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Multa non multum: Kulturkritische Anmerkungen zur "multikulturellen Gesellschaft"

von Prof. Robert Hepp

I.
Nachdem das Wörtchen "multikulturell" bereits ins "Dummdeutsch" eingegangen ist und selbst gestandene Linke es nicht mehr hören können1 , kostet es schon einige Überwindung, die "multikulturelle Gesellschaft" (MKG) noch in den Mund zu nehmen. Wenn man unseren Regenpfeifern glauben soll, hat das Schlagwort den Höhepunkt seiner Karriere hinter sich. Es ist in den letzten Jahren auf Tagungen und Talkshows so gründlich zerredet worden, daß anscheinend in der Runde seiner Vor- und Nachbeter niemand mehr so recht weiß, was eigentlich damit gemeint ist. Da jeder unter dem "Kulturellen" etwas anderes verstehen kann,2 sind Mißverständnisse in der Wortwahl vorprogrammiert und auch beim besten Willen nicht zu vermeiden. Hinzu kommt, daß sich offenbar selbst die Anhänger der MKG noch nicht einmal darüber einig sind, ob der Ausdruck deskriptiv oder präskriptiv (normativ) gemeint ist.3

Während ihn die einen als Bezeichnung der Zustände benützen, die infolge der Einwanderung von Fremden, die aus Ländern mit mehr oder weniger exotischen Kulturen kommen, de facto in den europäischen Staaten entstanden sind, verwenden ihn die anderen zur Kritik eben dieser Zustände und beschwören die MKG als Leitbild, Ideal oder Utopie eines alternativen Programms der "Integration", das "eine neue Form des Zusammenlebens von Eingeborenen und Fremden" in einer künftigen Gesellschaft anvisiert, die sich von der jetzigen radikal unterscheiden würde. Bei soviel Begriffsverwirrung ist es nicht verwunderlich, daß Diskussionen über das Thema allemal in einverständliches Aneinandervorbeireden münden. Da sich im Laufe der Zeit mannigfache Einwände gegen den Slogan angesammelt haben, die übrigens nicht nur von der rechten Seite des politischen Spektrums, sondern auch von der Linken kamen,4 ist auch unter den Propagandisten der MKG eine gewisse Verunsicherung zu registrieren. Zwar geht der "Diskurs" über die MKG in der "Öffentlichkeit" munter weiter, aber wer ein bißchen was auf sich hält, bedient sich der Formel heute kaum mehr, ohne zumindest mit einer ironischen Captatio benevolentiae in voraus dafür zu entschuldigen. Angesichts solcher Verschleißerscheinungen ist der Exitus des Schlagwortes anscheinend nur noch eine Frage der Zeit. Eine kritische Auseinandersetzung scheint sich daher zu erübrigen. Warum noch stoßen, was ohnehin fällt?

Bei näherer Betrachtung sieht es allerdings nicht so aus, als ob sich die MKG-Propaganda schon bald selbst ad adsurdum führen würde. Es ist ein typisches Intellektuellenvorurteil zu glauben, daß sich unklare Ideen, die einer wissenschaftlichen Analyse nicht standhalten, früher oder später "in der Wirklichkeit blamieren". Die Geschichte beweist eher das Gegenteil, und zwar auch und gerade die Zeitgeschichte. Wenn man etwa die gängige Ideologie der "freiheitlichen Demokratie" einer wissenschaftlichen Prüfung unterziehen würde, würde gewiß nicht viel davon übrig bleiben. Was da feilgeboten wird, ist nicht einmal in ideologischer Hinsicht in sich schlüssig und konsistent.5 Die "freiheitliche Demokratie" dürfte die "multikulturelle Gesellschaft" an Vagheit und Verworrenheit sogar noch übertreffen. Ihrer Karriere ist das dabei in keiner Weise abträglich gewesen, im Gegenteil. Gute Propagandaformeln scheinen ihre Attraktivität gerade dem Umstand zu verdanken, daß sie jedem etwas bieten oder daß jeder in sie etwas hineinlegen kann. "Dummdeutsch" macht nicht von ungefähr den Großteil der Massendemokratie aus. Da kommt es offenbar weniger darauf an, kritische Hörer zum Nachdenken zu bringen, als ein möglichst großes Publikum zur "emotionalen Zustimmung" zu bewegen. Und um Emotionen zu mobilisieren, muß die Sprache weniger "einleuchtend" als "schlagend" sein. Wer auf diesem Feld etwas bestellen will, muß daher nolens volens zu Schlagworten greifen. Da politische Schlagworte die Gefühle eines heterogenen Publikums bündeln sollen, ist eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit und Unschärfe geradezu eine Voraussetzung ihrer Durchschlagskraft. Um eine möglichst "breite" Zustimmung zu finden, müssen sie vor allem an Assoziationen appellieren, die von möglichst vielen als irgendwie "positiv" empfunden werden.

Letzteres ist das Allerwichtigste, aber auch das Allerschwerste. Da in der Politik einerseits ständig Dinge passieren und passieren müssen, die unmöglich allen gefallen können, demokratische Politiker aber andererseits von der Gunst ihrer Wähler abhängig sind, hat sich in der Massendemokratie ein typischer rhetorischer Stil herausgebildet, der von Moralisten als heuchlerisch und verlogen kritisiert zu werden pflegt, den man aber angesichts seiner evidenten "Funktionalität" vielleicht besser als "euphemistisch" bezeichnen sollte. Euphemismen, beschönigende Umschreibungen eines als unangenehm oder anstößig empfundenen Sachverhalts, machen tatsächlich den Großteil des Schlagwortrepertoires der "Gefälligkeitsdemokratie" aus. Sie füllen das "Wörterbuch des Gutmenschen"6 mit jener unsäglichen "Schaumsprache", über die sich die Intellektuellen zu Recht mokieren, weil sie tatsächlich zum größten Teil aus evidenten Nonsens besteht. Begriffsgläubig wie sie von Haus aus sind, lassen es die Sprachkritiker allerdings meist bei dem Nachweis bewenden, daß die Schlagworte eigentlich, d.h. losgelöst von der konkreten politischen Situation, etwas ganz anderes bedeuten. Für den politischen Sinn des Unsinns interessieren sie sich in der Regel nicht. Wenn Politiker von der "multikulturellen Gesellschaft" reden, unterstellen ihnen die Kritiker naiverweise, es sei nichts weiter als eine Gesellschaft mit viel Kultur oder mit vielen Kulturen gemeint. Und sogleich beginnt die Reflexionsmaschine zu schnurren. Um die politische Bedeutung von Euphemismen zu erfassen,7 genügen aber "logische Sprachanalysen nicht. Da muß man auch und vor allem die ideologiekritische Sonde ansetzen und fragen, wer hier was warum vor wem zu beschönigen versucht.

II.
Die MKG ist ein typischer politischer Euphemismus. Lexikalisch nachgewiesen ist sie erstmals als politischer Euphemismus zur Umschreibung rassisch gemischter Milieus in den USA.8 Kultur stand hier also zunächst für das Tabuwort Rasse. Das könnte einen glatt auf die Idee bringen, die Formel müsse von einem Rassisten stammen, denn die Substitution macht eigentlich nur einen Sinn, wenn man Kultur als abhängige Variable der Hautfarbe ansieht. Wohl möglich, daß sich hinter dem Euphemismus einer rassistischen Kulturtheorie verbirgt; auch der Antirassismus ist ja nur ein Doppelgänger des "Rassismus".9 Aber gemeint ist damit offenbar das genaue Gegenteil, nämlich: Rassenunterschiede seien im Grunde nur Unterschiede der Kultur - das ist in diesem Zusammenhang immer mitzudenken - sei im Gegensatz zur genetisch fixierten, biologischen Rasse ein rein historisches "Zufallsprodukt", das also grundsätzlich veränderbar sei. Die Tendenz dieser Euphemisierung ist es also, Rassenunterschiede als bloße Kulturunterschiede erscheinen zu lassen und sie so zu bagatellisieren. Das ist zwar logisch unsinnig, denn Unterschiede der Rasse sind nicht identisch mit Unterschieden der Kultur, aber der politische Sinn ist klar.

Im polyethnischen Kontext der USA ist der Euphemismus dann anscheinend mit derselben Tendenz auf alle "ethnischen Minderheiten" ausgedehnt worden, wobei zu beachten ist, daß der Terminus "ethnicity" ebenfalls bereits als ein Euphemismus für "Rasse" im Umlauf war.10 Das Wort "culture" scheint in den Vereinigten Staaten überhaupt nicht nur ein sehr beliebter Euphemismus, sondern eine der Endstationen jener "Zyklen"11 zu sein, in deren Verlauf infizierte Ersatzwörter, die der "exeuphemistischen Tendenz"12 zum Opfer fallen, durch immer neue Euphemismen ersetzt werden müssen. Wer früher ein Neger war, gehört heute in den USA zu einer "cultural minority", und wer früher arm war, ist heute "culturally deprived"13

Im deutschen Sprachgebrauch hat das Wort "Kultur" noch eine viel höhere Bedeutung. Nach dem Deutschen Wörterbuch der Dudenredaktion wird heute in Deutschland unter Kultur umgangssprachlich "die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestalterischen Leistungen einer Gemeinschaft" verstanden, sofern sie ein "Ausdruck menschlicher Höherentwicklung" sind.14 "Kultur" in diesem Sinn scheint nicht nur für die "Kulturschaffenden", die in den Medien den Ton angeben, und für die neue Kulturlinke, in der der Lehrer den Proleten und die "Kulturpolitik" die "Sozialpolitik" abgelöst und ersetzt hat, sondern auch für die große Masse der durch die "Bildungsexpansion" auf das Niveau braver Feuilletonleser, Theaterabonnenten, Konzertfreaks uns Museumsbesucher angehobenen Konsumenten unserer Freizeitgesellschaft der Inbegriff alles Wahrgutschönen zu sein, die "innerweltliche" Religion der Zeit.15 Daß das Wort "Kultur" in Deutschland eine besondere Aura, eine Art Heiligenschein16 hat, mag damit zusammenhängen, daß die sogenannte hohe Kultur, streng geschieden von der bloßen "Zivilisation", hier im "bürgerlichen Zeitalter" mehr als anderswo einmal die Ersatzreligion oder der Religionsersatz aller "Gebildeten", eine regelrechte "säkulare Kirche" war, die ihre eigenen Tempel und Wallfahrtsorte, Priester und Heiligen, Dogmen und Sakramente besaß.17 Obwohl die Umerzieher nach dem Krieg mit ihren Bemühungen, die spezifisch deutsche Unterscheidung von Kultur und Zivilisation zum Verschwinden zu bringen, durchaus nicht erfolglos waren,18 liegt über der weitgehend nivellierten Kulturlandschaft noch immer das Abendrot der untergegangenen "hohen Kultur" und vergoldet auch noch ein "Kulturprogramm" des ZDF oder einen Striptease in St. Pauli. Nach wie vor verleiht das Etikett "Kultur" allem, was mit ihm behängt wird, eine gewisse religiöse Weihe. Man wird daher auch dem heutigen Kulturbetrieb nur gerecht, wenn man ihn als eine religiöse Veranstaltung begreift. Im Zuge der Massenmissionierung (Bildungsexpansion, staatliche Kulturförderung) hat sich zwar die einstige elitäre Hochkirche mit ihrer gestrengen Priesterschaft, ihren anspruchsvollen Dogmen und ihren differenzierten Kanon in eine synkretistische Volkskirche verwandelt.19 Jedes Credo wird akzeptiert; Entertainer und Showmaster sind längst in den Klerus aufgerückt; Kabarettisten dürfen die Sonntagspredigt halten; Rocker können ihren Voodoo-Kult zelebrieren; Filmstars sind zu den Ehren der Altäre erhoben20 ; und Lieschen Müller zieht schon lange nicht mehr das Kleine Schwarze an, wenn es noch schnell um die Ecke ins Theater zur Abendmesse geht. Der normative Anspruch des Wortes Kultur ist also nicht mehr sehr hoch gesteckt21 . Trotzdem halten alle Beteiligten zäh an der Fiktion fest, daß es bei diesem bunten karnevalistischen Treiben noch immer um etwas "Höheres" gehe. Wer im Namen der "Kultur" auftritt, beansprucht für sich nach wie eine quasi religiöse Legitimität, und sie wird ihm in der Regel auch bereitwillig zugestanden, nicht nur von den obersten deutschen Gerichten.

III.
Diese besondere Valenz des Wortes Kultur erklärt die Begeisterung, die dem Schlagwort in Europa und besonders in Deutschland entgegenschlug, als es vor fünfzehn Jahren von jenseits des Großen Teiches mit dem Ziel importiert wurde, damit eine bestimmte Politik, die die großzügige Aufnahme von Einwanderern befürwortete, werbewirksam zu propagieren.22 Vom propagandistischen Standpunkt ist die Redewendung MKG eine fabelhafte Trouvaille. Sie besitzt alle Vorzüge eines exzellenten Schlagwortes. Indem man als das eigentliche Ziel der genannten Wanderungspolitik eine MKG präsentiert, gibt man dem ganzen Vorgang eine Bedeutung, die weit über die platten demographischen, ökonomischen, sozialen und politischen Ursachen hinausreicht, die ihn ausgelöst haben und in Gang halten.23 Selbst die damit einhergehenden Veränderungen, die vom Mann auf der Straße als eher störend empfunden werden, erscheinen in dieser Beleuchtung im rosigen Licht. Durch die raffinierte Umdeutung wird die Einwanderung sogar gleich doppelt aufgewertet. Indem sie mit der Formel als Kulturelle Angelegenheit definiert wird, rückt sie bereits an die Spitze der Werthierarchie unserer Gesellschaft, und indem sie ein Vielfaches an Kultur vorspiegelt, wird sie quasi an die Spitze der Spitze lanciert.

In der MKG-Propaganda spielt die Verheißung einer Steigerung der Kultur durch eine Vervielfältigung des kulturellen Angebots eine große Rolle. Die Propagandisten der MKG, werden nicht müde, die "kulturelle Bereicherung" zu preisen, die einem Land mit der Aufnahme von Menschen aus vielen unterschiedlichen Kulturen widerfahre. Die Fülle der Angebote im Warenhaus der Multikultur24 wird dafür sorgen, daß jeder all seine Bedürfnisse befriedigen und seine Fähigkeiten voll entfalten kann. Kulturelle Vielfalt wird an die Stelle nationaler Einfalt treten.25 Eine ungeahnte Steigerung aller menschlichen Fähigkeiten steht uns demnach ins Haus. Im interreligiösen Dialog kann sich ein Katholik die Gotteserfahrung eines Muslims zunutze machen oder sich von den Zauberriten des Voodoo-Kultes anregen lassen. Deutsche Männer werden die Finessen des Gesichtsschleiers zu schätzen wissen. Ungelenke Germaninnen werden die Kunst des Bauchtanzes erlernen. Durch die Vielsprachigkeit wird uns ein neues Pfingstwunder zuteil: polyglott wie Oberkellner eines Grandhotels werden wir in bislang verschlossene Welten eindringen. Die MKG ist auch äußerst abwechslungsreich. Mit der Monotonie der Monokultur wird alle Langeweile verschwinden. Nach Heiner Geißler muß es der Hans nun nicht länger nur mit der Grete treiben; er kann sich auch mal eine Mulattin unter den Nagel reißen,26 Man hat als Nachbarn einen Belgier, als Arbeitskollegen einen Türken, als Schwiegertochter eine Dänin und als Vereinskameraden einen Spanier und einen Ungarn.27 Nach dem Frankfurter GEW-Experten für Ausländerfragen Sener Sargut werden wir in der MKG italienisch singen, türkisch lachen, spanisch kochen und griechisch essen können.28 Italienisch Gesungenes türkisch belacht und spanisch Gekochtes griechisch gegessen! Läßt sich etwas Raffinierteres denken? Wenn man unsere Kaviarlinke hört, ist die MKG überhaupt für alle Gourmets und Gourmands das reinste Schlaraffenland. Daß sich diese Lebemänner für den kulinarischen Aspekt der MKG besonders interessieren, nimmt bei ihrem Lebensstil nicht wunder. Es dürfte aber kein Zufall sein, daß sich der multikulturelle Diskurs in Deutschland generell hauptsächlich ums Essen und Trinken dreht. Mit dem Hinweis auf die Bereicherung der deutschen Speisekarte um Pizza, Hamburger, Döner, Cevapcici etc. scheint sich die Art der Bereicherung, die uns die MKG beschert, auch dem Einfältigsten anschaulich machen zu lassen. In der multikulturellen Küche kann man ad oculos demonstrieren, wie die Kultur eines Landes mit zunehmender Quantität in eine höhere Qualität umschlägt: je mehr Auswahlmöglichkeiten, desto größer die Chancen, alle denkbaren Bedürfnisse befriedigen zu können. Je mehr kulturelle Angebote, umso mehr Kultur! Ergo: multa=multum.

