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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/   3. September 2010

 


„Über den Volkstod reden“
Robert Hepp war der erste große Einwanderungs-Kritiker mit wissenschaftlichem Anspruch. Doch er verfiel der Acht. Nun lobt und tadelt er seinen „Nachfolger“ Thilo Sarrazin.
(von Moritz Schwarz)

Herr Professor Hepp, Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ erinnert mit seinem unheilschwangeren Titel an Ihr eigenes Buch „Die Endlösung der Deutschen Frage“, das 1988 erschienen und schon lange vergriffen ist.

Hepp: Wie weit die Übereinstimmung, die der Titel suggeriert, tatsächlich geht, wird sich zeigen, wenn ich das Buch, das nun endlich erschienen ist, vollständig lesen kann. Manches, was ich bisher gelesen habe, läßt an Deutlichkeit und Klarheit nichts zu wünschen übrig, manches ist aber auch ziemlich konfus und widersprüchlich. Da bleiben noch viele Fragen offen. Nach der ersten Kostprobe kann ich freilich nicht leugnen, daß zwischen meinem alten und diesem neuen Menetekel gewisse Ähnlichkeiten bestehen. Man hat es offenbar in beiden Fällen mit Propheten zu tun, die ein Unheil ankündigen, das sie verhindern möchten.

Unter anderem handelt es sich bei Sarrazins Buch um eine harsche Kritik der deutschen Bevölkerungspolitik der letzten Jahrzehnte. Da Sie in dem Ruf stehen, einer der schärfsten Kritiker dieser Politik zu sein, dürfte Sie das nicht kaltlassen.

Hepp: Dieser Sarrazin – sein Name ist französischer Herkunft und war nach dem Onomastiker Albert Dauzat ursprünglich ein Schimpfname für Ketzer, die sarazenische, sprich: ungehörige, Ansichten vertraten – ist heute der einzige prominente Sozialdemokrat, der die weitreichenden politischen Konsequenzen der unterschiedlichen Fruchtbarkeit der autochthonen und der allochthonen Bevölkerung begriffen hat und sie nicht bagatellisiert. Mit ihm gibt auch erstmals ein von seiner Partei mit den höchsten Staatsämtern betrauter Großwürdenträger der Republik zu, daß die von mir im Ansatz kritisierte Bevölkerungspolitik der Bundesrepublik, die die fatalen sozialen Folgen des deutschen Geburtendefizits mit einer großzügigen Einwanderungspolitik „abfedern“ sollte, kläglich gescheitert ist. Thilo Sarrazin weist überzeugend nach, daß diese Strategie mehr Probleme verursacht als gelöst hat.

Sie werden das vermutlich nicht ohne ein Gefühl der Genugtuung registrieren.

Hepp: Ich muß zugeben, daß ich bei der Lektüre des Vorabdrucks ein wenig ins Schmunzeln kam, wenn ich dabei an all die Gehässigkeiten dachte, die ich mir seinerzeit von Parteigenossen Sarrazins wegen meiner kritischen Äußerungen über ihre Ausländerpolitik, die nicht entfernt mit den sarazenischen Schimpfkanonaden vergleichbar sind, gefallen lassen mußte. Einer der Spitzenfunktionäre der SPD hat mich einmal in einer Talkshow vor laufender Kamera so tierisch angebrüllt, daß die Sendung mit Rücksicht auf sein Image hastig unterbrochen wurde. Und einer seiner heutigen Eideshelfer, der Genosse Ralph Giordano, hat mich vor einem Millionenpublikum als Nazi beschimpft, weil ich Ansichten vertrat, die jetzt jeder in weit schärferer Form bei seinem Protegé Sarrazin nachlesen kann.

Sarrazins Behauptung, die muslimische Einwanderung habe uns mehr gekostet als eingebracht, wird heftig bestritten. Hat er vielleicht aus rhetorischen Gründen in der Tat ein bißchen übertrieben?

Hepp: Was er über die Ausnutzung unseres Sozialsystems durch die Immigranten schreibt, ist für die Leser der JUNGEN FREIHEIT nicht neu. Ich habe schon 1994, als der Anteil der Sozialschnorrer unter ihnen noch viel geringer war, in Ihrer Zeitung eine traurige Bilanz der „Ballastkosten der Einwanderer“ aufgemacht – aber aus dem Mund eines alten Sozialdemokraten hört sich das natürlich noch ganz anders an. Ich finde, daß Sarrazin eher noch unter- als übertreibt. Da er sich auf die Muslime konzentriert, über die es ja keine speziellen Daten gibt, gerät die Gesamtbelastung durch die Immigranten nicht recht in den Blick. Nach dem Mikrozensus von 2007 bezogen zwar nur 1,9 Millionen der 15,4 Millionen „Hintergründler“ Arbeitslosengeld, Sozialhilfe (inklusive Hartz IV) und BAföG, das waren aber satte 33 Prozent aller Empfänger dieser Leistungen. Oder nehmen Sie den Spezialfall BAföG: Nach der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks beträgt die BAföG-Quote der „Hintergründler“ 32 Prozent, bei den eingebürgerten sogar 40 Prozent. Und dabei bricht fast die Hälfte der Studenten ausländischer Herkunft das Studium vorzeitig ab, obwohl sie noch zusätzlich mit allerlei kostspieligen Sonderprogrammen, die keinem eingeborenen Arbeiterkind zuteil werden, gefördert werden. Man will anscheinend die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland sichern, indem man ein Lumpenproletariat heranzieht und unser Geld nutzlos zum Fenster hinauswirft.

