffenden Kreditkontrakt die Zinsforderung gebiert.“ (Ebd., S. 218-219).

„Da Geld - als Anrecht auf Eigentum - nun die Form ist, welche den Einsatz des Eigentums in Kreditkontrakten erlaubt, scheitert die ausschließlich an das Kreditieren von Geld gebundene Herleitung des Zinses als monetärer Zins bei Keynes und den Monetärkeynsianern nicht anders als die an das Verleihen von Gütern geknüpfte Erklärung des Zinses als realer Zins in der Neoklassik.“ (Ebd., S. 219).

„Alle Erörterungen über den Zins legen großes Gewicht auf die Binsenweisheiten des Verstreichens von Zeit und der Nichtkenntnis der Zukunft. Richtig ist, daß immer Zeit verstreicht und die Zukunft niemals bekannt ist. Aus der vagen Zukunft erfolgt jedoch keine ökonomisch folgenreiche Unsicherheit, wie die nur Besitz kennenden Gesellschaften des Stammesverbandes und der Abgabenverfassung illustrieren.“ (Ebd., S. 219).

„Metatheoretisch betrachtet unterläuft den herrschenden Wirtschaftslehren folgendes: Sie wissen nicht, was Eigentum ist, sondern halten bereits Besitz für Eigentum. Entsprechend verwenden sie die beiden Begriffe Eigentum und Besitz unterschiedslos für die eine Sache Besitz, woraufhin das Eigentum selbst theoretisch unausgelotet bleibt. Dieses Vorgehen rächt sich bei der Erklärung des Zinses, der nun als Derivat der entscheidenden Größe für das Wirtschaften, der Eigentumsprämie, nicht einmal in Erwägung gezogen werden kann.“ (Ebd., S. 219).

„Da bisher nicht verstanden worden ist, warum es zum Wirtschaften kommt, enden alle Versuche zur Erklärung des Zinses im »Chaos der Zinstheorien«. Die Klassiker sehen den Zins als Derivat des Profits, die Neoklassiker als Derivat der Zeitpräferenz oder Gegenwartsvorliebe. Für Keynes ist der Zins einmal der Preis, der Annehmlichkeiten der Geldhaltung überwindet, aber auch Ausdruck für die Unsicherheit seiner zukünftigen Höhe. Die Monetärkeynesianer erklären den Zins einerseits als Kompensation für die Unsicherheit des Vermögensrückflusses, andererseits jedoch als Preis für die Verfügung über das Vermögen des Geldes, Kontrakte erfüllen zu können. Dabei werden Phänomene, die exklusiv der Eigentumswirtschaft angehören, häufig als universelle Größen mißverstanden und nicht selten auch in Stammes- und Feudalgesellschaften verortet. Damit bringen sich die Wirtschaftstheoretiker um die Möglichkeit, auch nur danach zu fragen, was die Eigentumsgesellschaft von Besitzgesellschaften strukturell unterscheidet, warum also nur erstere zur Bewirtschaftung von Ressourcen findet, während letztere über ihre Beherrschung nicht hinausgelangen.“ (Ebd., S. 219-220).„Geld wird in diesem Buch erst nach Eigentum und Zins behandelt, da das Geld von diesen beiden Elementen abhängt und nicht etwa der Zins vom Geld oder gar Tausch, wie die Berliner Schule des monetären Keynesianismus bzw. die Neoklassiker glauben.“ (Ebd., S. 221).

„Für den Monetärkeynesianismus muß ein nichtökonomisches Geld oder ein Vorrat immer schon vorhanden sein, damit sich eines Tages eine Autorität den Zins ausdenkt, ihn für solches »Vorratsgeld« anbietet und damit ökonomisches Geld in die Welt setzt. In die Pflicht zwingender Ableitungen gestellt, ahnt die Neoklassik im Unterschied zum Monetärkeynesianismus immerhin, daß man sich nicht einfach ein irgendwie immer schon daseiendes oder ein autoritär gesetztes Geld aus den Tiefen der Geschichte zurechtfabulieren kann, sondern es aus seinem ökonomischen Hauptaxiom - dem Tauschparadigma - gewinnen muß. Wie im Tauschkapitel gezeigt, entsteht Geld für die Neoklassik zur Verfeinerung des Gütertauschs: Über die Transaktionskostenreduzierung fänden die Tauscher zur Verwendung und Haltung des dafür ausgewählten Tauschgutes Geld. Der neoklassisch-keynesianische Geldtheoretiker und Ökonomienobelpreisträger von 1981, James Tobin (1918-2002), kann entsprechend verkünden: »Der Grund für die Universalität des Geldes als einer gesellschaftlichen Institution besteht darin, daß es den Handel erleichtert.« (James Tobin, a.a.O.).“ (Ebd., S. 221-222).

„Der grundlegende Irrtum der Neoklassik liegt nicht in mangelnder Stringenz, sondern in ihrem evolutionistischen Hauptaxiom selbst, aus dem sie ihre Ableitungen gewinnt. Indem sie fest daran glaubt, daß der gewinnsuchende Tausch als ewig menschliche und damit universelle Kategorie die Geschichte von Beginn an bis heute beherrscht, wo er aber - wie zu zeigen war - keineswegs zu finden ist, gründet auch sie ihr Modell ausschließlich auf eine Fiktion. Solange sie sich innerhalb dieser Fiktion bewegt, kann sie durchaus immanent logische Aussagen machen, weshalb die Neoklassik nicht als logisch inkonsistente, sondern als nicht zutreffende Theorie zu kennzeichnen ist. Die Hauptdifferenz zwischen Neoklassik und Monetärkeynesianismus besteht also darin, daß erstere einen übergeschichtlichen Tausch als Axiom genommen hat, den es jedoch gänzlich unabhängig davon, ob er historisch oder ahistorisch aufgefaßt wird, nicht gibt, während letztere auf ein Axiom eigentlich verzichtet und gleich mit dem Geld beginnt, weshalb sie geschichtlich argumentieren muß und sich dafür vor- oder außerökonomische Gelder konstruiert, die es nicht gibt.“ (Ebd., S. 222).

„Die von uns vertretene Eigentumstheorie des Wirtschaftens impliziert das Interesse von Menschen an der Steigerung der Sicherheit ihrer materiellen Reproduktion, aber hat darin nicht ihr wesentliches Moment. Dieses Motiv existiert universell und ewig. Es kommt jedoch - wie im Zinskapitel gezeigt - in drei unterschiedlichen Verkörperungen vor: (1) Zugewinn solidarpflichtiger Verwandter in der Stammesgesellschaft, (2) Zugewinn tributpflichtiger Unfreier in der Feudalgesellschaft und 3. Zugewinn von Zins durch Preisgabe der Eigentumsprämie im Kreditkontrakt. (**|**). Nur im (3) Fall gibt es das Wirtschaften, das Theorie benötigt. In ihm wird durch Belastung von Gläubigereigentum Geld geschaffen, für dessen Erwerb im Kreditkontrakt der Schuldner die Eigentumsprämie des Gläubigers mit Zins kompensieren muß und zugleich das vom Gläubiger riskierte Eigentum mit verpfändetem eigenen Eigentum zu sichern hat.“ (Ebd., S. 222-223).

D) Das Kapitel vom Geld: Eigentumsbelastung und Eigentumsverpfändung im Kreditkontrakt

1)  Das auf Gläubiger-Schuldner-Kontrakte und nicht auf Gütertausch bezogene Geld (S. 223-234)
2)  Belastung und Verpfändung, Geld und Kredit (S.235-294)
3)  Die Überzeugung vom Primat der Marktverfassung bzw. der Geldverfassung und das Fiasko der Transformation vom Sozialismus zur
     Eigentumsökonomi
e (S. 295-303)
4)  Zusammenfassung (S. 304-308)

1) Das auf Gläubiger- Schuldner-Kontrakte und nicht auf Gütertausch bezogene Geld

„Kauf und Verkau, Darlehen und Kredit sind ökonomische Lontrakte, deren Nachbarschaft zum Eiegntum einige Wirtschaftshistoriker durchaus zu sehen vermögen, aber eben nicht theoretisch fassen können.“ (Ebd., S. 238-239).

2) Belastung und Verpfändung, Geld und Kredit

2a)   Eigentumsbestände versus Güterbestände bei der Emission und Kreditierung von Geld (S. 241-257)
2b)   Die Unmöglichkeit eines Warengeldes (S. 257-264)
2c)   Die Geburt der Bank aus dem stärksten privaten Gläubiger (S. 264-276)
2d)   Die Geburt des eigentlichen Geldes aus der Belastung von Eigentum (S. 277-285)
2e)   Die unabdingbare Sicherung der Geldemmission durch Eigentum auch im modernen, zweistufigen Bankensystem (S. 286-294)

„Der Rieseschüler (Riese ist einer der Vetreter der Berliner Schule; Anm. HB) Karl Betz hat als erster die monetärkeynesianischen Gedanken in einem makroökonomischem Gleichgewichtsmodell dargestellt. In diesem gibt es folgende Gruppen von Wirtschaftssubjekten: (i) Haushalte mit «Rechten auf Sachen», die Eigentümer von Sachvermögen oder kurz Vermögenseigentümer genannt werden; (ii) eigentumslose Unternehmer ohne Sachvermögen; (iii) eigentumslose Geschältsbanken; (iv) eine eigentumslose Zentralbank und (v) eigentumslose Haushalte, die über Arbeitskraft verfügen. (Vgl. Karl Betz, Ein monetärkeynesianisches makroökonomisches Gleichgewicht, 1993, S. 50).“ (Ebd., S. 238-239).

„Die Unternehmer wollen investieren, weil sie positive Profiterwartungen haben, die selber nicht weiter abgeleitet werden. Dafür fragen sie Kredite nach, die nur von den Geschäftsbanken angeboten werden. Die Geschäftsbanken wiederum können das Geld für die Kredite nur von der Zentralbank bekommen. Diese schafft das Geld aus dem Nichts (**) und leiht es gegen einen Zins (Diskont) den Geschäftsbanken. Die Zentralbank erhält also verzinsliche Forderungen gegen die Geschäftsbanken, und diese haben entsprechend verzinsliche Verbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank. Bei Abschluß des Kreditvertrages zwischen Geschäftsbanken und Unternehmern erhalten erstere verzinsliche Forderungen und letztere einen zu verzinsenden Geldvorschuß. Mit diesem Geldvorschub kaufen die Unternehmer bei den Vermögenseigentümern Sachvermögen, das sie als Produktivvermögen im Produktionsprozeß einsetzen, um damit Güter für den Profit zu produzieren. Bei dieser Güterproduktion fragen sie auch Arbeitskraft nach. Die Vermögenseigentümer halten das von den Unternehmern an sie gelangte Geld wiederum als verzinsliches Geldvermögen in der Form von Sichteinlagen bei den Geschäftsbanken. Die Vermögenseigentümer haben also die Option zwischen dem Halten ihres Sachvermögens - dann wird nicht produziert - oder seiner Umwandlung in Geldvermögen, was ihnen Zins einbringt und zur Güterproduktion führt.“ (Ebd., S. 239).

„Wo liegen nun die entscheidenden Mängel dieses Modells? Die verzinslichen Forderungen der Zentralbank gegen die Geschäftsbanken, die gleichzeitig mit ihrem Schaffen von Geld entstehen, werden als abstrakte Forderungen aufgefaßt, denen kein Vermögenseigentum entspricht: »Dieses Zahlungsmittel wird von einer Zentralbank (so) geschaffen ..., daß mit der Emission von Geld zugleich Forderungen (der Zentralbank) in diesem Geld entstehen.« (Karl Betz, Ein monetärkeynesianisches makroökonomisches Gleichgewicht, 1993, S. 47).“ (Ebd., S. 239).

„In dieser Aussage wird schlicht übergangen, daß die Zentralbank bei der Geldschaffung Forderungen aus dem Eigentum der Geschäftsbanken auf Zeit kauft und damit für ihre weitere Verwendung durch die Geschäftsbanken blockieren. Übersehen wird überdies, daß die Unternehmer ohne Verpfändung von Eigentum bei den Geschäftsbanken keinen Kredit erhalten können. Auf die Idee einer Geldschaffung aus dem Nichts (**) kann also nur verfallen werden, weil das Eigentum in seinen entscheidenden Potenzen der Belastbarkeit und Verpfändbarkeit vollkommen ausgeblendet bleibt. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Betz »Rechte auf Sachen« zum Ausgangspunkt seiner Analyse nimmt, die von den neoklassischen Besitzrechten an einer Erstausstattung ununterscheidbar werden. Die ökonomischen Funktionen des Eigentums wirken gerade und ausdrücklich jenseits ihrer Sachenqualität.“ (Ebd., S. 239-240).

„Riese kann seinen im Kern richtigen Vorwurf gegen die Vorstellung eines Güterverzichts in der Kreditvorstellung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie deshalb nicht auf einen vielversprechen Weg leiten, weil er Geld »aus dem Nichts« (**) schöpft. Genuines Geld ist immer durch Eigentum gedeckt. Das gilt auch für die Emissionsdeckung durch Devisen (das heißt kurzfristige und verzinsliche Forderungen in einer Fremdwährung), die wiederum nur als eigentumsgedeckte für diese Rolle in Frage kommen. Bei der Geldschöpfung durch private Notenbanken verfügen diese über Eigentum, das sie belasten. Bei der Geldschöpfung durch die Zentralbank wiederum gibt diese ihr Geld nur gegen den Erwerb der Eigentumstitel von Geschäftsbanken heraus. Gütermäßig leisten in der Tat weder private Notenbanken noch Zentralbanken einen Verzicht. Erstere räumt dem Inhaber ihrer Noten jedoch ein Anrecht auf ihr Eigentum ein, das durchaus unbewegt bleibt, aber im Fall der jederzeit möglichen Einlösung übertragen werden muß. Die Zentralbank wiederum zwingt ihren Schuldner Geschäftsbank dazu, auf die Verfügung über ihr Eigentum während der Dauer des Kreditkontraktes mit der Zentralbank zu verzichten.“ (Ebd., S. 240).

„Ohne die Übertragung von Eigentumstitel an sie kann also auch die Zentralbank nicht in Aktion treten. Deshalb handelt sie ganz und gar nicht bloß kraft ihrer Autorität. Die Verbindlichkeiten der Geschäftsbank gegenüber der Zentralbank sind also mehr als das bloße Versprechen, Zins zu zahlen und das geliehene Geld zu refundieren. Rieses These, »Geld entsteht gegen Zahlung eines Zinses im Gefolge eines Kreditkontraktes zwischen Zentralbank und Schuldner« (Hajo Riese, Geld - Zeit - Wert, 1995, a.a.O., S. 76) greift daher um das Wesentliche zu kurz. Unberücksichtigt bleibt nämlich die Sicherheitsleistung des Schuldners, das heißt seine Verpfändung von Eigentum. Darüber hinaus wird nicht gesehen, daß der Schuldner generell für die Qualität seiner Verpfändung überdies mit seinem nicht verpfändeten Eigentum zu haften hat. Die Deutsche Bundesbank etwa weiß das sehr genau, wenn sie in ihren Richtlinien für »Geschäfte mit Kreditinstituten« vorschreibt, daß beim Diskontkredit im Prinzip Wechsel nur dann gekauft werden können, wenn für die im Wechsel fixierten Forderungen »drei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften«. Ganz entsprechend wird beim sogenannten Lombardkredit verzinsliche Darlehen gegen Wechsel als Pfänder - bei Verzug des Schuldners der Bundesbank das Recht eingeräumt, »das Pfand durch einen ihrer Beamten ... zu versteigern.« (Gesetz über die Deutsche Bundesbank, in: Deutsche Bundesbank, Die Deutsche Bundesbank, a.a.O., § 19).“ (Ebd., S. 240-241).

2a) Eigentumsbestände versus Güterbestände bei der Emission und Kreditierung von Geld

„Was bedeutet nun die Gläubigerhaftung bei der Geldschaffung? Sie bedeutet keineswegs, daß - wie Schumpeter richtig gesehen hat, ohne allerdings den Grund der Haftung zu verstehen - die Geldschöpfung lediglich ein technischer Vorgang sei, der »auf Tausch von Ware gegen Ware, also auf Vorgänge in der Güterwelt schlechthin zurückgeführt wäre.« (Joseph Alois Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911, Kapitel 3, S. 146). In der Tat wird mit dem geliehenen Geld eine Nachfrage erzeugt, auf die hin neue Güter überhaupt erst produziert werden können. Also entsprechen diesem Geld keine vorab schon existierenden Güter, so daß die Geldemission ganz offensichtlich nicht durch fehlende Güter begrenzt wird. Das bedeutet aber keineswegs, daß sie unbegrenzt ist. Den Krdeitgeber beunruhigt nämlich nicht, daß der Schuldner Güter erst produzieren soll und evrkaufen muß, bevor er refundieren kann. Zitiefst beunruhigen würde ihn allerdings, wenn da vom Schuldner als Sicherhiet gestellte Eigentum nicht existierte bzw. ein Nichts wäre.“ (Ebd., S. 241-242).

„Was macht nun der mit Eigentum haftende Schuldner während des Kreditzeitraums mit dem geliehenen Anrecht auf das Eigentum des Gläubigers? Er behandelt es wie sein eigenes. Warum hat er dann aber Eigentum verpfändet, um an Geld heranzukommen, statt es direkt durch Verkauf in Geld zu verwandeln? Er hätte in diesem Fall seine Nutzungsrechte unmittelbar verloren. Er hätte nur noch das Geldeigentum, während ihm bei Aufnahme eines Darlehens sein verpfändetes Eigentum mit seiner besitzmäßigen Nutzungsseite bleibt.“ (Ebd., S. 256).

„Durch die Existenz der Prämie auf Eigentum, die bei Belastung bzw. Blockierung desselben in eine Zinsforderung verwandelt wird, behandeln alle Eigentümer - unabhängig davon, ob sie Gläubiger oder Schuldner sind - alles Geld wie ihnen kreditiertes, wenn sie es »real« investieren, das heißt es in Kapitalgüter verwandeln. Da ein Investor jederzeit Geld in zinstragende Titel verwandeln könnte, wird seinem Geld bei selbstfinanzierter Investition ein kalkulatorischer Zins angerechnet, der dem Kreditzins entspricht.“ (Ebd., S. 256).

„Bei dieser Selbstfinanzierung mit Eigenkapital als unbelastetem, Eigentum erhält das Eigenkapital keineswegs den Charakter des Fremdkapitals, welches eine Verbindlichkeit gegen andere darstellt, auch wenn das Eigenkapital wie das Fremdkapital in der Vermögensbilanz auf der Passivseite steht, was aber nur aus buchungstechnischen Gründen geschieht. Als Überschuß der Aktiva über die Passiva ist das Eigenkapital ein Vermögen, das zur Sicherung der Aktiva dient.“ (Ebd., S. 256-257).

2b) Die Unmöglichkeit eines Warengeldes

„Aus welchem Mechanismus heraus entsteht nun die Suche nach einem Umgang mit Eigentum, der güterförmige bewegungen und Verluste ausschließt? Es ist zuerst der private Gläubiger, der sein Eigentum für die Emission von geld heranzieht. Dabei geht es ihm darum, das geld vor dem Schicksal eines nutzbaren Gutes unbedingt zu bewahren. Zins wird von ihm ja gerade nicht als Gut, sondern für den Ausbau der Eigentumsposition gesucht.“ (Ebd., S. 257-258).

„Aus dem fundamentalen Interesse der Eigentümer an Eigentumssicherung und Eigentumsvermehrung finden sie bereits in der Antike dazu, nicht etwa Güter physisch zu bewegen, sondern dokumentarisch - auf Metall, Ton, Papier und ähnlichem - fixiene Ansprüche gegen ihr Eigentum - insbesondere also gegen Grund und Boden - in Umlauf zu bringen. Der Eigentümer als Gläubiger muß bei solcher Kreditoperation keinerlei Verzicht auf Güter leisten -wie im neoklassischen Denken vorausgesetzt wird -, hat aber - was im monetärkeynesianischen Denken übergangen wird - ein Anrecht gegen sein Eigentum herausgegeben, das ihm jederzeit als Kaufmittel präsentiert werden kann, gegen das er dann Eigentum übenragen muß. Bekanntlich laufen frühe Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zwischen altmesopotamischen Eigentümern nicht nur über Silber oder nur über Getreide und andere Agrarprodukte, sondern auch als gemischte SilberGetreide-Kontrakte ....“ (Ebd., S. 258).

„Aus unserer Analyse der altmesopotamischen Kontrakte ... ergibt sich, daß produzierte waren niemals Geld gewesen sind - auch in den unstrittig agrarisch geprägten Frühformen der Eigentumsgesellschaft, an der eben nicht der Ackerbau, sondern das Eigentum diejenige ökonomische Größe wird, deren Belastung - und gerade nicht Verleihung - zum Gelde führt.“ (Ebd., S. 262).

2c) Die Geburt der Bank aus dem stärksten privaten Gläubiger

„Sehen wir uns die Eigentümer aus der Antike näher an, zwischen denen die Kreditkontrakte geschlossen werden. Der Schuldner haftet hier mit Eigentum an Grund und Boden, während der Gläubiger durch zeitweilige Aufgabe seiner Eigentumsprämie sein Eigentum belastet, was zur Zinsforderung führt und darüber hinaus die kreditienen Anrechte auf das Eigentum, das eigentliche Geld, riskien, was ihm die Sicherheitsübereignung von Eigentum des Schuldners einbringt.“ (Ebd., S. 264).

„Beide Partner sind aufs höchste an der Kontrakterfüllung interessiert. Der Schuldner will nicht mehr leisten als er vereinbart hat, will also seine Kontraktfähigkeit als Eigentümer, das heißt seine Kreditwürdigkeit, erhalten. Der Gläubiger mag (mag!) versucht sein, vor Ablauf der Kontraktzeit die Anrechte gegen sein Eigentum zurückzugewinnen oder den Venrag auf andere Weise zu verletzen. Diese Interessenlage bringt umgehend die Institution der Kontraktbezeugung durch Dritte in die Welt. Schon Hesiod belegt - wie gesagt - das Elementare dieser Operation für die Eigentumsökonomie: »Und auch beim Bruder, mit Scherz, aber doch einen Zeugen hinzuziehen. Zutrauen hat schon genauso wie Mißtrauen Männer vernichtet.« (Hesiod, Werke und Tage, 371f.).“ (Ebd., S. 264-265).

„Solche Bezeugungsarbeit zwischen Kreditpartnern kann selbstredend von jedem Eigentümer ausgeführt werden. Da es in den Kontrakten um die elementaren ökonomischen Interessen der Eigentümer geht, darf nicht überraschen, daß es private Gläubiger und Schuldner und nicht professionelle Bankhäuser sind, die zuerst - durch Aufgabe der Eigentumsprämie - als Schließer bezeugter Kontrakte Anrechte auf Eigentum als Geld übertragen, Eigentum belasten und verpfänden sowie Zins vereinbaren: »Private Darlehensgeber existieren, aber keine privaten Bankunternehmer.« (Fritz Moritz Heichelheim, »Bankwesen«, in: Der kleine Pauly, 1979, Band 1, Sp. 819).“ (Ebd., S. 265).

„Dieser Sachverhalt besagt, daß im Prinzip jeder Eigentümer Anrechte gegen sein Eigentum als privat emittiertes Geld verleihen und damit als eigene Währung in Umlauf bringen kann. Es können mithin so viele unterschiedliche Währungen entstehen, wie individuelle Darlehensgeber Ansprüche gegen ihr Eigentum kreditieren.“ (Ebd., S. 265).

„Aus den unterschiedlich starken Eigentümerpositionen resultiert eine Rangordnung in der Akzeptanz der von ihnen emittierten Gelder als Zahlungsmittel. Für die Lösung dieses Konkurrenzproblems wird von den individuell emittierten zu überindividuell emittierten Geldern vorangeschritten. Auf diesem Wege erst entstehen die Banken ganz analog zur späteren Gründung der Zentralbank, die mit ihrem Geld als einem einheitlichen Zahlungsmittel die Gelder der konkurrierenden privaten Notenbanken ersetzt.“ (Ebd., S. 265).

„Die ersten Banken erfinden also das Geld nicht, sondern fassen lediglich individuell emittierte - und damit nicht mehr konkurrierende Gelder zu einer umlauffähigeren Form zusammen. Geld ist erfunden, sobald ein Eigentümer Ansprüche gegen sein Eigentum einem anderen Eigentümer kreditiert, wofür dieser Zins und Tilgung verspricht sowie einen Teil seines Eigentums verpfändet. Der historische Befund weist in dieselbe Richtung, wenn es vom »Münzgeld« heißt, daß es »als Mittel zur Umwandlung immobilen Vermögens in rechenbares Vermögen« (C. G. Starr, a.a.O.) geschaffen wurde. Setzt man - worauf die Historiker nicht kommen - für »immobiles Vermögen« Eigentum an Grund und Boden und für »rechenbares Vermögen« Anrechte auf dieses Eigentum, dann hat man die Theorie der Geldentstehung verifiziert. (**).“ (Ebd., S. 265-266).

„Dieser Befund widerspricht dem von der Berliner Schule behaupteten besonderen bzw. ersten »historischen Moment«, an dem Tempel qua religiöser Autorität für die zeitweilige Überlassung von Gütern an sie einen Zins versprechen und diese Güter so in das erste Geld transformieren. (Vgl. Hajo Riese, a.a.O.). Gegen diese Vorstellung sprechen auch die Überlieferungen zur Transformation von Bratspießgeld zu Münzgeld in Griechenland: »Die Münze schufen wohl Privatleute für wirtschaftliche Zwecke, doch lassen Bilder wie der lydische Löwe, die Biene von Ephesus u.a. erkennen, daß die Ausgabe bald in staatliche Regie gelangte.« (H. Chantraine, »Münzwesen«, in: Der kleine Pauly, 1979, Band 3, Sp. 1448). Wir werden noch sehen, daß dieses »bald« nicht für ein bloßes zeitliches «später« steht, sondern einen zweiten Schritt bedeutet, der nach der Schöpfung unterschiedlicher privater Währungen für eine bessere Akzeptanz und damit Umlauffähigkeit von Geld durch Verdrängung der schwächeren Emittenten sorgt.“ (Ebd., S. 266).

„Es sind also weder säkulare noch klerikale private Bankhäuser, die am Beginn des Kredit- und Geldwesens der Eigentumswirtschaft stehen, sondern Eigentümer, die Anrechte gegen ihr Eigentum kreditieren und sie so zu Zahlungsmitteln machen. Wiederum sagt die historische Forschung, die sich in diesem Falle nicht einmal für die Theorie der Geldentstehung interessiert, nichts anderes: »Der Kredit in seiner juristischen Ausgestaltung, die Sicherheiten und die Zinserhebungen dürften nicht zuerst in den Tempeln praktiziert worden sein. Die Privatkontrakte sind viel älter als die heiligen Kontrakte. Wir glauben, daß es Privatleute, Kaufleute oder Eigentümer, gewesen sind, die den Schuldkontrakt erfunden haben. Unter den (mesopotamischen) Dynastien von Isin und Larsa haben dann die Heiligtümer ... die Privatkapitalisten nachgeahmt.« (R. Bogaert, a.a.O.). Auch das »nachgeahmt« ist nicht einer Imitationslust geschuldet, sondern ein zweiter - aus Emittentenkonkurrenz geborener - geldvereinheitlichender Schritt.“ (Ebd., S. 266-267).

„Anders als die Berliner Schule glaubt, können individuelle Eigentümer sehr wohl die »spezifische Funktion« Zahlungsmittel zu produzieren«, wahrnehmen. Es bedarf keineswegs religiöser oder herrschaftliche Autorität für diesen Akt. Vielmehr wird das Maß der Glaubwürdigkeit, mit der Verpflichtungen aus Eigentum erfüllt werden können, zur Bedingung dafür, daß ein Eigentümer Zahlungsmittel schaffen, also Anrechte gegen sein Eigentum als Geld emittieren kann. Für diese Entwicklung bleibt zweitrangig, ob eine solche Eigentumsposition von weltlichen oder klerikalen Personen erlangt wird.“ (Ebd., S. 267).

„Es versteht sich, daß die von Gläubiger-Eigentümern ermöglichten Kreditbeziehungen zwischen sich und anderen Eigentümern, die nach Sicherheitsleistung (Verpfändung) Schuldner werden, nichts mit der neoklassischen Vorstellung des Verleihens gemein haben. Dieser Vorgang wird nicht als Kreditierung verstanden, das heißt, Blockierung von Gläubigereigentum) sondern als zeitweilige Verleihung von physischen Gütern, bei der ein Gläubiger seine Güter einem Schuldner zur Nutzung überläßt. Damit ein Kontrakt zwischen beiden zustandekommen und erfüllt werden kann, bedarf es eines dieser Güter als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel. Es ist dieses besondere Gut, das die Neoklassik als Geld betrachtet.“ (Ebd., S. 267).

„Gegen die neoklassische Geldsicht wendet Riese zu Recht ein, daß die Funktion des Tausch- und Wertautbewahrungsmittels auch von anderen Gütern erfüllt werden könne, während Geld gerade nicht durch Güter ersetzt werden kann. (Vgl. (Hajo Riese, Geld - Zeit - Wert, 1995, a.a.O., S. 75). Riese vernachlässigt allerdings, daß die Kreditbeziehungen zwischen Eigentümern mit einer zeitweiligen Überlassung von Gütern rein gar nichts zu tun haben. Eigentümer können Zahlungsmittel schaffen, was neoklassischen Besitzern und Verleihern von Gütern in der Tat unmöglich ist. Der Eigentümer als Gläubiger leistet ja - anders als der neoklassische Gläubiger - keinerlei Güter- bzw. Kosumverzicht, sondern emittiert einen gegen sein Eigentum gerichteten Anspruch, also Geld. Das Eigentum selbst bleibt dabei unbewegt, unbearbeitet und unvermindert. Aber es muß da sein und riskiert werden. Mit dieser gänzlich güterfreien Operation antizipieren die Eigentümer als private Geldschaffer die Noten emittierenden Banken, die in diesem zentralen Punkt nichts Wesentliches mehr hinzufügen können.“ (Ebd., S. 268).

„Von Beginn an entscheidend wird im Altertum die Verankerung der Kreditoperationen in Grundeigentum. Banken, die diese Geschäfte eigenständig betreiben, sind anfänglich immer »berufliche Privatbanken« (Fritz Moritz Heichelheim, »Bankwesen«, in: Der kleine Pauly, 1979, Band 1, Sp. 819), die auch später gegenüber den staatlichen und klerikalen Kreditunternehmen ihre Bedeutung nicht verlieren. Schon in Mesopotamien werden Bankgeschäfte also »nicht nur von den königlichen Schatzhäusern und Tempeln, sondern häufig auch von Privatleuten betrieben.« (Fritz Moritz Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums, 1938, S. 145 / 345).“ (Ebd., S. 268).

„Wie gelangen nun in der Konkurrenz zwischen den Eiegtümern die klerikalen in eine so überlegene Vermögensposition, daß sehr sie zur Bank heranwachsen, also die vielen von priavten Eigentümern emittierten Gelder durch ein einheitliches ersetzen können? Ein wichtiger Grund für ihre Vermögenszunahme hat durchaus mit Religion zu tun. Für erlangtes Heil dankbare oder auf Heil hoffende Gläubige schaffen durch Schenkungen und Erbschaften den Institutionen der Pietät Vorteile, auf die ander Eigentümer kaum hoffen können.“ (Ebd., S. 269).

„Das Geld der Tempel wird in diesem Verdrängungswettbewerb nach und nach zum exklusiven Zahlungsmittel und damit der Tempel zum Prototyp der Bank. Mit diesem Schritt ist jedoch die Kreditpotenz der säkularen Eigentümer nicht ausgelöscht. Als Gläubiger treten nun auch sie mit dem Tempel in einen Kreditkontrakt, in dem diese Bank ihr Schuldner wird. Damit erweitert sich die Tempelbank zur Depositenbank. Aus dieser Enwicklung wird deutlich, daß die Bank nicht als Vermittler zwischen Gäubigern und Schuldnern entsteht. Vielmehr wird der stärkste Eigentümer zum Emittenden des besten Geldes und nötigt dadurch die schwächeren Gläubiger in die Rolle der Einleger. Um diese konkurriert sie wiederum mit anderen Banken, gegenüber denen sie umso eher reüssiert, je mehr belastbares Eigentum sie kommandiert. Dieses manifestiert sich schließlich in jenem Reichtum, der die bekannten steinernen Tempelbauten mit kostbaren Säulen, Kapitellen und Reliefs ermöglicht, die man heute mit einer Tempelbank assoziiert und die auch manche moderne Bank noch zieren.“ (Ebd., S. 271).

„Diese dominierende Stellung der Tempelbanken vollzieht sich beispielsweise in Griechenland .... Ebenso wie also die Eigentumswirtschaft nicht von einem ursprünglich akkumulierten Reichtum kommt, sondern ganz im Gegenteil von - im Vergleich mit den früheren mykenischen Feudalherren - armen Privateigentümern auf den Weg gebracht wird, sind in der Frühzeit der eigentumsgeprägten Polis auch die Tempel »enge Gebäude mit einem Raum und einer Vorhalle«, die lediglich »aus Holz, Bruchstein oder getrockneten Lehmziegeln« zusammengefügt sind. (Vgl. M. I. Finley, a.a.O.).“ (Ebd., S. 271).

„Wir kennen nunmehr im Geflecht der Gläubiger-Schuldner-Kontrakte drei Typen von Eigentümern: (I) den Gläubiger »Nichtbank«, der Einleger bei einer Bank ist, (II) den Schuldner »Nichtbank«, der Kreditnehmer bei einer Bank ist und (III) die Bank als Schuldner gegenüber einem Gläubiger «Nichtbank« und als Gläubiger gegenüber dem Schuldner »Nichtbank«.“ (Ebd., S. 272).

„In diesem System, das eine Kreditbeziehug zwischen dem Gläubiger »Nichtbank« und dem Schuldner »Nichtbank« sowie eine Geldemission durch den Gläubiger »Nichtbank« ausschließt und in dem die Bank nicht nur Kredit gibt und Einlagen annimmt, sondern auch Geld emittiert, gelten folgenden Eigentumsbeziehungen: Der Gläubiger »Nichtbank« trennt sich auf Zeit von Geld, das die Bank durch Belastung ihres Eigentums emittiert und erworben hat. Er hält eine verzinsliche Forderung gegen die Bank. Dem Schuldner »Nichtbank« wird nun nicht das vom Gläubiger »Nichtbank« deponierte, sondern das von der Bank selbst emittierte Geld kreditiert. Sie ist es, die ihr Eigentum belastet und nicht der Gläubiger »Nichtbank«. Die Bank ist mithin keine Vermittlungsinstanz zwischen Gläubigern und Schuldnern als Nichtbanken.“ (Ebd., S. 272).

„ Wie verhält es sich in diesem Geflecht mit der Eigentumsprämie und dem Zins? Auf die Eigentumsprämie verzichtet die Bank als Geldemittent, während die Bank als Schuldner nicht anders als der Schuldner »Nichtbank« Zins zu erwirtschaften hat und beide durch Haftung Eigentumsprämie aufgeben.“ (Ebd., S. 272).

„Das Eigentum, mit dem gehaftet wird, ist in der Frühzeit der Eigentumsökonomie - wie oben gezeigt wurde - im wesentlichen Grund und Boden. Bis heute dominiert diese nicht-produzierbare und deshalb am wenigsten von Wertverfall bedrohte Eigentumsform das Geldwesen. So ist - wie gesagt - für japanische Banken gut belegt, daß sie Kredite gegen die Sicherheit von Grund und Boden, nicht von Gebäuden vergeben.“ (Ebd., S. 272).

„Warum werden diese Anrechte bzw. das Geld von Ressourceneigentümern, denen der jetzt bei der Bank Verschuldete sie offeriert, akzeptiert? Warum also verkaufen sie etwas gegen Anrechtsscheine, die noch keinesfalls gesetzliches Zahlungsmittel sein müssen, ihn also nicht zur Annahme zwingen? Der Akzeptant weiß, daß er die Anrechte gegenüber ihrem Aussteller, der Bank also, jederzeit als Forderung präsentieren und von dieser dafür Eigentum erhalten kann, mit dem ja wiederum sie für die emittierten Anrechtstitel haftet. Anders formuliert: Mit den von der Bank herausgegebenen Anrechten kann umgehend Eigentum der Bank gekauft werden. Der Akzeptant kann mithin jederzeit wieder Eigentum kaufen, gewinnt vor allem aber die Fähigkeit, seine Geldschulden zu bezahlen, die bei jedem Kreditkontrakt anfallen. Der Geldannehmer geht mithin davon aus, daß die Anrechte emittierende Bank als zureichender Eigentümer ausgewiesen ist. Zusätzlich - was aber für die Akzeptanzposition der Bank selbstverständlich nicht ausschlaggebend ist - geht er davon aus, daß sie diese Anrechte immer nur dann herausgibt, wenn sie Eigentum verpfändende Schuldner für zinsbelastete Kreditverträge gewonnen hat, ihr Eigentum also nicht nur belastet, sondern auch sichert.“ (Ebd., S. 274).

„Der Verkäufer wird nur bereit sein, im Kaufkontrakt Eigentum aufzugeben, wenn er dafür einen echten Eigentumstitel, wie an Grund und Boden gebundenes Geld, und nicht irgendein qua Ermächtigung als Geld gesetztes Medium (wie etwa das »Heilige Geld« der Monetärkeynesianer) erhält. Es ist mithin ausschließlich die Einbeziehung der Geld emittierenden Instanz in die Eigentümervernetzung, die das Geld akzeptabel macht. Eine den privaten Kontraktbeziehungen entzogene Macht wäre für die gesellschaftliche Durchsetzung von Geld gerade die ungeeignetste Instanz, da die Eigentümer sie zur Einhaltung von Verpflichtungen, und das heißt wiederum zur Leistung aus ihrem Eigentum, nicht zwingen könnten. Je größer mithin die kontrahierbare Eigentumsposition der Geld emittierenden Instanz ausfällt, desto stärker wird ihre »Macht« zur gesellschaftlichen Durchsetzung ihres Geldes. Die eigene Eigentumsposition mit zusätzlichem Eigentum auszubauen, muß denn auch bereits die antike Eigentumsökonomie beherrschen. Hesiod hat dafür einen unsterblichen Vers gefunden: »Auf daß anderer Land du erwirbst, nicht deines ein andrer.« (Hesiod, Werke und Tage, 341).“ (Ebd., S. 274).

2d) Die Geburt des eigentlichen Geldes aus der Belastung von Eigentum

„Obwohl die gesamte Geldforschung daran gescheitert st, die Herkunft des eigentlichen Geldes (money proper) aus Gläubiger-Schuldner-Kontrakten zwischen Eigentümern zu erfassen haben ihre scharfsinnigen Vertreter immerhin vermutet, daß die Münze wegen der sehr hohen Nennwerte der frühen Stücke nicht zur Tauscherleichterung erfunden wurde, sondern als Mittel zur Umwandlung immobilen Vermögens in rechenbares Vermögen diente. (**).“ (Ebd., S. 277).

„Wir ... erklären den Zins aus der zeitweiligen Blockierung von Gläubigereigentum. Die mit seiner Belastung aufgegebene Eigentumsprämie ist es, die der Schuldner mit Zins kompensieren muß. Die Blockierung bewirkt - wie gezeigt -, daß Eigentum weder veräußert noch neuerlich für Geldschaffung belastet bzw. für die Verschuldung verpfändet werden darf, aber umgehend an Einlöser des emittierten Geldes übertregen werden muß.“ (Ebd., S. 278).

„Grundsätzlich knappgehalten wird Geld von der Bereitwilligkeit, Anrechte auf Eigentum zu kreditieren und Eigentum selbst zu verpfänden. Eigentum selbst wiederum ist knapp, weil es Eigentümer hat und eben kein sogenanntes freies Gut darstellt. Nicht also Häufigkeit oder Seltenheit ein Gutes bestimmen, ob es »frei« oder knapp ist. Auch das physisch reichlich vorhandene Gut wird ökonomisch knapp, wenn es einen Eigentümer hat, der also über seinen Einsatz entscheiden kann (Halten versus Belasten bzw. Verpfänden), und das selten Gut ist ökonomisch »frei«, wenn es keinen Eigentümer hat.“ (Ebd., S. 279).

2e) Die unabdingbare Sicherung der Geldemission durch Eigentum auch im modernen, zweistufigen Bankensystem

„Eine Golddeckung bedeutet ... keine Deckung einer auf Papier gedruckten Note durch ein Geldstück aus Gold, sondern eine Deckung der Papiernote durch Eigentum in Form von Gold zu einem von der Bank garantierten Preis in Höhe des der Note aufgedruckten Betrages. So garantierte etwa die Bank von England im 19. Jahrhundert, daß jemand, der ihre Noten hielt, nicht besser gestellt war als jemand, der ein bestimmtes Gewicht Gold hielt. Das Statut der Bank von England »verpflichtete sie ... nicht nur, jedem Einlieferer ihrer Noten gebührende Edelmetallmengen auszuhändigen, sondern vor allem ... für eine mit dem Feingewicht von 7,32239 Gramm bestimmte Goldmenge jedem Einlieferer unter allem Umständen ...eine Banknote mit dem Nennwert 1 Pfund Sterling herauszugeben. .... Das erst stabilisierte den Preis des Goldes.« (Hans-Joachim Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, 1994, S. 174).“ (Ebd., S. 286-287).

„Bis zum Zweiten Weltkrieg sind die im 19. Jahrhundert entstanden Zentralbanken dem Prinzip der Bank von England gefolgt. So stand zum Beispiel auf den Banknoten des Federal Reserve System der USA nicht allein, daß sie gesetzliches Zahlungsmittel für alle Schulden, sondern auch »einlösbar in gesetzmäßiges Geld«, seien. Dabei handelte es sich um ungemünztes Gold. Gold an sich für gesetzmäßiges Geld, Banknoten jedoch für davon abgeleitetes gesetzliches Zahlungsmittel zu halten, war nun einer bis hin zu Keynes fortgeschleppten Illusion geschuldet. Sie beruht auf dem bis heute gerne geteilten Irrtum, daß Münzen Geld waren, weil man sie aus wertvollem Edelmetall schlagen konnte, einlösbare Banknoten dagegen kein Geld, weil sie das Edelmetall nur repräsentierten. Die Münze aus Edelmetall war aber - wie gezeigt - niemals etwas anderes als eine auf Edelmetall statt auf Papier gedruckte Banknote. Erst der mit dem Papiergeld mögliche Mißbrauch - seine Abkoppelung von dem Wert belasteten Eigentums - hat jedoch etliche seiner Varianten so sehr in Mißkredit gebracht, daß dem Publikum als nicht wertloses und damit gesetzmäßiges Geld nur solches erschien, das in sich selbst Wert transportierte statt lediglich den Wert von Eigentum zu repräsentieren.“ (Ebd., S. 287-288).

„Ist es nun tatsächlich so, daß die modernen Zentralbanken ihre uneinlösbaren Noten ohne Deckung herausgeben? Wäre für ihr Geld die Eigenschaft des Geldes, Eigentum zu repräsentieren, aufgehoben? Könnte es also grenzenlos produziert werden? Für solchen Glauben spricht - wie oben bereits angesprochen - nichts: »Jede Zentralbank, die ein stabiles Geld anbieten will, kann das tun. Sie muß sich nur dafür entscheiden, ausschließlich Vermögenswerte anzukaufen, die für eine bankmäßige Deckung geeignet sind. Das sind Vermögenswerte, die eine Forderung gegen einen Eigentümer darstellen und nicht nur Zahlungsversprechen von Schuldnern sind.« (Hans-Joachim Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, 1994, S. 177). Richtig an dieser Formulierung ist, daß allein Zahlungsversprechen von Schuldnern nicht für eine ausreichende Deckung taugen. Allerdings muß präzisiert werden, was die Forderung gegen einen Eigentümer meint, da auch der Schuldner Eigentümer ist, dessen Zahlungsversprechen ohne haftendes Eigentum ja wertlos wäre. Die Forderung, auf die es für die Deckungsfähigkeit eines Vermögens ankommt, bezieht sich auf einen Eigentümer, der Gläubiger ist. Die seitens der Zentralbanken von den Geschäftsbanken geforderten »guten Handelswechsel« für die nur als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften können, stellen traditionell die geeigneten Vermögenswerte zur Deckung ihrer Geldemission dar. Diese Verpflichteten sind, wie jedem einschlägigen Lehrbuch für das Kreditwesen zu entnehmen ist, Gläubiger, die für die Eigenschaft des Geldes, Eigentum repräsentieren müssen, einstehen.“ (Ebd., S. 288).