Wenn an Kultur an sich schon das Höchste ist, dann bietet also eine MKG in der Phantasie ihrer Anhänger sozusagen das Höchste gleich mehrmals und erreicht damit von vornherein ein höheres Qualitätsniveau als jede monokulturelle Gesellschaft. Falls es gar gelingen sollte, Einwanderer aus allen Ländern ins Land zu locken, wären am Ende die höchsten Güter der ganzen Erde in sich vereint, ein Land auf Weltniveau sozusagen! Wäre das nicht der Gipfel des Gipfels, das Nonplusultra, der Himmel auf Erden? Man könnte sich dann nicht nur die Weltreisen sparen, denn man hätte ja Rom und Athen, Tanger und Istanbul, Bangkok und Schanghai direkt vor der Haustür. Man könnte in Ruhe alle kulturellen Möglichkeiten aller Zeiten und Zonen durchprobieren und sich das jeweils Beste heraussuchen, gerade wie auf den Speisekarten unserer Nobelrestaurants.

Die fixe Idee, durch eine Auswahl des jeweils Besten aus der Vielzahl der regionalen Kulturen29 zu einer neuen Weltkultur zu gelangen, die allen tradierten Einzelkulturen überlegen ist, scheint die idee directrice der MKG-Propaganda zu sein. Wen wunderts, daß sie damit bei allen Kosmopolitikern und Weltbürgern Anklang findet? Die MKG als Vorwegnahme der kommenden Einheit der Welt in einem Lande, als eine Etappe auf dem Weg zur Verwirklichung des alten Freimaurerprogramms der One World, dürfte die Fata Morgana sein, der die meisten Anhänger nachlaufen. Solange der Glaube an die Lösung aller politischen Probleme in einer friedlichen One World Massengefolgschaft findet, wird daher aller Hohn und Spott arroganter Snobs dem Schlagwort MKG nichts anhaben können. Wenn einer im Ernst an den Weltstaat glaubt und davon überzeugt ist, daß wir auf das Weltbürgerrecht zugehen, wie der gute Mensch Heiner Geißler,30 ist er gegen alle rationalen Argumente immun. Und eine Kirche, die ihre Sendung als "Unterwegs-Sein zum Ziel einer universalen Völkergemeinschaft" versteht, in der alle Völker und Rassen in Frieden miteinander leben werden, wird niemand von der Illusion abbringen können, sie sei eine multikulturelle Gesellschaft.31 Wo die Menschheit das Ziel ist, sind alle Menschen Brüder. Und wo alle Menschen Brüder sind, kommt es wirklich nicht mehr darauf an, unter welcher Gestalt sie ihren gemeinsamen Vater verehren, geschweige denn welche Mützen sie tragen.

IV.
So naiv es wäre, dem Sinn eines Schlagwortes durch eine "wissenschaftliche Begriffsanalyse" auf die Schliche kommen zu wollen, so nützlich kann es für die ideologische Auseinandersetzung sein, die Formel MKG beim Wort zu nehmen und zu fragen, ob es vom sozial- und kulturwissenschaftlichen Standpunkt überhaupt eine MKG geben kann und ob eine Gesellschaft mit vielen Kulturen auch tatsächlich eine Gesellschaft mit viel Kultur wäre, wie die MKG-Propaganda suggeriert.

Wissenschaftlich betrachtet, gibt es keine unklarere Vorstellung als die einer MKG, und zwar allein schon deshalb, weil die beiden Begriffe, aus denen sich die Formel zusammensetzt - Kultur und Gesellschaft - die denkbar undeutlichsten und dunkelsten sind. Was die Gesellschaft betrifft, ist es besser, auf jeden Versuch einer Begriffserklärung von vornherein zu verzichten. Wir wollen es bei der Feststellung bewenden lassen, daß sich die Soziologen derzeit lediglich darin einig sind, daß unter einer Gesellschaft "das jeweils umfassendste System menschlichen Zusammenlebens"32 zu verstehen sei. Das ist weniger als wenig. Über die spezifischen Charakteristika dieses umfassenden Systems (wie "Gemeinsamkeit der Werte", "Art und Dauer der Interaktion", "Grad der Organisiertheit" oder eben "Gemeinsamkeit der Kultur") gibt es unter den Gelehrten keine Übereinstimmung. Da mag sich also jeder etwas anderes denken. Nicht viel besser ist es um den Begriff der Kultur bestellt. Der große österreichische Soziologe Ludwig Gumplowicz nannte ihn bereits zu Anfang des Jahrhunderts den unklarsten Begriff, den es gibt, und ein führender amerikanischer Soziologe, Neil J. Smelser, ist neunzig Jahre später trotz aller mittlerweile erfolgter Bemühungen um eine Begriffsklärung cum grano salis zum gleichen Ergebnis gekommen.33

Da es also in den Sozial- und Kulturwissenschaften derzeit keinen Konsens über den Inhalt der Begriffe "Kultur" und "Gesellschaft" gibt, scheint es grundsätzlich unmöglich zu sein, über das Verhältnis von Gesellschaft und Kultur im allgemeinen und über die Frage, ob es so etwas wie eine "multikulturelle Gesellschaft" im wörtlichen Sinn, also eine Gesellschaft mit vielen Kulturen, überhaupt geben kann, im besonderen etwas Verbindliches auszusagen. Gibt es irgendwelche "Grundstrukturen", die Gesellschaften und Kulturen gemeinsam sind? Ist "Kultur" im allgemeinen ein integraler Bestandteil von "Gesellschaft" im allgemeinen? Ist sie eine "wesentliche Komponente" jeder Gesellschaft, ohne die diese nicht überleben oder jedenfalls nicht richtig funktionieren könnte? Oder ist sie etwas zumindest relativ Eigenständiges, das man von einer "Gesellschaft" (in welcher Bedeutung auch immer) isolieren könnte, etwas Zusätzliches, mehr oder weniger überflüssiges, Luxuriöses? Hat jede "Gesellschaft" ihre eigene, spezifische Kultur? Oder können in einer "Gesellschaft" beliebige und beliebig viele Kulturen koexistieren? All diese Fragen werden in der Wissenschaft kontrovers diskutiert.

Es scheint aber doch bestimmte Grundpositionen zu geben, an denen sich die Geister in zwei deutlich erkennbare Lager scheiden. Wie einem aktuellen "Lexikon zur Soziologie" zu entnehmen ist,34 wird Gesellschaft in kulturantropologischen Theorien als "Gruppe von Individuen" verstanden, "die sich durch eine gesonderte Kultur (Wertsystem, Tradition) auszeichnet und unabhängig von anderen Gruppierungen ist (nicht Untergruppe einer anderen Gruppe)". Nach dem Lexikon sollen auch gewisse "Handlungstheoretiker", welche die Kultur als ein "System von Werten" begreifen, an dem sich alle Mitglieder einer Gesellschaft in ihrem sozialen Handeln orientieren, von einer ähnlichen Vorstellung ausgehen. Und sofern Gesellschaft als "deskriptiver Begriff" gebraucht wird, soll ihr unter anderem auch "eine eigene Kultur" zugeschrieben werden. Nach diesen Ansätzen und Theorien könnte es also eine Gesellschaft mit mehreren Kulturen gar nicht geben. Der Begriff MKG wäre demnach ein schwarzer Schimmel, eine contradictio in adjecto.

Andererseits kann nach Auskunft desselben Lexikons aber auch jede "Summe von Individuen, die durch ein Netzwerk sozialer Beziehungen miteinander in Kontakt und Interaktion stehen" und im Grunde jedes beliebige "System menschlichen Zusammenlebens" als Gesellschaft und jede "Verhaltenskonfiguration" einer beliebigen Gruppe als Kultur verstanden werden.35 Nach dieser Vorstellung müßte es in jeder Gesellschaft eine Unmenge von Kulturen geben, und jede Gesellschaft müßte eine MKG sein. Der Begriff MKG wäre demnach ein weißer Schimmel, ein Pleonasmus.

Sofern sich die Diskussion über die MKG heute an den beiden Leitbegriffen des Schlagwortes festbeißt, stehen immer diese beiden Grundkonzeptionen einander gegenüber. Gegner der MKG stützen sich auf die erste, strengere, Anhänger der MKG, auf die zweite, laxere Vorstellung des Zusammenhangs von Kultur und Gesellschaft. Auch die außerwissenschaftliche Auseinandersetzung um die MKG ist latent von diesem Gegensatz bestimmt. Da nach dem Duden-Lexikon heute in der Umgangssprache jede "Gesamtheit" von Menschen, die unter bestimmten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zusammen leben"36 , also z.B. jede gleichzeitige Ansammlung von Menschen in einem Land, als Gesellschaft und fast jede "gestaltende Leistung" dieser Menschen als Kultur bezeichnet werden kann, haben die Anhänger der MKG sozusagen einen semantischen Platzvorteil. Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, daß die EKD bereits 1980 verkünden konnte: "Wir leben in der Bundesrepublik in einer multikulturellen Gesellschaft."37 Man sehe sich doch nur diese Menschenmassen an, die da gleichzeitig gestaltend durcheinanderwuseln! Daß die Verlautbarung der EKD gleichwohl als brisant empfunden wurde - und sie wurde damals noch viel kritisiert - lag gewiß nicht an der darin zum Vorschein kommenden Vorstellung von Kultur und Gesellschaft. Die in der Öffentlichkeit und auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften vorherrschende "laxe" Vorstellung ist stark genug, um jede Grundsatzdiskussion zu vereiteln.

Die strenge Ansicht, daß man nur eine Gruppe, deren Mitglieder eine gemeinsame Kultur (ein "Wir-Bewußtsein", "gemeinsame Werte", ein "kohärentes Symbolsystem" o.ä.) besitzen, als eine Gesellschaft ansprechen könne, weil es ohne "kulturelle Einheit" keine Verbindlichkeit und Verläßlichkeit des sozialen Handelns gäbe, wird innerhalb und außerhalb der Sozialwissenschaften nur noch von einer Minorität vertreten. In der Kulturanthropologie und Ethnologie herrscht sie allerdings noch ziemlich unangefochten.

V.
Die Ethnologen identifizieren die Ethnien mit ihren Kulturen. Da hat jedes Volk seine Kultur, und jede Kultur ist auf ein Volk bezogen. Es wäre daher schon rein terminologisch unsinnig, von einer multikulturellen Ethnie zu sprechen. Multikulturell könnte allenfalls ein Land sein, das von mehreren Völkern bewohnt wird, also etwa ein Vielvölkerstaat. Da die meisten Ethnologen die Kultur eines Volkes als eine funktionale oder symbolische Einheit betrachten, neigen sie dazu, selbst relativ geringfügigen Störungen des institutionellen Arrangements einer Ethnie weitreichende Folgen zuzuschreiben. Fremde Kultureinflüsse, die weder abgewiesen noch durch Assimilation in das System eingebaut werden können, werden daher keinesfalls als Bereicherung der Kultur eines Volkes, sondern als potentielle Ursachen einer Anomie betrachtet. Wenn sie eine gewisse Toleranzschwelle überschreiten, entsteht keine MKG, sondern ein Kulturchaos, in dem ein Volk mit seiner Kultur zugrunde geht. Allenfalls auf lange Sicht könnte daraus wieder ein neues Volk mit einer neuen Kultur entstehen.

Um diesen neuen Zusammenhang von Kultur und Gesellschaft verständlich zu machen, muß man daran erinnern, daß sich nach Ansicht der meisten Ethnologen zwar alle Kulturen an der "institutionellen" Lösung derselben "Grundprobleme" versuchen, die von der Bedürfnisstruktur des Menschen und seiner Umwelt vorgegeben werden (Ernährung, Schutz vor Gefahren, Vermehrung, soziale Ordnung etc.), daß aber jede Einzelkultur in ihren Institutionen immer nur "eine begrenzte Anzahl menschlicher Möglichkeiten" realisieren kann, während sie andere nolens volens "unterdrücken" muß.38 Jede Kultur ist also ein Ensemble von einseitigen Festlegungen auf eine von vielen an sich äquivalenten Verhaltensalternativen (z.B. Rechtsverkehr wie in England oder Linksverkehr wie bei uns; Kopfschütteln als Zeichen der Bejahung wie in Indien oder als Geste der Verneinung wie bei uns). Durch diese Festlegungen werden die speziellen Inhalte der einzelnen Kulturen, die an sich wertindifferent sind, werthaltig: sobald sich ein Land einmal für den Rechtsverkehr entschieden hat, kann es keine Linksfahrer mehr dulden. Eine Gesellschaft, die sich hinsichtlich der Seitenregel multikulturell geben würde, würde in einem allgemeinen Verkehrschaos zusammenbrechen. In dieser Hinsicht gilt nicht nur die Maxime, daß jede Sitte stets besser ist als keine Sitte, sondern der Grundsatz, daß eine einzige Sitte stets besser ist als viele. Da zwar die Bewertung der grundlegenden Optionen unvermeidlich ist, die Wahl aber nicht überall gleich ausfällt, kann in einer Gesellschaft als völlig unmöglich gelten, was in einer anderen heilig gehalten wird. Insofern sind, von außen betrachtet, selbst die obersten Werte der Kulturen relativ. Aber die einzelne Kultur würde sich selbst ruinieren, wenn sie diese interkulturelle Relativität der Werte zum intrakulturellen Programm erheben würde. Es steht ihr nach der in der Ethnologie herrschenden Auffassung des Zusammenhangs von Kultur und Gesellschaft zwar unter Umständen frei, die Bewertung ihrer Grundpositionen radikal zu ändern, aber sie kann in grundlegenden Fragen nicht zu ein und derselben Zeit konträre Bewertungen zulassen, ohne in verschiedene Gesellschaften auseinanderzufallen.

Was heute als Ethnozentrismus bezeichnet wird,39 die Tendenz einer Volksgruppe, die eigenen Eigenschaften, Ideen und Normen höher zu bewerten als die einer Fremdgruppe und fremde Eigenschaften, Ideen und Normen an den eigenen zu messen, ist aus der Sicht der Ethnologie nicht nur eine unvermeidliche, sondern eine geradezu notwendige Voraussetzung für das Überleben einer Ethnie. Da sich mit der Kultur, um mit Wilhelm E. Mühlmann zu sprechen, eine zweite "symbolische Welt" über die erste "natürliche" legt, ist die Wahrnehmung der Realität immer schon durch die geschichtlich vorgegebene (symbolische) Bilderwelt und die damit verknüpften Erwartungen, die als "überprägnante Modelle" auf das Handeln einwirken, filtriert. Aufgrund dieser unumgänglichen selektiven Wahrnehmung entwickelt jedes Mitglied eines Volkes "kulturspezifische Einstellungen, die so fest werden können, daß sie subjektiv wie Pseudo-Instinkte wirken"40 , und daß dem in diesem Sinn "kultivierten" Menschen sein eigenes Handeln als natürlich, davon abweichendes als unnatürlich erscheint. Man kann diese Einstellungen als Vorurteile bezeichnen, wenn man einräumt, daß kein Volk auf solche Vorurteile verzichten kann, sofern es als Volk überleben will.41 Da nach dieser Gesellschaftsvorstellung gemeinsame Werte und Normen eine Gesellschaft ausmachen, kann eine Gruppe überhaupt nur so lange existieren, als sich ihre Mitglieder mit den zentralen Normen und Werten der eigenen Gruppe identifizieren. Statt von Vorurteilen sollte man daher vielleicht besser von Selbstverständlichkeiten sprechen. Eine Kultur in diesem Sinne ist nichts anderes als die Summe der Selbstverständlichkeiten, die eine Gesellschaft zur Gesellschaft macht.42 Wenn Gegner dieser Gesellschaftsaufassung diese Selbstverständlichkeiten als Vorurteile denunzieren, erliegen sie nur dem Vorurteil, es könne eine Gesellschaft ohne solche Vorurteile geben. Unter Ethnologen ist dieses Vorurteil kaum anzutreffen. Selbst die Kulturrelativisten unter ihnen haben erkannt, daß der Ethnozentrismus ein notwendiges Ingrediens jeder lebendigen Kultur eines Volkes ist. Daß kulturelle Phänomene nur aus ihrem eigenen Kontexte verstanden, beurteilt und bewertet werden können, haben gerade die Kulturrelativisten mit Nachdruck betont.43 Da sie sich nicht eingestehen wollten, daß auch ihre Kulturwissenschaft ein Bestandteil ihrer eigenen Kultur ist, glaubten sie freilich, alle Ethnozentrismen von einen höheren neutralen Standpunkt aus gegeneinander ausspielen zu können. Sie verhedderten sich dabei hoffnungslos im Paradoxon einer Relativierung des Absoluten durch Verabsolutierung des Relativen. Aber daß es sträflich sein könnte, eine bestimmte Art, zu leben und zu denken, über alle anderen zu stellen und sich von Leuten wenig angezogen zu fühlen, deren Lebensweise, so respektabel sie an sich auch sein mag, allzu weit von der entfernt ist, der man selber durch Tradition verhaftet ist, auf diese abstruse Idee wäre keiner von ihnen verfallen.44

