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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/   14. April 2006

 

Die ignorierte Wahrheit ... Kassandrarufe wollte niemand hören / Der Fall Hepp
(von Karlheinz Weißmann)

Deutschland ist allzeit das beste Land und Nation gewesen, es wird ihm aber gehen wie Troja, daß man wird sagen: Es ist aus!" Der Satz stammt von Martin Luther und ließe sich ohne Schwierigkeit in eine lange Reihe von Untergangsprognosen stellen. Wen das beruhigt, der sei darauf hingewiesen, daß die Regelmäßigkeit solcher Vorhersagen nicht unbedingt gegen ihre Richtigkeit spricht. Kassandra wollte niemand hören, nicht einmal die Erfahrung mit griechischen Geschenken ließ die Trojaner mißtrauisch werden, weil sie sich in ihrer Bequemlichkeit und Friedenssehnsucht gestört fühlten. Das nahm dem Kassandraruf in der gegebenen Lage nichts von seiner Richtigkeit und hatte nur eins zur Folge: eben daß es mit Troja aus war.

Im Hinblick auf die demographische Entwicklung könnte man eine ganze Reihe von Mahnern nennen, die das Schicksal der Kassandra erlitten haben. Angefangen bei Richard Korherr, der schon in der Zwischenkriegszeit seine Stimme erhoben hat, über Ilse Schwidetzky, die nach 1945 auf die anthropologische Realität des "Völkertodes" verwies, bis hin zu denjenigen, die in den letzten Jahren der alten Bundesrepublik versuchten, die immer bedrohlicher werdende Entwicklung zu korrigieren. Was die Lage der letzteren gegenüber den ersteren außerordentlich erschwerte, war die Unsachlichkeit der Debatte. Die relative Nüchternheit, mit der bis in die siebziger Jahren die "Gastarbeiterfrage" und die Folgen des "Pillenknicks" diskutiert werden konnten, war einer Atmosphäre gewichen, in der die Linke ihre Hegemonie dahingehend nutzte, daß sich jede realistische Einschätzung von Geburtenschwund einerseits, den zunehmenden Problemen mit Arbeitsmigranten, Wirtschaftsflüchtlingen und Asylbegehrenden andererseits sofort unter Generalverdacht gestellt sah.

Daß der linke Alarmismus nur dazu diente, eigenen Einfluß zu sichern und in Gestalt einer zukünftigen Klientel aus Neubürgern zu erweitern, hat man besonders deutlich daran erkennen können, daß auch die auf hohem Niveau vorgetragenen Einwände gegen den "Multikulturalismus" kein Gehör fanden, sondern mit allen Mitteln der Diffamierung bekämpft wurden. Wer wie Manfred Ritter ("Sturm auf Europa", 1990) oder Jan Werner ("Die Invasion der Armen", 1992) offen gegen die Landnahme argumentierte, sah sich beruflicher Disziplinierung oder dauerhafter Zurücksetzung unterworfen.

Ähnliches widerfuhr auch dem Soziologen Robert Hepp, der allerdings im Unterschied zu Ritter und Werner eine sehr viel umfassendere Vorstellung von den Ausmaßen des demographischen Problems besaß. Hepp hatte schon seit den siebziger Jahren vor den Folgen des Bevölkerungsrückgangs gewarnt und ihn mit den Entwicklungstendenzen der Wohlfahrts- und Konsumgesellschaft in Beziehung gesetzt. Seine Argumentation zielte nicht auf kurzfristige Abhilfe, sondern auf eine prinzipielle Korrektur.

Damit stand Hepp weitgehend allein. Als Konservativer Intellektueller der mittleren Generation konnte er in seiner Altersgruppe keine Verbündeten finden. Wer aus dieser Kohorte die akademische Laufbahn eingeschlagen hatte und nicht dem linken Mainstream oder den Parteibuchbürgerlichen zuzurechnen war, der bemühte sich um Unauffälligkeit, und genau das lehnte Hepp ab.

