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Peter Mersch (*1949)
- Land ohne Kinder. Wege aus der demographischen Krise (2005) -
- Die Familienmanagerin. Kindererziehung und Bevölkerungspolitik in Wissensgesellschaften (2006) -
- Migräne. Heilung ist möglich (2006) -
- Irrweg Bürgergeld. Eine Kritik aus Sicht der gesellschaftlichen Reproduktion (2007) -
- Hurra, wir werden Unterschicht! Zur Theorie der gesellschaftlichen Reproduktion (2007) -
- Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft  restlos ruinieren wird (2007) -
- Evolution, Zivilisation und Verschwendung (2008) -
- Familie als Beruf (2008) -
- Die Familie und die Gleichberechtigung der Geschlechter (2009) -
- Kulturelle Vererbung (Mithrsg.; 2010) -
- Systemische Evolutionstheorie und Gefallen-wollen-Kommunikation (in: Kulturelle Vererbung; 2010) -
- Eva Herman, der BGH und die deutsche Sprache (2011) -
- Ich beginne zu glauben, daß es wieder Krieg geben wird (2011) -
- Systemische Evolutionstheorie. Eine systemtheoretische Verallgemeinerung der Darwinschen Evolutionstheorie (2012) -
- Wozu gibt es Sexualität? Das Königsproblem der Evolutionsbiologie (2012) -
- Bevölkerungsplanung (2012) -
- Irrweg Gleichheitsfeminismus (2012) -
- Familienarbeit in gleichberechtigten Gesellschaften (2012) -
- Wie Übergewicht entsteht ..., und wie man es wieder los wird (2012) -
- Gesund abnehmen ohne Jojo-Effekt (2012) -
- Klüger werden und Demenz vermeiden (2012) -
Mersch-Zitate. Da ich Peter Mersch für einen der informativsten Wissenschaftler halte, möchte ich ihm einige
separate Seiten widmen und aus folgenden seiner Werke zitieren:   

- Land ohne Kinder (2005) -
- Die Familienmanagerin (2006) -
- Irrweg Bürgergeld (2007) -
- Hurra, wir werden Unterschicht! (2007) -
- Die Emanzipation - ein Irrtum! (2007) -
- Evolution, Zivilisation und Verschwendung (2008) -
- Familie als Beruf (2008) -
- Die Familie und die Gleichberechtigung der Geschlechter (2008) -
- Kulturelle Vererbung (Mithrsg.; 2010) -
- Systemische Evolutionstheorie und Gefallen-wollen-Kommunikation (2010) -
- Ich beginne zu glauben, daß es wieder Krieg geben wird (2011) -
- Systemische Evolutionstheorie (2012) -
- Wozu gibt es Sexualität? (2012) -
- Irrweg Gleichheitsfeminismus (2012) -
- Zitat vom 25.12.2012, 07:22:59 -

Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft  restlos ruinieren wird. (2007) **


„Im Mai 2006 warf Eva Herman in einem vielbeachteten Essay »Die Emanzipation - ein Irrtum?«  die Frage auf, ob an der bevorstehenden Vergreisung unserer Gesellschaft nicht auch die Emanzipation der Frauen eine Mitschuld tragen könne.
Peter Mersch beantwortet diese Frage mit einem klaren »Ja«!
Ein Vorteil der in der Natur dominierenden geschlechtlichen Fortpflanzung mit ihrer typischerweise sehr ungleichen Verteilung des elterlichen Aufwands ist, daß dabei die Opportunitätskosten für weiteren Nachwuchs bei beiden Geschlechtern sehr niedrig gehalten werden können. Ferner werden auf diese Weise Erfolgsmerkmale besonders effizient an die nächste Generation weitergegeben.
Eine weitestgehende Angleichung der Geschlechter führt in menschlichen Gesellschaften dagegen selbst bei optimaler Vereinbarkeit von Familie und Beruf dazu, daß die Opportunitätskosten für Kinder sowohl bei Frauen als auch bei Männern um so höher sind, je qualifizierter und beruflich engagierter die Eltern sind. Das daraus resultierende Nachwuchsverhalten dürfte den betroffenen Bevölkerungen sukzessive alle ihre Komponenten rauben. Oder anders gesagt: Solche Gesellschaften verarmen und verdummen - und zwar aus biologischen Gründen.“
(Ebd., Klappentext).

 1) Bevölkerungsschrumpfung (S. 1-13)
 2) Evolution (S. 15-38)
 3) Sexualität (S. 39-56)
 4) Intelligenz (S. 57-66)
 5) Roms Untergang (S. 67-72)
 6) Emanzipation (S. 73-110)

1) Bevölkerungsschrumpfung

1.1) Der demographische Wandel  (S. 1-2)
1.2) Fertilitätstheorien  (S. 2-11)
1.3) Problemfall Mehrkindfamilie  (S. 11-13)

1.1) Der demographische Wandel

„Die fortgeschrittenen Industrienationen befinden sich auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften: Nicht mehr die Ressourcen Arbeit, Kapital und Rohstoffe (Boden; Anm. HB) spielen die entscheidende Rolle, sondern die geistigen Fähigkeiten und das tehoretische Wissen ihrer Menschen.“ (Ebd., S. 1).

„Gleichzeitig entwickeln diese Staaten ein demographisches Problem: Die Lebenserwartung steigt, während die Geburtenrate sinkt.“ (Ebd., S. 1).

Es werden zu wenige Kinder geboren, ... wissenschaftlich ausgedrückt: die gesellschaftliche Reproduktion ist insgesamt mengenmäßig nicht bestandserhaltend.“ (Ebd., S. 1).

In sozial schwachen beziehungsweise bildungsfernen Schichten werden mehr Kinder geboren als in Schichten mit hohem sozioökonomischen Status beziehungsweise Bildungsniveau. Anders gesagt: Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Kinderzahl und sozialer Position beziehungsweise Bildungsniveau. Dieser Zusammenhang besteht in analoger Weise auch länderübergreifend. In den entwickelten Industrienationen werden pro Frau meist viel weniger Kinder geboren als in den Entwicklungsländern. Man nennt diese Phänomen das demographisch-ökonomische Paradoxon (vgl. Herwig Birg, Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa [**], in: Christian Leipert [Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 30 [**]).“ (Ebd., S. 1-2).

1.2) Fertiltitätstheorien

„Demographen, Ökonomen und Sozialwissenschaftler machen sich ... Gedanken darüber, wie das weltweit und auch historisch sehr unterschiedliche Fortpflanzungsverhalten der Menschheit zu erklären ist.“ (Ebd., S. 2).

„Die ökonomische Theorie der Fertilität (vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie, 2002, S. 198ff.) von Harvey Leibenstein und Gary S. Becker gilt als eines der überzeugendsten theoretischen Modelle, um das global sehr unterschiedliche Fertilitätsverhlaten von Bevölkerungen zu erklären. Insbesondere die sehr niedrigen Fertilitätsraten in den entwickelten Staaten ließen sich mit älteren Theorien nicht in Einklang bringen.“ (Ebd., S. 3).

„Gemäß der ökonomischen Theorie lassen sich drei verschiedene Nutzenarten für Kinder unterscheiden (vgl. Thomas Klein, Sozialstrukturanalyse, 2005, S. 81):
Konsumnutzen
Einkommensnutzen
Sicherheitsnutzen
Diesen Nutzenarten stehen zwei Kostenarten gegenüber:
Opportunitätskosten
Dierekte Kosten
Wägt man die verschiedenen Nutzen- und Kostenarten gegeneinander ab, dann läßt sich feststellen:
 - Kinder haben einen Konsumnutzen (mehr als früher! Anm. HB) ...
 - Kinder haben einen vergleichsweise geringen Einkommensnutzen (geringer als früher! Anm. HB) ...
 - Kinder haben keinen Sicherheitsnutzen (sehr viel anders als früher [denn früher war er sehr hoch]! Anm. HB) ...
 - Kinder sind mit hohen Opportunitätskosten verbunden (höher als früher! Anm. HB) ...
 - Kinder kosten Geld (mehr als früher! Anm. HB) ...
Fazit: Einzig der Konsumnutzen kann heute Kinder noch ausreichend rechtfertigen. Dieser reicht aber bei den meisten Personen nicht aus, um große Familienstärken zu bewirken.“ (Ebd., S. 3-7).

„Die sozialpsychologische Theorie der Fertilität benutzt zwar eine etwas andere Terminologie als die ökonomische Fertilitätstheorie, ist aber konzeptionell mit ihr weitestgehend deckungsgleich. Sie entspringt im Gegensatz zur ökonomischen Theorie eher sozialpsychologsichen Forschungsarbeiten. Als Nutzen für Kinder stellt sie heraus:
materieller Nutzen
psychologischer Nutzen
sozial-normativer Nutzen (zum Beispiel Statusgewinn durch Kinder, Vererbunbg des Familienanmens).“ (Ebd., S. 7-8).

„Bei der biographischen Fertilitätstheorie (vgl. Herwig, Birg / Ernst-Jürgen Flöthmann / Iris Reiter, Biographische Theorie der demographischen Reproduktion, 1991) handelt es sich um die demographische Entsprechung der Individualisierungsthese (vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft, 1986). Sie argumentiert ökonomisch, konzentriert sich aber kostenseitig auf die biographischen Opportunitätskosten der Familiengründung und klammert Nutzenaspekte und dierekte Kosten weitestgehend aus. ([**|**|**]).“  (Ebd., S. 8).

„Kernausassagen der Theorie sind (vgl. Herwig, Birg / Ernst-Jürgen Flöthmann / Iris Reiter, Biographische Theorie der demographischen Reproduktion, 1991):
Die Größe des biographischen Universums nimmt durch den Wegfall sozialer, normativer und ökonomischer Beschränkungen permanent zu
Je größer das biographische Universum ist bzw. je vielfältiger die Optionen für eine Biographie sind, desto größer ist die Zahl der Alternativen, die mit einer biographischen Festlegung aus dem Möglichkeitsspielraum ausscheiden.
Bei einer Expansion des biographischen Möglichkeitsspielraums steigt das Risiko einer biographischen Festlegung.
In Gesellschaften mit Konkurrenzprinzip im Individualverhalten ist das Risiko biographischer Festlegungen in der Familienbiographie größer als das Risiko von Festlegungen in der Ausbildungs- und Erwerbsbiographie.
Das Risiko familialer Festlegungen läßt sich aufschieben oder vermeiden.
Schlußfolgerung: Die Wahrscheinlichkeit der demographisch relevanten biographischen Festlegungen nimmt ab.
Dies bedeutet: Durch die zunehmende Individualisierung (vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft, 1986) steigt die Anzahl der Lebenslaufalternativen für eine konkrete person. Bei einer Familiengründung erfolgt aber eine sehr große biographische Festlegung für einen längeren zeitraum, und folglich scheiden sehr viele Lebenslaufalternativen aus dem sogenannten biographischen Universum aus. Dies macht es wahrscheinlicher, daß eine solche Festlegung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erfolgt, zumal familiale Entscheidungen größere Risiken bergen können als Ausbildungs- und Karriereentscheidungen. Die Konsequenz ist, daß Entscheidung für eine Familiengründung immer später oder gegebenfalls gar nicht mehr getroffen wird.“ (Ebd., S. 8-9).

„Die biographische Fertilitätstheorie gilt allgemein als eine der schlüssigsten Thesen für die Erklärung der niedrigen Fertilitätsraten in entwickelten Gesellschaften. Denn immerhin konnten einzelne Folgerungen der Theorie empirisch bestätigt werden. (Vgl. Herwig Birg, Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa, 2003 [**], in: Christian Leipert [Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 27-56 [**]).“  (Ebd., S. 9).

„Einen zusätzlichen Gesichtspunkt liefert die sogenannte verantwortete Elternschaft, die eine Familiengrünmdung davon abhängig macht, daß ein Wohlergehen des Kindes in vieler Hinsicht verantwortet werden kann. Gesellschaftlich niedrige Fertilitätsraten können deshalb paradoxerweise auch Ausdruck einer hohen Wertschätzung von Kindern sein.“  (Ebd., S. 9).

„Die Theorie ist bezüglich der ökonomischen Aspekte kongruent mit der ökonomischen Theorie der Fertilität, berücksichtigt darüber hinaus aber auch psychologische oder soziologische Aspekte.“  (Ebd., S. 9).

2) Evolution

2.1) Die Evolutionstheorie (S. 15-19)
2.2) Paarungssysteme und sexuelle Selektion  (S. 19-24)
2.3) Nichtbiologische Evolutionen (S. 24-27)
2.4) Evolutionstheorie und menschliche Gesellschaften (S. 27-34)
2.5) Sozialdarwinismus (S. 34-38)

2.1) Die Evolutionstheorie

„Die von Charles Darwin entwickelte biologische Evolutionstheorie (im folgenden einfachheitshalber »Evolutionstheorie« genannt) erklärt die Entwicklung des Lebens auf der Erde und die fortlaufende Anpassung von Populationen an ihren Lebensraum. In ihr spielt der Fortpflanzungsmechanismus eine entscheidende Rolle. Die Kernhypothesen der Evolutionstheorie sind:
.... Variation ....
.... Selektion ....
.... Vererbung ....
Für die ursprüngliche Darwinsche Evolutionstheorie spielt es keine Rolle, ob die Vererbung über Gene oder etwa durch Erziehung (beziehungsweise Imitation der Eltern) erfolgt. Für die moderne synthetische Evolutionstheorie steht aber die Genetik im Vordergrund: Die Individuen einer Population unterscheiden sich durch erbliche Zufallsveränderungen (Variation). Durch die natürliche Selektion werden diejenigen Veränderungen, die ihren Träger besser an eine gegebene Umwelt anpassen, häufiger an die nächste Generation weitergegeben (Vererbung).“ (Ebd., S. 15-16).

„Die Kernaussage der Evolutionstheorie ist nun: Wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion und Vererbung gegeben sind, ist Evolution unvermeidlich die Folge.“ (Ebd., S. 16).

„Ich möchte dies an einem visuellen Beispiel verdeutlichen: Nehmen Sie ein Blatt Papier und markieren darauf einen roten Punkt, der den aktuellen Zustand der Umgebung repräsentieren soll. Hierbei handelt es sich um eine starke Vereinfachung, da Umgebung üblicherweise mehr als zwei Dimensionen hat. (Allerdings sind solche Vereinfachungen in wissenschaftlichen Überlegungen üblich. (Vgl. Lisa Randall, Verborgene Universien - Eine Reise in den extradimensionalen Raum, 3. Auflage, 2006, S. 47ff.). Und nun markieren Sie rund um den Umgebungspunkt einige weitere schwarze Punkte, die den Individuen einer Population entsprechen sollen (Variation). Bildlich gesprochen: Ein Individuum ist um so besser an die aktuelle Umgebung angepaßt, je geringer sein Abstand zum roten Punkt ist. Stellen Sie sich nun vor, die Umgebung würde sich mit der Zeit verändern, das heißt, auf dem Blatt bewegen. Wenn nun diejenigen Individuen, die dichter am roten Umegebungspunkt sind, mehr Nachkommen durchbringen als andere (Selektion) und die Nachkommen in der Regel ihren Eltern ähneln (Vererbung), dann wird die gesamte Population der Bewegung des roten Umgebungspunktes folgen. Wenn sich der rote Umgebungspunkt nur langsam bewegt, dann ist der Selektionsdruck gering, und die gesamte Population wird sich kaum verändern. Bewegt sich der Umgebungspunkt dagegen schnell, dann ist der Selektionsdruck groß, so daß gegebenfalls nur noch deutlich veränderte Individuen ihm folgen können.“ (Ebd., S. 16-17).

„Man könnte ... das Evolutionsprinzip auch als Optimierungsalgorithmus verstehen, der die fortlaufende Anpassung von Populationen an sich gleichfalls verändernde Umgebungen sicherstellt, ein von jeder Absichtlichkeit oder höherer Zweckmäßigkeit freies Verfahren. (Vgl. Franz M. Wuketits, Evolution - Die Entwicklung des Lebens, 2005, S. 25). Erst die natürliche Selektion verleiht der Evolution so etwas wie eine Richtung. (Vgl. Franz M. Wuketits, ebd., 2005, S. 25).“ (Ebd., S. 17).

„Die Evolutionstheorie erklärt, wie auf der Erde aus Chaos zunehmende lokale Ordnung (das heißt, Evolution beziehungsweise Entwicklung) in Form von Leben entstehen konnte, was aufgrund des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiesatz), der im Universum eine generelle Entwicklung von der Ordnung hin zum Chaos postuliert, zunächst nicht erwartet werden konnte.“ (Ebd., S. 17).

„»Wenn es Lebewesen gibt, die in ihrer Form untereinander variieren, und wenn es eine Selektion dahingehend gibt, daß nur einige dieser Lebewesen überleben, und wenn die Überlebenden all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein, in der die Selektion stattfand. Es ist der zwingende Charakter dieses Prozesses, der die Evolution zu einem derart mächtigen Erklärungswerkzeug gemacht hat: Wenn die drei Voraussetzungen - Variation, Selektion und Vererbung - gegeben sind, ist Evolution unvermeidlich die Folge.Wenn die drei Voraussetzungen - Variation, Selektion und Vererbung - gegeben sind, ist ist ein von jeder Absichlichtkeit freies Verfahren - ein ›Prinzip, wonach Gestaltung ohne Zutun eines Geistes aus dem Chaos entstehen kann‹ ....« (Susan Blackmore, Evolution und Meme, in: Alexander Becker et al., Gene, Meme und Gehirne, 2003, S. 50).“ (Ebd., S. 17).

„Wird der Algorithmus der natürlichen Selektion in sein Gegenteil verkehrt, das heißt, pflanzen sich in erster Linie die weniger gut angepaßten Individuen fort, dann dürfte lokale Ordnung wieder sukzessive in Chaos übergehen.“ (Ebd., S. 17).