„Schauen wir uns den Vorgang einmal im Detail an: Mit einem Wechsel bezahlt ein nicht sofort zahlungsfähiger Schuldner als sogenannter Bezogener zu einer bestimmten Frist eine Rechnung für gelieferte Waren über einen - in einem bestimmten Geldstandard - festgelegten Geldbetrag. Diese Wechselsumme liegt höher als die Rechnungssumme, da der Schuldner nicht sofort zahlt und für die ihm eingeräumte Frist Zins leisten muß. Dieser Wechsel wird vom Gläubiger als sogenanntem Aussteller geschaffen. Er unterschreibt auf der Vorderseite des Wechsels. Der Wechsel muß von dem im Wechsel als Bezogener benannten Schuldner angenommen werden. Diesen Akzept drückt der Bezogene durch seine Unterschrift ebenfalls auf der Vorderseite des Wechsels aus. Neben Bezogenem und Aussteller findet sich auf der Wechselvorderseite auch die Auskunft darüber, an welchen Wechselnehmer - den Aussteller oder einen von ihm benannten fremden Gläubiger, gegenüber dem der Aussteller selbst eine Verbindlichkeit aus einer Warenlieferung aufweist - der Bezogene zu bezahlen hat. Präsentiert der fremde Gläubiger den Wechsel dem Bezogenen und trifft diesen als nicht zahlungsfähig an, dann haftet der Wechselaussteller.“ (Ebd., S. 288-289).

„Obwohl der Bezogene also für seine Schuld gegenüber dem ausstellenden Gläubiger haftet, herrscht im Wechselverkehr das Prinzip der Gläubigerhaftung. Der Wechselnehmer, der dem ausstellenden Gläubiger Geld gibt, muß sich nicht um die Zahlungsfähigkeit des bezogenen Schuldners kümmern, sondern braucht sein Vertrauen nur auf die Zahlungsfähigkeit des ausstellenden Gläubigers zu setzen. Er vertraut damit auf die Sorgfalt des Gläubigers. Dieser haftet für Annahme (Zahlungsbereitschaft) und Zahlung (Zahlungsfähigkeit des im Wechsel Bezogenen). Seine Haftung führt zu einer besonderen Sorgfalt. Sie resultiert daraus, daß er nicht selbst dadurch in eine Zahlungspflicht geraten will, daß ein Dritter - der Bezogene - sich gegenüber dem Wechselnehmer als zahlungsunfähig erweist. Mithin wird ein Eigentümer überhaupt nur dann Aussteller eines Wechsels werden, wenn er wiederum der Eigentumsstärke des Bezogenen vertraut. Andernfalls wird der Zahlungsaufschub, der dem Aussteller vom Wechselnehmer durch Weitergabe des Wechsels an diesen gewährt worden ist, hinfällig, und der ausstellende Gläubiger muß seine Forderung an den bezogenen Schuldner abschreiben. Weil also der Gläubiger (Aussteller) bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verlieren soll und nicht der Schuldner (Bezogener), muß eine Ökonomie, deren Prinzip die Verteidigung von Eigentum ist, automatisch den Vorrang der Gläubigerhaftung etablieren.“ (Ebd., S. 289).

„Das Pprinzip der Gläubigerhaftung zieht sich durch den gesamten Lebenslauf des Wechsels hin bis zu seiner Einlösung. Diese muß entweder zu dem termin erfogen, der auf dem Wechsel vereinbart ist, oder - bei einem sogenannten Sichtwechsel - immer dann, wenn der Wechselnehmer ihn dem bezogenen vorlegt. Das Pprinzip der Gläubigergerhaftung besagt nun, daß jeder weitere Wechselnehmer seine Vorgänger in Haftung nimmt. Bei diesen weiteren Wechselnehmern handelt es sich wiederum um Gläubiger, gegenüber denen ihre Vorgänger Verbindlichkeiten haben, die durch Wechselnahme abgegolten werden. “ (Ebd., S. 289-290).

„Die für die Übertragung der Wechselrechte zu erfüllenden Formalitäten finden auf der Rückseite des Wechsels statt. Dort steht der Vermerk des Berechtigten aus dem Wechsel über die Übertragung der Wechselrechte - das sogenannte Indossament. Der Aussteller dieses Vermerks heißt Indossant, der neue Wechselgläubiger bzw. vorläufig letzte Wechselinhaber Indossatar. Dieser Indossatar kann nun alle ihm vorhergehenden Wechselgläubiger -einschließlich des Ausstellers -in beliebiger Reihenfolge mit ihrem Eigentum in Haftung nehmen, wenn der Bezogene nicht bezahlt. “ (Ebd., S. 290).

„Alle Wechselgläubiger - vom Aussteller bis zum letzten Indossatar - haben lediglich eine Forderung erhalten, die zwar gegen eine Verbindlichkeit aufgerechnet werden kann, aber kein Geld darstellt. Will ein Wechselgläubiger vor Ablauf der Verfallzeit des Wechsels an Geld herankommen, dann kann er ihn an eine Geschäftsbank verkaufen. Diese Bank gibt ihm nun zwar Geld, aber nicht in der Höhe der Wechselsumme. Von dieser zieht sie einen bestimmten Prozentsatz ab - den Diskont - und zahlt den Rest in Geld aus, das nun zum Erwerb von Eigentum verwendet werden kann. Warum muß der Wechselverkäufer diesen Diskont zahlen bzw. was läßt die Bank sich durch ihn ausgleichen? Diese Frage wird in der Geld- und Kredittheorie selbst dort nicht beantwortet, wo der Wechsel durchaus als Kern einer funktionierenden Geldwirtschaft wahrgenommen wird. Dieselbe Nichtthematisierung gilt für die einschlägige Literatur zum Wechselrecht. Eine Ausnahme ist wieder einmal Keynes (vgl. a.a.O.). Er hat beispielsweise in der Fachliteratur als »zinslose Darlehen« bezeichneten Kontrakten Altmesopotamiens angesehen, daß sie - ganz wie moderne Wechsel - Dokumente sind, auf denen eine Zinszahlung zwar nicht vermerkt ist, die gleichwohl aber einen zinsbelasteten Kredit ausdrücken, weil der gegebene Kredit geringer war als die zu zahlende Schuld am Ende der Frist.“ (Ebd., S. 290).

„Die Frage nach dem Diskont wird umgehend beantwortbar, wenn man in Erinnerung ruft, daß der Wechselschuldner (der Bezogene) eine über der Rechnungssumme liegende Wechselsumme akzeptieren mußte, weil der Gläubiger ihm Zahlungsaufschub gewährt hatte, für den Zins zu zahlen war. Die den Wechsel hereinnehmende Kreditbank, die selbst Banknoten emittiert, erhält eine für sie nicht weiter verzinsliche Forderung (den Wechsel), die sie erst zu einem späteren Zeitpunkt dem Bezogenen präsentieren kann. Für den Fall, daß dieser dann nicht zahlen kann, stehen wiederum die Wechselgläubiger mit ihrem Eigentum für die Bank in Haftung. Die Bank selbst gibt für den Wechsel Banknoten heraus. Diese stellen ebenfalls unverzinsliche Forderungen (gegen sie selbst) dar. Anders jedoch als der erst in der Zukunft präsentierbare Wechsel sind diese Forderungen sofort und jederzeit gegen Eigentum der Notenbank einlösbar. Zahlte sie für den erst in Zukunft einlösbaren und nicht weiter verzinslichen Wechsel mit ihren ebenfalls unverzinslichen, aber gegen sie jederzeit einlösbaren Forderungen in gleicher Höhe, dann würde sie einen Verlust erleiden. Sie hätte nämlich heute Eigentum blockiert, über das sie erst zu einem späteren Zeitpunkt -dem Zahlungstermin des Bezogenen - verfügen kann. Für diesen zeitweiligen Verlust der Eigentumsprämie auf ihr Eigentum haften die Wechselgläubiger nicht. Deshalb läßt sie sich ihn durch Zins vergüten, den sie dem Wechselgläubiger als Diskont abzieht.“ (Ebd., S. 291).

„Die Notenbank kann also ihre Banknoten erst nach folgendem Vorgang schaffen: Eine Zinsforderung ist entstanden, nachdem ein Eigentümer als Gläubiger gegenüber einem Eigentümer als Schuldner auf die ihm zustehende Rechnungssumme vorübergehend verzichtet hat. Zugleich haftet der Rechnungsgläubiger für sein dem Schuldner zeitweilig belassenes Geld gegenüber Dritten - also auch der Bank. Diese erhebt ihren Diskont also nicht deshalb, um die Herausgabe von Banknoten knappzuhalten. Vielmehr wird im Diskont der Zins fällig, der als Entschädigung für den zeitweiligen Zugriffsverlust des Gläubigers längst in der Welt war. Deshalb ist Geld ein Anrecht gegen Eigentümer, das keine Zinsen trägt, selbst aber nur gegen Zins zu haben ist.“ (Ebd., S. 291).

„Als entscheidende Instanz für den Verkauf von Wechseln gegen Geld dient seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr die private, sondern zunehmend die zentrale Notenbank. Im Prinzip ändert sich im Vergleich zur privaten Notenemission wenig. (1.) Es gilt: Auf den ihr präsentierten Wechseln müssen »mindestens drei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften. Die Bundesbank kann sich mit zwei Unterschriften begnügen, wenn die Sicherheit des Wechsels in anderer Weise gewährleistet ist. (2.) Der Wechsel soll ein guter Handelswechsel sein, das heißt, er soll aufgrund von Warengeschäften oder Dienstleistungen zwischen U nternehmen und/ oder wirtschaftlich Selbständigen begeben worden sein. (3.) Der Verkäufer ist verpflichtet, auf Verlangen über die geschäftliche Grundlage der Wechsel Auskunft zu geben.« (W. Grill u.a., a.a.O.).“ (Ebd., S. 291-292).

„Alle Verpflichteten sind Gläubiger. Das Minimum von zwei Gläubigern ergibt sich dann, wenn der Wechselnehmer und die den Wechsel zur Refinanzierung einreichende Geschäftsbank als Gläubiger gegenüber der Bundesbank haften. Dabei muß letztere bei Zahlungsunfähigkeit ersterer auf ihr Eigenkapital zurückgreifen, also ebenfalls haften. Erst bei Erfüllung dieser Bedingungen gibt sie nach Abzug des Diskonts eigentliches Geld (money proper) heraus. Auch Zentralbankgeld wird also keineswegs »aus dem Nichts« (**) oder »gleichsam mit einem »Federstrich« (**), geschaffen, wie das selbst Direktoren solcher Institutionen glauben und der Öffentlichkeit mitteilen. Vielmehr wird eigentliches Geld gegen Verpfändung oder Verkauf von Eigentumstiteln herausgegeben. Platzt der von der Zentralbank hereingenommene Wechsel, kann also beim Rechnungs- bzw. Wechselschuldner (dem Bezogenen) nach Ablauf der Verfallszeit der im Wechsel vereinbarte Betrag nicht eingetrieben werden, dann muß gegenüber der Zentralbank die Geschäftsbank aus ihrem Eigentum ganz unabhängig davon haften, ob sie sich beim Gläubiger, der ihr den Wechsel eingereicht hat, ihrerseits schadlos halten kann. Dieser wiederum haftet mit seinem Eigentum gegenüber der Geschäftsbank unabhängig davon, ob er sich beim Schuldner, dessen Wechsel er akzeptiert hat, schadlos halten kann. Es wird also deutlich, daß hinter dem Zentralbankgeld nicht nur einer, sondern eine Kette von Eigentümern steht, die allesamt Eingriffe in ihr Eigentum zugestanden haben müssen, bevor Geld generiert werden kann.“ (Ebd., S. 292).

„An diesem Schöpfungsprozeß von Zentralbankgeld wird einmal mehr deutlich, daß es nicht etwas ist, das von Priestern oder anderen trickreichen Personen vorab für außerökonomische Zwecke erdacht und gemacht werden muß, damit es danach durch Zinsangebote den ökonomischem Geldgebrauch auf den Weg bringt. Auch Zentralbankgeld entsteht - nicht anders als die Note einer privaten Emissionsbank - als ein Anrecht auf Eigentum. Auch die Zentralbank dokumentiert mit den Unterschriften ihrer Verantwortlichen auf den Banknoten, daß sie die Haftungsfähigkeit der Geschäftsbanken als Gläubiger geprüft hat.“ (Ebd., S. 292-293).

„Nun könnte die Zentralbank etwas tun, was Kreditbanken als Notenbanken aus Eigeninteresse tunlichst vermeiden. Letztere halten ihre Banknoten schon deshalb knapp, weil sie in der Konkurrenz mit anderen privaten Notenbanken bestehen müssen und deshalb darauf zu achten haben, daß sie nicht im Rufe stehen, einlösungsunfähig zu sein. Noten dieser Emissionsbanken wurden entsprechend dem Grad solcher Unsicherheit mit Ab- oder Aufschlägen gehandelt. Die zentrale Notenbank hingegen konkurriert im wesentlichen nur mit anderen Zentralbanken. Deren Währungen werden in der Regel politisch dadurch ausgeschaltet, daß sie nicht als gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen werden. Vor allem aus der Macht der Währungshoheit müssen Zentralbanken per Gesetz zu einem Verhalten gezwungen werden, das jede Emissionsbank ohne besondere Aufforderung von allein praktiziert. Man muß ihnen also regelrecht verbieten, Geld per Federstrich »aus dem Nichts« (**) zu schaffen. »Das Notengeld behält seine Schlüsselrolle allerdings nur, wenn sein Angebot nicht beliebig vermehrt werden kann«, heißt es deshalb im offiziellen Kommentar der Bundesbank zum »Gesetz über die Deutsche Bundesbank« (vgl. a.a.O.). Generell wird die Aufgabe, die Geldknapphaltung - das Vermeiden seiner beliebigen Vermehrung - durch Bindung an haftendes Eigentum nicht zu zerstören, durch den § 3 dekretiert, der verlangt. »die Währung zu sichern«. Wenn die Knapphaltung von Geld durch haftendes Eigentum durchgehalten wird, dann resultiert die Sicherung der sogenannten Zahlungsmittelfunktion aus der Vermeidung von Inlandsinflation (Verteidigung der Preisstabilität). Die Verteidigung des Wechselkurses bzw. die Vermeidung seiner Abwertung gegen andere Währungen als zweite zentrale Aufgabe der Währungssicherung wird ebenfalls dadurch erreicht, daß Geld nur gegen gehörige Sicherheiten generiert wird.“ (Ebd., S. 293-294).

„Auf welchem Wege kann nun das gefürchtete ungebremste Angebot von Zentralbankgeld entstehen? Kennengelernt haben wir bereits den »Zentralbankdefekt« des Federal Reserve System aus der Kurspflege der von der Zentralbank hereingenommenen staatlichen Schuldtitel durch die Zentralbank selbst (Glass.Steagall Act von 1933). Aber - mit der Gefahr einer Hyperinflationen - kann der Staat unter Ausschaltung belastender Gläubiger-Eigentümer seine Schuldtitel auch »ungepflegt«) bei der Zentralbank einreichen und sich dafür Zentralbankgeld aushändigen lassen.“ (Ebd., S. 294).

„Neben der Umgehung potentieller Gläubiger, die ihre Eigentumsprämie höher schätzen als die Zinsaussichten bei Belastung ihres Eigentums, können spekulative Wertsteigerungen des als Sicherheit stellbaren Eigentums (wie etwa Immobilien, aber auch Tulpenzwiebeln etc.) das Angebot an Zentralbankgeld erweitern. Der aus solchen Wertsteigerungen erwachsenden Wechselvermehrung, die zur Geldbeschaffung benutzt wird, begegnet die Zentralbank im allgemeinen konsequent durch eine Erhöhung ihres Diskonts oder notfalls durch eine Begrenzung des Rediskontkontingents der Geschäftsbanken.“ (Ebd., S. 294).

„Von Zentralbankleitungen wird eine solche restriktive Geldpolitik übrigens gerne damit verteidigt, daß hierdurch den Gefahren einer Inflation begegnet werde. Das ist aber nur richtig, solange man der quantitätstheoretischen Annahme folgt) daß die Höhe der absoluten Preise durch die Geldmenge bestimmt werde und nicht - wie wir seit Keynes wissen - durch die Höhe der Nominallöhne bei unveränderter Arbeitsproduktivität. Daß die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht bei der Zinspolitik, sondern bei der Einkommenspolitik in Gestalt einer Nominallohnpolitik angesiedelt werden muß, hat immer wieder Hajo Riese hervorgehoben. Durch Zinserhöhung der Inflation gegensteuern zu wollen, heißt nämlich, daß Investitionen ungebührlich verteuert werden, wodurch die Beschäftigung gefährdet wird.“ (Ebd., S. 294).

3) Die Überzeugungen vom Primat der Marktverfassung bzw. der Geldverfassung und das Fiasko der Transformation vom Sozialismus zur
           Eigentumsökonomie

„Zwar nicht belanglos, aber essentiell absolut nachgeordnet ist im monetären Procedere der Eigentumsökonomie, ob oboloi (Bratspieße), Münzen, private Banknoten oder Zentralbanknoten als eigentliches Geld (money proper) zum Zuge kommen. Alle diese Geldformen haben also einen zinsbelasteten Gläubiger-Schuldner-Kontrakt als Voraussetzung. Ungeachtet der für die Geldentstehung unverzichtbaren Gläubigerhaftung für diesen Kontrakt bleibt die Tatsache, daß in ihm Eigentum auf Zeit blockiert wird. Deshalb können nur Verträge zwischen Eigentümern dem Geld die Grundlage liefern.“ (Ebd., S. 296).

„Aus diesem Grund sind die in den realsozialistischen Staaten verwendeten Noten und Münzen eben kein Geld, sondern - im Unterschied zu Lebensmittelkarten - unspezifizierte Zuteilungsscheine. Die sogenannten Staatsbanken dieser Gesellschaften sind entsprechend auch keine Banken. Sie halten keine Aktiva, also Forderungen auf Eigentum, gegen deren Hereinnahme sie Banknoten emittieren. Von der Staatsbank der DDR galt dann folgerichtig: »Ihre Forderungen bestanden ganz überwiegend in Verbindlichkeiten öffentlicher Haushalte, Verbindlichkeiten der Produktionsbetriebe und der Verwaltungen der Wohnungswirtschaft. Es waren dies alles - zumindest kurzfristig, aber überwiegend auch auf Dauer - uneinlösbare, also mit Null zu bewertende Forderungen.« (Hans- Joachim Stadermann, Die Ungeduld beim Aufschwung Ost, 1993, S. 20). Die sozialistischen Banknoten waren lediglich Instrumente, mit denen die Staatsbank die Obrigkeit zu befähigen hatte, Ressourcen zuzuteilen und im Sinne der Ziele der zentralen Güterplanungsinstanz nutzen zu lassen.“ (Ebd., S. 296-297).

„Bei der Transformation sozialistischer Gesellschaften in Eigentumswirtschaften hat sich das Unverständnis der Eigentumsbasis von Zins und Geld bitter gerächt, indem man die Aufgabe der Umwandlung darin sah, sogenannte zentral geplante Verwaltungswirtschaften mit administrierten Preisen in dezentrale, von individuellen Preiskalkülen bestimmte Marktwirtschaften zu überführen. Entsprechend wurde damit begonnen, Preise freizugeben und der alten Staatsbank aufzuerlegen, Geld über Zins knapp zu halten. Dabei wurde übersehen, daß diese Bank weder einer Zentral- noch einer Geschäftsbank der Eigentumswirtschaft vergleichbar war und das von ihr ausgegebene »Geld« nicht durch eigentumsgedeckte Kontrakte generiert werden konnte. Daher konnte auch der »Zins« dieser Bank nicht aus der Eigentumsprämie entstehen. Man traute der Staatsbank eine solche Geld- und Zinskonstruktion aber zu, weil der kollektive Staatsbesitz mit frei disponierbarem Eigentum verwechselt wurde, das in einer Eigentumswirtschaft nicht nur die Einzelperson, sondern selbstredend auch der Staat haben kann.“ (Ebd., S. 297).

„Solange jedoch die Verwandlung von Besitz in Eigentum nicht erfolgt, wobei es erst einmal sekundär ist, ob dieses Eigentum privaten Individuen zufällt oder beim Staat angesiedelt ist, kann das Geld nicht leisten, was es in der »Markt«- Wirtschaft soll. Das willkürliche Knapphalten durch Überstülpen eines Zinses auf ohne Beziehung zum Eigentum in die Welt gekommenes Geld führt dann - wie allenthalben sichtbar - zum Lavieren zwischen Zusammenbruch der Produktion bei knappem und Hyperinflation bei nicht knappem Geld. Zusammenbruch der Produktion resultiert daraus, daß Geld immer noch zugeteilt wird und nicht durch Belastung von Eigentumstiteln in U mlauf gelangt. Die Hyperinflation wiederum entsteht daraus, daß man Geld ohne Hereinnahme solcher Titel ausgibt, also keine objektive Grenze das in sich knappe, da durch sein Angebot beschränkte Eigentum nämlich - für seine Emission setzen kann. Ein Zins, wie hoch auch immer, wird von den Betrieben einfach zugesagt. Bei ausbleibender Tilgung kann ihnen schließlich auch weiterhin nichts passieren. Es gibt die Betriebe nämlich nicht in der Form von Eigentum, das zu verteidigen wäre.“ (Ebd., S. 297-298).

„Es ist ein seltenes Glück für die alles in allem ja noch junge Berliner Schule des Monetärkeynesianismus, daß sie in der gegenwärtig erfolgenden Transformation von sozialistischen zu Eigentumswirtschaften die Chance erhält, ganze Nationen ihren Grundannahmen auszusetzen und ihre Axiome daran zu testen. Riese hat die aus seiner Theorie erwachsende Zuversicht für diesen großen Prozeß in einem Interview pointiert: »Dabei gebührt der Etablierung einer Geldverfassung absolutes Primat, da gesundes Geld die Grundbedingung dafür ist, daß sich Marktkräfte entfalten können, wie die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland nachdrücklich zeigt.« (N.N., a.a.O.).“ (Ebd., S. 298).

„Wir werden zum Markt im nächsten Kapitel (**) übergehen und können hier beim »Primat« der Geldverfassung für eine erfolgreiche Transformation bleiben. In dieser Vorstellung spiegelt sich einmal mehr die Überzeugung, daß der - doch allein für die Eigentumswirtschaft unverzichtbare - Geldgebrauch von einem Gelde komme, das außerökonomisch längst da gewesen wäre. Die elementare Bindung des Geldes an Eigentum wird wiederum nicht ins Auge gefaßt. Wäre diese Bindung erkannt, hätte selbstredend der Schaffung von Eigentum der theoretische Primat eingeräumt werden müssen. Das mißlingt auch deshalb, weil in der Berliner Schule vom Realsozialismus geglaubt wird, daß sein Staatsbesitz allemal schon »Staatseigentum« gewesen sei. (Vgl.. H. Herr / A. Westphal, Die Inkohärenzen der Planwirtschaft und der Transsformationsprozeß zur Geldwirtschaft, in: Systemwandel und Reform in östlichen Wirtschaften, Hrsg.: J. Backhaus, 1991, S. 156).“ (Ebd., S. 298).

„Was ihm nicht als Primat in den Sinn kommt, versucht Riese immerhin mit der sogenannten Vermögensfunktion des Geldes anzusprechen. Damit meint er die »Bereitschaft zur Kontrahierung, das heißt zum Eingehen eines Schuldverhältnisses, durch das (Geld-) Vermögen entsteht.« (Hajo Riese, Transformationsprozeß und Stabilisierungspolitik, in: Von der Plan- zur Marktwirtschaft, Hrsg.: B. Gahlen / H. Hesse / H. J. Ramser, 1992, S. 146). Für die frühe Bundesrepublik, an deren Beispiel er sich zu Bedingungen (»Verbindung von Protektionismus und niedrigem Zinsniveau«) für solche Vermögensbildung äußert, bleibt wiederum unerwähnt, daß ihre entscheidende Differenz zur früheren DDR die Eigentumsverfassung gewesen ist. Eine wirtschaftswissenschaftliche Auslotung dieses elementaren Unterschiedes wird nicht für notwendig erachtet. Es wird also nicht gesehen, daß die Verwandlung des Staatsbesitzes in belast- und verpfändbares Eigentum das A und O für die Konstituierung des ersehnten Vermögensmarktes darstellt.“ (Ebd., S. 299).

„Rieses Überzeugung vom Primat der Geld- vor der Eigentumsverfassung für eine erfolgreiche Transformation ihrer ehemals sozialistischen Gesellschaftssysteme ist in mehreren RGW-Staaten um einen hohen Preis gläubig aufgegriffen worden. Ein zugleich auch komisches Beispiel hat dabei der Monetärkeynesianer Andreas Hauskrecht geliefen, der die vietnamesische Regierung bei der Reform ihres Geldwesen beraten hat: »Statt die Gelder wie zu ›guten‹ sozialistischen Zeiten zuzuteilen, wenn auch gegen einen formalen Zins, ging die Zentralbank in Hanoi dazu über, die Kreditwünsche aller zu erfüllen, wenn sie nur bereit wären, den jeweils gefordenen Zins zu zahlen. Die Kreditnehmer erwiesen sich als völlig unempfindlich gegenüber auch astronomischen Zinshöhen und fragten massenweise Kredite nach. Die Folge waren Zentralbankbilanzen, die fast nur aus faulen Krediten bestanden. Noch dazu kam, daß die Kreditoren liebend gern ihre frisch geliehenen Dongs sogleich auf der Zentralbank in echtes Geld umtauschten, wodurch die Zentralbank ihre Devisenreserven verlor. Auf meine(Ulf Heinsohns) Frage, ob die Debitoren - also in der Masse die Staatsbetriebe - denn überhaupt schon liquidiert werden können und in sie vollstreckt werden könne, antwortete er (Hauskrecht) nein. Aber das brächte auch nichts, weil es da in der Regel nichts zu holen gäbe. Warum solche Betriebe überhaupt Kredit bekämen, beantwortete er so, daß man ja nicht die ganze Wirtschaft abwürgen könne. Die Tatsache, daß die Dong- Debitoren versuchten, Deviseneigentümer zu werden, führte er auf die Vormacht der westlichen Währungen zurück, die ihrer Außenhandelsüberschüsse wegen andere Währungen in die Überbewertung zwängen, so daß Vietnam kaum eine Chance habe. Daß die Flucht aus dem Dong wohl eher der Tatsache geschuldet ist, daß der dang substanzloses Papier darstellt, wollte Hauskrecht nicht gelten lassen, da er die Notwendigkeit einer Sicherheit für Kredite überhaupt abstreitet.« (Ulf Heinsohn, Bericht aus einem Seminar am Institut für Theorie der Wirtschaftspolitikn an der Freien Universität Berlin, Sommersemester 1994, Typoskript vom 20.12.1994).“ (Ebd., S. 299-300).

„Diese und ähnliche Konsequenzen unbesicherten Geldes haben die Verantwortlichen in anderen ehemaligen RGW-Staaten sehr schnell dazu genötigt, die theoretische Schützenhilfe aus dem Westen erst einmal beiseite zu lassen und sich aus eigener Kraft an die Gesetze einer Eigentumsökonomie heranzutasten. Das ist gut belegt für polnische Privatbanken, die es nach dem Zeugnis der gegenwärtigen Zentralbankpräsidentin, Hanna Gronkiewicz-Waltz, erst seit der Wende gibt: »Grundsätzlich gab es bis 1990 in Polen keine einzige Geschäftsbank.« (N.N., a.a.O.). Nach ihrer Gründung müßten diese Banken erleben, wie kreditsuchende Kunden - immerhin auf Märkten tätige Geschäftsleute - glaubten, daß man für sie einfach eine Schublade mit Bargeld öffnen und es ihnen geben würde, wenn sie nur bereit wären, dafür Zinsen zu bezahlen. Viele von ihnen hatten niemals ein Bankkonto gehabt. Man mußte sie in der Tat zur Eröffnung eines Kontos zwingen, damit sie überhaupt ein Darlehen erhalten konnten.“ (Ebd., S. 300).

„Die meisten Bankangestellten wußten nicht, was eigentlich zur Prüfung eines Darlehensantrags gehört. Die Zentralbank leistete ihnen dabei keine Hilfe. Sie fuhr mit der realsozialistischen Praxis des Druckens und Verteilens von Noten fort und glaubte - ganz wie beim »Geld aus dem Nichts« (**) der Berliner Schule -, daß alles schon seine Ordnung habe, wenn sie die Geschäftsbanken nur zur Zinszahlung nötigte. Allein dieser Zins bot eine Neuerung gegenüber der Vergangenheit. Gute Handelswechsel, die sie den Geschäftsbanken hätte abverlangen können, standen diesen wegen der Rarität eigentumspotenter Schuldner selbstredend auch kaum zur Verfügung. Deshalb schockierte allenthalben die Erkenntnis, daß es so etwas wie faule Schulden geben kann. Was die begeistert übernommene Theorie nicht bedenken konnte, brachte die Panik über platzende Kredite umgehend ins Bewußtsein. Die in hastig angesetzten Crashkursen zu lernende Grundlehre für die wichtigste monetäre Institution einer Eigentumswirtschaft -für das Bankwesen also - lautete denn auch: »Lektion 1: In der neuen Wirtschaft mußt Du vom Schuldner Sicherheiten verlangen.« (R. W. Stevenson, a.a.O.).“ (Ebd., S. 300-301).

„Was die wirtschaftstheoretischen Berater vom neoklassischen Schlage eines Jeffrey Sachs (Marktbefreiung) oder auch aus der monetärkeynesianischen Berliner Schule (zweistufiges Bankensystem mit Zins als Geldknapphalter) nicht erraten konnten, weil sie es doch nicht verstanden, haben am Ende die aus dem Westen so dringend ersehnten Unternehmer in den ehemals realsozialistischen Ländern ohne umschweife vorgetragen. So verlangten sie von der polnischen Regierung die Legalisierung des Eigentumserwerbs, indem sie »auf die Bedeutung von Immobilienbesitz (sic!) für die Betriebsfinanzierung, aufmerksam machten. Nachdem die Irreführung durch die westlichen Gelehrten sieben wichtige Jahre gekostet hatte (1989-1996), ist der Immobilienerwerb in Polen zwar immer noch nicht wirklich befreit, aber im März 1996 doch entschieden erleichtert worden. Selbstredend soll mit den neuen Gesetzen nicht Immobilienbesitz - wie der hier zitierte Wirtschaftsjournalist schreibt -, sondern Eigentum für die Kreditbesicherung zur Finanzierung der Betriebe geschaffen werden. Einmal mehr wird an diesem Schritt deutlich, daß Eigentum, dessen Belastung das Wirtschaften konstituiert, aus dem Nichts (**), durch bloßen Rechtsakt also entsteht und mit einer Akkumulation von Gütern - die es realsozialistisch ja gab - gar nichts zu tun hat. Das haben die polnischen Banklehrlinge erst jetzt begriffen und die westlichen Unternehmer ohnehin gewußt. Nun müssen nur noch die Wirtschaftstheoretiker informiert werden.“ (Ebd., S. 301-302).

„Auch in Ungarn - der ehemaligen »Volksrepublik« - werden Konsequenzen mangelnder Eigentumsschaffung bitter gespürt. Dort ist der Wohnungsbestand weitgehend »privatisiert« worden, so daß 90% der 10,5 Millionen Ungarn in den eigenen vier Wänden wohnen. Allerdings gelten 40% der Wohnungen als dringend renovierungsbedürftig und die Hälfte davon eigentlich als abbruchreif. Kredite für Renovierungen sind aber nur schwer zu erhalten: »Die Banken verlangen bei 30 Prozent Inflation und riesigen uneinbringlichen Forderungen in ihren Büchern für einen Kredit inklusive Gebühren derzeit 36 Prozent Zinsen im Jahr, räumen ihn wegen unzureichender Besicherung aber kaum ein. Denn Grundbucheintragungen benötigen Monate, sind teuer ..., und außerdem ist im Extremfall der Zwangsversteigerung für den Schuldner eine Ersatzwohnung bereitzustellen.« (N.N., a.a.O.).“ (Ebd., S. 302).

„Wir haben privatisiert in Anführungszeichen gesetzt, weil eben die Zwangsvollstreckung in die Wohnung bei Fallierung des Schuldners nicht ohne weiteres möglich ist. Die Bank muß dem Bankrotteur, dessen Wohnung sie zu versteigern hat, umgehend mit einer anderen Wohnung und am einfachsten dann ja wohl mit dieser Wohnung selbst versorgen. Das unbeschränkte Zugriffsrecht auf die vom Schuldner verpfändete Sicherheit existiert mithin nicht. Was Privatisierung genannt wird, erweist sich im entscheidenden Aspekt - fehlende freie Belast- und Verpfändbarkeit - lediglich als eine Umwandlung von Staatsin Privatbesitz bzw. zu »unvollständigem Eigentum.« (T. J. F. Riha, a.a.O). Deshalb fehlt in Ungarn nicht eigentlich das vielbeklagte Geld für die Renovierungen, das nun magisch aus dem Westen kommen soll. Vielmehr fehlt in Ungarn immer noch die freie Verpfändbarkeit von Eigentum, gegen das allein Geld im Kredit zur Verfügung gestellt werden kann. Ungarn braucht mithin lediglich einen Rechtsakt, der Eigentum tatsächlich konstituiert. Dessen Umsetzung macht keinerlei materielle Aufwendungen erforderlich, die von irgendwo anders geleistet werden müßten. Alles ist im eigenen Lande verfügbar.“ (Ebd., S. 302-303).

„Auch an der vielgerühmten - zu 100 Prozent durch Devisen gedeckten - estnischen Krone rächt sich die Vernachlässigung der Eigentumsverfassung bei der Einführung einer Geldverfassung. Mit Ratlosigkeit berichten die Berater der Europäischen Union, daß die estnischen Geschäftsbanken über keine Instrumente verfügen, Kredite zu vergeben, weil einmal die Einlagen nur geringen Umfang haben und im wesentlichen nur aus Sichtguthaben bestehen. Zum zweiten existiert eine Refinanzierungsmöglichkeit bei der Zentralbank ebensowenig wie eine eigenständige Geldpolitik letzterer etwa durch Diskont- oder Lombardpolitik.“ (Ebd., S. 303).

„Verblüffung kann sich bei den westlichen Experten nur einstellen, weil sie das Fehlen estnischer Eigentumstitel übersehen, mit denen bei der Kreditaufnahme gehaftet und gegen die durch Hinterlegung bei der Zentralbank Geldemission betrieben werden könnte. Das Fehlen solcher Titel ist aus dem schlichten, aber alles entscheidenden Umstand zu erklären, daß offensichtlich nur sehr wenig Staatsbesitz in Eigentum transformiert worden ist. Eine Lösung des estnischen Problems kann deshalb auch nicht über das westliche Anmahnen einer Vervollständigung des zweistufigen Bankensystems gelingen. Ist jedoch die Transformation zum Eigentum erst einmal durchgesetzt, dann wird in Estland auch ganz ohne die Raffinessen eines zweistufigen Bankensystems das Kreditsystem auf die Beine kommen. Dabei mag ein Blick auf die ungemein erfolgreiche Eigentumswirtschaft des Stadtstaates Hongkong helfen, wo die drei führenden Geschäftsbanken auch ohne die Hilfe einer Zentralbank den heimischen Dollar stabil halten.“ (Ebd., S. 303).

4) Zusammenfassung

„Geld ist nicht da und wird auch nicht einfach von einer Institution zur Verfügung gestellt, damit man es verleihen kann. Es kann nur in einem Kreditkontrakt entstehen, der zwischen Eigentümern geschlossen wird, so daß die Schaffung von Geld und sein Verleihen uno actu erfolgen.“ (Ebd., S. 304).

„Das in den Kreditkontrakten geschaffene Geld wird in einem Geldstandard ausgedrückt, den Keynes als money of account bezeichnet hat. Er hat ihn zu Recht als Hauptbegriff der Geldtheorie etabliert, ohne den das eigentliche Geld, Keynes' money proper, nicht vorgestellt werden kann.“ (Ebd., S. 304).

„Hawtreys berühmte Formel, daß Geld nicht das Schuldenmachen ermöglicht, sondern das Schuldenmachen überhaupt erst zur Festlegung dessen nötigt, was Geld ist, hat sich in den beiden Begriffen money of account (Geldstandard) und money proper (eigentliches Geld) niedergeschlagen. Das eigentliche Geld gibt es nur in Beziehung zu einem Schuldkontrakt. Dieser muß ihm vorhergehen, damit es selbst emittiert werden kann. Deshalb ist die richtige Antwort auf die Frage, »Wie kommt es zum Geld?«, im Sinne von eigentlichem Geld, nur zu finden, wenn zuvor die Frage beantwortet wird: »Warum gibt es zinsbelastete, durch Eigentum gesicherte Schuldkontrakte?«  Der Standard, in dem diese Kontrakte ausgedrückt werden, Keynes' money of account also, determiniert das eigentliche Geld, Keynes' money proper, womit sie zu erfüllen sind.“ (Ebd., S. 304).

„Das eigentliche Geld ist also immer Schuldendeckungs- oder Zahlungsmittel. Das eigentliche Geld verschwindet wieder, wenn der es generierende Kontrakt erfüllt worden ist. Das bedeutet, daß Geld die Kontrakte, in denen es geschaffen und verliehen worden ist, wieder aufzulösen hat. Eine Geldhaltung zur Erzielung einer in Zins materialisierbaren LiquiditätSprämie widerspricht seiner Bindung an die Existenz der Kreditkontrakte. Sie besteht deshalb nur unfreiwillig in der Form von Mindestreserve, Schwarzgeld und Sorten in Weichwährungsländern. Die Liquiditätsprämie indiziert lediglich den Grad, mit dem Aktiva des Schuldners in Schuldendeckungsmittel verwandelt werden können. Zahlungsfähigkeit ist die Prämie des Geldes.“ (Ebd., S. 304).

„Was als eigentliches Geld oder Zahlungsmittel bezeichnet wird, ist ein Anrecht auf Eigentum, das durch Belastung von Eigentum geschaffen wird. Mit dieser Blockierung geht dem Gläubiger die Eigentumsprämie verloren, wofür der Schuldner Zins leisten muß. Bloße Anrechte auf Eigentum werden im Kreditkontrakt in money of account (Geldtandard) ausgedrückt, die als money proper (eigentliches Geld) mit dem Eigentum des Gläubigers gesichert werden. Letzterer trennt sich mithin nicht von Eigentum ,elbst. Allerdings verliert er seine Prämie. Das auf das money of account bezogene money proper besteht dann eben aus solchen Eigentumsanrechten, für die eine zirkulierbare dokumentarische Form (Münzen oder Noten) gefunden wird.“ (Ebd., S. 304-305).

„Geld in der Form eines Eigentumsanrechts kann also nur emittieren, wer über Eigentum zu seiner Deckung verfügt, das mit solchen Anrechten auf Eigentum wiederum gekauft werden kann. Eine wesentliche Bedingung für das Knapphalten von Geld - neben dem Knapphalten durch den Zins - besteht mithin in der Notwendigkeit der Emittenten, ihr Eigentum nicht dadurch zu gefährden, daß unkontrolliert Anrechte auf Eigentum in die Wirklichkeit gelangen, gegen die sie ihr Eigentum im Verkauf hergeben oder gegen das sie es einlösen müssen.“ (Ebd., S. 305).

„Eine ebenso wichtige Bedingung für das Knapphalten von Geld in Form von Eigentumsanrechten ist dadurch gegeben, daß ein Schuldner Geld überhaupt nur erhält bzw. seine Emission befördert, wenn er mit ,einem Eigentum dafür haftet, daß es zurückgezahlt wird. Das von Schuldnern verpfändbare Eigentum stellt mithin - nach dem die Emission sichernden Gläubigereigentum - die zweite wesentliche Begrenzung für die Geldemission dar.“ (Ebd., S. 305).

„Jedes Geld in der Form von Anrechten auf Eigentum, das ohne Eigentumsdeckung der Emittenten zustandekommt und ohne Eigentumshaftung der Schuldner verliehen wird, ermöglicht seinen Benutzern gleichwohl die Erwerbung von Eigentum und führt damit zur Eigentumshergabe gegen ein Geld, das als Willkürgeld zu bezeichnen ist.“ (Ebd., S. 305).

„Die augenfälligste Form des eigentlichen Geldes in Form der Münze aus edlen Metallen ist für die Existenz des money proper vollkommen unerheblich. Sie erklärt sich einzig und allein aus der Absicht, die Herstellung von Falschgeld zu verhindern. Wäre es in den frühen Eigentumsgesellschaften möglich gewesen, mit geringstem Aufwand fälschungssichere Anrechte auf Eigentum herzustellen, wäre es zur Edelmetallmünze niemals gekommen. Dennoch haben auch diese frühen Ökonomien sich niemals auf die Knappheit der Edelmetalle als Fälschungsschutz verlassen, sondern - etwa in der griechischen Antike - zusätzlich die Todesstrafe gegen Falschmünzer verhängt. Das beste eigentliche Geld ist in der Tat solches, das nur Eigentum repräsentiert, vom eigenen Material her jedoch wertlos und doch fälschungssicher ist. Kosten, also Eigentumsverluste für die Schaffung seiner monetären Repräsentaten lägen dann bei Null, weshalb eine Annäherung an die vollkommene intrinsische Wertlosigkeit des money proper seit Beginn der Eigentumsgesellschaft gesucht wird. “ (Ebd., S. 305-306).

„Diese Suche nach Nullkosten des money proper (eigentlichen Geldes) darf nun nicht damit verwechselt werden, daß solches Geld selbst aus dem Nichts geschöpft werde, wie sich etwa der Monetärkeynesianismus das vorstellt. Eine Geld emittierende Bank ist im Kern ein Eigentumskonglomerat, das Anrechte gegen sein Eigentum kreditiert. Dieses Eigentum selbst allerdings ensteht durch einen immateriellen Rechtsakt, der dem immer schon gegebenen, physischen Besitz die Eigentumsprämie hinzufügt. Sie ist insofern ein Nichts, als sie dem nun in Eigentum transformierten Besitz rein gütermäßig nichts hinzufügt. Bei ihrer Aufgabe jedoch konstituiert sich das Wirtschaften mit Geld und Zins.“ (Ebd., S. 306).

„Banknoten, die im Vergleich zur Edelmetallmünze dem Nichtskostenideal schon sehr nahe kommen, sind Anrechte an das Eigentum der Bank. Sie achtet darauf, daß diese Noten nur dann emittiert werden, wenn sie Kreditkontrakte abschließen kann, in denen die Schuldner für ihre Refundierung mit Eigentum haften. Es ist mithin ausschließlich das Eigentum der Gläubiger, das die Banknote - eine papierene Münze sozusagen - möglich macht. Wo solche Deckung fehlt, ist wiederum von Falschgeld oder eben von Willkürgeld (**) die Rede, das deshalb so ungemein gefürchtet wird, weil es als bloßes Anrecht auf Eigentum wirkliches Eigentum solange kaufen kann, bis seine Falschheit oder Wertlosigkeit bekannt ist.“ (Ebd., S. 306).

„Niemals kann ein Gut oder eine Ware Geld sein, da Geld bloßes Anrecht auf Eigentum ist. Sehr wohl aber können sich bestimmte Arten von money proper (eigentlichem Geld) plötzlich als Ware wiederfinden, wenn ihr Materialwert über ihren Nominalwert steigt. Dem Kupferpfenning, der für mehr als einen Pfennig Kupfer enthält, kann die Verwandlung in Ware dabei ebenso unterlaufen wie einem money proper aus Gold oder Silber. Es ist diese kostspielige Materialseite vieler Arten von money proper, durch die Geldtheoretiker immer wieder in Verwirrung gestürzt werden.“ (Ebd., S. 306).

„Die Eigentumsbindung des Geldes gilt auch für das Zentralbankgeld. Anders als bei Privatbanknoten ist allerdings nicht unmittelbar offensichtlich, daß es ohne haftendes Gläubigereigentum eine Emission auch von Zentralbanknoten nicht gibt. Denn es muß ja in dem dafür notwendigen Kreditkontrakt zwischen Zentralbank und Geschäftsbank durch letztere eine Übertragung von Verpflichtungen, für die sie als Gläubiger haftet, an die Zentralbank vorgenommen werden. Wiewohl es manchen so erscheint, als ob die Zentralbank Geld aus dem Nichts (**) schafft, da sie mit ihrer »Geldschöpfung kein Gläubigerrisiko eingeht« (Hajo Riese, Geld, 1995, a.a.O., S. 58), zwingt sie die Geschäftsbanken in ein Gläubigerrisiko. Damit kann die Zentralbank sich aber nicht begnügen, sondern muß selbst ein Gläubigerrisiko eingehen, indem sie mit ihrem Eigenkapital die Forderungen an die Geschäftsbanken zusätzlich absichert. Das kann sie selbstredend nur hinreichend, wenn ihr Vermögen Eigenkapital als Überschuß der Forderungen über die Verbindlichkeiten (**), ihre emittierten Banknoten, der Qualität der Sicherheiten der Geschäftsbanken in nichts nachsteht und - wie bei der Bundesbank - weit über der Eigenkapitalquote der Geschäftsbanken liegt.“ (Ebd., S. 307).