VI.
Außerhalb der Ethnologie floriert heute ein von jeder konkreten Gruppe losgelöster, freischwebender und wertfreier Kulturbegriff. Vorbei sind die Zeiten, da beispielsweise die deutsche Kulturphilosophie noch zwischen der Kultur im Singular und den Kulturen im Plural einen wesentlichen Unterschied ausmachen wollte, der sich früher übrigens im Deutschen auch noch in der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes Kultur niederschlug. Vor dem Ersten Weltkrieg konnte der scharfsinnige Sprachkritiker Fritz Mautner sogar noch einen Widerspruch zwischen einer präskriptiven Bedeutung des Wortes in der Einzahl und seiner deskriptiven Bedeutung in der Mehrzahl feststellen. Nach ihm hatten wir beim Wort "den gar nicht so seltenen Fall, daß die Mehrzahl gar nicht die Mehrheit der Einzahl ausdrückt. Kultur ist der Sollzustand, zu welchem sich ein Mensch oder ein Volk hinaufentwickeln mag; die Kulturen der verschiedenen Völker bezeichnen einen Istzustand. Menschenfresserei kann einer bestimmten Kultur angehören, beileibe aber nicht einem Volke, welches Kultur hat."45

In jenen Zeiten, als die kulturtragenden Schichten der europäischen Staaten noch zwischen der Kultur im Singular und den Kulturen im Plural zu unterscheiden wußten, wäre demnach wohl kein Gebildeter auf die Verwechslung der beiden Bedeutungen hereingefallen, die anscheinend die eigentliche propagandistische Attraktivität des Schlagwortes MKG ausmacht. Jeder hätte das Wortspiel mit der Doppelbedeutung von Kultur - nach dem damaligen Sprachgebrauch ein simples Sophisma ex homonymia46 - als einen billigen rhetorischen Trick durchschaut. Bei aller Konfusion des Kulturbegriffs, die in Deutschland bereits mit Herder anfing47 , wäre daher noch vor zwei Generationen wohl kein kultivierter Deutscher auf die Idee gekommen, in jedem zusätzlichen kulturellen Angebot eine Bereicherung seiner Kultur zu erblicken. Der Maßstab, an dem die selbstbewußten Europäer in der Epoche ihrer Weltherrschaft - wie übrigens alle Völker in ihrer Blütezeit - die Tauglichkeit potentieller Beiträge anderer Kulturen zur Bereicherung der eigenen Kultur gemessen haben, war selbstverständlich ihre eigene Hochkultur. Und die war aufgrund ihrer Normiertheit hochselektiv. Da die Teilnahme an der hohen Kultur des nationalen Kulturstaats die Beherrschung eines äußerst komplexen und differenzierten Bildungskanons die ungebildeten Schichten des eigenen Volkes weitgehend davon ausgeschlossen. Noch in den Zwanziger Jahren gehörte für eine einfußreiche Schule der deutschen Volkskunde die deutsche Volkskultur als primitive Gemeinschaftskultur nicht zur höheren Kultur.48 Da versteht es sich doch von selbst, daß die Kulturwissenschaftler der Zeit nicht im Traum daran dachten, jede Kultur jedes beliebigen Volkes als gleichwertig anzuerkennen. Unter den Ethnosoziologen war es damals gang und gäbe, zwischen "Naturvölker", "Halbkulturvölker" und "Vollkulturvölkern" zu unterscheiden.49 Unvorstellbar, daß ein Vollkulturvolk von einem Halbkulturvolk oder gar von einem Naturvolk etwas hätte lernen können!

Damals wäre aber auch die bloße Übernahme eines beliebigen Bestandteils aus einer Vollkultur nicht unbedingt als eine Bereicherung der eigenen Kultur empfunden worden. Nicht daß man die fremden Religionen und Weisheitslehren, Sitten und Gebräuche, Kunstwerke und Dichtungen verachtet hätte! Aber was sollte ein gläubiger Christ von einem Muslim in puncto Glauben, was ein englischer Gentleman von einem japanischen Samurai in puncto Benehmen lernen? Buddha und Bauchtanz, Tschanoju und Tschador, Kandschur und Koran waren für einen kultivierten Europäer allemal interessante Kuriositäten, aber als kulturelle Bereicherung kam das alles überhaupt nicht in Frage. Dabei hat Europa vermutlich nie mehr fremdes Kulturgut rezipiert als in den Zeiten, da es im Hochgefühl der eigenen kulturellen Überlegenheit schwelgte. Aber nach der damals herrschenden Vorstellung von Kultur wurde eben nicht jede Akquisition gleich als kulturell bedeutsam eingestuft. In den großen Tagen der europäischen Geschichte scheinen die kulturtragenden Schichten noch ein Gespür dafür gehabt zu haben, daß die einzelnen Elemente einer Kultur nur als Teile eines Ganzen überhaupt eine kulturelle Bedeutung haben.50 Von einer Bereicherung der eigenen Kultur durch Beiträge aus einer fremden konnte daher damals nur insofern die Rede sein, als es gelang, sich das Fremde zu assimilieren,51 anzueignen52, einzuverleiben53 oder - um einen etwas barocken, aber treffenden Austriazismus zu verwenden - es zu nostrifizieren.54

Nach der damals herrschenden Vorstellung wäre auch eine Mehrzahl von Kulturen in einem Land nicht als Bereicherung empfunden worden.55 Und man muß in der Tat seine besonders anspruchsvolle Vorstellung von Kultur bemühen, um einzusehen, daß ein Land mit nicht assimilierten Minderheiten, die aus mehr oder weniger exotischen Kulturkontexten stammen, nicht nur voller Spannungen und Konflikte wäre, sondern im Vergleich zu der Kulturell relativ homogenen Gesellschaft eines traditionellen europäischen Nationalstaats auch weniger Kultur aufzuweisen hätte. Von der Kultur in diesem Sinne scheint zu gelten, was Eckhard Nordhofen von der Moral gesagt hat: der Unterschied zwischen Singular und Plural ist hier ein Unterschied ums Ganze.56 Man kann, um mit Georg Simmel57 zu sprechen, eben kein Haus aus Häusern bauen.

Multa non multum; über je mehr Kulturen ein Land verfügt, umso weniger Kultur pflegt es zu haben. Im Vergleich zu einer MKG liegen die Vorteile einer monokulturellen Gesellschaft auf der Hand. Eine gemeinsame Wertorientierung (sofern sie mehr als eine Orientierung an abstrakten Grundwerten ist) sorgt für den Grundkonsens, auf den jede Gemeinschaft (auch wenn sie sich als eine Konfliktgesellschaft begreift) angewiesen ist. Vorgeprägte Verhaltensmuster und ein gemeinsamer Fundus von Traditionen, Sitten und Gebräuchen machen soziale Beziehungen berechenbar und bieten jene Hintergrunderfüllung (Gehlen), ohne die sich soziales Handeln im ständigen Aushandeln seiner elementarsten Voraussetzungen erschöpfen würde, von dauernden Irritationen begleitet wäre und zu keinen kreativen Leistungen gelangen könnte. Eine gemeinsame Sprache ermöglicht eine relativ ungestörte, problemlose und dabei nuancierte Kommunikation. Und der Verweisungszusammenhang von Symbolen, mit denen sich alle Mitglieder identifizieren, gibt dem Ganzen jene unverwechselbare Struktur und jenen eigenen Stil, die ein Land zur Heimat machen, in der man sich auskennt und zu Hause fühlt.58

All dieser Vorteile würde ein Land mit vielen Kulturen mehr oder weniger verlustig gehen. Zunächst würde die Bereicherung einfach in einer Zunahme der Verkehrshindernisse (im weitesten Sinne) und in einem entsprechenden Anstieg der Transaktionskosten bestehen. Zu den bereits vorhandenen würden zahlreiche neue Kommunikationsbarrieren kommen, die Verständigungsschwierigkeiten würden sich multiplizieren, der Informationsfluß stagnieren.59 Was Multikulturalität in dieser Hinsicht bedeuten würde, kann man sich am besten am Beispiel der Sprache klarmachen. Eine MKG, die den Namen verdient, müßte natürlich eine echte mehrsprachige Gesellschaft sein, d.h. Minderheitensprachen müßten in der Öffentlichkeit tunlichst überall anerkannt werden, von den Speisekarten und den Verkehrsschildern über die Darbietungen im Fernsehen und die Fensterreden im Parlament bis zu den Untersuchungen im Krankenhaus und zu den Verhandlungen vor Gericht. Auch wer solche Verhältnisse nicht aus eigener Anschauung kennt, kann sich die entsprechenden Szenarien leicht ausmalen: ob bei Verkehrsunfällen, polizeilichen Vernehmungen oder notariellen Verträgen, überall, wo zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Sprachgemeinschaften eine ernste Angelegenheit auszuhandeln wäre, müßte ein Dolmetscher in Aktion und dazwischen treten. Sofern es dabei nur um praktische Fragen ginge, wäre das vielleicht bloß mit einem gigantischen Zeit- und Geldverlust verbunden. Es gibt jedoch auch sprachliche Hürden, über die kein Dolmetscher hinweghelfen kann.

Seit Wilhelm von Humboldt wissen wir, daß verschiedene Sprachen nicht einfach diesselben Sachverhalte verschieden bezeichnen, sondern häufig verschiedene Ansichten derselben repräsentieren.60 Und hier beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten der interkulturellen Kommunikation. Man versteht sich scheinbar und begreift sich doch nicht. Aber selbst wenn man annimmt, daß sich die Minderheiten auf eine Gemeinsprache oder eine internationale Verkehrssprache61 einigen würden und daß außerdem die meisten ihrer Mitglieder sogar mehrsprachig wären, wären die sprachlichen Kommunikationsprobleme durchaus noch nicht ausgeräumt. Verkehrssprachen im multilingualen Kontext zeigen eine starke Tendenz zur Atrophie und zum Primitivismus62 (Reduktionssprachen, Notbehelfssprachen, Minimumsprachen); das Ergebnis ist meist eine Art Pidgin-Englisch oder Babeldeutsch, ein Medium, das ausreichen mag, um sich zur Not über das Lebensnotwendigste zu verständigen und über Triviales zu radebrechen, in dem aber ein nuanciertes Gespräch oder eine geistreiche Unterhaltung unmöglich ist. Auch die Probleme des Bilinguismus und des Multilinguismus sind nicht zu unterschätzen;63 nicht jeder ist ein Sprachgenie. Zweisprachigkeit entpuppt sich bei näherer Untersuchung nicht selten als doppelte Halbsprachigkeit64 Vielsprachigkeit als multiple Sprachlosigkeit. Und wo die Sprache ausfällt, bleibt als letzte Zuflucht dann oft nur noch die nonverbale Kommunikation der Gebärdensprache, ein unverkennbarer Abfall ins Primitive.65 Nicht von ungefähr war die Pantomime im Völkerchaos der spätrömischen Zeit das dominante Genre der Bühnen.66 Der Sport, der alle Sprachen spricht,67 und die nicht minder beredte Musik würden dann wohl die kulturellen Hauptattraktionen einer mehr oder weniger sprachlosen Masse abgeben. Wenn ein Land über mehr als eine Sprache verfügt, haben sich also seine Einwohner sicher nicht mehr zu sagen, und sie verstehen sich ganz gewiß auch nicht besser. Und wie mit der Sprache ist es in jeder Beziehung, die nach dem Kulturbegriff der bürgerlichen Bildungsschicht des letzten Jahrhunderts überhaupt das Epitheon kulturell verdient.68

VII.
Heute ist vom normativen Kulturbegriff unserer Altvorderen nicht mehr viel übrig. Wo jede gestaltende Leistung mit einem gewissen Drall ins Höhere zur Kultur gerechnet werden darf, ist es kein Wunder, daß man, ohne mit der Wimper zu zucken, von Wohnkultur, Schlafkultur, Eßkultur, Badekultur, Körperkultur, Gesprächskultur, Betriebskultur, Kneipenkultur, Knastkultur und sogar von politischer Kultur sprechen kann. Alles mehr oder weniger ambitiöse "gestaltende Leistungen", ergo alles Kultur! "Kultur" ist heutzutage ein Catchcall-Word (wie Sein, Ding, Natur oder Gesellschaft), ein richtiger Allerweltsbegriff, weltoffen wie eine Straßenhure, die es mit jedem treibt. Man kann es ohne Übertreibung sagen, daß es nichts mehr gibt, was sich nicht unter irgendeinem Vorwand als Kultur verkaufen ließe.69 Nur zwei rezente Beispiele vom deutschen Kriegsschauplatz: Als nach der Wiedervereinigung die Abschaffung der DDR-Fristenlösung anstand, begründete der saarländische Ministerpräsident Lafontaine seinen Widerstand mit dem Respekt vor einer "Kultur", die sich in der DDR während vierzig Jahren entwickelt habe: Abtreibungskultur. Und als ein Regisseur die Bacchien in einer Euripides-Inszenierung auf offener Bühne ihre Notdurft verrichten ließ, feierte ein seriöses Blatt das Geplätscher als Neuentdeckung einer uralten Kultur: Pippikultur. Bei diesem Stand der Entwicklung ist schlechterdings nicht mehr einzusehen, warum ein Volk, das die Menschenfresserei kultiviert, kein Kulturvolk sein sollte oder warum sich auch ein Kulturvolk durch die Aufnahme der Menschenfresserei in sein Kulturprogramm nicht noch höherentwickeln sollte.

Die Frage, ob eine Gesellschaft mit mehr Kulturen (in Mauthners deskriptiver Bedeutung) nicht am Ende vielleicht eine Gesellschaft mit weniger Kultur (in Mauthners präskriptiver Bedeutung) sein könnte, ist aber bar jeden Sinns. Da der einzige Maßstab für die Kultiviertheit des Landes nun tatsächlich die Quantität der "kulturellen Aktivitäten" ist, die sich auf seinem Boden ereignen,70 ist es nicht weiter verwunderlich, daß das Schlagwort MKG so durchschlagend einschlagen konnte. Da unseren Gebildeten offenbar alle anspruchsvolleren Begriffe von Kultur abhanden gekommen sind, kann es niemanden überraschen, daß sie glauben, jede folkloristische Kuriosität, mit der die Einwanderer die Kulturprogramme unserer Städte anreichern, sei eine Bereicherung unserer Kultur.

Der europäische Kulturzerfall - ein Tabuthema, das in den Mund zu nehmen in der Kulturszene freilich als hoffnungslos altfränkisch gilt - ist die conditio sine qua non für den unkritischen Import des Kulturschutts der ganzen Welt. Es ist daher auch deplaziert, hier von Überfremdung zu reden.71 Wo das Eigene nicht mehr definierbar ist, gibt es nichts mehr, was noch überfremdet werden könnte. Einer Elite, die Unterschiedliches nicht mehr verschieden bewerten kann, muß selbstverständlich alles als gleichwertig erscheinen. Ihre Begeisterung für die MKG ist nur das Resultat des Zusammenbruchs aller Werte, der eng mit der Geschichte des politischen Niedergangs und der allgemeinen Dekadenz Europas verquickt ist. Man kann die MKG als die Endstation auf der Bahn einer ständig fortschreitenden Entwertung der Werte begreifen, die über die Zwischenstation des sogenannten Kulturrelativismus72 endlich beim puren Kulturnihilismus angelangt ist, der - Perversität der Perversitäten! - unter dem Vorwand der Vermehrung der Kultur aller Kultur den Garaus macht. Der Nihilismus, den Nietzsche vor über hundert Jahren heraufkommen sah und den niemand mehr beim Namen nennt, seit er da ist, manifestiert sich in unterschiedlichen Formen und läuft unter vielerlei Etiketten: Liberalismus, Pluralismus, Postmodernismus73 und eben auch MKG. Aber an keiner seiner Erscheinungsformen wird so unmittelbar deutlich, daß unsere Kultur mit ihrem Latein am Ende ist, wie am Engagement unserer Kulturelite für die MKG.