„Die Natur implementiert über die Prinzipien der Evolutionstheorie so etwas wie Generationengerechtigkeit. Generationengerechtigkeit bedeutet, daß die heutige Generation der nächsten Generation die Möglichkeit gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen Ausmaß wie die heutige Generation zu erfüllen (Jörg Tremmel, Bevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationenegerechtigkeit, 2005; S. 98). Oder anders ausgedrückt: Wenn Individuen gemäß der natürlichen Selektion all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt gleich gut oder besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein, in der die Selektion stattfand. Hat sich diese Umwelt in der Zwischenzeit kaum verändert, dann kann sich die Folgegeneration ihre Bedürfnisse gleich gut oder besser erfüllen als die vorangegangene. Das Prinzip der Generationengerechtigkeit ist also gewahrt.“ (Ebd., S. 18).

„Der Gegenstand der Evolutionstheorie ist die Population inklusive deren reproduktives Verhalten (vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 147ff.), was ihre unmittelbare Relevanz für demographische Fragestellungen begründet.“ (Ebd., S. 18).

„Strenggenommen ist die natürliche Selektion kein Auswahlverfahren, sondern ein Eliminierungsverfahren in Hinblick auf die Fortpflanzung. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 150). Denn es scheiden die am wenigsten gut angepaßten Individuen aus, während besser angepaßte (tauglichere) Individuen eine größere reproduktive Überlebenschance besitzen.“ (Ebd., S. 18).

„Die Evolutionstheorie wird häufig mit einem »Kampf ums Dasein« in Verbindung gebracht. Ein üblicher Einwand ist, einen solchen Überlebenskampf gäbe es in modernen Gesellschaften nicht mehr (siehe die Diskussion in den folgenden Abschnitten), weswegen die Theorie auf menschliche Gesellschaften nicht anwendbar wäre. Allerdings kommt der Optimierungsalgorithmus der natürlichen Selektion auch ohne die Nebenbedingung der Ressourcenverknappung und den damit verbundenen gnadenlosen Kampf ums Überleben aus. Statt dessen reicht bereits eine ganz normale Konkurrenz unter den Individuen. Auf diesem Mißverständnis beruht ganz wesentlich die Kritik Joachim Bauers an Kernaussagen der Evolutionstheorie. (Vgl. Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren, 2006). »Die Macht der natürlichen Auslese ist größer als uns bloße Intuition zu erwarten erlaubt. .... Denken Sie an eine Herde von tausend grauen Pferden und darunter ein paar Individuen mit leicht abweichenden Grautönen sowie Mutationen, die dieses Merkmal beeinflussen können. Besuchen Sie die Herde alle hundert Jahre einmal und entfernen Sie die Variante mit der jeweils hellsten Farbe. Einfache Berechnungen können zeigen, daß diese Vorgehensweise innerhalb von einer Million Jahren in einer Herde einheitlich schwarzer Pferde resultieren könnte. Mit anderen Worten: Zufallsbedingte Variation und eine sogar sehr ›mild‹ wirkende Selektion können Erstaunliches hervorbringen.« (Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?,  2002, S. 35f.).“ (Ebd., S. 18-19).

2.2) Paarungssysteme und sexuelle Selektion

„Mit Elterninvestment wird in der Soziobiologie die Gesamtheit der Maßnamhen bezeichnet, die Lebewesen ergreifen, um Nachkommen zu zeugen und sie für das Leben und ohne spätere eigene Fortpflanzung vorzubereiten und fit zu machen. Dabei werden Brutpflege (= Gesamtheit der Verhaltensweisen, die Lebewesen bei der Aufzucht ihrer Jungen entwickeln) und Brutfürsorge (= alle Verhaltensweisen von Eltern, die ihrem Nachwuchs im voraus günstige Entwicklungsmöglichkeiten bieten) unterscheiden. (Vgl. Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?,  2002, S. 42f.)“ (Ebd., S. 19).

„Sexualpartner, die den höheren elterlichen Aufwand treiben, stellen im allgemeinen für das andere Geschlecht die knappere Ressource dar. Das Konzept des Elterninvestments ist deshalb in der Lage, die Geschlechterrolle und die Intensität des Paarungswettbewerbs vorherzusagen:
Das Geschlecht, welches die geringeren Elterninvestments erbringt, konkurriert untereinander um die Fortpflanzungspartner.
Das Geschlecht mit dem höheren elterlichen Aufwand wählt (selektiert) die Fortpflanzungspartner unter den konkurrierenden Individuen nach bestimmten Kriterien aus.
Bei vielen Tierarten und auch dem Menschen belastet die Fortpflanzung die Weibchen ungleich stärker als die Männchen. (Vgl. Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?,  2002, S. 45). Erstere sind dann bei der Wahl der Sexualpartner selektiver, während letztere um die Weibchen konkurrieren. Darwin entwickelte das Konzept der sexuellen Selektion und versuchte damit zu verdeutlichen, daß die Auswahl der Männchen seitens der Weibchen und die damit einhergehende Konkurrenz unter den Männchen eine große Bedeutung in der Evolution hat. (Vgl. Franz M. Wuketits, ebd., S. 39).“ (Ebd., S. 19).

„Im Rahmen der sexuellen Selektion wählen die Weibchen bevorzugt Männchen mit bestimmten Merkmalen aus, die eine besonders große genetische Fitneß des Sexualpartners erwarten lassen. Durch die Auswahl desjenigen Männchens mit der besten genetischen Fitneß wird die Fitneß der Nachkommen erhalten oder sogar erhöht. Bei manchen Arten selektiert nicht das Weibchen anhand von Fitneßindikatoren, sondern es setzt sich ein Männchen aufgrund überlegner Fitneß im Wettbewerb gegenüber anderen männlichen Konkurrenten durch, woraufhin es vom (von den) Weibchen als Paarungspartner akzeptiert wird. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Den Reproduktionserfolg haben bevorzugt die Männchen mit der besten genetischen Fitneß. Daneben existieren in der Natur zahlreiche andere Ausprägungen des Selektionsmechanismus. Bei Wölfen etwa bestimmen sowohl Männchen als auch Weibchen das jeweilige Leittier und nur diese beiden Individuen paaren sich miteinander. Beim Menschen selektieren vor längerfristigen Bindungen üblicherweise beide Partner.“ (Ebd., S. 19-20).

„Der Mensch hebt sich in der Natur durch besonders ausgeprägte Elterninvestments hervor (vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie, 2003, S. 80), was eine direkte Folge der Entwicklung des menschlichen Gehirns sein dürfte. Damit die Passage des im Laufe der Menschwerdung immer größer werdenden Kopfes von Säuglingen während der Geburt durch den Muttermund und die Beckenknochen der Frau noch möglich war, bedurfte es seitens der Natur einer Doppelstrategie: Menschliche Säuglinge kommen als hilflose Frühgeburten zur Welt, damit ihr Kopf nach der Geburt noch weiter wachsen kann (vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie, 2002, S. 27). Ein Kind muß deshalb unbedingt durch Erwachsene aufgezogen, beschützt und über eine längere Zeit sogar getragen werden (vgl. Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994, S. 88; Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 303ff.).“ (Ebd., S. 23).

„Damit verbunden waren eine ganze Reihe weiterer Veränderungen (vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 74ff.):
Herausbildung der menschlichen Familienstruktur und die damit einhergehende Arbeitsteilung der Geschlechter: Der Mann sorgt für Fleisch und Schutz, die Frau zieht die Kinder auf. Diese grundlegende Familienorganisation entwickelte sich beim Menschen vermutlich bereits vor zwei Millionen Jahren (vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 75). Unter Primaten kommen dauerhafte Kernfamilien nur beim Menschen vor (vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie, 2003, S. 74).
Angleichung des Körpergewichts zwischen den Geschlechtern als Ausdruck relativer Monogamie.
Ständige sexuelle Empfänglichkeit der Frauen, möglicherweise um das Interesse und die Loyalität des zugehörigen monogamen Mannes auf rechtzuerhalten.
Körperliche Verdeckung des Eisprungzeitpunktes bei den Frauen.
Einige Anthropologen sind der Ansicht, die spezifische menschliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern habe einen entscheidenden evolutionären Vorteil dargestellt, da es dem Homo Sapiens (Homo Sapiens Sapiens; Anm. HB) auf diese Weise gelungen sei, mehr Nachwuchs durchzubringen. Bei den Neandertalern soll eine ähnlich strikte sexuelle Arbeitsteilung nicht bestanden haben, was entscheidend zu deren Aussterben beigetragen habe (Steven L. Kuhn / Mary C. Stiner, What's a Mother to Do? The Division of Labor among Neandertals and Modern Humans in Eurasia, in: Current Anthropology, 2006).“ (Ebd., S. 23-24).

„In diesem Zusammenhang sind auch die folgenden Fakten zu bedenken:
Der enorme Größenzuwachs des menschlichen Gehirns während der Altsteinzeit läßt sich nur mit einer fleischbetonten Ernährung erklären (Vgl. Josef H. Reichholf, Das Rätsel der Menschwerdung - Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel mit der Natur, 1990, S. 115ff.; L. C. Aiello / P. Wheeler, The Expensive-Tissue Hypothesis, 1995; Peter Mersch, Migräne, 2006, S. 40ff.).
ADie spezifische menschliche Nahrung in Verbindung mit der Hilflosigkeit menschlicher Säuglinge machte die Frauen in der Altsteinzeit von der regelmäßigen Nahrungsversorgung durch männliche Jäger abhängig. Auf sich allein gestellte Frauen konnten als Sammlerinnen nur eine Notnahrung beschaffen. Dies erklärt den reziproken Altruismus des menschlichen Familienmodells.
Ohne die Errungenschaften der Medizin und Hygiene und der damit verbundenen verringerten Säuglings-, Kinder- und Müttersterblichkeit mußten Frauen für eine bestandserhaltende Reproduktion stets eher durchschnittlich 5-6 Kinder in die Welt setzen und aufziehen und nicht wie heute durchschnittlich 2,1. (Eine Voraussetzung für die Gleichberechtigung der Geschlechter und insbesondere die freie Berufswahl der Frauen war folglich der medizinische Fortschritt). Gleichzeitig war ihre Lebenserwartung während der größten Zeit der Menschheit deutlich geringer als heute. Frauen waren deshalb über weite Strecken ihres Lebens mit dem Gebären und Aufziehen von Kindern beschäftigt und dabei auf die männlichen Versorgungsleistungen angewiesen.“ (Ebd., S. 24).

2.3) Nichtbiologische Evolutionen

„Gemäß der Evolutionstheorie ist Evolution dann unvermeidlich, wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion (als Ergebnis von Konkurrenz bzw. Kampf ums Dasein, der aus der Überproduktion hervorgeht; Anm. HB) und Vererbung gegeben sind. In meinem Buch »Hurra, wir werden Unterschicht!« (2007) werden beispielhaft drei nichtbiologische Bereiche näher beschrieben, für die die genannten Bedingungen ebenfalls erfüllt sind:
Kultur.
Technik.
Sport.
.... Die ... Eliminierung der Tauglichsten ist das genaue Gegenteil der natürlichen Selektion. Sie entspricht dem aktuellen Reproduktionsverhalten moderner menschlicher Gesellschaften. Die langfristigen Folgen dürften in beiden Fällen ähnlich verheerend sein.“ (Ebd., S. 24-25, 27).

2.4) Evolutionstheorie und menschliche Gesellschaften

„Der Begriff Ressourcen der Evolutionstheorie übersetzt sich in modernen Gesellschaften nahtlos in Geld: Wer Geld hat, hat den Zugriff auf Ressourcen (zum Beispiel Energie) seiner Wahl. Gesellschaftlicher Erfolg läßt sich folglich an einem entsprechenden Einkommen beziehungsweise Besitz oder auch an einer mit entsprechenden Verfügungsrechten verbundenen gesellschaftlichen (Macht-)Position ausmachen. Für menschliche Gesellschaften kann die natürliche Selektion dann wie folgt vereinfacht formuliert werden:
Reproduktionserfolg (= Zahl an Nachkommen, Familiengröße) korreliert mit sozialem (beruflichem) Erfolg.
Oder noch einfacher:
Wer mehr Geld verdient, kann mehr in die Zukunft investieren.
... In modernen Gesellschaften existiert allerdings noch ein ganz anderes Kriterium, welches mit sozialem Erfolg assoziiert ist: Bildung. Bildung ist in entwickelten und auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften befindlichen Ländern der Königsweg zum Geld, das heißt, zum Zugriff auf die Ressourcen. Sie ist das beste Kriterium für die Abschätzung eines späteren beruflichen und sozialen Erfolges.“ (Ebd., S. 27-28).

„Bildung avancierte zum entscheidenden Erfolgskriterium unserer Gesellschaft. »Bildung ist das höchste Gut, Bildung ist teuer, in Bildung muß investiert werden sowohl von den Einzelnen als auch von Staat und Wirtschaft.« (Ulrich Beck, Was zur Wahl steht, 2004, S. 103). Die Sache hat leider nur einen Haken: Bildung steht der Reproduktion im Wege. So läßt sich beispielsweise für die USA und Deutschland feststellen: »Je mehr in die individuelle Bildung investiert wird, um so unwahrscheinlicher ist die Entscheidung für Kinder, insbesondere für mehrere Kinder. .... Bei genauerer Betrachtung der Kinderlosigkeit us-amerikanischer Frauen im Alter zwischen 40 und 44 Jahren und dem Vergleich mit Deutschland sind die Ausbildung und die erreichte Berufsposition die beiden zentralen Faktoren für die individuelle Entscheidung, ohne Kinder zu leben.« (Hans Bertram / W. Rösler / N. Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik, 2005, S. 14). Diese Ergebnisse gelten bezüglich der vollständigen Fertilität ganz ähnlich auch für schwedische (vgl. G. Neyer / G. Andersson / J. Hoem / M. Ronsen / A. Vikat, in: Hans Bertram / H. Krüger / C. K. Spieß [Hrsg.], Wem gehört die Familie der Zukunft?, 2006) und französische (Jan M. Hoem, Warum bekommen die Schweden mehr Kindr als die Deutschen?, 2006) Frauen, obwohl in vielen Studien und Medienberichten etwas anderes behauptet wird. Allerdings zeigt die Analyse für Schweden, daß Frauen, die einen Bildungsabschluß für den Unterrichts- oder den Gesundheitsbereich haben, unabhängig vom Bildungsabschluß eine deutlich niedrigere Kinderlosigkeit und eine deutlich höhere Zahl an Kindern (vollständige Fertilität) aufweisen, als Frauen, die eine Ausbildung im Verwaltungsbereich, in den Sozialwissenschaften, im Wirtschaftsbereich, aber auch in persönlichen Diensten haben. Man könnte deshalb sagen: Je sicherer und kindorientierter die Beschäftigung, desto mehr Kinder werden von den Frauen geboren. Grundschullehrerinnen weisen zum Beispiel eine deutlich höhere Fertilität als Oberstufenlehrerinnen auf. Besonders niedrig ist die Zahl der Kinder bei promovierten Geisteswissenschaftlerinnen.“ (Ebd., S. 28-29).

„Eine bestandserhaltende gesellschaftliche Reproduktion wird bei durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau erreicht. Eine solche Fertilitätsrate ist aber primär unter den Erfolgreichen und Hochqualifizierten anzustreben, denn das Selektionsprinzip reklamiert in erster Linie eine Bestandserhaltung unter den am besten an die aktuellen Bedingungen engepaßten Individuen (Korrelation zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg). .... Reproduziert sich eine Bevölkerung ... nur mit einer Fertilitätsrate von 1,38, der Bevölkerungsteil mit hoher Bildung sogar nur mit einer Rate von 1,14, dann ist folglich in erster Linie der Wert für die hohe Bildung von Interesse, weil er das Ausmaß der tatsächlichen Nichtbestandserhaltung realistischer widerspiegelt.“ (Ebd., S. 29).

„Das empirisch nachgewiesene, mit Bildung negativ assoziierte Fortpflanzungsverhalten moderner Gesellschaften wird auch als das zentrale theoretische Problem der Soziobiologie bezeichnet, da es im offenkundigen Widerspruch zu Grundprämissen der Evolutionstheorie steht. Erklären läßt sich der weltweit bestehende negative Zusammenhang zwischen Bildung und Kinderzahl durch die hohen Opportunitätskosten von Kindern für qualifizierte und beruflich erfolgreiche Frauen: »Eine höhere Bildung und damit bessere Erwerbschancen sollten ... für Frauen und Männer unterschiedliche Effekte auf die Fertilitätsentscheidung haben. Während bei Männern ein positiver Effekt erwartet wird, da sich mit einer höheren Bildung auch das Einkommen erhöht, ist bei Frauen eher mit einem negativen Effekt einer höheren Bildung auf die Fertilität aufgrund der gestiegenen Opportunitätskosten zu rechnen.« (Johannes Kopp, Geburtenentwicklung und Fertilitätsverhalten, 2002, S. 92).“ (Ebd., S. 29).

„Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß sich mit einem Fortschreiten der weiblichen Emanzipation und insbesondere einer weiteren Steigerung der Frauenerwerbsquote die Ergebnisse für Frauen und Männer angleichen werden, da es dann selbst für beruflich erfolgreiche Männer immer schwerer werden dürfte, eine adäquate Lebensgefährtin zu finden (siehe Bildungshomogamie), die bereit ist, für die Gründung einer größeren Familie für eine längere Zeit auf ihren Beruf zu verzichten. Ferner übertragen sich die hohen Opportunitätskosten von Kindern bei einer paritätischen Aufteilung der Familienarbeit unmittelbar auf die Männer.“ (Ebd., S. 32).

„Auch wird bei einer geschlechtsneutralen Besetzung von Führungspositionen der Anteil qualifizierter Männer, die sich die Finanzierung einer größeren Familie leisten können, signifikant zurückgehen. Die anstelle der Männer aufrückenden Frauen werden dagegen häufig kinderlos sein und bleiben. Und die im öffentlichen Dienst etablierte so genannte Frauenquote dürfte ebenso eine fertilitätssenkende Wirkung haben, da das Geschlecht bei einer Auswahl von Bewerbern Vorrang vor dem Familienstatus hat, und Frauen in verantwortungsvollen Positionen weniger Kinder haben.“ (Ebd., S. 32).