„Die hier vertretene Eigentumstheorie des Geldes löst das Schumpetersche Paradox der herrschenden Tauscherklärung des Geldes auf. Es beruht darauf, daß offensichtlich mehr Geld im Kredit geschaffen wird, als durch Ersparnisse angesammelt werden kann. Woher kommt dann das Geld, mit dem Unternehmer Aufträge für - somit erst in der Zukunft vorhandene - Waren erteilen, und mit dem wiederum andere diese kaufen können? Schumpeter flüchtete in die Antwort: »Aus dem Nichts« (**). Die Eigentumstheorie hingegen besagt schlicht, daß belastbare Eigentumstitel für die Emission von Geld sorgt, das somit keine Güter, die verliehen werden, einkleidet. Der Kredit, das heißt die Verleihung eines durch Eigentumsbelastung geschaffenen Geldes wird also nicht durch die Höhe des Sparens eines Gütergeldes begrenzt. “ (Ebd., S. 307).

„Eigentumshaftung hat also nichts mit der Vorstellung der Real-Bills-Doktrin zu tun, die Geld durch gehandelte Güter gedeckt sah. Eine solche Grenze für die Geldemission gibt es nicht. Die Vorstellung der Gegenposition, daß es dann eben gar keine Grenze gäbe, lebt von der richtigen Wahrnehmung, daß Geld vor den zu produzierenden Gütern da ist. Was wiederum vor diesem Geld da ist - das belastbare Eigentum - wird dabei nicht gesehen. Dieses liefert dem Geld Volumen und Knapphaltung zugleich.“ (Ebd., S. 307-308).

„Acht Jahrzehnte nach Schumpeter muß der Monetärkeynesianismus seine »Nichts«-Antwort (**) übernehmen, weil auch er belastbares Eigentum für die Schaffung von Geld und verpfändbares Eigentum als Basis seiner Verleihung nicht ins Auge fassen kann. In der »Nichts«-Theorie des Geldes steht die Wirtschaft ohne Fundament da. Die Eigentumstheorie des Geldes hingegen erweist den Scheincharakter dieses Bildes. Das angebliche »Nichts«, verweist vielmehr auf das durch nichtphysischen Rechtsakt wirklich geschaffene Eigentum. Seine Belastbarkeit kommt ausschließlich ihm, niemals jedoch einem Nullum zu, wenn es auch richtig ist, daß die Belastbarkeit ein Ertrag des Eigentums ist, die immaterielle Eigentumsprämie.“ (Ebd., S. 308).

„Das Übersehen der Eigentumsbindung des Geldes kann nur selten geschichtsmächtig werden. Nach dem Sturz des Realsozialismus jedoch haben die Überzeugung neoklassischer Transformationsberater von einer Markttausch-Basis des Geldes und die Überzeugung monetärkeynesianischer Berater von einer Nichts-Basis des Geldes unübersehbaren Schaden angerichtet. Beide Schulen glauben fest daran, daß Geld im Sozialismus bereits vorhanden gewesen wäre. Die Neoklassiker wollten es durch Einführung einer Marktverfassung lediglich wirksamer als bisher werden lassen. Die Monetärkeynesianer wiederum wollten es durch Implantation einer Geldverfassung in Form eines zweistufigen Bankensystems knapper als bisher machen. Nach vielen verlorenen Jahren einer »Privatisierung« ohne Eigentumsbildung, in der das Wirtschaften nicht entstehen, die Befehlsproduktion aber sehr wohl vergehen konnte, wird jetzt - eher instinktiv als theoretisch wirklich aufgeklärt - aus dem Verlangen westlicher Unternehmer und einheimischer Bankangestellter stückweise Eigentum geschaffen und damit ebenso holperig die Schaffung von echtem Geld auf den Weg gebracht.“ (Ebd., S. 308).

E) Das Kapitel vom Markt: Wert, Preis, Ware und Konkurrenz

1)  Die Suche nach dem Markt als Tauschplatz mit Geldgebrauch (S. 310-323)
2)  Die Eigentumstheorie des Marktes (S. 323-342)
3)  Zusammenfassung (S. 342-343)

„Im Begriff Marktwirtschaft feiert die Neoklassik ihren größten Triumph, gelingt es ihr doch damit, den Glauben zu verallgemeinern, daß es an Vorteilorientierte Tauschoperationen mit Mengen knapper Güter und Ressourcen seien, die - ganz unabhängig vom Geldgebrauch - alles Wirtschaften konstituieren. Als Tauschwerttheorie bildet ihre Werttheorie -modern: Mikrotheorie -ungebrochen das Herzstück ihrer ökonomischen Analyse. In der Tauschoperation findet die Neoklassik ihr höchstes Prinzip, weshalb sie den Markt nicht weiter ableiten muß. Jede ökonomische Theorie hingegen, die optimierenden Tausch nicht als ihr erstes Axiom betrachtet, muß den Markt erklären, also diejenigen Bedingungen herausarbeiten, die Marktoperationen erst erzwillgen.“ (Ebd., S. 309).

„Der Begründer der Klassik, Adam Smith, hat zwar die exklusive Herrschaft über Ressourcen als wichtigsten Bestandteil seiner Exploitationstheorie entwickelt (vgl. auch unten das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung), eher beiläufig aber auch den Markt in einer Weise gesehen, die das Modell der Neoklassik weitgehend vorwegnahm: »Wenn die Arbeitsteilung einmal durchweg eingeführt ist, so ist derjenige Teil von den Bedürfnissen eines Menschen, welcher durch das Produkt seiner eigenen Arbeit befriedigt werden kann, nur ein sehr kleiner. Den weitaus größten Teil derselben befriedigt er dadurch, daß er jenen Produktenüberschuß seiner Arbeit, der über seinen eigenen Bedarf hinausgeht, gegen solche Produkte der Arbeit anderer, die er gerade braucht, vertauscht. Dann lebt jeder vom T ausch, oder wird gewissermaßen ein Kaufinann, und die Gesellschaft selbst wird eigentlich eine Handelsgesellschaft.« (Adam Smith, Untersuchung über Wissen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 4, S. 28).“ (Ebd., S. 310).

1) Die Suche nach dem Markt als Tauschplatz mit Geldgebrauch

1a)   Die Unauffindbarkeit von Marktoperationen in Stamm- und Befehlsgesellschaft (S. 310-318)
1b)   Hicks' verblüffende Entdeckung des Marktausches in Nichteigentumsgesellschaften (S. 318-323)
1a) Die Unauffindbarkeit von Marktoperationen in Stamm- und Befehlsgesellschaft

„Physisch knappe Güter und Ressourcen und selbst ihre Verbindung mit prinzipiell unbegrenzten Bedürfnissen des Menschen bringen - was bereits im Eigentumskapitel anzusprechen war - einen vorteilsuchenden Markttausch keineswegs hervor. Die Güterarmut von Stammes- und Feudalgesellschaften ist ebenso unstrittig wie die Abwesenheit von Märkten in diesen Reproduktionssystemen. Sie sind keine Marktgesellschaften. Für die Stammeswelt hat das - nach Jahrhunderten ethnologischer Wirtschaftsforschung - am besten wohl Marshall Sahlins zusammengefaßt:
«In vielen dieser Stämme sind ›Sphären des Austausches‹ entdeckt worden, in denen für die verschiedenen Güterkategorien unterschiedliche Ansehensgrade im Rahmen einer moralischen Rangordnung von Werten im Sinne von Tugenden ermittelt werden. Das ist nun alles andere als eine Tauschwerttheorie. Die verschiedenen Bewertungen (im Sinne von Tugenden) von Dingen hängen ganz besonders von den Schranken ab, die ihrem Austausch gesetzt sind, also davon, daß Güter aus einer Sphäre keineswegs in Güter aus einer anderen Sphäre konvertiert werden dürfen. Und selbst für die Transaktionen ›Übertragungen‹) innerhalb einer Sphäre gilt, daß Determinanten für die Tauschwertraten bis heute nicht nachweisbar sind. .... Deshalb ist unsere Theorie eine Theorie für den Wert im Nichttausch oder für den Nichttauschwert. Für eine Wirtschaft, die nicht nach gängigen Geschäftsprinzipien funktioniert, ist sie ebenso angemessen wie vom Standpunkt einer Markttheorie paradox. .... Allerdings wirken diese Tatsachen für anthropologische Grundüberzeugungen wie etwa das Vorherrschen von ›Reziprozität‹ - was immer das bedeuten mag - in primitiven Wirtschaften nicht minder verwirrend. In der Tat sind die Fakten gerade deswegen verwirrend, weil wir uns kaum um Aussagen darüber kümmern, was diese Gegenseitigkeit als Tauschwertrate bedeutet. Aber dann müssen wir gewahr sein, daß eine ›Reziprozität‹ die präzisen Tauschmengenverhältnissen folgt, selten angetroffen wird.
Die Eigentümlichkeit des primitiven Tausches besteht in der Unbestimmtheit der Tauschraten. In unterschiedlichen Transaktionen wechseln ähnliche Güter in unterschiedlichen Proportionen die Hand. Das gilt insbesondere für alle gewöhnlichen Transaktionen, wie den alltäglichen Geschenketausch und die gegenseitige Hilfeleistung, sowie für die interne Wirtschaft der Verwandtschaftsgruppen und Stammesverbände. Obwohl die beterligten Individuen die Güter in jeder Hinsicht für gleichwertig erachten, gibt es Veränderungen der Tauschraten innerhalb derselben Zeitperiode, am selben Ort und bei unveränderten wirtschaftlichen Bedingungen. Mit anderen Worten: Die üblichen Gründe für ein unvollkommenes Funktionieren des Marktes scheinen dafür nicht verantwortlich gemacht werden zu können. Auch ist die Veränderlichkeit der Reziprozität nicht auf jene höhere Form der Unvollkommenheit zurückzuführen, die man als Feilschen bezeichnet. Dort fehlt tatsächlich die Offenheit des Geschäfternachens. Der Wettbewerb ist letztlich auf eine orientalische Konfrontation zwischen Käufer und Verkäufer reduziert. Obwohl also das Feilschen theoretisch für die genannte Unbestimmtheit verantwortlich gemacht werden könnte, kommt es in der Welt der Primitiven so selten vor, daß es für eine allgemeine Erklärung nicht herangezogen werden kann. Bei den meisten primitiven Völkern ist Feilschen vollkommen unbekannt; bei den übrigen kommt es nur als flüchtige Beziehung mit Fremden vor. ....
Jene Art von Marktkonkurrenz, die in der ökonomischen Theorie allein Angebot und Nachfrage eine solche Macht über den Tauschwert gibt, kommt bei dem hier untersuchten T auschhandel überhaupt nicht vor.« (Marshall Sahlins, a.a.O., 1972).
Es ist vor allem die Ungreifbarkeit von Gründen für die »Veränderlichkeit der Reziprozität«, die Sahlins zu dem Ergebnis bringt, daß ein Begriff wie Tauschwert in der Stammesgesellschaft vollkommen abwegig ist. Er findet dort überhaupt kein objektives Kriterium für Wert. Das illustriert er mit einer sogenannten Handelskette australischer Ureinwohner. Ein am Meer bei Kap York lebender Stamm A fischt Stachelrochen und produziert daraus Stachelrochenspeere. Diese Speere werden bei Stämmen im Landesinneren im Rahmen einer Geschenketauschkette gegen Steinäxte getauscht, die ein Stamm E produziert, der circa 675 km südlich von A entfernt lebt. Stamm B, der am nächsten zu A liegt, fordert für eine E-Axt zwölf A-Speere. Ein etwa 250 km südlich von B entfernter Stamm C verlangt für einen A-Speer eine E-Axt. Stamm D schließlich, der noch weiter südlich und damit am nächsten zu E liegt, begehrt für einen A-Speer keine bestimmte Anzahl von E-Äxten, sondern »mehrere«. An solchen und zahllosen ähnlichen Beispielen demonstriert die empirische Völkerkunde die Aussichtslosigkeit, irgendeine bestimmte Tauschrelation zu evaluieren. (Vgl. Marshall Sahlins, a.a.O.). Es ist die persönliche - und deshalb auch gegenüber ein und demselben Geschenktauschpartner schwankende - Wertschätzung, die sich per definitionem einer gesetzmäßigen Quantifizierung entzieht. Mit diesen höchst unterschiedlichen Wertschätzungen werden Loyalitäten ausgedrückt und angemahnt. Insofern leisten sie etwas für den Zusammenhalt des Stammes als soziales System, haben also durchaus etwas mit seiner materiellen Überlebensfähigkeit zu tun. Es wäre abwegig, schwankende Wertschätzungen aus unterschiedlich entschlossenem Händlergeist zu erklären. Feilschen setzt den Geldgebrauch allemal schon voraus und würde zwischen Stammesleuten, die Gaben austauschen, als unehrenhaft empfunden werden. Durch einen Redeschwall kann man sein Ansehen allenfalls senken.“ (Ebd., S. 310-313).

„Die umfassendste Studie zur Existenz von Geld in sogenannten primitiven Gesellschaften hat Geld hier und da durchaus gefunden, aber feststellen müssen, daß sogenanntes »externes kommerzielles Geld« von »Kontakten mit dem Westen« (vgl. a.a.O.) herrührt, also in Eigentumsgesellschaften generiert werden muß, um dann in Nichteigentumsgesellschaften verschlagen werden zu können. Für eine korrekte Beweisführung müssen deshalb reine Stammes- oder Feudalgesellschaften untersucht werden. Das gelingt am besten für die Antike vor den Eigentumsgesellschaften und in der Neuzeit in der Neuen Welt vor Ankunft der Europäer.“ (Ebd., S. 313-314).

„Die mykenischen Schriftdokumente des okzidentalen Feudalismus der Antike, der »Burgenzeit« (Lukrez) vor dem Privateigentum also, zeigen, daß ungeachtet der reichen Gold- und Silbergeräte die Existenz eines Geldes für die Erleichterung eines Tausches völlig unbekannt ist: »Was wir von diesem ökonomischen System zu erkennen vermögen, ist einzig und allein die Aktivität des Palastes, der - wenn etwas zu tun ist - den Untertanen des Königs Produkte und zweifellos auch manches andere abpreßt, aber auch Rationen und Material aushändigt. Dabei notiert man exakt, was empfangen oder ausgegeben wird und werden sollte. Es gibt keinen Hinweis auf Aktivitäten außerhalb des Palastsystems, von dem anzunehmen ist, daß es das ganze Land erfaßte. Nichts deutet auf Geld oder auf einen Standard hin, mit dem Werte hätten verglichen werden können; die Gegenstände wurden jeweils für sich gezählt, gewogen oder gemessen. Es gibt auch keinen direkten Hinweis auf Fernhandel, der ja eine An von Austausch beinhaltet haben müßte; wir können mit gutem Grund annehmen, daß der Palast, der so viel kontrollierte, auch diesen kontrolliert hätte.« (A. Andrewes, 1967, a.a.O.).“ (Ebd., S. 314).

„Über noch mehr Gold als die Mykener verfügten bekanntlich die Feudalgesellschaften der südamerikanischen Inkas und der mittelamerikanischen Azteken. Selbst ihre klügsten Männer scheiterten daran, sich das Konzept des Geldes auch nur vorstellen zu können. Hernando Cortés (1485-1547), der Eroberer des Aztekenreiches, wird - wie er Kaiser Karl V. berichtet - von einem Anführer der Tarasken gefragt, der von »einem Geld als allgemeines Äquivalent« nichts ahnt: »Wozu wollen sie all dieses Gold? Diese Götter müssen es wohl essen, deshalb , verlangen sie so sehr danach.« (Tzvetan Todorov, 1982, a.a.O.). Der bereits erwähnte Sepulveda räson" niert über »das Fehlen des Geldes, dieses allgemeinen Äquivalents, das von der Notwendigkeit entbinde, beim Austausch die Güter noch selbst nebeneinanderzustellen.« (Tzvetan Todorov, 1982, a.a.O.).“ (Ebd., S. 315).

„Für die Feudalgesellschaft des europäischen Mittelalters ist die ebenfalls höchst ernsthaft und über viele Jahrzehnte betriebene Suche nach neoklassischen Märkten ebenso fehlgeschlagen wie bei der Stammesgesellschaft und der geplanten Reproduktion des antiken Feudalismus. Das hat in der gebotenen Genauigkeit Marc Bloch zusammengefaßt: »Wir wissen, daß Märkte dort existierten, wo das Landvolk in der Tat einen Teil seiner Agrarprodukte an die Stadtbevölkerung, den Klerus oder das Militär verkaufte. Auf diese Weise sicherte sich die Landbevölkerung Denarii, um ihre Abgaben zu bezahlen. Und in der Tat war derjenige arm, der niemals einige wenige Unzen Salz oder ein Stück Eisen kaufen konnte. Für die ›Autarkie‹ der großen Güter würde dies bedeutet haben, daß ihre Herren ohne Waffen oder Juwelen hätten auskommen müssen, daß sie (bei fehlender Eigenproduktion) niemals Wein getrunken hätten und bei der Bekleidung mit dem groben Material hätten vorlieb nehmen müssen, das die Frauen ihrer Hintersassen webten. Darüber hinaus trugen bereits die Unzulänglichkeiten der Agrartechnik, die krisenhafte Lage der Gesellschaft und das rauhe Wetter dazu bei, daß sich interner Handel eines bestimmten Umfangs behauptete: Denn für den Fall, daß die Ernte schlecht ausfiel, wurde die Bevölkerung nicht aufs äußerste reduziert, obwohl viele Leute buchstäblich Hungers starben. Auch wissen wir, daß es einen Getreidehandel von den besser dastehenden Gebieten zu denjenigen gab, die von Dürre betroffen wurden, wodurch der Spekulation Tür und Tor geöffnet wurde. Daher war der Handel keineswegs abwesend, sondern extrem unregelmäßig. Die Gesellschaft dieses Zeitalters war mit Kauf oder Verkauf gewiß nicht unvertraut, aber sie lebte keineswegs wie unsere Gesellschaft von Kaufen und Verkaufen. Weiterhin war der Handel selbst in der Form des Realtauschs nicht die einzige oder bedeutendste Nabelschnur, durch die zu jener Zeit Güter zwischen den verschiedenen Klassen zirkulierten. Eine große Anzahl von Produkten lief von Hand zu Hand als Abgaben an einen Herren für seine Gegenleistung in Form von Schutz oder schlicht als Anerkennung seiner Macht. Dasselbe galt für jenes andere Gut, die menschliche Arbeit: Durch Zwangsarbeit wurde viel mehr Arbeit geleistet als durch Einstellungen. Kurz gesagt, Austausch im strengen Sinne war in der Wirtschaft sicher viel weniger bedeutend als die Bezahlung in Naturalien; und weil der Tausch daher eine seltene Sache war, erwies sich, daß Reichtum und Wohlergehen untrennbar an die Herrschaft gebunden waren. Nur die Ärmsten mußten damit zufrieden sein, ausschließlich vom Produkt ihrer Arbeit zu leben.« (Marc Bloch, a.a.O.).“ (Ebd., S. 315-316).

„Die Denarii der mittelalterlichen Feudalzeit haben wohl am häufigsten zu der Annahme verführt, dort bereits eine evolutionistische Vorstufe der als Geldwinschaft aufgefaßten modernen Eigentumswinschaft auszumachen. Sie sind am ehesten aber mit den DM- und Dollarscheinen zu vergleichen, die in Staaten des real existierenden Sozialismus ebenfalls dazu verhelfen konnten, einfachen Leuten Güter und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfs - wie ein Pfund Kaffee oder einen Klempner - ins Haus zu bringen und der Nomenklatura darüber hinaus französischen Cognac oder einen Volvo zu bescheren. Zukünftige Historiker des DDR-Sozialismus könnten leicht den Schluß ziehen, daß nachweisbare DM-Verwendungen den evolutionären Weg des Sozialismus zur Tausch- und Marktwinschaft beweisen. Wie der Realsozialismus in Nachbarschaft zu Eigentumsökonomien lebte und don generiertes Geld in einigen Sphären verwendete, so stand auch das europäische Mittelalter in Kontakt zu den Währungen Ostroms und des Kalifats. Zum Beispiel zirkulierte »Gold nur in der Form arabischer oder byzantinischer Münzen oder Nachahmungen von ihnen.« (Marc Bloch,a.a.O.). Die Feudalismen der Inkas und Azteken dagegen, die vor der europäischen Eroberung solchen Kontakt ebensowenig kannten wie die sogenannten antiken Palastwirtschaften vor der Revolution zum Privateigentum, haben denn auch weniger Anlaß für evolutionistische Mißverständnisse zur Entstehung von Geld und Märkten gegeben.“ (Ebd., S. 317).

„Auf andere Art als für stammesgesellschaftliche Speere und Äxte erwies es sich auch für das feudale System der sozialistischen Staaten als unmöglich, für einen Wenbegriff sinnvolle Entsprechungen zu finden. Wie ein Beispiel aus der DDR-Geschichte illustrirt, erlaubte die zentrale Plan- und Preisbehörde, daß LPG-Bauern privat gezüchtete Kaninchen zum Preis von 70 Mark pro Stück an den Schlachthof abliefern konnten, der sie dann über HO-Läden für 20 Mark weiterreichte.“ (Ebd., S. 317).

„Umgekehrt erhielten beispielsweise Hersteller feiner Damenunterwäsche für die Ablieferung eines »Teilchens« an einen »Exquisit«-Laden 20 Mark, während dann das gute Stück nur für 100 Mark zu haben war. Diese beiden Verpflichtungen - Abliefern und Zuteilen - kennzeichnen die feudale Gesellschaft. Ihre administrativen Preise haben - ebenso wie die der Stammesgesellschaft - mit wie auch immer zu berechnenden Werten nichts zu tun. Verkaufspreise, die unterhalb der Produktionspreise angesetzt waren, leisteten gleichwohl etwas für die soziale Kohärenz. Die im Vergleich zu den Produzentenpreisen wesentlich höheren Konsumentenpreise dienten dazu, der Gefahr eines dadurch möglichen »Geld«-Überhangs zu begegnen. In den Preisen drückte sich kein Signal für Verpflichtungen der Produzenten aus, bei deren Nichterfüllung sie einer ökonomischen Haftung anheimfielen. Das dafür erforderliche Eigentum war ja abgeschafft. Sie hatten nichts, wo hinein hätte vollstreckt werden können. Gleichwohl waren sie nicht frei von Pflichten. Die Obrigkeit versuchte - mehr oder weniger erfolgreich - mit Hilfe ihres Disziplinierungsapparates darüber zu wachen, daß die geplanten Ablieferungen erfolgten. “ (Ebd., S. 318).

1b) Hicks' verblüffende Entdeckung des Markttausches in Nichteigentumsgesellschaften

„Unter den Berühmtheiten der Neoklassik hat der Nobelpreisträger John Hicks am ausführlichsten und entschlossensten die Ergebnisse der ethnologischen Wirtschaftsforschung in den Wind geschlagen und an einer Tauschentstehung von geldbenutzenden Märkten festgehalten. Um unübersehbar als Fels in der Brandung unangenehmer Forschungsergebnisse erkannt zu werden, hat er sein letztes Werk geradezu trotzig mit dem Titel Eine Markttheorie des Geldes (1989) versehen. Bereits in seiner ausdrücklich theoretisch angelegten Wirtschaftsgeschichte Eine Theorie der ökonomischen Geschichte (1969) hat er die völkerkundlichen Schreibtischkonstruktionen neoklassischer Urväter wie v.a. Carl Menger der seriösen Forschung vorgezogen.“ (Ebd., S. 318).

„Menger hatte zuerst in seinem Werk Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871) und dann in Aufsätzen ... das Geld aus dem sogenannten Tauschgut mit der höchsten »Marktgängigkeit« (vgl. ders., Geld, 1891, S.557) abgeleitet und somit die neoklassische Theorie der Tauscherleichterung durch Geld auf angeblich immer schon daseienden, aber keineswegs immer schon Geld gebrauchenden Märkten begründet. Fast gleichzeitig hat der zweite Urvater - nach dem ersten Urvater (Menger) und vor dem dritten Urvater (Walras) - der Neoklassik, William Stanley Jevons, seine Definition des geldvermittelten Tausches vorgelegt: Er »ist als Realtausch des Überflüssigen gegen das Notwendige bezeichnet worden, und diese Definition ist korrekt, wenn wir sie zuspitzen zum Realtausch des relativ Überflüssigen gegen das relativ Notwendige. .... Geld (als Tauschmedium) ist ganz einfach jede Ware. .... Obwohl viele Waren fähig sein mögen, die Funktion dieses Mediums mehr oder weniger perfekt zu erfüllen, wird aus Gewohnheit oder der Macht der Umstände gewöhnlich irgendein Artikel als Geld par excellence ausgewählt.« (W. St. Jevons, a.a.O.).“ (Ebd., S. 318-319).

„Unter Berufung auf diese Säulenheiligen seiner Schule geht Hicks nun persönlich daran, sich einen geldgebrauchenden Markt sowohl für den Stamm als auch für den Feudalismus zusammenzufabulieren. Dabei steht ihm die Evolution zu einer Kunstfigur vor Augen, die sich den noch eher beiläufigen Handel der ersten Menschen zur Spezialität macht und als distinkter middleman eine »neue Welt« des Marktes hervortreibt, in der er kauft, um zu verkaufen: »Der einfachste Weg, auf dem regelmäßiger Handel sich entwickeln mag, ist wahrscheinlich der folgende: Jede Art sozialer Geselligkeit (wie ein religiöses Fest) bietet die Gelegenheit zum Handel - ein Handel, der beiläufig beginnt, aber zur Gewohnheit wird. Die Gegenstände mögen ursprünglich für den persönlichen Konsum während des Festes oder als Geschenke für einen Gott mitgebracht worden sein. Aber wenn die einzelnen Teilnehmer unterschiedliche Dinge dabeihabenwerden sie versucht sein, einige der mitgebrachten Güter miteinander zu tauschen. .... Wenn die Vorteile bedeutend werden, wird diese neuartige Aktivität zunehmen; und sie mag durchaus auf Kosten des ursprünglichen Begegnungsmotivs wachsen. Das religiöse ›Erntefest‹ verwandelt sich in einen Dorfmarkt.« (John Hicks, a.a.O.).“ (Ebd., S. 319-320).

„Durchaus von der Ahnung getrieben, daß auf diesem Wege doch kein kontinuierliches Marktgeschehen entstanden ist, wendet sich Hicks kurz entschlossen einer feudalistischen Gesellschaft zu, wo er mehr Spezialisierung erkennt als im Stamm: »Handel im großen Stil kann gleich an der Spitze beginnen. Irgend ein mächtiger König empfängt Botschafter von benachbanen Häuptlingen - einige im Vergleich zu ihm kleine Fische, andere ihm an Macht fast oder ganz ebenbünig. Sie bringen Geschenke mit, die er als Tribut erhält; aber es wäre unter seiner Würde, keine Gegengeschenke zu machen. Unter den angebotenen Dingen werden sich einige finden, von denen er gerne mehr hätte. Der einfache Weg, sie zu bekommen, besteht darin, einen Botschafter mit Geschenken und Instruktionen über akzeptable Gegengeschenke in die Gegenrichtung zu schicken. Der zu diesem Zweck angestellte Hofmeister nimmt -allerdings per Anweisung - bereits einige Funktionen eines Kaufmanns wahr. .... Er ist kein unabhängiger Kaufmann, aber doch ist er ein Kaufmann. .... Soviel zum ›externen‹ Handel. Aber es gibt einen internen Handel, der sich im Grunde auf ähnliche Weise entwickeln kann. Grundlage der königlichen, eigentlich also feudalen Ökonomie sind Ablieferungen. Aber Abgaben, die in natura bezahlt werden, werden normalerweise .. .in einer anderen Form oder an einem anderen On geleistet, als es der Herrschaft genehm ist. Diejenigen, die die Ablieferungen ... organisieren, ähneln dem Hofmeister, der für den externen Handel eingesetzt wird. Aus dem Eintreiben der feudalen Einkünfte und ihrer Verwendung werden sich noch viele andere Gelegenheiten für einen Teilzeithandel ergeben. Und aus dem Teilzeithandel wird flugs ein Vollzeithandel. .... Wir können kaum umhin, diesen (Handel) als merkantil oder vielleicht sogar kommerziell zu bezeichnen.« (John Hicks, a.a.O.).“ (Ebd., S. 320-321).

„Plötzlich fällt Hicks noch ein, daß diese Marktwirtschaft, deren Triebkräfte er sozialhistorisch zur Genüge hergeleitet glaubt, auch noch Geld, Eigentum und Kontrakte aufweist. Ihre vorläufige Nichtberücksichtigung entschuldigt er damit, daß er ja "in üblicher Manier der Ökonomen gerade hinter den ›Schleier des Geldes‹« (John Hicks, a.a.O.) und - so könnte man hinzufügen - auch hinter den Schleier von Eigentum und Kontrakten schauen wolle. Allein in diesen Formen könne sich der Tausch bewegen, weshalb er Geld, Eigentum und Kontrakte »nahezu von Anfang an, vielleicht direkt vom Beginn« (ebd.) der Marktwirtschaft an durch letztere selbst geschaffen sieht.“ (Ebd., S. 321).

„Hicks liefert also eine Tauscherklärung von Eigentum, Kontrakten und Geld. Diese Formen müssen nun gesetzlich geschützt werden, um den die Marktwirtschaft bestimmenden Tausch sicher realisieren zu können. Es ist dieser hinzutretende neuanige gesetzliche Schutz von Eigentum, Kontrakten und Geld, der in der Stammes- oder Feudalgesellschaft, aus denen Hicks die Marktwirtschaft hervorgehen läßt, nicht vorhanden gewesen sei und der die Marktwinschaft erst zum Blühen gebracht habe. In Analogie zu den an Profit orientierten »Rassen« von Keynes, die Geld erfinden, erklärt Hicks das Entstehen einer Marktwrtschaft im alten Rom, im Unterschied etwa zu China oder Japan, dann auch konsequent aus der »Verfassungsstrenge« (John Hicks, a.a.O.) des lateinischen Menschen.“ (Ebd., S. 321-322).

„Es ist hier nicht der Forschungsstand zu Stamm und Feudalismus zu wiederholen, gegen den Hicks sich stemmt. Anzuerkennen bleibt, wie peinlich er sich der Not bewußt ist, Eigentum und Kontrakte zu erklären. Da er die Verträge von ideenreichen Völkern dem Tausch nur hinzufügen läßt, kann er aus ihnen natürlich für die Operationen des Marktes selbst nichts Wesentliches mehr herausholen, sondern muß sie in eine Magdstellung zum Tausche verweisen. Wissen aber hätte er können, daß auch fix und fenig herausgebildete Kaufleute und Unternehmer bis heute vor und auch nach dem Abschluß von Geschäften Geschenke austauschen und dabei nicht so sehr der Erwartung frönen, selbst welche zu bekommen, sondern in Form sogenannter Werbegeschenke Geschäftsabschlüsse zu befördern.“ (Ebd., S. 322).

„Auf den Gedanken jedoch, daß ihre eigentlichen Geschäfte nur evolutionäre Verbesserungen stammesgemäßer Schenkerei und feudaler Botschaftergaben sind, kommen heutige Kaufleute verständlicherweise nicht. Hat Hicks daraus in seinem zwanzig Jahre später erschienen letzten Werk noch Schlüsse ziehen können? Keineswegs! Vielmehr erreicht seine souveräne - man möchte sagen: hinreißende - Ignoranz der Tatsachen erst jetzt ihren Höhepunkt. Was die empirische Völkerkunde minutiös wiederholt, ja geradezu wütend und oft sogar verzweifelt immer wieder dementiert hat, unterschiebt er ihr als von ihm gerne übernommene Weisheit, auf der er bestens aufbauen könne: »Es gab Gesellschaften, so berichten uns ganz besonders die Völkerkundler, in denen Vieh als Geld verwendet wurde.« (john Hicks, a.a.O.). Damit hat der Neoklassiker zum Klassiker zurückgefunden, denn Adam Smith hatte bereits mehr als zwei Jahrhunderte zuvor verkündet: »In den rohen Zeiten der Gesellschaft soll Vieh das allgemeine Handelsmittel gewesen sein, und obgleich es ein sehr unbequemes sein mußte, so findet man doch in alter Zeit häufig die Dinge nach der Stückzahl des Viehes geschätzt, welches dafür in Tausch gegeben wurde. Die Rüstung des Diomedes, sagt Holler, ist nur neun Ochsen wert) die des Glaukus aber hundert.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen u dUrsachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 4, S. 29).“ (Ebd., S. 322-323).

2) Die Eigentumstheorie des Marktes

2a)   Klassische, neoklassische und monetärkeynesianische Werttheorie als jeweils grundlegende Interpretation des Wirtschaftens (S. 325-329)
2b)   Die Eigentumstheorie des Wertes (S. 329-334)
2c)   Hierarchie von Märkten versus Einheit des Martgeschehens (S. 334-337)
2d)   Die Eigentumstheorie von Marktkonkurrenz, Warenmarkt und Bewertung (S. 337-337)

„Wenn der Markt nicht von Tauschspezialisten, also Händlern, erfunden wird - und auch nicht dadurch entsteht, daß pfiffige Priester ein archaisches und noch außerökonomisches Geld ihrer Gläubigen gegen Zins an sich ziehen, um es anschließend wie eine Bank zu verleihen und so Geldgebrauch nebst ›Markttausch‹ auf den Weg zu bringen -, was ist dann der wirkliche Grund für das Entstehen des Marktes? Es sind nicht vertrauensvolle Gläubige, sondern höchst mißtrauische Gläubiger, die ihre Schuldner dazu zwingen, den Markt in die Welt zu bringen. Diese Schuldner haben Anrechte auf Eigentum geliehen, die in Beziehung auf ein kontrahiertes money of account (Geldstandard) als money proper (eigentliches Geld) dienen. Dieses eigentliche Geld ist ein Kürzel für Anspruch auf Gläubigereigentum in eben der Form, in der es auch verzinst und wieder getilgt werden muß. Da durch Präsentieren dieses Geldes seine Deckung eingefordert, letztendlich also Eingriffe in Eigentum vollzogen werden können, sind alle Zahlungsmittel, die nicht für dieses in Kontraktketten und damit immer bei konkreten Eigentümern endende - fixierte Recht stehen, als Schuldendeckungsmittel untauglich. Der Schuldner hat an seinen Verzinsungs- und Tilgungsterminen mithin Geld abzuliefern, das heißt, sich von Anrechten auf Eigentum - und nicht von irgend etwas anderem - auch wieder zu trennen.“ (Ebd., S. 323-324).

„Es sind diese abstrakten Anrechte auf Eigentum, die der Gläubiger zurückhaben muß. Würde er an ihrer Stelle etwas anderes akzeptieren, dann würden das von ihm emittierte und im Kreditkontrakt verliehene Geld immer noch gegen ihn präsentiert werden können und dann mit Eigentum eingelöst werden müssen. Würde er statt dieser Anrechte auf Eigentum Güter akzeptieren, dann fiele auf ihn das Problem ihrer Monetarisierung. Da diese nur über Verkaufskontrakte auf dem Markt gelingen kann, also per definitionem unsicher ist, kann er nicht wissen, ob er die Geldsumme erlöst, die ihm geschuldet war.“ (Ebd., S. 324).

„Alles, was nicht solche Anrechte auf Eigentum darstellt, muß also bereits der Schuldner in eben diese, Geld also, verwandeln, um den im Kontrakt fixierten Tilgungen und Zinszahlungen nachkommen zu können. Das erfolgt durch Verkauf von Waren. Wie kommt es nun zu diesem Verkauf? Anders gefragt, wie kommt es zu Käufern? Es sind die übrigen verschuldeten Produzenten, die als Verpfänder ihres Eigentums in einem Kredit Geld erhalten haben, mit dem sie nun als Käufer auftreten, um die Kapitalgüter zu erlangen, mit denen sie dann ihre Waren produzieren, deren Umwandlung in Geld wiederum die Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Kontrakte ist. Es müssen mithin nicht vorab irgendwoher kommende Güter gegen ein irgendwoher kommendes Geld verkauft worden sein, damit Geld für weiteres Kaufen vorhanden ist. Es muß lediglich durch Belastung von Gläubiger- und Verpfändung von Schuldnereigentum in einem Kreditvertrag Geld geschaffen worden sein.“ (Ebd., S. 324).

„Es würde dem verschuldeten Produzenten nichts nützen, seine Produkte klassisch/neoklassisch gegen andere Produkte einzutauschen, indem er anbietet, was er kostengünstiger als der Tauschpartner herstellen kann, der wiederum seine Güter vorteilhafter zu produzieren vermag als ersterer, so daß im Sinne des - im Krisenkapitel noch zu behandelnder - Sayschen Theorems jedes Angebot eine Nachfrage schafft und umgekehrt. Sich auf einen solchen kostengünstigen Tausch zu werfen, würde ihm nicht dabei helfen, an das vereinbarte Schuldendeckungsmittel heranzukommen. Dieses ist ihm aber auch durch Verkauf keineswegs garantiert, da für die Geldmittel potentieller Käufer wie anderer Unternehmer-Schuldner - eben Eigentum verpfändet wurde. Alle potentiellen Käufer verteidigen also ihre Eigentümerposition und entscheiden von dieser her über ihre Geldverwendung. “ (Ebd., S. 324-325).

„Der Markt ist kein Tauschplatz für Angebot und Nachfrage von Gütermengen, sondern die Institution, in der Schuldner sich die Mittel zu beschaffen trachten, in denen sie ihre Zins- und Tilgungspflichten vereinbart haben. Allein zu diesem Zweck eingesetzte Produkte sind Waren. Diese Waren nun stehen in einem gänzlich anderen Rahmen als getauschte bzw. abzuliefernde Güter wie Speere und Äxte der Stammesgesellschaft oder Kaninchen und Damenunterwäsche des feudalen Sozialismus. Für die Ermittlung des Wertes der Waren gibt es im Unterschied zu den unbestimmten Tauschraten der Stammesgüter bzw. der administrierten Preise für die abzuliefernden Güter des Feudalsystems - eindeutige Kriterien. Diese sehen allerdings ganz anders aus, als sie in klassischer, neoklassischer und monetärkeynesianischer Theorie gesehen werden.“ (Ebd., S. 325).

2a) Klassische, neoklassische und monetärkeynesianische Werttheorie als jeweils grundlegende Interpretation des Wirtschaftens

„In der Geschichte der ökonomischen Theorien hat es bisher drei Werttheorien gegeben. Die klassische Werttheorie wurde von Adam Smith und David Ricardo begründet. Sie ist im wesentlichen auch von Karl Marx übernommen worden und wird heute vom Neo-Ricardianismus vertreten, der in Piero Sraffa seinen markantesten Denker hat. Die bis heute dominierende Werttheorie der Neoklassik geht auf die bereits erwähnten Werke von Carl Menger, Stanley Jevons und Leon Walras aus den frühen siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zurück. Ihre prominentesten modernen Vertreter haben wir im Tauschkapitel kennengelernt. Unter den Versuchen, im Anschluß an Keynes eine eigenständige Werttheorie zu entwickeln, die den großen Engländer selbst übrigens nicht interessiert hat, ragt die Berliner Schule des Monetärkeynesianismus hervor. Der Begründer dieser Schule, Hajo Riese, hat ihre eigenständigen werttheoretischen Elemente im Rahmen eines Systemvergleichs von »Geldwirtschaft« und »Nichtgeldwirtschaft« - letztere am Beispiel des Sozialismus - dargestellt. Dieser Vergleich soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Interessant ist Rieses werttheoretische Analyse allerdings insofern, als er die gleiche Ökonomie, die in der Klassik »Kapitalismus« und in der Neoklassik »Marktwirtschaft« heißt, in bewußter Verwerfung dieser beiden Bezeichnungen als »Geldwirtschaft« charakterisiert.“ (Ebd., S. 325-326).

„Wichtig für Riese ist nun, daß die jeweiligen Werttheorien unterschiedliche Normen abbilden, weil sie unterschiedlichen Prinzipien folgen, denen wiederum verschiedene Interpretationen des Phänomens »Wirtschaften«, von Ökonomie und ihrer Kohärenz also, zugrunde liegen. Die klassische Ökonomie folgt dem Prinzip der Reproduktion; daraus folgt für sie die Norm der Kostendeckung bzw. der Akkumulation für den Fall der erweiterten Reproduktion. Die neoklassische Ökonomie folgt dem Prinzip der Bedürfnisbefriedigung; aus ihm ergibt sich die Norm der Effizienz, der optimalen Allokation. Die monetärkeynesianische Ökonomie schließlich pocht auf das Prinzip der Vermögenssicherung; daraus resultiert die Norm des Knapphaltens von Geld. Nach Riese liefert dabei die neoklassische die Verallgemeinerung der klassischen und die monetärkeynesianische die Verallgemeinerung der neoklassischen Theorie - und zwar in dem Sinne, daß die jeweils allgemeinere Theorie die Schwächen der spezielleren aufhebe.“ (Ebd., S. 326-327).

„Die Schwächen der klassischen Werttheorie, nach der Preise über Kosten erklärt werden, liegen nach Riese darin, daß sie als Ökonomie der Reproduktion nicht zeigen kann, wie und auf Grund welcher Kalküle der Markt funktioniert, der die einzelnen Wirtschaftssubjekte zu einer sich reproduzierenden Gesamtwirtschaft zusammenschweißt. Dabei unterläuft ihr die bekannte - vor allem von Marx thematisierte Dichotomie zwischen Tauschwert und Gebrauchswert, das sogenannte Wertparadoxon. Es besagt, daß Güter von hohem Gebrauchswert einen niedrigen Tauschwert und Güter von niedrigem Gebrauchswert einen hohen Tauschwert haben können.“ (Ebd., S. 327).

„Die neoklassische Werttheorie, die Preise über Grenznutzenverhältnisse auf Märkten erklärt, löst dieses Paradox, indem sie über das Zweite Gossensche Gesetz die Maximierung des Gesamtnutzens auf dem Wege des Grenznutzenausgleichs postuliert. Damit vermag sie den Wert nicht beliebig reproduzierbarer, das heißt knapper Güter zu erklären. Dadurch kann die Neoklassik zugleich das wenig überzeugende Postulat der Unterauslastung nicht-reproduzierbarer Ressourcen, also von Arbeit und Boden, aufheben, das in der klassischen Werttheorie für die Bestimmung der Preise durch die Kosten unverzichtbar ist. Die neoklassische Lösung für das werttheoretische Problem der Klassik, die sie dazu geführt hat, die Preisbildung nicht einseitig über Kosten, sondem auf Märkten zu erklären, enthält allerdings die Schwäche, daß sie nur für das individuelle Verhalten von Wirtschaftssubjekten auf Einzelmärkten funktioniert.“ (Ebd., S. 327).

„Auf diesen Einzelmärkten passen die Subjekte als Anbieter und Nachfrager von Gütern für den angenommenen Fall der vollkommenen Konkurrenz ihre Gütermengen lediglich vorgegebenen Preisen an. Das bedeutet, daß bei einem hohen Preis viel angeboten und entsprechend wenig nachgefragt, umgekehrt jedoch bei einem niedrigen Preis wenig angeboten und viel nachgefragt wird. Ungeachtet der Aussage, daß neben Kosten auch Bedürfnisse und Märkte zur Bestimmung der Preise wichtig sind, werden letztere durch das Konzept der Einzelmärkte keineswegs erklärt. Das gilt auch für das - von uns im Tauschkapitel ausführlich behandelte -Totalmodell der modernen Neoklassik, der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie also. Diese verwendet zur Festsetzung der Preise die Kunstfigur des Auktionators, der die Preis- und Mengenvorstellungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte in Übereinstimmung bringt und den Tausch vollzieht. Der Auktionator aber drückt die Unmöglichkeit einer Preisbestimmung durch die Wirtschaftssubjekte bei vollkommener Konkurrenz aus. Die Neoklassik zeigt also lediglich die formale Möglichkeit eines allgemeinen Marktgleichgewichts, keinesfalls jedoch, welche Kräfte die Marktwirtschaft zusammenbinden. “ (Ebd., S. 327-328).

„Die Lösung dieses Kohärenzproblems beansprucht nach Riese die monetärkeynesianische Werttheorie, indem sie Geld an den Anfang ihrer Überlegungen stellt. Dieses Geld wird als Medium aufgefaßt, das nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch als allgemeingültiger Ausweis der Erfüllung von Kontrakten dient.“ (Ebd., S. 328).

