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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/         3. November 2006

 


Eine Art Schadensbilanz. Zerstörer der geistigen Freiheit: Jürgen Habermas erhält den NRW-Staatspreis
(von Thorsten Hinz)

Am 7. November wird Jürgen Habermas aus den Händen von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den Staatspreis von Nordrhein-Westfalen erhalten. Zur Begründung sagte Rüttgers, die Einlassung Habermas', »Naturwissenschaft und Technik seien keine höhere Wahrheit als weltanschauliche oder religiöse Auffassungen, ist für das Selbstverständnis unseres Landes von unschätzbarem Wert». Hehre Worte! Doch haben im vergangenen Jahr zigtausende junger Leute, und zwar durchweg intelligente, fleißige, leistungsfähige, vor diesem Selbstverständnis und der Art, in der es sich entäußert, Reißaus genommen.

Ort des Geschehens wird der Petersberg bei Bonn sein, wo Adenauer von den Hohen Kommissaren den Auftrag zur Gründung des Weststaates erhielt, um anschließend zu einem Parforceritt zur Wiederherstellung der deutschen Souveränität anzusetzen. Vom Reiter über den Bodensee unterschied er sich freilich dadurch, »daß er nicht ganz ans Ufer gelangt ist« (Caspar von Schrenck-Notzing).

Habermas, der sich als gelungenes Produkt der »Re-Education« bezeichnet, hat dieses Defizit ins Positive gewendet und eine Staatsphilosophie daraus gemacht. Der Habermas-trunkene Rüttgers würde demzufolge fragen: Welches Ufer denn? In dem Moment, da Adenauers inferiore Erben so wenig weiter wissen wie ihre intellektuellen Kritiker von einst, fallen beide sich in die Arme, frei nach der Gauner-Oper von Brecht: Und so schlüpft zum schlechten Ende / alles unter einen Hut ...

Nach Habermas hat die BRD sich ausschließlich als liberaler Verfassungsstaat zu verstehen, der sich nicht aus »den vorpolitisch-sittlichen Überzeugungen religiöser und nationaler Gemeinschaften«, sondern aus den »kognitiven Beständen eines von religiösen und metaphysischen Überlieferungen unabhängigen Argumentationshaushalts« speist. Als Republik ohne nationale Exklusivität also, denn mit der »Singularität« des Dritten Reiches hätten die Deutschen das Recht auf »eine konventionelle Form ihrer nationalen Identität« verwirkt. Die BRD versteht er als institutionalisierten Dauerdiskurs über »universalistische Verfassungsprinzipien».

Unter dem Eindruck seiner erwiesenen Lebensfremdheit will Habermas den »Verfassungspatriotismus« inzwischen nicht mehr »abstrakt« verstanden wissen, sondern aus dem »geschichtlichen Kontext« eines Landes erfassen. Die Deutschen dürfen deswegen jedoch nicht auf Erleichterung hoffen, denn weil dieser Kontext durch den Nationalsozialismus definiert bleibt, verstärkt das sogar noch ihre Pflicht zur universalistischen Vorleistung. Millionen armer Teufel haben sich das nicht zweimal sagen lassen!

Der Anprall des 11. September 2001 war ihm Anlaß zu versuchen, die anhaltende Wirkungsmacht der Religionen in sein System zu integrieren. Den zweiten Anstoß dazu erhielt er durch die Gen-Forschung. Die hybride Selbstermächtigung des Menschen, der sich anschickt, die »Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf« aufzuheben, stieß ihn auf die Frage, ob die diskursive Vernunft nicht doch eine religiöse Rückbindung benötige. Falls Herr Rüttgers eine metaphysische Wende erblickte, an der er sein christdemokratisch-patriotisches Herzchen wärmen kann, hätte er sich gründlich getäuscht. Habermas gleicht einem virtuosen mittelalterlichen Geozentriker, der die Erkenntnisse über die planetarischen Umlaufbahnen, die auf ihn hereinstürzen, durch immer kompliziertere mathematische Kombinationen mit seinem schiefen Weltbild in Übereinstimmung zu bringen sucht.