„Wir können insgesamt die folgenden Zusammenhänge festhalten:
In modernen Gesellschaften mit Gleichberechtigung der Geschlechter und allgemeiner Verfügbarkeit oraler Kontrazeptiva besteht ein negativer Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Erfolg und der Zahl an Nachkommen. Denn die Frauen haben um so höhere Opportunitätskosten pro Kind, je beruflich erfolgreicher sie sind. Bei einer paritätischen Aufteilung der Familienarbeit gilt dies entsprechend auch für Männer. In solchen Gesellschaften besteht folglich eine negative Selektion, bei der die am besten angepaßten Individuen »eliminiert« werden, während weniger gut angepaßte Individuen eine größere evolutionäre Überlebenschance besitzen. Die reproduktive Selektion solcher Gesellschaften ist gegenläufig zur natürlichen Selektion der Evolution und könnte auch als Elimination of the Fittest bezeichnet werden.
In patriarchalischen Gesellschaften besteht ein positiver Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Erfolg und der Zahl an Nachkommen. Denn die Frauen haben dabei vernachlässigbare Opportunitätskosten pro Kind, während sich die Männer um so mehr Kinder »leisten« können, je beruflich erfolgreicher sie sind. In solchen Gesellschaften besteht folglich eine positive Selektion, bei der die am wenigsten gut angepaßten Individuen »eliminiert« werden, während besser angepaßte Individuen eine größere evolutionäre Überlebenschance besitzen. Die reproduktive Selektion solcher Gesellschaften entspricht der natürlichen Selektion der Evolution (= Survival of the Fittest).
Allerdings müssen hierbei noch die Wirkungen des Wohlfahrtsstaates berücksichtigt werden. In der Natur kann ein Individuum auch dann schon von der Selektion ausgeschlossen werden, wenn es im Überlebenskampf frühzeitig stirbt, beziehungsweise wenn dies allen seinen Nachkommen passiert (zum Beispiel bei hoher Säuglingssterblichkeit). Eine solche Möglichkeit schließt aber bereits der Wohlfahrtsstaat aus. Erzielt ein Mensch kein ausreichendes Einkommen, erhält er die notwendigen Ressourcen von staatlichen Einrichtungen. Auch ist die Sterblichkeit in sozial schwachen Schichten bis zum Ende der Fortpflanzungsperiode nicht wesentlich höher als in Schichten mit hohem sozioökonomischem Status. Jedem Einzelnen stehen eine ausreichend gute medizinische Versorgung und ein akzeptabler Wohnraum zu. Der von Darwin angenommene Konkurrenzkampf um die begrenzten Ressourcen findet also nur bedingt statt, weil der Wohlfahrtsstaat praktisch keine begrenzten Ressourcen kennt. (Dank der Erfindungen ist die Grenze für Ressourcen immer weiter verschoben worden!Anm. HB). Es kann jedoch festgehalten werden: Unter den Bedingungen des Patriarchats führt der Wohlfahrtsstaat aufgrund der Norm der verantworteten Elternschaft und der weiblichen Partnerwahl-Präferenzen (sexuelle Selektion) noch zu keiner Verletzung des Prinzips der natürlichen Selektion.“ (Ebd., S. 32-33).

„Im Rahmen einer Bekräftigung der Norm der verantworteten Elternschaft sollte Familien, die schon die Mittel für ihre beiden vorhandenen Kinder nicht erwirtschaften können, von einem dritten und weiteren Kindern (das heißt, einer Vermehrung statt Ersetzung der vorhandenen Kopfzahl) abgeraten werden. Allerdings sollte auf die Entscheidung der Eltern möglichst kein direkter staatlicher Zwang ausgeübt werden. Denn wenn Eltern in ihrem aktuellen Lebensraum schon nicht die Mittel für das eigene Überleben finden und stattdessen auf Ersatzleistungen und Almosen der Gemeinschaft angewiesen sind, dann ist es um so wahrscheinlicher, daß drei, vier oder mehr Nachkommen diese Mittel später einmal erst recht nicht finden werden. Die Eltern würden auf diese Weise zwar ihr (egoistisches) Bedürfnis nach Vermehrung befriedigen, allerdings auf Kosten der Bedürfnisbefriedigung ihrer Nachkommen. Im Klartext heißt das: die Eltern ignorierten das Prinzip der Generationengerechtigkeit (Kein Wunder!Die Politiker tun es ja auch! Anm. HB). Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Hier soll nicht einer staatlich verordneten Reduzierung der Geburtenzahlen in sozial schwachen Schichten das Wort geredet werden. Stattdessen soll an Grundprinzipien der Solidargemeinschaft und Generationengerechtigkeit erinnert werden:
In Not geratenen Menschen sollte nach Möglichkeit so geholfen werden, daß sie danach aus eigener Kraft für ihren Unterhalt und den ihrer Kinder sorgen können: »Gerechtigkeit statt Geschenke! Es muß darum gehen, die Familien in die Lage zu versetzen, ihre Kinder aus dem selbst erwirtschafteten Einkommen zu unterhalten, statt dies aus einer Position eines Almosenempfängers heraus zu tun.« (Jürgen Borchert, Der »Wiesbadener Entwurf« einer familienpolitischen Strukturreform des Sozialstaats, 2002, S. 78).
Ist dies nicht möglich, dann sollten zusätzliche Sozialleistungen zwar für ein ausreichendes Einkommen sorgen, nicht aber eine Reproduktion über das Ersetzen der vorhandenen Kopfzahl hinaus fördern. Es sollte staatlicherseits kommuniziert werden, daß eine Vermehrung (drei oder mehr Kinder pro Paar) unter Sozialhilfebedingungen unerwünscht ist.“ (Ebd., S. 33-34).

2.5) Sozialdarwinismus

„Die Anwendung der Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften wird häufig als Sozialdarwinismus bezeichnet und diskreditiert. Meist steckt hinter einer solchen Kritik ein unzutreffendes Verständnis der Evolutionstheorie. Eine Diskussion des Verhältnisses von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus findet sich zum Beispiel in: Christian Vogel, Anthropologische Spuren [Hrsg.: Volker Sommer], 2000, S. 179ff.. Der Brockhaus definiert Sozialdarwinismus wie folgt: Sammelbegriff für alle sozialwissenschaftlichen Theorien, die Charles Darwins Lehre von der natürlichen Auslese (Selektionstheorie) auf die Entwicklung von menschlichen Gesellschaften übertragen. So wurde die wirtschaftliche und soziale Entwicklung als vom Kampf der Individuen und Gruppen ums Dasein verursacht gedacht und als Grundgesetz der Geschichte aufgefaßt (L. F. Ward, W G. Summer). Der Sozialdarwinismus diente zeitweise als Rechtfertigung für bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sowie rassistische Theorien. (Vgl. Brockhaus in 18 Bänden, 2002, Band 13, S. 153). Man erkennt unmittelbar: Hier geht es in erster Linie um den Kampf ums Dasein. Dieser spielt zwar auch in den ursprünglichen Darwinschen Formulierungen eine Rolle (Antilopen kämpfen nun einmal gegenüber Löwen ums Überleben), allerdings hat dieser Kampf für die Evolutionstheorie tatsächlich nur eine untergeordnete Bedeutung, den sie kommt bereits mit einfacher Konkurrenz aus.“ (Ebd., S. 34-35).

„Physikalische Gesetze legen zum Beispiel fest, daß Satelliten in geostationärer Umlaufbahn etwa in 42000 km Entfernung vom Erdmittelpunkt (beziehungsweise in 36000 km Höhe über der Erdoberfläche) verankert werden müssen. Im Umkehrschluß heißt das: Ein Satellit in 15000 km Höhe befindet sich nicht in geostationärer Position.“ (Ebd., S. 35-36).

„Die Evolutionstheorie behauptet nun aber, Variation, Vererbung (die Nachkommen sind ihren Vorfahren ähnlich) und die Korrelation zwischen individuellem Erfolg und Reproduktionserfolg (Selektion) erwirke die Evolution in der Natur. Dieser Mechanismus erlaube es Populationen, sich fortlaufend und über einen möglichst langen Zeitraum an eine sich gleichfalls verändernde Umwelt anzupassen.“ (Ebd., S. 36).

„Denn auf diese Weise gelingt es der Natur ja auf sehr effiziente Weise, auf den Erfahrungen der Vergangenheit aufzusetzen: Genetische Informationen, die sich in der letzten Generation besonders bewährt haben und folglich im Rahmen der Fortpflanzung überproportional häufig weitergegeben werden, haben eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, sich in der nächsten Generation erneut zu bewähren.“ (Ebd., S. 36).

„Eine zwangsläufige Folgerung daraus ist: Haben die »Tüchtigen« einer Population niedrigere Reproduktionsraten als deren Rest, ist eine fortgesetzte Evolution dieser Population wenig wahrscheinlich. Eine solche Population verlöre schon sehr bald ihre Adaptionsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen, und zwar um so eher, je stärker sich die Rahmenbedingungen verändern. Natürlich hat dann eine anschließende Feststellung wie etwa: »Der Verlust der Adaptionsfähigkeit unserer Gesellschaft an sich verändernde globale Rahmenbedingungen sollte unbedingt vermieden werden.« einen normativen Charakter. Aber wer wollte ernsthaft die Sinnhaftigkeit einer solchen Norm bezweifeln?“  (Ebd., S. 36).

„Betrachten wir zur Verdeutlichung einmal zwei verschiedene Giraffenpopulationen mit völlig unterschiedlichem Reproduktionsverhalten. Der Körperbau der Giraffe ist durch deren hohe Statur, den sehr verlängerten Hals, Vorderbeine, Kopf und Zunge für das Abweiden hoher Baumzweige angepaßt. Sie kann dadurch Nahrung jenseits der Höhe, bis zu welcher andere Huftiere aus ihrem Lebensraum hinaufreichen können, erlangen. Wenn nun die Bäume auf den Fraß der Tiere oder aus anderen Gründen mit einem Anheben der unteren Baumzweige reagieren, dann werden Giraffendividuen mit besonders langen Hälsen einen Vorteil haben. Weil sie mehr Nahrung erhalten, können sie sich besser als ihre kurzhalsigen Brüder und Schwestern vermehren. Auf diese Weise verlängert sich der Hals der Giraffen mit der Zeit, und zwar ausschließlich aus evolutionären Gründen.“ (Ebd., S. 36).

„Giraffen könnten aber auch eine Strategie des demographischen Wandels verfolgen: Die Giraffen mit dem längsten Hals fressen das hohe Laub nur zum Teil selbst, einen größeren Teil (»Laub-Steuer«) brechen sie lediglich ab und lassen ihn zu Boden fallen. Dort wird das Laub von ihren Brüdern und Schwestern mit kürzeren Hälsen gierig aufgenommen und verzehrt. Weil die langhalsigen Giraffen nun den ganzen Tag nicht nur für ihre eigene Nahrungsbeschaffung, sondern auch für die der weniger gut angepaßten Individuen beschäftigt sind, und es bei ihnen keine Aufgabenverteilung bezüglich der Nahrungsbeschaffung zwischen den Geschlechtem gibt (mit anderen Worten: Giraffen-Weibchen sind emanzipiert), haben sie kaum Zeit, sich um eigene Nachkommen zu bemühen. Das erledigen dann für sie - sozusagen arbeitsteilig als Gegenleistung für die Nahrungsbeschaffung - die kurzhalsigen Individuen, die deutlich mehr Jungen bekommen als langhalsige Individuen. Mit der Zeit wird die gesamte Population auf diese Weise immer kurzhalsiger, denn es werden entsprechende Anpassungsreize gesetzt. Der lange Hals stellt zwar prinzipiell einen evolutionären Vorteil dar, allerdings führt er aufgrund der Reproduktionsorganisation der Giraffenpopulation sehr bald zur genetischen Elimination. Weil die kurzhalsigen Giraffen aber sich und ihre Nachkommen ohne die Hilfe ihrer langhalsigen Brüder und Schwestern nicht mehr ausreichend versorgen können, sterben sie kurze Zeit später ebenfalls aus, wobei es zunächst eine längere Übergangszeit mit zunehmender Nahrungsverknappung (Verarmung) geben dürfte.“ (Ebd., S. 37).

„Interpretiert man die höheren Reproduktionschancen der »Tüchtigen« nicht als das »angestrebte Ziel« der »natürlichen Auslese«, sondern als deren zwangsläufiges Produkt, dann müßte aus dem zweiten Giraffenbeispiel unmittelbar gefolgert werden: Die kurzhalsigen Giraffen sind die »Tüchtigen«, denn sie haben die höchsten Reproduktionschancen. (Oder auch: In modernen menschlichen Gesellschaften befinden sich die Tüchtigen vorwiegend in sozial schwachen und bildungsfemen Schichten.). Leider hätte man aber damit die Evolutionstheorie um eines ihrer wichtigsten Kriterien beraubt, nämlich die Verknüpfung zwischen Ressourcenbeschaffung und Reproduktionserfolg. Das Prinzip der natürlichen Selektion degenerierte auf diese Weise zur bloßen Tautologie. Fehlt die Verbindung zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg, dann können Individuen Erfolgsmerkmale nicht ausreichend an ihre Nachkommen weitergeben. Eine Generationengerechtigkeit kann unter diesen Umständen nicht gegeben sein. Und das obige Beispiel zeigt dann auch unmißverständlich: Die zweite Giraffenpopulation hat eine ungünstige Fortpflanzungsstrategie gewählt und stirbt in der Folge als Ganzes aus. Natürlich könnte man auch den letzten Satz als wertend abtun. Dies macht aber keinen Sinn, denn letztendlich geht es in der Evolution darum, die Überlebensfähigkeit von Individuen und Populationen zu verbessern. In diesem Sinne ist eine frühzeitige Elimination aus Sicht der Population dann tatsächlich ein unerwünschtes Ereignis.“ (Ebd., S. 37-38).

„In den entwickelten Gesellschaften kann man nun ein ganz ähnliches Reproduktionsverhalten wie das der zweiten Giraffenpopulationen beobachten, man muß dazu lediglich »langen Hals« durch »großen Kopf« ersetzen. Die sich verändernde Umweltbedingung heißt gesellschaftliche Weiterentwicklung hin zur Wissensgesellschaft im Rahmen der Globalisierung. Wissen und kognitive Fähigkeiten avancieren zu den Kompetenzen, die in modernen und sich im globalen Wettbewerb befindlichen Gesellschaften die höchsten ökonomischen Vorteile (= Erfolg, Geld, Ressourcen) versprechen. Tatsächlich führen sie aber bevorzugt zur evolutionären Elimination.“ (Ebd., S. 38).

3) Sexualität

3.1) Genetische Rekombination  (S. 39-45)
3.2) Ricardos Theorem  (S. 45-47)
3.3) Sexuelle Arbeitsteilung  (S. 47-56)

3.1) Genetische Rekombination

Der Vorteil der sexuellen Reproduktion besteht höchstwahrscheinlich darin, daß das genetische Material durch die zufällige Verteilung väterlicher beziehungsweise mütterlicher Chromosomen auf die Nachkommen sowie durch den genetischen Austausch zwischen (homologen) Chromosomen durchmischt wird. dadurch haben die Nachkommen jeweils neue, einzigartige Mischungen von Genen. Sexualität ist wie eine genetische Lotterie, die in jeder Generation Gewinner und Verlierer produziert, da durh die Rekombination gute von schlechten genen getrennt werden. manche Individuen haben deshalb geringere Überlebens- und Reproduktionschancen, wodurch schädliche Mutationen entfernt werden. Andere gen-Kombinationen weisen eine höhere Fitneß auf und verbreiten sich. Und schließlich bringt die Durchmischung eine höhere Flexibilität mit sich, wodurch die Anpassung an neue Umweltbedingungen, Krankheitserreger und Parasiten erleichtert wird. Bei asexueller Reproduktion erben die Nachkommen dagegen alle - gute wie schlechte - Gene, zu Veränderungen kommt es nur durch Mutationen. (Vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 67).“ (Ebd., S. 39-40).

„Insgesamt stellt sich die sexuelle Selektion wie folgt dar:
Männchen erbringen im Allgemeinen die deutlich geringeren Elteminvestments als Weibchen, dafür betreiben sie mehr Partnerwerbung. Hierdurch können sie die Zahl ihrer Nachkommen fast beliebig steigern, während die Weibchen stets auf die eigene maximale Fertilität (Fekundität) beschränkt bleiben. Beim Menschen könnten einzelne Männer theoretisch mehrere tausend leibliche Kinder haben, während bei Frauen das Maximum nicht deutlich über zehn liegt.
Durch die bevorzugte Selektion von Männchen mit besonders positiven Fitneßindikatoren setzen sich verstärkt Gene mit einer besonders guten Anpassung an den Lebensraum und nur wenigen schädlichen Mutationen durch, und zwar selbst dann, wenn alle Weibchen die gleiche Zahl an Nachkommen haben.
Bei der sexuellen Selektion handelt es sich um eine direkte Rückkopplung zwischen den Geschlechtern: Weibchen wählen bevorzugt Männchen mit bestimmten Eigenschaften, woraufhin besonders viele Nachkommen gezeugt werden, bei denen die Männchen ebenfalls diese Eigenschaften besitzen und die Weibchen die gleichen Partnerwahl-Präferenzen haben. Dies ermöglicht beschleunigte Selbstläuferprozesse, obwohl vielleicht gar kein hoher Selektionsdruck seitens des Lebensraums besteht.
Die sexuelle Selektion erlaubt also deutlich schnellere Anpassungsprozesse, in deren Rahmen die Männchen eine herausragende Rolle spielen. Es sollte an dieser Stelle aber noch einmal betont werden, daß all dies nur bei asymmetrischer Verteilung der Elterninvestments funktioniert. Teilte man die Elterninvestments paritätisch zwischen den Geschlechtern auf - wie das unsere Gesellschaft ganz offiziell vorhat -, dann entledigte man sich damit auch der sexuellen Selektion und vielen Vorteilen der sexuellen Fortpflanzung insgesamt. (**). Eine solche Population wäre reproduktiv sogar lesitungsschwächer als eine Population aus lauter Hermaphroditen. Männchen machten dann keinen Sinn mehr. Sie blieben zurück.“ (Ebd., S. 44-45).


