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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/        3. März 2006

 
"Das ist Heuchelei"
Peter Scholl-Latour über den Konflikt um die Mohammed-Karikaturen
Walter Tributsch

Herr Scholl-Latour, ist das, was wir jetzt im Umfeld des Karikaturenstreites erleben, der Anfang dessen, was Huntington als den Kampf der Kulturen bezeichnet hat?

Scholl-Latour: Huntington hat im Grunde eine Tatsache beschrieben, die schon längst in der Schwebe war. Ich selbst habe bereits 1983 darüber geschrieben, wie auch Professor Bassam Tibi. Das ist keine Entdeckung von Huntington. Das ist eine Tatsache, die zum großen Teil daraus resultiert, daß wir es auf der einen Seite in der islamischen Welt mit einer tiefreligiösen Bevölkerung zu tun haben, und auf der anderen Seite haben wir eine westliche Welt, die weitgehend säkularisiert ist und keine Rücksicht mehr auf das Transzendente und die Religion nimmt.

Ist der Karikaturenstreit jetzt bewußt hochgespielt worden? Immerhin sind die Karikaturen ja bereits im September vorigen Jahres veröffentlicht worden?

Scholl-Latour: Das macht auch mich ziemlich stutzig. Es kann sein, daß es gerade jetzt besonders hochgespielt worden ist, weil es in den Kram paßt. Allerdings dauert es immer eine gewisse Zeit bis eine Veröffentlichung sich herumspricht. Khomeini hat ja auch nicht unmittelbar auf die Veröffentlichung der "Satanischen Verse" von Salman Rushdie reagiert, sondern er hat es erst ein paar Wochen oder Monate später getan.

Vor welchem Hintergrund auch immer, das Ausmaß der Reaktion darauf erscheint uns Europäern doch weit übertrieben.

Scholl-Latour: Die Tatsache, daß die Darstellung des Propheten Ärger ergibt, habe ich selber mal erlebt. Ich habe einmal in der Bild-Zeitung eine sehr objektive und im Grunde positive Schilderung des islamischen Werdegangs gegeben. Die Bild hat dann von sich aus ein Bild des Propheten hineingesetzt. Daraufhin bekam ich Anrufe von Muslimen, die sagten, ich müßte doch wissen, daß der Prophet nicht dargestellt werden darf. Da muß man sich schon fragen, was passiert, wenn man den Propheten nicht nur darstellt, sondern ihn auch noch mit Bombenzeichnungen lächerlich macht. Ich bin zwar kein frommer Katholik, aber mir geht die Verhöhnung des Christentums, die in unseren Medien stattfindet, auch furchtbar auf die Nerven.

Ist die Heftigkeit der Reaktion nur darauf zurückzuführen, daß die islamische Welt viel tiefgläubiger ist, oder gibt es auch handfeste politische Überlegungen dahinter?

Scholl-Latour: Das ist eine Sache, die weit übertrieben worden ist, aber natürlich sind die Muslime auch tief getroffen. Im Grunde geschieht den Dänen Recht. Denn sie waren diejenigen, die neben den Holländern am meisten auf Multikulti gemacht haben und die Realitäten der kulturellen Unterschiede zu negieren versuchten. Und jetzt nachdem in Dänemark plötzlich ein Rechtsruck erfolgt ist, mit Ministerpräsident Rasmussen, wechselt man dann das Lager. Da muß ich ehrlich sagen, dann hat man es auch verdient. Abgesehen davon, die Muslime können dieser Art und Weise weder Christentum noch Judentum angreifen, denn Jesus ist für die Muslime einer ihrer größten und am meisten geschätzten Propheten. Und die Jungfrauengeburt Marias steht auch im Koran. Daher kann man Jesus nicht verunglimpfen. Und was den jüdischen Gott Jahwe betrifft, so heißt Jahwe auf arabisch "Ich bin der, der ist". Das ist der Sohn Abrahams, und Abraham ist einer der größten Propheten des Islams, der Stammvater der Juden und der Araber, den man von muslimischer Seite nicht verunglimpfen kann.

Der Generalsekretär der Organisation der islamischen Konferenz hat verlangt, es müsse ein Gesetz in der EU gegen Islamophobie beschlossen werden.

Scholl-Latour: Das sind alles Leute, die gekaufte Subjekte sind. Diese offiziellen Repräsentanten des Islams, die ja gar nicht für die kämpfenden, sondern für die etablierten Schichten sprechen, wollten die Etablierten schützen. Diese arabischen Potentaten, die sich an den Westen klammern, haben jetzt die Gelegenheit zu zeigen, daß sie gute Moslems sind. Das ist Heuchelei, auf die man nicht eingehen sollte, und abgesehen davon haben die Muftis bei den Sunniten wenig zu sagen. Bei den Schiiten ist das anders, hier haben die Ayatollahs größere Autorität. Der oberste Geistliche der Al-Azhar Universität in Kairo, die als die bedeutendste islamische Universität angesehen wird, wird vom Staat ernannt. Das sind also keine repräsentativen Figuren für den wahren neuen Islam.

Wie geht es weiter? Kommt es zu einer Verschärfung oder klingt das jetzt ab?

Scholl-Latour: Das wäre abgeklungen, wenn sich die Dänen nicht, ich weiß nicht aus welchem Grund, vorgedrängt hätten. Sie haben auch ein Kontingent im Irak. Sie verstärken ihr Kontingent in Afghanistan. Wenn sie die Amerikaner unterstützen, ist das in Ordnung, nur dann müssen sie halt mit den Konsequenzen rechnen. Wenn so etwas passiert, ist natürlich eine Reaktion zu erwarten. Ich selbst finde es bedauerlich und lächerlich, aber aus islamischer Sicht ist es das nicht.

Das Interview führte Walter Tributsch für die Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit", mit deren Genehmigung wir hier einen Auszug drucken.

Junge Freiheit vom 3. März 2006


 

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