Die Bereitschaft unserer Intellektuellen, sämtliche kulturellen Äußerungen der Menschheit als gleichwertig anzuerkennen, ist nicht etwa ein Zeichen ihres tiefen Respekts vor den Eigentümlichkeiten fremder Kulturen, sondern nur der Ausdruck eines egalitären, kosmopolitischen und humanitären Nihilismus74 , dem im Grunde alle Kulturen gleichgültig sind. Da nach dem egalitären Bekenntnis der Vorkämpfer der MKG alle Menschen von Natur gleich sind und nur das allen Menschen gemeinsame Menschliche zählt, sind in ihren Augen alle Kulturen nur mehr oder weniger mißglückte Variationen ein und desselben Themas. Ob Allah, Shiva, Jehova, alles egal! So Können im Supermarkt der MKG alle Weisheiten der Menschheit verramscht werden: "ein Schuß Zen, zwei Prisen Taoismus, ein Tropfen Inkareich, ein kleines bißchen tibetanisches Totenbuch, zwei Teelöffel tansanischen Sozialismus, das ganze etwas köcheln lassen, und schon ist der magische Heilstrank fertig."75 Von dieser Resteverwertung aus allen Kulturen der Welt kann man nur sagen, was Pascal Bruckner über Roger Garaudys Programm einer kosmopolitischen Kultur gesagt hat: "Der Entwurf ist sicher beeindruckend, aber er enthält auch die gesamte Dummheit jedes Anspruchs auf Allgegenwärtigkeit: denn da ich nicht als ein Niemand in einem zeit- und ortlosen Raum existiere, weiß ich nicht, wie ich ... hintereinander montags Wischnu-Anhänger, dienstags Voodoo-Jünger, mittwochs Castrist, donnerstags Protestant, freitags Konfuzianer, samstags Yogi, sonntags Sozialist, Jude und Katholik sein könnte, ganz abgesehen natürlich von meinen persönlichen Überzeugungen. Die weltumspannenden Denkweisen sind nur noch ein schlecht zusammengenähtes Patchwork von Zitaten ohne Datum und Referenz, von Glaubensbekenntnissen, die wie Perlen aneinandergereiht werden, ohne daß man sich um Stimmigkeit oder eine historische Perspektive bemühte. Diese ungeheuerliche Bouillabaisse verbindet natürlich eine komplette Unkenntnis der verschiedenen Traditionen mit einer tiefen Geringschätzung jeder einzelnen von ihnen ... Der Kosmopolitismus könnte durch folgenden Syllogismus wiedergegeben werden. Die Prämisse ist: alle Kulturen sind gleichermaßen wahr, keine ist es mehr als die andere. Daraus folgt, daß der totale Mensch die Summe der früher aufgespaltenen Kulturen sein muß. Schlußfolgerung: alle Kulturen sind eine einzige Kultur, folglich ist keine Kultur an sich beachtlicher als eine andere, denn sie sind alle nur Probestücke der Weltzivilisation. Das Resultat ist das Gegenteil dessen, was die Prämissen aussagten ... Der Kult der Differenz mündet in quietistischer Gleichgültigkeit: wenn alles gleichviel wert ist, zerstören und widerlegen sich die Weltanschauungen gegenseitig ... Wir sind alle gleich, weil ihr mir alle gleichgültig seid."

VIII.
Dieser Befund scheint zumindest dem Selbstverständnis der Anhänger des normativen Modells der MKG zu widersprechen, die mit Nachdruck betonen, daß es ihnen um die Anerkennung der Eigenart der einzelnen Kulturen gehe.76 In der Tat hat die Anerkennung der kulturellen Unterschiede in der MKG-Rhetorik eine große Rolle gespielt, als die multicultural society in den Siebziger Jahren in den USA, Kanada und in Australien zur programmatischen Formel einer neuen Minderheitenpolitik avancierte, die den ethnischen Minoritäten unter der Devise "different but equal" zugleich mehr kulturelle Selbstbestimmungsrechte und mehr politische Mitbestimmung einzuräumen versprach. Dieses normative Konzept der MKG war anscheinend eine Konzession an unzufriedene ethnische Minderheiten, die einerseits die Assimilation verweigerten, andererseits volle Gleichberechtigung forderten. Es sollte die bis dahin in den genannten Einwanderungsländern allgemein akzeptierte Strategie der Assimilation ersetzen und schien insofern tatsächlich auf eine Anerkennung der Differenz hinauszulaufen.77

In den USA löste die neue Politik auch eben wegen dieser Tendenz einen veritablen Kulturkampf78 aus. Der Protest von Vertretern der weißen angelsächsischen Mehrheit entzündete sich vor allem an Maßnahmen der umgekehrten Diskriminierung79 wie den berüchtigten Quotenregelungen, durch die bestimmte Minderheiten de facto privilegiert wurden; er richtete sich aber auch gegen die Preisgabe des Traums vom melting-pot der Nationen, mit der sich die Vereinigten Staaten offiziell von dem jahrhundertelang hochgehaltenen Ziel verabschiedeten, aus dem Asyl der Welt mit seinem Potpourri rassischer, ethnischer und religiöser Minderheiten nach der Devise "e pluribus unum", die heute noch jede Dollarnote ziert, eine neue Nation zu machen. Während der Nationalist Theodor Roosevelt noch verlauten ließ, entweder sei einer ein Amerikaner und nichts anderes, oder er sei überhaupt kein Amerikaner80 , wurde nun eine Ideologie des kulturellen Pluralismus, die nur noch Bindestrichamerikaner kennen wollte, zur Staatsdoktrin erhoben.81 Die Chefideologen der MKG riefen die "diversity" sogar als das eigentliche Ziel der Geschichte Amerikas aus, "as an end in itself". Den tiefgreifenden Wandel, den die Vereinigten Staaten seitdem durchgemacht haben und der in Europa noch kaum bemerkt worden ist, hat der liberale Arthur M. Schlesinger unter dem alarmierenden Titel The Disuniting of America im Detail beschrieben. Die Dekomposition der first new nation ist anscheinend in vollem Gange.82 Wie es zu dieser Kulturrevolution kommen konnte, ist heute noch unklar. War sie, wie Lawrence Auster im Hinblick auf die Initialzündung des Immigrations Reform Act von 1965 gemeint hat, ein Produkt der Ahnungslosigkeit und Zufalls?83 Muß man sie als ein unvermeidliches Resultat der Bürgerrechtsbewegung verstehen? Hat die Administration vielleicht einfach die notwendige Konsequenz aus der Einsicht gezogen, daß das kulturell affine Immigrantenreservoir Europas erschöpft war und mehr und mehr nicht assimilierbare Einwanderer aus exotischen Ländern kamen? Oder sollte es sich, wie von Verschwörungstheoretikern gemutmaßt wurde, eher um eine von langer Hand geplante, bewußt inszenierte Revolution von oben handeln, bei der bestimmte einflußreiche Kreise84 und Minderheiten, die sich von der MKG eine Verbesserung ihres Status versprachen85 , die Fäden zogen?

Es leuchtet ein, daß die im normativen Modell der MKG vorgesehene Kombination von Assimilations- und Diskriminierungsverbot für eine Minderheit wie die traditionsbewußten Juden, die stets eifersüchtig auf die Bewahrung ihrer Identität bedacht waren86, sehr attraktiv sein mußte.87 Es ist daher auch nicht überraschend, daß Juden an der Entwicklung der Doktrin des Kulturellen Pluralismus und des Modells der MKG von Anfang an einen hervorragenden Anteil hatten. In den Vereinigten Staaten von Amerika war es Horace M. Kallen, der Sohn eines aus Schlesien eingewanderten Rabbiners, der - in einem Aufsatz mit dem Titel Democracy Versus the Melting-Pot, der bereits im Februar 1915 in der New Yorker Wochenzeitung The Nation erschienen war und damals ziemlich Furore machte, - wohl als erster die herrschende Assimilationsdoktrin grundsätzlich in Frage gestellt und das Bild eines kulturell pluralistischen Amerika entworfen hat, das das ganze normative Modell der MKG in nuce vorwegnimmt.88 Er hat dabei aber nur Ideen aufgenommen und auf die amerikanischen Verhältnisse angewandt, die in den Vielvölkerstaaten Europas unter dem Stichwort Kulturautonomie liefen.

Die "Kulturautonomie" als Rezept zur Lösung der Nationalitätenprobleme polyethnischer Staaten war bereits nach 1866 von dem österreichischen Liberalen Adolph Fischof lanciert worden und wurde dann zu Beginn des Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg von Austromarxisten im Detail ausgearbeitet.89 1905 wurde sie in Zürich vom russisch-jüdischen "Bund", 1912 unter dem Vorsitz Trotzkis von den Menschewiken in Wien diskutiert und ist auch in die jüdischen Vorschläge an die Versailler Konferenz zur Neuordnung Osteuropas eingegangen.90 Den ersten Blütenträumen der Kulturautonomie war allerdings nur ein kurzer Frühling beschieden. Ihre große Zeit war die Völkerbundära. Durch die völkerrechtliche Anerkennung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung hatten sich die Nationalitätenprobleme in den Vielvölkerstaaten verschärft.91 Überall ging es jetzt um die Frage, ob und inwiefern den einzelnen Völkern, Volksgruppen und nationalen Minderheiten "Selbständigkeit" einzuräumen sei. Die Spanne der Lösungsmöglichkeiten reichte von der Sezession und Irredenta bis zur Gewährung von "Minderheitenrechten", die mehr oder weniger institutionalisiert waren und mit denen den Angehörigen einer "Nationalität" unterhalb der staatlichen Ebene eine gewisse "territoriale" oder "personale" Autonomie gewährt werden sollte, vor allem die Anerkennung der Minderheitensprache als Amts- und Verkehrssprache, eigener Schulen und sonstiger Erziehungsanstalten (Schulverwaltung, Unterricht in der Muttersprache), eigener Museen, Theater, Bibliotheken, Zeitungen, Verlage, Vereine, Wohlfahrtseinrichtungen Kirchen (Liturgie und Religionsunterricht in der Muttersprache, inneres Kirchenrecht) etc. etc. Und für eine bestimmte, institutionalisierte Form der "nationalen Selbstbestimmung in Verwaltung und Gesetzgebung", die sich hauptsächlich auf die "Pflege des Unterrichtswesens", aber auch auf "soziale", "karitative", "künstlerische", "sportliche" und ähnliche Angelegenheiten bezog, hat sich damals der Terminus "Kulturautonomie" eingebürgert. Abgesehen von Estland, wo mit dem "Gesetz über die Gewährung der Kulturautonomie" vom 5. Februar 1925 "Kulturparlamente", Kulturräte" und "Kulturverwaltungen" ins Leben gerufen wurden, der ephemeren unabhängigen Ukraine von 1918, die entsprechende Gesetzte erließ, und der seit 1921 zu Finnland gehörigen "kulturautonomen Provinz" der Alandsinseln, sind die Realisierungsversuche damals im Planungsstadium oder in ersten Ansätzen steckengeblieben.92 Trotzdem sind diese Vorhaben im Rückblick von großem Interesse, denn sie zeigen, was die Anerkennung verschiedener Kulturen in einer MKG politisch bedeutet.

Auf den ersten Blick scheint mit der kulturellen Autonomie ethnischer und nationaler Minderheiten das Hauptproblem aller Vielvölkerstaaten lösbar zu sein: mit der Respektierung der Kulturellen Unterschiede wäre anscheinend der Stoff, an dem sich Nationalitätenkonflikte zu entzünden pflegen, entschärft und der innerstaatliche Friede gerettet. Auf den zweiten Blick nimmt sich das Patentrezept schon weniger überzeugend aus. Man kann die Einräumung von Kulturautonomie in Analogie zur Gewährung von Religionsfreiheit nach den ergebnislos verlaufenen konfessionellen Bürgerkriegen als Versuch der politischen Klasse verstehen, einem Konflikt, der die Einheit des Staates bedroht, auf eine andere, neutrale Ebene auszuweichen:93 statt den Streit auf dem umstrittenen Feld durchzufechten, also die Minderheiten entweder zur Assimilation oder zur Segregation zu zwingen, oder statt wenigstens eine Einigung in einem höheren Dritten anzustreben, werden die strittigen Fragen zur politisch unwichtigen Privatangelegenheit erklärt, und die Einheit des Staates wird auf einer anderen, niedrigeren Ebene gesucht, wo zwischen den verfeindeten Gruppen nichts kontrovers ist.

Da die Pointe der Gewährung von Kulturautonomie für die Regierenden hauptsächlich darin bestünde, das politische Streben der nationalen Minderheiten und Volksgruppen nach "nationaler Selbstbestimmung" durch Einräumung einer unpolitischen Teilautonomie zu unterlaufen und virulente Nationalitätenkonflikte dadurch zu entschärfen, daß sie den nationalen Minderheiten und Volksgruppen in Bereichen Konzessionen machen, die nach ihrer Ansicht für die Nationalitäten von vitaler Bedeutung, für ihre eigenen Interessen oder für das Gesamtinteresse des Staates aber relativ belanglos sind, würde mit der Gewährung von Kulturautonomie die Kultur der Minderheiten in politischer Hinsicht nicht aufgewertet, sondern abgewertet. Der Sinn der Strategie ist ja gerade die politische Neutralisierung der Eigentümlichkeiten, die den Minderheiten besonders am Herzen liegen. Indem diese als rein "kulturelle" Angelegenheiten definiert werden, werden sie entpolitisiert.94 Die Nationalitäten und Volksgruppen, die als politische Potenzen anerkannt sein möchten, werden als bloß "kulturelle" eingestuft. Damit würde die Volkszugehörigkeit zur Privatsache, zum politisch belanglosen sozialen Status. Die Mitglieder von Volksgruppen und Nationalitäten wären zwar politisch gleichberechtigt, aber eben gerade nicht als Mitglieder von Volksgruppen oder Nationalitäten, sondern als von allen ethnischen Merkmalen befreite Staatsbürger oder Menschen.

Der Staat hätte damit zwar unter Umständen den inneren Frieden gewonnen, ansonsten aber vieles verloren. Wie der christliche Staat nach der Trennung von Staatsbürgerschaft und Konfession mit der Anerkennung der Glaubensfreiheit zum religiös agnostischen Staat wurde, so würde der Nationalstaat nach der Trennung von Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeit mit der Anerkennung der Kulturautonomie notwendig zum national agnostischen Staat. Die ethnischen Gemeinsamkeiten, auf denen ein Nationalstaat, und zumal ein demokratischer, beruht,95 könnten nun nicht mehr den Kitt der staatlichen Einheit bilden. Da die Angehörigen der ethnischen und nationalen Minoritäten trotz ihrer kulturellen Verschiedenheit als gleichberechtigte Bürger behandelt werden müßten, käme die Kultur als einigendes Band des Gesamtstaates nicht mehr in Betracht. Auch die Kultur der Mehrheitsbevölkerung wäre damit notwendig entwertet. Entgegen dem Eindruck, den das Schlagwort MKG suggeriert, wäre also ein solcher Staat kein Kulturstaat im traditionellen Sinne mehr96 . Damit hätte er aber im Vergleich zum Nationalstaat nicht nur einen Teil seiner Legitimität, seines Ansehens und seiner Macht eingebüßt. Der nicht nur in konfessioneller, sondern auch noch in kultureller Hinsicht agnostische Staat einer MKG wäre jeden Inhalts entleert, der perfekte Nihilist.