„Die Entwicklung des menschlichen Großhirns scheint ohne den machtvollen Mechanismus der sexuellen Selektion kaum vorstellbar zu sein. Gemäß Thomas Junker bildet sich Intelligenz vor allem in der sozialen Interaktion aus: »Die Hauptaufgabe der Intelligenz besteht in der Lösung sozialer Probleme. Eine besondere Dynamik erhält dieser Prozeß, da er vom Wettlrüsten innerhalb der Gruppe vorangetrieben wird.« (Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 59). Geoffrey F. Miller ist der Auffassung, der Wettstreit um die Fortpflanzung (»sexuelle Selektion«) habe bei der Intelligenzbildung -speziell bei vielen kreativen Funktionen wie etwa Musikalität -eine ganz entscheidende Rolle gespielt. (Vgl. Geoffrey F. Miller, Sexulle Evolution, 2001). Bei Ausbleiben der sexuellen Selektion dürfte sich das menschliche Gehirn wieder langsam zurückbilden (siehe die Ausführungen im Abschnitt »Sexuelle Arbeitsteilung« ab Seite 47).“ (Ebd.).

„Wir können also festhalten: Die sexuelle Fortpflanzung macht aus evolutionären gründen ganz besonders dann Sinn, wenn die beiden geschlechter unterschiedliche Fortpflanzungsaufwände haben, und es somit zur sexuellen Selektion kommen kann.“ (Ebd., S. 45).

3.3) Sexuelle Arbeitsteilung

Und an dieser Stelle kommt nun die sexuelle Arbeitsteilung ins Spiel: Bei Säugetieren hat die Differenzierung zwischen Ei. und Samenzelle zur weitgehenden Arbeitsteilung zwischen Männchen und Weibchen geführt. Dabei stellen die Weibchen nicht nur die nährstoffreichere Eizelle zur Verfügung, sondern ernähren und schützen den Embryo zudem während der Schwangerschaft. Das Weibchen muß also einen vergleichsweise großen Aufwand an Zeit und Kalorien in das Junge tätigen, während das Männchen mit der minimalen Investition von wenigen Minuten und einem einzigen Ejakulat erfolgreich sein kann. Zudem ist die Zahl der Jungen für ein Weibchen begrenzt, während es bei Männchen ein Vielfaches sein kann. (Vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 67).“ (Ebd., S. 47-48).

„Einen wesentlichen Vorteil dieser Arbeitsteilung zwischen den Geschlern haben wir bereits kennengelernt: sie ermöglicht die sexuelle Selektion, die in vieler Hinsicht leistungsfähiger ist als die rein auf den Lebensraum bezogene natürliche Selektion. Ein weiterer Grund dürfte die Verbesserung des Schutzes gegenüber natürlichen Feinden sein, denn in diesem Fall kann es von Vorteil sein, wenn ein Geschlecht (das Männchen) mit keinerlei Fortpflanzungsaufgaben belastet ist und sich bei Bedarf ganz der Gefahrenabwehr widmen kann. Beim Menschen hat nun aber die sexuelle Arbeitsteilung eine ganz neue Dimension erhalten: Frauen waren in ursprünglichen Jäger- und Sammlerkulturen - in unmittellrer Folge der besonderen Schutzbedürftigkeit des menschlichen Säuglings - auf den männlichen Schutz und Jagderfolg angewiesen. Dies hatte unter anderem die Entwicklung der menschlichen Kernfamilie zur Folge, deren Bestand sowohl durch biologische Veränderungen als auch kulturelle Verbindlichkeiten gefestigt wurde: »Für die Evolution einer großköpfigen Spezies ist es unumgänglich, daß die Geschlechter sich die Arbeit teilen: Den Männern kommt die Jagd zu, den Frauen das Aufziehen der Kinder und das Sammeln von Pflanzen zur Egänzung der Nahrung. Die Logik der Evolution hat die Männer muskulöser ausgestattet als die Frauen ... Man versteht nun auch die Besonderheit der Fortpflanzung und der Sexualität im Menschengeschlecht besser: Einerseits ist die Geburt für die Frauen ganz besonders schmerzhaft und gefährlich, verglichen mit dem, was sich bei den anderen Säugetieren abspielt. Diese Anomalie ist allein durch den evolutorischen Vorteil zu erklären, Kinder mit großen Schädeln in die Welt zu setzen, die die Fähigkeit besitzen, Techniken zu entwickeln, die die Überlebenschancen verbessern. Andererseits ist das Sexualleben des Menschen anhaltend, wogegen die Paarung der Tiere streng auf eine zur Fortpflanzung günstige Jahreszeit begrenzt ist. Diese Besonderheit ermöglicht eine festere Bindung zwischen Mann und Frau und verhindert, daß letztere mit ihren Kindern verlassen wird, wenn diese noch unfähig sind, selbständig zu überleben. Kurz, es gibt keine noch so primitive Gruppe von Menschen, in der die familiären Beziehungen nicht durch bestimmte Riten und Vorschriften geregelt wären, ergänzt durch Tabus und Sanktionen. Sobald eine Frau niedergekommen ist, ist es verbindlich, daß sie ernährt wird, ebenso wie ihre Kinder. Die männlichen Jäger haben kein Recht, ihren Sexualtrieb rücksichtslos auszuleben.« (Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 6. Auflage, 2006, S. 88ff.).“ (Ebd., S. 48-49).

„Beim Menschen erreichten die elterlichen Aufwände aufgrund der zunehmenden Intelligenzentwicklung schon bald eine solche Größenordnung, daß eine Selbstversorgung der Frauen kaum mehr möglich war, und eine klare Aufgabenaufteilung zwischen den Geschlechtern ratsam erschien. Ein wesentlicher Vorteil einer solchen Vorgehensweise dürfte die gemäß Ricardos Theorem mögliche Senkung der Opportunitätskosten sowohl für produktive als auch reproduktive Tätigkeiten sein. Die Art der Arbeitsaufteilung ergibt sich unmittelbar aus den unterschiedlichen Körperfunktionen der beiden Geschlechter: Die Frauen sind für Fortpflanzungsarbeiten (Reproduktion) optimiert und haben für solche Tätigkeiten komparative Kostenvorteilebei den Männern gilt dies entsprechend für produktive Tätigkeiten (Produktion), wie zum Beispiel Nahrungssuche oder Schutz. Wie die Ausführungen im Abschnitt »Ricardos Theorem« ab Seite 45 gezeigt haben, kann bei einer arbeitsteiligen Vorgehensweise die Gesamtleistung der beiden kooperierenden Partner höher sein als die Summe der Einzelleistungen bei fehlender Kooperation. Für die Frau kann sich die sexuelle Arbeitsteilung selbst dann lohnen, wenn sie ein besserer Jäger als ihr Mann ist. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Stellen wir uns für einen Moment vor, alle Menschen wären Hermaphroditen, die sich gelegentlich miteinander paarten. Ferner sei angenommen, die Individuen unserer fiktiven Population müßten pro Kind drei Stunden an Familienarbeit leisten. Um die Nahrung für sich und ihre Kinder zu beschaffen, benötigten sie weitere zwei Stunden pro Person, insgesamt also vier Stunden pro Individuum und Kind. Der tägliche Aufwand eines Individuums sähe dann wie folgt aus:
  Mutter + 1 KindMutter + 2 Kinder
Nahrungsbeschaffung4 Stunden6 Stunden
Reproduktionsaufwand3 Stunden6 Stunden
Summe7 Stunden12 Stunden
Abbildung 5) Arbeitsaufwand einer Hermaphroditen-Population (**) (**)
Ein Individuum könnte also zu einer Zeit jeweils nur ein Kind durchbringen, denn bei zwei Kindern erhöhte sich sein täglicher Arbeitsaufwand um weitere fünf Stunden, das heißt, auf insgesamt zwölf, und das könnte bereits eine Überforderung darstellen. Selbst wenn ihm eine Verdopplung der Effizienz bei der Nahrungsbeschaffung gelänge, bestünde dann immer noch ein täglicher Gesamtaufwand von neun Stunden. Eine Arbeitsteilung mit anderen Individuen käme in der Praxis wohl kaum in Betracht, da jede für andere erbrachte Nahrungsbeschaffung ja den eigenen Fortpflanzungsaktivitäten im Wege stehen würde.“ (Ebd., S. 49-50).

„Das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie erklärt die Evolution des Lebens auf der Erde damit, daß besser angepaßte Individuen einer Population durchschnittlich mehr Nachwuchs bekommen als andere. Konkret hieße das in unserer Situation: Sozial erfolgreichere Hermaphroditen würden durchschnittlich mehr Kinder haben als andere. Wir befänden uns also sofort in dem bekannten Dilemma der modernen, gleichberechtigten Frau: Wie kann ich im Beruf »meinen Mann stehen« und daneben noch eine Familie gründen? Oder anders gesagt: Wie kann ich beide Aufgaben miteinander vereinbaren? Aber nicht nur das: Das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie verlangt ja noch viel mehr, und zwar das scheinbar Unmögliche: Ein beruflich ganz besonders erfolgreicher Hermaphrodit sollte in der Regel auch ganz besonders viele Kinder haben (»Reproduktionserfolg korreliert mit sozialem / beruflichem Erfolg«), denn dann würde er seine Erfolgsmerkmale ganz besonders häufig an die nächste Generation weitergeben. Auf diese Weise würden sich Kompetenzen, die der Elterngeneration bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse geholfen haben, verstärkt in die nächste Generation fortpflanzen, weshalb diese nun in der Lage wäre, sich ihre Bedürfnisse in mindestens dem gleichen Maße wie die Elterngeneration zu erfüllen. Das Prinzip der Generationegerechtigkeit wäre also gewahrt.“ (Ebd., S. 50-51).

„Wir stellen somit fest: Das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie beinhaltet einen Konflikt, der darin besteht, zwei völlig unterschiedliche und gegeneinander um die gleichen (zeitlichen) Ressourcen konkurrierende Aufgaben gleichzeitig optimieren zu wollen. Das Selektionsprinzip fordert nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sondern vielmehr deren gleichzeitige Optimierung: Wenn der Beruf gegen ein Optimum strebt, dann sollte Familie das - statistisch gesehen - auch tun!“ (Ebd., S. 51).

„Sind die beiden Aufgabenbereiche Produktion und Reproduktion (übersetzt: Beruf und Familie) wie beim Menschen gleichermaßen mit hohen Aufwänden verbunden, so dürfte sich ein einziges Individuum damit schwer tun, beiden in gleicher Weise gerecht zu werden. Es handelt sich hierbei letztendlich um einen Balanceakt zwischen zwei völlig unterschiedlichen, zeitaufwändigen Aufgaben. Aus diesem Grund wird in familienpolitischen Stellungnahmen auch häufig von einer Balance zwischen Familie und Beruf (beziehungsweise im Englischen von einer Work-Life-Balance) gesprochen, siehe zum Beispiel: BMFSFJ (Bundeministerium für Frauen, Senioren, Familie, Jugend), Familie und Arbeitswelt, 2007. Gemäß dem Selektionsprinzip der Evolutionstheorie ist hier jedoch keine Balance. sondern die gleichzeitige Optimierung beider Bereiche anzustreben, jedenfalls im statistischen Mittel und aus Sicht der gesamten Population.“ (Ebd., S. 51).

„Die Kernaussage des Selektionsprinzips beschreibt möglicherweise genau das, wovon viele moderne, emanzipierte Frauen heimlich träumen: Im Beruf mit den Männern konkurrieren und sie dabei übertrumpfen, und daneben noch eine größere Familie gründen. In der Praxis stellt sich das aber meist ganz schnell als eine Überforderung heraus. Und dann wird üblicherweise die berufliche Tätigkeit reduziert und nur noch in Teilzeit gearbeitet. Die Schuld für dieses scheinbare Versagen wird anschließend der immer noch unzureichenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der fehlenden Familienorientierung von Männern gegeben, völlig übersehend, daß hier etwas angestrebt wird, was überhaupt nicht funktionieren kann.“ (Ebd., S. 51).

„Doch betrachten wir demgegenüber nun einmal die Situation bei der sexuellen Fortpflanzung mit unterschiedlichen Geschlechtern. Dazu stellen wir uns zunächst eine fiktive Population vor, bei der sich die Männer und Frauen die Reproduktionsarbeit paritätisch teilen und zu einer Zeit üblicherweise bis zu zwei Kinder haben. Pro Kind müßten sie pro Tag drei Stunden an Familienarbeit leisten, insgesamt also sechs Stunden. Um die Nahrung für sich und ihre Kinder zu beschaffen, benötigten sie weitere zwei Stunden pro Person, das heißt, insgesamt acht Stunden. Andere Aspekte, wie der bessere Schutz, bei der der geschlechtlichen Fortpflanzung eine große Rolle spielen kann, sollen in unseren Überlegungen einfachheitshalber ignoriert werden. Insgesamt würde die beiden Partner doe folgenden täglichen Arbeitsaufwände haben:
 MannFrau
Nahrungsbeschaffung4 Stunden4 Stunden
Reproduktionsaufwand3 Stunden3 Stunden
Summe7 Stunden7 Stunden
Abbildung 6) Arbeitsaufwand bei Gleichberechtigungsmodell (sexuelle Fortpflanzung) (**) (**)
Betrachtet man in erster Linie den Arbeitsaufwand, dann hat sich im vergleich zur Hermaphroditen-Population (**) für die Frau noch nichts getan. Allerdings könnte sie nun zusammen mit ihrem Mann gleichzeitig zwei leibliche Kinder aufziehen.“ (Ebd., S. 51-52).

„Eine etwas andere Zeitauftelung ergäbe sich bei einer sexuellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern:
 MannFrau
Nahrungsbeschaffung8 Stunden 
Reproduktionsaufwand 6 Stunden
Summe8 Stunden6 Stunden
Abbildung 7) Arbeitsaufwand bei sexueller Arbeitsteilung (sexuelle Fortpflanzung) (**) (**)
Auf den ersten Blick könnte man vermuten, der Mann hätte bei diesem Handel den Kürzeren gezogen. Sein Vorteil liegt aber in möglichen Produktivitätsgewinnen, die auf Seiten der Frau in gleicher Weise nicht gegeben sind. Bei der Arbeit am Menschen geht es nicht um Produktivität, sondern um mitmenschliche Zuwendung. (Vgl. Götz W. Werner, Einkommen für alle, 2007, S. 87).“ (Ebd., S. 52).

„Gelänge es dem Mann - durch welches Mittel auch immer -, den Aufwand für die Nahrungsbeschaffung auf eine Stunde pro Person und Tag zu reduzieren, dann könnte er die gewonnene Zeit entweder in die Fitneß des Nachwuchses investieren oder für insgesamt mehr eigene Nachkommen sorgen. Beispielsweise könnte er alternativ eine Frau mit drei Kindern (sie hätte dann einen täglichen Arbeitsaufwand von neun Stunden) oder zwei Frauen mit jeweils zwei Kindern versorgen. Seine Erfolgsgene würden dann besonders häufig an die nächste Generation weitergegeben. Die Möglichkeiten der Frau blieben dagegen immer auf die eigene maximale Fertilität beschränkt (die so genannte Fekundität). Und da haben die obigen Ausführungen ja schon gezeigt: Je mehr die Frau ebenfalls mit anderen Aufgaben wie zum Beispiel Nahrungsbeschaffung oder Schutz beschäftigt ist, desto weniger Zeit wird ihr für das Aufziehen der Kinder bleiben. Aus Sicht des egoistischen Gens (vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976) macht es folglich auch für die Frau Sinn, sich auf eine sexuelle Arbeitsteilung einzulassen.“ (Ebd., S. 53).

„Die sexuelle Arbeitsteilung macht es möglich, den im Selektionsprinzip innewohnenden Optimierungskonflikt zwischen produktiven und reproduktiven Aufgaben aufzuheben, und zwar ganz besonders dann, wenn beide Aufgaben mit hohen Aufwänden verbunden sind, wie es beim Menschen der Fall ist. Weil sich nun jedes Geschlecht ungestört auf die Optimierung genau eines dieser beiden Bereiche konzentrieren kann, können die Opportunitätskosten für zusätzliche Kinder sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen niedrig gehalten werden.“ (Ebd., S. 53).

„In menschlichen Gesellschaften bestehen aber im Vergleich zu anderen biologischen Populationen noch einige wesentliche Unterschiede, die sich im vorliegenden Kontext geradezu unheilvoll auswirken können. Denn ein besonders effizienter Hermaphrodit könnte ja in einer natürlichen Umgebung mehr Nahrung erlangen und dann auch mehr Nachkommen durchbringen. Auf Dauer würde sich dabei ein Gleichgewichtszustand einstellen: Bekommt er zuviel Nachwuchs, kann er diesen nicht mehr ausreichend ernähren, so daß es einige oder alle Jungen nicht bis ins Fortpflanzungsalter schaffen. Seine Gene würden folglich nicht ausreichend an die nächste Generation weitergegeben werden. Bekommt er zu wenige Jungen, nutzt er sein Fortpflanzungspotential nicht aus, und das Ergebnis wäre ebenfalls suboptimal. (Vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 216). Grundsätzlich gilt aber unter solchen Verhältnissen: Wer mehr Nahrung beschafft, kann mehr Nachwuchs ernähren. Exakt so lautet ja auch das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie.“ (Ebd., S. 53).

„Moderne, arbeitsteilig organisierte menschliche Gesellschaften kennen aber einen entsprechenden Effizienzbegriff nicht. Wer über besondere Kompetenzen verfügt und bestimmte komplexe Aufgabenstellungen ganz besonders schnell und präzise erledigen kann, der wird in der Folge nicht weniger, sondern mehr arbeiten, denn seine Kompetenzen sind nun besonders gefragt. Arbeitsteilung heißt Spezialisierung, und Spezialisierung setzt spezifische Kompetenzen voraus, die üblicherweise in langwierigen Ausbildungsprozessen erworben werden müssen. Selbstverständlich besteht dann ein erhöhtes Interesse daran, solche Kompetenzen auch einzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Fähigkeit etwa, ein bestimmtes Computerprogramm in einer vergleichsweise kurzen Zeit fehlerfrei schreiben zu können, bedeutet in modernen, arbeitsteiligen Gesellschaften keineswegs, daß man nun deshalb zwei Stunden früher nach Hause gehen kann. Im Gegenteil: Nun wird ein solcher Mitarbeiter noch mehr gefordert werden, während sich das Unternehmen gegebenenfalls von anderen, weniger effizienten Arbeitnehmern trennt. Aus diesem System kann auch nicht leicht ausgestiegen werden, zumal es international völlig einheitlich implementiert ist. Wer es dennoch versucht, der dürfte sich schon bald mit einer weniger qualifizierten und dann auch schlechter bezahlten Tätigkeit zufriedengeben müssen.“ (Ebd., S. 54).

