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Sind wir
Nazis? (von Thomas Paulwitz)
Nur gemeinsam
und mit vereinten Kräften kann es uns gelingen, unsere Sprache zu bewahren
und weiterzuentwickeln! Aus diesem Grund bin ich der JUNGEN FREIHEIT
äußerst dankbar, daß auch sie das Anliegen der Sprachpflege vertritt
und unterstützt; und das nicht nur über diese Preisverleihung. Es gibt
kaum eine Wochenzeitung in Deutschland, die so viel Platz für sprachkritische
Beiträge einräumt. Es gibt kaum eine Wochenzeitung in Deutschland, die
derart überzeugt - und überzeugend - an der traditionellen Rechtschreibung
festgehalten hat. Mittlerweile ist die Verwendung der bewährten Rechtschreibung
zu einem Ausweis für Unabhängigkeit und Pressefreiheit geworden. Wer
eine Ahnung davon hat, auf welche Weise die großen Zeitungen unter das Diktat
der Kultusminister gebracht wurden, wie die Verlagsleiter und Chefredakteure bearbeitet
wurden, der muß denjenigen dankbar sein, die nicht den Geßlerhut des
Neuschriebs grüßen. (...) Zur
Sprache gehört auch das Schweigen. Manchmal ist Schweigen jedoch nicht Gold,
sondern Blech. Ich nehme an, daß heute noch öfter das Wort von der
"Schweigespirale" fallen wird. Für die Entwicklung dieser Theorie
bin ich Frau Professor Noelle-Neumann sehr dankbar. Denn mit der "Schweigespirale"
läßt sich gut erklären, welcher Schwierigkeit Sprachschützer
ausgesetzt sind. Eigentlich vertreten sie ein Anliegen der Mehrheit - denn wer
sollte kein Interesse an verständlicher Sprache haben? Dennoch haben die
Sprachschützer wenig Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen.
Der Grund: Es gibt Kräfte in Politik, Medien und Wirtschaft, die die Sprache
für ihre Zwecke dienstbar machen wollen und über wesentlich stärkere
Mittel verfügen, sich Gehör zu verschaffen. Sie wollen in erster Linie
nicht das Verständnis erleichtern, sondern Macht und Profit erhöhen.
Denken Sie beispielsweise an die ganz großen Wörterbuchverlage, die
sich von den Nachbesserungen an der Rechtschreibreform, die immer wieder notwendig
sind, höhere Umsätze versprechen. Diese Verlage können immer wieder
neue Auflagen von Wörterbüchern auf den Markt werfen, weil jede Änderung
bisherige Auflagen veralten läßt. Eingebunden sind sie in eine Allianz
von Interessenverbänden. (...)Wenn
sich diese Interessenverbände äußern, heißt es plötzlich:
"Die Eltern sind für die Rechtschreibreform!" - "Die Lehrer
sind für die Rechtschreibreform!" - "Die Sprachexperten sind für
die Rechtschreibreform!" Natürlich entspricht das keineswegs der Wirklichkeit;
denn es sind immer nur einzelne Funktionäre ohne Alleinvertretungsrecht,
die sich zu Wort melden! Es entsteht in der Öffentlichkeit aber der Eindruck,
daß diese Akteure ein Mehrheitsanliegen vertreten. Aus Furcht, sich mit
einer vermeintlichen Minderheitenmeinung zu isolieren, halten sich darum viele
Bürger mit Kritik an der Rechtschreibreform zurück. Oder sie mühen
sich, einen Kompromiß zu vertreten - sofern sie nicht wissen oder bedenken,
daß die Zahl der Gegner der Rechtschreibreform sehr groß ist. Die
Schweigespirale beginnt sich zu drehen.Die
Deutsche Sprachwelt ist ein Versuch, diese Schweigespirale zu durchbrechen. Wir
machen sprachempfindlichen Menschen Mut, sich gegen die Verhunzung der deutschen
Sprache zu wehren. (...) Vor zehn Jahren wurden Sprachkritiker noch in den Glossen
der Zeitungen meistens niedergemacht. Das ist heute anders. Wir können also
hoffen !Grundvoraussetzung für
die Freiheit ist, daß die Sprache in Ordnung ist, daß die Wörter
stimmen, daß das, was gesagt wird, mit dem übereinstimmt, was gemeint
ist. Sehen Sie sich die Spandauer Zitadelle an. Wenn Sie einen Stein aus dieser
Mauer brechen, geschieht noch nichts. Wenn Sie immer weiter Steine herausreißen,
bläst der Wind durch, und Sie frösteln vielleicht ein bißchen.
Wenn Sie aber einen Pfeiler wegsprengen, wird es schon heikler. Genauso ist es
mit dem Bauwerk der deutschen Sprache. Lassen Sie uns dieses Wunder erhalten.Junge Freiheit vom 14. August 2010 | | |