Was Sarrazins knallig formulierte These von der unterschiedlichen Fruchtbarkeit betrifft, so wird ihm eine ganz neue Untersuchung entgegengehalten, nach der sich das generative Verhalten der Zugewanderten in der zweiten Generation dem der alteingesessenen Deutschen weitgehend angeglichen haben soll.

Hepp: Sie meinen wohl diese teure englischsprachige Dissertation der Rostocker Demographin Nadja Milewski, die alle zitieren, aber keiner gelesen hat. Sie soll bei ihrer Analyse des intergenerationalen Wandels der Fruchtbarkeit der türkischen, ex-jugoslawischen, griechischen, italienischen und spanischen Minderheiten in Deutschland herausgefunden haben, daß sich deren durchschnittliche Fruchtbarkeit kaum mehr von der der Deutschen unterscheidet. Tatsächlich hat sie jedoch die generelle Anpassung der eingewanderten Minderheiten an das deutsche Muster überhaupt nicht bewiesen. Die Fruchtbarkeitsziffern – TFR abgekürzt – der Griechen, Italiener und Spanier sind auch in ihren Heimatländern längst unter die von Deutschland abgerutscht. Für die Türkei gilt das aber gerade nicht. Und auch die türkischen Frauen in Deutschland bekommen im Durchschnitt nach wie vor mehr als drei Kinder. Die Autorin hat inzwischen in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau zugegeben, daß die angebliche Tendenz bei der türkischen Minderheit nicht zutrifft. Und etwas anderes behauptet ja auch Sarrazin nicht. Er weist darauf hin, daß der Anteil der Türken an den Geburten doppelt so hoch ist wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Tatsächlich kommen in Deutschland auf tausend türkische Staatsbürger etwa vierundzwanzig Geburten, während auf tausend Deutsche und Eingedeutschte höchstens neun entfallen.

Also, was wenn dieser Trend anhält?

Hepp: Dann befürchtet Sarrazin zu Recht, daß „Staat und Gesellschaft im Laufe weniger Generationen von den Migranten übernommen“ werden. Schon heute stammen 27 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahren aus Einwandererfamilien. Bei den Kindern unter sechs Jahren sind sie in manchen Städten bereits in der Mehrheit.

Das ist es wohl, was Sarrazin mit dem „schrecklichen“ Titel seines Buches meint.

Hepp: Ach ja, dieser schreckliche Titel. Der meinige wurde noch als viel schrecklicher empfunden, und er war auch nicht besonders glücklich gewählt. Die Anspielung auf die Endlösung der Judenfrage haben nicht nur meine Osnabrücker Kollegen als einen geschmacklosen Tabubruch empfunden. Und die Anspielung auf die Folgen der Bevölkerungsentwicklung der BRD für eine Lösung der damals noch offenen Deutschen Frage, die ich in der Schrift ausdrücklich thematisiert hatte, wurde in der Aufwallung der Gefühle, die durch das Wörtlein Endlösung ausgelöst wurde, völlig erstickt. Ich finde, daß auch Sarrazins Titel nicht besonders glücklich gewählt ist. Wie es möglich sein soll, daß ein Land sich abschafft, müßte mir erst noch ein Geograph, Geodät oder Geologe erklären. Ich habe den Verdacht, daß das Wort „Land“ hier als ein Euphemismus fungiert, der etwas verdecken soll, was der Verfasser nicht beim Namen nennen kann oder will.

Sie wollen sagen, er meint eigentlich das deutsche Volk, wagt es aber nicht, diesen Begriff in den Mund zu nehmen?

Hepp: Seine Ausdrucksweise ist mir deshalb suspekt, weil es nach meiner Beobachtung in der Rhetorik unserer politischen Klasse eine Tendenz gibt, die Volksherrschaft durch eine Territorialherrschaft zu ersetzen. Dahinter verbirgt sich nicht nur das Machtstreben einer Oligarchie, die sich über das Volk erhaben dünkt, sondern auch eine große Verlegenheit. Man kann nicht länger ignorieren, daß man von vielen Leuten, die sich auf unserem Territorium niedergelassen haben, nicht mehr verlangen kann, daß sie sich als Deutsche fühlen und Deutsche werden sollen. Man hat daher ja auch die Zumutung einer Assimilation, die die einzig demokratische Form einer Integration von Einwanderern wäre, aufgegeben.

Man hofft eben, daß sich Einwanderer wenigstens, wie ein Cem Özdemir, als „Inländer“ mit dem „Standort Deutschland“ identifizieren.