„Wenn sowohl die berufliche Karriere als auch die Familienarbeit mit hohen zeitlichen Aufwänden (und damit mit jeweils hohen Opportunitätskosten) verbunden sind, und beide Geschlechter beide Aufgaben anteilsmäßig gleich erfüllen sollen, dann wird im statistischen Mittel eine bessere Ausbildung und darauf aufbauend eine größere berufliche Verantwortung immer mit einer geringeren Kinderzahl korrelieren. Daran werden Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nichts Entscheidendes ändern können. Und dies hat dann zwangsläufig zur Folge, daß genetisch vermittelte Merkmale, die einen sozialen Erfolg üblicherweise eher begünstigen (zum Beispiel hohe Intelligenz), sukzessive aus dem Spiel der Evolution ausscheiden.“ (Ebd., S. 54).

„All dies macht deutlich, daß Lebewesen, deren Lebenserfolg maßgeblich auf dem zeitlich intensiven Einsatz sozial nutzbarer geistiger Kompetenzen beruht, sich nur dann gemäß den eigenen Erfolgskriterien weiterentwickeln können, wenn ein nennenswerter Teil des Geschlechts, das den deutlich höheren Fortpflanzungsaufwand trägt, aus der Auseinandersetzung um soziale Positionen herausgehalten wird. Dies liegt eigentlich auf der Hand. Denn damit ein hochqualifizierter Forscher in einem Pharmakonzern möglichst herausragende Forschungsergebnisse liefern kann, sollte er aus dem Konkurrenzkampf um Posten und Personal so weit wie es geht herausgehalten werden. Viele Unternehmen eröffnen deshalb Wissensarbeitern alternative Karrierewege.“ (Ebd., S. 54-55).

„Die Ergebnisse der letzten Abschnitte lassen sich insgesamt wie folgt zusammenfassen:
Bei der natürlichen Selektion geht es um die Anpassung an einen Lebensraum oder, etwas martialischer ausgedrückt, um den »Kampf ums Dasein«. Diesen Überlebenskampf gibt es aber in modernen menschlichen Gesellschaften dank Medizin und Wohlfahrtsstaat nicht mehr. Würde man in unserer Gesellschaft ein bedingungsloses Grundeinkommen (**|**|**|**|**|**) einführen, dann müßten Menschen nicht einmal mehr versuchen, die für ihr Überleben erforderlichen Ressourcen zu beschaffen.
Bei der sexuellen Selektion geht es um die Anpassung an die Partnerwahl-Präferenzen des anderen Geschlechts. Sexualpartner selektieren maßgeblich auf Basis diverser Fitneßindikatoren, die Aufschluß über den Grad der Anpassung eines potentiellen Fortpflanzungspartners an den Lebensraum geben (natürliche Selektion). Die sexuelle Selektion ermöglicht folglich auch dann eine Selektion innerhalb einer Population, wenn der äußere Selektionsdruck gering ist und es keinen »Kampf ums Dasein« gibt.
Das Fundament der sexuellen Selektion sind die unterschiedlichen elterlichen Aufwände (Elterninvestments) der beiden Geschlechter. Schaffte man diese Unterschiede gesellschaftsweit ab - wie es unsere Gesellschaft vorhat - dann verlören sich auch die Wirkungen der sexuellen Selektion. Eventuell noch existierende Partnerwahl-Präferenzen könnten dann von keinem Geschlecht mehr in erhöhte Fertilitäten umgemünzt werden.
Der Mensch zeichnet sich in der Natur durch besonders hohe elterliche Investments aus. Gleichzeitig ist eine erhöhte Fitneß (sozialer beziehungsweise beruflicher Erfolg) üblicherweise mit erhöhten Arbeitsaufwänden verbunden. Durch die sexuelle Arbeitsteilung gelang es dem Menschen dennoch, die beiden zentralen Aufgabenbereiche Produktion (Beruf) und Reproduktion (Familie) gleichzeitig zu optimieren, was seitens des Prinzips der natürlichen Selektion auch gefordert ist.
In menschlichen Gesellschaften, in denen beide Geschlechter üblicherweise die gleichen Lebensentwürfe besitzen und sich eventuelle elterliche Aufwände paritätisch teilen, stellt sich sofort das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In solchen Gesellschaften dürften dann Menschen mit besonders hoher Fitneß (sozialer beziehungsweise beruflicher Erfolg) besonders wenige Nachkommen haben.
Wollte sich die Menschheit unter diesen Bedingungen noch genetisch weiterentwickeln, wäre das auf natürliche Weise (natürliche / sexuelle Selektion) nun nicht mehr möglich. Alternativ müßte auf Verfahren zurückgegriffen werden, die auch in der Landwirtschaft angewendet werden: Künstliche Zuchtwahl und Gentechnologie.
Die Natur hat die beiden Geschlechter in Bezug auf die Fortpflanzungsfunktionen völlig unterschiedlich gestaltet, und zwar - wie wir gesehen haben - aus gutem Grund. In der Folge sind nur die Frauen in der Lage, Kinder in die Welt zu setzen. Wenn wir möchten, daß sie das weiterhin tun, dürfen wir sie nicht allesamt daran hindern, indem wir sie dazu zwingen, beruflich mit Männern zu konkurrieren, denen nennenswerte Fortpflanzungsaufwände unbekannt sind, und die in der Natur und in historischen Gesellschaften schon immer ganz andere Aufgaben hatten. Stattdessen müssen wir ihnen Alternativen anbieten, wie sie ungestört und in Würde dieser zentralen gesellschaftlichen Aufgabe nachkommen können. Ich werde auf diesen Punkt im Abschnitt »Was tun?«  ab Seite 105 noch einmal zurückkommen.“ (Ebd., S. 55-56).

4) Intelligenz

4.1) Erblichkeit (S. 57-62)
4.2) IQ-Entwicklung (S. 63-64)
4.3) Intelligenz und Wohlstand (S. 64-66)

4.1) Erblichkeit

„Es kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen, daß ein nennenswerter Teil des menschlichen Denkens, Fühlens und Verhaltens eine biologische Basis besitzt, die im Überlebenskampf während der Menschwerdung entstanden ist (vgl. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, 1984), Auch bei der Intelligenz kann von einer erheblichen erblichen Komponente ausgegangen werden, wie die Zwillings- und Adoptionsforschung belegt (**). Was Intelligenz genau ist, ist umstritten. Meist wird jedoch darunter verstanden, daß es sich zum einen um eine allgemeine Lern-, Denk-, Vorstellungs-, Erinnerungs-, und Problemlösefähigkeit handelt, und zum anderen um den Besitz von Kenntnissen aus bestimmten Gebieten (Expertenwissen). (Vgl. Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 109).“ (Ebd., S. 57).


Vgl. Birgitta Vom Lehm, Kindeswohl ade! Gesndheitsverhütung im Wohlstandsland, 2004; Peter Borkenau, Anlage und Umwelt - Eine Einführung in die Verhaltensgenetik, 1993; Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit, in: Jürgen Hennig / Petra Netter (Hrsg.), Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit, 2005; David Shaffer / Katherine Kipp, Developmental Psychology, 7. Auflage, 2006, S. 105ff.; Volkmar Weiss, Die IQ-Falle, 2000; Jochen Paulus, Gene oder Umwelt?  Falsch, Gene mal Umwelt, 2001; Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 110ff..

Die einschlägige Forschung nennt eine Zahl von 117 Paaren eineiiger Zwillinge, die zwischen 1937 und 1990 identifiziert wurden und entsprechenden Tests zur Verfügung standen, Gefunden wurde, daß die Intelligenz von getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen mit einem Koeffizienten zwischen 0,67 und 0,78 korreliert. Dies bedeutet, daß ihre Intelligenz zwar nicht völlig gleich ist, aber doch eine beträchtliche Ähnlichkeit aufweist. Man muß dabei berücksichtigen, daß bei gemeinsam aufgewachsenen eineiigen Zwillingen der Korrelationskoeffizient keineswegs 1 ist, wie man meinen könnte, sondern 0,86. Bei Tests an genetisch nichtverwandten adoptierten Kindern und ihren Adoptiveltern fand man hinsichtlich der Intelligenz eine sehr schwache Korrelation von 0,1 oder darunter, während die Intelligenz von Eltern und ihren leiblichen Kindem, die von ihnen zur Adoption freigegeben und also nicht von ihnen erzogen wurden, eine mittelstarke Korrelation von 0,4 aufwies.“ (Ebd., S. 57).

Was bedeuten diese vielfach bestätigten Resultate? Sie lassen erst einmal den Schluß zu, daß dasjenige, was man unter Intelligenz versteht, in einem erheblichen Maße angeboren ist, und daß die Umwelteinflüsse dabei eine relativ geringe Rolle spielen - wie anders kann man sonst erklären, daß es kaum eine Korrelation zwischen der Intelligenz von Adoptiveltern und der ihrer Adoptivkinder gibt!“ (Ebd., S. 57-58).

Was Erziehung nach Ansicht von Experten hinzufügt, macht aus der Sicht der IQ-Statistik fünfzehn bis zwanzig Prozent der Gesamtintelligenz aus. Dies mag gering erscheinen, bedeutet aber, daß zum Beispiel eine Person, die ohne jegliche geistige Förderung einen IQ von 90 aufweist und damit leicht »minderbemittelt« wirken kann, bei intensivster Förderung auf einen IQ von 105 oder gar 110 kommen könnte und damit einen überdurchschnittlich intelligenten, wenngleich im Normbereich liegenden Eindruck macht. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß zwei Drittel aller Personen im IQ-Intervall zwischen 85 und 115 liegen und sich hier relativ kleine Veränderungen im Intelligenzquotienten deutlich bemerkbar machen.“ (Ebd., S. 58).

„Die Größenordnung der erblichen Komponente an der Intelligenz ist nicht leicht abzuschätzen. Die verschiedenen Adoptions- und Zwillingsstudien legen aber nahe, daß der genetisch bedingte Anteil in jedem Fall oberhalb 50 Prozent und möglicherweise sogar jenseits 70 Prozent liegt (**). Mit zunehmendem Alter scheint die Bedeutung des genetischen Anteils an der Intelligenz zuzunehmen. Scarr und McCartney erklären dies damit, daß Individuen im Laufe ihres Lebens immer mehr die Kontrolle über ihre Umwelt gewinnen und selbstbestimmter werden. Hierdurch würden sich genetische Faktoren sukzessive stärker durchsetzen. (Vgl. S. Scarr / K. McCartney, How People make their own Environments, 1983). Diese These wird durch empirische Daten sehr gut gestützt. Genetische Scans lassen ebenfalls eine Verbindung von Genen mit der Intelligenz vermuten. (**).“ (Ebd., S. 58).


Vgl. Peter Borkenau, Anlage und Umwelt - Eine Einführung in die Verhaltensgenetik, 1993; Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit, in: Jürgen Hennig / Petra Netter (Hrsg.), Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit, 2005; David Shaffer / Katherine Kipp, Developmental Psychology, 7. Auflage, 2006, S. 105ff.; Nicole Singler, Zwillings- und Adoptionsstudien, 2005 (**); T. J. Bouchard / M. McGue, Genetic and Environmental Influences on Adult Personality, 1990.

Vgl. Danielle Posthuma et. al., A Genomewide Scan for Intelligence Identifies Quantitrative Trait Loci on 2q and 6p, 2005; D. M. Dick et. al., Association of CHRM2 with IQ - Converging Evidence for a Gene Infuencing Intelligence, 2007.


„Insgesamt ist die Erblichkeit allgemeiner Intelligenz so weit belegt, daß Riemann und Spinath kurz und prägnant zusammenfassen: Wie diese Studie den Beginn der verhaltensgenetischen Untersuchung von Intelligenz markiert, beendet die heute als klassisch anzusehende Metaanalyse von Bouchard und McGue (1981) die empirische Suche nach der Antwort auf die Frage, ob allgemeine Intelligenz erblich ist, mit einem eindeutigen »ja«. (**).“ (Ebd., S. 58).


Vgl. Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit, in: Jürgen Hennig / Petra Netter [Hrsg.], Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit, 2005, S. 617.

„Die grundsätzliche Erblichkeit der Intelligenz läßt sich aber auch unmittelbar evolutionstheoretisch plausibilisieren.“ (Ebd., S. 58-59).

„In der Evolutionsbiologie wurde lange darüber gestritten, ob erworbene Eigenschaften vererbt werden können (Lamarckismus). Die Frage war etwa: Kann das tägliche Strecken von Elterntieren bei der Nahrungsaufnahme über viele Generationen hinweg bei der Verlängerung von Giraffenhälsen eine Rolle gespielt haben? Diese Frage wird heute von den meisten Evolutionsbiologen verneint. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 197). (**).“ (Ebd., S. 59).


Die als Weismann-Barriere bezeichnete Regel, daß Erfahrungen, die ein Individuum mit der Umwelt macht, nicht in den Erbgang einfließen können, wird heute wieder von einigen wenigen Experten in Frage gestellt. (Vgl. Hans-Helmut Niller, a.a.O., 2005; Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren, 2006, S. 13). Die Weismann-Barriere ist nach dem deutschen Biologen August Weismann (1834-1914) benannt und besagt, daß Erbinformationen nur in Richtung Körperzellen wirken können, aber niemals umgekehrt. Dieses Dogma wurde von August Weismann 1893 formuliert und unterstützt Darwins Evolutionstheoerie. Individuell erworbene Eigenschaften werden durch die Weismann-Barriere gehindert, ins Erbgut aufgenommen zu werden. Eine Vererbung individuellen Verhaltens ist so nicht möglich. Durch die Barriere wird die DNS geschützt. Die DNS kann höchstens durch zufällige oder toxische Mutationen verändert werden, so die Darwinisten. Lamarcks Thesen zur Evolution verschwanden aus Lehrbüchern. Seit Ende des 20. Jahrhunderts gibt es Zweifel am Weismann-Dogma. Das Enzym Rücktranscriptase und andere Mechanismen ermöglichen gezielte Veränderungen der Erbinformationen. Lamarcks Gedanken werden wieder diskutiert. Trotzdem konnte bis heute die Weismann-Barriere nicht falsifiziert werden.

„Mit anderen Worten: Giraffenhälse sind über Generationen hinweg deshalb gewachsen, weil:
Elterntiere mit besonders langen Hälsen einen evolutionären Vorteil hatten (mehr Nahrung fanden und folglich mehr Nachwuchs bekamen) und
die Halslänge von Giraffen erblich ist, das heißt, zwischen Eltern und Kindern korreliert.
Das herausragende Merkmal des Menschen ist aber dessen Gehirnleistung beziehungsweise Intelligenz. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 308ff.; Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006, S. 52ff.). So nahm die Größe des menschlichen Gehirns binnen 3 Millionen Jahren von 450 ccm auf nun ca. 1350 ccm zu. Dies ist analog zum Wachsen der Giraffenhälse nur erklärbar, wenn:
eine erhöhte Gehirnleistung im Laufe der Geschichte der Menschheit leinen evolutionären Vorteil darstellte, der sich in einer vermehrten Zahl an Nachkommen ausdrückte und
Intelligenz beziehungsweise Gehirnleistung erblich ist, das heißt zwischen Eltern und Kindern korreliert.
Denn nehmen wir einmal an, ein Frühmensch hat ein Gehirn von 800 ccm wie alle anderen Männer in seinem Stamm. Allerdings ist er ganz besonders lernbegierig, so daß er den anderen Männern in der Jagd bald überlegen ist. Die daraus resultierende soziale Anerkennung drückt sich schließlich in einer erhöhten Zahl an Nachkommen aus. Die Annahme, ein Teil seiner Kinder könnte nun ein größeres Gehirn von zum Beispiel 850 ccm entwickeln, entspräche aber der allgemein als widerlegt geltenden Vermutung von der Erblichkeit erworbener Eigenschaften.“ (Ebd., S. 59).

„Evolutionstheoretisch ließe sich die Entwicklung dagegen wie folgt erklären: Alle Mitglieder eines Frühmenschenstammes haben ein Gehirn von ca. 800 ccm Größe. Ein Kind wird aufgrund einer Mutation oder durch eine Vererbung mütterlicherseits mit einem Gehirn geboren, welches zu einer Größe von 850 ccm ausreift. Im Erwachsenenalter zeigt sich: Dieser Jäger ist geistig flexibler als seine Stammesbrüder, so daß er bald die Führung bei der Jagd übernimmt. Die hohe soziale Stellung drückt sich schließlich in einer erhöhten Zahl an Nachkommen aus, von denen ein erheblicher Anteil aus Vererbungsgründen ebenfalls ein Gehirn mit einer Größe von 850 ccm oder mehr hat.“ (Ebd., S. 59-60).

„Ein Einwand könnte sein, daß Gehirngröße und Intelligenz nicht korrelieren müssen. Abgesehen davon, daß eine solche Korrelation im Rahmen der Menschwerdung auf jeden Fall vorhanden gewesen sein muß, scheinen auch Untersuchungen beim heutigen Menschen einen statistischen Zusammenhang zwischen Gehirngröße und Intelligenz zu bestätigen. (Vgl. Mens Health, Es kommt also doch auf die Größe an, 2005). Allerdings ist die Tatsache umstritten, zumal sich das Gehirngewicht bei Lebenden nicht sicher ermitteln läßt (die genannte Untersuchung erzielte ihre Ergebnisse mit Todkranken, deren Gehirn nach dem Ableben vermessen wurde). Wesentlich bedeutender für die Intelligenz scheint aber die allgemeine Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns zu sein. (Vgl. Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 112; Siegfried Lehrl / Bernd Fischer, a.a.O., 1990). Auch für diese werden genetische Ursachen vermutet.“ (Ebd., S. 60).