„Diese Rolle kann Geld nur spielen, wenn es so knapp gehalten wird, daß es seine Funktion, Güter anzueignen, ebenso ausüben kann wie seine Funktion, Vermögen zu sichern. In dem Maße, in dem Geld knapp gehalten wird, werden Produktionsprozesse von den Unternehmern knapp gehalten, was ihnen erst einen Profit ermöglicht. Dies führt zu einer Dominanz der Geldsphäre über die Gütersphäre und liefert zugleich eine Erklärung der Preisfestsetzungsmacht der einzelnen Unternehmer. Da Knapphalten von Geld der Vermögenssicherung, nicht aber der Vermögenserweiterung dient, kann letztere nur durch die zeitweilige Aufgabe von Geld, das heißt seiner Verwendung in der Produktion, angestrebt werden. Die Preisfestsetzung durch die einzelnen Unternehmer, die in der neoklassischen Theorie bei vollkommener Konkurrenz unmöglich ist, ergibt sich im Monetärkeynesianismus dadurch, daß die Unternehmer die Aufgabe des Geldes zur Aneignung von Gütern, also zur Produktion, in einer Weise begrenzen, die in der Neoklassik nur bei unvollkommener Konkurrenz möglich ist. Geld, das durch Zins knapp gehalten wird, sichert mithin den Zusammenhalt des Marktsystems. Der Monetärkeynesianismus illustriert mit diesem Gedankengebäude Keynes' berühmte Aussage, daß Kapital knapp ist, weil Zins im Wettbewerb um Geld angeboten wird.“ (Ebd., S. 328-329).

„Die Schwierigkeit des Monetärkeynesianismus besteht - wie im Zinskapitel und im Geldkapitel gezeigt - darin, daß er ein Zinsangebot dezisionistisch einführt, um mit ihm bis dato außerökonomisch umlaufendes Geld in profanes ökonomisches zu verwandeln bzw. es knapp zu halten. Der wirkliche Grund für die in der Eigentumswirtschaft unabdingbare Knappheit von Geld - das zu blockierende Eigentum - bleibt dabei unerhellt.“ (Ebd., S. 329).

2b) Die Eigentumstheorie des Wertes

„Die monetärkeynesianische Werttheorie bedarf als Fundament einer Eigentumstheorie des Wertes. Knappes Geld ist in der Tat eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Eigentumswinschaft. Warum es knapp ist, kann jedoch nicht schon dadurch erklärt werden, daß für Geld ein pfiffig ausgedachter Zins angeboten wird. Es ist nämlich nicht der Zins per se, der das Geld knapp hält, sondern es ist das per se »knappe« Eigentum, das gebieterisch verlangt, Geld niemals aus der Bindung an sich - das heißt: Belastung beim Gläubiger und Verpfändung beim Schuldner - zu entlassen. Die am Eigentum haftende Prämie kann nur in eine Zinsforderung verwandelt werden, wenn die Emission von Geld gegen Eigentumsbelastung durchgehalten wird.“ (Ebd., S. 329).

„Die einzige künstliche Maßnahme beim Knapphalten von Geld besteht - neben der oben erörterten Variation des Zinses durch die Geld emittierende Institution - in den Schutzmaßnahmen gegen das Zirkulieren von gefälschten, das heißt nicht in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten fixierten und an verpfändetes Eigentum gebundenen Anrechten auf Eigentum. Nicht nur die einfache, sondern sogar eine »geschärfte Todesstrafe« auf Geldfälschung erschien denn auch schon in den Eigentumsgesellschaften der Spätantike als die gebotene Maßnahme gegen Münzverbrechen (falsum). Ein englisches Gesetz von 1350 setzte Geldfälschung mit Hochverrat gleich und bestrafte sie ebenfalls mit dem Tode? Der Kommentar zum Bundesbankgesetz zeigt sich in seiner Sorge keineswegs vermindert: »Bei der Entwicklung und Herstellung der Banknoten steht der Schutz gegen Fälschungen im Vordergrund.« (Deutsche Bundesbank, Die Deutsche Bundesbank, a.a.O., S. 17).“ (Ebd., S. 329-330).

„Nicht zuletzt diese Strafandrohungen haben dafür gesorgt, daß die ganz großen <Fälschungen) nicht von Einzelpersonen oder auch Banden, sondern von den emittierenden Institutionen selbst ausgingen. Die Zentralbankgesetze zielen deshalb -wie im Geldkapitel gezeigt -immer darauf ab, die »Währung zu sichern«. Damit ist gemeint, daß Geld nur dann emittiert werden darf, wenn an seinem Ausgangspunkt die Haftung durch das Eigentum eines als zahlungsfähig bekannten Gläubigers steht. Dessen Eigentum (»Vermögen«) wird also nicht durch den Zins gesichert, der ja die Eigentumsprämie materialisiert, sondern durch den Verzicht auf die Emission eines Geldes, mit dem Leute Eigentum kaufen können, ohne daß es mit Eigentum gesichert wäre. Das Geheimnis hinter der Knappheit des Geldes ist also das belast- oder verpfändbare und damit riskierbare Eigentum. Seine immaterielle Prämie gibt auf, wer sich zu seiner Blockierung entschließt.“ (Ebd., S. 330).

„Der Wert, den für einen verschuldeten Produzenten - und es ist die Produktion, mit der ein Schuldner im Normalfall die Waren für die Erlangung seiner Schuldendeckungsmittel schafft - eine bestimmte Warenmenge verkörpert, ist ihm vorgegeben durch eine aus Schuld und Zins zusammengesetzte absolute Summe, die sich auf ein money of account (Geldstandard) aus einem Kreditkontrakt bezieht. Wie es das zur Begleichung der Schulden notwendige money proper (das eigentliche Geld) erst dann geben kann, wenn es sich wiederum auf dieses ihm in Gläubiger-Schuldner-Kontrakten vorhergehende money of account bezieht, so erhält auch ein Gut erst einen Wert, wenn sein Preis in eben diesem - ihm ebenfalls vorhergehende money of account ausgedrückt wird. Nur über die Fixierung dieser Beziehung zwischen einem Gut und einer Kreditbeziehung wird ein Gut zur Ware. Der Wert einer Ware, ihre Bewertung, ist deshalb unausweichlich immer nur in Einheiten eines Geldstandards ausdrückbar. Dieser wird durch einen Kreditkontrakt gesetzt und nicht - wie in der Neoklassik - aus einem für den Geldgebrauch besonders geeigneten Tauschgut als Rechnungseinheit gewonnen.“ (Ebd., S. 330-331).

„Einen schönen etymologischen Hinweis für die Identität von Bewertung und monetärem Ausdruck liefert das lateinische Wort für ökonomische Bewertung: aestimatio. Es ist aus dem Wort aes gebildet, das Erz oder Metall bedeutet und zugleich ein Wort für Geld ist. Aes rude bezeichnet das ungemünzte, in Barren ausgewogene Erz. Aes grave hingegen ist das vollgewichtige Geld, ein Barren im Gewicht von einem Pfund. Wörtlich würde das lateinische Wort für Bewertung mithin Begeldlichung lauten. Wir hatten im Geldkapitel gesehen, daß die lateinische Bezeichnung moneta für das gemünzte Geld -die Münze also ebenfalls die ökonomische Theorie illustriert, da das monere ( = ermahnen, auffordern, züchtigen etc.) daran erinnert, daß Geld sich auf einen zeitlich limitierten und vollstreckbaren Kontrakt bezieht.“ (Ebd., S. 331).

„Eben diese Zusammenhänge mag Hawtrey gespürt haben, wenn er darauf beharrte, daß Schuldkontrakte nicht - wie in den neoklassischen intertemporalen Kontrakten -in einem irgendwie sich herausbildenden Gut Geld ausgedrückt werden. Vielmehr »muß Geld von Schuldkontrakten her definiert werden« (Ralph Hawtrey, a.a.O.), die ihm vorhergehen. Deshalb müssen auch diejenigen Gläubiger-Schuldner-Kontrakte, die in der Gestalt von Kauf- und Verkaufskontrakten über Geld ausgepreiste Waren daherkommen, dem money proper (dem eigentlichen Geld) vorhergehen, das zu ihrer Erfüllung notwendig ist. Wiederum erweist sich die lateinische Terminologie als einschlägig. Ein Angebot stellen und einen Preis bestimmen sind ein und dasselbe: pretium constituere. Eine Ware anzubieten, heißt also ihren Geldpreis zu nennen, womit gleichzeitig ihre Wertbestimmung ausgedrückt wird: Wert haben heißt entsprechend Preis haben bzw. pretium habere.“ (Ebd., S. 331-332).

„Der Wert einer Ware ist etwas gänzlich anderes als die Idee des relativen Preises in Klassik und Neoklassik, der ja als Mengentauschrelation ausdrücklich unabhängig vom Geld gedacht wird. Der Wert in der Eigentumswirtschaft ist vielmehr ein absoluter Preis, der in money of account (Geldstandard) gemessen werden muß und somit ein Geldpreis ist. Schulden und Preise müssen also unausweichlich im selben Maß ausgedrückt werden, da die Schuldfestsetzung der Preisfestsetzung vorhergeht. Für die Wertbestimmung einer produzierten Warenmenge sind mithin nicht die relativen Kostenpreise der Klassik entscheidend, die weitt gehend unabhängig von den Angebots-Nachfrage-Konstellationen auf dem Markt die Güterpreise bestimmen. Entscheidend sind auch nicht die auf dem Markt sich herausbildenden Angebots-Nachfrage-Konstellationen, in denen sich die relativen Grenznutzenpreise der Neoklassik verwirklichen.“ (Ebd., S. 332).

„Klassische und neoklassische Güterpreistheorie kranken daran, daß sie - worauf übrigens bereits Wolfgang Stützel (1925-1987) hingewiesen hat - eine Preistheorie liefern, ohne zu berücksichtigen, daß bei Existenz von Geld Preise gerade nicht durch das Abstimmen von Plänen über das Tauschen von Gütern bestimmt werden können. Die von der Neoklassik ausdrücklich dem Geld zugewiesene Rolle, den Tausch von Gütern zu erleichtern bzw. Kauf- und Verkaufspläne kompatibel zu machen, muß davon absehen, daß die Existenz von Geld immer mit »Geldvermögen« einhergeht, dem verzinsliche Forderungen und zu verzinsende Verpflichtungen entsprechen, die sich in sogenannten Einnahme-Ausgabe-Salden manifestieren müssen. Diese Salden bestehen aus einzelwirtschaftlichen Einnahmeüberschüssen, die -als positive Differenz zwischen Käufen und Verkäufen -zu Forderungen führen, bzw. aus einzelwirtschaftlichen Ausgabenüberschüssen, die - als negative Differenzen zwischen Käufen und Verkäufen - Verpflichtungen nach sich ziehen.“ (Ebd., S. 332).

„Diese Forderungen und Verpflichtungen zeigen, daß das »Wesen des Geldes« darin liegt, »nie bloße Recheneinheit« zu sein, selbst wenn auf allen Märkten Gleichgewicht herrscht. In der Neoklassik hingegen »bleibt Geld bloße Recheneinheit«, selbst wenn auf allen Märkten Ungleichgewicht herrscht. (Vgl. Wolfgang Stützel, Volkswirtschaftliche Saldenmechanik, 1958, Kapitel 4, S. 192). In diesem Fall werden die ... festgelegten Preise von Gütern solange variieren, bis die Erlöse aus dem Verkauf eines Gutes gerade ausreichen, den Kauf eines anderen Gutes zu finanzieren, das heißt, einen Tausch von Gütern durch Bestimmung ihrer Tauschraten stattfinden zu lassen.“ (Ebd., S. 332-333).

„Stützel sieht nun, daß eine durch solches Variieren herbeigeführte Abwesenheit von Salden durch das neoklassische Preissystem bei freiem Wettbewerb keineswegs garantiert werden kann. Vielmehr gelte - sobald Geld existiert -, daß unabhängig davon, ob die Märkte im Gleichgewicht sind oder nicht, »bei Einzelwirtschaften Budgetsalden zwischen Käufen und Verkäufen auftreten« müssen. Bei der neoklassischen Preisbestimmung wird also durchgehend vernachlässigt, daß Einnahmen-Ausgaben-Salden keineswegs durch »falsche« oder Unngleichgewichtspreise zustandekommen, sondern »primär durch die Kreditkonditionen«, also durch den Zins entschieden werden. (Vgl. Wolfgang Stützel, Volkswirtschaftliche Saldenmechanik, 1958, Kapitel 4, S. 195). Ihm - und damit verbunden dem Geld sowie den es generierenden Krediten, die zu den Salden führen - muß damit eine entscheidende Rolle bei der Preisbestimmung zukommen. All das jedoch wird von der Neoklassik vernachlässigt.“ (Ebd., S. 333).

„Das von Stützel gesehene »Geldvermögen« ist von der monetärkeynesianischen Werttheorie aufgegriffen worden. Sie hat es zu einer Theorie der Hierarchie von Märkten entwickelt, in der - wie gezeigt - die Geldsphäre die Gütersphäre dominiert, indem sie die Preisfestsetzung über eine Geldknapphaltung durch Zins oder schlicht Verweigerung eines Geldangebots ermöglicht. Für die Wertbestimmung einer produzierten Ware ist nun aber diese Möglichkeit der Preisfestsetzung nicht entscheidend. Selbstredend hält knapp gehaltenes Geld die Warenproduktion, die ja aus dem Kapital als Geldvorschuß finanziert werden muß, ihrerseits knapp und ermöglicht deshalb dem Produzenten auch bei vollkommener Konkurrenz eine Preisfestsetzung zur Erlangung eines Profits, der im Gleichgewicht mindestens seine Verpflichtung aus Zins und Tilgung zu erfüllen erlaubt. Da knapp gehaltenes Geld aber eine abgeleitete Knappheit darstellt, die von der Belastungsfähigkeit des Eigentums bestimmt wird, findet die Warenproduktion ihre Grenze an der Prämie, die potentielle Gläubiger und Schuldner auf das Angebot ihres unbelasteten Eigentums setzen. In der Zinshöhe, die sowohl zu Kredit- als auch Verschuldungsverweigerung führen kanndrückt diese Prämie sich lediglich aus.“ (Ebd., S. 333-334).

2c) Hierarchie von Märkten versus Einheit des Marktgeschehens

„Die monetärkeynesianische Rede von einer Hierarchie von Märkten, in der Vermögensmärkte Gütermärkte dominieren, ist durchaus in dem Sinne zutreffend, daß nur mit Geld ausgestattete Subjekte sich Güter aneignen können. Richtig ist auch, daß Vermögenseigentümer und Vermögensbesitzer - wie die Banken, wenn sie über Einlagen von Vermögenseigentümern verfügen -, darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Schuldnern bzw. Unternehmern Geld zur Verfügung gestellt wird, mit dem dann Ressourcen für die Produktion erworben werden können und bei dessen Nichtzurverfügungstellung selbstverständlich Nichtbeschäftigung der Ressourcen eintreten muß. Diese Erkenntnis bleibt für die theoretische Erklärung des Warenmarktes jedoch ohne Belang, weil ihm Geld, Zins und damit Kredit als vermeintlich einfallsreich ausgedachte Setzungen einfach vorweggestellt werden.“ (Ebd., S. 334).

„Es ist jedoch die Eigentumsprämie, deren Aufgabe im Kreditkontrakt überhaupt erst Zinsforderungen begründet, die in einem money of account (dem Geldstandard) ausgedrückt sind. Diese Gläubiger-Schuldner-Kontrakte erzwingen dann die Marktoperationen der Schuldner zur Erlangung des auf sie bezogenen money proper (eigentlichen Geldes), das selbst wiederum erst durch einen Kreditkontrakt in die Welt gekommen ist.“ (Ebd., S. 334).

„Warum es überhaupt Märkte geben muß, wird im Monetärkeynesianismus - ganz wie in der Neoklassik - gar nicht erst untersucht. Er interessiert sich lediglich für den Preisbildungsprozeß auf dem Markt. Er selbst wird einfach unter der Hand eingeführt, nicht aber einer Erklärung für würdig befunden.“ (Ebd., S. 334).

„Die monetärkeynesianische Formel von der Markthierarchie ist eher dazu angetan, die essentiellen Triebkräfte für Warenmärkte - einschließlich des Arbeitsmarktes - zu verschleiern als offenzulegen. Wie wir noch zeigen werden, herrscht auch für den Monetärkeynesianismus auf diesen Märkten - wenn auch nicht im Marktgeschehen insgesamt - das Tauschparadigma ganz unangefochten. Hier wird also immer noch der Marktterminologie der Neoklassik hinterhergelaufen. Letztere wird sich jedoch davon keineswegs beeindrucken lassen, weil sie ihr Tauschparadigma von einer umgekehrten Märktehierarchie Dominanz der Gütermärkte - genauso bestätigt sehen wird wie von ihrer Fiktion eines ursprünglichen Güterrealtauschs, der unmittelbar Marktgeschehen konstituierte. Überdies ist beim Monetärkeynesianismus nicht immer eindeutig, ob das, was er Preis nennt, ein relativer Preis bleibt und damit eine Tauschrelation für Gütermengen auf dieselbe Weise im Zentrum seines Kalküls steht, wie das in der Neoklassik beim monopolistischen Verhalten eines Produzenten bei unvollkommener Konkurrenz der Fall ist.“ (Ebd., S. 334-335).

„Dem verschuldeten Eigentümer ist also weder klassischer Arbeitsaufwand, noch neoklassische Nutzenoptimierung, noch eine monetärkeynesianische Orientierung an den Kalkülen von Vermögensbesitzern aufgegeben, die ihm eine selbständige Preissetzung bei knapp gehaltenem Geld ermöglichen und nicht - wie in der Neoklassik im Fall der vollkommenen Konkurrenz - lediglich eine Anpassung seiner Mengen an vorgegebene oder vom Auktionator bestimmte Preise erlauben. Der verschuldete Produzent versucht vielmehr von Anfang an, einen monetären Preis in einer Höhe festzulegen, die es ihm ermöglicht, zumindest seinen Kontraktverpflichtungen, also Tilgung und Zins, nachzukommen.“ (Ebd., S. 335).

„Was bedeutet dieser Geldpreis im Unterschied zu einem relativen Preis, der Tauschrelationen zwischen Gütern ausdrückt? Der verschuldete Unternehmer setzt die zu erstellende Produktmenge auf ganz dieselbe Weise umgehend zum money of account (Geldstandard) in Beziehung, wie ja auch die von ihm zu leistende Geldsumme, also Tilgung und Zins, zu diesem selben money of account in Beziehung gesetzt ist. Da das Produkt aus Gütermenge und Preis mindestens seiner Schuldsumme aus Tilgung und Zins entsprechen muß, ermittelt er die Preise, die er zur Kreditkontrakterfüllung für seine Güter erzielen muß, durch Division der geschuldeten Geldsumme durch die Gütermenge. Insofern macht die Rede von einem Preis nur Sinn als Rede von einem Geldpreis. Wo diese Ableitung des Geldpreises nicht vorgenommen wird, erfolgt lediglich die vortheoretische Adaption eines unverstandenen Begriffes namens Preis.“ (Ebd., S. 335-336).

„Zwischen den Transaktionen auf dem Vermögensmarkt, wo Gläubiger gegen Zins Geld auf Zeit kreditieren, und denen auf dem Warenmarkt besteht keineswegs ein essentieller, sondern nur ein gradueller Unterschied. Die Transaktionen auf dem Warenmarkt sind notwendiges Resultat und Teil von Kreditoperationen zwischen Eigentümern. Diese Kreditoperationen als einen eigenständigen Vermögensmarkt abzutrennen, also zwei unterschiedliche Markttypen vorauszusetzen, dokumentiert bereits eine grundlegende theoretische Verlegenheit. Sie zeigt sich darin, daß ein geldwirtschaftlicher »Vermögensmarkt« einem tauschwirtschaftlichen »Gütermarkt« gegenübergestellt wird. So werde auf dem Vermögensmarkt eine Transaktion erst dann beendet, «wenn die kreditierte Liquidität zurückgezahlt worden ist«, »während auf dem Gütermarkt mit der Übertragung eines Gutes gegen ein anderes Gut (mit dem Medium Geld oder Forderungen oder was auch immer) ein Tausch abgeschlossen« werde. Weiterhin werde auf dem »Vermögensmarkt« - anders als auf dem »Gütermarkt« - ein doppeltes Entscheidungskalkül verlangt: »Denn der Vermögensbesitzer hat nicht nur wie der Produzent zu überprüfen, ob er den Marktpreis (bei ersterem also den Zinssatz) erzielt, sondern anders als der Produzent darüber hinaus die Sicherheit des Vermögensrückflusses abzuschätzen.« (Hajo Riese, Theorie der Inflation, 1986, S. 54).“ (Ebd., S. 336).

„Riese spricht bezeichnenderweise von einem Gütermarkt, auf dem getauscht wird, nicht aber von einem Warenmarkt, von einem Markt also, auf dem für ausschließlich monetär ausgepreiste Güter Kaufkontrakte gesucht werden. Dabei unterliegt jedoch der verschuldete produzent - ganz wie Rieses Vermögensbesitzer - ebenfalls einem doppelten Entscheidungskalkül. Er muß sich keinesfalls nur darum kümmern, ob er für seine produzierten Güter den Marktpreis erzielt, sondern er hat - wie der Gläubiger »Vermögensbesitzer« die Sicherheit des »Vermögensrückflusses« - die Sicherheit der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten abzuschätzen. Das Verbindlichkeitserfüllungskalkül des Schuldners erweist sich deshalb als nicht minder wirksame Begrenzung für den Einsatz von Ressourcen als das »Vermögensrückflußkalkül« des Gläubigers. Eine Erhöhung der Eigentumsprämie führt also nicht nur zu einer Reduktion des Kreditangebots durch den Gläubiger, sondern auch zu einer Reduktion der Kreditnachfrage durch den Schuldner. Es ist also nicht ein »Besitz« von Geld allein, der den Einsatz von Ressourcen begrenzt, sondern die Veneidigung des Eigentums, die für Gläubiger und Schuldner gleichermaßen Priorität hat.“ (Ebd., S. 336-337).

„In diesem Verbindlichkeitserfüllungskalkül des privaten Schuldners und Produzenten erst finden die von Klassik und Neoklassik für ihre wentheoretischen Gedanken herangezogenen Phänomene ihren Grund. Die Berücksichtigung der von der Klassik herausgestellten Kosten für das marktfähige Angebot beziehungsweise der sich in Angebot und Nachfrage ausdrückenden neoklassischen Präferenzen von Produzenten und Konsumenten über neu zu produzierende Güter ist unverzichtbar, damit überhaupt das Zustandekommen von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten erklärt werden kann. Selbstverständlich wird Kredit an Schuldner nur in der Erwanung gegeben, daß sie ihre Waren für die Erzielung der durch die Schuldsumme vorgegebenen monetären Preise so produzieren, daß die Einsatzfaktoren nicht zu Preisen bezahlt werden, die durch den am Markt erzielbaren Preis nicht mit abgedeckt werden können. Auch die Faktorpreise der Produzenten sind in Beziehung auf das money of account (den Geldstandard) des ursprünglichen Schuldkontraktes zu bewerten. Ebenso selbstverständlich haben die Produzenten auf die Nachfrage nach ihren Waren, also auf die Nutzenpräferenzen der Konsumenten zu achten.“ (Ebd., S. 337).

2d) Die Eigentumstheorie von Marktkonkurrenz, Warenmarkt und Bewertung

„Auch die Marktkonkurrenz, die als vollkommene Konkurrenz in der Klassik überproponionale und in der Neoklassik - mit Ausnahme der anormalen »Marktlagengewinne« - im Gleichgewicht alle Profite verschwinden läßt und bei letzterer überdies zur optimalen Allokation der Ressourcen, also zu ihrer effizienten Verwendung führt, hat ihren wirklichen Grund darin, daß individuelle Schuldner bei ihrer Geldpreisfestsetzung auf andere produzierende Eigentümer zu achten haben, die ebenfalls auf dem Markt an Schuldendeckungsmittel zu gelangen trachten. Die Existenz eines Wettbewerbs ist dementsprechend dem Versuch geschuldet, die existenzentscheidende Aussicht zu verbessern, an Schuldendeckungsmittel heranzukommen und die Kontrakte zu erfüllen. Diese Aussicht bedeutet jedoch nicht, daß die Preise von außen bestimmt werden. Sie führt lediglich dazu, daß die Preisfestsetzung als Aufschlag auf die Kosten immer nahe an der vorgegebenen und zu verzinsenden Schuld bleibt.“ (Ebd., S. 337-338).

„Der Wettbewerb ist mithin ein Abfallprodukt der schuldengetriebenen Produktion. In der Rede von der »Konkurrenzgesellschaft« steckt deshalb das gleiche Unbegriffensein der zu analysierenden Gesellschaftsform wie in der allseits herrschenden Rede von der »Marktwirtschaft«. Nicht zuletzt die ebenso künstlichen wie fehlgeschlagenen Versuche, einen »sozialistischen Wettbewerb« in das Abgabensystem einer Befehlsgesellschaft einzulagern, belegen den Nexus der Marktkonkurrenz mit dem Kalkül der Verbindlichkeitserfüllung verschuldeter Produzenten, für die eine Produktion im Sinne eines bloßen Ablieferungssolls wertlos bliebe.“ (Ebd., S. 338).

„Am Anfang der abendländischen Eigentumsgesellschaft ist es einmal mehr der scharfsinnige Hesiod, der die ökonomische Konkurrenz als echte Innovation ausgemacht hat, die er weder auf ewige Charaktereigenschaften des Menschen noch gar auf besondere Charakterzüge einzelner Völker zurückführt. Er bestätigt damit die ethnologische Wirtschaftsforschung, die gezeigt hat, daß im Stamme, der Kriegsstreit und Attraktivitätskonkurrenz ausgiebig pflegt, Marktkonkurrenz »überhaupt nicht vorkommt« (Sahlins). Hesiod sieht in ihr einen ganz besonderen Streit am Werk, den er von einer anderen Form gesellschaftsrelevanten Streites, »dem drückenden Streit«, der zum Kriege führt, genau zu unterscheiden weiß:
»Und es setze ihn (diesen Streit) Zeus, hochthronend, himmelbewohnend,
Tief in die Wurzeln der Erde, und vielmals besser den Menschen;
Auch einen hilflosen Mann, wie die andern, weckt er zur Arbeit;
Denn auf den Nächsten blickt einer hin und drängt nun zum Wirken,
Auf einen Reichen, der emsig sich rührt beim Pflügen und Pflanzen
Und beim Bestellen des Hauses. Den Nachbarn stachelt der Nachbar,
Wenn er nach Wohlstand strebt. Der Streit ist gut für die Menschen!
Und zwischen Töpfer und Töpfer ist Groll, zwischen Zimmrer und Zimmrer.«
(Hesiod, Werke und Tage, 18-25).
All diese ganz unstrittigen Verhaltensweisen der Marktteilnehmer haben weder eine markt- noch eine wertkonstituierende Kraft, sondern ergeben sich schlicht daraus, daß der Schuldner seine EigentÜmerposition und damit das verpfändete Eigentum, das ihn ja erst kreditwürdig gemacht hat, nicht weniger entschlossen verteidigt als der Gläubiger die seinige. Dabei hat er nicht nur eine Solvenz zu achten, die darin besteht, daß hinreichend Eigenturtl für seine Verpflichtungen vorhanden ist, sondern auch auf seine akute Zahlungsfähigkeit. Diese besagt, daß er mit den Einnahmen aus dem Verkauf seinen monetär ausgepreisten Waren jederzeit seine Verbindlichkeiten erfüllen kann und nichts von der eigenen Eigentumsbasis hergeben muß.“ (Ebd., S. 338-339).

„Der Warenmarkt liefert also aus der Perspektive des Schuldners die symmetrische Entsprechung für die Perspektive des Gläubigers. Dessen Vermögensrückflußkalkül impliziert mithin das Verbindlichkeitserfüllungskalkül des verschuldeten Produzenten. Der Warenmarkt ist einerseits zwar das notwendige Resultat eines Gläubiger-Schuldner-Kontraktes, weil der Schuldner nur über diese Institution seine Verpflichtungen erfüllen kann. Er ist andererseits aber auch die notwendige Voraussetzung dafür, daß eine Kreditoperation zum Abschluß gebracht werden kann. Ein Verbot von Märkten kann mithin die Entstehung von Kreditoperationen unterbinden. Hingegen führt die Erlaubnis von Märkten - wie sich gegenwärtig sehr schön an den Nachfolgestaaten des Sozialismus zeigen läßt - keineswegs zu Kreditoperationen, da diese an zu belastendes und zu verpfändendes Eigentum gebunden sind. Ohne dessen Herbeiführung gelangt ein Warenmarkt nicht in die Welt.“ (Ebd., S. 339).

„Die Symmetrie zwischen Kredit- und Warenmarktoperationen macht erst verständlich, daß die auf dem Warenmarkt agierenden Produzenten sich ebenfalls ihrem Eigentümerstatus gemäß verhaltenNiemals tauschen Verkäufer Güter gegen Güter oder auch nur Güter gegen das »Medium Geld oder Forderungen oder was auch immer« (Riese). Die Kauf- und Verkaufsverträge stellen wiederum nichts anderes als Gläubiger-Schuldner-Kontrakte dar, bei denen - wie im Fall der umgehenden Zahlung in Geld - der Zins lediglich nicht erscheint, weil das Eigentum, das Ware ist, sofort vom Produzenten bzw. seinem Agenten auf den Konsumenten übertragen wird, der Produzent in seiner Rolle als Gläubiger also nicht auf Zeit von ihr getrennt wird. An einer Ware, die ein Konsument nicht sofort in Geld bezahlt, erwirbt er nach bürgerlichem Schuldrecht denn auch kein Eigentum. Unter der Maßgabe des Eigentumsvorbehalts des Verkäufers erlangt der Käufer lediglich Besitz an der Ware, für die bis zur endgültigen Bezahlung, die nicht per Anweisung durch Scheck oder Kreditkarte, sondern erst bei Übereignung des money proper (eigentlichen Geldes) erfolgt, ganz wie bei einer befristeten Verbindlichkeit Zinsen zu zahlen sind.“ (Ebd., S. 339-340).

„Dieser Besitz einer Ware unterscheidet sich vom Besitz eines Gutes in einer Nichteigentumsgesellschaft, das prinzipiell nicht zu Eigentum werden kann. In der Eigentumsgesellschaft hingegen zeigt gerade der Kaufkontrakt die wechselseitige Transformation von Eigentum in Besitz. Pacht- oder Mietverträge könnten dann als eine besondere Form der Kaufverträge charakterisiert werden, in der Eigentum und Besitz auf Dauer getrennt bleiben. Das Nichtübergehen des Eigentums an Pächter oder Mieter verpflichtet sie für eben diese Dauer zu Kompensationen dafür, daß der Eigentümer seine Besitz-, also Nutzungsrechte nicht wahrnehmen kann. Letzterer behält aber seine Eigentumsrechte, kann mithin immer noch verpfänden und verkaufen.“ (Ebd., S. 340).

„Zurück zum Warenmarkt! Er ist kein Tauschplatz, sondern eine Instanz zur Erlangung von Schuldendeckungsmitteln. Dadurch ist er dem Kreditvertrag, in dem diese Schulden vereinbart sind, nachgeordnet. Die Transaktionen auf dem Warenmarkt bilden also den notwendigen Abschluß einer Operation, die in der Eigentumsprämie ihren Ausgangspunkt hat. Mithin erweist sich diese immaterielle, aber strukturell unvermeidliche Prämie als Generator für Wert. Und die Zinsforderung wird als transformierte Eigentumsprämie zum Erzwinger eines Preises, bei dessen Erlösung dem Gläubiger Kreditsumme plus Zins geleistet werden kann. Eigentumsprämie und Zins können sozusagen als Urwert und Urpreis der durch Eigentum bestimmten Gesellschaftsform gekennzeichnet werden. In dieser ist Geldgebrauch als Gebrauch von Anrechten auf Eigentum, nicht jedoch zur Erleichterung eines Gütertausches, unabdingbar.“ (Ebd., S. 340).

„Eine Bewertung als solche beginnt in dem Moment, in dem ein in money of account (Geldstandard) denominierter Betrag ins Verhältnis gesetzt wird zu einem Teilbetrag derselben Denomination. Dieses geschieht automatisch, wenn der Zins für den Zeitraum eines Kredits festgelegt wird. Der Zinssatz ist dabei nichts anderes als das Verhältnis von Zinsen auf den Geldvorschuß zum Geldvorschuß selbst. Sind die zu zahlenden Zinsen festgelegt, dann läßt sich einfach zeigen, daß die Höhe des Zinssatzes den Wert des Geldvorschusses bestimmt, der mithin nicht aus sich heraus fixierbar ist. Dafür schauen wir auf die bekannte Formel zur Bestimmung des Kapitalwertes eines Gutes:
i = r / R.
Dabei steht i für den Zinssatz, r für die Profite und R für den Kapitalwert jeweils für eine bestimmte Periode. Unter der Annahme, daß die Profite sich in der Periode nicht ändern, läßt sich zeigen, daß der Kapitalwert R sich letztlich gegenläufig zu Änderungen des Zinssatzes verändert, der Wert eines Kapitalguts also durch den Zinssatz bestimmt wird. Die Bewertung allen Eigentums erfolgt nach derselben Formel. Auch das als Sicherheit gestellte Eigentum kann nur als Eigentumswert, also in Geldpreisen gemessenes Eigentum eingesetzt werden.“ (Ebd., S. 340-341).

„Nur bei Eigentum, das über seine Belastung bzw. über den Verlust seiner Prämie Zins fundiert und Anrechte gegen es als Geld generiert, kann von Werten und Preisen gesprochen werden. Schuldner müssen permanent die für eigentumsfundiertes Geld zu kompensierende Eigentumsprämie erwirtschaften. Daher sind alle Werte oder Preise -vom Faktorpreis über den Produktpreis bis zum Marktpreis und zum Zinssatz - von Anfang an Geldwerte oder Geldpreise. Die von der Forschung so händeringend beklagte Unmöglichkeit, Werte und Preise auch in Stammes- und Feudalgesellschaften dingfest zu machen, hat ihren Grund mithin darin, daß dort neben dem Eigentum eben auch seine Prämie aus Belast- und Verpfändbarkeit fehlt.“ (Ebd., S. 341).

„Die Symmetrie zwischen Kreditoperationen und kreditären Verkaufsoperationen auf dem Warenmarkt findet ihre Grenze darin, daß der Warenproduzent als Schuldner von vornherein in einem fixierten Gläubiger-Schuldner-Vertrag steht, während derselbe Warenproduzent einen Kontraktpartner für einen Kaufvertrag erst finden muß, in dem nun er als Gläubiger agiert, dem vom Konsumenten als »Schuldner« die Mittel zufließen, mit denen er seine Verbindlichkeiten ablöst. Auf dem Kreditmarkt wird Geld von einem Gläubiger gegen Zins und gute Sicherheiten an einen Schuldner auf Zeit übertragen. Auf dem Warenmarkt hingegen will der Schuldner Gläubiger werden. Dafür muß er einen Schuldner erst gewinnen, der ihm Geld gegen seine Waren verkauft, den er aber durch das bloße Angebot seiner Ware zur Geldhergabe nicht zwingen kann. Während der Produzent als Geldschuldner von seinem Gläubiger bei Nichterfüllung seiner Verbindlichkeiten allemal mit seinen Sicherheiten in Haftung genommen wird, darf derselbe Produzent als ja nur potentieller Gläubiger-Verkäufer bei Nichtabschluß eines Kaufkontrakts doch keineswegs den ja ebenfalls nur potentiellen Käufer-Schuldner in Haftung nehmen.“ (Ebd., S. 341-342).

„In dem Maße, wie der verschuldete Produzent als Verkäufer-Gläubiger erfolgreich ist, wird sein Gläubiger ihm bereitwilliger Kredit geben, also gegen Zins Anrechte auf sein Eigentum übertragen. Im umgekehrten Fall wird er entsprechend kreditunwilliger sein. Insofern ist in der Interaktion zwischen Kreditmarkt und Warenmarkt die vom Monetärkeynesianismus behauptete Dominanz des ersteren über den letzteren selbstredend zutreffend.“ (Ebd., S. 342).

„Die für die Eigentumswirtschaft typische Akkumulatio!;l wie auch die ebenso typische Krise können überhaupt nur zustandekommen, weil die Kalküle der Gläubiger auf Kreditmarkt und Warenmarkt zwar symmetrisch sind, ihre Realisation jedoch durch die unterschiedlichen Inpflichtnahmemöglichkeiten der jeweiligen Schuldner jenseits dieser Symmetrie liegt.“ (Ebd., S. 342).

3) Zusammenfassung

„»Marktwirtschaft« lautet das große Wort, das heutzutage in den ehemals sozialistischen Ländern genauso wie im Westen als vorteilsuchender Tausch verstanden wird, der mithin letzter Grund und. eigentlicher Beweger allen Wirtschaftens sein soll.“ (Ebd., S. 342-343).

„Bei einer Analyse der Eigentumswirtschaft hingegen zeigt sich, daß Kaufkontrakte auf Märkten die Operationen abschließen, die mit dem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt über eine zu tilgende und zu verzinsende Geldsumme beginnen. Da solche Verträge einen mit kreditierbarem Eigentum ausgestatteten Gläubiger und einen Eigentum verpfändenden Schuldner benötigen, kann es nicht überraschen, daß die Forschung in reinen Stammes- und Feudalgesellschaften (ohne Kontakt zu Eigentumsgesellschaften) vergeblich nach Marktoperationen gefahndet hat. In diesen Gemeinwesen werden zwar Loyalitäts- und Gastgaben in großer Vielfalt und Kostbarkeit hin- und hergeschenkt, aber die von der herrschenden Theorie geforderten Preise, Allokationsoptimierungen und Konkurrenzmechanismen sind beim besten Willen nicht auffindbar.“ (Ebd., S. 343).

„Nur in Eigentumsgesellschaften muß der in Geld verschuldete Produzent für seine monetär ausgepreisten Güter Kaufkontrakte einwerben. Es ist diese Operation, die den Markt konstituiert. Damit sind nur die von der Schuldsumme her ihren Geldpreis erhaltenden Güter Waren.“ (Ebd., S. 343).

„Wettbewerb muß nun dadurch entstehen, daß verschuldete Produzenten mit ihresgleichen um Kaufkontrakte werben, aus deren Gelderlös sie die Kreditkontrakte zu erfüllen haben. Je sicherer ihre Aussicht auf Kaufkontrakte ausfällt, desto besser können sie ihr Eigentumsposition halten oder ausbauen. Je weniger Geld die Käufer im Kaufkontrakt abtreten, desto größer wird die Aussicht des Verkäufers, seinen Warenpreis erzielen, also seinen Gläubiger bedienen zu können. Konkurrenz ist mithin an verschuldete Produzenten gebunden und nicht an gütertauschende Produzenten oder Konsumenten. Sie muß also fehlen, wo Güter - wie in Stamm und Feudalismus - aus anderen Gründen als Verschuldung produziert werden, also keine Waren sind.“ (Ebd., S. 343).

„Da die zu erzielende Geldpreissumme mindestens der Geldschuldsumme entsprechen muß, können Preise keine relativen Preise als Gütertauschraten sein. Solche Preise haben nur in der fiktiven Gütertauschgesellschaft einen Sinn, von der Klassik und Neoklassik sowie - mit Einschränkung - auch der Monetärkeynesianismus handeln. In der Eigentumswirtschaft gibt es nur absolute, also als Geldsumme ausgedrückte Preise - Geldpreise.“ (Ebd., S. 343).

F) Das Kapitel von der Akkumulation; Kapital, freie Lohnarbeit und technischer Fortschritt

1)  Die »ursprüngliche« Akkumulation der Klassik (S. 346-350)
2)  Die Überflüssigkeit einer ursprünglichen Akkumulation für Entstehung und Dynamik der Eigentumsökonomie (S. 350-355)
3)  Die Rätsel des Strebens nach Akkumulation und des Profits auf Kapital (S. 355-362)
4)  Der Zwang zur Innovation in der Eigentumsgesellschaft (S. 362-373)
5)  Die herrschende Ratlosigkeit vor dem technischen Fortschritt (S. 373-382)
6)  Die Eigentumstheorie der Akkumulation (S. 382-387)
7)  Zusammenfassung (S. 387-390)

1) Die »ursprüngliche« Akkumulationn der Klassik

„Zins und Geld sind die zentralen ökonomischen Derivate des Eigentums und bestimmen die nur der Eigentumsgesellschaft inhärente Notwendigkeit der Bewirtschaftung von Ressourcen. Die besondere Dynamik dieses Mechanismus ist nun zu analysieren. Sie resultiert in einer Akkumulation von materiellem Reichtum, der von keiner Stammes- oder Feudalgesellschaft auch nur annähernd erreicht worden ist. Die herrschende Wirtschaftstheorie hat sich bei der Analyse dieser Akkumulation vor allem auf die Akkumulation von Kapital in seiner gütermäßigen Gestalt als -Profit abwerfender -Produktionsmittelwert konzentriert. Dabei wird jedoch das Kapital als zu verzinsender Geldvorschuß, der aus der Analyse des Eigentums folgt, nicht in den Blick genommen. Die Überlegenheit der neuzeitlichen gegenüber der antiken Eigentumswirtschaft, die in der Institution der freien Lohnarbeit zu suchen ist, wird überhaupt nicht thematisiert. Der aus ihr resultierende dauerhafte technische Fortschritt gilt denn auch ganz entsprechend als unerklärt.“ (Ebd., S. 346).

„Reichtum könne erst systematisch produziert werden, wenn »zuvor« auf evolutionärern Wege eine ursprüngliche Güteranhäufung erfolgt sei, die dann als »Kapitalanhäufung« ökonomisch alles weitere nach sich gezogen habe. (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 6, S. 59). Dieser Glaube, daß der Wohlstand vom Reichtum komme, beherrscht die klassischen Ökonomen und ihre Nachfolger bis heute. Sie haben sich auch durch die empirische Forschung über den Zusammenhang von natürlichen Ressourcen und Reichtumsentwicklung nicht verunsichern lassen. Deren Befunde zeigen, daß in den vergangenen dreißig Jahren ressourcenarme Länder in Ostasien - wie Südkorea, Taiwan, Honkong und neuerdings Thailand - die absoluten Spitzenplätze beim wirtschaftlichen Wachstum belegt haben, während ressourcengesegnete Staaten - wie Mexiko, Venezuela, Ghana, Nigeria, Rußland, Brasilien und Argentinien - abgestürzt sind oder nur geringe Zuwächse an Pro-Kopf-Einkommen aufweisen. In gewisser Weise gilt das auch für die Entdeckung von Bodenschätzen - wie Öl und Gas - in England und Holland, die mittlerweile mit dem Begriff »Holländische Krankheit« in Verbindung gebracht werden.“ (Ebd., S. 346-347).

„Die leichte Verkaufbarkeit fossiler Brennstoffe bringt hohe Geldeinkommen, die von ihren Bezahlern verdient bzw. verzinst werden müssen, also bei ihnen und nicht an ihrem Fundort Leistung erzwingen. Zu einem »Schatz« werden sie also nur, wenn Käufer sie nachfragen und dafür Schulden machen. Diese Schuldenmacher können aus Territorien ohne alle Bodenschätze kommen und dort dennoch hohe Akkumulation zustande bringen, während die Bodenschatzländer nur ein vorübergehendes Einkommen gewinnen. Großzügige »Erstausstattungen« an sich erbringen kein selbst tragendes Wachstum zustande. (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17).Es wird mithin nach einem anderen Grund als bloßern Güterreichtum für die Akkumulation zu fahnden sein.“ (Ebd., S. 347).

„Die Wirtschaftstheoretiker unterscheiden sich lediglich in den Begründungen für die von ihnen unterstellte sogenannte ursprüngliche Akkumulation. Adam Smith sieht Reichtum verkörpert in der »größten Vervollkommnung der Produktivkräfte der Arbeit.« (Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 1, S. 17). Diese führt er zurück auf die Arbeitsteilung, die er wiederum als eine »notwendige, wiewohl sehr langsame und allmähliche Folge« des heute noch die Wirtschaftstheorie bestimmenden »Hanges zu tauschen« betrachtet. (Vgl. ebd., Kapitel 2, S. 17). Ein auf nicht näher erläutertem Wege entstandener »Vorrat von allerlei Gütern«6 ist ihm die vorab gesetzte nicht nur notwendige, sondern auch gleich hinreichende Bedingung dafür, daß die Reichtumserzeugung als Produktivkräftevervollkommnung überhaupt systematisch in Gang kommt. (Vgl. ebd., 2. Band, Buch 2, Kapitel 2, S. 17).“ (Ebd., S. 347-348).

„Karl Marx stimmt Smith zu, daß tatsächlich eine »der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende ›ursprüngliche‹ Akkumulation unterstellt werden muß, »eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt«. Anders als Smith jedoch erkennt Marx in diesem Ausgangspunkt keinen »Vorrat«, sondern die Trennung »des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen«. Diese werde herbeigeführt von einem »Eigner von Geld, Produktions- und Lebensmitteln«: »Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts (anderes) als der historische Scheidungsprozeß von Produzent und Produktionsmittel.« In dieser »Vorgeschichte« des Kapitals sieht Marx das »Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation«: «Kapitalistische Produktions- und Akkumulationsweise, also auch kapitalistisches Privateigentum, bedingen die Vernichtung des auf eigener Arbeit beruhenden Privateigentums, d.h. die Expropriation des Arbeiters.« (Vgl. Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, Buch 1, Kapitel 24, S. 741f., Kapitel 25, S. 802).“ (Ebd., S. 348).