IX.
Als in den europäischen Ländern infolge der anhaltenden Masseneinwanderung von Fremden eine ähnliche Lage entstand wie zuvor in den klassischen überseeischen Einwanderungsstaaten, war die Kulturautonomie längst vergessen. Wie in Amerika scheint die Idee der MKG auch in Europa eher das Ergebnis einer Verlegenheit als das Ziel einer bewußt geplanten Politik gewesen zu sein. Als in Deutschland in den sechziger Jahren zur Auffüllung der Lücken, die durch eine forcierte Politik des sozialen Fortschritts auf dem Arbeitsmarkt entstanden waren, Gastarbeiter aus benachbarten Ländern importiert wurden, sprach noch niemand von MKG. Selbst als in Expertenkreisen zur Kompensation des absehbaren langfristigen Bevölkerungsgangs schließlich eine gezielte Wanderungspolitik entwickelt wurde, die durch eine Politik der Integration ergänzt werden sollte, mit der die Gastarbeiter in die Solidargemeinschaft der Rentenversicherung eingebunden werden sollten, war davon noch nicht die Rede. Man förderte den Familiennachzug und die Eingliederung der jugendlichen Ausländer in das Bildungssystem in der naiven Erwartung, daß sich auf diese Weise die benötigte Ersatzbevölkerung im Lande halten ließe. Unter Integration verstand man damals allgemein Assimilation. Bei den Sozialwissenschaftlern war allerdings schon zu Beginn der Siebziger Jahre eine Problematisierung dieses Integrationskonzepts zu beobachten. Da wurden - aus ideologischen Gründen, aber auch unter dem Eindruck der Ergebnisse der amerikanischen Assimilationsforschung schon relativ früh Zweifel an der Assimilationsideologie laut. Von einer Zwangsgermanisierung wollte natürlich ohnehin niemand etwas wissen. Die meisten Soziologen plädierten damals für eine sanfte Form der Integration97 , die sie als interaktionistisch bezeichneten und die darauf hinauslaufen sollte, daß Einheimische und Ausländer auf einander zugehen und eine gemeinsame neue Kultur bilden sollten.98 Als sich Amerika gerade vom Schmelztiegel verabschiedete, wurde er von unseren amerikanisierten Intellektuellen neu entdeckt. Die Mehrzahl der Ausländer wollte freilich von ihrem Mischtopf nichts wissen; sie beharrten stur auf der Respektierung ihrer nationalen Identität. Auch sah man sich zunehmend mit Minoritäten konfrontiert, die sich zwar nicht assimilieren lassen wollten, aber trotzdem politischen Gleichberechtigung forderten.99

In dieser Situation schien sich das Konzept der MKG als Ei des Kolumbus anzubieten, kam es doch anscheinend den Wünschen der Ausländer sogar noch weiter entgegen als das Angebot der Vermischung und bot dabei dennoch a la longue die Aussicht auf eine ganz neue internationale Kultur. Für viele Linke war das Modell der MKG zwar insofern suspekt, als die proklamierte Anerkennung der kulturellen Verschiedenheit mit dem Ideal der Gleichheit kollidierte, das sie sonst favorisierten. Einzelne Genossen monierten denn auch prompt, daß sich die Linke mit dem Kult der Eigentümlichkeiten auf das Terrain ihrer konservativen Gegner begebe.100 Aber solche Bedenken erwiesen sich bald als völlig gegenstandslos und gingen in der allgemeinen Begeisterung für eine künftige neue Gesellschaft unter, die zugleich konsequent pluralistisch und konsequent egalitär sein sollte und in der sich endlich der alte Traum einer offenen Weltbürgerrepublik101 zu erfüllen schien. Die Verwirklichung der kosmopolitischen Republik in einem Lande, das war das Ziel, das die Mehrheit der deutschen Linken nun unter der Fahne der MKG ansteuerte. Der ursprünglich intendierte Zweck der Wanderungspolitik wurde von ganz anderen Zielen überlagert.102 Kaum jemand interessierte sich noch für die Frage, wie man Gastarbeiterfamilien dauerhaft in die Solidargemeinschaft des Sozialstaats einbinden könnte. Die Wanderarbeiter gerieten überhaupt völlig in den Hintergrund; ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten jetzt die Flüchtlinge, abenteuerlustige junge Leute aus ärmeren Himmelsstrichen zumeist, die sich vor allem in Deutschland mit seinem kuriosen individuellen und einklagbaren Grundrecht auf Asyl unter dem Vorwand der politischen Verfolgung zu Hunderttausenden Eingang verschaffen konnten und oft jahrelang vom Steuerzahler durchgefüttert werden mußten, obwohl die von ihnen angegebenen Fluchtgründe in den seltensten Fällen einer gerichtlichen Prüfung standhielten.103 Zur Verteidigung dieses Schwindelunternehmens, das eine regelrechte Verhöhnung des Rechtsstaats darstellte, wurde von einer humanitären Lobby, die sich aus Christen, Sozialisten, Liberalen und allerlei Randgruppen des Untergrunds zusammensetzte, eifrig auf den Topos MKG zurückgegriffen. Ohne Unterlaß wurde der Öffentlichkeit eingeredet, sie müsse diese Einwanderung, die nichts als Ballastkosten und Friktionen verursachte,104 als eine Chance begreifen. Die Deutschen, hieß es, müßten endlich einsehen, daß ihnen dieses Land nicht mehr alleine gehört. Die MKG wurde mehr und mehr als eine quasi moralische Verpflichtung zur Akzeptanz der Einwanderung und der damit einhergehenden fortschreitenden Internationalisierung des Lebens interpretiert. Zwar machen sich MKG-Propagandisten nur vereinzelt öffentlich für die Abschaffung ihres Volkes stark, aber aus all ihren Reden ist die Überzeugung herauszuhören, daß ethnisch homogene Staaten der Vergangenheit angehören und durch ein Völkergemisch a la USA zu ersetzen seien.

Das Modell der MKG, das in den klassischen überseeischen Einwanderungsländern zunächst als Notlösung für ein Problem konzipiert worden war, das sich ungewollt angestaut hatte, und das sich erst nach und nach im Lager der Minderheitenvertreter zu einer ultrapluralistischen Ideologie auswuchs, wurde in Europa von seinen Anhängern sogleich als eine Art Heilslehre verstanden. Aus der Verlegenheitslösung des Problems der Integration zugewanderter Minderheiten, die sich der Assimilation verweigerten, wurde im Handumdrehen eine Devise von Kulturrevolutionären, die die Wanderungspolitik zum Instrument einer radikalen Veränderung der politischen Landschaft umfunktionierten. Die MKG ist heute die Erkennungsparole aller Feinde des Nationalstaats. Die Verlautbarungen der Wortführer lassen keinen Zweifel, daß die Anerkennung der kulturellen Identität von Minderheiten für sie allenfalls eine Mittel zu dem Zweck ist, den Nationalstaat aus den Angeln zu heben. Keinem geht es wirklich um die Kultur der ethnischen Minderheiten.105 Niemand diskutiert in Deutschland ernstlich über die Institutionalisierung der Kulturautonomie. Es ist allenfalls von Diskriminierungsverboten die Rede. Das eigentliche und auch offen deklarierte Ziel der MKG-Propagandisten ist die Auflösung der ethnischen Homogenität der europäischen Nationalstaaten. Das - und nichts anderes - ist hic et nunc der konkrete politische Sinn des Schlagworts.

X.
Im Unterschied zu allen großen Geistern des Abendlandes, die vom Hl. Augustinus106 bis zum unheiligen Carl Schmitt107 der Ansicht waren, daß von so etwas wie einem Volk oder Staat nur die Rede sein könne, wenn einer Menschenmasse außer dem banalen und brutalen biologischen Faktum des Menschseins noch einiges andere gemeinsam sei, scheinen die Anhänger der MKG zu glauben, eine ethnisch heterogene, nicht nur in sozialer, sondern auch in kultureller Hinsicht pluralistische und offene Gesellschaft sei die unabdingbare Voraussetzung einer richtigen Demokratie. Sie treten daher im Namen einer pluralistischen Demokratie gegen den Nationalstaat an. Es ist allerdings mehr als wahrscheinlich, daß eine MKG nicht mit einer Demokratie - wenigstens nicht mit einem Regime, das diesen Namen verdient - vereinbar wäre.108 Die amerikanischen Pluralisten behaupten zwar das Gegenteil. Wenn man sie hört, kann es in einem nicht genug autonome Minderheiten geben. Indem sie die Macht der Regierung beschränken, sollen Minderheiten die Garanten der bürgerlichen Freiheit sein.109 Heute sehen selbst liberale Amerikaner wie Arthur M. Schlesinger ein, daß dieser pluralistische Glaube ein Luxus war, den sich Amerika leisten konnte, solange die angelsächsische Kulturhegemonie allgemein anerkannt war. Nun müssen sich auch die Pluralisten in den USA plötzlich wieder der alten politischen Kardinalfrage stellen, wie man aus dem Vielen eine Einheit machen könnte. Und manches spricht dafür, daß in modernen dynamischen und pluralitischen Industriegesellschaften bei der ständig zunehmenden sozialen Differenzierung jene Allmende kollektiver Güter, die man als nationale Kultur bezeichnet, noch die einzig mögliche Basis politischer Gemeinsamkeit darstellt.110 Ernest Gellner hat sogar behauptet, ein echter kultureller Pluralismus sei unter den heutigen Bedingungen nicht mehr möglich, weil Menschen heutzutage nur noch in Einheiten leben könnten, die durch eine gemeinsame Kultur definiert werden und sich durch hohe interne Mobilität und einen ständigen Kommunikationsfluß auszeichnen.111

Damit sind wir bei der eigentlich interessanten politischen Frage angelangt, wer denn ein Interesse daran haben könnte, den Völkern Europas die unbezweifelbare kulturelle Verarmung, die ihnen eine MKG bescheren würde, als kulturelle Bereicherung zu verkaufen? Cui bono? Wer profitiert von dem Kulturchaos einer MKG?

In den USA haben von der Umkehrung der Dollar-Devise bislang allenfalls bestimmte Minderheiten profitiert. Und auch die werden ihre Privilegien auf die Dauer nur genießen können, wenn sie im allgemeinen Kulturchaos fest zusammenhalten. Für Minderheiten von der Art des europäischen Hochadels, der seine Identität und Geschlossenheit durch ein jahrhundertelanges Konnubium nach dem Prinzip der Ebenbürtigkeit wahren konnte,112 oder der Juden, die sich durch Religion und Inzucht sogar durch die Jahrtausende erhalten haben,113 könnte die MKG eine große Chance sein.114 An den Kragen gehen wird es aber sicherlich den sogenannten Mehrheitsbevölkerungen der demokratischen Nationalstaaten, die sich von den Sirenengesängen der MKG-Prediger einlullen und solange widerstandslos unterwandern lassen, bis sie sich in einem Land wiederfinden, in dem nichts mehr an ihre alte Kultur erinnert.

Es wäre daher auch zu erwarten, daß sich die politischen Repräsentanten der europäischen Nationalstaaten als Vertreter der "Mehrheitsbevölkerungen" nicht gerade für die MKG begeistern können. Tatsächlich scheinen sie sich auch weitgehend aus der MKG-Kampagne herauszuhalten. Im Unterschied zu Australien und Kanada ist die MKG bisher in keinem größeren europäischen Staat zum offiziellen Regierungsprogramm erhoben worden. In Deutschland unterstützt die regierende Minderheit, der natürlich nicht entgangen ist, daß die MKG von der Mehrheit ihrer Wähler abgelehnt wird, die Kampagne allenfalls indirekt durch die Einsetzung von Ausländerbeauftragten und Ausländerbeiräten, mit politischer Bildungsarbeit in den Schulen oder mit Ordensverleihungen an verdiente Ausländerfreunde. Sie macht allerdings kein Geheimnis daraus, daß auch sie den Nationalstaat für ein anachronistisches Gebilde hält und entschlossen ist, ihn in einen supranationalen Bundesstaat zu überführen, dessen Organe sich ihrerseits nachdrücklich für die Idee der MKG einsetzen und der bei Licht betrachtet auch ziemlich genau den Vorstellungen der MKG-Ideologen von der Gesellschaft der Zukunft entspricht. Das macht verständlich, warum die konservative deutsche Regierung selbst gegen MKG-Propagandisten, die sich prononciert linksradikal gebärden, nichts unternimmt. Auch wo sich die multikulturellen Ausländerfreunde mit eindeutig verfassungswidrigen Zielen exponieren oder, wie mit dem Kirchenasyl, strafbare Handlungen zuschulden kommen lassen, läßt sie die Regierung im Gegensatz zu ihren Gegnern, die als Ausländerfeinde stigmatisiert und von Staats wegen verfolgt werden, großzügig gewähren. Das deutet nicht gerade auf eine Interessenkollision hin.

Das stillschweigende Einverständnis ist wohl nur aus dem Umstand zu erklären, daß beide letztlich dasselbe wollen. Tatsächlich muß man die europäische Einigung und die MKG - um eine Lieblingswendung des deutschen Kanzlers zu variieren - als zwei Seiten derselben Medaille betrachten. Der Unterschied zwischen den Europapolitikern und den MKG-Propagandisten besteht nur darin, daß die einen bereits wortlos ins Werk setzen, was die anderen nur wortreich verkünden. Die Propagandaarbeit der linken Hilfstruppen ist darum freilich aus der Sicht der Regierenden nicht überflüssig, denn sie wissen wohl, daß das begonnene Werk nur zu einem gedeihlichen Ende gebracht werden kann, wenn es gelingt, auch noch die renitente Bevölkerungsmehrheit zur Akzeptanz des eingeschlagenen Kurses zu bewegen.115 Cohn-Bendit streitet also sozusagen für Helmut Kohl. Auch solche skurrilen Allianzen werden durch das harmlos klingende Schlagwort MKG gedeckt, geht es dabei doch scheinbar nicht um Politik, sondern um Kultur. Und wie sollte eine rein kulturelle Angelegenheit staatsgefährlich oder verfassungswidrig sein? In einem Kulturland wie Deutschland!

Aus der Perspektive unserer demokratischen Eliten, die dabei sind, sich von der Basis ihrer Völker zu emanzipieren und nach Europa abzusetzen, ist die Umstimmung der Volksseele zugunsten der Transformation der ethnisch homogenen demokratischen Nationalstaaten in einen ethnisch heterogenen supranationalen Vielvölkerstaat vermutlich der eigentliche Hintersinn der MKG-Kampagne. Es versteht sich, daß das nicht allen Mitwirkenden, geschweige denn allen Mitläufern der Massenbewegung bewußt ist, von denen die meisten sicherlich ganz naiv an den Wortlaut der Formel glauben. Aber die Ablenkung von diesem eigentlichen politischen Ziel ist zweifellos die politische Pointe des Schlagworts. Obwohl die Mehrheit unserer Politiker in aller Offenheit für die Abschaffung der Nationalstaaten eintritt, wird ihnen niemand unterstellen wollen, die Liquidierung des eigenen Volkes sei das bewußte Ziel ihrer Wanderungspolitik. Sofern sie nicht einfach naiv an die umgekehrte Dollar-Devise, also an die ultrapluralistische Ideologie von der Vollendung der Demokratie in einer Minderheitengesellschaft glauben, wird man eher davon auszugehen haben, daß sie einfach die Chancen wittern, die die alte Herrschaftsmaxime divide et impera116 ihnen eröffnet, Chancen, an die die amerikanischen Pluralismustheoretiker anscheinend nicht gedacht haben, als sie verkündeten, Minderheiten seien die Garanten für Freiheit und Demokratie. Aber warum sollte einem europäischen Politiker, und zumal einem Eurotechnokraten, der Gedanke fremd sein, sich durch die Auflösung der homogenen Völker in ein Gewirr ethnischer Minderheiten von den Fesseln der Mehrheitsdemokratie zu befreien?117 Da sich Minderheiten relativ leicht gegeneinander ausspielen lassen, läßt es sich in einer Minderheitendemokratie trefflich regieren. Dem Kaiser Franz wird der zynische Ausspruch zugeschrieben: "Ich kann die italienischen Truppen nach Ungarn und die ungarischen nach Italien schicken; aus ihrer gegenseitigen Antipathie entsteht die gesetzliche Ordnung, und ihr Haß gegeneinander verstärkt den allgemeinen Frieden." Kein Zweifel also, daß eine MKG dem Frieden dient und denen, die ihm dienen. Heute werden - von ganz anderen Kaisern - bereits multinationale Krisenreaktionskräfte mit einem UNO-Mandat in wildfremde Länder geschickt, um Völker daran zu hindern, von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch zu machen.118 Der UNO-Generalsekretär hat wiederholt eigene Truppen zum Einsatz gegen unbelehrbare Nationalisten gefordert, und sogar aus Deutschland haben sich bereits verfolgte Minderheiten und ihre Fürsprecher mit der Bitte um Blauhelm-Kontingente zur Bekämpfung von Ausländerfeinden an den UNO-Sicherheitsrat gewandt.119 Wenn man die Welt aus dieser Perspektive betrachtet, versteht man, warum schon König Stefan der Heilige von Ungarn (964-1038) ein Reich, das nur über eine einzige Sprache und Sitte verfügt, imbezil nennen konnte.120


1

Vgl. Henscheid, Eckard, Dummdeutsch, Stuttgart 1993, S. 162. Sogar der Chef des Frankfurter Amtes für multikulturelle Angelegenheiten, Daniel Cohn-Bendit, erklärte schon vor Jahren, das Gerede von der multikulturellen Gesellschaft gehe ihm allmählich auf den Keks, was ihn freilich nicht hinderte, weiterhin eifrig daran teilzunehmen. (Cohn-Bendit, D. u. Th. Schmid, Heimat Babylon - Gebrauchsanleitung für die multikulturelle Demokratie, Hamburg 1992)

2

Cultural... is the sociologists jargon for saying as Lewis Carroll once put it, the word means just want I choose it to mean. (Holder, R. W., The Fabers Dictionary of Euphemismus, London/Boston 1989, S. 78 (Art.cultural)

3

Vgl. Schulte, A.., Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung? in: Aus Politik und Zeitgeschichte - Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 23-24 (1. Juni 1990), S. 3-15

4

Vgl. die Übersicht bei Schulte, a.a.O., S. 6 ff.; als Beispiele der Kritik von links vgl. besonders: Leiprecht, R., Gegen die Konstruktion falscher Gemeinsamkeiten, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit (IZA) 4/89, S. 67-75; Schulze, B., Das multikulturelle Nichts, in: Links-Sozialistische-Zeitung, 1989, 11, S. 8-10 (Aktuell); Naumann, K., Multikultureller Abschied von der Integration? in: Erziehung und Wissenschaft, 1990, 1, S. 24-25; Heine, M., Multikulturelle Gesellschaft - Mehr als ein linker Kuscheltraum, in: Stadtrevue (Köln) 1989, 6, S. 38-42; Klineberg, B., Was heißt Multikulturelle Gesellschaft? - Die Kunst, einen Schnellball zu braten uns dafür ein Rezept zu schreiben, in: Widersprüche - Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich (Offenbach) 1983, 9, S. 107-113; Schmid, Th., Multikulturelle Gesellschaft - Großer linker Ringelpiez mit Anfassen, in: Die Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 1989, 6; Geiger, K. F., Gesellschaft ohne Ausländerfeinde oder multikulturelle Gesellschaft, in: Theorien über Rassismus - Eine Tübinger Veranstaltungsreihe, Argument-Sonderband AS 164, 1989, 1989, bes. S. 150-152

5

Hepp, R., Different but equal - Aristotelisches zur Demokratie im Übergang vom DNS zur MKG, in: Beismann, V. u. M. J. Klein, Hrsg., Politische Lageanalyse, Festschrift für Hans-Joachim Arndt, Bruchsal 1993, S. 70-78

6

Bittermann, K. und G. Henschel, Hrsg., Das Wörterbuch des Gutmenschen - Zur Kritik der moralisch korrekten Schaumsprache, Critica Diabolis 44, Berlin 1994

7

Zur soziologischen Bedeutung von Euphemismen als Indikatoren eines Tabus: Hertzler, J.O.: A Sociology of Lanuage, New York 1965, S. 274 ff.; Adler, M.K.: Naming and Addressing - Asociolinguistic study, Hamburg 1978, S. 66 ff., und jetzt: Balle, Chr.: Tabus in der Sprache, Frankfurt/M. etc. 1990, S. 27 ff. (Leider ohne Gespür für unsere interessantesten Euphemismen und brisantesten Tabus!)