„Ohne eine erhebliche erbliche Komponente bei der Intelligenzbildung dürfte sich die gesamte menschliche Gehirnentwicklung kaum erklären lassen.“ (Ebd., S. 60).

„Unter der Annahme einer starken Korrelation der Intelligenz von Eltern und Kindern (**) ist ... die beobachtete Entwicklung in einem durchlässigen Bildungssystem exakt zu erwarten. Sie ist ... Ausdruck der Erblichkeit von Intelligenz.“ (Ebd., S. 62).


Vgl. Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit, in: Jürgen Hennig / Petra Netter [Hrsg.], Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit, 2005, S. 617; Volkmar Weiss, a.a.O, 2007.


4.2) IQ-Entwicklung

„Richard Lynn behauptet, die deutsche Bevölkerung sei mit einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 107 das intelligenteste Volk. (Vgl. Der Spiegel, Britische Studie, 27.03.2006 [**]).“ (Ebd., S. 63).


Der Spiegel, 27. März 2006: „Ein britischer Forscher hält die Deutschen ... für das Volk mit dem höchsten Intelligenzquotienten .... Der Psychologe hat eine ungewöhnliche Erklärung für die Ergebnisse. .... Mit einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 107 liegen die Deutschen laut der Untersuchung ... vor ... den Schweden (104) und den Italienern (102), wie die Londoner »Times« in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Mit einem Durchschnitts-IQ von 100 liegen die Briten zwar hinter der Spitzengruppe, aber immerhin sind sie der Untersuchung zufolge noch klüger als die Franzosen (94). Die letzten Plätze nehmen Rumänen, Türken und Serben ein. Als normal gilt ein IQ von 85 bis 115; besonders intelligente Menschen können jedoch durchaus Intelligenzquotienten von 145 erreichen.“ (**).

„Der Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, daß die Ergebnisse von IQ-Tests bis in die 1990er Jahre jährlich besser wurden, die Intellignez also offenbar zunahm (dieser Satz ist so nicht ganz richtig formuliert, denn: der Flynn-Effekt bedeutet die jährliche besser werdenden Ergebnisse der IQ-Tests; HB). Heute ist der Flynn-Effekt zwar in den Entwicklungsländern, allerdings nur noch in wenigen Industrienationen zu beobachten, wenngleich ein unterschiedliches Tempo festgestellt wird. (**).“ (Ebd., S. 63).


Ob es sich beim Flynn-Effekt um ein zeitlich begrenztes Phänomen handelt, ist nicht bekannt. Wenn es sich aber nicht um ein zeitlich begrenztes Phänomen handeln sollte, würde dies wahrscheinlich bedeuten, daß die Menschen im allgemeinen intelligenter würden. Flynn selbst glaubt allerdings nicht, das dies der Fall ist. (Vgl. James Flynn / William Dickens, Heritability Estimates Versus Large Environmental Effects, 2001).

„Neure Untersuchungen zeigen ..., daß der Flynn-Effekt in den meisten Industrienationen mittlerweile seine Wirkung verloren hat, und sich nun gegenläufige Effekte einstellen. So stagniert der mittlere IQ in vielen Ländern ab etwa 1990 und seit dem Ende der 1990er Jahre nimmt er sogar wieder ab. (**).“ (Ebd., S. 64).


Ob überhaupt und - wenn ja - bis zu welchem Ausmaß die Intelligenztests bzw. IQ-Tests als wissenschaftlich bezeichnet werden dürfen, bleibt fraglich.


4.3) Intelligenz und Wohlstand

„In ihrem Buch IQ and the Wealth of Nations (2002) stellen die Autoren Lynn und Vanhanen die These auf, der Wohlsstand eines Landes korreliere mit dem durchschnittlichen Intelligenzquotienten (IQ) der Bevölkerung. Auf Basis von Daten aus 81 Ländern eine Korrelation von 0,82 zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes und dem durchschnittlichen IQ der Bevölkerung und eine Korrelation von 0,64 zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem IQ. Sie äußern die Vermutung, der durchschnittliche IQ der Bevölkerung beruhe sowohl auf genetischen als auch Umweltfaktoren. So könne einerseits ein niedriger durchschnittlicher IQ ein niedriges Bruttoszialprodukt bewirken, als auch umegkehrt ein niedriges Bruttoszialprodukt einen niedrigen durchschnittlichen IQ. Wie nicht anders zu erwarten war, wurden die Autoren für die Vorlage ihrer Resultate zum Teil recht hart kritisiert, denn sie hatten ein Tabuthema berührt. Dabei sind ihre Resultate durchaus naheliegend:
Das demographisch-ökonomische Paradoxon behauptet einen weltweiten negativen Zusammenhang zwischen der ökonomischen Leistungsfähigkeit eines Landes (seines Pro-Kopf-Einkommens) und der Fertilitätsrate.
Gleichfalls ist in vielen Ländern ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Kinderzahl zu beobachten. Das Bildungsniveau einer Person dürfte eng mit ihrem IQ korrelieren.
Aufgrund dieser beiden Relationen läßt sich ein Zusammenhang zwischen dem durchschnittliche IQ der Bevölkerung und dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes vermuten. Die folgende Tabelle zeigt ausgewählte Länder mit ihren durchschnittlichen IQs und Fertilitätsraten. Offenkundig besteht auch ein negativer Zusammenhang zwischen IQ und Fertilitätsrate, was ebenfalls nicht überraschend ist. .... In jedem Fall sollten die ... vorgetragenen Ergebnisse ernst genommen werden, denn sie legen nahe, daß eine dauerhaft ausgeführte negative Selektion zu einem Abfall des durchschnittlichen IQs der Bevölkerung führen kann und damit natürlich auch zu erheblichen Wohlstandsverlusten. Es ist nicht auszuschließen, daß dabei langfristig ein Gleichgewichtszustand auf niedrigerem Niveau erreicht wird. Denn mit dem Absinken des IQs und den Qualifikationen der Bevölkerung dürfte deren Fertilitätsrate gemäß dem demographisch-ökonomische Paradoxon sukzessive wieder ansteigen.“ (Ebd., S. 64-65).

Korrelation von Intelligenz und Fertilität (am Beispiel ausgewählter Länder; Stand: 2007)
Stand: 2007Intelligenz-
Quotient
(IQ)
Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate
(TFR)
Südkorea1061,27
Japan1051,40
Deutschland103 (108)1,39
Italien1021,28
Niederlande1021,66
Schweden1011,66
China1001,73
Großbritannien1001,66
Spanien  991,28
Australien  981,76
Frankreich  981,84
USA  982,09
Argentinien  962,16
Rußland  961,28
Israel  942,41
Irland  931,86
Stand: 2007Intelligenz-
Quotient
(IQ)
Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate
(TFR)
Thailand  911,64
Türkei  901,92
Indonesien  892,40
Brasilien  871,91
Irak  874,18
Mexiko  872,42
Philippinen  863,11
Afghanistan  836,69
Ägypten  832,83
Bangladesh  813,11
Indien  812,73
Pakistan  814,00
Sudan  724,72
Ghana  713,99
Nigeria  675,49
DR Kongo   656,54
Abbildung 8) IQs und Fertilitätsraten ausgewählter Länder

5) Roms Untergang
„Eckart Knaul leitet viele demographische Prozesse aus einem von ihm selbst aufgestellten biologischen Massenwirkungsgesetz ab. (Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz. Ursache vom Aufstieg und Untergang der Kulturen, 1985). Demzufolge könnte bereits eine zu hohe Bevölkerungsdichte zu gesellschaftlichen und demographischen Umstimmungsprozessen führen. Frauen und Männer wurden sich im überfüllten Rom immer ähnlicher. Diese weitgehende Angleichung der Geschlechter ist vor allem ein natürliches Moment zur Minderung einer unerwünschten, überschießenden Vermehrung. .... Dieses Phänomen zunehmender Ähnlichkeit zwischen den Geschlechtern finden wir auch in den großen Städten anderer Völker auf dem Höhepunkt ihrer Kultur. .... Die Männer gaben sich weitgehend feminin und trugen der damaligen Mode entsprechend lange Frauenkleider, während umgekehrt die Frauen in männliche Bereiche vordrangen. (Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 87 f.).“ (Ebd., S. 67).

„Gemäß der Theorie Eckart Knauls handelte es sich also bei der Emanzipation der römischen Frauen um keine kulturelle Weiterentwicklung, sondern um einen biologisch bedingten Prozeß zur Reduzierung der Geburtenrate in einem bereits völlig überbevölkerten Rom.“ (Ebd., S. 67).

Durch die Enge in der menschenüberfüllten Stadt, in welcher jeder Zuwachs eine unerträpliche Belastung sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gemeinschaft darstellte, verlor die Frau ihre eigentliche Lebensaufgabe als Mutter und Erzieherin der Nachkommen. Sie war also gezwungen, sich eine neue Aufgabe zu suchen, einen neuen Wirkungskreis zu schaffen, der außerhalb von Haus und Familie lag. Dazu mußte sie sich erst einmal aus der manus-Ehe, die eine völlige Abhängigkeit vom Mann bedeutete, lösen. Neben der sexuellen und wirtschaftlichen Emanzipation entwickelte sich auch die Rechtsprechung für die Frau immer günstiger, bis schließlich die völlige Gleichberechtigung der Geschlechter hergestellt und die Frau auf allen Gebieten ganz mündig, frei und ungebunden geworden war und sich noch darüber hinaus politisch betätigte. Bei Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) wie Sueton (70-140) lesen wir von Frauenvereinen als selbständige Einrichtungen zur Vertretung gemeinsamer Interessen. Auf dem Quirinal wurde sogar ein Sitzungssaalfür den Frauensenat eingerichtet. .... Das neue Eherecht hatte die Natur der altrömischen Ehe gänzlich geändert. Durch die gesetzliche Gütertrennung (sine manu) war die Frau der Bevormundung des Mannes weitgehend entzogen. Diese Minderung der Autorität des Ehemannes schwächte natürlich auch seine Stellung gegenüber den Kindern. Väter konnten ihre Töchter nicht mehr zu einer Heirat zwingen. Die freie Zustimmung und Willenserklärung des Mädchens war jetzt zu ihrem Vollzug unbedingt erforderlich. Das Mädchen trat frei in die Ehe und lebte gleichberechtigt mit ihrem Gatten. Die römische Frau war ebenbürtig und unabhängig. Zwischen beiden Geschlechtern bestand eine geistige, wirtschaftliche und moralische Gleichberechtigung.(Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 90 ff.).“ (Ebd., S. 67-68).

„Diese Beschreibung allein dürfte aber das spezifische Fertilitätsverhalten der römischen Oberschicht kaum erklären können, denn es waren ja gerade die über deutlich mehr Wohnraum verfügenden Eliten, die ihre Nachwuchszahlen reduzierten und nicht das ganz besonders eng wohnende »einfache Volk«. Gleiches ist heute in vielen großen Metropolen zu beobachten: Während die gebildeten Schichten häufig nur eine sehr geringe Zahl an Nachkommen haben, sind die Geburtenraten in den dichtbesiedelten Armutsvierteln dagegen vergleichsweise hoch.“ (Ebd., S. 68).

„Daneben scheint es im alten Rom bereits zu den auch in modemen Gesellschaften bekannten Individualisierungsprozessen gekommen zu sein.“ (Ebd., S. 68).

Mit den Schlagworten »Sein Leben leben« und »Auch ich bin ein Mensch« wurden damals zahlreiche Forderungen begründet sowie gleichzeitig die vielen Verfehlungen und Unkorrektheiten entschuldigt. (Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 95).“ (Ebd., S. 68).

„Ferner gab es damals wohl so etwas wie einen Wohlfahrtsstaat, der für das materielle Wohl aller sorgte. Eckart Knaul sieht hierin unter anderem den Grund für den fehlenden Ehrgeiz der nachwachsenden Generationen und insbesondere der Armen, die aufgrund des Nachwuchsmangels der Eliten entstehenden personellen Defizite mittels eigener Anstrengungen auszugleichen. Auch sei es hierdurch zu einer starken Vermehrung bei den Armen und einem erheblichen Zuzug von ausländischen Arbeitnehmern gekommen.“ (Ebd., S. 69).

Als nun sehr viele Familien reich geworden waren, wurde Rom zu einem Wohlfahrtsstaat, der sich verpflichtet fühlte, für seine weniger vom Glück begünstigten Bürger zu sorgen. Doch diese staatliche Wohlfahrt verhindert das Training und die Entwicklung nachwachsender Intelligenzen, verhindert die Erneuerung der Eliten, dieser für das Wohl eines jeden Staatsgefüges ausschlaggebenden Führungsschicht. In dem römischen Wohlfahrtsstaat brauchte sich der Arme ebenso wenig für sein tägliches Brot, für seine Vergnügungen und seine Freizeitunterhaltungen zu plagen wie der Reiche. .... Doch einen dauerhaften Verlust geistiger Eliten kann sich kein Volk leisten, auch wenn es anfangs für einige Zeit noch wenig auffällt, daß die befähigten Führungskräfte immer mehr durch bequeme Schönredner und Phantasten ersetzt werden. So grub sich der römische Wohlstands- und Wohlfahrtsstaat selbst sein Grab, wobei der Niedergang gleichzeitig noch durch die negativen Auswirkungen einer enormen Vermehrung potenziert und durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte beschleunigt wurde. (Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 140f.).“ (Ebd., S. 69).

„Es geht hier nicht darum, den stellenweise etwas moralisch-pessimistischen Argumentationen Eckart Knauls zu folgen, sondern in erster Linie darum, die wesentlichen Ereignisse zu registrieren, die für den Untergang Roms mitverantwortlich gemacht werden können, als da sind:
Gleichberechtigung der Geschlechter
Geringe Nachwuchszahlen bei den Eliten
Hohe (im Vergleich zu den Reichen! Anm. HB) Geburtenraten bei den Armen
Zuzug von ausländischen Arbeitnehmern
Wohlfahrtsstaat
Individualisierungstendenzen
Ähnliches weiß auch Ralph Bollmann zu berichten, obwohl er aus den gleichen Fakten dann ganz andere Schlüsse zieht.“ (Ebd., S. 69).

Mit Bedacht hatte der römische Geschichtsschreiber Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr.) diese Episode überliefert. Zu seinen Lebzeiten war die demographische Frage eines der großen Themen der Politik. Ihren praktisch-politischen Niederschlag fand diese Debatte in der Ehegesetzgebung des Augustus. Der erste Princeps erließ bereits im Jahr 18 v. Chr. ein ganzes Bündel einschlägiger Gesetze. Besonders bekannt wurde die Lex Papia Poppaea nuptialis aus dem Jahr 9 n. Chr. Die Vorschriften, die nicht wörtlich überliefert sind, setzten im Kern auf den in der heutigen Familienpolitik geläufigen Mix von Anreiz und Sanktionen - wenn auch mit brachialeren Methoden. Väter von mindestens drei Kindern sollten bei der Vergabe öffentlicher Ämter bevorzugt, die Mütter im Falle ihrer Verwitwung von der sonst üblichen Unterstellung unter einen Vormund befreit werden. Auf der anderen Seite wurde für die 25- bis 60-jährigen Männer wie für die 20- bis 50-jährigen Frauen eine Ehepflicht dekretiert. Unverheiratete und Kinderlose durften ihr Vermögen nicht mehr frei vererben, sondern mußten es zu beträchtlichen Teilen an die Staatskasse abführen. Daß Augustus mit Staatsämtern lockte und mit Vermögensstrafen drohte, deutet bereits darauf hin, an welche gesellschaftliche Gruppe sich die Gesetze in erster Linie richteten. Nicht Kinderlosigkeit im Allgemeinen war das Ärgernis, sondern die mangelnde Zeugungs- und Gebärfreudigkeit der römischen Oberschicht. »Ehe- und Kinderlosigkeit«, klagte Mommsen, »griffen vornehmlich in den höheren Ständen immer weiter um sich. » Die Verantwortung für den »schimmernden Verfall dieser Zeit« schob er in erster Linie auf die »Emanzipation derFrauenwelt«. .... Mit ähnlicher Tendenz wird im Deutschland der Gegenwart die Kinderlosigkeit von Akademikerinnen und Akademikern beklagt -und gleichzeitig die vermeintlich ungehemmte Vermehrungsfreude der Unterschicht verurteilt. Diesem Mißstand soll in jüngster Zeit ein neues «Familiengeld« abhelfen, das besonders Besserverdienenden zugute kommt. Dabei haben Altertumsforscher mit Blick auf Rom zutreffend bemerkt, daß eine bloße Selbstrekrutierung der Oberschicht gar nicht wünschenswert ist. Erst die geringe Kinderzahl altrömischer Senatoren oder moderner Akademiker gibt dem Nachwuchs aus unteren Gesellschaftsschichten Raum für die eigene Karriere. So betont der Berliner Historiker Alexander Demandt, »daß Regeneration gewöhnlich über den sozialen Aufstieg erfolgt, der durch die Kinderarmut in den gehobenen Kreisen begünstigt wird. Klagen über Nachwuchsmangel kommen gewöhnlich aus der Oberschicht, die fürchtet, ihre Privilegien an Nachrücker abtreten zu müssen. »So führt die Demographie-Debatte letztendlich zur Pisa-Debatte zurück: Nicht um eine Steigerung der Geburtenrate geht es in erster Linie, sondern um die Gewährleistung sozialer Aufstiegschancen.“ (Ralph Bollmann, Lob des Imperiums - Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens, 2006, S. 81ff.).“ (Ebd., S. 70-71).

„Den Rückgang der Geburtenraten in den gebildeten Schichten hält Bollmann für eine zwangsläufige Folge eines zunehmenden Wohlstandes und der damit einhergehenden rückläufigen Sterblichkeit, auf die höhere Schichten eher reagieren als sozial schwache Bevölkerungskreise.“ (Ebd., S. 71).