„Durchaus bemerkenswert am Marx'schen Zugang ist hier die Einsicht in einen weitreichenden politischen Akt, der viel mit Eigentum zu tun hat. Daraus kann er dann jedoch theoretisch nichts machen. Die englischen Arbeiter sorgen für die Dynamik des modernen Kapitalismus nämlich gerade deshalb, weil sie durch Revolution - den Lollardenaufstand von 1381 - das Eigentum an sich selbst überhaupt erst schaffen (hierzu fehlen die Quellen! Anm. HB), also von der Leibeigenschaft - diesem Besitztitel des Herren - sich frei kämpfen. (Vgl. Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld, Produktivität und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan, Band 9, Nr 2, 19811, S. 164-194, bes. 165-171). Ein von Produktionsmitteln getrennter Arbeiter ist ja auch der Leibeigene, dem keineswegs etwas gehört. Zu erklären wäre gerade, warum die Feudalherren mit ihm eine kapitalistische Produktion von sich aus nicht beginnen. Im Kapitel vom Eigentum war deshalb zu zeigen, daß auch sie keine Eigentümer, sondern eingebunden in eine Lehns-, also Befehlskette sind.“ (Ebd., S. 348-349).

„Der Akt, in dem die Eigentumswirtschaft ihren Ausgangspunkt nimmt, besteht in der Schaffung von Eigentum bei allen Beteiligten und nicht etwa in der Trennung oder gar Aufhebung von irgendeinem bereits vorhandenen Eigentum. Die sich befreienden Leibeigenen erringen also nicht nur Eigentum an sich selbst, sondern verwandeln auch ihre früheren Herren dadurch in Eigentümer, daß sie ihnen als Besitz entkommen und so die Grundbedingung des Feudalismus zerstören. Gleichwohl liefen die Eigentumswirtschaft mit freien Lohnarbeitern nur eine Ausprägung der beiden auf Eigentum beruhenden Ökonomien. Ob weitgehend ohne, wie in der Antike, oder mit freien Lohnarbeitern, wie im frühneuzeitlichen (eher: spätmittelalterlichen; Anm. HB) England - bei beiden Gelegenheiten kommen als unerwartetes Abfallprodukt der Eigentumsschaffung Eigentumssprämie und zinsbelastete Kredite zwischen Gläubigern und verschuldeten Produzenten in die Welt (hierzu fehlen die Quellen! Anm. HB).“ (Ebd., S. 349).

„Wichtig für das ökonomische Verständnis des zum freien Lohnarbeiter emanzipierten Leibeigenem wird nun, daß er das bloße Eigentum an sich selbst weder für die Emission von Geld noch als Haftung für einen Kredit einsetzen kann und eben deshalb auf die Einwerbung von Geldlöhnen durch Arbeitskontrakte verwiesen ist. Erst mit diesem verdienten Geld kann ihm der Erwerb von Eigentum gelingen.“ (Ebd., S. 349).

„Marx' Scheitern, den Konnex zwischen antifeudalem Aufstand und der Schaffung von Eigentum zu erkennen, spiegelt sich in seiner zirkulären Argumentation, den »Kapitalismus«, der doch erst zu erklären wäre, von »Eignern von Geld« herbeiführen zu lassen. Wo Smith noch vergleichsweise bescheiden, aber auch schon tautologisch das Kapital mit einem unerklärten Gütervorrat beginnen läßt, stellt Marx an den Anfang der ihn interessierenden Winschaftsstruktur nicht minder tautologisch - und fast schon monetärkeynesianisch - einen unerklärten Geldvorrat, den er sich in seiner Verlegenheit beim »Handelskapital« beschafft. (Vgl. Karl Marx, Brief an Friedrich Engels, a.a.O., S. 219). Wiewohl diese Kaufleute beim Lollardenaufstand keinerlei Rolle gespielt haben und ihr Geld von Marx überdies auch noch als »notwendiges Produkt des Austauschprozesses« erklärt wird (vgl. Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 101), leistet ihm sein historischer Irrweg immerhin den interessanten Dienst, im weiteren nicht dauernd von Gütern reden zu müssen, sondern im Kapitalismus eine Wirtschaft zu sehen, in der Geld und nicht - wie bei Klassik und Neoklassik - Güter im Mittelpunkt des analytischen Interesses zu stehen haben. Keynes konnte ihn deshalb ausdrücklich ein Stück weit für seine »häretische« Formel G-W-G' (»Geld-Ware-[mehr]Geld«) loben, weil sie dem Standpunkt der Geschäftswelt Rechnung trägt und damit die klassische Formel W-G-W' (»Ware-Geld-[mehr]Ware«) kritisiert, die bestenfalls den Standpunkt eines Konsumenten ausdrückt. (Vgl John Maynard Keynes, a.a.O.).“ (Ebd., S. 349-350).

2) Die Überflüssigkeit einer ursprünglichen Akkumulation für Entstehung und Dynamik der Eigentumsökonomie

„Bis heute stehen die in der herrschenden Wirtschaftstheorie erzogenen Forscher fassungslos vor Gütervorräten, die ganz ohne Rücksicht auf die Lehrbücher einfach nicht in Kapital transformiert werden. Geradezu empört wird über die präkolumbianischen Feudal- und Stammesgesellschaften konstatiert, daß ihnen »das notwendige Kapital für ein tragbares individuelles U nternehmertum einfach nicht zur Verfügung stand«, weil potentielles »Kapital« wie Gold und andere Kostbarkeiten immer vorschnell für andere Zwecke abgezweigt wurde: »In den Anden steckten die Inka allen überschüssigen Reichtum in die Paläste ihrer Mumien. bei den Stämmen verschenkten wohlhabende Männer einen großen Teil ihres Besitzes, um dadurch einen Führungsstatus zu erreichen, und vernichtete ihren Besitz manchmal sogar in aller Öffentlichkeit, um Ansehen zu erlangen.« (F. Jennings, Amerikanische Grenzen, a.a.O., S. 457).“ (Ebd., S. 350-351).

„Der Glaube der Klassiker und - insbeondere - von Marx an einen ursprünglichen Güter- bzw. Geldhaufen als Bedingung für die weitere systematische Reichtumsschaffung sitzt auch bei heutigen Forschern noch tief.“ (Ebd., S. 351).

3) Die Rätsel des Strebens nach Akkumulation und des Profits auf Kapital

„Ebenso rätselhaft wie die Nachbarschaft des Eigentums zu »Kauf und Verkauf sowie Darlehen und Kredit« ist den Forschern die Nachbarschaft desselben Eigentums zu einem »kolossalen Zuwachs des Output-Volumens«, zu »individueller Initiative«, zu »kontinuierlichem wirtschaftlichen Wachstum« und zur Arbeitsteilung. Geahnt wird jedoch, daß all dieses damit zu tun hat, daß »ein Bauer zum Dauerschuldner seines Nachbarn werden konnte« (C. G. Starr, a.a.O.). Dieser Vorgang selbst jedoch gilt den historisch arbeitenden Wirtschaftsforschern als ganz und gar »unklar« (C. G. Starr, a.a.O.).“ (Ebd., S. 355).

„Das Rätselhafte am »rücksichtslosen Streben nach Reichtum« (C. G. Starr), an der Akkumulation also bzw. an der »Gier von Männern, die endlos Reichtum aufhäufen« (A. Andrewes), ist nichts anderes als das Rätsel des Profits. Dieser wird ja nicht zufällig auch im gewöhnlichen Bewußtsein immer wieder gut tautologisch aus einer Gier nach ihm erklärt. Klassische Ökonomie und auch eine Seite im Keynes'schen Denken (»races keen for a profit«) sagen im Kern nichts anderes. Akkumulation kommt zustande, weil Leute »aus ihrer Natur« heraus umgehend Profit machen wollen, sobald ein erster akkumulierter Gütervorrat in ihre Hände gelangt ist. Ausdrücklich ist von einem »Begehren« die Rede, »da zu ernten, wo sie nicht gesät haben.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 6, S. 63). Damit stehen Klassik und Kernes als Evolutionshistoriker gegen die Neoklassik, die den Konsumverzicht, Sparsamkeit also, für die Akkumulation verantwortlich macht. Mit dieser Annahme muß die Neoklassik dem aus Ersparnis gebildeten Gütervorrat, den sie wie die Klassik »Kapital« nennt, einen eigenständigen Ertrag unterstellen, also annehmen, daß dieses Kapital produktiv ist.“ (Ebd., S. 355-356).

„Gewiß ist richtig, daß Akkumulation ohne Profit nicht zu haben ist. Warum jedoch Profit angestrebt wird, bleibt bei dieser Beobachtung gänzlich unerhellt. Marx stellt sich vor allem deshalb gegen die Klassik, weil bei dieser ein angeblich auf dem Markt entstehender Profit bei vollkommener Konkurrenz eigentlich verschwinden müßte, was er nun aber nicht tut. Marx glaubt deshalb, daß es unbezahlte Mehrarbeit in der Produktion - sein berühmter Mehrwert - sei, aus dem der Profit sich speise. Auch damit jedoch wird die Frage lediglich auf die andere Frage verschoben, warum Leute nach der Aneignung von unbezahlter Mehrarbeit gieren. Was ist dieser Motor, der in Stamm und Feudalismus doch fehlt, obwohl dort Menschen leben, deren Fähigkeit sowohl zu Verzicht als auch zu Gier sie von den Menschen der Eigentumswirtschaft ja nicht unterscheidet? Das mußte selbst ein so hoffnungsvoller Völkerkundler wie Mauss einräumen, der auf der Suche nach dem »edlen Wilden« an seine Arbeit ging, dann aber auch für die Stammesgesellschaft eingestehen mußte: »Der Erste, Schönste, Erfolgreichste, Stärkste und Reichste sein - danach strebt man.« (M. Mauss, a.a.O.). Der notorische Hinweis von Ökonomen auf die Unendlichkeit der Bedürfnisse ist deshalb so richtig wie trivial. Da diese Unendlichkeit immer gilt, bleibt sie theoretisch unergiebig. Dasselbe gilt selbstredend für die beliebte Debatte um echte und unechte Bedürfnisse, in die sich die Wirtschaftstheorie deshalb zu Recht nicht einmischt.“ (Ebd., S. 356-357).

„Ganz ähnlich wie Marx wenden sich Keynes und der Monetärkeynesianismus gegen die Annahme des bei vollkommener Konkurrenz verschwindenden Profits. Sie erklären den Profit vielmehr daraus, daß es Zins gibt, der im »Wettbewerb« um Geld dafür sorgt, daß Kapital knapp ist, der Profit also nie unter den Zins fallen kann, der seinerseits immer als über Null liegend unterstellt ist. Die Existenz des Zinses führt also dazu, daß dort, wo Kapital eingesetzt wird, allemal ein positiver Profit erwartet wird und eben nicht auf Märkten wegkonkurriert werden kann. Damit verschiebt sich das Profiträtsel zurück auf das Geheimnis des Zinses, was Keynes ja durchaus geahnt hat: »Die Frage, warum Kapital knapp ist, kann am besten als die identische Frage gestellt werden ..., warum der Zinssatz größer als Null ist.« (John Maynard Keynes, a.a.O.).“ (Ebd., S. 357).

„Es ist das Scheitern bei der von Keynes mit allem Recht eingeforderten Zinserklärung, das auch die Monetärkeynesianer in allgemein menschliche Triebkräfte abgleiten läßt. Bei der Berliner Schule bedeutet dies, daß Vermögensbesitzer nach mehr Vermögen gieren. Bei Keynes selbst lesen wir sogar ausdrücklich, daß es »ein Charakteristikum der menschlichen Natur« sei, »etwas Positives zu tun«, ohne gleich zu wissen, was dabei herauskommt. Deshalb könne dieses Streben »allein das Resultat von Lebensgeistern (animal spirits) sein - von einem spontanen Drang nach Aktivität und nicht nach Inaktivität.« (John Maynard Keynes, a.a.O.).“ (Ebd., S. 357).

„Wenn die menschliche Natur als solche nicht dazu taugt, das Streben nach Profit zu erklären, dann muß es von einem Mechanismus erzwungen werden, dem auch diejenigen Menschen sich nicht entziehen können, die möglicherweise gerade für ihre Bescheidenheit bekannt sind. Die antiken Agrarökonomen müssen ihre noch feudal oder stammesgesellschaftlich geprägten Zeitgenossen ja regelrecht zu einfallsreicher Tätigkeit anfeuern und verlassen sich dabei keineswegs auf die Natur derselben. Damit ähneln sie heutigen Spezialisten, die für ehemalige Bürger des DDR-Sozialismus eigene Motivationsseminare veranstalten und sich von einem schlichten Vertrauen auf natürliche Triebkräfte nicht allzu viel versprechen.“ (Ebd., S. 357-358).

„Was ist nun dieser Mechanismus, der Willige und Unwillige gleichermaßen in die Akkumulation nötigt? Er resultiert nicht aus biologischen oder psychischen Antrieben, die jeden Menschen auszeichnen, sondern aus ökonomischen Mechanismen, die von der Institution des Eigentums in Gang gesetzt werden. Ein Schuldner, der die Eigentumsprämie des Gläubigers in Zins umzuwandeln hat, wird dazu gezwungen - in Konkurrenz mit anderen Schuldnern - mehr Geld zurückzuzahlen, als er im Kreditkontrakt erhalten hat. Der Schuldner muß also seinen geliehenen Geldvorschuß, das Kapital, in einer ganz besonderen Weise verwerten.“ (Ebd., S. 358).

„Die Gleichsetzung von Kapital mit einem geliehenen Geldvorschuß ist nicht so selbstverständlich. Ein so selbstkritischer Neoklassiker wie Wicksell hat das bereits in seiner ersten kapitaltheoretischen Arbeit anhand einer Erörterung »der Entwicklungsgeschichte des Begriffes Kapital,. gezeigt: »Ursprünglich bezeichnete das Wort, wie bekannt, einfach den Hauptstamm eines Gelddarlehens (capitale oder capitalis pars debiti) im Gegensatz zu den Zinsen, also eine zinstragende Geldsumme. Alle weiteren Bedeutungen des Wortes sind nun durch mehr oder weniger geschickte Erweiterungen dieses Stammbegriffes gewonnen. Es lag dabei am nächsten, alle zinstragenden Vermögensobjekte - das heißt alle Güter oder Güterkomplexe, die ihrem Besitzer ein Einkommen verschaf Jen, ohne dabei selbst aufgezehrt zu werden - mit dem Namen Kapital belegen zu wollen. .... Eine konkrete Geldsumme hat offenbar ihr Analogon und Gegenstück nicht so sehr in dem Grund und Boden oder sonstigen natürlichen Güterquellen, als vielmehr in den erzeugten Gütern selbst. Sie ist der Typus des aufgespeicherten Reichtums.« (Knut Wicksell, Über Wert, Kapital und Rente, 1893, S. 71f.).“ (Ebd., S. 358).

„Das Problem der Neoklassik besteht ja darin, daß sie meint, daß die »sog. Geldkapitalien oft nur dem Namen nach Geld sind, in der Wirklichkeit aber lediglich eine in Geld abgeschätzte Gütersumme bezeichnen« (Knut Wicksell, , Über Wert, Kapital und Rente, 1893, S. 72). Geld sollte es neoklassisch also nur als Gütereinkleidung, als Schleier für bereits vorhandene Ressourcen geben. Deshalb sprengt ein Geldvorschuß, der nicht in »natürlichen Güterquellen" sein Analogon hat, die neoklassische Kapitaltheorie. Die Maschinen werden ja nicht nach Menge, Farbe und Gewicht in der Bilanz geführt, sondern als Geldwerte. Wicksell sieht das, weil neoklassisch Güter verbraucht werden müßten, um einen Wert (Nutzen) zu erbringen, während dies für das Kapital keineswegs gilt: »Daß nun aber die verbrauchbaren Güter, d.h. Güter, die in einer begrenzten Reihe von Gebrauchsakten ihren ganzen Nutzgehalt erschöpfen oder zu erschöpfen scheinen, dennoch ›kapitalistisch‹ angewendet werden können, so daß ihr ganzer Wert dem Eigentümer aufbewahrt bleibt und sie ihm dennoch Einkommen schaffen, diese scheinbar paradoxe Erscheinung, dieses Perpetuum mobile des Volkswirtschaftsmechanismus bildet ... den eigentlichen Kern der Kapitaltheorie .... Im großen und ganzen kann das natürlich nur dadurch geschehen, daß die verbrauchbaren Güter oder ihr Äquivalent an Wert durch die Produktion ... wieder erzeugt werden. Ihre frühere Existenz muß dabei für die Produktion eine notwendige Bedingung sein, sonst könnte unmöglich ein Teil der erzeugten Produkte dem Eigentümer des Kapitals als solchem anheimfallen.« (Ebd., S. 73f.).“ (Ebd., S. 358-359).

„Wicksell kommt hier ungeachtet seiner glänzenden Beobachtungen nicht weiter, weil er die Erklärung des Geldes als Mittel des Tausches für bereits vorhandene Güter nicht überwinden kann. Die hier vertretene Erklärung des Geldes löst sein Paradoxon ohne Schwierigkeiten. Da Geld nicht als Anrecht auf Waren, sondern als Anrecht auf seine Emission deckendes Eigentum in die Welt gelangt, wenn überdies Schuldner mit ihrem Eigentum für diese geliehenen Anrechte haften, ist es selbstverständlich, daß die Güterseite, die dem Eigentum ebenfalls zugehört, überhaupt nicht zum Zuge kommt. Das Eigentum wird weder bewegt noch genutzt, sondern lediglich als Deckung und Haftung eingesetzt. Diese Eigenschaften der Deckung und Haftung stellen gütermäßig in der Tat ein Nichts dar, so daß ganz richtig von einem Perpetuum mobile gesprochen werden kann, wenn die Leistung des Kapitals zu umreißen ist. Gerade die Nichterörterung von Haftung und Deckung ist es nun, die Wicksell ins Glied der Neoklassik zurücktreibt. Ganz wie Böhm-Bawerk kennt er als Theoretiker des Gütertauschs nur »Verkauf, Vermieten, Verleihen« von Gütern. (Vgl. Knut Wicksell, , Über Wert, Kapital und Rente, 1893, S. 76).“ (Ebd., S. 359-360).

„Der Gläubiger des Kapitals tauscht keinerlei Güter weg, wenn er Anrechte auf sein Eigentum einem Schuldner auf Zeit als Geldvorschuß überträgt. Auch der Schuldner gibt keinen Güternutzen als Sicherheit her, um das Kapital zu erhalten, sondern gewinnt diesen Geldvorschuß gegen bloße - nur potentiell und dann erst zukünftig vollziehbare - Verpfändung seines Eigentums sowie gegen die Verpflichtung, die Eigentumsprämie des Gläubigers in Zins zu verwandeln. Würde der Schuldner sein Eigentum direkt gegen Geld verkaufen, statt es lediglich als Haftung für die Einwerbung von Kapital einzusetzen, wäre ihm das zwar für ökonomische Operationen blockierte, aber noch als Besitz nutzbare Eigentum genommen.“ (Ebd., S. 360).

„Da der Geldvorschuß vom Gläubiger nur um den Preis der Belastung seines Eigentums und für den Schuldner nur gegen Zinszusagen und bei Eigentumsverpfändung zu haben ist, erhält die sogenannte Gier nach Profit ihre ganz unpsychologische Herleitung aus der Wirtschaftstheorie. Die Kette läuft von der Eigentumsprämie zum Zins auf den Geldvorschuß (als Kapital) zum erwarteten Profit auf den Wert der Produktionsmittel (Kapitalgüter). Die Umsetzung des Geldvorschusses zum Erwerb solcher Ressourcen durch ihren Eigentümer, die für eine Tilgung und Zins erwirtschaftende Produktion eingesetzt werden, ist die Investition in sogenannte feste Anlagen, Realkapital also, die zur Akkumulation führt.“ (Ebd., S. 360).

„Eine »Bewirtschaftung von Ressourcen« kann mithin überhaupt erst einsetzen, wenn die Ressourcen in Abhängigkeit von einer Geldschuld stehen, also monetär bewertet werden. Diese Monetarisierung zeigt das die Geldschuld selbst nicht etwa materielle Ressourcen repräsentiert, sondern immaterielle Anrechte auf Eigentum darstellt, deren Ressourcen- oder Güterseite außerhalb des Vorgangs bleibt. Die gütertheoretische Grundlegung des Geldes erzeugt den Fluch, der auf der Neoklassik liegt und ihr immer wieder die Analyse verbaut.“ (Ebd., S. 360).

„Dabei ist eine durchaus beeindruckende Anhäufung von Gütermengen in Nichteigentumsgesellschaften selbstverständlich möglich. Keine Variante hat dies besser vorgeführt als die Feudalgesellschaft in Form des modernen Sozialismus. Für ihre durch Gewalt erzwungene Industrialisierung hat diese Gesellschaft durch Pläne Produktionsgütermengen in der Tat Stück für Stück vorgeschrieben. Dieser Vorgang sollte als sogenannte primitive »sozialistische Akkumulation« einen Prozeß nachvollziehen, von dem Marx geglaubt hatte, daß er als ursprüngliche Akkumulation die notwendige Voraussetzung für die kapitalistische Produktionsweise gewesen sei. Gleichwohl ist die Gewißheit, mit diesem güterplanenden Schritt alle Springquellen des Reichtums aufreißen zu können, unerfüllt geblieben. In der Rede von der »Tonnenideologie« hat sich diese bittere Enttäuschung eines beträchtlichen Teils der Menschheit Ausdruck verschafft. “ (Ebd., S. 361).

„Diese rein mengenmäßige Imitation einer gütermäßig mißverstandenen Entwicklung der Eigentumsökonomie mußte um ihre erhofften Früchte betrogen bleiben, weil die Eigentumswirtschaft gerade nicht Güter - und schon gar nicht Kapitalgüter - ins Kalkül faßt, sondern Kapitalwerte im Augehat, die sie immer als zu verzinsende Geldvorschüsse bedrücken und die deshalb durch Innovationen eingespart werden sollen. Lediglich als Folge dieses ökonomischen Zwanges ist es zu den imponierenden Technologien gekommen, die der Sozialismus nachzumachen versuchte. Die eigenständige Innovation kommt nicht von den imponierenden Maschinen und ist durch deren bloße Imitation auch nicht einzufangen und in ein anderes System zu übertragen.“ (Ebd., S. 361).

„So hat Janós Kornai (*1928) - einer der bedeutendsten Reformökonomen des ehemaligen Ostblocks - schon früh in einer empirischen Ermittlung der Herkunftsländer aller wichtigen Innovationen der Jahre 1920 bis 1970 einräumen müssen: »Die schwerwiegendste Folge ... ist die fast vollkommene Abwesenheit revolutionärer Neuerungen in der Produktionsentwicklung. .... Offensichtlich gibt es einen engen Zusammenhang zwischen dem ökonomischen Entwicklungsgrad eines Landes und der Häufigkeit, mit der revolutionäre Pionierleistungen in die Produktion eingebracht werden. Dennoch - beim Vergleich sozialistischer Wirtschaften mit gleich entwickelten kapitalistischen - muß konstatiert werden, ... daß - mit der Ausnahme einiger weniger Vorstöße kein sozialistisches Land unter denjenigen zu finden ist, die revolutionäre neue Produkte zuerst eingeführt haben.« (Janòs Kornai, Anti-Equikibrium, 1971, S. 287f.). “ (Ebd., S. 361-362).

4) Der Zwang zur Innovation in der Eigentumsgesellschaft

4a)   Die Bedeutung der freien Lohnarbeit für den technischen Fortschritt (S. 363-370)
4b)   Geldlöhne und Zinsen, Verringerung der Lohngeldsumme und Produktivsteigerung (S. 370-373

„Wie kommt es nun zum spezifischen Innovationszwang der Eigentumsgesellschaften, der im Sozialismus für die marxistischen Theoretiker auf so bestürzende Weise verschwand? In welcher Situation steckt ein Produzent der Eigentumsgesellschaft im U nterschied zu den Ressourcennutzern eines feudalen oder blutsverwandten Gemeinwesens? Für den Produzenten gilt hier die eiserne Regel, daß die Verwertung seines zusätzlichen Realkapitals mindestens der Summe aus Tilgung und Zinsen der für ihren Erwerb aufgenommenen Geldvorschüsse entsprechen muß. Dabei kann er natürlich mit dem Kapitalgut selbst diese Schuldforderung nicht mehr bedienen. Mit seinem verpfändeten Eigentum will er sie zugleich niemals bedienen müssen. Die nunmehr mit der Investition für den Markt erzeugten Waren haben die aus Zins und Tilgung bestehende Geldsumme aus dem Schuldkontrakt durch Einwerbung eines Kaufkontrakts zu erbringen.“ (Ebd., S. 362).

„Allerdings erfordert die Investition zusätzliche Anstrengungen, um das durch sie verkörperte Eigentum zu verteidigen. Dabei geht es nicht um den technischen VerschIeiß des Produktionsapparates, dem durch Abschreibungen auf und entsprechende Ersatzinvestitionen für den Kapitalstock zu begegnen ist. Die ökonomische Entwertung resultiert nicht aus VerschIeiß, sondern aus technischem Fortschritt, der eine nagelneue Anlage auf ihren Abfallwert reduziert. Die Konkurrenz der anderen Verschuldeten verhindert also eine Werterhaltung des neu investierten Realkapitals durch bloßen Ersatz des Verschleißes, zwingt also zu Innovationen. Es ist dieser innovative Anteil an der Neuinvestition, der Akkumulation in der Eigentumswirtschaft kennzeichnet.“ (Ebd., S. 362-363).

„Die am Markt um Kaufkontrakte bzw. den Eingang von Schuldendeckungsmitteln konkurrierenden Schuldner versuchen, soweit möglich, durch Mehrarbeit ihre Kosten zu kontrollieren. Von diesem Fleiß im Dienst der besseren Chance zur Erzielung der schuldendeckenden Preise am Markt reden immer wieder die Agrarökonomen der AntikeMehrarbeit stößt jedoch an eine natürliche Grenze, da die absolute Länge des Tages jenseits menschlicher Einflußnahme bleibt. Eine solche Grenze gibt es jedoch prinzipiell nicht für das Zinserwirtschaften durch produktivere Technik, für die lediglich der Einfallsreichtum der Eigentümer, nicht aber die Zeit eine Schranke setzt.“ (Ebd., S. 363).

4a) Die Bedeutung der freien Lohnarbeit für den technischen Fortschritt

„Eine entscheidende Barriere für Innovationen wird durch das schlichte Verschwinden von Eigentümern aufgerichtet. Das Streben, der Überschuldungsschwelle zu entkommen, gilt für alle Eigentümer. Nicht alle jedoch enden bei Verlust ihres Eigentums auf dieselbe Weise. Es macht mithin einen gewaltigen Unterschied für die Akkumulationskraft einer Ökonomie, ob ihre überschuldeten Eigentümer die Reihen der EigentÜmer verlassen müssen, also ihre Freiheit verlieren, oder lediglich auf das Eigentum an sich selbst zurückgeworfen werden, also weiterhin aus ihm ihre Sicherheit gewinnen müssen. Es ist diese Differenz zwischen dem Fall in die Sklaverei und der dauerhaften Aufrechterhaltungfreier Lohnarbeit, aus der die überlegene Akkumulationskraft der neuzeitlichen ... Eigentumsökonomien über diejenigen der antiken ... zu erklären ist.“ (Ebd., S. 363).

„Für Polis und Civitas gilt, daß die größte Dynamik des technischen Fortschritts in ihren ersten Jahrhunderten erfolgt. Er verlangsamt sich dann jedoch und führt nicht zu jenem - von David Landes (*1924) als einmalig bezeichneten - »kumulativen und sich selbst tragenden technischen Fonschritt, dessen Auswirkungen in allen Bereichen des Winschaftslebens spürbar« (ders.; Der entfesselte Prometheus, 1969, S. 17) werden, wie das nur die neuzeitlichen Eigentumsökonomien bis heute auszeichnet. Im Terminus »selbst tragend« wird die Basis für dieses Adjektiveher verschleien als offengelegt. Ihm muß die Permanenz des Erhalts von Eigentum vorgeordnet sein.“ (Ebd., S. 363-364).

„Der permanente technische Fortschritt fehlte selbstredend in den höchst entwickelten feudalen Zivilisationen und dem untergegangenen Realsozialismus ebenso wie in den komplexesten Stammesgesellschaften. Ein Befund, der in eklatantem Widerspruch zu dem seit Adam Smith verfochtenen und auch vom Marxismus gläubig übernommenen Ewigkeitsprinzip steht, daß es der »Hang der menschlichen Natur zu tauschen« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17) sei, der zur Arbeitsteilung und damit zur Entwicklung der Produktivkräfte führe.“ (Ebd., S. 364).

„Woher rührt nun der Unterschied zwischen dem Innovationspotential antiker und neuzeitlicher Eigentumswinschaften? In der abendländischen Antike (für Heinsohn und Steiger sind die apollinische Antike und das faustische Abendland eine Kultur; Anm. HB) geht dem Überschuldeten bei Übertragung seines verpfändeten Eigentums an den Gläubiger nicht nur das Eigentum an Grund und Boden und anderen Aktiva verloren, sondern auch das an der eigenen Arbeitskraft. Er hat nach seinen Familienangehörigen schließlich auch sich selbst in die Sklaverei zu überstellen bzw. mit sich selbst Zins und Tilgung zu leisten. Jeder durch Bankrott herbeigeführte Sturz aus der Freiheit verringen das innovative Potential, das ja aus dem Zwang resultiert, aus prinzipiell unverlängerbaren Zeitbudgets den für jede Zeitperiode von neuern geforderten Zinsaufschlag auf Kredit bzw. die Prämie auf Eigentum zu erwirtschaften. Zwar bleibt nun auch der durch Überschuldung anderer Eigentümer entstehende Sklavenunternehmer vom Zwang zur Kostenminimierung nicht verschont, die potentiellen Innovatoren dafür stehen jedoch nur in abnehmendem Maße zur Verfügung. Der Notlage der unabhängigen und einfallsreichen Einkommensgewinnung wird der Bankrotteur der Antike durch Verlust seiner Freiheit entzogen. Schließlich wurde diese besondere Komponente »ökonomischer Aktivität - daran ist immer wieder zu erinnern - m wesentlichen von freien Männern ausgeführt.« (C. G. Starr, a.a.O.).“ (Ebd., S. 364-365).

„Der Sklaveneigentümer war selbst zwar frei, bekümmerte sich bei seinem »der Sprache mächtigen Vieh« jedoch gerade nicht um deren Einfallsreichtum. »Ausschlaggebend war jedoch mehr die Ehrlichkeit der Arbeitskräfte, ihre Ehrlichkeit in dem vollen Einsatz ihrer Arbeitszeit und dem Umgang mit Geld und Gut, als die Verbesserung der Arbeitsqualität und des Nutzens der Arbeitskräfte durch bessere Anbaumethoden oder durch die Einführung arbeitssparender Maßnahmen. Dies sind die Gesichtspunkte eines Polizisten, nicht eines Unternehmers.« (M. I. Finley, a.a.O.).“ (Ebd., S. 365).

„Das gegenseitige Bankrottkonkurrieren der antiken Eigentümer führte schließlich zu ihrer dramatischen Reduzierung: «In Etrurien hatte die alte einheimische Aristokratie im Bunde mit den römischen Kapitalisten schon im Jahre 529 [134 v.u.Z.] es so weit gebracht, daß es dort keinen freien Bauern mehr gab. Es konnte auf dem Markt der Hauptstadt laut gesagt werden, daß die Tiere ihr Lager hätten, den Bürgern aber nichts geblieben sei als Luft und Sonnenschein und daß die, welche die Herren der Welt heißen, keine Scholle mehr ihr eigen nennten.« (Theodro W. Mommsen, Römische Geschichte, 2. Band, 1854-1856, S. 81) »Sechs Grundheren besaßen die Hälfte Afrikas, als Kaiser Nero sie töten ließ.« (Plinius d.Ä., Naturkunde, Buch XVIII, 35). Der schließliche Untergang der antiken Sklaven-Ökonomie rührte aber nicht nur aus technologischer Stagnation, sondern auch aus dem Verschwinden der Familie, da die Sklaven familienlos in Kasernen gehalten wurden und mit dem Verschwinden des Familieneigentums somit auch die Menschenquelle versiegte. Die von Plinius d.Ä. geprägte Erkenntnis, »Latifundia perdidere Italiam, iam vero et provincias« (»Wollen wir die Wahrheit gestehen, so haben die großen Güter Italien zerstört, und nun auch die Provinzen«), bezieht sich zwar vor allem auf die Menschenverluste durch das Wegkonkurrieren der Familienbetriebe, hält baer auch den Innovationsverlust fest, der durch den Rückgang der Eigentümerzahl eintritt (vgl. Plinius d.Ä., ebd., 35 [vgl. Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto Steiger, Menschenproduktion, 1979, S. 19-39]). “ (Ebd., S. 365-366).

„Die »schützende« und zugleich innovationslähmende Seite der Sklaverei bleibt dem immer wieder in die Freiheit gestoßenen Schuldner der Neuzeit verspern, der das Eigentum an seiner Person nicht verlieren und zugleich über seine Arbeitskraft disponieren kann -und muß. Die ökonomische Klassik hatte dafür durchaus ein Gespür: »Sklaven sind jedoch selten erfinderisch, und die wichtigsten Verbesserungen im Maschinenwesen oder in der Anordnung und Veneilung der Geschäfte, wodurch die Arbeit erleichten und abgekürzt wird, sind alle Erfindungen freier Männer gewesen.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 4, Kapitel 9, S. 551) Selbst das Wort Eigentum wird mit der Innovation in Verbindung gebracht: »Große Verbesserungen ... sind ... am wenigsten dann zu hoffen, wenn Sklaven als Arbeiter gebraucht werden. Die Erfahrung aller Zeiten und Länder beweist, wie ich glaube, daß die von Sklaven verrichtete Arbeit, obgleich sie nur deren Unterhalt zu kosten scheint, am Ende doch die teuerste von allen ist. Ein Mensch, der kein Eigentum erwerben kann, kann kein anderes Interesse haben, als so viel als möglich zu essen und so wenig als möglich zu arbeiten. Was immer er über das hinaus leistet, was zu seinem Unterhalt hinreicht, kann ihm nur durch Gewalt und nicht durch sein eigenes Interesse abgenötigt werden.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 3, Kapitel 2, S. 155).“ (Ebd., S. 366-367).

„Die Verwendung des Wortes »Eigentum« kann nun nicht darüber hinwegtäuschen, daß Smith es nicht vom Besitz zu unterscheiden weiß. Das zeigt sich sehr schön an seinem Erklärungsversuch dafür, warum der Leibeigene, der anders als der Sklave nicht nur Unterhalt, sondern auch Besitz hat, gleichwohl nicht innovativ ist. Er bekommt dieses Erklärungsproblem nur deshalb, weil er den Besitz von einem belast- und verpfändbaren Eigentum nicht trennen kann. Er glaubt nämlich, daß die Innovation ausbleibt, weil zu hohe Abgaben an den Herrn den Hintersassen desinteressiert machen. Auch den Lehnsherren betrachtet er als einen Eigentümer, der - so ist dann zu schließen - nicht innovativ ist, weil er ja all die Abgaben bekommt.“ (Ebd., S. 367).

„Diese Klasse von Leibeigenen - so Smith - »konnte kein Interesse haben, einen Teil des kleinen Kapitalvorrats, den sie von ihrem eigenen Anteil am Produkte etwa erspart hatte, auf weitere Bodenverbesserung anzulegen, da der Grundherr, der nichts anlegte, von allem die Hälfte genommen hätte. Schon der Zehnte, der doch nur der zehnte Teil vom Produkte ist, erwies sich als ein großes Hindernis aller Verbesserung.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 3, Kapitel 2, S. 158).“ (Ebd., S. 367).

„Adam Smith formuliert mit dem freien Erfinder zwar eine entscheidende Beobachtung für das Phänomen des technischen Fonschritts, fällt in seinem Theoretisierungsversuch dann aber auf biologische Annahmen über menschliches Verhalten zurück. In der Freiheit sieht er lediglich eine Bedingung dafür, daß der dem Menschen eigentümliche Hang zur Bequemlichkeit zum Tragen kommen könne. Weil er sein Leben angenehmer machen wolle, nutze er die Freiheit zu Erfindungen: »Gar viele Maschinen ... waren ursprünglich Erfindungen gemeiner Arbeitsleute, die, da sie bei irgendeiner sehr einfachen Operation beschäftigt waren, natürlich ihre Gedanken darauf richteten, leichtere und bequemere Herstellungsarten herauszufinden.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 1, S. 13).“ (Ebd., S. 368).

„Diese Bequemlichkeitsthese für den freien Mann ließe sich bereits durch den Stammesgenossen widerlegen, der sich in seinen menschlichen Bestrebungen - der »Erste, Schönste, Erfolgreichste, Stärkste und Reichste« (Mauss) zu sein - vom Smithschen freien Lohnarbeiter doch keineswegs unterscheidet und dennoch einen sich »selbst tragenden technischen Fonschritt« (Landes) gerade nicht hervorbringt. Deshalb schweigt Smith, der den Wilden ansonsten beredt für Illustrationen heranzieht, über diesen Beweis gegen seine verhaltenstheoretische Bequemlichkeitsthese und kontrastien statt dessen die Effektivität der freien Arbeit mit der Ineffektivität der Sklaverei: »Schlüge ein Sklave eine solche Verbesserung vor, so würde sein Herr sehr geneigt sein, den Vorschlag für eine Eingebung der Faulheit und des Verlangens, auf Kosten der Herren Arbeit zu sparen, anzusehen. Der arme Sklave erhielte wahrscheinlich statt einer Belohnung einen tüchtigen Verweis ~ und vielleicht noch eine Züchtigung. In den von Sklaven betriebenen Manufakturen muß daher in der Regel mehr Arbeit zur Erzielung der gleichen Menge von Waren aufgewendet werden als in denen, welche freie Leute betreiben. Deshalb ist gewöhnlich alles, was jene verfertigen, teurer als die Arbeit dieser.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 2. Band, Buch 4, Kapitel 9, S. 552).“ (Ebd., S. 368-369).

„Genausowenig wie die ökonomische Differenz zwischen Sklave und Freiem in der Unterdrückung des Bequemlichkeitsstrebens durch den Sklaveneigentümer besteht, läßt sich die Differenz zwischen Leibeigenem und Freiem aus der Unterdrückung der Innovationsmotivation durch die Abgabenlast an den Feudalherren erklären. Sklave und Leibeigener unterschieden sich vom Freien vielmehr darin, daß sie aus der Überschuldungsgefahr des Eigentümers entlassen sind, während letzterer ihr gerade nicht zu entkommen vermag. Der freie Mann muß permanent die Prämie auf Eigentum erwirtschaften - habe er nun Geld in einem Kreditvertrag gegen Zins geliehen oder selbst erwirtschaftetes Geld unter Verzicht auf einen Zins in eigene feste Anlagen investiert. Weil diese entscheidende Differenz nicht gesehen wird, greift auch eine Interpretation von Smith zu kurz, die bei der Suche nach dem Grund für »technischen Fortschritt das Gewicht auf Wettbewerbsdruck legt.« (S. Hollander, a.a.O.). Die Konkurrenz per se, von der ja auch Smith selbst 'wortreich zu reden weiß, kann keineswegs als primäre ökonomische Größe herangezogen werden, da sie notwendig aus den Aktivitäten freier und verschuldeter Produzenten folgt, ihre Aussicht zu steigern, am Markt Kaufverträge zu schließen, aus denen ihnen Schuldendeckungsmittel zufließen. “ (Ebd., S. 369).

„Die im frühneuzeitlichen England nach dem Lollardenaufstand von 1381 eintretende Pattsituation, in der Leibeigene faktisch frei werden, aber an Bodeneigentum nur selten herankommen und nun als Pächter oder freie Arbeiter zur Verfügung stehen, während Adlige die Gewalt über Arbeiter verlieren, aber plötzlich ihr Land als Eigentum nutzen können und auch müssen, wenn sie nicht selbst den Acker pflügen wollen, mündet in historisch neuen Freien ohne Grundeigentum. (Vgl. Gunnar Heinsohn / Otto Steiger, Geld, produktivität und Unsicherheit in Kapitalismus und Sozialismus, in: Leviathan, band 9, Nr. 2, 1981, S. 164-194). Aus relativ rückständiger Randlage Europas wird deshalb England in wenigen Jahrhunderten zum ökonomischen Vorreiter der Erde.“ (Ebd., S. 369-370).

„Die den englischen Freien unmittelbar gestellte Aufgabe besteht nun darin, über innovative Tüchtigkeit diejenigen zu werden, die als Pächter - bei jetzt zu bloßen Eigentümern von Grund und Boden heruntergekommen ehemaligen Feudalbesitzern - ihrer anfänglich »bodenlosen« Freiheit durch in Eigentum umsetzbares Geld ein ökonomische Fundament geben. Nach dem Patt des Lollardenaufstandes also mußten »Feudalherren den auf Hierarchie und Diensten beruhenden Landbesitz in ein Vertragssystem umwandeln. Arbeitsdienste wurden von Geldrenten aus Verpachtungen abgelöst. Dadurch wurde eine Klasse unabhängiger Landwirte geschaffen. Diese Landwirte konnten selbst entscheiden, was zu produzieren sei, wie die Fruchtfolge abzulaufen habe, welche Anteile Ackerbau und Viehzucht einnehmen sollten und welche Tiere zu halten seien - und zwar in einer Weise, wie der mehr oder weniger abhängige Leibeigene auf Domänenland es gerade nicht konnte.« (E. Nell, a.a.O.).“ (Ebd., S. 370).

4b) Geldlöhne und Zinsen, Verringerung der Lohngeldsumme und Produktivitätssteigerung

„Die seit Beginn des 16. Jahrhunderts in England durchgesetzte und in der westlichen Welt bis heute unumkehrbar gebliebene Freiheit der Person bedingt - und darin liegt die Differenz zur antiken Eigentumsökonomie - eine permanente Innovationsnotwendigkeit, der auch diejenigen unterworfen sind, die momentan weniger nah an der Überschuldungsschwelle stehen als andere. Es sind nun die Geldlöhne für vertragsmäßig anzuwerbende Freie, die den technischen Fortschritt der Neuzeit bis heute hin bewirken. Diese Geldlöhne liegen anfänglich hoch, weil die Bevölkerungskatastrophe des 14. Jahrhunderts, die ganz Eurasien trifft, auch und besonders England heimsucht. Die dort Rebellierenden werden also nicht nur frei, sondern erst einmal auch selten. Das ändert sich mit der gewaltsamen europäischen Menschenproduktion und der daraus resultierenden europäischen Bevölkerungsexplosion sehr schnell. (Vgl. Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto Steiger, Menschenproduktion, 1979, S. 46-83).“ (Ebd., S. 370-371).

„Was bedeutet nun ein Geldlohn an Freie - ganz unabhängig von seiner Höhe - für die Innovation? Wie unterscheidet er sich in seinen Auswirkungen von der Geldausgabe für die Waren zum Unterhalt von Sklaven? Der vorgeschossene Lohn ist bei einer am Markt scheiternden Umwandlung der Waren in Schuldendeckungsmittel, in Geld also, unwiederbringlich verloren. Hingegen kann ein Sklavenunternehmer, der seine produzierten Waren nicht losschlagen kann, immerhin noch durch Verkauf seiner Sklaven an Geld herankommen. Der Sklave ist vergleichbar einem Zugtier oder einer Maschine - eine Investition, während mit dem Lohnarbeiter ein Gläubiger-Schuldner-Kontrakt einzugehen ist. Dieser Kontrakt bindet den Unternehmer immer, während er seinerseits niemanden in einen Kaufkontrakt für seine Waren nötigen kann. Seine stärkste Waffe dafür bleibt der Preis, für den der Geldlohn eine entscheidende Bestimmungsgröße ist. Verringerung der Geldlöhne verlangt nun nicht notwendig geringere Individuallöhne, sondern Innovationen zur Verringerung der Geldlohnsumme, also dem Produkt aus Lohnarbeitsstunden und Geldlöhnen. Aus diesem Grund wurde in England ein erster »technischer« Fortschritt aus Verwandlung von Ackerland in Schafweide durch die sogenannte erste Einhegungsbewegung nach 1485 bewerkstelligt.“ (Ebd., S. 371-372).