Für Habermas besitzt die Rede über das Dritte Reich bekanntlich selber eine religiöse Dimension. Und wenn er neuerdings sagt, der liberale Verfassungsstaat dürfe nicht »den gläubigen Mitbürgern das Recht bestreiten, in religiöser Sprache Beiträge zu öffentlichen Diskussionen zu machen«, er müsse sogar »relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich zugängliche Sprache (...) übersetzen«, beschreibt er zunächst eine Banalität. Schließlich beruft das Grundgesetz sich in der Präambel auf Gott, und zwischen den staatlichen Institutionen und den christlichen Kirchen gibt es diesbezüglich keine entscheidenden Konflikte. In dem Habermasschen System aber, in dem das wiedervereinigte Deutschland weiterhin kein Recht auf »konventionelle Identität« besitzt, klingt das als Einladung an die Muslime, ihre Forderungen an den deutschen Staat deutlich zu formulieren, ja seine kulturelle und lebensweltliche Transforma-tion zu betreiben.

Hintergrund aller Reden und öffentlichen Einsprüche von Habermas ist seine Theorie des kommunikativen Handelns. In seinem Modell der kommunikativen Rationalität werden die Geltungsansprüche argumentativ vorgetragen, ausgetauscht, bewertet, um schließlich zu einem rational motivierten, allgemein akzeptierten Einverständnis zu gelangen. Der einzige Zwang, der existieren darf, ist der des besseren Arguments, was eine ideale Sprechsituation (die Abwesenheit von Druck, Angst, Zensur u.s.w.) erfordert. Der Wert des erreichten Konsenses bemißt sich daran, wie weit die Umstände der Diskussion sich diesen idealen Voraussetzungen angenähert haben.

Sogar nach seinen eigenen Maßstäben hinterläßt Habermas also eine einzigartige Schadensbilanz. Ernst Nolte konstatierte im »Historikerstreit« 1986/87, »daß derselbe Mann, welcher in der Theorie ein Vorkämpfer der 'herrschaftsfreien' Diskussion ist, in der Praxis die formellen und informellen Machtpositionen, welche er in Gremien und Verlagen innehat, mit Energie und Geschick zu benutzen weiß, um ein Zensoramt besonderer Art auszuüben». Schlimmer noch. Sein Zensoramt hat er genutzt, um in der Gesellschaft die hinreichend bekannten didaktischen Tabus zu installieren, die sich von kulturellen Tabus dadurch unterscheiden, daß sie nicht freiwillig und spontan eingehalten werden, sondern ihnen das Odium der Gewalt anhaftet. Daher ist Habermas einer der folgenreichsten Zerstörer sowohl der geistigen Freiheit als auch des Politischen und ein politischer Abenteurer obendrein!

Denn das Funktionieren seines auf Konsens ausgerichteten kommunikativen Modells beruht selber auf konsensualen Grundlagen, nämlich auf dem Gleichklang der »Hintergrundüberzeugungen« der Diskurs-Teilnehmer. Die Erfahrungen - aktuell die Morddrohungen gegen eine grüne Bundestagsabgeordnete, die zum Ablegen des Kopftuchs aufgerufen hat - zeigt aber, daß dieser rationale »Common sense« ohne gemeinsame vorpolitisch-sittliche Überzeugungen gar nicht zu haben ist. Das Habermas-Modell fällt vor unseren Augen in sich zusammen und vielleicht auch der Staat, der sich nach seinem Bilde verformt hat. Den Schritt ins Freie kann Habermas, der Propagandist eines lebensgefährlich defizitären Politikbegriffs, logischerweise genausowenig weisen wie die Politiker, die sich ratlos an seine Rockschöße klammern.

Foto: Jürgen Habermas: Sein »Zensoramt« (Ernst Nolte) hat er genutzt, um in der Gesellschaft die hinreichend bekannten didaktischen Tabus zu installieren, die sich von kulturellen Tabus dadurch unterscheiden, daß sie nicht freiwillig und spontan eingehalten werden, sondern ihnen das Odium der Gewalt anhaftet. Unser Bild zeigt Jürgen Habermas am 14. Oktober 2001 bei einer Rede in der Frankfurter Paulskirche, nachdem ihm der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen worden war. Der jetzige NRW-Staatspreis ist ebenfalls mit 25.000 Euro dotiert. Dazwischen erhielt Habermas den mit 50.000 Euro ausgestatteten Prinz-von-Asturien-Preis sowie den mit umgerechnet etwa 364.000 Euro dotierten Kyoto-Preis.

Junge Freiheit vom 3. November 2006


 

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