„Die niedrige Geburtenrate in großen Teilen der westlichen Wohlstandszone ist historisch keineswegs so einzigartig, wie es die erregte Debatte unserer Tage nahe legt. Schon der Historiker Julius Beloch (1854-1929) stellte in seinem grundlegenden Werk über die »Bevölkerung der griechisch-römischen Welt« 1886 fest, daß sich eine Abnahme der Geburtenzahl« heute wie im Altertum mehr oder weniger in allen Kulturstaaten« zeige. Sie sei »zum großen Teil ein Korrelat der abnehmenden Sterblichkeit« - und damit »eine Erscheinung, die mit Notwendigkeit eintreten muß, sobald ein Volk eine gewisse Stufe des Wohlstandes und der Bildung erreicht«. Darum trete sie »unter den höheren Schichten der Bevölkerung eher ein als unter denen, die eben wegen des Mangels an dieser Vorsorge Proletarier heißen.« (Vgl. Ralph Bollmann, Lob des Imperiums - Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens, 2006, S. 84f.).“ (Ebd., S. 71).

„Ralph Bollmann argumentiert an entscheidenden Stellen aus einem völlig veralteten Weltbild heraus, denn er tut so, als wären moderne Gesellschaften immer noch ständisch organisiert, so daß es einzig und allein darauf ankomme, in welcher Schicht man geboren sei. Es ist sicherlich ungünstig, wenn sich Eliten ausschließlich aus sich selbst heraus rekrutieren. Dies gilt aber für moderne, individualistische und bildungsdurchlässige Gesellschaften, in denen sich der Einzelne »immer stärker aus übergeordneten Vorgaben bezüglich Geschlecht, Alter beziehungsweise sozialer oder regionaler Herkunft löst« (Matthias Junge, Individualisierung, 2002, S. 7), nur noch sehr bedingt. Ein größeres modernes Unternehmen wie zum Beispiel die »Deutsche Bank« wird sich heute in aller Regel kaum mehr daflir interessieren, welche Nationalität, Rasse, Geschlecht oder soziale Herkunft ein Bewerber hat. Entscheidend dürften dagegen eher Teamfähigkeit, Qualifikationen und Leistungsbereitschaft sein.“ (Ebd., S. 71).

„Auch Kinder von Akademikern müssen zunächst den Bildungsprozeß erfolgreich durchlaufen, bevor sie sich an den Aufbau einer Karriere machen können. Dabei konkurrieren sie dann mit vielen anderen Menschen mit gleichen oder ähnlichen Qualifikationen.“ (Ebd., S. 71).

6) Emanzipation

6.1)   Die Tragik der Allmende (S. 73-74)
6.2)   Individualisierung  (S. 74-79)
6.3)   Feministische Theorien (S. 79-83)
6.4)   Gender Mainstreaming (S. 84-86)
6.5)   Alles besser durch Vereinbarkeit? (S. 86-88)
6.6)   Warum Mutti doch die Beste ist (S. 89-94)
6.7)   Die Angleichung der Geschlechter macht dumm (S. 94-101)
6.8)   Reproduktionsorganisation (S. 101-104)
6.9)   Was tun?  (S. 105-109)
6.10) Fazit (S. 109-110)

„Die weibliche Emanzipation ist ganz eng mit einer Loslösung der Frauen aus tradierten Rollenvorgaben - insbesondere »Hausfrau und Mutter« - verbunden. Es geht also hierbei letztendlich um Individualisierungsprozesse auf Seiten der Frauen. Das vorliegende Kapitel soll deshalb mit einem Überblick über die so genannte Individualisierungsthese beginnen. Einführend dazu wird aber zunächst ein volkswirtschaftliches Dilemma mit dem Namen »Tragik der Allmende« erläutert, denn es ist für das Verständnis der weiteren Ausführungen von entscheidender Bedeutung.“ (Ebd., S. 73).

6.1) Die Tragik der Allmende

„Unter der Tragik der Allmende versteht man in der Volkswirtschaftslehre die Beobachtung, daß Menschen unter bestimmten Bedingungen bei einer gemeinschaftlichen Tätigkeit, bei der der individuelle Ertrag den Personen nicht zurechenbar ist, weniger leisten. Dieses Problem tritt häufig bei Gemeinschaftseigentum, so genannten Allmenden, auf. Dies sei an einem Beispiel erläutert:
Angenommen, eine Gruppe von 80 Personen bewirtschaftet gemeinsam ein Feld. Alle Gruppenmitglieder haben bei voller Arbeitsleistung einen Aufwand von 50 Einheiten, ziehen jedoch dann einen Ertrag von 100 Einheiten aus der Ernte, die sie ja in gleichen Teilen erwirtschaften. Die Tragik der Allmende besteht nun darin, daß bei genügend großer Gruppengröße die Faulheit eines einzelnen Mitglieds die Ernte pro Gruppenmitglied nur unwesentlich verringert, der Aufwand für das faule Gruppenmitglied aber stark abnimmt, wodurch sein Nutzen insgesamt steigt.
Wenn alle 80 Gruppenmitglieder voll arbeiten, dann erwirtschaften sie gemeinsam einen Ertrag von 80 • 100 = 8000 Einheiten. Jedem Gruppenmitglied steht am Ende ein Ertragsanteil von 100 Einheiten zu. Zieht er davon seinen Aufwand von 50 Einheiten ab, dann hat er einen eigenen Nutzen von 50 Einheiten erwirtschaftet.
Angenommen, ein Mitglied arbeitet nur halb so viel wie die anderen Gruppenangehörigen. Dann hat es nur noch einen Aufwand von 25 Einheiten. Für die Gesamtgruppe ergibt sich nun ein Ertrag von 79 • 100 + 100 • 1/2 = 7950 Einheiten. Jedem Gruppenmitglied steht unter diesen Umständen ein individueller Ertrag von 99,375 Einheiten zu. Für die voll arbeitenden Mitglieder ergibt dies einen Nutzen von 99,375 - 50 = 49,375 Einheiten.
Günstiger sieht der Ertrag für das etwas faulere Gruppenmitglied aus, denn dieses erwirtschaftet einen Nutzen von 99,375 - 25 = 74,375 Einheiten.
Obwohl ein Gruppenmitglied also nur die Hälfte geleistet hat, erzielt es mit 74,375 Einheiten einen deutlich größeren Nutzen als vorher (50 Einheiten) beziehungsweise als die anderen Gruppenmitglieder aktuell erzielen (49,375 Einheiten).
Es lohnt sich also in einer Allmende, faul zu sein, sofern eine gewisse Anzahl an Mitgliedern es nicht ist. Es ist nun aber zu erwarten, daß sich immer mehr Gruppenmitglieder faul verhalten werden und der Gruppenertrag noch weiter sinken wird, denn eine typisch menschliche Handlungsmaxime ist: »Es geht - moralisch gesprochen - gar nicht um die Maximierung des eigenen Vorteils, sondern darum, nicht selbst in eine schlechte Position zu geraten.« (Frank Schirrmacher, Minimum - Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006, S. 67).“ (Ebd., S. 73-74).

„Die Tragik der Allmende schaukelt sich dann weiter hoch, und die gesamte Gruppe gerät in eine Rationalitätenfalle, bei welcher Kollektivrationalität und Individualrationalität im Konflikt miteinander stehen.“ (Ebd., S. 74).

„Neben der hier beschriebenen Rationalitätenfalle gibt es auch den umgekehrten, von Garrit Hardin (vgl. a.a.O. 1968) beschriebenen Fall, bei dem gemeinsame Ressourcen immer weiter erschöpft werden. Auf diese Weise lassen sich nicht nur viele Umweltprobleme, sondern interessanterweise auch die Bevölkerungsexplosion in vielen Ländern der Erde erklären. Hardin vertritt die Ansicht, daß ein freiheitlicher Zugriff auf Gemeinschaftsgüter am Ende alle ruinieren wird. Deshalb fordert er entsprechende Einschränkungen.“ (Ebd., S. 74).

6.2) Individualisierung

„Die in der Soziologie sehr weit akzeptierte Individualisierungsthese besagt nun, daß sich der Einzelne in modernen Gesellschaften immer stärker aus übergeordneten Vorgaben bezüglich Geschlecht, Alter beziehungsweise sozialer oder regionaler Herkunft löst, so daß es zu einer drastischen Zunahme der individuellen Entscheidungsspielräume und einer Reduzierung des Grads der Außensteuerung kommt. Das Individuum wird zentraler Bezugspunkt für sich selbst und die Gesellschaft. (Vgl. Matthias Junge, Individualisierung, 2002, S. 7).“ (Ebd., S. 74).

„Individualisierung bewirkt nicht nur eine stärkere Abhängigkeit des Einzelnen von Leistungen Dritter und dabei zum Teil auch von (wohlfahrts)staatlichen Funktionen (Bildungseinrichtungen, innere Sicherheit, Rechtsprechung, Altersversorgung u.s.w.; vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft, 1986, S. 109f.), sondern setzt diese geradezu voraus. Dies hat aber umgekehrt zur Konsequenz, daß der Wohlfahrtsstaat immer mehr Funktionen übernehmen und garantieren muß, die gemeinhin dem Kollektivverhalten zuzurechnen sind. (Vgl. Stefan Lange / Dietmar Braun, Politische Steuerung zwischen System und Akteur, 2000, S. 20).“  (Ebd., S. 75).

„Wird dem Individuum also zugestanden, sich zeitlich möglichst vollständig auf eine am Arbeitsmarkt angeforderte Leistung zu konzentrieren und seinen individuellen Lebenslauf frei zu wählen, dann müssen bei sich einstellenden Defiziten alle anderen Leistungen, die üblicherweise Teil seiner zu erbringenden Kollektivleistung sind (zum Beispiel Herstellen von Sicherheit, Weitergabe von Wissen, Aufziehen von Nachwuchs, Versorgung Älterer, Unterstützung von Notleidenden) von Dritten und damit unter Umständen vom Wohlfahrtsstaat übernommen werden. Dieser wird sich dabei häufig selbst des Arbeitsmarktes bedienen, beispielsweise um dort geeignete Lehrer für das Unterrichten von Kindern zu rekrutieren.“ (Ebd., S. 76).

„Zusammenfassend könnte man sagen:
In traditionellen Gesellschaften hatten die Menschen neben ihren individuellen Aufgaben auch kollektive Pflichten zu erfüllen. Zur Sicherstellung der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben dienten gesellschaftliche Rollenvorgaben.
Im Rahmen der Individualisierung verselbständigt sich der Einzelne nun immer mehr gegenüber der Gemeinschaft. Dabei löst er sich von den traditionalen Rollenvorgaben. Als Handelnder sucht er seinen individuellen Erfolg zum Beispiel bei einer Erwerbsarbeit, wo er um so mehr Einkommen erzielen kann, je geringer seine Aufwände (inklusive Opportunitätskosten) bei den Gemeinschaftsaufgaben sind, denn er hat ja dann mehr Zeit für die Erwerbsarbeit. Für ihn lohnt es sich also ganz besonders, bei den »sozialistischen« Gemeinschaftsaufgaben »faul« zu sein, weswegen es dort zwangsläufig zur Tragik der Allmende kommen wird.
Die verbindliche Ausführung von notwendigen Gemeinschaftsaufgaben muß nun also auf andere Weise gewährleistet werden. Dazu dient die Institutionalisierung. Statt die Kollektivaufgaben weiterhin dem Einzelnen anteilsmäßig aufzubürden, werden sie an Dritte ausgelagert, und zwar ganz häufig an den Wohlfahrtsstaat. Dieser erwartet dann aber von seinen Bürgern einen Obolus, üblicherweise in Form von Steuern oder eines so genannten Parafiskus. Diese Steuern müssen wiederum verpflichtend erhoben werden, andernfalls dürfte es bei der Steuerzahlung selbst zur Tragik der Allmende kommen. Steuern stellen somit ein Äquivalent für die Summe aller Kollektivaufgaben des Individuums dar. Wenigstens dieser Punkt muß verpflichtend bleiben. (Neuerdings versucht man mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (**|**|**|**|**|**) auch diesen letzten Rest an verbindlichen Kollektivaufgaben in Frage zu stellen [vgl. Götz W. Werner, Einkommen für alle, 2007], was aber aus den bereits genannten Gründen nicht möglich sein dürfte [vgl. Peter Mersch, Irrweg Bürgergeld, 2007].).
Der Wohlfahrtsstaat wird dann neue Institutionen schaffen, die die freigesetzten Gemeinschaftsaufgaben in seinem Sinne und Auftrag erfüllen.
Finanziert werden die Institutionen durch die Steuerzahlungen der Bürger. Die Mitarbeiter der neu erschaffenen Organe rekrutiert der Staat wie jedes andere Unternehmen über den Arbeitsmarkt, so daß auch diese von den Vorteilen der Individualisierung profitieren können.
Heute gehört die Gewährleistung der inneren Sicherheit (Schutz) als vormals männliche Kollektivaufgabe zu den wichtigsten Aufgaben des Nationalstaates und dieser besitzt das Gewaltmonopol. Der Beruf des Polizisten ist uns eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Herausbildung der Territorialstaaten ist ganz wesentlich auf den ersten, und vorrangig die Männer betreffenden Individualisierungsschub ... zurückzuführen. »Unter den vier allgemeinen Zielen des Regierens, die sich im demokratischen Wohlfahrtsstaat herausgebildet haben, nimmt Sicherheit zweifellos eine herausragende Stellung ein. Bereits der Ursprung des Territorialstaates ist ganz wesentlich daraufzurückzziführen. .... Wird Sicherheit , durch den Staat nicht mehr hinreichend gewährleistet, so erübrigt sich selbst gemäß des Staatstheoretikers des Absolutismus, Thomas Hobbes, für die Bevölkerung die Gehorsamspflicht: »Die Verpflichtung des Untertanen gegenüber dem Souverän dauert nur so lange, wie er sie aufgrund seiner Macht schützen kann, und nicht länger«. (Michael Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, 2. Auflage, 2005, S. 95)“ (Ebd., S. 77).

„Die Individualisierung auf Seiten der Männer hatte also gravierende gesellschaftliche Organisationsänderungen zur Folge. Das dürfte bei der Individualisierung auf Seiten der Frauen auf Dauer nicht viel anders aussehen. Leider wird darüber bislang aber auch nicht ansatzweise diskutiert.“ (Ebd., S. 77).

„Die Individualisierungsthese geht unter anderem von einer zunehmenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung aus. Es darf deshalb ein wenig verwundern, daß man bei der Individualisierung auf Seiten der Frauen hartnäckig und unwidersprochen die umgekehrte Richtung (Zusammenführung der allerersten menschlichen Arbeitsteilung) propagiert. Daraus kann eigentlich nur gefolgert werden: Entweder ist die Individualisierungsthese falsch (beziehungsweise auf Frauen nicht anwendbar), oder die Individualisierung der Frauen wird nicht korrekt ausgeführt. Ich überlasse es dem Leser, die geeigneten Schlüsse zu ziehen.“ (Ebd., S. 78).

„Leider hat sich in der öffentlichen Debatte längst durchgesetzt, was für nüchtern denkende Zeitgenossen jegliches Maß an Zumutbarkeit überschritten hat:
Die Evolutionstheorie gilt zwar für alle biologischen Populationen, für menschliche aber angeblich nicht. Da handele es sich dann um Sozialdarwinismus.
Die Individualisierungsthese postuliert eine zunehmende soziale Arbeitsteilung. Die Individualisierung der Frauen erfordere nun aber angeblich, daß vormals bereits arbeitsteilig verrichtete Tätigkeiten (Beruf und Familie) wieder zusammengeführt werden.
Die Tragik der Allmende behauptet, bei Gemeinschaftsaufgaben, bei der der Ertrag individuell nicht zuordbar ist, entstünden immer mehr »Faule«. Trotzdem wird allgemein angenommen, man könne (in einer vollständig übertragbaren Situation) erfolgreiche Familienpolitik auch ohne nennenswerte Lastenbeteiligung von Kinderlosen betreiben.
Der Wohlfahrtsstaat wird dann neue Institutionen schaffen, die die freigesetzten Gemeinschaftsaufgaben in seinem Sinne und Auftrag erfüllen.
Intelligenz hat ganz eindeutig eine erhebliche erbliche Komponente. Dennoch wird behauptet, jeder Mensch komme als unbeschriebenes Blatt auf die Welt und könne sozusagen beliebig geformt werden. Es sei deshalb letztendlich egal, wer in unserer Gesellschaft Kinder bekommt.
Was darf es sonst noch sein? Vielleicht  2 + 2 = 5 ?“  (Ebd., S. 78).

„In meinen Büchern »Land ohne Kinder« (2006), »Die Familienmanagerin« (2006) und »Hurra, wir werden Unterschicht!«  (2007) wurde ein Vorschlag für eine die Individualisierung der Frauen begleitende Institutionalisierung der gesellschaftlichen Reproduktion, die sich im Einklang mit grundsätzlichen Normen freiheitlich-demokratischer Gesellschaften befindet, unterbreitet. Ich werde im Abschnitt »Was tun?« ab Seite 105 noch kurz darauf zu sprechen kommen.“ (Ebd., S. 78-79).

6.3) Feministische Theorien

„Der Feminismus gliedert sich gemäß Alice Schwarzer in zwei grundsätzliche Lager: »Seit es Frauenrechtlerinnen bzw. Feministinnen gibt, zerfallen sie in zwei Hauptströmungen. Die eine Strömung, das sind die Antibiologistinnen, genannt die Radikalen bzw. Universalistinnen bzw. Gleichheitsfeministinnen. Sie gehen von einer grundsätzlichen Gleichheit der Menschen und damit auch der Geschlechter aus. Nicht der biologische Unterschied, sondern die sozialen, ökonomischen und politischen Unterschiede sind für sie die Ursache der heutigen Differenz zwischen den Geschlechtern. In dieser Tradition stehen ... alle Autorinnen dieses Buches. .... Die andere Strömung beruft sich auf den Unterschied der Geschlechter, auf die Differenz. Die Differenzialistinnen halten den Unterschied zwischen Frauen und Männern für unabänderlich; sei es, daß er naturgegeben oder aber, daß er irreversibel geprägt, also quasi genetisch verankert sei. Sie sind für »Gleichberechtigung«, aber gegen »Gleichheit« und wollen den bestehenden Unterschied nicht aufheben, sondern umwerten.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 13). Wenn im folgenden vom »Feminismus« oder der »Emanzipation der Frauen« die Rede ist, dann ist stark verkürzend immer der von Alice Schwarzer hervorgehobene und auf dem Behaviorismus fußende antibiologistische Feminismus gemeint, der biologische Gründe als Ursache für vorhandene Rollenunterschiede zwischen den Geschlechtern negiert. Im vorliegenden Buch wird der antibiologistische Feminismus vollständig widerlegt.“  (Ebd., S. 79).