8

Holder, R.W., The Faber Dictionary of Euphemisms, London/Boston 1989, S. 216 (multi-cultural): "All-black schools in multi-cultural Brent would be a form of Apartheit."

9

Taguieff, P.-A., La force du prejuge - Essai sur le racisme et ses doubles, Paris 1987. Der eindrucksvollste Beleg ist die ständige Vorführung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe als Inbegriff des Ausländers im Fernsehen.

10

Zu dieser Sprachregelung, die nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise von der UNESCO aufgenommen wurde, vgl. den Klassiker von Ashley Montagu: Mans Most Dangerous Myth, New York 1942 und Ders., A Consideration of the concept of Race, in: Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology, 1950, 15, S. 315-320, sowie Ders., Culture - mans adaptive dimension, New York 1968.; UNESCO, Le racime devant la science, Paris 1960; zur Kontroverse um die Terminilogie: Herbert, J.P., Race et intelligence, Paris 1977, S. 34 ff. und Dobzcansky, Th., Vererbung und Menschenbild, München 1966, S. 115

11

Jay, T.B., Doing research with dirty words, Maledicta Press 1978, S. 237 (Euphemismus-Tabu-Zyklen)

12

Kainz, F., Psychologie der Sprache, Bd. 1, Stuttgart 167, S. 91, 227, 239, 242 f., 334; Porzig, W., Das Wunder der Sprache, München 1971, S. 45, 252

13

Vgl. Holder, a.a.O., S. 87, Art. cultural

14

Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 31: Deutsches Wörterbuch, herausgegeben und bearbeitet vom Wiss. Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter der Leitung von G. Drosdowski, Mannheim/Wien/Zürich 1980, S. 1598

15

Vgl. Fumaroli, M., L'Etat culturel. Une religion moderne, Paris 1992. Marc Fumarolis Streitschrift ist eigentlich nur eine gur dokumentierte Geschichte und Ideologiekritik der Kulturpolitik der französischen Kulturlinken während der Ära Lang. Seine wesentlichen Befunde und Feststellungen ließen sich jedoch auf jedes andere europäische Land übertragen.

16

Zur deutschen Begriffsgeschichte, die eng mit der Säkularisierung des Protestantismus verquickt ist vgl. Hirsch, E., Der Kulturbegriff. Eine Lesefrucht, in: Deutsch. Vjschr. f. Lit. wiss. und Geistesgeschichte, 3, 1925, 398 ff.; Niedermann, J., Kultur. Werden und Wandlungen des Begriffs und seiner Ersatzbegriffe von Cicero bis Herder, Florenz 1941, S. 132 ff.; Fisch, J., Art. Zivilisation, Kultur, in: Brunner, O. u.a., Hrsg., Geschichtliche Grundbegriffe, Stuttgart 1992, Bd. 7, S. 679 ff.

17

Vgl. z.B. für das Museum als "ästhetische Kirche" die klassische Studie von: Schrade, H., Schicksal und Notwendigkeit der Kunst, Leipzig 1936, S. 52 ff.; als eine große Ausnahme im protestantisch-bürgerlichen Lager vgl. Polemik Paul de Lagardes gegen den "Götzendienst der Kultur": Über die gegenwärtige Lage des deutschen Reiches (1875), in: Ders., Deutsche Schriften, Gesamtausgabe letzter Band, Göttingen 1903, S. 126 f. Zum deutschen Kultursyndrom vgl. auch: Steding, Chr., Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur, Hamburg 1942 und: Ders., Kulturgeschichte und politische Geschichte, in: Reich und Reichsfeinde, Hamburg 194, Bd. 1, S. 61-79; vgl. auch: Schmitt, C., Neutralität und Neutralisierungen (1939). Zu Christoph Steding "Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur", in: Ders., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar, Genf, Versailles 1923-1939, Hamburg 1940, S. 271 ff.

18

Vgl. Fisch, J., Art. Zivilisation, Kultur, in: Brunner, O. u.a., Hrsg., Geschichtliche Grundbegriffe, Stuttgart 1992, Bd. 7, bes. S. 770 ff.

19

Programmatisch: Hoffmann, II., Kultur für alle - Perspektiven und Modelle, Frankfurt a.M. 1981

20

Erstaunlicherweise ist der Starkult als Heiligenverehrung der Freizeitgesellschaft bislang noch nicht zum Gegenstand einer religionsvergleichenden Untersuchung gemacht worden. Die Parallelen liegen auf der Hand. Für den Religionssoziologen ist z.B. die Behandlung von Schauspielern in den Talkshows des deutschen Fernsehens ein immer neuer Anlaß des Staunens. Sie werden - nicht etwa von einfältigen Kindlein, sondern von ausgewachsenen Männern, die sich sonst gerne als aufgeklärte Zeitgenossen geben und die sich sogar meist hauptberuflich als Kritiker betätigen, - unentwegt mit ihren Rollen verwechselt und mit allen Zeichen der Devotion wirklich wie Wesen aus einer anderen Welt traktiert. Und dabei wäre Feuerbach sicherlich nirgends leichter zu überschreiten als hier!

21

Vgl. Jaeger, G., and Ph., Selznick, A Normative Theory of Culture, in: American Sociological Review, vol. 29, 5. Oct. 1964, S. 654

22

Zur Rolle des Kirchenrates der EKD Jürgen Miksch bei diesem Kulturtransfer vgl. Hepp, R., Different but equal - Aristotelisches zur Demokratie im Übergang vom DNS zur MKG, in: Beismann, V. u. M.J. Klein, Hrsg., Politische Lageanalyse, Festschrift für Hans-Joachim Arndt, Bruchsal 1993, S. 66 Anm. 33

23

Zu den ökonomischen Hintergründen der Arbeitsemigration vgl. etwa: Bade, K.J., Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Berlin 1983, S. 59 ff. und: Miegel, M., Arbeitsmarktpolitik auf Abwegen - Zur Ausländerbeschäftigung in Deutschland, Stuttgart 1984, S. 95 ff. - Zu den vielfachen Ursachen der weltweiten Flüchtlingsbewegungen: Opitz, P.J., Flüchtlingsbewegungen in der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts, in: Aus Politik und Zeitgeschichte - Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 48/83 (03.12.1983), S. 33 ff., bes. S. 40 f.

24

Vgl. den Essay von Mathias Schreiber über den Bazarkult der hedonistischen Linken: Der Markt ist Kultur in: Frankfurter Allgemeine Magazin, H. 167 v. 21.07.1990

25

Miksch, J., Kulturelle Vielfalt statt nationaler Einfalt, Frankfurt/M. 1989. (Eine christliche Theologie der Vielfältigkeit zeichnet sich freilich erst in Umrissen ab. Einstweilen steht die Denunziation der Einfältigen durch einen christlichen Theologen noch mit Math. 5,3 in einem seltsamen Kontrast.)

26

Geißler, H., Zugluft - Politik in stürmischer Zeit, München 1990, S. 197

27

Geißler, a.a.O., S. 206

28

Lt. FAZ vom 28.03.1982 (Die GEW fordert fünfzigtausend neue Lehrer)

29

Wenn man die Anhänger der MKG auffordert, ihre Vision einer besseren neuen Welt zu konkretisieren, kommen meist ganz naive nationale Vorurteile und Klischees zum Vorschein, etwa in der Art des englischen Kalauers: Heaven is where the police are British, the cooks are French, the mechanics are German, the lovers Itakian, and it is all organizied by the Swiss. Unvorstellbar, daß dabei auch eine hell herauskommen könnte, where the cooks are British, the mechanics French, the lovers Swiss, the police German and it is all organizied by the Italians.

30

Geißler, H., Zugluft, München 1990, S. 209

31

Nach einem im Auftrag der schweizerischen Kirchenleitungen erarbeiteten interkonfessionellen Argumentarium, das unter dem Titel "Es gibt nur eine Menschheit" in der Schweizerischen Kirchenzeitung von 02.06.1994 veröffentlicht wurde. Untertitel: "Die Kirche ist eine multikulturelle Gesellschaft". Vgl. auch: Deutsche Bischofskonferenz, Christen Muslime in Deutschland - Eine pastorale Handreichung, Arbeits Nr. 106, Bonn 1993

32

Luhmann, N., Art. Gesellschaft (1), in: Fuchs. W., u.a., Hrsg., Lexikon zur Soziologie, Opladen 1988, S. 267

33

Gumplowicz, L., Soziologische Staatslehre, Innsbruck 1902, S. 178; Smelser, N.J., Culture: Coherent or Incoherent, in: Münch, R. and N.J. Smelser, Eds., Theory of Culture, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1992, S. 21 f.- Zu Anfang der Weimarer Republik hat ein kritischer Positivist gemeint, das Wort Kultur übertreffe an Verwaschenheit und Vieldeutigkeit sogar noch das Wort Kapital. (Neurath, O., Anti-Spengler, München 1921, S. 17) In den fünfziger Jahren stellten zwei amerikanische Ethnologen an hundertsechzig Definitionen, die sie aus der englischensprachigen Literatur zusammengetragen hatten, bereits so viele Bedeutungsvarianten fest, daß sie sie nur nach rein formalen Kriterien zu klassifizieren wagten. (Kroeber, A.L. and C. Kluckhohn, Cultur: A critical review of concepts and definitions, Papers of the Peabody Museum of American Archeology and Ethnology, vol. 47, no. 1, 1952) Mit dem Ausbau des "Kulturstaats" (Fumaroli, M., I'Etat culturel - Essai sur une religion moderne, Paris 1992) und der Einbeziehung aller in den "kulturellen Diskurs", die wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebten, dürfte die Sprachverwirrung eher noch zugenommen haben.

34

Luhmann, N., Art. Gesellschaft (4) u. Wienold, H., Art. Gesellschaft (5, 6) in: Fuchs, W. et al., Hrsg., Lexikon zur Soziologie, Opladen 1988, S. 268 f.

35

Fuchs, W. Art. Kultur (2), in: Fuchs, W. et al., Hrsg., Lexikon zur Soziologie, Opladen 1988, S. 437

36

Deutsches Wörterbuch, hrsgg. und bearbeitet vom Wiss. Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von Günther Drosdowski, Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 31, Mannheim Zürich 1980, S. 1016

37

Vgl. epd-Dokumentation Nr. 48/80 "Wir leben in der Bundesrepublik in einer multikulturellen Gesellschaft."

38

Mühlmann, W. E., Art. "Kultur" in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Tübingen 1960, Bd. III, Sp. 94 f.

39

Cf. Reynolds, V. et al., Ed., The Sociobiology of Ethnocentrism, London/Sydney 1987

40

Zu Kultur als Instinktersatz besonders Gehlen, A., Der Mensch, Bonn 1958, bes. S. 39 f., 85 f. und: Ders., Anthropologische Forschung, Reinbeck b. Hamburg 1961, S. 58 ff., 114. Vgl. auch schon: Schurtz, H., Urgeschichte der Kultur, Leipzig 1900, S. 8

41

Hepp, R., Die Endlösung der Deutschen Frage - Grundlinien einer politischen Demographie der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen/Zürich/Paris 1988, S. 174 f.

42

Hofstätter, P.R., Einführung in die Sozialpsychologie, Stuttgart 1959, S. 92

43

Rudolph, W., Art. Kultureller Relativismus, in: Ritter, J. u. K. Gründer, Hrsg., Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel/Stuttgart 1976, Bd. 4, Sp. 1332 f.

44

Cf. Levi-Strauss, C., Der Blick aus der Ferne, München 1985, S. 14

45

Mauthner, F., Art. Kultur, in: Ders., Wörterbuch der Philosophie (1910/11), Zürich 1980, Bd. II, S. 42

46

Schopenhauer, A., Eristische Dialektik, in: Arthur Schopenhauer - Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden, hrsgg. von A. Hübscher, Bd. 3, München 1985, S. 679 f.

47

Fisch, J., Art. Zivilisation, Kultur, in: Brunner, O. u.a., Hrsg., Geschichtliche Grundbegriffe, Stuttgart 1992, Bd. 7, S. 709, 711; vgl. Herder, J.G., Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784/1791), Berlin/Weimar 1965, Bd. 1, S. 208, 251, 294 ff., 351; Bd. II, S. 39, 42, 154

48

Naumann, H., Grundzüge der deutschen Volkskunde, Leipzig 1922, bes. S. 6, 56 ff. Vgl. auch: Ders., Primitive Gemeinschaftskultur, Jena 1921, bes. S. 12!

49

Vierkandt, A., Naturvölker und Kulturvölker, Leipzig 1895. Nach seiner "Kleinen Gesellschaftslehre", in der Kultur noch ganz "bürgerlich" als "Inbegriff von Leistungen und Schöpfungen" verstanden wird, "auf die man Grund hat stolz zu sein", (Kleine Gesellschaftslehre, 1936, Stuttgart 1949, S. 33), hat "jedes Volk" seine "eigene Individualität" und "bekanntlich seine besondere Kultur". (Ebda, S. 31, 33)

50

Heute würde man von einem semantischen Feld oder von einem Symbolzusammenhang sprechen. Vgl. Jaeger, G. and Ph. Selznick, A Normative Theory of Culture, in: American Sociological Review, vol. 29, %, Oct. 1964, S. 663; Mühlmann, E.E., Art. "Kultur" in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Tübingen 1960, Bd. III, Sp. 94 f. - Nach Louis Dumont (Essais sur Individualisme - Une perspective anthropologique sur Ideologie moderne, Paris 1983, S. 17) stellt jede Kultur eine Hierarchie von Werten dar; auch wenn in zwei Kulturen jeweils die Elemente A und B vorkommen, genügt es u.U., daß in der einen A über B, in der anderen B über A rangiert, um beide unvergleichbar zu machen.

51

Assimilation im Sinne der Ethnologie: Annahme und Einschmelzen von fremden Kulturelementen durch die kohärente kulturelle Ganzheit, welche dabei die wesentlichen Charakteristika der traditionellen Kultur beibehält. Dieses Weiterbestehen unterscheidet die Assimilation von der Anomie und vom kulturellen Synkretismus. (Panoff, M. u. M. Perrin, Taschenwörterbuch der Ethnologie, München 1975, S. 37) In der Blütezeit des bürgerlichen Nationalstaats war die Assimilationskraft für alle Mitglieder der bürgerlichen Bildungsschicht, inklusive der führenden Sozialisten, ein Kriterium der Vitalität eines Volkes. Vgl. Mommsen, H., Art. Nationalismus, Nationalitätenfrage II, in: Kernig, C.D., Hrsg., Marxismus im Systemvergleich, Geschichte 3, Frankfurt/M. 1973, Sp. 125

52

Über die griechische Form der Aneignung, die epinomis, sagt L. Rougier (La religion astrale des pythagoriciens, Monaco 1984, S. 22): "Tout ce que les Grecs ont pu recevoir des Barbares, ils l'ont porte´ a´ un plus haut degre´ de perfection."