„Die Bedeutung dieser Einhegungsbewegung liegt weniger in der wie die gut erforschte Geschichte der »Tragödie der Allmende« zeigt unstrittigen Vertreibung ehemals leibeigener Bauern von ihrem Grund und Boden als in der Anheuerung eines Minimums an freien Geldlohnarbeitern. Die Innovateure, die sich diesen Schritt einfallen lassen, wollen damit eine Warenmenge produzieren, deren in Geldlöhnen gemessene Wertsumme zumindest nicht geringer ist als die der Konkurrenten, die mehr Arbeiter in Geld zu entlohnen haben. Dieser Einsatz führt zum Übergang vom arbeits- und geräteintensiven Getreideanbau zur Schafzucht auf durchaus guten Böden mit relativ gut bezahlten, aber eben wenigen und zudem ausstattungsarmen Hirten. Die so erzeugte billige, aber erstklassige Wolle läßt in England die Tuchproduktion zur Eroberung der Märkte starten. Der neuen Wirtschaft erste »Maschine« zur Erhöhung der Wollproduktion ist also keine technische Anlage, sondern ein lohnkostensenkender Einfall. “ (Ebd., S. 372).

„Der ökonomische Sinn dieser Innovation ist darin zu sehen, daß verschuldete und daher am Profit zwangsläufig interessierte Landwirte »einen höheren Anteil ihres Kapitals in eine liquidere Form dadurch umwandeln, daß sie Ackerland in Schafweide verwandeln und dabei sowohl ihre Lohnsumme als auch ihre Vorschüsse für fixes Kapital reduzieren. Dieser Übergang ist nicht notwendigerweise profitabler. Er bedeutet lediglich, daß weniger Kapital (vorgeschossenes Geld) für langfristige Projekte aufgebracht, das heißt weniger für Löhne und Saatgut veranschlagt werden muß. Es ist ein Übergang zu mehr Liquidität.« (E. Nell, a.a.O.).“ (Ebd., S. 372).

Selbstredend muß der Schuldner-Produzent (Unternehmer) beim Reduzieren zu verzinsenden Geldes nicht nur auf die Lohngelder schauen, sondern auch auf die Zinsforderungen für das vorgeschossene Kapital, das ja immer eine Geldsumme ist. Jede Zinserhöhung vermindert das Einkommen der Unternehmer, während er das Einkommen ihrer Gläubiger erhöht. Jede Zinserhöhung erzwingt deshalb Anpassungen der Schuldner-Produzenten.“ (Ebd., S. 372-373).

„Nach der tauschtheoretischen Vorstellung der Neoklassik wird in diesem Fall die Nachfrage nach Realkapital reduziert und die nach Arbeit erhöht, mit der Folge, daß - unter der Annahme sinkender f Grenzproduktivität der Arbeit - die Reallöhne gesenkt werden und zugleich technischer Rückschritt eintritt, der mindere Ansprüche an die Qualifikation der Arbeitskraft stellt. Dagegen läßt sich jedoch zeigen, daß in der Eigentumswirtschaft anders reagiert wird. Bei einer Zinserhöhung sichert die Unternehmung «ihr Einkommen durch sofortige organisatorische Änderung und durch die Einrichtung einer Technik, die an die Arbeitskräfte höhere Ansprüche hinsichtlich (ihrer) Qualifikation stellt. Das bedeutet nicht nur, daß eine gleiche Gütermenge mit unmittelbar geringeren Arbeitseinsatzmengen hervorgebracht werden wird. Es bedeutet vor allem auch, daß nicht mehr alle bisher beschäftigten Arbeitskräfte mit ihren Fähigkeiten dem Anforderungsprofil der Unternehmungen gerecht werden.« (Hans-Joachim Stadermann, Geld und Beschäftigung, in: Der Stand und die nächste Zukunft der Geldforschung, Hrsg.: Hans-Joachim Stadermann & Otto Steiger, 1993, S. 289).“ (Ebd., S. 373).

„Im Ergebnis kann zwar die Beschäftigungsmenge kurz- bis mittelfristig fallen, aber die Löhne werden in den Sektoren, in denen technischer Fortschritt möglich ist, steigen.“ (Ebd., S. 373).

5) Die herrschende Ratlosigkeit vor dem technischen Fortschritt

5a)   Residualfaktor und technischer Fortschritt in der neoklassischen Wachstumstheorie (S. 375-379)
5b)   Property rights und technischer Fortschritt (S. 379-382)

„Die Verringerung der als Kapital aufzunehmenden Geldvorschüsse für Löhne durch eine Neuorganisation der Produktion hin zu wenigen nicht jedoch schlecht bezahlten - Lohnarbeitern führt zu einer höheren Produktivität und damit - bei konstantem Preisniveau - auch zu einer höheren Profitabilität. Technischer Fortschritt entspringt also der ständigen Notwendigkeit einer Verringerung der Verschuldung von Eigentümern. Dieser Sachverhalt bringt uns zur Suche der neoklassischen Theorie nach den Gründen des Wachstums, die in den fünfziger Jahren unseres Jahrhundens durch eine Arbeit des Nobelpreisträgers von 1987, Robert Solow (*1924), ihren Höhepunkt erreicht. Grundlegend ist bis dahin die Vorstellung, daß Wachstum von den beiden Faktoren Kapital und Arbeit gespeist werde. Als Kapital definien wird der gesamtwinschaftliche Kapitalstock, der »als Bestand der in früheren Perioden akkumulienen Güter« (R. Solow, a.a.O.) und nicht etwa als umgewandelte Geldvorschüsse verstanden wird. Entsprechend wird die Kapitalakkumulation ganz neoklassisch durch Konsumverzicht von Gütern (Sparen) gefaßt. Das Arbeitspotential wird als Resultat des exogenen Bevölkerungswachstums erklärt. Ersteres wächst mit der gleichen, konstanten Rate wie letzteres. Dabei resultiert ein Wachstum des Outputs per Arbeiter (Arbeitsproduktivität) aus der relativen Ersetzung von Arbeit durch Kapital mit der Folge einer tendenziell zunehmenden Rate von Kapital zu Arbeit.“ (Ebd., S. 373-374).

„Kapitalakkumulation gilt für eine lange Zeit also als der für Wachsturn wesentliche Faktor. Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch dieser Faktor als vergleichsweise unbedeutend. Studien ... erbringen das überraschende Resultat, daß das Wachstum der US-Wirtschaft seit Ende des 19. Jahrhundens mindestens zu drei Vierteln aus der zunehmenden Effizienz der in der Produktion verwendeten Faktoren Arbeit und Kapital und nicht aus ihrem zunehmenden Einsatz an sich gespeist wird: »Diese Implikation erwies sich als vollkommen verheerend: Die Erklärung des ökonomischen Wachstums schien so weit außerhalb der traditionellen Überlegungen der Ökonomen zu liegen, daß sie die Hypothese eines Residuals erforderte.« (S. Metcalfe, a.a.O.).“ (Ebd., S. 374-375).

5a) Residualfaktor und technischer Fortschritt in der neoklassischen Wachstumstheorie

„Dem rätselhaften »Residual-Faktor« widmet die International Economic Association (I.E.A.) im Jahre 1973 eine abschließende Tagung: »Wir sind diesem Irrlicht in einer Reihe ~on Konferenzen der I.E.A. über die Wirkungen von Kapital, von Bildung sowie von Qualität und Produktivität der Arbeit bis zu dieser Konferenz über Forschung und Entwicklung gefolgt, auf der ein letzter Versuch unternommen werden sollte, eine Erklärung für den Residual-Faktor des Wachstums zu finden. Aber noch jede Erklärung hat lediglich eine Reihe von Alibis, nicht jedoch eine Erklärung des Residuals gebracht. Die Experten aus jedem einzelnen Gebiet vermuteten, daß ihr Fach für eine Erklärung relativ bedeutungslos wäre. .... Wenn es nicht Kapital, nicht Bildung, nicht forschung und Entwicklung und auch nicht verbesserter T echnologietransfer war, wo soll dann noch eine Erklärung für das Wachstum dingfest gemacht werden?«  (Austin. Robuinson, a.a.O.).“ (Ebd., S. 375).

„Die neoklassische Wachstumstheorie steht seitdem vor dem Fiasko, das vorgefundene Produktivitätswachstum nicht erklären zu können, zugleich aber tut sie in ihren empirischen Forschungen ungerührt kund, daß 75 bis 85 Prozent dieses Wachstums keineswegs einem unerklärlichen Residualfaktor geschuldet sei, sondern einem «technischen Fortschritt«. Mit dieser Ersetzung des Wortes »Residualfaktor« durch das Wort «technischer Fortschritt« umgeht sie das Geständnis, »daß die Theorie in keiner Weise das vorgefundene Produktivitätswachstum erklärte.« (R. Nelson, a.a.O.).“ (Ebd., S. 376).

„Bei diesem schon fast verzweifelten Scheitern bleibt es bis Mitte der achtziger Jahre. Erst von da an wird -ausgehend von Paul Romer und dem Nobelpreisträger von 1995, Robert Lucas (*1937) - von neuern versucht, den exogen neben Kapital und Arbeit gestellten Residualfaktor einer ökonomischen Erklärung zuzuführen, indem man den technischen Fortschritt endogenisiert. Der grundlegende Gedanke dieser sogenannten Neuen Wachstumstheorie liegt darin, daß Individuen nicht nur Investitionen in Real-, sondern auch in Humankapital tätigen können. Dabei wird die traditionelle aggregierte Produktionsfunktion der Neoklassik, in der das Wachstum des Bruttosozialproduktes einer Nation (N) eine Funktion (F) aus Kapital (K) und Arbeit (A) - multipliziert mit einem in der Zeit (t) voranschreitenden, exogenen oder autonomen technischen Fortschritt (T) - darstellt:
N = F (K, A) T(t),
durch eine neue neoklassische Produktionsfunktion ersetzt. In ihr ist der technische Fortschritt als Humankapital (H) gefaßt und als solches in den Faktor Arbeit (HA) hineingeschoben, weshalb dieser nicht mehr A, sondern HA genannt wird.“ (Ebd., S. 376).

„Zur intertemporalen neoklassischen Wahl zwischen Gegenwartskonsum und Konsumverzicht, das heißt Sparen und damit Investition in Realkapital, tritt nun also die Alternative der Investition in Humankapital. Grundlage auch für diese Überlegung ist wiederum das intertemporale Tauschmodell der Neoklassik. Ein repräsentativer Haushalt wählt hier jedoch nicht allein zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum, sondern hat zusätzlich die Option eines Konsumverzichts zugunsten der Investition in Humankapital. Mit ihr verschafft er sich einen Wissensbestand, der seiner Arbeitskraft eine höhere Qualität verleiht. Im Ergebnis erhält die neue neoklassische Produktionsfunktion die von exogenen Faktoren formal freigehaltene Gestalt:
N = F (K, HA).
Durch die Investition in Humankapital wird nicht nur die eigene Arbeitskraft eines Unternehmens produktiver, sondern ein allgemein zugänglicher Wissensbestand geschaffen, der die menschliche Arbeit insgesamt produktiver macht, indem er durch sogenannte Spill-over-Effekte auf die ganze Wirtschaft übergreift. Während die Kapitalakkumulation allein nicht in der Lage ist, das Wachstum der Wirtschaft langfristig zu erhöhen, sorgt die Humankapitalakkumulation dafür, daß der Investitionsanreiz während des Wachstumsprozesses nicht verschwindet. Es bleibt für die Unternehmer ständig profitabel, eine zunehmend besser ausgebildete Arbeitskraft mit zusätzlichem Kapital auszustatten. Im Aggregat aller ergeben sich dann zunehmende Ertragszuwächse.“ (Ebd., S. 377).

„Durch diese Endogenisierung des technischen Fortschritts werden die in traditionell neoklassischer Auffassung auf Abnahme angelegten Ertragszuwächse der Faktoren Arbeit und Kapital nicht nur kompensiert, sondern führen vielmehr zu gesamtwirtschaftlichern Wachstum. Nicht einmal in der Neoklassik hat diese Formelveränderung jedoch großen Eindruck gemacht, da selbstverständlich jedes mathematische Modell, das den technischen Fortschritt endogenisiert, die genannten positiven Wirkungen zu errechnen erlaubt. Solow hat denn auch nur ironisch angemerkt: »Es stellt sich die Frage, warum dieser schlichte Kunstgriff nicht häufiger zur Anwendung kommt. .... Hier beschränke ich mich auf die Vermutung, daß man so wenig über die Bestimmungsgründe des technischen Wandels weiß, daß ein Aufgreifen dieses Gedankengangs lediglich bedeuten würde, einen Satz mehr oder weniger beliebiger Parameter durch einen anderen zu ersetzen. Die Aussage, daß die Nation A irgendeine höhere Fähigkeit hat, technischen Fortschritt zu schaffen als die Nation B, unterscheidet sich nicht sonderlich von der Aussage, daß die Nation A eine schnellere Rate des technischen Fortschritts hat als die Nation B.« Die neue Formel der 1980er Jahre läuft mithin auf die Tautologie hinaus, daß die Fähigkeit zum technischen Fortschritt von der Rate des technischen Fortschritts abhängt. Daher kann Solow auch spotten, daß die neuen Wachstumsmodelle gewiß »genial, suggestiv und wertvoll« sind: »Ich wundere mich manchmal aber, warum ich ein Auto mit so vielen Pferdestärken kaufen soll, um auf einer so dunklen und kurvenreichen Strecke zu fahren.« (Robert Solow,a.a.O.). In dieser Skepsis wiederholt Solow die bereits auf dem I.E.A.-Kongreß getroffene Feststellung, daß die Neoklassik den technischen Fortschritt in ihrem Gedankengebäude auch dann nicht unterbringen kann, wenn sie ein paar Anbauten vornimmt.“ (Ebd., S. 377-378).

„Zu diesen Anbauten zählt auch das evolutionistisch-darwinistisches Modell der Kritiker der neoklassischen Wachstumstheorie, Richard Nelson (*1930) und Sidney Winter (*1935),68 das Ungleichgewichte und damit Veränderungen einschließen will, sich also gegen einen über Profitmaximierung zum Gesamtgleichgewicht strebenden Unternehmer wendet. Nach der Vorstellung dieser Richtung mutiert eine quasigenetische Betriebsroutine, die überkommene Profitmöglichkeiten ausschöpft, zu einer neuen Suchroutine, die neue Profitmöglichkeiten findet. In einem dritten Schritt kommt es zur Selektion zugunsten der Wachstum induzierenden, profitstärkeren Routinen. So sehr mit diesen Termini beschrieben werden mag, was realiter abläuft, so hilflos bleibt der Sprung aus ökonomischen in biologische Denkweisen, die sich - wie in der Vorrede gezeigt - vom Evolutionismus zugunsten eines Neokatatrophismus übrigens längst freigemacht haben.“ (Ebd., S. 378-379).

5b) Property rights und technischer Fortschritt

„Ein auf den ersten Blick vielversprechender Zugang zum Wachstum und zum technischen Fortschritt sucht seit Beginn der 1970er Jahre innerhalb der Neoklassik die im Tauschkapitel bereits behandelte Institutionenökonomik. Sie geht in einer wirtschaftshistorischen Analyse des Wachstums der westlichen Welt davon aus, daß herkömmliche Erklärungen wie technischer Fortschritt, Skalenerträge, Ausbildung, Kapitalakkumulation u.s.w. »nicht die Ursachen des Wachstums sind, denn sie sind das Wachstum.« (Douglas C. North, a.a.O.).“ (Ebd., S. 379).

„Vor allem die - ebenfalls im Tauschkapitel behandelten - property rights werden hier als der spezifische Antreiber für die so rätselhaft bleibenden Phänomene ins Auge gefaßt. Was jedoch wird tatsächlich gesehen? Unterstellt ist einmal mehr der ewige Homo oeconomicus, der nur darauf wartet bzw. erpicht ist, noch profitabler als bisher schon zu optimieren. Ebenso ewig steckt dieses Subjekt in einer Struktur von Institutionen und property rights, an denen es sein angeborenes Optimierungsstreben ausrichtet. Das Subjekt kann nun auf Institutionen treffen, die seinen Drang mehr oder auch weniger begrenzen. Nicht jedoch wird es als jemand gesehen, der von äußeren Zwängen gehetzt wird, die ihm ganz und gar nicht angeboren oder gar angenehm sind. Äußeres bremst ihn, angetrieben ist es selbst.“ (Ebd., S. 379).

„Ausgehend von ersten Überlegungen zu Institutionen und property rights, wie sie in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt wurden, ahben Dopuglas C. North (*1920, Nobelpreisträger von 1993) und Robert Paul Thomas (*um 1930) versucht, eine »ökonomische Theorie des Wachstums der westlichen Welt« (Dauglas C. North / Robert Paul Thomas, a.a.O.) zu formulieren. Von der Gestaltung ökonomischer Institutionen - - insbesonder eben der property rights - hänge ab, ob das Verhalten der Individuen in einer Gesellschaft in einem Prozeß mündet, der entweder zu ökonomischem Wachstum, zu Stagnation oder zu Niedergang führt.“ (Ebd., S. 379-380).

6) Die Eigentumstheorie der Akkumulation

„Kehren wir nach diesem Ausflug in als property rights mißverstandene Besitzrechte noch einmal zu den Konstrukteuren der Neuen Wachstumstheorie zurück. Ein einziger Blick auf die hohen Ingenieurszahlen des Realsozialismus hätte sie darüber belehren können, daß durch Humankapital angereicherte Arbeitskraft als solche für den technischen Fortschritt wenig bis gar nichts bringt. Auch innerhalb der Eigentumsökonomien ist eine direkte Ableitung der Zunahme von Hightech-Sektoren aus einer Zunahme von hochqualifizierten Arbeitskräften nicht nachweisbar: »In den neunziger Jahren hat die US-Wirtschaft ein hohe Wachstumsrate der Produktivität, eine noch höhere Wachstumsrate der Investitionen in Informationstechnologien und die Schaffung von über acht Millionen neuen Arbeitsplätzen erreicht. Aber diese Erfolge sind ohne eine spürbare Verbesserung im nationalen Berufs- und Allgemeinbildungssystem erzielt worden.« (S. Head, a.a.O.).“ (Ebd., S. 382).

„Der ehemalige Realsozialismus hat nicht einmal den von Eigentumsökonomien imitierten oder auch per Industriespionage gewonnenen technischen Fortschritt in die Organisation seiner materiellen Reproduktion integrieren können. Selbst das Fehlen von Betriebsgeheimnissen zwischen Betrieben innerhalb des Sozialismus hat die ersehnten spill over-Effekte zwischen den Produktionsstätten niemals herbeigeführt: »Der sozialistischen Modernisierung, so wie wir sie bis heute kennen, scheint die Fähigkeit abzugehen, eine Eigendynamik zu entfalten. Unter Berücksichtigung der relativen Rückständigkeit der meisten sozialistischen Länder mußte man eine Zeit lang mit einer nachahmenden Entwicklung rechnen. Aber der Grad und die Dauer der Imitation sind ungewöhnlich - ausgenommen vielleicht der Militärsektor, den wir nicht beurteilen können. Eine modernere Technologie - ganz gleich, ob importiert oder in der einheimischen Produktion imitiert - muß normalerweise zu einer wachsenden Produktivität führen. Der Modernisierungseffekt für die Wirtschaft sollte jedoch nicht allein an diesem Ergebnis gemessen werden, sondern in erster Linie durch den Spill-Over-Effekt, der zu einer hausgemachten Technologie- und Produktinnovation anspornen sollte. Das findet in den sozialistischen Ländern aber trotz der vermuteten Vorteile in Wissenschaft und Bildungssystem kaum statt. Der Spill Over profitiert auch nicht von der Beseitigung des Betriebsgeheimnisses, die einen ungehemmten Informationsfluß zwischen brüderlichen Kombinaten, Sektoren und Nationen sicherstellen sollte.« (W. Brus, a.a.O.).“ (Ebd., S. 382-383).

„Inzwischen wissen wir angesichts der Ruinenfelder veralteter Industrie- und Infrastrukturanlagen - ganz zu schweigen von der katastrophalen Umweltzerstörung durch den Realsozialismus -, daß diese Einschätzung aus dem Jahre 1983 noch zu optimistisch klingt. Auch der sozialistische Rüstungssektor verdankte seine alles in allem nicht imponierenden Resultate einer - im Vergleich zur Eigentumswirtschaft - bis zu achtfach überbesetzten Ausstattung mit technisch hoch geschultem Personal, das wiederum - wie mehrfach bezeugt - viel mehr aus Spionage gewonnenes als selbst ersonnenes Wissen umsetzte.“ (Ebd., S. 383-384).

„Wenn mehr H in A (**) bzw. mehr Ingenieure unter den Arbeitern als solche nicht verständlich machen können, wodurch Effizienzsteigerung und Akkumulation hervorgetrieben werden, dann muß einmal mehr der Blick auf die Verteidigung des Eigentums gewendet werden, um diese begehrten, aber seinerzeit auch verfluchten Elemente der »westlichen« Wirtschaft zu verstehen. Von allen Kontrakten der Eigentumswirtschaft ist der zwischen Unternehmer-Schuldner und Lohnarbeiter geschlossene Vertrag der am wenigsten unsichere. Das für Lohn verausgabte Geld bedeutet eine unmittelbare Übertragung von Ansprüchen auf Eigentum. Der Vertrag zwischen dem Unternehmer-schuldner als Verkäufer und dem Käufer auf dem Warenmarkt hingegen ist dagegen am unsichersten, da er erst in der Konkurrenz mit anderen Verk4Jufern erkämpft werden muß. Der Vertrag zwischen dem Gläubiger des Geldvorschusses (Kapital) und dem Unternehmer-Schuldner nimmt bezüglich seiner Sicherheit eine Zwischenstellung ein, da er einerseits mit dem verpfändeten Eigentum des Schuldners gesichert ist, andererseits in seiner Erfüllbarkeit von der Unsicherheit des nicht erzwingbaren Kaufkontrakts auf dem Warenmarkt beeinflußt wird.“ (Ebd., S. 384).

„Damit die freien Lohnarbeiter ihr Eigentum an sich selbst erhalten können, müssen sie einen Teil davon, ihre Arbeitskraft auf Zeit bewirtschaften lassen. Anders als der sonstige Eigentümer kann der freie Arbeiter sein Eigentum an sich selbst - etwa durch Streik oder Muße nicht beliebig oder zumindest nicht in gleichem Maße wie dieser zurückhalten. Er kann entsprechend dieses Eigentum auch nicht als Sicherheit gegen Kredit verpfänden noch gegen es vollstrecken lassen, was auf die ökonomische Nachrangigkeit dieser Eigentumskategorie verweist. Das Eigentum an seiner Person unterscheidet den freien Lohnarbeiter gleichwohl vom Sklaven der Antike, der von seinem Eigentümer in diesen Funktionen ohne weiteres verwendet werden konnte.“ (Ebd., S. 384).

„Die Bewirtschaftung des freien Arbeiters wird allerdings nur durch jemanden geschehen, der selbst sein geliehenes Kapital (Geldvorschuß) zu bewirtschaften, also die vom Gläubiger aufgegebene Eigentumsprämie in Form von Zins zu erbringen hat. In einen Kontrakt über den Verkauf seiner Arbeitskraft kann der freie Arbeiter mithin überhaupt nur deshalb gelangen, weil er dafür verwendbar ist, den für das Lohngeld geschuldeten Zinsaufschlag auf das Kapital zu erwirtschaften.“ (Ebd., S. 384-385).

„Was bei Marx als Mehrwert bzw. als Ergebnis »unbezahlter Mehrarbeit« gefaßt wird, als Arbeit, die über die Erwirtschaftung der Reproduktionskosten des Arbeiters hinausgeht, ist mithin nicht Ergebnis der Trennung vom Eigentum an Produktionsmitteln oder gar Folge eines finsteren Ausbeutungskalküls machtvoller Produktionsmitteleigentümer. Der Mehrwen ist allein der Tatsache geschuldet, daß jeder einen Zins zahlen muß, der an diejenige Form von Ansprüchen auf Eigentum herankommen will, die als Schuldendeckungsmittel verlangt wird - an Geld also. Der eine muß mit dem Verkauf seines Eigentums in Form von Arbeitskraft Geld erwerben, während der andere durch Verpfändung von Eigentum Geld im Kredit für den Kauf von Produktionsmitteln erhält. Ersterer hat bereits verkauft, während letzterer produzieren und dann Kaufvenräge durch die Vermarktung der Produkte als Waren noch einwerben muß.“ (Ebd., S. 385).

„Wovon hängen also Akkumulation und der mit ihr unausweichlich verbundene technische Fonschritt in der Eigentumswinschaft ab? Beide sind das Resultat des Zwanges von verschuldeten Produzenten, Geldvorschüsse von Gläubigern, um die sie konkurrieren, in einer Weise zu investieren, daß in unverlängerbaren Fristen Eigentum für die stets neu anfallenden Zinsaufschläge entsteht, was nur durch produktivere Technik, neue Produkte sowie neue Absatz- und Organisationsstrukturen - allgemein gesprochen: Prozeß- und Produktinnovationen - möglich ist.“ (Ebd., S. 385).

„Es gibt in der menschlichen Gesellschaft also nicht irgendeine Reichtumsquelle per se, die jemand nur innovativanzapfen müsse, was er aber auch jederzeit lassen könnte. Selbstredend gibt es ein Motiv zur Reichtumsproduktion in allen Systemen materieller Reproduktion. Es ist aber der Zins, der erst die Produktion von Reichtum erzwingt, und es ist die Verpfändung von Eigentum, die erst die Produktion von Reichtum ermöglicht. Den Zins wiederum gibt es nur in Eigentumsökonomien, in denen jedes Eigentum mit einer Prämie behaftet ist, die bei seiner zeitweiligen Belastung immer durch ihn kompensien werden muß.“ (Ebd., S. 385).

„Neoklassische Kalküle wie ein Konsumverzicht, der zur Realkapi talakkumulation oder Produktivitätssteigerung durch Humankapital akkumulation eingesetzt werden kann, vermitteln die Idylle eine Freiwilligkeit, die es in der Eigentumswirtschaft gerade nicht gibt un aus der sie auch nicht hervorgebracht werden kann. Die klassischc Ökonomie, nicht zuletzt Marx, wiederum zeichnet mit ihrer Profitgie] einer mit Herrschaft versehenen Menschenklasse das finstere Gemälde einer Bösartigkeit, von der die hier zu analysierende Eigentumswirt schaft ebenfalls nicht erzeugt wird. Der Monetärkeynesianismu: schließlich versucht sich am nüchternen Kalkül einer Vermehrung zinstragenden »Vermögens«, weiß aber von dem eigentumsgebundener Grund nichts aus dem der die Vermehrung dieses Vermögens erzwingende Zins entsteht.“ (Ebd., S. 386).

„Es ist diese generelle Unkenntnis, die nicht zuletzt dazu verführer kann, im Wachstum eine beliebig manipulierbare Größe der Mensch. heitsgeschichte zu sehen. Insbesondere ökologische Kritiker des Wirtschaftswachstums halten es schlicht für eine politisch beabsichtigte Entwicklung. Mit einer anderen Politik könne deshalb auch in einf ganz andere Richtung gesteuert werden. Sie sind - wie die Mitglieder des Club of Rome - deshalb davon überzeugt, »daß jede Haltung gegenüber den Grenzen des Wachstums eine Frage der kulturellen Übereinkünfte ist und eine Sache der Wahl, des freien Willens und möglicherweise der Vernunft.« (W. van Dieren. Mit der Natur rechnen, 1995, S. 25).“ (Ebd., S. 386).

„Einmal mehr wird in fröhlichem Beiseitelassen des Zinses und der für seine Bedienung in Gang gesetzten Produktion drauflos argumentiert. Nur so kann geglaubt und gepredigt werden, daß die »Ideen« des materiellen Fortschritts und des Wirtschaftswachstums «ohne Übertreibung als die Zwangsvorstellungen der Moderne betrachtet werden« können. (Vgl. W. van Dieren. Mit der Natur rechnen, 1995, S. 25). Für diese wird selbstredend der Westen als Schuldiger dingfest gemacht. Ihm sei es gelungen, mit Wachstum als »dem heimlichen Programm der Moderne« (so der Titel von S. Toulmin, 1990) die ganze Welt zu überrumpeln. Daß hier nicht eine kollektive Neurose, sondern der eiserne Zwang der Eigentumswirtschaft alle Betroffenen ganz unabhängig von ihrer individuellen Charakterstruktur in Bewegung hält, können die Öko-Ökonomen nicht einmal vermuten, weil sie gegen ihre neoklassische Schulung zwar aufbegehren, ihr aber analytisch nicht zu begegnen wissen.“ (Ebd., S. 386-387).

„Statt einer angeblich alles steuernden Hidden Agenda werden in den ökonomischen Schulen also Ewigkeitsannahmen über allgemein menschliches Verhalten wie Profitgier, vorteilsuchender Konsumverzicht oder Streben nach Vermögensvermehrung als Grund für die Dynamik des Wirtschaftens und damit auch als ökonomischer Mechanismus hinter Akkumulation und Wachstum in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Wenn man sich auf solche Strebungen ökonomisch verlassen könnte, sollten Zusammenbrüche der Akkumulation und damit Wirtschaftskrisen außerhalb menschlicher Gemeinwesen liegen und doch gibt es sie. Die Krise - als Umkehrung der Dynamik der Eigentumswirtschaft - verdient deshalb im folgenden Kapitel eine eigene Betrachtung.“ (Ebd., S. 387).

7) Zusammenfassung

„Die Klassik braucht vorab angehäufte Gütermengen - eine wie auch immer historisch erfolgte »ursprüngliche Akkumulation« -, um einen Prozeß in Gang zu setzen, der die Beherrscher dieser Güteranhäufung dazu befähigt, von ihrer Beherrschung ausgeschlossene und deshalb ohne Einkommen dastehende Arbeiter für die weitere Vermehrung der Güter einzuspannen. Sie liefert deshalb keine Wirtschaftstheorie, sondern eine historische Theorie der Herrschaft von Besitzern über ausgebeutete Besitzlose.“ (Ebd., S. 387).

„Die Neoklassik hingegen gibt allen Subjekten eine Erstausstattung an erzeugbaren und nutzbaren Gütern, deren Allokation diese entsprechend ihren Bedürfnispräferenzen durch Markttausch optimieren. Sie liefert mithin ebenfalls eine historische Theorie, die sich allerdings nicht für Herrschaft, sondern für die durch Kalkül gesteuerte Evolution von Tauschoperationen interessiert. Anders als durch die Klassenausbeutung der Klassik wird in der Neoklassik die Akkumulation von Gütern durch allgemeine Strebungen besorgt, die im Sparen - dem Aufschieben von Konsumbedürfnissen - ihre spezifisch menschliche Qualität hat.“ (Ebd., S. 387-388).

„Den bei dieser Akkumulation beobachtbaren technischen Fortschritt sieht die Neoklassik versteckt in einem bisher unaufklärbaren Residualfaktor. Schon die Klassik kommt über seine bloße Beobachtung nicht hinaus, beschreibt ihn aber als Resultat einer innovativen Nutzung des aus der Akkumulation gewonnenen Zeitbudgets. Die Neoklassik hat die Zirkularität dieses Arguments offengelegt, das einerseits Arbeitsteilung voraussetzt, um innovative (also besser arbeitsteilende) Zeit zu gewinnen, zugleich aber der Arbeitsteilung innovative Zeit vorhergehen lassen muß.“ (Ebd., S. 388).

„Keynes wendet sich gegen die unausgewiesene neoklassische Behauptung, daß Kapital einen Zinsertrag erziele, weil es produktiv sei. Keynes muß nun auf anderem Wege zeigen, warum ein Überschuß des Kapitals über seine Kosten - ein Profit also - zustandekommt. Für ihn muß das in Produktionsmittel transformierte Kapital einen Profit erzielen und damit der Akkumulation zuarbeiten, weil der als Kapital kreditierte Geldvorschuß auch in zinstragenden Forderungen angelegt werden kann. Jede Profitaussicht konkurriert mit dem marktüblichen Zins. Es ist diese Verwendungskonkurrenz von Geld, die den Geldvorschuß »Kapital« automatisch knapphält.“ (Ebd., S. 388).

„Obwohl Keynes eine wirtschaftstheoretische Herleitung von Geld und Zins dringend einfordert und auch selbst versucht, wird er daran von seiner gütertheoretischen Sichtweise gehindert. Deshalb bleibt die Herkunft des profiterzwingenden, weil kapitalknapphaltenden Zinses dunkel.“ (Ebd., S. 388).

„Gesellschaften mit technischem Fortschritt und Akkumulation unterscheiden sich von anderen Gesellschaften nicht dadurch, daß sie Gütermengen per Beherrschung oder Optimierung allozieren, sondern dadurch, daß sie auf Eigentum basieren, das erstmals ökonomische Mechanismen wie Belastung und Verpfändung generiert. Innerhalb der Eigentumsgesellschaften nun übertrifft der technische Fortschritt von Gesellschaften mit freier Lohnarbeit denjenigen von solchen ohne freie Lohnarbeiter.“ (Ebd., S. 388).

„Beide Eigentumsgesellschaften sind durch die Eigentumsprämie gekennzeichnet, die beim Kreditieren von Ansprüchen gegen dabei belastetes Eigentum des Gläubigers in Zins verwandelbar ist. Beide verwenden Anrechte auf Eigentum als Geld, das gegen Zinspflichtigkeit und Verpfändung von Eigentum des Schuldners über Gläubiger-Schuldner-Kontrakte das Winschaften erzwingt.“ (Ebd., S. 388-389).

„Die gegen Zins kreditienen Anrechte auf Eigentum werden zu Kapital. Ein solcher Geldvorschuß kleidet mithin keine materiellen Ressourcen ein. Das Eigentum, gegen das Geld als Anrecht steht, wird in der Kreditoperation nicht bewegt, das heißt vom Schuldner niemals genutzt. Das Rätsel eines Geldes, das vor einer handelbaren Gütermenge existien, löst sich dadurch, daß vor dem Geld das Eigentum steht. Deshalb entsteht Kapital jenseits der Gütersphäre und muß dementSprechend in Gesellschaften fehlen, die zwar Güter, aber keine Eigentumstitel und entsprechend auch keine Eigentumsprämie kennen.“ (Ebd., S. 389).

„Da Kapital nur als Geldvorschuß entsteht, auf den Zinsen zu zahlen sind, muß seine Umsetzung in Produktionsmittelwene, also in monetär ausgepreiste Faktoren, so erfolgen, daß ein Profit entsteht, der mindestens der Zinshöhe entspricht. Die Produktionsmittelwene gibt es mithin nur in Abhängigkeit und in demselben Standard, in dem der aufgenommene Geldvorschuß ausgedrückt worden ist. Akkumulation erfolgt also aus der Kette:
1.Aufgabe der Eigentumsprämie eines Gläubigers durch Belastung seines Eigentums,
2.Kreditieren von Geld in Form von Anrechten auf Gläubigereigentum gegen Zins und gegen Haftung von Schuldnereigentum sowie
3.die Umwandlung dieses Geldvorschusses in Arbeit und Realkapital, also in monetär bewenete Produktionsmittel mit der Maßgabe einer Profiterzielung mindestens in der Höhe des Zinses.
Die unterlegene Akkumulationsdynamik der antiken Eigentumsgesellschaften resultien daraus, daß überschuldete Eigentümer aus der Gruppe der Eigentümer ausscheiden, also in die Sklaverei Überwechseln. Der römische »Kaufsklavenkapitalismus« (Max Weber) hat in seiner Gipfelperiode um die Zeitenwende - wie Cicero überliefert - nur noch 2000 Eigentümer. Die großen technologischen Innovationen erfolgen mithin am Beginn der Gesellschaft von Eigentümern, deren Zahl dann progressivabnimmt. Der Sklave hat das Eigentum an sich selbst verloren. Er fungien mithin wie ein Produktionsmittelwen, den sein Eigentümer, für den er Realkapital ist, wieder in Geld verwandeln kann. Gleichwohl garantiert ihm - wie auch bei anderen Eigentumsvarianten - dabei niemand den Wiedererlös des eingesetzten Geldes.“ (Ebd., S. 389-390).

„Die meisten neuzeitlichen Eigentumsgesellschaften haben die Sklaverei politisch abgeschafft, weshalb sie in jedem zusätzlichen Menschen einen weiteren Eigentümer begrüßen. Diese freien Menschen können ihr Eigentum an Arbeitskraft verkaufen. Der ihnen dafür auszuhändigende Geldlohn ist für den Unternehmer zunächst ein verlorener Geldvorschuß, den er gleichwohl verzinsen muß. Während der Sklave wie eine Maschine oder ein Grundstück wieder verkauft und so zur Rückgewinnung von Geld eingesetzt werden kann, ist das Lohngeld erst einmal verloren, weil die Ware noch die Hürde des Marktverkaufs nehmen muß. Mit dem Lohnarbeiter ist ein verbindlicher Vertrag über Lohngeld zu erfüllen, während ein Käufer, der dann einen Kaufvertrag durch Leistung des Preises erfüllt, erst gesucht werden muß. Die Freiheit des Lohnarbeiters besteht ja gerade darin, daß er - anders als der Sklave - nicht für das zur Zahlung seines Lohnes geliehene Geld in Haftung genommen werden kann.“ (Ebd., S. 390).

„Permanent wird deshalb versucht, die Verausgabung von Lohngeld zu vermeiden. Der Geldlohn bedeutet die Umwandlung von Unternehmereigentum in Eigentum des Lohnarbeiters und schmälert damit die Eigentumsposition des Unternehmers. Sein ununterbrochener Versuch, das für Arbeitskraft in der Produktion aufzuwendende Geld nicht zu verlieren, sorgt also in entscheidender Weise für den stetigen technischen Fortschritt in den Eigentumsgesellschaften der Neuzeit. Die sich »technisch« niederschlagende Innovation soll die potentiellen Lohngeld- bzw. Eigentumsverluste reduzieren.“ (Ebd., S. 390).

„Die Differenz zwischen Antike und Neuzeit liegt nicht darin, daß beim Sklaven der arbeitssparende Einfallsreichtum als Faulheit bestraft wird, während der freie Arbeiter mit solchen Einfällen einem allgemein menschlichen Streben nach Bequemlichkeit gerade gerecht werde. Antiker und neuzeitlicher Unternehmer unterscheiden sich auch nicht durch voneinander abweichende Ausprägungen einer Gier (Klassik), eines Konsumverzichts (Neoklassik) oder einem Interesse an Vermögensvermehrung (Monetärkeynesianismus). Im Sklaven hat der Unternehmer vielmehr Eigentum, während er an den Lohnarbeiter Geld verliert. Die Reduzierung eben dieser Verluste macht ihn ununterbrochen angewiesen auf arbeitssparende Einfälle.“ (Ebd., S. 390).

G) Das Kapitel von der Krise: Konjunkturzyklen, Depression und Arbeitslosigkeit

1)  Die Unmöglichkeit der Krise in den tauschtheoretischen Ansätzen von Klassik, Neoklassik und Neokeynesianismus (S. 392-420)
2)  Die geldtheoretischen Ansätze einer Krisen- und Arbeitslosigkeitstheorie bei Keynes und den Monetärkeynesianern (S. 420-431)
3)  Die Eigentumstheorie der Krise (S. 432-439)
4)  Zusammenfassung (S. 439-441)

„»Es gibt drei Faktoren, die jeder für sich notwendig sind, damit das Bankensystem aus eigener Kraft eine Kreditexpansion in Gang setzen kann. Zum ersten müssen die einzelnen Banken überzeugt sein, daß sie so reichlich mit Mitteln versehen sind - eine so große Liquiditätsreserve haben -, daß sie ohne Gefährdung ihrer eigenen Position ihre Ausleihungen steigern können, falls gute Kunden auftauchen. .... Zum zweiten müssen Unternehmer da sein, die eine so optimistischen Ausblick auf die Profitabilität und die kommende Entwicklung haben, daß sie es wagen, aktiv zu sein und ein Darlehen aufzunehmen. Und drittens müssen die Banken diese Kunden als kreditwürdig ansehenAlle diese drei Faktoren sind in hohem Grade psychologisch bestimmt« (Ragnar Frisch [1895-1973], 1935; vgl. Norwegische Parlamentsgutachten vom 30.11.1935).“ (Ebd., S. 391).

„Die Kehrseite der Akkumulation ist die Krise bzw. die Unterbrechung von Akkumulation, die ja aus Geldvorschuß mit technischem Fortschritt zur Reduzierung allemal verlorener Lohngeldvorschüsse entspringt. Dieser Zwang zu technischem Fortschritt führt bestenfalls kurz- und mittelfristig zu Arbeitslosigkeit, weil neue Produktionssektoren entstehen, von denen die freigesetzten Arbeitskräfte absorbiert werden. Die Arbeitslosigkeit stellt sich als Resultat des Abbruchs von Akkumulation ganz unabhängig davon ein, ob diese mit oder ohne technischen Fonschritt erfolgt. Dieser Abbruch zeigt sich empirisch am deutlichsten im Rückgang der Nachfrage nach Realkapital, der Investitionen also, und dadurch als Produktionsrückgang mit negativen Rückwirkungen auf Einkommen und Beschäftigung. Dieser Rückgang verkörpen sich vor allem in einem Rückgang von Profiten.“ (Ebd., S. 391-392).

„Eine ernsthafte theoretische Beschäftigung mit der Krise ist lediglich von Marx und Keynes versucht worden. Marx kaprizien sich dabei auf die prekäre Stufe des Verkaufs der produzienen Waren gegen Geld, der nicht erzwungen werden und also ausbleiben kann. Keynes hingegen interessien sich für die effektive, also mit Geld auftretende Nachfrage, die hoch genug sein muß, damit dieser Verkauf erfolgen kann.“ (Ebd., S. 392).

3) Die Eigentumstheorie der Krise

„So richtig es ist, daß Zins- und Profitänderungen zu einer Neubewertung aller Eigentumstitel führen und so die Rentabilität von Investitionen entscheidend beeinflussen, so unerhellt bleibt der Grund, wodurch diese Umwenungen erzwungen werden.“ (Ebd., S. 432).

„Wir kommen dieser Ursache näher, wenn wir - wie die Monetärkeynesianer - daran denken, daß der Investor Geld - und nichts als Geld - für die allenthalben als rentabel erkannte neue Produktionskapazität braucht. Nehmen wir weiterhin an, daß er dieses Geld nicht zur Verfügung hat. Denn hätte er es, wäre es in Vermögenstiteln angelegt, die nur unter Verlusten kurzfristig in Geld zurückverwandelt werden könnten. Er muß sich also den benötigten Kapital-Geldvorschuß von einer Bank kreditieren lassen. Dafür muß er eine Bedingung erfüllen, die uns nicht nur vom Monetärkeynesianismus, sondern auch von Klassik und Neoklassik weit wegführt. Er muß sich nämlich nicht nur zur Refundierung und Zinszahlung verpflichten, sondern zuvor Eigentum haben, das er der Bank zu verpfänden hat, damit sie sich die Refundierung holen kann, wenn er fallien. Ohne solche Sicherheit kommt er an Geld überhaupt nicht heran.“ (Ebd., S. 432).

„Die Krise ist immer dadurch gekennzeichnet, daß haftendes Eigentum entwertet wird. Dadurch verlieren die von Entwenung betroffenen Unternehmer ihre Kreditwürdigkeit. Ihre Schulden nämlich bleiben fix, aber die Besicherung für die Schulden droht unter die Schuldsumme zu fallen. Washeißt das für ihre Gläubiger, die Geschäftsbanken? Sie haben ihre Forderungen mit haftendem Eigentum gesichen, das nun abgewenet ist, was zu »schlechten« Forderungen zu führen droht. Die Forderungen gegen die Bank selbst jedoch - also die von ihr zu verzinsenden und, je nach Fälligkeit, in Geld einzulösenden Einlagen - bleiben in ihrer Höhe unverminden. Deshalb müssen sich die Banken im Maß ihrer schlechten, das heißt nicht mehr gesichenen Forderungen refinanzieren. Das wiederum verlangt, daß sie der Zentralbank gute Titel verpfänden oder verkaufen können. Dabei kann es sich aber nur um Vermögenstitel handeln, die Geschäftsbanken von guten Schuldern erworben haben und die in ihrer Qualität den »guten Handelswechseln« nicht nachstehen.“ (Ebd., S. 432).

„Gute Schuldner werden in der Krise jedoch rar: Während der Weltwinschaftskrise im Deutschen Reich (zweites Halbjahr 1931) zum Beispiel »konnte es nicht ein unvermindertes Angebot von Rediskontmaterial im Markt geben. In einer Situation, in der der Zins nur von Schuldnern, nicht aber von Gläubigern als hoch eingeschätzt wird, kann es nur begrenzt noch Wechselmaterial aus den für gute Handelswechsel typischen Transaktionen geben. Wer eine Forderung hat, wird sich in Erwartung steigender Zinsen ... naturgemäß nicht mit der Annahme eines Wechsels an Zahlungs statt zufrieden geben wollen. Es wird nur in eine derartige Erfüllung der Forderungen einwilligen, wer eine äußerst schwache Marktposition hat. Das bedeutet, daß sich das weiter verfügbare Material in seiner Quantität vermindert und in seiner Qualität verschlechtert. Jeder Gläubiger mit einer starken Marktposition -das heißt: jeder wirkliche Vermögenseigentümer -wird es unter derartigen Umständen vorziehen, Bargeld zu erhalten und dies auch durchsetzen können.«65 Ähnliches hat für die Weltwirtschaftskrise in den USA Jan Kregel (*1944) festgestellt: »Zu Beginn der dreißiger Jahre hatte sich die Wirtschaftslage so verschlechtert, daß es nicht genügend gute Handelswechsel zur Diskontierung gab«. (Jan Kregel, a.a.O.).“ (Ebd., S. 432-433).

