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den Volkstod reden Robert Hepp war der erste große Einwanderungs-Kritiker
mit wissenschaftlichem Anspruch. Doch er verfiel der Acht. Nun lobt und tadelt
er seinen Nachfolger Thilo Sarrazin. (von Moritz Schwarz)
Herr
Professor Hepp, Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab erinnert
mit seinem unheilschwangeren Titel an Ihr eigenes Buch Die Endlösung
der Deutschen Frage, das 1988 erschienen und schon lange vergriffen ist.
Hepp: Wie weit die Übereinstimmung, die der Titel suggeriert,
tatsächlich geht, wird sich zeigen, wenn ich das Buch, das nun endlich erschienen
ist, vollständig lesen kann. Manches, was ich bisher gelesen habe, läßt
an Deutlichkeit und Klarheit nichts zu wünschen übrig, manches ist aber
auch ziemlich konfus und widersprüchlich. Da bleiben noch viele Fragen offen.
Nach der ersten Kostprobe kann ich freilich nicht leugnen, daß zwischen
meinem alten und diesem neuen Menetekel gewisse Ähnlichkeiten bestehen. Man
hat es offenbar in beiden Fällen mit Propheten zu tun, die ein Unheil ankündigen,
das sie verhindern möchten. Unter anderem handelt es sich bei Sarrazins
Buch um eine harsche Kritik der deutschen Bevölkerungspolitik der letzten
Jahrzehnte. Da Sie in dem Ruf stehen, einer der schärfsten Kritiker dieser
Politik zu sein, dürfte Sie das nicht kaltlassen. Hepp: Dieser
Sarrazin sein Name ist französischer Herkunft und war nach dem Onomastiker
Albert Dauzat ursprünglich ein Schimpfname für Ketzer, die sarazenische,
sprich: ungehörige, Ansichten vertraten ist heute der einzige prominente
Sozialdemokrat, der die weitreichenden politischen Konsequenzen der unterschiedlichen
Fruchtbarkeit der autochthonen und der allochthonen Bevölkerung begriffen
hat und sie nicht bagatellisiert. Mit ihm gibt auch erstmals ein von seiner Partei
mit den höchsten Staatsämtern betrauter Großwürdenträger
der Republik zu, daß die von mir im Ansatz kritisierte Bevölkerungspolitik
der Bundesrepublik, die die fatalen sozialen Folgen des deutschen Geburtendefizits
mit einer großzügigen Einwanderungspolitik abfedern sollte,
kläglich gescheitert ist. Thilo Sarrazin weist überzeugend nach, daß
diese Strategie mehr Probleme verursacht als gelöst hat. Sie werden
das vermutlich nicht ohne ein Gefühl der Genugtuung registrieren. Hepp:
Ich muß zugeben, daß ich bei der Lektüre des Vorabdrucks ein
wenig ins Schmunzeln kam, wenn ich dabei an all die Gehässigkeiten dachte,
die ich mir seinerzeit von Parteigenossen Sarrazins wegen meiner kritischen Äußerungen
über ihre Ausländerpolitik, die nicht entfernt mit den sarazenischen
Schimpfkanonaden vergleichbar sind, gefallen lassen mußte. Einer der Spitzenfunktionäre
der SPD hat mich einmal in einer Talkshow vor laufender Kamera so tierisch angebrüllt,
daß die Sendung mit Rücksicht auf sein Image hastig unterbrochen wurde.