Hepp: Ja, und man gibt Millionen dafür aus, um sie durch Gerald Asamoah wissen zu lassen, daß sie „Deutschland sind“. Im Ersten Integrationsbericht der Bundesregierung wird der ganze Integrationszirkus mit der Notwendigkeit begründet, die „Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland“ zu sichern. Kein „Verantwortlicher“ in diesem Land möchte Deutschland abschaffen, alle sind darauf erpicht, es um jeden Preis zu erhalten. Daß indessen das deutsche Volk allmählich aus Deutschland verschwindet, weil das Geburtenloch ständig mit Fremden aufgefüllt wird, die sich nicht assimilieren wollen oder können, kümmert keinen. Vom Volkstod zu reden, gilt als rassistisch. Mein Neologismus Genosuizid wurde daher nie populär. Sarrazin umschifft diese gefährliche „völkische“ Klippe mit seinem tellurischen Euphemismus. Ein richtiger Pfiffikus! Ich glaube aber nicht, daß er damit durchkommt.

Übertreiben Sie jetzt aber nicht etwas mit Ihrer Schwarzmalerei?

Hepp: Ich und übertreiben? Da Sie mir nicht genug Platz einräumen, um meine These zu beweisen, muß ich mich mit einem Beispiel begnügen, das für die Einstellung unserer „Elite“, die nur ihr Geschäft im Sinn hat, zu ihrem Volk typisch ist. In seiner Begrüßungsrede zu einem Symposium über „Integration durch Bildung“, das die Vodafone-Stiftung im Oktober 2007 mit einer nationalen und internationalen Starbesetzung in den Räumen des Auswärtigen Amtes ausrichten durfte, machte der Vodafone-CEO Friedrich Joussen die „Herausforderungen“, die auf den Standort Deutschland zukommen, an einem sehr persönlichen Beispiel deutlich: „Wenn in dreißig Jahren meine Enkel die gleiche Schule in Duisburg besuchen wie einst meine Frau und ich und heute meine Kinder, dann werden voraussichtlich nicht nur vierzig Prozent, sondern sogar sechzig Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund mitbringen.“ Daß die eingeborenen Deutschen in seiner Heimatstadt schon in der nächsten Generation in die Minderheit geraten werden, stört diesen global vernetzten Weltbürger offenbar nicht. Daß sich kinderlose alte Jungfern wie Maria Böhmer und Anette Schavan, die der nächsten Generation nichts als ihre hohen Pensionsansprüche hinterlassen, krampfhaft an den Fetisch „Standort Deutschland“ klammern, ist psychologisch verständlich.

Und was ist mit Ihnen?

Hepp: Ich muß gestehen, daß mich das, was mit diesem Land passiert, wenn es nicht mehr das Land unserer Nachkommen, sondern das Land anderer Leute ist, nicht die Bohne interessiert. Zumindest in diesem zentralen Punkt bin ich absolut mit dem Ketzer Sarrazin einig, der sich in seinem Buch freimütig zu dem Wunsch bekennt, daß auch seine Urenkel „in hundert Jahren noch in Deutschland leben können, wenn sie dies wollen“, und der unmißverständlich erklärt, daß er nicht möchte, daß das Land seiner Enkel und Urenkel „zu großen Teilen muslimisch ist“. Thilo Sarrazin mag meinetwegen noch so links, liberal oder sonstwas sein, mit diesem Bekenntnis ist der Sozialdemokrat ein Nationalist in der besten Tradition eines Max Weber, der es in seiner Freiburger Antrittsvorlesung als die Hauptaufgabe des Politikers bezeichnete, dafür zu sorgen, daß sich auch noch „die Nachwelt zu uns als ihren Ahnen bekennt“.

Wie wird der Fall nach Ihrer Ansicht ausgehen?

Hepp: Er hat zwar mit der heiligen Dreifaltigkeit von Ralph Giordano, Necla Kelek und Helmut Schmidt den denkbar besten Schutz vor den Ungewittern der Political Correctness, aber ich wäre nicht der Schwarzseher, den Sie in mir entdeckt haben, wenn ich nicht sagen würde: Das wird noch böse enden.

Prof. Dr. Robert Hepp, der Soziologe und Publizist gilt seit Mitte der 1970er Jahre als einer der kompetentesten und eindringlichsten Warner vor der demographischen Katastrophe und den Folgen der Masseneinwanderung. Nachdem er zunächst eine erhebliche Medienresonanz erlebte, fiel er zunehmend der aufkommenden Political Correctness zum Opfer und wurde totgeschwiegen. In zahlreichen Veröffentlichungen prognostizierte Hepp die schon damals absehbaren Folgen einer verweigerten Bevölkerungs- und statt dessen betriebenen Einwanderungspolitik. Am bekanntesten wurde sein Buch „Die Endlösung der Deutschen Frage. Grundlinien einer politischen Demographie in der Bundesrepublik Deutschland“ (Hohenrain, 1988). Bis Ende 1994 lehrte er an der Universität Osnabrück, dann bis zu seiner Emeritierung 2006 an der Hochschule Vechta. Geboren wurde er 1938 in Oberschwaben bei Riedlingen an der Donau.

Junge Freiheit vom 3. September 2010


 

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