53

Erinnert sei nur an Goethes drastische Bemerkung über die Assimilationskraft der Sprache: "Die Gewalt der Sprache ist nicht, daß sie das Fremde abweist, sondern daß sie es verschlingt." Im Französischen wurde das Wort intussusception (von lat. intus und susceptio), das heute nur noch in der Physiologie und Pathologie Verwendung findet, früher noch zuweilen in einem ähnlichen Sinn gebraucht. (Charles Maurras, Mes idees politiques, Paris 1937, S. 265)

54

Jene ahnungslosen Propagandisten der MKG, die mit dem Abstammungsnachweis des preußischen Schellenbaums von einem Rassel- und Klingelinstrument der Janitscharen beweisen wollen, daß es so etwas wie deutsche Kultur gar nicht gibt und daß wir schon immer türkisch waren, verkennen natürlich völlig, daß der ursprüngliche "Halbmond", abgesehen von den äußeren Veränderungen die er nach seiner Übernahme durchgemacht hat, in den preußischen Militärkapellen nicht etwa zur Begleitung türkischer, sondern preußischer Marschmusik eingesetzt wurde und daß er - so er es denn überhaupt in seiner dienenden Stellung als bloßes Instrument der Musik in den Augen unserer Altvorderen je zum Kulturgut gebracht haben sollte - dadurch jedenfalls in seiner musikalischen Bedeutung zum reinen Preußen wurde. Als solcher mag er dann in der Tat die deutsche Kultur bereichert haben wie übrigens sie ihn.- Weitere höchst amüsante Beispiele (Bleich-Soda, Rosa Luxemburg; Dampfmaschine, Beethoven, Seifenkiste, Josephine Baker etc.), die zeigen sollen, daß es in Deutschland "Fremde waren, die Fortschritt brachten", in: Spuren suchen - Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten - Unser Ort - Heimat für Fremde?, hrsgg. von der Körber-Stiftung, 2/88, S. 16-20

55

Der Philosoph Hermann Cohen (1842-1918) tat 1880 die Phrase eines frühen Vertreters der MKG, die "wahre Kultur" liege "in der Mannigfaltigkeit", barsch ab: "Wohl möglich! Jedoch nur aus der Vogelperspektive. Für Menschen mit Fleisch und Blut, die hienieden einen Staat gründen wollen, dürfte die Mannigfaltigkeit unter Umständen nicht bloß eine schwere Zumutung bedeuten, sondern geradezu eine unerlaubte." (Cohen, H., Ein Bekenntnis in der Judenfrage, Berlin 1880, wieder in: Bocklich, W., Hrsg., Der Berliner Antisemitismusstreit, Frankfurt a.M. 1965, S. 140

56

Nordhofen, E., Zuviel Ethik schadet der Moral, in: FAZ v. 06.07.90 Nr. 154, S. 33

57

Simmel, G., Über sociale Differenzierung, Leipzig 1890, S. 138

58

Dazu: Kirsch, R., Wertschätzung der Umfelder - Zum Begriff des Nationalen, in: Jung J., Hrsg., Deutschland, Deutschland, Salzburg/Wien 1979, S. 141 ff. und jetzt: Dürrmann, P., Heimat und Identität, Tübingen etc. 1994

59

Spillner, B., Hrsg., Interkulturelle Kommunikation, Kongreßbeiträge zur 20.Jahrestagung der Gesellschaft für angewandte Linguistik, Frankfurt a.M./New York 1990

60

zit. nach Weisgerber, L., Das Menschheitsgesetz der Sprache, 2. Aufl., Heidelberg 1964, S. 171

61

Porzig, W., Das Wunder der Sprache, 4. Aufl. Bern/München 1967, S. 229 ff.

62

Kainz, F., Psychologie der Sprache, Stuttgart 1965, Bd. 5/1, S. 129, 157, 209 f., 356; 1969, Bd. 2, S. 160, 209, 212, 596 ff. 660 ff., 682 ff,. 690 ff., 698 f.

63

Kainz, F., Psychologie der Sprache, Stuttgart 1965, Bd. 5/1, S. 333 ff.

64

Nach Ansicht des Ausländerbeirates der Stadt Oldenburg lernen zu viele Kinder von Ausländerfamilien weder ihre Muttersprache noch die deutsche Sprache richtig. Kinder die in dieser Sogenannten doppelten Halbsprachigkeit aufwachsen, hätten große Probleme bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. (Diepholzer Kreisblatt v. 14.10.1988)

65

Die Tatsache, daß Menschen diesselbe Sprache reden, bringt sie in viel engere Beziehung zueinander, als sie bloß in ihrer Eigenschaft als Menschen hätten... Dagegen sehen sich Menschen, die keine gemeinsame Sprache haben, in ihrem Verkehr auf die Ebene der einfachsten biologischen Beziehungen zurückgeworfen. (Porzig, W., Das Wunder der Sprache, 4. Aufl. Bern/München 1967, S. 85)

66

Kahrstedt, U., Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit, München 1944, S. 308 f.

67

Der Deutsche Sportbund beteiligte sich im Dezember 1991 mit dem Slogan "Sport spricht alle Sprachen" an einer multimedialen MKG-Kampagne. (NDR III Talkshow "Aktiv gegen Ausländerfeindlichkeit" v. 06.12.1991). Nach R. Hitzler (Ist Sport Kultur? in: Zeitschrift für Soziologie, 20.Jgg., 1991, H.6, S. 479-487) macht allerdings Kultur den Sport erst zum Sport!

68

Da der kulturelle Pluralismus nicht praktikabel ist, kommt es in jedem multikulturellen Land letztlich zu einer "Standardisierung", allerdings meist auf dem niedrigsten Niveau. Vgl. z.B.: Becker, J., Die Einheit der Vielfalt - Standardisierte Massenkommunikation als Problem der politischen Kultur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/94 v. 30.09.1994, S. 21 ff.

69

Cf. Fumaroli, M., L'Etat culturel. Une religion moderne, Paris 1992, S. 403: "tout est culturel, culture eteconomie meme combat, embrassons-nous, Folleville." Dazu paßt die Definition des Kulturmanagers Hilmar Hoffmann: "Kultur ist zunächst erstmal alles, was die kulturellen Institutionen öffentlich anbieten und was die Künstler schaffen." Was damit noch nicht abgedeckt sein sollte, fällt unter den "erweiterten Kulturbegriff". Er umfaßt "nicht nur alles, was rezipierbar ist, sondern auch, was zur Selbstverwirklichung führt, zur 'Ich-Werdung'... " (Interview in: FAZ-Magazin, H.675 v. 05.02.1993, S. 50) In den "Kulturmagazinen" des Fernsehens kann uns denn auch schlechterdings alles als "Kultur" serviert werden, was ein Redakteur aus unerfindlichen Gründen für irgendwie bedeutsam hält, vor allem natürlich seine eigene linke Ideologie.

70

Zum deutsch Kulturrummel vgl. H. M. Enzensberger Essay "Wanderzirkus, Veranstaltungstaumel - Eine kleine Pfingstpredigt über das Entbehrliche" in FAZ Nr. 123 (Bilder und Zeiten) v. 29.05.1993

71

Auch das Schlagwort von der Amerikanisierung der europäischen Kultur (Halefeld, A., Amerika und der Amerikanismus, Jena 1928, bes. S. IX ff. u. S. 3 ff.) lenkt nur von den endogenen Ursachen des Kulturzerfalls ab.

72

Cf. Rudolph, W., Der kulturelle Relativismus, Berlin 1968; Hildebrandt, H.J., Kritische Bemerkungen zum Kulturrelativismus und seiner Rezeption in der deutschen Ethnologie, in KZfSS 30, 1978

73

Vgl. Welsch, W., Postmoderne Pluralität als ethnischer und politischer Wert, Köln 1988, S. 23, 34, 37, 39, 45 f., 54 ff., 57 ff. - Soziologisch betrachtet ist der Postmodernismus a` la Welsch nichts als eine zur Theorie der MKG. Daß es auf jede Frage mehrere gleichberechtigte Antworten gebe, daß es heute um eine Befreiung des Vielen gehe oder daß nunmehr vor allem das Differente und das Heterogene zu achten seien, sind keine philosophischen Einsichten, sondern Bekenntnisse einer desorientierten Seele.

74

Vgl. F. Nietzsche über den kosmopolitischen Karneval der Götter, Sitten, Künste, Speisen, Literaturen, Zeitungen, Umgangsformen und Geschmäcker als Zeichen einer Schwäche der Verdauung: Werke in drei Bänden, hrsgg. v. K. Schlechta, München 1956, Bd. III, S. 628 und Bd. I, S. 237 f.

75

Die folgenden Zitate aus: Bruckner, P., Das Schluchzen des weißen Mannes, Berlin 1983, S. 137 f.)

76

Vgl. z.B.: Taylor, Ch., Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. Mit einem Beitrag von Jürgen Habermas, Frankfurt a.M. 1993

77

Zur Debatte um die MKG in den USA: Elschenbroich, D., Eine Nation von Einwanderern. Ethnisches Bewußtsein und Integrationspolitik in den USA, Frankfurt 1986 (bes. Kap. III); Scheuringer, B., Einheit in der Vielfalt? in: Ulbrich, St., Hrsg., Multikultopia, Vilsbiburg 1991, S. 159 ff.; dazu jetzt die gut dokumentierten Streitschriften von: Auster, L., The Path to National Suicide - An Essay on Immigration and Multiculturalism, The American Immigration Control Foundation Monterey (Virginia) 1991; Schlesinger, A. M., jr., The Disuniting of America, New York/London 1992; Alba, D. R., Ethnic Identity: The Transformation of White America, New Haven/London 1992- Zu Kanada: Henry, F., Ed., Ethnicity in the Americas, The Hague/Paris 1976, S. 23-138, Steiner-Khamsi, G., Postmoderne Ethnizität und nationale Identität kanadischer Prägung, in: Soziale Welt, 41, 1990, S. 283-298; Nöck, H., Der kanadische Multikulturalismus - ein gescheitertes Experiment, in: Nation und Europa, 43, H.1 (Januar 1993), S. 40-45 sowie den Bericht von Peter Stingelin (Kanadas Kulturideologie; Harmonische Vielfalt zwischen Wunsch und Wirklichkeit), in FAZ v. 24.05.1993 - Über Australien: Senn, W., Ed., The Making of Pluralist Australia 1950-1990, Selected Papers fort the Inaugural EASA Conference (1991), Bern 1992; Castles, St., Sozialwissenschaften und ethnische Minderheiten, Opladen 1990, S. 43-72; zu den politischen Hintergründen vgl. den hochinformativen Artikel von Peter Hill: Viele Völker und viele Sitten. Die multikulturelle Gesellschaft Australiens in der Beilage "Bilder und Zeiten" zur FAZ Nr. 94 v. 22.04.1989.

78

Hunter, J. D., Culture Wars. The Struggle to Define America, New York 1991

79

Glazer, N., Affirmative Discrimination: Ethnic Inequalitiy an Public Policy, New York 1975

80

zit. nach: Schlesinger, A. M. jr., The Disuniting of America, New York/London 1992, S. 35

81

Die Anfänge einer bewußt pluralistischen Politik lassen sich in die liberale Ära Kennedy zurückverfolgen. Vgl. Kennedy, J. F., Die Nation der vielen Völker, Düsseldorf 1965

82

Schlesinger, A. M. jr., The Disuniting of America, New York/London 1992, bes. S. 23 ff. (A New Race?), S. 58 ff. (History the Weapon), S. 73 ff. (the Battle of the Schools), S. 101 ff. (The Decomposition of America); Fuller, G. E., Das Auseinanderbrechen der Nationen und die Bedrohung der amerikanischen, in: Jeismann, M. u. H. Ritter, Hrsg., Über neuen und alten Nationalismus, Leipzig 1993, bes. S. 55 ff.

83

Auster, L., The Path to National Suicide, Monterey Virg. 1991, S. 13 f.

84

Stichworte One World-Ideologie, internationale Freimaurerverschwörung etc. Vgl. z.B. Brückmann, H., Multikultur - Anfang oder Untergang? in: Recht und Wahrheit, 9. Jgg., Nr. 1/2, Jan./Febr. 1993, S. 8-10, Nr. 7/8, Juli/Aug. 1993, S. 11 ff. Die Verschwörungstheorie wurde bislang am radikalsten formuliert und am gründlichsten dokumentiert von: Moncomble, Y., Les professionels de I'antirasisme, Faits et Documents, Paris 1987. Zur Theorie der Freimaurer-Verschwörung allgemein vgl. Rogalla von Bieberstein, J., Der Mythos von der Weltverschwörung - Freimaurer, Juden und Jesuiten als Menschenfeinde, in: Kaltenbrunner, G.-K., Hrsg., Geheimgesellschaften, Herderbücherei Initiative Bd. 69, München 1987, S. 24 ff. So abstrus der Vorwurf der Verschwörung ist, so richtig ist die Feststellung, daß sich die klassische Freimaurerei als eine Art MKG avant la lettre verstanden hat. Die internationale Gemeinschaft der Ungleichgesinnten hat zweifellos immer eine neue Synthese aus allen Nationen, Religionen und Rassen der Erde angestrebt. Vgl. z.B. Lessings Ernst und Falk. Gespräche für Freymäurer, in: Werke, hrsgg. v. J. Petersen u. W. von Olshausen, Berlin/Leipzig 1925-35, I. VI., bes. S. 34-37, oder: Art. Internationalismus und Nationalismus in: Lennhoff, B., u. O. Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon (1932), München 1975, Sp. 748. Die Freimaurerideologie wird heute freilich nicht nur von den Freimaurern vertreten. Wenn man etwa die Ideologie, mit der ein Heiner Geißler sein Programm einer MKG begründet und die er als christliches Menschenbild bezeichnet, mit der Fraumaurer-Ideologie vergleicht, kann man nur konstatieren, daß Geißlers Christentum mit Freimaurerei identisch ist. (Vgl. Geißler, H., Zugluft, München 1990, S. 193, 209-215, 218; Ders., Die bunte Republik - Multikulturelles Zusammenleben im neuen Deutschland und das christliche Menschenbild, in: Zeitschrift für Ausländerrecht, 3/1991, S. 107, 111, 112, 113). Ob Geißler auch ein Logenmitglied ist, ist angesichts dieser Übereinstimmung von relativ geringem Interesse.

85

Speziell für die Juden in den USA vgl. etwa: Amerika-Brief Nr. 18, hrsgg. v. H. Schmidt, Washington, Juni 1989, S. 7. - Die Behauptung von Verschwörungstheoretikern, daß "die Juden Amerikas" Anhänger der MKG seien, ist nachweislich falsch. Unter den Assimilationsjuden gibt es sogar entschiedene Gegner. Vgl. z.B. Decter, M., E Pluribus Nibil, in Commentary, Sep 1981, S. 25 ff.