Und einer seiner heutigen Eideshelfer, der Genosse Ralph Giordano, hat mich vor
einem Millionenpublikum als Nazi beschimpft, weil ich Ansichten vertrat, die jetzt
jeder in weit schärferer Form bei seinem Protegé Sarrazin nachlesen
kann. Sarrazins Behauptung, die muslimische Einwanderung habe uns mehr
gekostet als eingebracht, wird heftig bestritten. Hat er vielleicht aus rhetorischen
Gründen in der Tat ein bißchen übertrieben? Hepp: Was
er über die Ausnutzung unseres Sozialsystems durch die Immigranten schreibt,
ist für die Leser der JUNGEN FREIHEIT nicht neu. Ich habe schon 1994, als
der Anteil der Sozialschnorrer unter ihnen noch viel geringer war, in Ihrer Zeitung
eine traurige Bilanz der Ballastkosten der Einwanderer aufgemacht
aber aus dem Mund eines alten Sozialdemokraten hört sich das natürlich
noch ganz anders an. Ich finde, daß Sarrazin eher noch unter- als übertreibt.
Da er sich auf die Muslime konzentriert, über die es ja keine speziellen
Daten gibt, gerät die Gesamtbelastung durch die Immigranten nicht recht in
den Blick. Nach dem Mikrozensus von 2007 bezogen zwar nur 1,9 Millionen der 15,4
Millionen Hintergründler Arbeitslosengeld, Sozialhilfe (inklusive
Hartz IV) und BAföG, das waren aber satte 33 Prozent aller Empfänger
dieser Leistungen. Oder nehmen Sie den Spezialfall BAföG: Nach der 19. Sozialerhebung
des Deutschen Studentenwerks beträgt die BAföG-Quote der Hintergründler
32 Prozent, bei den eingebürgerten sogar 40 Prozent. Und dabei bricht fast
die Hälfte der Studenten ausländischer Herkunft das Studium vorzeitig
ab, obwohl sie noch zusätzlich mit allerlei kostspieligen Sonderprogrammen,
die keinem eingeborenen Arbeiterkind zuteil werden, gefördert werden. Man
will anscheinend die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland sichern,
indem man ein Lumpenproletariat heranzieht und unser Geld nutzlos zum Fenster
hinauswirft. Was Sarrazins knallig formulierte These von der unterschiedlichen
Fruchtbarkeit betrifft, so wird ihm eine ganz neue Untersuchung entgegengehalten,
nach der sich das generative Verhalten der Zugewanderten in der zweiten Generation
dem der alteingesessenen Deutschen weitgehend angeglichen haben soll. Hepp:
Sie meinen wohl diese teure englischsprachige Dissertation der Rostocker Demographin
Nadja Milewski, die alle zitieren, aber keiner gelesen hat. Sie soll bei ihrer
Analyse des intergenerationalen Wandels der Fruchtbarkeit der türkischen,
ex-jugoslawischen, griechischen, italienischen und spanischen Minderheiten in
Deutschland herausgefunden haben, daß sich deren durchschnittliche Fruchtbarkeit
kaum mehr von der der Deutschen unterscheidet. Tatsächlich hat sie jedoch
die generelle Anpassung der eingewanderten Minderheiten an das deutsche Muster
überhaupt nicht bewiesen. Die Fruchtbarkeitsziffern TFR abgekürzt
der Griechen, Italiener und Spanier sind auch in ihren Heimatländern
längst unter die von Deutschland abgerutscht. Für die Türkei gilt
das aber gerade nicht. Und auch die türkischen Frauen in Deutschland bekommen
im Durchschnitt nach wie vor mehr als drei Kinder. Die Autorin hat inzwischen
in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau zugegeben, daß die angebliche
Tendenz bei der türkischen Minderheit nicht zutrifft. Und etwas anderes behauptet
ja auch Sarrazin nicht. Er weist darauf hin, daß der Anteil der Türken
an den Geburten doppelt so hoch ist wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Tatsächlich
kommen in Deutschland auf tausend türkische Staatsbürger etwa vierundzwanzig
Geburten, während auf tausend Deutsche und Eingedeutschte höchstens
neun entfallen. Also, was wenn dieser Trend anhält? Hepp:
Dann befürchtet Sarrazin zu Recht, daß Staat und Gesellschaft
im Laufe weniger Generationen von den Migranten übernommen werden.