„Verzinsliche - also in Geld denominierte - Titel, welche die Gläubiger halten, stehen immer unter dem Damoklesschwert der Geldentwertung. Ununterbrochen müssen solche Verluste befürchtet werden ganz unabhängig davon, ob Schuldner leisten können oder nicht. Die Befürchtungen können in ihrer Intensität wanken. Sie können -wie zu Beginn der Weltwirtschaftskrise in den USA - auch unbegründet sein. Sie machen sich auf jeden Fall auf dem Kreditmarkt in tendenziell höheren Realzinsen bemerkbar, wodurch sich die Zentralbanken zu einer restriktiven Geldpolitik gezwungen sehen. Das ist besonders gut belegt für den Begin der Weltwirtschaftskrise in den USA mit ihren lediglich nominal niedrigen Zinsen. Dort stiegen die Realzinsen nach der kleinen Krise des Jahres 1927 bereits vor dem Crash im Oktober 1929 auf über 5% und bis Ende 1930 auf ca. 14%.“ (Ebd., S. 433-434).

„An dieser restriktiven Geldpolitik leiden alle Schuldner, mithin auch die »guten« Das tun sie deshalb, weil das Herunterfahren der Beleihungsgrenzen - des für Haftung akzeptierten Eigentumsanteils auch sie trifft. Dasselbe gilt für ausbleibende Krediterneuerungen. Das Ansteigen des Zinses läßt den Wert ihres als Sicherheit stellbaren Vermögens sinken. Und selbst ein minimaler Diskont, wie ihn die japananische Zentralbank 1995 mit 0,5 Prozent etabliert hat, kann zu hoch sein, wenn die bereits erfolgte Entwertung haftenden Eigentums damit nicht aufgehoben wird.“ (Ebd., S. 434).

„ In der Krise werden also auch die besten Schuldner mit einer Entwertung ihres Haftungseigentums bei gleichzeitiger Steigerung ihrer Zinsverpflichtungen konfrontiert. Sie müssen deshalb als Investoren zurückhaltender werden. Zugleich zahlen die Geschäftsbanken, deren Verpflichtungen fix geblieben, die von ihnen akzeptierten Sicherheiten aber im Wert gefallen sind, eher ihre Verbindlichkeiten bei der Zentralbank zurück als Geld für neue Investitionen zu kreditieren. So versuchte während der Weltwirtschaftskrise das Federal Reserve System in den USA durch Kauf von Staatsschuldtiteln auf dem offenen Markt die Geschäftsbanken mit Geld auszustatten, um ihre Kreditvergabemöglichkeiten zu erhöhen: »Aber die Banken, die Staatsschuldtitel an das Federal Reserve System verkauften, verwandten ihre Einnahmen nicht dazu, die Kreditausleihungen zu steigern; stattdessen zahlten sie sofort ihre vorhergehenden Diskontverpflichtungen liegenüber dem Federal Reserve System vorfristig zurück« (Jan Kregel, a.a.O.).“ (Ebd., S. 434).

„Die Versuche, durch die erleichterte Refinanzierung bei der geldausgebenden Institution - in der Regel also der Zentralbank - den Kredit zu erhöhen, scheitern deshalb, weil diese Institution nicht die Möglichkeit hat, die potentiellen Schuldner-Unternehmer mit Haftungseigentum auszustatten, auf dem die Geschäftsbanken bestehen müssen. Selbst staatliche Bürgschaften oder Zinssubventionen können nur in begrenztem Umfang eintreten, wenn die Funktionsregeln der Eigentumswirtschaft nicht zerstört werden sollen.“ (Ebd., S. 435).

„Schauen wir nun den Schuldner-Unternehmer noch etwas genauer an. Als verpfändbares Eigentum steht sein Bestand an Realkapital und marktfähigen Forderungen gegen Dritte zur Verfügung. Dieses wird nun von einer Bank nicht anders bewertet als vom Investor selbst, das heißt über den aktuellen Geldzinssatz und die Profiterwartungen. Ein Sinken des Kapitalwertes (Vermögenspreises) durch Zinserhöhung bei konstanten Profiterwartungen bzw. durch sinkende Profiterwartungen bei konstantem Zinssatz führt entsprechend zu einem Sinken des Wertes des als Sicherheit für den Kredit zu stellenden Eigentums. Von vornherein wird die Bank deshalb einen Kredit nur in Höhe eines Teils dieses als Pfandsicherheit stellbaren Eigentums gewähren, um gegen Wertminderungen geschützt zu sein, falls sie in den Schuldner vollstrecken muß. Mit dieser Beleihungsgrenze vermeidet sie auf ihrer Seite zugleich die kostspielige Durchführung permanenter Neubewertungen.“ (Ebd., S. 435).

„Hingegen muß der Investor über die Bestimmung des Wertes seines verpfändbaren Eigentums (Vermögenspreises) ständig ermitteln, ob er Eigentum verliert oder seine Kreditwürdigkeit erhält. Bei fallenden Eigentumswerten reduziert sich seine Verpfändungsfähigkeit und wird damit zu einer Grenze für Investitionen in Realkapital bzw. zur Ursache für eine verminderte Verschuldung. Aus denselben Gründen sinkt auch die Kreditvergabebereitschaft der Bank. Aufschwung, Abschwung und Krise sind also nicht nur vom Investitionskalkül abhängig, sondern auch von der Verpfändungsfähigkeit seines Eigentums, die Bewertungsveränderungen unterliegt.“ (Ebd., S. 435).

„Selbst wenn das Verpfändungspotential ausreicht, kann die Bereitschaft zur Verschuldung abnehmen. Das Investitionskalkül kann dadurch negativ beeinflußt werden, daß der potentielle Investor nicht dauerhaft günstige Absatzerwartungen hegt, da er eben nicht von einer unbegrenzten Sayschen Aufnahmefähigkeit des Marktes ausgehen kann. Als Produzent befindet sich der Investor mithin in der Lage eines Gläubigers, der seine Kontrakte nicht direkt mit einem Schuldner abschließt, sondern lediglich erwarten kann, daß sich für seine Waren genügend Schuldner als Käufer finden.“ (Ebd., S. 435-436).

„Jede Bewertung von Eigentumsbeständen kann sich insofern als »Überbewertung« erweisen, als die Neubewertung aufgrund steigender Zinssätze oder fallender Profiterwartungen zu einer Wertminderung von Eigentum führt. Von dieser zu unterscheiden ist die Überbewertung von Eigentum durch direkte Spekulation, die zu einer Krise führen kann. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung des Vermögenspreises, die sich von seiner Bestimmung durch die mit dem Zinssatz abdiskontierten erwarteten Profite weitgehend losgelöst hat. Als typische Beispiele können Haussen an der Börse, wie an der Wall Street in den späten 1920er Jahren, ebenso herangezogen werden wie Grundstücksspekulationen vom Typus der japanischen in den späten 1980er Jahren.“ (Ebd., S. 436).

„Eine Überbewertungskrise kommt nun dadurch in Gang, daß spekulativ aufgeblähte Vermögenswerte zur Grundlage einer Sicherheit für Kredite gemacht werden. Werden diese Vermögenspreise wieder an die Bewertung durch Zins- und Ertragserwartungen rückgekoppelt, dann stürzen mit ihnen auch die Werte der Kreditsicherheiten. Die Schuldner müssen zur Abdeckung ihrer Verpflichtungen verkaufen und werden damit die Preise weiter nach unten treiben. Oder sie mÜssen nachschießen, was aber nur schwer gelingen kann, da ihr verpfändbares Eigentum ja gerade entwertet wird. Die Gläubiger wiederum können in die fallierenden Schuldner kaum noch vollstrecken, da ihre Pfänder enorm an Wert verloren haben. Ob eine solche Krise zu einer allgemeinen führt oder nicht - wie im Crash an der Wall Street am 28. und 29. Oktober 1929 (zusammen minus 24,5%) oder vom 19. Oktober 1987 (minus 22,6%) -, hängt davon ab, in welchem Ausmaß die Zentralbank Geld zur Verfügung stellen kann oder Vermögensbestände zur Abdeckung der Verluste zu Geld gemacht werden können. Im heutigen Japan, wo in der Spekulation (vorwiegend in Grundstücken) 80 Billionen Yen (ca. 1,15 Billionen DM) als uneinbringbar geschätzt werden (Oktober 1995), scheint die kritische Grenze für eine allgemeine Wirtschaftskrise zumindest nicht weit fern zu liegen.“ (Ebd., S. 436).

„Die in der Wirtschaftstheorie nicht beachtete Verpfändung von Eigentum im Kreditkontrakt steht im Zentrum einer Eigentumstheorie der Krise. Was besagt sie allgemein? In der Eigentumsgesellschaft stehen alle Subjekte in der Verteidigung ihres Eigentums. Eine Gefährdung desselben - insbesondere durch befürchtete Geldentwertung führt mithin dazu, daß die Eigentumsprämie steigt und seine Belastungs- und Verpfändungsfähigkeit eingeschränkt wird. Es gibt also nicht nur Gläubiger, die Produzenten von der Geldversorgung abschneiden, sondern auch potentielle Schuldner, die auf Eigentumsvermehrung durch die Erwirtschaftung von Profit verzichten und damit die Enstehung von Gläubigerpositionen verhindern.“ (Ebd., S. 436-437).

„Besonders gut illustriert wird dieses Kalkül der Akteure einer Eigentumswirtschaft bereits durch alle konkreten Gefährdungen von Eigentum, die aus seiner Zerstörung durch äußere Einflüsse, durch Enteignung oder ähnlichem erwachsen können. Zum Beispiel kann dann eine Eigentumsflucht in Form der »Kapitalflucht« in besser eigentumsgesicherte Währungen krisenauslösend wirken.“ (Ebd., S. 437).

„Die Krise resultiert daraus, daß alle Eigentümer eine Gefährdung ihrer Position sehen, also für das belastbare Eigentum oder Forderungen gegen das Eigentum anderer eine Wertverminderung erwarten. Die Gläubiger fürchten, daß ihre Forderungen nicht mehr hinreichend gedeckt sind bzw. an Wert verlieren, während die Schuldner wissen, daß sie bei Sinken des Wertes ihres Eigentums ihre Kreditwürdigkeit verlieren.“ (Ebd., S. 437).

„Die Besonderheit der Eigentumsökonomie führt nun dazu, daß wie etwa Riese gesehen hat -ihre makroökonomische Steuerung in Paradoxien geraten kann, die sich allerdings nicht aus der Bereitschaft, Geld aufzugeben bzw. nicht aufzugeben, das heißt einer niedrigen bzw. hohen Liquiditätsprämie erklären. Die für einen solchen Schritt erforderliche Geldhaltung ist - wie gezeigt - nicht gegeben. Gegeben ist vielmehr Eigentum, dessen Belastung Geld als Anrechte auf Eigentum im Kreditkontrakt bereitstellen kann. Die von Riese erörterten Paradoxien haben also ihren Grund in der Bereitschaft, diese Anrechte herauszugeben, sowie in der Fähigkeit, zu ihrer Erlangung Eigentum zu verpfänden. Beide Eigenschaften werden durch die Eigentumsprämie ausgedrückt. Es sind ihre Schwankungen, von denen die Konjunkturzyklen bestimmt werden. Die Schwankungen der Liquiditätsprämie hingegen reflektieren diese Zyklen bloß.“ (Ebd., S. 437-438).

„Die Erkenntnis, daß bei hohen Profiterwartungen die Eigentumsprämie niedrig ist, besagt also, daß die Bereitschaft, Anrechte auf Eigentum zu verleihen und die Fähigkeit, Eigentum zu verpfänden, hoch ist. Sie erklärt sich daraus, daß Eigentümer sowohl als Gläubiger als auch als Schuldner in einer solchen Konsteallation die Gefahr des Eigentumsverlustes gering schätzen. Ein daraus erwachsender Konjunkturaufschwung nebst Inflationsgefahr kann nun aber nicht dadurch gebremst werden, daß eine Instanz vorhanden wäre, die an der Eigentumssprämie manipulieren könnte. Die Zentralbank kann lediglich die Zinsen hoch setzen und darüber die Profiterwirtschaftung erschweren. Dadurch entstehen unbeabsichtigte Effekte bis hin zum Abwürgen einer gut laufenden Konjunktur. Die von den jetzt zinsgewürgten Profiterwartungen nach oben getriebene Eigentumsprämie, die ja durch Zins kompensiert werden muß, kann vielmehr eine Rezession ungewollt befördern.“ (Ebd., S. 438).

„Umgekehrt führen niedrige Profiterwartungen zu einer hohen Eigentumsprämie und damit zu einer Rezession mit nachfolgender Arbeitslosigkeit, weil die Bereitschaft, Anrechte auf Eigentum zu kreditieren und die Fähigkeit, Eigentum zu verpfänden, niedrig sind. Wie im Boom eine Erhöhung der Zinsen durch die Geldpolitik nicht zu einer Erhöhung der Eigentumsprämie führt, so gilt in der Rezession, daß eine Senkung der Zinsen durch die Zentralbank keine Senkung der Eigentumsprämie, also keine Erhöhung der Bereitschaft erzwingen kann, Anrechte auf Eigentum im Kredit zu schaffen bzw. Eigentum zu verpfänden. Dazu müßte sie die Möglichkeit haben, belastbares und haftungsfähiges Eigentum zur Verfügung zu stellen. Zentralbanken können dies nicht.“ (Ebd., S. 438).

„Der Staat jedoch könnte dreierlei tun. Er kann (1.) Eigentum neu verteilen und so Verschuldungsfähigkeit wiederherstellen. Er kann (2.) diesen Schritt herausschieben und sich selbst für die Bürger mit dem Resultat einer Nachfrageschaffung verschulden. Damit verbunden kann er (3.) seine Staatsschuldtitel den Geschäftsbanken als Ersatz für gute Handelswechsel anbieten. Während er sich mit letzterer Politik wie im Geldkapitel erörtert - einen »Zentralbankdefekt« einhandeltkann die zweite Politik bei bereits hoher Staatsverschuldung dazu führen, daß die Zinsbelastung seine Steuereinnahmen verzehrt, so daß am Ende nur die erste Alternative bleibt.“ (Ebd., S. 438-439).

4) Zusammenfassung

„Die auf dem Tauschparadigma basierenden ökonomischen Theorien von Klassik, Neoklassik und auch Neokeynesianismus, Monetarismus und Neuklassik können aus sich heraus die Krise nicht denken. Da sie Geld als neutral-passiven Mittler des Realtausches auffassen, der die relativen Preise oder Tauschraten nicht - oder nur störend - zu beeinflussen vermag, sollte die Flexibilität der Tauschraten eine Krise ausschließen.“ (Ebd., S. 439).

„Eine - aus welchen Gründen auch immer gegebene - Nichtflexibilität der Tauschraten, aber auch für die Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch exogene Einflüsse wie eine für die Tauscherfordernisse zu geringe Geldmenge (sogenannte monetäre Schocks) oder plötzlich die Tauschvorgänge beeinflussende Produktivitäts- und Präferenzveränderungen (sogenannte reale Schocks) können - nach der herrschenden Theorie - zu einer Krise führen, die aber nach Anpassung der Tauschraten an diese Schocks bestenfalls vorübergehenden Charakter hat.“ (Ebd., S. 439).

„Die Unfähigkeit zur Erklärung der Wirtschaftskrisen wird von diesen Schulen offen eingeräumt und entschieden beklagt. Die fragwÜrdigen tauschtheoretischen Grundlagen aber werden nicht in Frage gestellt.“ (Ebd., S. 439).

„Anders als die meisten Vertreter der Neoklassik erwartet sich Keynes von der Flexibilität der Preise keineswegs ein Ausbleiben von Krisen. Er sieht dabei, daß Preise immer Geldpreise sind, die auf Gläubiger-Schuldner-Kontrakte, die ja ebenfalls in Geld denominiert sind, direkt durchschlagen. Deshalb liegt ihm daran, daß die Geldpreise sich gerade nicht flexibel verhalten, sondern stabil bleiben. Ein allgemeines Fallen der Geldpreise würde die Möglichkeit eröffnen, daß die Schuldner ihre in festen Geldpreisen nominierten Kontrakte nicht mehr erfüllen können und damit nicht nur sich selbst gefährden, sondern ihre Gläubiger mitreißen. Das daraus resultierende Zerreißen zahlloser Gläubiger-Schuldner-Kontrakte würde die Krise verschärfen.“ (Ebd., S. 439-440).

„Gleichwohl gibt es auch bei Keynes einen relativ nichtflexiblen Preis - den Zins. Da der Einbruch der Profitrate die Krise einleitet, richtet sich nunmehr die Nachfrage auf Geld und nicht auf produzierbare Güter. Diese Nachfrage auf das Gut Geld kann - anders als die Nachfrage nach Gütern, die kein Geld sind - nicht zu einer höheren Produktion und Beschäftigung führen. Und diese Nachfrage nach Geld bewirkt, daß der Zins langsamer zurückgeht als der Profit. Würde hingegen der Zins noch schneller fallen als die Profitrate, dann würde eine Krise wie in der Neoklassik nur vorübergehend sein. Da bei Keynes Geld nicht als ein Tauschgut fungiert, wird es zum Krisennexus.“ (Ebd., S. 440).

„Im Monetärkeynesianismus wird anders als bei Keynes nicht die nach Profiteinbruch steigende Nachfrage nach Geld, sondern das Angebot von Geld thematisiert. Bei Einbruch der Profite erhöhe sich nämlich die Liquiditätsprämie der Vermögensbesitzer , das heißt der Gläubiger im Kreditkontrakt, worauf sie ihr Geldangebot verringern und nicht - wie bei Keynes - mehr Geld nachfragen. Dadurch unterbrechen sie den Akkumulationsprozeß. Spahn ergänzt zu dieser Unterbrechung, daß das Kalkül für Investitionen in Realkapital durch eine Zinserhöhung insofern negativ beeinflußt wird, als sie zu einer Wertminderung des bereits gehaltenen Realkapitalbestandes führt. Dadurch kann der Vermögenspreis des Kapitalbestandes unter den Produktionspreis der Investitionen in neues Realkapital sinken, wodurch diese unrentabel werden.“ (Ebd., S. 440).

„In dieser Sicht wird stillschweigend vorausgesetzt, daß das Geld für eine Investition zur Verfügung gestellt wird, wenn diese als so rentabel gilt, daß der Rückfluß des verliehenen Geldes erwartet werden kann. Dabei wird die entscheidende Bedingung, daß über Geld nur verfügen kann, wer ausreichend gute Sicherheiten zu stellen vermag, Übergangen. Dieses verpfändbare Eigentum wird vom Gläubiger, der das Geldkapital für die Investition in Realkapital als Vorschuß zur Verfügung stellt, auf dieselbe Weise bewertet wie vom Investor selbst, also über den Zins und den davon beeinflußten Profiterwartungen. Das gleiche gilt für den Investor in seiner Rolle als Schuldner des geliehenen Geldkapitals. Bewertungsveränderungen des verpfändbaren Eigentums beeinflussen die Bereitschaft des Gläubigers zur Kreditvergabe und der Fähigkeit des Schuldners zur Kreditaufnahme. Diese Umwertungen werden durch die ständige Furcht vor Verlusten der immer in fixen nominalen Beträgen gehaltenen Forderungen der Gläubiger erzwungen.“ (Ebd., S. 440-441).

„Im Aggregat sind dann die Bewertungsveränderungen verantwortlich für Aufschwung, Abschwung, Krise und damit verbunden Arbeitslosigkeit. Alle diese Momente sind im Kern der Tatsache geschuldet, daß in einer Eigentumswirtschaft die Akteure - ob in ihrer Gläubiger- oder Schuldnerrolle - der Notwendigkeit nachkommen müssen, ihr im Wert schwankendes Eigentum zu verteidigen. Wertschwankungen entscheiden über den Konjunkturverlauf, insbesondere über Akkumulation und Krise und damit auch über die Höhe der Beschäftigung.“ (Ebd., S. 441).

„In der Eigentumswirtschaft kann die »monetäre Autorität« die Zentralbank, diese Schwankungen nur begrenzt über den Zins beeinflussen. Die Eigentumsprämie kann sie nicht senken, da sie in der Krise das schmerzhafte Fehlen guter Sicherheiten nicht beheben kann. Die staatliche Autorität, die politische Führung, könnte dem Fehlen guter Sicherheiten bei den Bürgern dadurch begegnen, daß der Staat sich für seine Bürger verschuldet. Diese Politik würde jedoch auf Dauer stumpf. Am Ende bleibt für die Bekämpfung der Krise in einer Eigentumsgesellschaft kein anderer Weg als bei der Etablierung dieses Systems. Der Staat müßte wie ein Romulus handeln, also durch die radikale Verteilung von Eigentum die Verschuldungsfähigkeit wiederherstellen.“ (Ebd., S. 441).

H) Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung: Herschafts-, Markt-, Geld- und Eigentumsverfassung

1)  Das ökonomische System als Kapitalismus oder Herrschaftswirtschaft in der Klassik (S. 444-449)
2)  Das ökonomische System als Marktwirtschaft in der Neoklassik (S. 449-456)
3)  Das ökonomische System als Geldwirtschaft im Monetärkeynesianismus (S. 456-461)
4)  Das ökonomische System als Eigentumswirtschaft (S. 461-469)
5)  Zusammenfassung (S. 469-470)

„»Was zu allererst gemacht werden muß, wenn man eine Vorllesung oder Abhandlung über Politische Ökonomie beginnt, ist die Definition der Wissenschaft selbst, ihres Gegenstands, ihrer Gebiete, ihres Wesens und ihrer Reichweite. Ich will mich dieser Verpflichtung in keiner Weise entziehen; ich muß allerdings betonen, daß sie zeitaufwendiger und schwieriger zu erfüllen ist, als man annehmen möchte. Eine befriedigende Definition der Politischen Ökonomie steht noch aus. Von allen Definitionen, die bisher vorgeschlagen worden sind, hat nicht eine die allgemeine und endgültige Billigung gefunden, die das Kennzeichen etablierter wissenschaftlicher Wahrheit ist.« (Leon Walras, 1874)“ (Ebd., S. 443).

„Die hier vertretene Theorie hingegen erfaßt das Wirtschaften aus dem Eigentum, dessen immaterieller Ertrag, die Eigentumsprämie als seine Belastungs- und Verpfändungsfähigkeit, das Wirtschaften nebst Zins, Geld und Markt konstituiert. Wir sprechen deshalb von der Eigentumswirtschaft. Dieser Begriff impliziert, daß die beiden anderen Schulen das Eigentum auch dann nicht verstehen, wenn sie von ihm reden, sondern es durchweg mit Besitz verwechseln, bei dem es um eine physische Nutzung von Gütern, nicht jedoch um genuines Wirtschaften geht. Für uns kommt die Marktwirtschaft also nicht vom Markt, der Wettbewerb nicht von einer Wettbewerbsordnung und die Geldwirtschaft nicht vom Geld. Durch das Hinsetzen von Märkten und von zweistufigen Bankensystemen läßt sich denn auch keine Konkurrenz um monetäre Kaufkontrakte hervorbringen, durch die Schaffung von Eigentum aber geht das alles sehr wohl.“ (Ebd., S. 444).

1) Das ökonomische System als Kapitalismus oder Herrschaftswirtschaftt in der Klassik

„An dieser Stelle muß auch auf die Klassik eingegangen werden. Sie hat zum Eigentum ja ebenfalls vielfältig und wortgewaltig geschrieben. Wo die Klassik allerdings vom Eigentum spricht, in ihrer Terminologie vor allem vom »Privateigentum«, meint auch sie nur Besitz mit seinen typischen Verfügungs- oder Nutzungsrechten. Schon am Begründer der Klassik, Adam Smith, läßt sich das unmißverständlich zeigen. Bis hin zu Karl Marx - als dem Spätsprößling der Klassik (obwohl er auch schon ein Kritiker der Klassik war; Anm. HB) - ist zu seinen Grundgedanken nie mehr etwas entscheidend Neues hinzugetreten.“ (Ebd., S. 444).

„Wie ihr neoklassischer Erbe betrachtet auch die Klassik die Wirtschaft als eine Tauschwirtschaft. Die Erklärung des Geldes bindet sie ausschließlich an eine Evolution im Prozeß der Tauscherleichterung, welche die Kongruenz der Gütertauschwünsche herstellt. Adam Smith illustriert diese Sicht mit seinem Beispiel vom Fleischer und vom Bäcker. Der Fleischer hat seine Brotwünsche bereits befriedigt, der Bäcker begehrt aber immer noch Fleisch:
»Um den Übelstand einer solchen Lage zu vermeiden, wird jeder kluge Mensch zu allen Zeiten gesellschaftlichen Lebens, sobald die Arbeitsteilung eingeführt war, natürlich bemüht gewesen sein, sich so einzurichten, daß er außer dem besonderen Produkte seines eigenen Gewerbes jederzeit noch irgendeine Menge von einer oder der anderen Ware in Bereitschaft hatte, von der er voraussetzen konnte, daß sie wahrscheinlich wenig Menschen beim Tausche gegen das Erzeugnis ihres Gewerbes zurückweisen würden. Mancherlei verschiedene Ware sind vermutlich dafür ins Auge gefaßt und zu diesem Zwecke verwendet worden. / Auf diese Weise ist das Geld bei allen zivilisierten Völkern das allgemeine Handelsinstrument geworden, durch dessen Vermittlung Güter aller Arte gekauft und verkauft, oder gegeneinander ausgetauscht werden.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 4, S. 29 / 35).
In ihrer Gütertauschökonomie unterscheidet die Klassik nun zwei Etappen: das »Gemeineigentum« und das »Privateigentum«. Die Verortung von Eigentum schon in der Stammesgesellschaft gerät ihr nun zum entscheidenden Irrweg. Sie glaubt nämlich, daß, was dort in der materiellen Reproduktion getrieben wird, setze sich später auf lediglich höherer Stufe fort. Schon auf der frühen Stufe gäbe es einen durch Arbeitsmengen - und damit anders als in der Neoklassik - bestimmten Tausch von Waren, deren Werte identisch mit ihren relativen Preisen sind und der auf einem Tauschplatz Markt mit dem Gebrauch von Geld vollzogen wird. In einem durch Arbeitsteilung wachsenden Produktionsprozeß (technischer Fortschritt) funktionieren neben der Arbeit die produzierte Ressource Kapital (Gütervorrat) sowie die ursprüngliche Ressource Grund und Boden. Als einzige Einkommensquelle existiert der Arbeitslohn.“ (Ebd., S. 444-446).

„Auf der höheren Stufe mit nun privater Aneignung treten lediglich die Einkommensarten Profit und Bodenrente hinzu: »Sobald sich das Kapital in den Händen einiger Personen gesammelt hat, werden natürlich einige von ihnen ihr Kapital dazu verwenden, fleißige Leute zu beschäftigen und sie mit Material und Lebensmitteln zu versorgen, um aus dem Verkauf ihres Arbeitserzeugnisses ... Profit zu erlangen. / Sobald aller Grund und Boden eines Landes Privateigentum geworden ist, begehren die Grundherren, gleich allen anderen Menschen, da zu ernten, wo sie nicht gesät haben und verlangen sogar für sein natürliches Produkt eine Rente.« (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 6, S. 60 / 63).“ (Ebd., S. 446).

„Profit und Rente werden nun nicht ökonomisch hergeleitet, sondern als Ergebnis eines Machtverhältnisses gefaßt, das den privaten Herren erlaubt, die Arbeiter auf einen Lohn zu drücken, der nur für ihre Reproduktion ausreicht. Der über diesem Reproduktionslohn liegende Überschuß wird nach Einführung des »Privateigentums« von den (neuen) Kapital- und Grundbesitzern nun als Profit bzw. Rente angeeignet. Dieser Überschuß ist gleichbedeutend mit dem Unterschied der Warenpreise zu den -nach wie vor durch die Arbeitsmengen bestimmten -wirklichen Warenwerten. Der auf dem Markt erzielte Warenpreis wird in der Privateigentumsstufe der klassischen Wirtschaft nicht mehr nur für Löhne verwendet, sondern muß auch die beiden anderen ursprünglichen Einkommensquellen Profit und Bodenrente ermöglichen. Damit rangiert für die Klassik der Zins hinter dem Profit. Wer selbst über Kapital verfügt, erhält den gesamten Profit. Wer sich hingegen Kapital erst beschaffen muß, hat jemanden zu finden, der ihm das Profitmachen ermöglicht. Als Entgelt für diese an ihn ergehende Delegation von Macht über Kapital muß er aus dem Profit Mittel abzweigen, die als Zins an den Kapitaleigentümer abzuliefern sind. Der Zins existiert mithin nur als Derivat der Verfügungsmacht über Kapital und der allein durch sie ermöglichten Profitmacherei.“ (Ebd., S. 446-447).

„Am Privateigentum interessiert die Klassik also die Macht zur Aneignung, die im Prinzip jeder Mensch sofort nutzen würde. Da aber nicht allen Menschen Eigentum zugefallen ist, können nur einige seinen Herrschaftsvorteil ausspielen, während die übrigen von ihm ausgeschlossen sind. Einer natürlichen Gier der menschlichen Gattung folgend beuten deshalb die Privateigentümer diejenigen aus, die ohne Eigentum angetroffen werden. Die Klassik liefert also eine Theorie der Herrschaft, in die vorgefundene ökonomische Kategorien - vor allem Privateigentum, Profit und Rente - eingebaut werden. In der gesellschaftlichen Entwicklung sieht sie ganz entsprechend lediglich unterschiedliche Formen von Herrschaft. Beim urtümlichen Gemeineigentum herrschen alle, so daß keiner einen anderen zur Leistung von Profit und Rente zwingen kann. Im entwickelten Zustand herrschen einige Privateigentümer, so daß die Abpressung von Profit und Rente möglich wird. Beidemal geht es lediglich um Verfügung über und die Nutzung von Ressourcen, das heißt um ihren Besitz.“ (Ebd., S. 447).

„Ganz logisch folgt aus der klassischen Sicht des Besitzes, den sie Eigentum lediglich nennt, der Glaube eines Karl Marx und des auf ihm gründenden wissenschaftlichen Sozialismus. In dieser »dritten und höchsten« Stufe gesellschaftlicher Entwicklung soll die Herrschaft einiger durch die Abschaffung des Privat-»Eigentums,«, mit dem sie ihre Profit- und Rentengier befriedigt haben, wieder beseitigt werden. Nach Wiederherstellung von Gemein-»Eigentum« soll dann durch vorausschauenden Plan jener - wenn nicht gar ein höherer - Überschuß erzeugt werden, der zuvor von den Herren des Eigentums durch Ausbeutung abgepreßt worden ist.“ (Ebd., S. 447).

„Spätestens diese historische »Endstufe« der Herrschaft aller Werktätigen jedoch hat offenbart, daß die von der Klassik allein betrachtete Verfügung über Ressourcen den von ihr untersuchten und gepriesenen Wohlstand der Nationen bzw. das auf Kapitalakkumulation und technischem Fonschritt beruhende Wachstum nicht erklären kann. Denn richtig bleibt ja, daß auch im Sozialismus über Ressourcen verfügt wurde. Es handelte sich nämlich um eine Wiedergeburt des Feudalismus mit seiner hoheitlichen Aneignung und Umverteilung von Besitz. In diesem System sind nun allerdings nicht - wie im Mittelalter - die Besten einer egalitären Kriegerkaste, sondern die selbst ernannten Avantgarden der Arbeiterklasse zur Aristokratie geworden. In der so heftig veruneilten Stufe des »Privateigentums« muß mithin etwas ganz anderes als eine Ressourcenverfügung Einzelner das hervorgetrieben haben, was im Sozialismus nicht etwa noch höher gestiegen, sondern zur Bestürzung aller Beteiligten schlicht verlorengegangen ist.“ (Ebd., S. 447-448).

„Was also - wenn nicht Herrschaft - war der verborgene ökonomische Motor der Eigentumswinschaft? Um dieses herauszufinden, bedarf es einer Wirtschafts- und nicht einer Herrschaftstheorie des Eigentums. Allein ersterer gelingt die ökonomische Erklärung der Antriebskräfte aller Eigentumsökonomien - die Belastungs- und Verpfändungsfähigkeit von Eigentum. Eine Herrschaftstheorie hingegen kann sich nur auf die zu verteidigende oder anzugreifende Macht einer Kapitalisten- und Junkerklasse kaprizieren. Nicht Eigentums-, Geld- oder Marktwinschaft, sondern Kapitalismus ist denn auch das Etikett für die Wirtschaftsverfassung der Klassik.“ (Ebd., S. 448).

„Die Klassik wird in diesem resümierenden Kapitel noch einmal näher angeschaut, weil dem Mißverständnis vorzubeugen ist, als wollten wir mit der Winschaftstheorie des Eigentums zu Quellen zurück, die bereits bei der Klassik gesprudelt hätten. Sie ist jedoch in den Hauptkapiteln des Buches gerade deshalb immer nur am Rande gestreift worden, weil sie als bloße Herrschaftstheorie mit ökonomischem Jargon eine Theorie des Wirtschaftens am allerwenigsten liefen. Sie steht keineswegs auf der Höhe von Neoklassik und Monetärkeynesianismus, die wir als ökonomische Gegenpositionen sehr genau anzuschauen hatten. Wir wollen also ausdrücklich nicht zur Klassik zurück. Wir finden in ihr keinerlei - später verlorengegangene - Klärungen, die in der Wirtschaftswissenschaft eine Renaissance verdient hätten.“ (Ebd., S. 448).

„Der Wirtschaft kann es meist gleichgültig sein, was Theoretiker von ihr denken. Das gilt allerdings nicht für historische Momente, in denen eine theoretisch angeleitete Veränderung der Grundstrukturen vollzogen wird. Die Klassik durfte uns hier auch deshalb noch einmal beschäftigen, weil sie - in marxistischem Gewande - die russische Revolution von 1917 in ihrer Transformation zum Sozialismus inspiriert hat.“ (Ebd., S. 448-449).

2) Das ökonomische System als Marktwirtschaftt in der Neoklassik

„Die bisher vorgenommene strikte Unterscheidung zwischen den vier in diesem Buch ausführlich entwickelten Wirtschaftsverfassungen verdeckt ein wenig, daß die jeweils zentralen Begriffe - Herrschaft (Kapital), Markt, Geld und Eigentum - auch in den von uns vorrangig behandelten beiden Schulen thematisiert werden. Die Neoklassik äußert sich ausführlich zu Geldgebrauch und Privateigentum. Der Monetärkeynesianismus kümmert sich durchaus um den Markt und manchmal sogar um das Eigentum. Unsere Wirtschaftstheorie der Eigentumsverfassung wiederum beharrt darauf, Markt und Geld erstmals ökonomisch erklären zu können.“ (Ebd., S. 449).

„Wenn die Neoklassik den Markt ins Zentrum stellt, dann interessiert sie sich nicht mehr für unterschiedliche Entwicklungsstufen von Herrschaft. Sie sucht nach einem überall und ewig gültigen Gesetz des Wirtschaftens und ist überzeugt, erst auf diesem Wege eine ökonomische Theorie formulieren zu können, die vor der Strenge des naturwissenschaftlichen Vorbilds bestehen kann. Als universales Anliegen von Wirtschaft sieht die Neoklassik den optimalen Umgang mit Ressourcen, die prinzipiell knapp seien. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist allerdings auch der Klassik Knappheit nicht fremd.“ (Ebd., S. 449).

„Mit ihrer Erkenntnis einer möglichen Abweichung der Tauschwerte von den Gebrauchswerten versucht sie diesem Phänomen durchaus Rechnung zu tragen. Richtig ist jedoch, daß sie das sogenannte Wertparadoxon nicht lösen kann. Es besteht darin, daß Güter mit geringem Gebrauchswert -wie Diamanten -einen hohen Tauschwert haben, während solche mit hohem Gebrauchswert - wie Wasser - einen niedrigen Tauschwert haben. Gleichwohl erfaßt die Klassik, daß die Abweichung des - den Gebrauchswert ausdrückenden - Marktpreises von dem - den Tauschwert ausdrückenden - sogenannten natürlichen Preis sehr wohl von Knappheitsverhältnissen bestimmt ist, die sie allerdings nur rudimentär aus der Relation von Angebot und Nachfrage bestimmt. Ist das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage knapp, liegt der Marktpreis über dem natürlichen Preis. Fällt dagegen das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage reichlich aus, liegt der Marktpreis unter dem natürlichen Preis. “ (Ebd., S. 449-450).

„Die Neoklassik überwindet das Wertparadoxon der Klassik, indem sie die individuellen Nutzenkalküle von der Knappheit abhängig macht. Der geringe Preis des Wassers ist demnach dem geringen Grenznutzen einer zusätzlichen Einheit Wasser geschuldet, während der relativ hohe Tauschwert des Diamanten aus dem relativ hohen Grenznutzen eines zusätzlichen Diamantenquantums resultiert. Auf diesem Wege eliminiert die Neoklassik die Differenz zwischen Tausch- und Gebrauchswert. Ein von Kalkülen bestimmtes Markthandeln verwandelt die klassischen Begegnungen von Angebots- und Nachfragemengen auf Märkten in eine von -auf Märkten abgesegneten -Kalkülen gesteuerte Gesellschaft, also in eine Marktwirtschaft.“ (Ebd., S. 450).

„Für die Klassik war der Markt ein eher beiläufiger Ort. Er wurde gebraucht, um einer Reproduktionswirtschaft zur Ermittlung ihrer natürlichen Preise zu verhelfen, die im rohen Zustand allein aus dem Lohn und nach Einführung des Privateigentums aus Lohn, Profit und Rente gebildet werden. Deshalb kann man die Verfassung der klassischen Ökonomie auch als Reproduktionswirtschaft ohne bzw. mit Herrschaftsklassen bezeichnen. Bei der Neoklassik hingegen haben die Haushalte bereits vor Aufsuchen der Märkte darauf geachtet, daß sie dort ihre Kalküle realisieren können. Diese werden also von der optimalen Nutzung ihrer knappen Erstausstattung bestimmt.“ (Ebd., S. 450).

„Die optimierten Individualkalküle der Neoklassik verbessern durchaus die Bewältigung des Knappheitsproblems. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die übrigen Schwächen der Klassik auch von ihren Erneuerern nicht ausgeräumt werden. Das Grundaxiom des die Wirtschaft bestimmenden Tausches wird von der Neoklassik einfach übernommen. Adam Smith' »Hang der menschlichen Natur ...zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln« « (Adam Smith, Eine Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstandes, 1776, 1. Band, Buch 1, Kapitel 2, S. 17) wird nicht etwa als theoretische Grundschwäche erkannt, sondern als die eifersüchtig verteidigte Basis allen Wirtschaftens heilig gesprochen. Die elementare Differenz zwischen Besitz und Eigentum, die der Klassik ungeachtet ihres evolution ären Stufenmodells entgeht, bleibt also auch der universalistischen Neoklassik ein ewiges Rätsel. Debreus Definition des Privateigentums als Ökonomie des Ressourcenbesitzes von Konsumenten, die gleichzeitig Kontrolleure der Produzenten sind, setzt denn auch ausdrücklich Privateigentum mit individuellem Besitz gleich, über den lediglich verfügt werden kann.“ (Ebd., S. 450-451).

„Die von Debreu auf den Punkt gebrachte Besitzdeutung des Eigentums unterstreicht einmal mehr, daß die Neoklassik von ihren Gründungsheroen Menger, Jevons und Walras bis hin zu den heutigen Theoretikern der property rights keine Theorie des Eigentums besitzt, sondern immer nur von Besitz handelt. Eigentum wird also durchweg als Besitz analysiert, auch wenn es Eigentum genannt wird. Besitz wiederum wird durchaus wie Besitz behandelt, obwohl er mit dem Begriff Eigentum bezeichnet wird. Bei dieser durchgängigen Besitzversessenheit ist es nur folgerichtig, daß die Neoklassik - ganz wie die Klassik eine Theorie der Güterwelt bleibt, in der auch Geld nur ein -wiewohl besonderes - Gut darstellt. Eine Besitzökonomie interessiert sich nun einmal nicht für die beim Eigentum grundlegenden Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse. Diese sagen nämlich niemals etwas über reale Nutzungen aus, sondern legen ausschließlich Rechte und Verpflichtungen fest, die aus Belasten und Verpfänden im Kredit - sowie Veräußern im Kaufkontrakt resultieren. Ein Bürgerliches Gesetzbuch, das nicht mit den Eigentumsbeziehungen des Schuldrechts, sondern mit den ihm doch logisch nachgeordneten Besitzverhältnissen des Sachenrechts begänne und erst danach das Schuldrecht als Unterkategorie dieses Sachenrechts abhandelte, könnte nicht absurder anmuten als die neoklassische Behandlung von Gütern und einem ihnen dann nachgeordneten Geld. Die gerade in der Neoklassik immer wieder beklagte Unmöglichkeit, Geld auf befriedigende Weise in ihre Modelle einbauen zu können, es für die Theorie also wesentlich werden zu lassen bzw. seine, die Tauschtheorie herausfordernde Nichtneutralität mit dem reinen Gütertausch in Einklang bringen zu können, rührt ausschließlich daher, daß die logischen Regeln einer Ökonomie des Besitzes einen zureichenden Begriff von Geld ausschließen.“ (Ebd., S. 451-452).

„Die gleichermaßen in der Neoklassik bisweilen eingestandene Schwierigkeit, den Zins als das - durch optimale Allokation in der Zeit entstandene - Verhältnis intertemporaler Gütermengen mit dem Geldzins der Wirtschaft in Einklang zu bringen, rührt ebenfalls daher, daß der Zins mit den Eigenschaften von Gütern und den Beziehungen ihrer Besitzer nichts, mit den Vertragsmodalitäten zwischen Eigentümern jedoch alles zu tun hat. Was im neoklassischen Leihvertrag als auf Gegenwartskonsum - zugunsten des Schuldners - verzichtender Gläubiger bezeichnet wird, ist nichts als ein Besitzer, der das Nutzungsrecht an seinem Gut für eine bestimmte Zeit auf einen anderen Besitzer überträgt.“ (Ebd., S. 452).

„Beim Belasten und Verpfänden von Eigentum auf Zeit, dessen Verpflichtungen in den Gläubiger-Schuldner-Kontrakten minutiös geregelt werden, interessiert sich hingegen niemand für irgendwelche Nutzungen von Gütern in Gegenwart oder Zukunft, da es ja nicht Güter sind, die verliehen werden, sondern Geld, das als Anrecht auf Eigentum kreditiert wird. Die Besonderheit des Kreditvertrages besteht gerade darin, daß die Nutzungen aus dem Besitzrecht des Eigentümers bei ihm bleiben, ihm durch die kontrahierte Blockierung weitere Eigentumsoperationen aber auf Zeit verstellt sind.“ (Ebd., S. 452).

„Im Kreditkontrakt will man alles über die Eigentumsposition des Schuldners wissen, der nur nach Haftung mit Eigentum in einen solchen Kontrakt hineingelassen wird. Ein so traktierter Schuldner hat in den neoklassischen Kreditüberlegungen keinen theoretischen Ort auch wenn der Neoklassiker als Privatmann sehr wohl um seine prekäre Lage weiß. In unnachahmlicher Chuzpe wird dieses Problem umgangen, wenn bei Erörterung des Kredits das für den Kontrakt Wesentliche einfach ausgeschlossen wird: »Wir unterstellen ..., daß es kein Bankrottrisiko gibt; folglich ist der Darlehensgeber gegenüber der Identität des Darlehensnehmers indifferent.« (Don Patinkin,a.a.O.).“ (Ebd., S. 452).

„Wie die Klassik als eine bloße Herrschaftstheorie des privateigentums den von ihm hervorgetriebenen Zins nicht erkennt, worauf sie ihn - als politisch-marxistische Bewegung - zusammen mit dem Privateigentum beseitigt und damit die durchaus bewunderte ökonomische Dynamik nicht etwa dialektisch aufgehoben, sondern zerstört hat, so rächt sich auch an der Neoklassik das Nichtverständnis der Eigentumswirtschaft in durchaus welthistorischem Ausmaß. Die Klassik lieferte mit dem Marxismus die Begründung für die Abschaffung der Eigentumswirtschaft, die sie nicht verstand. Der Neoklassik ist mit dem Kollaps der Sowjetunion im Dezember 1990 ganz unerwartet die Aufgabe zugefallen, die marxistisch-klassisch beseitigte Eigentumsökonomie wiederherzustellen. Darauf war die Neoklassik nicht im mindesten vorbereitet. Ihre theoretische Unangemessenheit für die Eigentumswirtschaft brauchte bis dahin allerdings niemanden zu interessieren. Man entsprach den Mechanismen dieser Wirtschaft und kümmerte sich nicht weiter um akademische Modelle, so daß diese nicht viel Unheil anrichten konnten. Erst bei der Aufgabe, eine Strukturtransformation konzipieren und durchführen zu müssen - ein Test, dem die Neoklassik womöglich niemals ausgesetzt sein wollte -, erwies sich ihre theoretische Beschränktheit umgehend als Fiasko.“ (Ebd., S. 453).