Wahrscheinlich war das eine Temperamentsfrage, denn seit seinen Anfängen in der "Katholischen" bzw. "Konservativen Front" der sechziger Jahre, einer Art Gegen-APO, neigte er dazu, jenes Maß an Provokationsspielraum für die Rechte in Anspruch zu nehmen, das die Linke selbstverständlich verlangte. Die Folge waren Vorstöße, denen es an der sonst im konservativen Milieu üblichen Betulichkeit mangelte. Und das erklärt auch den besonderen Tonfall seines 1988 erschienenen Buches "Die Endlösung der Deutschen Frage".

Anders als viele Bevölkerungswissenschaftler trieb Hepp ausdrücklich "politische Demographie", die nicht nur Statistisches sammelte, verglich und distanziert auswertete, sondern aus dem Datenmaterial eine unmißverständliche Folgerung zog: Bevölkerungsschwund ist ein Ausdruck kollektiver Todessehnsucht, und wer dem als Politiker nicht entgegentritt, verrät seine Pflicht gegenüber dem Volk, dem er zu dienen hat. Einwanderung, so Hepp, könne durchaus ein Gewinn sein, aber nur, wenn die Einwanderer tatsächlich die autochthone Kultur bereicherten oder an eine dauerhafte Unterschichtung der Heimischen gedacht sei. Daß Hepp es wagte, solche Gedanken zu äußern - und unter Hinweis auf die bêtes noires der Soziologenzunft zu begründen -, hat sofort die Zensur auf den Plan gerufen.

Die trat vor allem in Gestalt der meinungsführenden Presse auf, erreichte aber auch die Universitätsleitung Osnabrück und Hepps Disziplinarvorgesetzte. Das kampagnenartige Kesseltreiben genügte, um ihn künftig von jeder Breitenwirkung abzuschneiden. Das ist um so bitterer, als Hepp seine Gegner intellektuell um Haupteslängen überragte, aber es ist auch symptomatisch insofern, als gerade seine Prognosefähigkeit ihn so unbeliebt machte.

Mittlerweile pfeifen die Spatzen vieles von den Dächern, was Hepp schon in den achtziger Jahren sagte, aber manche Wahrheit findet nach wie vor kein Gehör. Die erste dieser Wahrheiten ist die von der fatalen Wirkung des hierzulande gepflegten Liberalismus, der mit seiner Verachtung des Volkes und seinem Minderheitenfetischismus die staatlichen Grundlagen zerstört: "Spätestens in der 'Konkordanzdemokratie' oder Militärdiktatur der Zukunft werden die Deutschen erfahren, daß die Liberalen sie um ihre Demokratie gebracht haben"; die zweite Wahrheit ist die vom nur bedingten Lebenswert der Völker: "Es gibt auch bei Völkern ein Stadium der Hinfälligkeit, wo man sich sagen muß, sie sollten lieber 'raschen Tod erwerben, als, so verschmachtend, lebenslang zu sterben'".

Das war selbst für Hepp ein besonders bitteres Wort, nicht unähnlich demjenigen Luthers, das eingangs zitiert wurde. Aber solche Bitterkeit speist sich zuletzt immer aus dem Wunsch, daß der Beschimpfte sich ermannen möge und angesichts des Abgrunds seine Kraft wiederfinde, um ein großes Leben zu führen. Was Hepp vor fast zwanzig Jahren schrieb, gilt nach wie vor: "Wenn ich um mich blicke, sehe ich ein recht morbides Völkchen mit einer ziemlich befremdenden 'Kultur'. Da gibt es nicht viel, was ich partout bewahrt und gegen eine 'Überfremdung' verteidigt wissen möchte. Nicht ob die Bundesrepublikaner 'sich über Wasser halten' können, ist deshalb für mich die Frage, sondern ob sie noch den Willen und den Elan haben, wieder etwas aus sich zu machen."

Junge Freiheit vom 14. April 2006


 

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