Schon heute stammen 27 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahren aus Einwandererfamilien.
Bei den Kindern unter sechs Jahren sind sie in manchen Städten bereits in
der Mehrheit. Das ist es wohl, was Sarrazin mit dem schrecklichen
Titel seines Buches meint. Hepp: Ach ja, dieser schreckliche Titel.
Der meinige wurde noch als viel schrecklicher empfunden, und er war auch nicht
besonders glücklich gewählt. Die Anspielung auf die Endlösung der
Judenfrage haben nicht nur meine Osnabrücker Kollegen als einen geschmacklosen
Tabubruch empfunden. Und die Anspielung auf die Folgen der Bevölkerungsentwicklung
der BRD für eine Lösung der damals noch offenen Deutschen Frage, die
ich in der Schrift ausdrücklich thematisiert hatte, wurde in der Aufwallung
der Gefühle, die durch das Wörtlein Endlösung ausgelöst wurde,
völlig erstickt. Ich finde, daß auch Sarrazins Titel nicht besonders
glücklich gewählt ist. Wie es möglich sein soll, daß ein
Land sich abschafft, müßte mir erst noch ein Geograph, Geodät
oder Geologe erklären. Ich habe den Verdacht, daß das Wort Land
hier als ein Euphemismus fungiert, der etwas verdecken soll, was der Verfasser
nicht beim Namen nennen kann oder will. Sie wollen sagen, er meint eigentlich
das deutsche Volk, wagt es aber nicht, diesen Begriff in den Mund zu nehmen? Hepp:
Seine Ausdrucksweise ist mir deshalb suspekt, weil es nach meiner Beobachtung
in der Rhetorik unserer politischen Klasse eine Tendenz gibt, die Volksherrschaft
durch eine Territorialherrschaft zu ersetzen. Dahinter verbirgt sich nicht nur
das Machtstreben einer Oligarchie, die sich über das Volk erhaben dünkt,
sondern auch eine große Verlegenheit. Man kann nicht länger ignorieren,
daß man von vielen Leuten, die sich auf unserem Territorium niedergelassen
haben, nicht mehr verlangen kann, daß sie sich als Deutsche fühlen
und Deutsche werden sollen. Man hat daher ja auch die Zumutung einer Assimilation,
die die einzig demokratische Form einer Integration von Einwanderern wäre,
aufgegeben. Man hofft eben, daß sich Einwanderer wenigstens, wie
ein Cem Özdemir, als Inländer mit dem Standort Deutschland
identifizieren. Hepp: Ja, und man gibt Millionen dafür aus, um
sie durch Gerald Asamoah wissen zu lassen, daß sie Deutschland sind.
Im Ersten Integrationsbericht der Bundesregierung wird der ganze Integrationszirkus
mit der Notwendigkeit begründet, die Zukunftsfähigkeit des Standortes
Deutschland zu sichern. Kein Verantwortlicher in diesem Land
möchte Deutschland abschaffen, alle sind darauf erpicht, es um jeden Preis
zu erhalten. Daß indessen das deutsche Volk allmählich aus Deutschland
verschwindet, weil das Geburtenloch ständig mit Fremden aufgefüllt wird,
die sich nicht assimilieren wollen oder können, kümmert keinen. Vom
Volkstod zu reden, gilt als rassistisch. Mein Neologismus Genosuizid wurde daher
nie populär. Sarrazin umschifft diese gefährliche völkische
Klippe mit seinem tellurischen Euphemismus. Ein richtiger Pfiffikus! Ich glaube
aber nicht, daß er damit durchkommt. Übertreiben Sie jetzt
aber nicht etwas mit Ihrer Schwarzmalerei? Hepp: Ich und übertreiben?