„Die österreichische Schule der Neoklassik hatte schließlich bereits in den 1930er Jahren mit ihrer Diskussion der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Sozialismus der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß der entscheidende Unterschied zwischen Marktwirtschaft und sozialistischer Wirtschaft lediglich darin bestehe, daß Eigentum einmal in der Hand von Privaten und im anderen Fall in der Hand des Staates liege. Da Eigentum ja aber nicht als Eigentum, sondern als Besitz analysiert wurde, schrumpfte die Differenz beider Gesellschaftsformen auf den bloß quantitativen Unterschied zwischen individueller und zentraler Nutzung von Ressourcen. Der dem Individualismus unterstellte Vorteil wurde in der egoistischen Optimierung der Nutzung von Gütern festgemacht, während bei ihrer staatlichen Nutzung dieses Kalkül nicht ausreichend zum Zuge kommen konnte. Deshalb glaubte man alle Probleme der Transformation dadurch lösen zu können, daß man die großen Staatsbetriebe in kleine Einheiten zerlegte, die ihre Produktion unabhängig durchführen und mit selbständig festlegten Preisen auf Märkte gehen sollten. Gewerbefreiheit also wurde zum Fundament der neuen Winschaftsverfassung.“ (Ebd., S. 453-454).

„Die unter dieser Gedankenführung eingeleitete Zerschlagung der großen Staatskombinate brachte allerdings kein Eigentum hervor, obwohl die dezentrale Nutzung der Kombinatsteile, die freie Festsetzung von Preisen und der freie Marktzutritt nun tatsächlich erlaubt wurden. Der Glauben der neoklassischen Transformationsberater daran, daß alles, was sie für Marktwinschaft halten, aus der Wirkmächtigkeit freier Märkte erwachse, hat in der aktuellen Gegenwan übersehen, was für Reformer an der Schwelle vom Feudalismus zum Kapitalismus noch ganz selbstverständlich war: Es ist die Transformation von Besitz in Eigentum, die über alles andere - einschließlich der freien Märkte - entscheidet, und nicht der vorabgesetzte Markt.“ (Ebd., S. 454).

„Das Paradebeispiel für die Herbeiführung von »Kapitalismus« liefern die - noch immer als bloße Emanzipationspolitik mißverstandenen - Stein-Hardenbergschen Reformen zur Einführung des Privateigentums in Preußen ab dem Jahre 1807. Die preußischen Reformer wissen, daß feudales »Grund-Eigenthum« etwas anderes ist als das von den feudalen Abgaben und Fesseln befreite Grundeigentum, obwohl auch sie rein sprachlich zwischen den Begriffen Besitz und Eigentum hin- und herschwanken. Nur bei dem entfeudalisienen Grundeigentum kann für die Reformer in einem ökonomischen Sinne von »Werth« gesprochen werden. Das bedeutet, daß die Grundeigentümer voll kreditwürdig werden, weil sie mit ihrem Eigentum haften dürfen, es also verpfänden und damit auch verlieren können. Ihnen wird durch die Reform erstmals erlaubt, Kredite »auf die Substanz der Güter selbst, und nicht blos auf die Revenüen derselben, hypothekarisch aufzunehmen.« (Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend vom 9. Oktober 1807. Vgl. Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, 1970, S. 41-43).“ (Ebd., S. 454).

„Daß ein Wertbegriff, den die Klassik an die Arbeitskosten der Besitzgüter und die Neoklassik an die diesbezüglichen Nutzenkalküle bindet, nur bei Eigentum zu haben ist, unterstreichen die preußischen Reformer überdies dadurch, daß für sie der »Werth der Arbeit« - nicht anders als der »Werth des Grund-Eigenthums« - daran gebunden ist, daß die feudalen »Beschränkungen .. .in den persönlichen Verhältnissen des Landarbeiters« entfallen. Eigentum des Landarbeiters an sich selbst und damit sein Recht auf freie Kontrakte über Geldlohnarbeit treten gleichberechtigt neben das Eigentum an Grund und Boden. Die viel beschworene Gewerbefreiheit von 1810 - nichts anderes als ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch noch vorhandene feudale oder zunftmäßige Privilegien - erweist sich dann als trivialer Ausfluß der Einführung einer Eigentumsordnung, die nun für jedermann und »Güter aller Art« dekretiert ist. Nur um Mißverständnisse zu vermeiden, wird der Privilegienverlust von Adeligen und Bürgern bei gleichzeitiger Ausdehnung der Eigentumsrechte beider Klassen sowie der des bisher leibeigenen Bauern im Gesetz besonders detailliert ausgeführt:
»Jeder Einwohner Unsrer Staaten ist, ohne alle Einschränkung in Beziehung auf den Staat, zum eigenthümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht blos adelicher, sondern auch unadelicher, bürgerlicher und bäuerlicher Güter aller Art, und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht blos bürgerlicher, bäuerlicher und anderer unadelicher, sondern auch adelicher Grundstücke, ohne daß der eine oder der andere zu irgendeinem Gütererwerb einer besonderen Erlaubniß bedarf.« (Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend vom 9. Oktober 1807. Vgl. Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, 1970, S. 41-43 / 42).
Die freie Verkaufbarkeit, Verpfiindbarkeit und Belastbarkeit von sowie Vollstreckbarkeit in Eigentum aus dem Jahre 1807 und nicht die erst im Jahre 1810 verfügte Gewerbefreiheit, die von den Reformern nur als logisch unverzichtbare Folge des Privateigentums geregelt wird, sind es, die innerhalb von wenigen Jahrzehnten die Grundlagen dafür legen, daß aus einer teilfeudalen Agrargesellschaft die führende Industriemacht Deutschlands heranwachsen kann. (Zwischen 1820 und 1848 unter der Leitung von Finanzminister Christain Rother [1778-1849] - zugleich Chef der Staatsverschuldungsverwaltung und der Königlichen Bank - die »Preußische Seehandlung« (inoffizielle auch als »Preußische Staatsbank« bzeichnet) die »Industrialisierung Preußens durch eigene unternehmerische Initiative, durch Teilhaberschaft in Unternehmern der privatwirtschaft und durch Kapitalzuwendungen an Privatleute« gefördert. Zeitweilig war diese Firma, die insbesondere durch Straßen- und Kanalbau die Infrastruktur entscheidend voranbrachte, größter Unternehmer Preußens. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als erhebliche Steigerungen der Wachstumsraten erreicht waren, verlor die Seehandlung entschieden an Bedeutung. [Vgl. Wolfgang Radtke, Die Preußische Seehandlung zwischen Staat und Wirtschaft in der Frühphase der Industrialisierung, 1981, S. 39 und passim].). Sie bildet den Kern des im - Jahre 1871 gegründeten 2. Deutschen Reiches wird, das dann schnell zum globalen ökonomischen Herausforderer des Britischen Imperiums avanciert.“ (Ebd., S. 454-456).

3) Das ökonomische System als Geldwirtschaft im Monetärkyenesianismus

„Die Schwächen der neoklassischen Theorie sind in der Wirtschaftswissenschaft selbstverständlich nicht unbemerkt geblieben. Uns hat in diesem Buch dabei vor allem der Monetärkeynesianismus beschäftigt, da er die Inkonsistenzen des neoklassischen Paradigmas vom Gütertausch mit einer Vorherrschaft der Gütermärkte, einer sekundären Rolle des Geldes und einem nicht monetär bestimmten Zins zu überwinden trachtet. Getreu ihrer Einsicht, daß im herrschenden Wirtschaftssystem nicht die Verfügung über Ressourcen, die auf Märkten getauscht werden, entscheidend ist, sondern die Verfügung über Geld, mit dem allein Ressourcen erworben werden können, sprechen die Monetärkeynesianer nicht von einer Markt-, sondern von einer Geldwirtschaft, die sie ausdrücklich von der neoklassischen »Geldwirtschaft« (Tauschwirtschaft mit Geldgebrauch) abgrenzen. Sie stellen entsprechend die Geld- und nicht die Marktverfassung ins Zentrum ihrer Überlegungen. Sie wissen sogar, daß die Verfangenheit der Neoklassik in der Güterwelt dazu führt, daß diese Schule über eine »Theorie des Besitzes« (Hajo Riese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 21)nicht hinausgelangen kann. Die große Stärke des Monetärkeynesianismus gegenüber der Neoklassik besteht darin, daß Geld nicht als ein Gut, geschweige denn als ein Standardgut aufgefaßt wird, sondern als etwas, das vermag, was Güter nicht können: die endgültige Auflösung von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten.“ (Ebd., S. 456).

„Wird mit der Feststellung der neoklassischen Besitzverfangenheit über eine bloß begriffliche Kritik an der herrschenden Lehre hinausgegangen? Kommt es also im Monetärkeynesianismus zu einer Bestimmung des Eigentums, die seinen Eigenschaften gerecht wird oder wird nur einmal mehr vom Eigentum gesprochen, dabei jedoch an Besitz gedacht? Das ist in der Tat so! Hajo Rieses zustimmender Rekurs auf die Klassik, welcher - im Unterschied zur Neoklassik - die Bestimmung des Eigentums gelungen sei,1 nötigt zur Anwendung der oben vorgenommenen Kritik der Klassik auch auf die Berliner Schule.“ (Ebd., S. 457).

„Die Überzeugung, daß die Klassik das Eigentum verstehe, spiegelt sich darin, daß der Monetärkeynesianismus -ganz wie die Klassik -im Sozialismus »gesellschaftliches Eigentum« (Hajo Riese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 9) am Werke sieht. Wird nun auch darin der Klassik gefolgt, daß der kapitalistische Eigentümer als Besitzer mißverstanden wird? Zwar wird ihr sogenannter Vermögensbesitzer durchaus als Eigentümer von Geld verstanden. Wenn er Geld jedoch in einem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt zeitweilig aufgibt, steht ihm auf der anderen Seite bemerkenswerterweise der Schuldner nur in der Rolle »als Besitzer von Geld« gegenüber. (Vgl. Hajo Rieese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 80). Wie in der Klassik erscheint also im Monetärkeynesianismus die Gesellschaft als zweigeteilt. Eigentümer hier und bloße Besitzer dort scheinen hinreichend, um die Geldwirtschaft zu konstituieren. Nun gibt es jedoch ohne die Bereitschaft, Eigentum zu belasten und zu verpfänden, weder Geld noch einen Gläubiger-Schuldner-Vertrag. Der Schuldner steht nicht nur als Besitzer von Geld einem Gläubiger als Eigentümer von Geld gegenüber, sondern auch als Verpfänder von Eigentum. Der Gläubiger wiederum ist nicht einfach Eigentümer von Geld, sondern schafft es erst durch die Belastung seines Eigentums. Er hat also nicht die vorab existierende Liquiditätsprämie, dank deren Aufgabe der Zins entsteht, sondern die mit dem Eigentum gegebene Eigentumsprämie, deren Aufgabe die Zinsforderung erst begründet. Bei einem Fallen der Bereitschaft zur Belastung und Verpfändung von Eigentum auf Null kommt es nicht mehr zur Schaffung von Geld und seinem Verleihen in einem Kreditvertrag.“ (Ebd., S. 457-458).

„Dem Monetärkeynesianismus mißlingt die Erklärung von Geld und von Kreditkontrakten gewissermaßen auf einen Schlag, weil die Eigentumsstruktur der Wirtschaft zwar nicht abgestritten, aber dann doch nicht theoretisch genutzt wird. Gewiß ungewollt, aber doch in allen Nuancen bleibt er eine Theorie des Besitzes. Deshalb kann nicht überraschen, daß bei der Definition einer Ökonomie mit Eigentum von einem Neoklassiker, wie etwa Debreu, nur dahingehend abgewichen wird, daß dessen Konsumentenhaushalt durch die Figur des Vermögensbesitzers ersetzt wird. Werden bei Debreu »Ökonomien mit Privateigentum« als »Ökonomien untersucht, in denen die Konsumenten die Ressourcen besitzen«, so heißt es im Monetärkeynesianismus ganz entsprechend: »Die Vermögensbesitzer halten alle Ressourcen und kontrollieren die Produzenten, die als technische Sachwalter der Eigentümer die Produktion dezentralleiten.« (Rüdiger Dragendorf, Zinsrate und Profitrate in der (neu-)klassischen und keynesianischen Theorie, in: Ökonomie und Gesellschaft, Banf 6, 1988, S. 123). Selbst ein um die Eigentumsstruktur ungemein ernsthaft ringender Vertreter der Berliner Schule fällt auf die bloße Güterqualität von Haftungseigentum zurück, wenn er die »Dauerhaftigkeit des Gutes« als Voraussetzung seiner Belastbarkeit für den Abschluß von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten ansieht, über die Geld zeitweilig zur Verfügung gestellt wird. (Vgl. Hans-Joachim Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, 1994, S. 15). Dieser Lapsus resultiert aus der Gewißheit der Berliner Schule, eine Gelderklärung ohne Rücksicht auf das Eigentum vornehmen zu können. (Lediglich Hans-Joachim Stadermann ist diesere Sicht nicht mehr vergaftet). Geld wird in dieser Tradition nicht als Anrecht auf sofortige und jederzeitige Übereignung von Eigentum der emittierenden Instanz bzw. der ihr gegenüber haftenden Gläubiger angesehen. Vielmehr wird es einfach gesetzt oder per eigenwilliger Geschichtskonstruktion aus einem Herrschaftsakt gewonnen. Dabei sei ein sogenanntes nichtkommerzielles Geld eines Tages durch Einwerbung gegen Zins, der dafür erfunden wurde, in kommerzielles Geld verwandelt worden. In diesem mußten nun die -eigentümlicherweise immer schon vorhandenen Gläubiger-Schuldner-Kontrakte abgeschlossen werden. Es ist eine so vorgestellte Zinserfindung, von der die monetäre Zinstheorie der Berliner Schule handelt. Ihre Erklärung des Zinses aus der aufgegebenen Liquiditätsprämie mißlingt, weil sie ebensowenig wie Keynes sieht, daß diese Prämie erst auf die Welt kommen kann, nachdem ein Schuldner über einen Kreditkontrakt Geld gewonnen hat. In diesem Kreditkontrakt hat er eine Zinsforderung seines Gläubigers akzeptiert, ehe er über das geliehene Geld verfügen kann. Der Zins geht der Liquiditätsprämie mithin logisch vorher.“ (Ebd., S. 458-459).

„Sowohl das souveräne Schweigen zum Eigentum wie auch die abenteuerliche historische Fiktion zum Geld haben nichts mit intellektuellem Ungenügen zu tun. Die unstrittige Brillanz der monetärkeynesianischen Autoren kann aber nicht zum Zuge kommen, weil der eklatante Unterschied zwischen Besitz und Eigentum niemals zum Thema gemacht worden ist. Deshalb hat sich auch für die Monetärkeynesianer die Transformation des sozialistischen Planfeudalismus zur Geldwirtschaft als theoretisches Fiasko erwiesen. Da dort Eigentum, Zins, Geld und Banken, aber auch Profit und Märkte bereits vorhanden gewesen sein sollen, wird von einer Wirtschaft gesprochen, bei der die geldwirtschaftlichen Komponenten lediglich »defekt« gewesen seien, weil die »Mengenplanung Dominanz über die Geldfunktion« erhalten habe. (Vgl. Hajo Riese, Geld im Sozialismus, 1989, S. 32). Aus diesem Grunde müsse es einen absoluten »Primat« für die Etablierung einer Geldverfassung geben. Alles andere falle dann von selbst an den richtigen Platz.“ (Ebd., S. 459).

„Wo die Neoklassik die Transformation also mit der Marktverfassung beginnt, erhofft der Monetärkeynesianismus sich alles von einer an den Anfang gestellten Geldverfassung. Die Eigentumsfrage wird unbekümmert hintangestellt, weil sie nicht als das Wesen der Sache gilt. Eine Bindung von Geld an haftende Eigentumstitel kann deshalb niemals in den Sinn kommen.“ (Ebd., S. 459).

„Ganz wie die Monetärkeynesianer wußten übrigens auch die Angestellten der in der Transformation neu geschaffenen Geschäftsbanken zuerst nichts von der für eine Geldemission unverzichtbaren Eigentümerposition von Gläubiger und Schuldner. Die meisten dieser frisch gewonnenen Kräfte hatten keine Ahnung davon, was die Prüfung eines Darlehensantrags bedeutet. Die schon im Sozialismus vorhandene sogenannte Zentralbank konnte dabei auch keine Hilfestellung geben. Sie fuhr mit der realsozialistischen Praxis des Druckens und Verteilens von Noten einfach fort und glaubte, daß alles schon seine Ordnung habe, wenn sie die Geschäftsbanken nur brav zur Zinszahlung nötige. Daß es so etwas wie faule Schulden geben kann, weil Schuldner weder tilgen können noch etwas zum Haften haben, ist anfangs nicht ins Bewußtsein gedrungen. Die Panik über platzende Kredite hat dann die Lehren erteilt, die von neoklassischen und monetärkeynesianischen Theoretikern nicht zu haben waren. Die in Fortbildungsmaßnahmen umgehend vermittelte Grundweisheit für das Funktionieren des Bankensystems der Eigentumswirtschaft mußte deshalb - wie bereits im Geldkapitel erwähnt - lauten: »In der neuen Wirtschaft mußt du vom Schuldner Sicherheiten verlangen.« (R. W. Stevenson, a.a.O.).“ (Ebd., S. 459-460).

„Die Transformationsgesellschaften werden mit dem »aus Nichts« geschaffenen Geld früher oder später aufhören und - wie lokal sehr erfolgreich bereits in China durchgeführt - den Primat der Eigentumsverfassung mit allen ihren Haftungskonsequenzen befolgen oder kollabieren. Wollen sie also vorankommen, dann dürfen sie nie wieder Geld gegen ein bloßes Zinsangebot herausgeben.“ (Ebd., S. 460).

„Die Vorstellung, daß Geld durch Zins seine entscheidende Knapphaltung erfahre, kann selbstredend nur zustande kommen, wo die guten Eigentumssicherheiten, ohne die Geld nicht zu emittieren und zu verleihen ist, aus den Analysen herausgehalten werden. Ernsthaft verführt werden konnten von dieser Vorstellung wiederum nur solche Gesellschaften, die ohne Eigentum waren und doch das gute Geld, daß sie im »Kapitalismus« am Werke sahen, ganz schnell haben wollten. Man wiederholte hier gewissermaßen das Abschrauben von Badezimmerarmaturen, die einem zuhause durch Fixierung an der Wand fließendes warmes Wasser liefern sollten. Wasch uns den Pelz bzw. gib uns Geld, aber mach uns nicht naß bzw. schütze uns vor der Institution des Eigentums, barmten die realsozialistischen Länder. Der Monetärkeynesianismus versprach ihnen dieses Kunststück.“ (Ebd., S. 460-461).

„Auf der Berliner Schule lastet ein Druck, wie er die Transformationsgesellschaften jetzt schmerzt, selbstredend nicht. Deshalb dürfte ein durch bloßes Zinsangebot erzeugtes Geld das A und O ihrer Theorie bleiben. Ohne diese Grundannahme löst sich der Monetärkeynesianismus in jenes Nichts auf, aus dem ihm das Geld erwachsen soll.“ (Ebd., S. 461).

4) Das ökonomische System als Eigentumswirtschaft

„Muß man nun alle Hoffnung auf Wirtschaftstheorie fahren lassen? Könnte es sogar sein, daß die Phänomene prinzipiell undurchschaubar sind, wenn die Gelehrten aus Klassik, Neoklassik und Monetärkeynesianismus gleichermaßen vor ihnen blind geblieben sind? Wird es also niemals möglich sein, das Wirtschaften zu erklären? Wir halten von solchem Pessimismus nichts. Sobald die Eigentumsverfassung ins Blickfeld tritt, lassen sich auch die ökonomischen Mechanismen und ihre Begriffe enträtseln.“ (Ebd., S. 461).

„Die gemeinsame Schwäche aller drei behandelten Theorieschulen resultiert aus einem Umstand, den sie selber gerade für ihre Stärke halten. Durchweg wollen sie das Wirtschaften als ewiges und als solches erklären. Wie für den Lauf der Gestirne soll es auch für das Wirtschaften permanent und überall gültige Gesetze geben. Es ist dieser Universalismus, der die theoretische Blindheit erzeugt hat. Die Eigentumswirtschaft ist jedoch ungeachtet ihrer globalen Dominanz lediglich ein besonderer Typus materieller Reproduktion, dem man analytisch nur gerecht werden kann, wenn man seine Besonderheiten anerkennt und nicht in einem ewigen Fluß der Dinge unkenntlich macht oder gar einfach übersieht.“ (Ebd., S. 461).

„Die alles beherrschende Besonderheit der uns interessierenden Gesellschaft, die erstmals überhaupt das Wirtschaften konstituiert, ist das Eigentum. Der Rechtsakt, durch den Eigentum - ohne jede güterseitige Aktivität - geschaffen wird, erzeugt die besonderen Potenzen der Eigentumsprämie als seine Belastbarkeit und Verpfändbarkeit. Im Unterschied zur bloßen Beherrschung von Ressourcen in den Besitzgesellschaften erzwingen diese Operationen erstmals eine Ökonomisierung von Ressourcen, die jetzt nicht mehr nur Besitz, sondern immer auch Eigentum sind. Die Verfassung des Eigentums läßt sich in einer Reihe von idealtypischen Kernsätzen festhalten.“ (Ebd., S. 461-462).

„(1.) Die Eigentumsverfassung ist nicht naturgegeben. Immer negiert sie Besitzverhältnisse der stammesgesellschaftlichen Solidarreproduktion und/oder der feudalen Befehlsreproduktion. Aus diesem Grunde benötigt sie eine Rechtsverfassung. Diese erwächst aus immateriellen Akten, entsteht mithin in dem Sinne aus dem Nichts (**), daß sie von der materiellen Beschaffenheit ihres Ortes unabhängig ist. Das Eigentum ist unsichtbar. Die Eigentumsordnung garantiert bei Androhung von Strafen den Schutz des Eigentums gegen seinen nichtökonomischen Übergang in das Eigentum oder den Besitz von anderen. Damit schützt sie durch das ökonomische Recht der Vollstreckung in das Eigentum des säumigen Schuldners automatisch auch das Eigentum des Gläubigers. Sowohl der Zugewinn wie auch der Verlust von Eigentumsrechten darf also prinzipiell nur mit den Mitteln des ökonomischen Vertrages zwischen Eigentümern, nicht jedoch mit den Instrumenten der Sittengesetze oder der Herrschaft erreicht werden.“ (Ebd., S. 462).

„(2.) Der rechtlich ausgeschlossene nichtökonomische Zugriff auf das Eigentum durch andere sorgt dafür, daß alle Eigentümer nur über die Bewirtschaftung von Eigentum zu Einkommen gelangen können -sei es als Eigentümer oder als Besitzer von Eigentum eines anderen (als Pächter, Mieter etc.), den nur die Eigentumswirtschaft kennt. Zum Eigentum gehört auch das Eigentum an der eigenen Person. Es wird durch die bürgerlichen Freiheits- und Vertragsrechte geregelt.“ (Ebd., S. 462).

„(3.) Anders als das Eigentum, das sich aus vertraglich bewirtschaftbaren Rechtstiteln zusammensetzt, besteht der Besitz in Nutzungsrechten an Sachen, Dienstleistungen sowie anderen materiellen und immateriellen Gütern. Ihre Nutzung wird in Stamm und Feudalismus durch Sitte bzw. Befehl angewiesen. In der Eigentumsgesellschaft wird die Nutzung über Gläubiger-Schuldner-Kontrakte geregelt, in dem Anrechte auf Eigentum übertragen werden. Ihre Besonderheit besteht darin, daß Eigentum blockiert wird, seine Besitzseite jedoch -anders als bei den gütermäßigen Transaktionen der Nichteigentümergesellschaften nicht berührt wird. Durch die kontrahierte Blockierung ihres Eigentums nehmen sich die am Kreditkrontakt Beteiligten zeitweilig auf den Status von Güterbesitzern zurück.“ (Ebd., S. 462-463).

„(4.) Der Rechtstitel am Eigentum ermöglicht unterschiedliche Arten der Bewirtschaftung von Ressourcen, die sich aus der - im Unterschied zum Besitz - uneingeschränkten Verfügbarkeit des Eigentums ergeben: (i) Halten von Eigentum, (ii) Belasten von Eigentum zur Schaffung von Geld, (iii) Zinsforderung auf das so geschaffene Geld im Kreditkontrakt, (iv) Verpfändung von Eigentum im Kreditkontrakt, (v) Verkaufen von Eigentum. Der Kredit bedeutet, daß niemals Eigentum -und schon gar nicht Besitz -verliehen wird. Es werden vielmehr Ansprüche auf Eigentum auf Zeit übertragen. Aus dieser Belastung des Eigentums entsteht die Zinsforderung. Die bloßen Anrechte selbst, das Geld also, bleibt als Einlösungsversprechen für seinen Halter -und damit als Forderung gegen den Gläubiger -unverzinslich. Einschränkungen ergeben sich für das Eigentum an der eigenen Person, die ihre Arbeitskraft nur auf Zeit verkaufen und sie nicht belasten und verpfänden kann.“ (Ebd., S. 463).

„(5.) Das Halten von Eigentum steht mit seinen anderen BewirtSChaftungsformen in Konkurrenz. An gehaltenes Eigentum werden ebenso Ertragserwartungen gerichtet wie an die anderen Formen seiner BewirtSChaftung. Der Ertrag aus Eigentumshaltung besteht in der Eigentumsprämie. Sie ist ein immaterieller Ertrag an ökonomischer Sicherheit, der Belastbarkeit zur Geldschaffung und Verpfändbarkeit zur Kreditfähigkeit umfaßt. Bei einer auch nur zeitweiligen Blockierung von Eigentum in G.läubiger-Schuldner-Kontrakten, gehen nur diese Dispositionen über Eigentum verloren, nicht aber die Nutzungsrechte an der Besitzseite des Eigentums. In dem Ausmaß und für den Zeitraum, in dem Eigentum durch Deckung oder Verpfändung blockiert ist, verliert der Eigentümer seine Prämie.“ (Ebd., S. 463).

„(6.) Die Kreditierung gegen Eigentum besteht in der Übertragung von Ansprüchen auf Eigentum, das heißt aus nichtphysischen Rechtstiteln, niemals jedoch aus Ressourcen oder Gütern. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der endgültigen Eigentumsüberschreibung und der zeitWeiligen Eigentumskreditierung. Erstere erfolgt im Kaufkontrakt, letztere im Kreditkontrakt. Beide Kontrakttypen existieren nur zwischen Gläubigern und Schuldnern, die zugleich Eigentümer sind.“ (Ebd., S. 463).

„(7.) Die ökonomisch fundamentalen Elemente der Eigentumswirtschaft entstehen bei der zeitweiligen Übertragung von Anrechten auf Eigentum im Kreditkontrakt. In einem solchen Vertrag steht ein Gläubiger, der seine Eigentumsverfügungsmacht blockiert, aber seine Nutzungsrechte an der Besitzseite des Eigentums behält, einem Schuldner gegenüber, dem die Ansprüche auf Gläubigereigentum zur Verfügung gestellt werden. Zur Tilgungssicherung blockiert der Schuldner durch Verpfändung eigenes Eigentum. Er verliert dadurch -nicht anders als der Gläubiger -Eigentumsprämie, behält aber - wie dieser - das Nutzungsrecht an der Besitzseite seines Eigentums.“ (Ebd., S. 463).

„(8.) Bei jeder Kreditierung gegen Eigentum verliert der Gläubiger die an seinem Eigentum haftende Belastungspotenz bzw. seine Prämie. Dieser Verlust aus der vertraglichen Blockierung seines Eigentums begründet einen zusätzlichen Rechtstitel - die Forderung auf eine Kompensation der ihm entgangenen Eigentumsprämie. Diese besondere Forderung existiert zusätzlich zur Forderung auf Refundierung der gegen sein Eingenturn emittierten Anrechte. Sie manifestiert sich im Zins.“ (Ebd., S. 463).

„(9.) Während die Eigentumsverpfändung des Schuldners als Haftung für die geliehene Geldsumme dient, kompensiert der Zins lediglich die aufgegebene Eigentumsprämie des Gläubigers. Obwohl auch für ausbleibenden Zins mit dem verpfändeten Eigentum gehaftet wird, erfolgt die Verpfändung nicht wegen der Zinsforderung. Deshalb kann mit der Verpfändung von Eigentum des Schuldners auch kein Verzicht des Gläubigers auf den Zins erreicht werden. Dieser resultiert allein aus der Blockierung seines Eigentums. Allerdings spielt die Rangordnung der verpfändeten Sicherheiten von Eigentum an Grund und Boden über dem an Realkapital und marktfähige Forderungen gegen Dritte bis hin zum Eigentum an einem Einkommen aus Arbeit -eine Rolle bei der Bestimmung der absoluten Zinshöhe. Das von der Höhe der Eigentumsprämie bestimmte Niveau des reinen Zinses kann also um eine Risikoprämie erhöht werden, die die Qualität der Sicherung in Rechnung stellt.“ (Ebd., S. 463-464).

„(10.) Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zwischen Eigentümern erzwingen einen einheitlichen Wertmaßstab -ein sogenanntes money of account (Keynes) bzw. einen verbindlichen Geldstandard. Dieser Geldstandard darf niemals mit der von einem Standardgut abgeleiteten neoklassischen Recheneinheit ... verwechselt werden. Gläubiger-Schuldner-Kontrakte werden also niemals in einem aus Gütertauschprozessen entspringendem allgemeinen Tauschmittel (Neoklassik) ausgedrückt und ebenso wenig in einem außerökonomisch gesetzten Geld (Monetärkeynesianismus). Vielmehr wird Geld überhaupt erst durch Gläubiger-Schuldner-Kontrakte zwischen Eigentümern geschaffen. Ohne diese existiert es nicht.“ (Ebd., S. 464-465).

„(11.) Die in den Kontrakten in money of account (Geldstandard) denominierten, verzinsten Kreditforderungen werden in eigentlichem Geld erfüllt - dem sogenannten money proper (Keynes). Im Prinzip kann jeder Eigentümer als Gläubiger Ansprüche gegen sein Eigentum als Geld emittieren. Es ist sofort und jederzeit gegen dieses Eigentum einlösbar. Aus der Konkurrenz Geld emittierender Gläubiger-Eigentümer erwachsen die eigentumsstärksten zu Kreditbanken als Geldemissionsbanken. Diese Notenbanken emittieren auf Metall oder -später -anderen Materialien dokumentierte Anrechte auf ihr Eigentum. Die Eigentumsgebundenheit des Geldes gilt auch für die heutige Zentralbank mit ihrem Monopol der Emission eines »nichteinlösbaren« Zeichengeldes. Dafür erzwingt sie den Verkauf oder die Verpfändung von eigentumsgesicherten, verzinsten Forderungen durch die ihr Geld nachfragenden Geschäftsbanken. In keinem Fall wird Geld aus dem »Nichts« (**) geschaffen. Wo dieses geschieht, ensteht Willkürgeld.“ (Ebd., S. 465).

„(12.) Da Geld nur in und uno actu mit einem Kreditkontrakt geschaffen werden kann, also nicht aus irgendeiner anderen Ecke kommt, gibt es für die Vorstellung einer Geldhaltung keine Basis. Die Idee des Hortens, einer Geldtruhe also, deren Inhalt aufbewahrt wird, um ihn bei guter Gelegenheit gegen Zins verleihen zu können, lebt mithin vom Nichtverstehen des Geldes. Weil der Gläubiger bei Erfüllung des Kreditkontrakts durch den Schuldner die Anrechte auf sein Eigentum zurückerhält, also seine Eigentumsprämie wiedergewinnt, ist die im Kontrakt geschaffene Geldsumme -nicht jedoch der Zins -bei der Erfüllung des Kontraktes auch wieder als Geld vernichtet. Nach dieser Aufhebung der Blockierung seines Eigentums kann der Gläubiger von neuern Geld schaffen. Für diese Neuschaffung und Neukreditierung von Geld kann er das an ihn refundierte money proper (das eigentliche Geld) von neuem benutzen, was nicht nur bei Edelmetallmünzen, sondern auch bei Zentralbanknoten üblich ist. Dieses money proper ist jedoch bis zu seiner Wiederbenutzung in einem neuern Kredit kein Geld. Wenn der Emittent das refundierte money proper physisch zerstört, verliert er kein Geld, sondern nur seinen Materialwert. Der emittierende Gläubiger holt das unzerstörte Material also nicht aus einem Hort voll Geld, sondern bringt das alte Material durch neuerliche Belastung seines Eigentums als Geld in die Zirkulation, das nun nicht weniger neu ist als solches aus frischem Material.“ (Ebd., S. 465-466).

„(13.) Der Unternehmer als typischer Schuldner hat über einen in money of account (Geldstandard) denominienen, verzinsten und mit seinem Eigentum gesichenen Kreditkontrakt money proper (eigentliches Geld) zum Kauf von Produktionsmitteln erhalten. Das so gewonnene Geld verschafft ihm eine Liquiditätsprämie, das heißt das Vermögen, durch ihre Aufgabe Schuldkontrakte, also Kreditkontrakte und Kaufkontrakte, auflösen zu können. Die Liquiditätsprämie entsteht also erst dann, wenn der Zins als Kompensation der aufgegebenen Eigentumsprämie des Gläubigers in der Welt ist und der Schuldner durch Verpfändung von Eigentum selbst Eigentumsprämie aufgegeben hat. Aus der Sicht des Schuldners ist mithin seine gewonnene Liquiditätsprämie nichts anderes als die Kompensation seiner aufgegebenen Eigentumsprämie. Einmal mit dem Geld in der Welt, übenrägt sich die Liquiditätsprämie auf alle Vermögensformen, die nicht Geld sind, das heißt, die Kontrakte nicht endgültig auflösen können - von Sichtguthaben über handelbare Forderungen bis hin zu Realkapital. Der Grad der Leichtigkeit ihrer Transformierbarkeit in Geld bestimmt die Höhe ihrer Liquiditätsprämie oder ihren Liquiditätsgrad.“ (Ebd., S. 466).

„(14.) Da Produktionsmittel vom Unternehmer immer mit einem zu verzinsenden Vorschuß an Geld erworben werden, sind die Produktionsmittel nicht selbst Kapital, sondern werden überhaupt nur durch den Geldvorschuß zu Realkapital. Das eigentliche Kapital ist deshalb immer ein Geldvorschuß. Es müssen mithin keine vorab existierenden Güter zur Verfügung stehen, auf deren Konsum jemand verzichten würde, die also zu sparen wären, damit es zu Realkapital kommt. Dem Geld des Vorschusses entsprechen gerade keine Güter. Ihm liegt vielmehr Eigentum zu Grunde, das vom Kapital bereitstellenden Gläubiger für den Unternehmer-Schuldner belastet, ihm aber niemals verliehen wird. Kapital ist also nicht durch Güter oder Ressourcen begrenzt, sondern nur durch das Angebot belastbaren Eigentums.“ (Ebd., S. 466-467).

„(15.) Den Geldvorschuß transformiert der Unternehmer-Schuldner in Produktionsmittel, die für ihn deshalb unausweichlich und immer als monetäre Größe existieren. Das bedeutet, daß die Produktionsmittelmenge mit Preisen bewertet ist, die in demselben money of account (Geldstandard) denominiert sind wie der kontrahierte Geldvorschuß, also in Geldpreisen. Das gleiche gilt für die mit den Produktionsmitteln produzierten Waren, deren in Geld ausgedrückte Summe - das heißt Gütermenge mal Geldpreis - mindestens der geschuldeten Summe aus Kapital und Zins auf diesen Geldvorschuß entsprechen muß. Die Produktion ist also immer eine monetäre Produktion. Das bedeutet, daß der Unternehmer nicht an einer Güterproduktion per se, an bloßen Mengen also, interessiert ist, sondern an mit Geldpreisen bewerteten Warenquanten, Geldsummen mithin.“ (Ebd., S. 467).

„(16.) Die Zinsforderung bedeutet, daß der Wert - Menge mal Geldpreis - der Produktion des Unternehmer-Schuldners größer werden muß als der als Kapital erhaltene Geldvorschuß. Die aus der Eigentumsprämie resultierende Zinsforderung erzwingt mithin einen Wertüberschuß in der Produktion von Waren - den Profit. Dieser zinserzwungene Profit ist es mithin, der die für die Eigentumswirtschaft typische Akkumulation ermöglicht und nicht etwa eine vorherige Ansammlung von Kapitalgütern (Reichtum). Die Eigentumsgesellschaft gewinnt mithin ihre Dynamik nicht durch eine sogenannte ursprüngliche Akkumulation, sondern durch die gänzlich güterneutrale Belastung (Geldemission) und Verpfändung (Kreditsicherheit) von immateriellen Rechten auf Eigentum.“ (Ebd., S. 467).

„(17.) Die monetär ausgepreiste Produktion bzw. die Waren erzwingen den Markt als Mechanismus für die Erlangung von money proper zur Erfüllung der für den Geldvorschuß eingegangenen Tilgungs- und Zinsverpflichtungen, das heißt für die Erlangung von Schuldendeckungsmitteln. Der Markt ist also kein Tauschplatz für Güter, die nach den Präferenzen von Konsumenten (Neoklassik) oder nach den Kosten von Produzenten (Klassik) ihren Besitzer zu deren Vorteil wechseln, sondem eine Instanz zur Einwerbung von Kaufverträgen über Waren. Im Kaufkontrakt wird der Unternehmer, der im Kreditvertrag Schuldner einer Geldforderung ist, als Eigentümer einer Ware zum Gläubiger einer Geldforderung. Diesem Verkäufer steht - analog zum Kreditkontrakt - der Käufer als Schuldner einer Geldforderung gegenüber. Er verpflichtet sich, die für den Verkauf geforderte Geldsumme zu leisten. In der Frist bis zur Erfüllung dieser Forderung ist der Käufer-Schuldner wegen des Eigentumsvorbehalts des Verkäufer-Gläubigers lediglich Besitzer der Ware und muß als solcher Zinsen zahlen. Bei sofortiger Erfüllung des Kaufvertrages hingegen erwirbt er das Eigentum bzw. das uneingeschränkte Recht an der Ware.“ (Ebd., S. 467-468).

„(18.) Das besondere Kennzeichen der neuzeitlichen - im Unterschied zur antiken - Eigentumswirtschaft liegt in der Existenz des freien Lohnarbeiters. Dieser tritt mit dem nicht verlierbaren, dadurch allerdings auch nicht verpfändbaren Eigentum an sich selbst in einen Gläubiger-Schuldner-Kontrakt. In diesem überträgt er als Gläubiger an den Unternehmer als seinen Schuldner auf Zeit Nutzungsrechte aus der Besitzseite seines Eigentums, das heißt seine Arbeitskraft oder Arbeitsleistung. Der Unternehmer muß im Gegenzug eine Forderung des Lohnarbeiters auf Geld - den Geldlohn - erfüllen. Das als Lohn zu zahlende Geld muß sich der Unternehmer vorab als Geldvorschuß (Kapital) im Kreditvertrag als Schuldner beschaffen. Das Kapital und den Zins auf das Kapital muß der Unternehmer mit der im Lohnkontrakt erworbenen Arbeitskraft erwirtschaften. Der Lohnarbeiter kommt mithin an das Geld für seine Lohnforderung nur heran, wenn er die darauf liegende Zinsforderung mit seiner abgetretenen Arbeitskraft erwirtschaften läßt, aber nicht für sich verlangt. Wollte er auf andere Weise an Geld heran, müßte er selbst Zins zahlen.“ (Ebd., S. 468).

„(19.) Da der Unternehmer das im Lohnkontrakt vereinbarte Geld immer zu übereignen hat, ohne daß ein Dritter seine Waren in einem Kaufvertrag für Geld erwerben muß, ist er permanent gezwungen, seine Aussichten auf das Einwerben von Kaufkontrakten auf dem Markt zu verbessern. Das gelingt durch Unterbietung der Geldforderungen, die andere Verkäufer an potentielle Käufer stellen. Diese Verringerung der Geldforderung bzw. seiner Preisforderung nötigt zu einer geringeren Verschuldung in Lohngeld. Dafür muß er die für Lohngeld gewinnbare Arbeitskraft durch technischen Fortschritt ersetzen. Diese permanente Innovation ist denn auch neben dem freien Lohnarbeiter das zweite besondere Merkmal der neuzeitlichen Eigentumswirtschaft.“ (Ebd., S. 468).

„(20.) Gläubiger-Schuldner-Kontrakte für zeitweilige Übertragung von Anrechten auf Eigentum kommen nur zustande, wenn Eigentum als Sicherheit verpfändet wird. Diese Sicherheiten, wie auch die ihnen entsprechenden Forderungen, werden in fixen nominalen Geldpreisen ausgedrückt. Erstere sind Bewertungschwankungen durch den Markt ausgesetzt, letztere werden durch mögliche Verschlechterungen des Geldwertes gefährdet. Diese Gefahr führt zu steigenden Zinsen, die nicht nur die Profiterwartungen der Schuldner, sondern auch die Werte ihrer Sicherheiten negativ beeinflussen. Reicht daraufhin das verpfändete Eigentum für die Kreditsicherung nicht mehr aus, fällt die Bereitschaft zur Kreditvergabe sowie die Fähigkeit zur Verschuldung mit der Folge einer Kontraktion von Output und Beschäftigung. Die in der Krise steigende Eigentumsprämie findet hierin ihre Begründung. Die in der Krise ebenfalls steigende Liquiditätsprämie reflektiert die Krise lediglich. Die Eigentumsprämie ist durch Institutionen der Eigentumswirtschaft, wie die Zentralbank, nur begrenzt zu beeinflussen, da sie die zur Schaffung des Geldes in ihr Portfolio hereinzunehmenden, also zu blockierenden guten Forderungen nicht produzieren und generell potentielle Schuldner nicht mit Haftungseigentum ausstatten kann. Dafür bräuchte es eine Politik, deren Radikalität den historischen Sternstunden der Schaffung von Eigentum nicht nachsteht.“ (Ebd., S. 468-469).

5) Zusammenfassung

„Die zwanzig Kernsätze zur Ökonomie der Eigentumsverfassung (**) zeigen, daß die von uns kritisierten Theorieschulen - Klassik, Neoklassik und Monetärkeynesianismus - alle auf dieselbe Gesellschaft schauen, die konstitutive ökonomische Rolle des Eigentums jedoch nicht sehen. Sie müssen deshalb gegenüber der nur in einer Eigentumsgesellschaft möglichen Belastung und Verpfändung, die allein Zins und Geld möglich machen, blind bleiben.“ (Ebd., S. 469).

„Die Klassik konzentriert sich stattdessen auf eine Betrachtung des Privateigentums, das ihr als eine Herrschaft über physische Ressourcen erscheint, die eine Ausbeutung derer ermögliche, denen der Ressourcenzugang versperrt sei. Die Neoklassik hingegen glaubt, daß Eigentum mit property rights gleichzusetzen sei, durch die den Individuen als Besitzern vorgegebener Güter- oder Ressourcenbestände dezentrale Optimierungsentscheidungen über ihre physische Nutzung gelängen.“ (Ebd., S. 469).

Der Monetärkeynesianismus wiederum ist überzeugt, daß jeder über Güter und Ressourcen verfügen könne, wenn er nur über Geld verklassik aus dem Tausch der bereits im Besitz der Akteure liegenden Güter durch eine monetäre Theorie des Zugangs zur Güterwelt. Dabei muß aber vorab Geld existieren, damit die Akteure überhaupt an Güter gelangen können. Auch in dieser häretischen Sicht bleiben Belast- und Verpfändbarkeit des Eigentums als Schlüsselmechanismus des Wirtschaftens gänzlich unausgelotet. Bevor eine Institution Geld überhaupt emittieren kann, muß sie nämlich über belastbares Eigentum verfügen, damit Geld als Anrecht auf Eigentum in die Welt kommen kann. Und bevor jemand dieses Geld gegen Zins in einem Kreditkontrakt erwerben kann, muß er ebenfalls über Eigentum verfügen, aus dem er gute Sicherheiten verpfänden kann.„“ (Ebd., S. 469-470).

„Belasten und Verpfänden von Eigentum sind die Elemente, die dafür sorgen, daß zinsbedienend und in Geld gewirtschaftet wird. Ohne diese Potenzen des Eigentums gibt es nur die bloße Organisation oder Beherrschung der Produktion von Gütern, aber keine Bewirtschaftung von Ressourcen, kurz: keine Wirtschaft.“ (Ebd., S. 470).

 

- Zur Kritik -

Zitate: Hubert Brune, 2000 (zuletzt aktualisiert: 2010).

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- Literaturverzeichnis -