86

Die Legende, daß die Juden in der Galuth grundsätzlich assimilationswillig gewesen seien und daß ihre Absonderung nur darauf zurückzuführen sei, daß sie von den Wirtsvölkern zurückgewiesen und in die Ghettos verbannt worden seien, ist hundertmal widerlegt worden. Seit jüdische Minderheiten in der Galuth lebten, waren sie eifersüchtig auf die Wahrung ihrer ethnisch-religiösen Identität bedacht. Ihre Absonderung von der heidnischen Umwelt, die Verweigerung des Konnubiums und der Tischgemeinschaft, war durch die religiösen Reinheitsgebote vorgegeben. (Wellhausen, J., Israelitische und jüdische Geschichte, ). Aufl., Berlin 1958, S. 141 ff.; Bertholet, A., Die Stellung der Israeliten und der Juden zu den Fremden, Freiburg i. Br./Leipzig 1896, bes. S. 105 ff. u. 257 ff.; Weber, M., Das antike Judentum, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. III, Tübingen 1923, S. 351 ff.; Sombart, W., Die Juden und das Wirtschaftsleben, München/Berlin 1928, S. 282 ff.; Liebe, G., Das Judentum in der deutschen Vergangenheit, Monographien zur deutschen Kulturgeschichte, Leipzig 1903, S. 27 ff.; Passarge, S., Das Judentum als landschaftlich-ethnologisches Problem, München 1929, S. 324 ff.) Die tradionsbewußten (nicht nur die streng orthodoxen und die zionistischen) Juden haben denn auch die Assimilation nicht nur für sich selber stets abgelehnt, sondern in ihr auch die größte Gefahr für das Überleben ihres Volkes gesehen. Die Äußerung des Oberrabbiners Morchedai Piron, daß die laufende Assimilation für die Existenz des jüdischen Volkes eine größere Gefahr darstelle als der Holocaust (in einem Vortrag in Frankfurt nach: Allgemeine jüd. Wochenzeitung Nr. 47/41 v. 08.10.1992, S. 11) ist nur ein besonders pointierter Ausdruck dieser Einstellung, die von den meisten Repräsentanten der jüdischen Minderheit geteilt wird. Vgl. zum Problem der Assimilation aus jüdischer Sicht: Friedmann, G., Das Ende des jüdischen Volkes, Reinbek b. Hamburg 1968; Vago, B., Ed., Jewish Assimilation in Modern Times, Boulder Coll. 1981, bes. S. 6 f., speziell zu Amerika: Zweigenhaft, R. L., and G. W. Domhoff, Jews in the Protestant Establishment, New York 1982; Gartner, L. P., Assimilation and American Jews, in: Vago, a.a.O., S. 171 ff.; Abramson, H. J., Assimilation and Pluralism, in: Harvard Encyclopedia of American Ethnis Groups, Cambridge Mass. 1980, S. 150 ff.; dazu den Klassiker: Herberg, W., Protestant-Catolic-Jew. An Essay in American Religious Sociology, New York 1956, S. 186 ff./ und etwa: Rosenthal, E., Acculturation without Assimilation? The Jewish Community of Chicago, Illinois, in: American Journal of Sociology, 66, 1960, S. 275-288. Zur Korrektur der in Deutschlands Schulbüchern vorherrschenden Vorstellung von den assimilationsbereiten, aber von der Minderheit zurückgewiesenen Juden, die immer noch dem schon von W. Sombart (Die Zukunft der Juden, Leipzig 1912, S. 277 ff.) dargestellten und kritisierten Klischee entspricht, vgl.: Deutsch-israelische Schulbuchempfehlungen, Studien zur internationalen Schulbuchforschung Bd. 45, Braunschweig 1985, S. 25

87

Zum Interesse der jüdischen Minderheit an einer Pluralisierung in den USA vgl. z.B.: Akzin, B., Politischen Probleme poly-ethnischer Gemeinwesen, in: Polit.Vj.Schr. 1962, S. 113 und: Singer, D., Die gesellschaftlich-politische Lage der Juden in den Vereinigten Staaten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 40.Jgg., 1989, H.12, S. 648-691; zur Problematik des Überlebens in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft: Cohen, S. M., American Modernity and Jewish Modernity, London 1983. Daß die Organisationen der Galuth nach erreichter Gleichstellung vorrangig um Wahrung ihrer Identität bemüht waren, zeigt eine Äußerung des Zionisten N. Goldmann auf dem 2. Weltkongreß der Jüdischen Jugend vom 02.08.1963: "The principle struggle of the Jews is not for equality - we have obtained that - but for the right to be different." (nach: Friedmann, G., The End of the Jewish People, London 1967, S. 235)

88

Kalten, H. M., Democracy Versus the Melting-Pot, in: The Nation v. 18.02.1915, vol. 100, No. 2590, S. 190-195 (Part I) und The Nation v. 25.02.1915, vol. 100, No. 2591, S. 217-220 (Part II). Zum historischen Kontext: Adams, P., Die Assimilationsfrage in der amerikanischen Einwanderungsdiskussion 1890-1930, in: Bade, K. J., Hrsg., Auswanderer - Wanderarbeiter - Gastarbeiter, Bd. 1, Ostfildern 1984, S. 300-320; zur Geschichte des kulturellen Pluralismus bis zum Beginn der Diskussion über die MKG: Powell, J. H., The Concept of Cultural Pluralism in American Social Thought, 1915-1965, Diss. Univ. of Notre Dame 1971 - Wenige Jahre später erschien in Kanada die erste Programmschrift der MKG von William-Henry Moore: The Clash, Toronto 1918, frz.: Le choc, Montreal 1920. (Vgl. bes. S. 351, 368, 391: "Que chaque nationalite', donc, respecte sa voisine...et pour recompense on en retirera, non pas I'homogeneite, mais ce quelque chose de mieux encore dans la vie collective, nationale et religieuse: I'harmonie dans la diversite`!")

89

Fischof, A., Österreich und die Bürgschaften seines Bestandes, Wie 1869; Springer, R., (i.e. Karl Renner), Der Kampf der österreichischen Nationen um den Staat, Leipzig-Wien 1902, und bes. die umgearbeitete Neuauflage: Renner, K., Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in besonderer Anwendung auf Österreich, Leipzig-Wien 1918; Bauer, O., Deutschtum und Sozialdemokratie, Wien 1907; Ders., Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, Wien 1907, 1924; vgl. auch: Hanf, Th., Konfliktminderung durch Kulturautonomie. Karl Renners Beitrag zur Frage der Konfliktregelung in multi-ethnischen Staaten, in: Fröschl, E. u.a., Ed., Staat und Nation in multiethnischen Gesellschaften, Renner Institut der Universität Boston, Wien 1991, S. 61-90

90

Zur Wirkungsgeschichte: Kloss, H., Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert. Die Sprachengemeinschaft zwischen Recht und Gewalt, Wien/Stuttgart 1969 und: Hanf, Th., Konfliktminderung durch Kulturautonomie. Karl Renners Beitrag zur Frage der Konfliktregelung in multi-ethnischen Staaten, in: Fröschl, E. u.a., Ed., Staat und Nation in multiethnischen Gesellschaften, Renner Institut der Universität Boston, Wien 1991, S. 61 f.; zum jüdischen "Bund": Tabias, H., The Jewish Bund in Russia from its Origins to 1905, Stanford 1972, bes. Kap. 10 u. 13, und: Davis, H. B., Toward a Marxist Theory of Nationalism, New York/London 1978, S. 73 f. Im Sozialistischen Machtbereich war das Schicksal des Konzepts besiegelt, nachdem sich Lenin (Über die nationale und die koloniale Frage, Berlin-Ost 1960, S. 118-122) dagegen ausgesprochen hatte, weil er nicht auf die "Kulturhoheit" des Staates verzichten wollte. Zur Geschichte des Kampfes für Minderheitenrechte und Diskriminierungsverbote nach dem Zweiten Weltkrieg ist wichtig das Programm des Vaters der Genfer Konvention: Lemkin, R., Axis Rule in Occupied Europe, Washington 1944, bes. S. 93

91

Rothfels, H., Grundsätzliches zum Problem der Nationalität, in: Ders., Zeitgeschichtliche Betrachtungen, Göttingen, 1959, S. 89 ff., bes. S. 93

92

Zur Verwirklichung der "Kulturautonomie": Gerber, H., Kulturautonomie als Eigenart minderheitenrechtlicher Ordnung und ihre Verwirklichung nach der estnischen Verfassung, Berlin 1926; Lemberg, E., Nationalismus Reinbek b. Hamburg 1964, Bd. I., S. 186 f., 220, Bg. II, 32, 122; Art. "Kulturautonomie" in: Der Große Brockhaus, Leipzig 1931, Bd. 10, S. 693 (Lit.); Grentrup, Th. SVD, Art. Kulturautonomie, in: Staatslexikon im Auftrag der Görresgesellschaft hrsgg. von H. Sacher, Freiburg i. Br. 1929, Bd. III, S. 672 f. (Lit.) Im "Planungsstadium" blieben stecken: Der Entwurf eines Gesetzes vom 14.07.1927 über die Selbstverwaltung der slowenischen Minderheit in Kärnten, die Tschecheslowakische Zusage an die Ukrainer in Karpatorußland im Minderheitenvertrag vom 10.09.1918 (Über den "Kärntner Entwurf" von 1927 vgl. Veiter, Th., Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich, Wien/Stuttgart 1970, S. 284 f., 301 f.) Über Ansätze nicht hinausgediehen ist die Kulturautonomie im mährischen und ruthenischen Ausgleich und in Lettland (bloß Schulverwaltungsautonomie). Wo man es, wie in Estland (8% Russen, 2% Deutsche, außerdem 2% kleinere Minderheiten, vor allem Schweden und Juden), mit schwachen Minderheiten zu tun hatte, die ohnehin keine Aussicht auf "politische Selbstbestimmung" hatten, mochte das System funktionieren. Ob es freilich für die Habsburger Monarchie die Methode der Wahl gewesen wäre, ist mehr als fraglich. Mommsen (Art. "Nationalismus, Nationalitätenfrage A.", in: Kernig, C. D., Hrsg., Marxismus im Systemvergleich - Geschichte Bd. 3, Frankfurt/New York 1973, S. 137) sieht die Schwäche des Systems darin, "daß es den über kulturelle Eigenständigkeit und regionale Autonomie hinausreichenden Machtwillen der Nationen unter den Bedingungen des innerstaatlichen Imperialismus der österreichischen Nationalitäten nicht wirksam neutralisierte".

93

Schmitt, C., Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen, in: Ders., Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 79 ff.

94

Karl Renner unterstellt, daß Völker primär "geistige Kulturgemeinschaften" seien und daß sie daher nicht in erster Linie auf politische, sondern auf "kulturelle Selbstbestimmung" erpicht seien. (R. Springer, i.e. Karl Renner, Der Kampf der österreichischen Nationen um den Staat, Leipzig/Wien 1902, S. 26 f.) Nach Hans Mommsen (Art. "Nationalismus, Nationalitätenfrage A.", in: Kernig, C. D., Hrsg., Marxismus im Systemvergleich - Geschichte Bd. 3, Frankfurt/New York 1973, S. 136) glaubte Renner, die "nationale Machtfrage" durch "die Herauslösung der kulturellen Agenden aus den gesamtstaatlichen Kern reduzieren zu können." Der Grundgedanke des Rennerschen Reorganisationsplans habe darin bestanden, "die realen sozialen und politischen Interessen von den nationalen freizusetzen." Da die nationalen Interessen durchaus real und politisch waren, sollte man lieber sagen: der Sozialist Renner wollte die Nationalitäten entpolitisieren und den Staat entnationalisieren, damit seine "sozialen" Interessen an "Realität" gewinnen und "politisch" besser zum Zuge kommen könnten.

95

Vgl. Hepp, R., Different but equal - Aristotelisches zur Demokratie im Übergang vom DNS zur MKG, in: Beismann, V. u. M. J. Klein, Hrsg., Politische Lageanalyse, Festschrift für Hans-Joachim Arndt, Bruchsal 1993, S. 93 ff.

96

Die einschlägige deutsche Behandlung des Themas von Ernst Rudolf Huber (Zur Problematik des Kulturstaats, Tübingen 1958) ist sehr verblasen. Klarer jetzt: Gellner, E., Nationalismus und Moderne, Berlin 1991, S. 83 ff., 143 ff.

97

Kritisch zum Begriff der Integration: Rassem, M., Die Integration. Die Gänze. Zum Politischen Wörterbuch IV, in: Zeitschrift für Politik, 34, 1987, H.1, S. 101-105

98

Vgl. z.B. Bingemer, K. u.a., Leben als Gastarbeiter - geglückte und mißglückte Integration, Köln/Opladen, 1. Aufl. 1970, 2. Aufl. 1972

99

Cf. z.B. Die Brücke, Saarbrücken, Nr. 26, 1985, S. 17 (gegen monokulturellen Totalitarismus - Schluß mit dem Integrationsvorhaben für Einwanderer), S. 22 (Anerkennung der Muttersprache der Immigranten als Amts- und Unterrichtssprache, Institutionalisierung des Islams, paritätische Besetzung der öffentlichen Medien etc. etc.), Nr. 28/1985, S. 19 (Die Ausländer müssen als Minderheit privilegiert werden.), S. 20 (Es müssen Richter verschiedener Nationalitäten eingestellt werden.)

100

z.B. Naumann, K., Multikultureller Abschied von der Integration? in: Erziehung und Wissenschaft, 1990/1, S. 24 f. und Schulze, B., Das multikulturelle Nichts, in: Links. Sozialistische Zeitung, 1989, S. 8-12

101

Oberndörfer, D., Die offene Republik, Freiburg 1991

102

Zur soziologischen Bedeutung des allzu wenig beachteten Phänomens der Heterogonie der Zwecke (nach Wund, W., Ethik. Eine Untersuchung der Tatsachen und Gesetze des sittlichen Lebens, Stuttgart 1912, I, S. 284 ff; Klemm, O., Die Heterogonie der Zwecke, in: Festschrift H. Volkelt, 1918, S. 173 ff.) vgl. Monnerot, J., Intelligence de la politique, Paris 1978, I.l, S. 3-136

103

Die Zahl der Asylbewerber stieg in Deutschland von 130.000 im Jahr 1985 bis auf 610.000 anno 1992 an. Insgesamt hielten sich nach den Angaben des Bundesinnenministeriums Ende 1993 über 2 Millionen Flüchtlinge (Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge, Heimatlose, De-Facto-Flüchtlinge, Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge) in Deutschland auf.

104

Zu den Ausländerkosten der Bundesrepublik Deutschland: Hepp, R., Die Ballastkosten der Einwanderer, in: Junge Freiheit, Nr. 38/94 v. 16.09.1994 und Nr. 39/94 v. 23.09.1994

105

Vgl. Geißler, H., Zugluft, München 1990, S. 203 ff., 209 und den Entwurf eines Gesetzes über die Niederlassung von Ausländern (Niederlassungsgesetz) der GRÜNEN vom 25.04.1984 (BT-Drucksache 10/1356)

106

"Populus est coetus multitudinis rationalis rerum quae diligit concordi communione societatus." (De civ. Dei XIX, 24)

107

Schmitt, C., Verfassungslehre (1928), 3. Aufl. Berlin 1957, S. 3 f.; Ders. Der Levithan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, Hamburg 1938, S. 10, S. 130

108

Hepp, R., Different but equal - Aristotelisches zur Demokratie im Übergang vom DNS zur MKG, in: Beismann, V. u. M. J. Klein, Hrsg., Politische Lageanalyse, Festschrift für Hans-Joachim Arndt, Bruchsal 1993

109

Kornhauser, W., The Politics of Mass Society, Glencoe III.1959; Dahl, R. A., Dilemmas of Pluralist Democracy - Autonomy versus Control, New Haven 1982

110

Hepp, R., Different but equal - Aristotelisches zur Demokratie im Übergang vom DNS zur MKG, in: Beismann, V. u. M. J. Klein, Hrsg., Politische Lageanalyse, Festschrift für Hans-Joachim Arndt, Bruchsal 1993, S. 101; zu den kollektiven Kulturgütern: S. 93 Anmkg. 71)

111

Gellner, E., Nationalismus und Moderne, Berlin 1991, S. 85

112

Lorenz, O., Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie, Berlin 1898, S. 223 ff.; Minnigerode, H. von, Ebenburt und Echtheit, Hamburg 1912; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche Genealogie, Bern 1948, S. 148 ff.; Brinkmann, K., Die Aristokratie im kapitalistischen Zeitalter, Grundriß der Sozialökonomie, 9. Abt., T.1, Tübingen 1925, S. 27 f.

113

Sombart, W., Die Juden und das Wirtschaftsleben, München/Berlin 1928, S. 434

114

Siehe etwa den Hinweis von A. Landsberger in: Sombart, W. u.a., Judentaufen, München 1912, S. 4; dazu: Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hrsgg. v. K. Schlechta, München 1956, Bd. I, S. 1152 ff., Bd. II, S. 717 f., 1184

115

Geißler, H., Zugluft, München 1990, S. 198 f.

116

Nach Bartel, K., Veni, vidi, vici - Geflügelte Worte aus dem Griechischen und Lateinischen, 9. Aufl. Wiesbaden 1992, S. 64 geht die Maxime nicht auf die Antike zurück, sondern stammt aus der Renaissance (Louis XI, Boccalini, Campanella).

117

Der Verdacht, daß der Multikulturalismus nur eine Strategie der politischen Klasse zur Ausschaltung der Bevölkerungsmehrheit sei, ist auch in Kanada geäußert worden. Franko-kanadische Intellektuelle haben die Ansicht vertreten, der offizielle kanadische Multikulturalismus sei nichts als ein Komplott mit dem Ziel, "die besonderen Bedürfnisse der Frankophonie unter dem politischen Gewicht der Multikultur zu erdrücken". (Harney, R. F., So grat a heritage as ours - Immigration and the survival of the Canadian Polity, in: Daedalus, 117, 1988, H.4, S. 75)

118

Vgl. über die große historische Parallele des Einsatzes multinationaler Friedenstruppen im Römischen Reich: Bouthoul, G., La population ans le monde, Paris 1935, S. 66 f.

119

Unabhängige Nachrichten (UN) 7/1993, S. 9 (Plakat bei einer Türken-Demo: UN-Truppen nach Solingen; Aufforderung des Bundestagsabgeordneten Konrad Weiss).

120

Unius linguae, uniusque moris Regnum imbecille et fragile ets. Zit. nach: Ratzel, F., Anthropogeographie, 1. Aufl., Bd. 1, Stuttgart 1882, S. 217


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