Da Sie mir nicht genug Platz einräumen, um meine These zu beweisen, muß
ich mich mit einem Beispiel begnügen, das für die Einstellung unserer
Elite, die nur ihr Geschäft im Sinn hat, zu ihrem Volk typisch
ist. In seiner Begrüßungsrede zu einem Symposium über Integration
durch Bildung, das die Vodafone-Stiftung im Oktober 2007 mit einer nationalen
und internationalen Starbesetzung in den Räumen des Auswärtigen Amtes
ausrichten durfte, machte der Vodafone-CEO Friedrich Joussen die Herausforderungen,
die auf den Standort Deutschland zukommen, an einem sehr persönlichen Beispiel
deutlich: Wenn in dreißig Jahren meine Enkel die gleiche Schule in
Duisburg besuchen wie einst meine Frau und ich und heute meine Kinder, dann werden
voraussichtlich nicht nur vierzig Prozent, sondern sogar sechzig Prozent der Kinder
einen Migrationshintergrund mitbringen. Daß die eingeborenen Deutschen
in seiner Heimatstadt schon in der nächsten Generation in die Minderheit
geraten werden, stört diesen global vernetzten Weltbürger offenbar nicht.
Daß sich kinderlose alte Jungfern wie Maria Böhmer und Anette Schavan,
die der nächsten Generation nichts als ihre hohen Pensionsansprüche
hinterlassen, krampfhaft an den Fetisch Standort Deutschland klammern,
ist psychologisch verständlich. Und was ist mit Ihnen? Hepp:
Ich muß gestehen, daß mich das, was mit diesem Land passiert, wenn
es nicht mehr das Land unserer Nachkommen, sondern das Land anderer Leute ist,
nicht die Bohne interessiert. Zumindest in diesem zentralen Punkt bin ich absolut
mit dem Ketzer Sarrazin einig, der sich in seinem Buch freimütig zu dem Wunsch
bekennt, daß auch seine Urenkel in hundert Jahren noch in Deutschland
leben können, wenn sie dies wollen, und der unmißverständlich
erklärt, daß er nicht möchte, daß das Land seiner Enkel
und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist. Thilo Sarrazin
mag meinetwegen noch so links, liberal oder sonstwas sein, mit diesem Bekenntnis
ist der Sozialdemokrat ein Nationalist in der besten Tradition eines Max Weber,
der es in seiner Freiburger Antrittsvorlesung als die Hauptaufgabe des Politikers
bezeichnete, dafür zu sorgen, daß sich auch noch die Nachwelt
zu uns als ihren Ahnen bekennt. Wie wird der Fall nach Ihrer Ansicht
ausgehen? Hepp: Er hat zwar mit der heiligen Dreifaltigkeit von Ralph
Giordano, Necla Kelek und Helmut Schmidt den denkbar besten Schutz vor den Ungewittern
der Political Correctness, aber ich wäre nicht der Schwarzseher, den Sie
in mir entdeckt haben, wenn ich nicht sagen würde: Das wird noch böse
enden. Prof. Dr. Robert Hepp, der Soziologe und Publizist gilt
seit Mitte der 1970er Jahre als einer der kompetentesten und eindringlichsten
Warner vor der demographischen Katastrophe und den Folgen der Masseneinwanderung.
Nachdem er zunächst eine erhebliche Medienresonanz erlebte, fiel er zunehmend
der aufkommenden Political Correctness zum Opfer und wurde totgeschwiegen. In
zahlreichen Veröffentlichungen prognostizierte Hepp die schon damals absehbaren
Folgen einer verweigerten Bevölkerungs- und statt dessen betriebenen Einwanderungspolitik.
Am bekanntesten wurde sein Buch Die Endlösung der Deutschen Frage.
Grundlinien einer politischen Demographie in der Bundesrepublik Deutschland
(Hohenrain, 1988). Bis Ende 1994 lehrte er an der Universität Osnabrück,
dann bis zu seiner Emeritierung 2006 an der Hochschule Vechta. Geboren wurde er
1938 in Oberschwaben bei Riedlingen an der Donau. Junge
Freiheit vom 3. September 2010 | | |