„Eines der wichtigsten Anliegen des Feminismus ist die weibliche Berufstätigkeit, denn: »trotz Doppelbelastung und auch bei schlechter Qualifikation fördert absolut jede Berufstätigkeit die Unabhängigkeit der Frau.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 279). Angeblich emanzipieren sich Frauen nur im Beruf. Demgegenüber ist die Hausfrauentätigkeit von minderem Wert, was auch eine Bezahlung von Familienarbeiten ausschließt, denn: »Die Hausfrauenlohnforderung basiert auf einer Mißachtung der emanzipatorischen Elemente in JEDER Frauenberufstätigkeit.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 279). Doch folgen wir den Worten Alice Schwarzers weiter: »icher, die viel geschmähte Neue Frauenbewegung hat im Westen eine wahre Kulturrevolution ausgelöst .... Sie hat damit nicht nur die Verhältnisse tief greifend verändert - sie hat auch das Denken und Fühlen von Frauen wie Männern beeinflußt. Erstmals in der neueren Geschichte sind Frauen rechtlich ganz gleichberechtigt und haben zumindest formal einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Beruf. Und heutzutage planen Mädchen, auch wenn sie später einen Mann und Kinder wollen, eine - zumindest relativ - eigenständige berufliche Zukunft. Und Mütter streben, trotz aller Hindernisse, in den Beruf ... - Europäerinnen heiraten immer weniger und bekommen immer weniger Kinder. Letzteres hat zwei Gründe: Zum einen ist eine Frau nicht mehr gezwungen, Mutter zu werden, um als Frau ernst genommen zu werden; zum zweiten ist für diejenigen, die Kinder wollen, die ›Vereinbarkeit von Beruf und Familie‹ noch immer eine hohle Phrase. Darum war im Jahr 2000 jede dritte Fünfunddreißigjährige in Deutschland kinderlos .... Und in manchen Nachbarländern ist die Entwicklung ähnlich. Die Frauen im Westen sind ohne Aufhebens in den Kinderstreik getreten.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 9f.). Gemäß Alice Schwarzer sind die Frauen in den westlichen Industrienationen in einen Gebärstreik getreten, und der Hauptgrund dafür sei die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie (in dieser Reihenfolge). Die Ausführungen des vorliegenden Buches zeigen jedoch unmißverständlich, daß es sich hierbei um eine Fehleinschätzung handelt, die maßgeblich mitverantwortlich für die in Deutschland nun (2007) schon fast 40 Jahre währende prekäre Nachwuchssituation sein dürfte.“ (Ebd., S. 79-80).

„Ausschlaggebend bei einer Entscheidung für oder gegen einen eigenen Nachwuchs sind in der Regel ganz andere Gründe, und zwar insbesondere die ökonomischen beziehungsweise biographischen Opportunitätskosten von Kindern.“ (Ebd., S. 80-81).

6.4) Gender Mainstreaming

„Aber die feministischen Langzeitziele sind ja noch viel weitreichender. Im Prinzip sollen alle Geschlechterunterschiede - von denen die meisten angeblich nur anerzogen sind - aufgehoben werden, so daß ein »neuer Mensch« entstehen kann: »Was nun den seit Jahrhunderten währenden Streit um ›angeboren oder anerzogen?‹  angeht, so scheint er mir schlicht müßig. Befreien wir die Frauen wie Männer von den Rollenzwängen und geben wir ihnen gleiche Rechte wie Pflichten sowie real gleiche Chancen - und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ja, es stimmt, die schlimmsten Albträume der Fundamentalisten und Biologisten müßten wahr werden: Das werden nicht mehr die gewohnten ›Frauen und Männer‹ sein - die sind es schon heute nicht mehr -, sondern herauskommen wird ein ›neuer Mensch‹. Ein Mensch, bei dem die individuellen Unterschiede größer sein werden als der Geschlechtsunterschied. Ein Mensch, der sich nicht mehr mit der Reduktion auf die Hälfte begnügt, sondern der nach der ihm geraubten anderen Hälfte greift. Ein Mensch der weder nur ›weiblich‹ noch ›männlich‹ ist, sondern vollständig. Ich bin überzeugt, daß dies letztendlich für beide Geschlechter eine große Erleichterung wäre.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2007, S. 168). Damit dies auch gelingen kann, soll mit der dafür notwendigen Umerziehung bereits im Kindheitsalter begonnen werden: »Eine wirklich emanzipatorische Jungenarbeit aber müßte konsequent Schluß machen mit der Teilung von Kindern in Jungen und Mädchen. Damit die Fremdheit der Geschlechter ein Ende findet, sollten Jungen im Gegenteil die Frauenwelten kennenlernen - und Mädchen die Männerwelten. Nur so werden ganze Menschen daraus.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2007, S. 162). Thematisch läuft das Ganze unter dem Begriff Gender Mainstreaming, welches mittlerweile zur regierungsamtlichen Gleichstellungsstrategie erhoben wurde: Gender Mainstreaming ist eine Strategie, um durchgängig sicherzustellen, daß Gleichstellung als Staatsaufgabe (Art. 3 Abs. 2 GG) insbesondere von allen Akteurinnen und Akteuren der öffentlichen Verwaltung verwirklicht wird. (Vgl. Bundeministerium für Frauen, Senioren, Familie, Jugend, a.a.O.).“  (Ebd., S. 84).

„Im Prinzip wird hier eine staatlich verordnete Angleichung der Geschlechter betrieben. Insbesondere sollen »tradierte« Rollenzuweisungen nicht weiter verfestigt werden, selbst dort nicht, wo sie gesamtgesellschaftlich unbedingt Sinn machen. In den Abschnitten »Sexuelle Arbeitsteilung« ab Seite 47 und »Die Angleichung der Geschlechter macht dumm« ab Seite 94 des vorliegenden Buches wird dagegen nachgewiesen, daß diese Strategie grundsätzlichen biologischen Gegebenheiten widerspricht (oder anders ausgedrückt: sie steht im Widerspruch zu fundamentalen Naturgesetzen) und auf diese Weise zu einer Verletzung der Generationengerechtigkeit führen dürfte. Um es auf eine Kurzformel zu bringen: Die Natur hat den beiden Geschlechtem nicht deshalb so völlig unterschiedliche Fortpflanzungsaufwände zugewiesen, damit der Mensch dies bei Bedarf mal eben so aufheben kann. Stattdessen handelt es sich bei den Unterschieden um eine biologische Notwendigkeit.“ (Ebd., S. 86).

6.5) Alles besser durch Vereinbarkeit?

„Daneben wird immer wieder die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemängelt, worunter speziell beruflich qualifizierte und engagierte Menschen zu leiden hätten. Auch Alice Schwarzer wies in ihrer Anmerkung weiter oben auf diesen Umstand hin. Im Abschnitt »Sexuelle Arbeitsteilung« ab Seite 47 konnte längst nachgewiesen werden, daß eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf die demographischen Probleme der entwickelten Länder nicht lösen wird. Dennoch soll an dieser Stelle noch einmal unter einem etwas anderen Blickwinkel auf die Vereinbarkeitsproblematik eingegangen werden.“ (Ebd., S. 86).

„Tatsächlich scheinen ... ganz andere Gründe ausschlaggebend zu sein.“ (Ebd., S. 86).

Wenn sowohl die Arbeit an der Karriere als auch die Kindererziehung den ganzen Einsatz der Person erfordern, dann ist Gleichheit im Geschlechterverhältnis funktional gesehen eine instabile Lösung, weil es schwierig ist, so komplex gewordene Aufgaben wie kompetente und verantwortungsbewusste Kindererziehung und das Verfolgen zweier Karrieren unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen so zu meistern, daß dabei auch noch die Ansprüche an partnerschaftliche Gleichheit und Gerechtigkeit erfüllt werden können. (Vgl. Günter Burkhart, Zaudernde Männer, zweifelnde Frauen, zögernde Paare, in: Peter A. Berger / Heike Kahlert [Hrsg.], Der demographische Wandel, 2006, S. 128f.).“ (Ebd., S. 87).

„Mit anderen Worten: Selbst bei optimaler Vereinbarkeitsinfrastruktur werden gerade gebildete und beruflich engagierte Paare zu hoher Kinderlosigkeit und geringen Kinderzahlen neigen. Und Günter Burkhart weist dabei auf den springenden Punkt hin, der im vorliegenden Buch im Rahmen der Analyse des Selektionsprinzips der Evolutionstheorie mit seinen beiden Optimierungspfaden bezüglich Produktion und Reproduktion auch schon herausgestellt wurde: die Schwierigkeit nämlich, sowohl »so komplex gewordene Aufgaben wie kompetente und verantwortungsbewusste Kindererziehung und das Verfolgen zweier Karrieren unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen« gleichzeitig zu meistem und zu optimieren.“ (Ebd., S. 87).

„Aber auch harte ökonomische Faktoren können gerade bei gutverdienenden Paaren eine wesentliche Rolle bei einer Entscheidung gegen Kinder spielen. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Betrachten wir den Fall eines beruflich erfolgreichen Paares, welches zum Beispiel 4000 Euro Netto pro Person und Monat verdient. Die Geburt eines Kindes würde auf jeden Fall zu einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit fuhren. In dieser Zeit hat die Familie höhere Kosten, aber ein deutlich geringeres Einkommen (1800 Euro Elterngeld statt 4000 Euro Gehalt). Ob die Berufstätigkeit danach in vollem Umfang wieder aufgenommen werden kann, läßt sich im Vorfeld nicht sagen. Auch müssen möglicherweise Karriereeinbußen hingenommen werden. Spätestens ab dem dritten oder vierten Kind muß eine Person (üblicherweise die Mutter) über einen längeren Zeitraum ganz auf eine Berufstätigkeit verzichten (Phasenmodell). Während der Familienphase reduziert sich das Familieneinkommen auf fast die Hälfte, während die Kosten steil in die Höhe steigen. Auch erhöht sich das ökonomische Risiko gegenüber einem vergleichbaren kinderlosen Ehepaar beträchtlich, weil jetzt das gesamte Familieneinkommen von einer Person erwirtschaftet werden muß. Wenn diese Person arbeitslos oder krank wird, dann könnte die gesamte Familie zu Sozialhilfeempfängern werden. All dies würde nicht passieren, wenn man kinderlos geblieben wäre. Für ein Ehepaar, bei dem beide Elternteile arbeitslos sind und von der Sozialhilfe leben, verschlechtert sich die ökonomische Situation durch Kinder dagegen nicht, unter Umständen bessert sie sich sogar. Das Beispiel zeigt, daß es für Paare mit hoher Bildung kein vernünftiges ökonomisches Modell für eine Familiengründung gibt. Es weist aber auch noch auf einen anderen bedeutsamen Umstand hin: Gebildete Paare mit Kindern vergleichen sich ökonomisch mit ähnlich ausgebildeten Singles oder Paaren ohne Kinder. Sie vergleichen sich nicht mit Eltern ohne Berufs- und Ausbildungsabschluß. Betrachtet man die Sache von dieser Warte aus, dann werden Paare mit hoher Bildung durch eine Familiengründung massiv gegenüber entsprechenden Singles oder kinderlosen Paaren benachteiligt, berufslose Paare ohne Bildungsabschluss dagegen nicht.“ (Ebd., S. 87-88).

„In der öffentlichen Debatte werden Familien meist untereinander verglichen, was sehr problematisch ist.“ (Ebd., S. 88).

6.6) Warum Mutti doch die Beste ist

„Das Feindbild Nummer 1 des Feminismus ist seit einiger Zeit nicht mehr der Mann, sondern die Hausfrau (»Mutti«), die all das repräsentiert, was man hinter sich gelassen zu haben glaubte.“ (Ebd., S. 89).

„Stellen Sie sich einen Staat vor, der normalerweise aus drei Generationen zu jeweils 8 Personen besteht, insgesamt also 24 Menschen, wobei jeweils 50 Prozent der Mitglieder männlich beziehungsweise weiblich sind. Jeweils 30 Jahre lang wäre man zunächst Kind beziehungsweise Auszubildender, dann Erwerbstätiger, und schließlich Rentner. Stellen Sie sich bitte weiter vor, in dieser Gesellschaft seien alle Erwerbstätigen Akademiker (deshalb auch die lange Ausbildungszeit). Und von Akademikern wissen wir ja nun, daß sie besonders wenige Kinder haben. Konkret: Die Frauen brächten durchschnittlich jeweils ein Kind zur Welt und wären dann auch nicht gezwungen, ihre Arbeit nennenswert zu unterbrechen. Desweiteren hätte jeder Erwerbstätige 30 Jahre lang jeden Monat 2000 Euro an Steuern zu zahlen und einen Rentner mit 1000 Euro und ein halbes Kind mit 400 Euro (pro ganzes Kind also 800 Euro) zu versorgen. Wir erinnern uns: Jede Familie hat in unserer fiktiven Gesellschaft nur ein Kind, das heißt, ein halbes Kind pro Person.
 SozialleistungenPro Erwerbsperson und Monat in €Pro Erwerbsperson insgesamt in €
Steuern2000  720000
Rentenbeitrag1000  360000
Kind  400  144000
Summe34001224000
Abbildung 9) Sozialleistungen der aktuellen Generation (**) (**)
Doch betrachten wir jetzt einmal die Situation in der nächsten Generation. Nun gäbe es nur noch 4 Erwerbstätige, die insgesamt zwei Kinder und acht Rentner zu versorgen hätten. In der Folge ürden die monatlichen Rentenbeitragszahlungen auf 2000 Euro anwachsen.
 SozialleistungenPro Erwerbsperson und Monat in €Pro Erwerbsperson insgesamt in €
Steuern2000  720000
Rentenbeitrag2000  720000
Kind  400  144000
Summe44001584000
Abbildung 10) Sozialleistungen der nächsten Generation (**) (**)
Die nächste Generation hätte also pro Kopf deutlich mehr Sozialleistungen als die vorangegangene abzuführen.
Daneben ist aber noch folgendes zu beachten: Die erste Generation würde im Laufe ihres Lebens 5760000 (= 8 • 720000) Euro Steuern an den Staat abführen, die nächste dagegen nur noch 2880000 (= 4 • 720000) Euro. Aus Sicht des Staates dürfte das alles andere als wünschenswert sein, denn er verlöre ja dabei die Hälfte seiner gesamten Einnahmen.“ (Ebd., S. 91-92).

„Betrachten wir nun eine Alternative: Eine Frau (in meinem Buch »Die Familienmangerin« [2006] heißen solche Mütter »Familienmanagerin« - im folgenden sollen sie aber »Mutti« genannt werden) hätte sich dazu bereit erklärt, nicht nur ein Kind, sondern gleich fünf in die Welt zu setzen und liebevoll und gewissenhaft aufzuziehen. Allerdings wollte sie dafür angemessen entlohnt werden und nicht noch gleichzeitig einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen. Konkret: Mutti forderte ein Gehalt in Höhe von 2000 Euro monatlich und zusätzlich 800 Euro Kostenerstattung für jedes ihrer Kinder (denn Mutti ist emanzipiert). Diese Zahlung von insgesamt 6000 Euro monatlich erhielte sie rein Netto, Steuern und Rentenbeiträge müßte sie dagegen nicht abführen. Indirekt forderte sie also noch weitere 1000 Euro an Rentenbeitragszahlungen pro Monat, die von den anderen sieben Erwerbstätigen aufzubringen wären. Insgesamt kosteten Mutti und ihre fünf Kinder also 7000 Euro monatlich, das heißt, jeder der sieben verbliebenen Erwerbstätigen hätte für sie 1000 Euro monatlich zu zahlen. Die drei anderen Frauen würden natürlich - wie schon bisher - jeweils ein Kind haben und gemeinsam mit ihren Ehemännern aufziehen. Gleichzeitig würden sie - wie die Männer - einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf diese Weise reduzierte sich die Zahl der Erwerbstätigen von acht auf sieben und dem Staat entgingen im Laufe einer Generation immerhin 720000 Euro an Steuereinnahmen. Insgesamt nähme er dann nämlich nicht mehr 5760000 Euro an Steuern ein, wie im ersten Beispiel, sondern nur noch 5040000 Euro. .... Für die Erwerbstätigen würde sich die Situation nun wie folgt darstellen:
 SozialleistungenPro Erwerbsperson und Monat in €Pro Erwerbsperson insgesamt in €
Steuern2000  720000
Rentenbeitrag1000  360000
Kind  400  144000
Mutti mit Kindern 1000  360000
Summe44001584000
Abbildung 11) Sozialleistungen der aktuellen Generation MIT MUTTI (**) (**)
Die Erwerbstätigen der aktuellen Generation müßten also genauso viele Sozialleistungen abführen wie im ersten Beispiel (ohne Mutti) die nächste Generation. Denn die 360000 Euro Differenz würden sie ja nicht länger in teure Flugreisen und schicke Autos, sondern in die nächste Generation investieren. Ich glaube, so etwas nennt man Generationengerechtigkeit.
Doch kommen wir nun zur nächsten Generation »mit Mutti«. Die obige Abbildung bliebe völlig unverändert, denn die aktuelle Generation hätte sich ja nachhaltig fortgepflanzt. (Vorausgesetzt natürlich, auch in der nächsten Generation rande sich wieder eine »Mutti«, die entsprechend zu finanzieren wäre). Auch würde der Staat wieder genau die gleichen Steuereinnahmen haben, nämlich insgesamt 5040000 Euro für die gesamte Generation. Und hier entstünde nun eine bemerkenswerte Differenz: Denn ohne die Leistung Muttis würde der Staat in der nächsten Generation lediglich insgesamt 2880000 Euro einnehmen.“ (Ebd., S. 93-94).

„Wir können also festhalten: Durch Muttis fehlende Erwerbstätigkeit gehen dem Staat in der aktuellen Generation 720000 Euro an Steuereinnahmen verloren, dafür nähme er in der nächsten Generation dank Mutti 2160000 Euro mehr ein. (Damit ließe sich dann sicherlich auch noch Muttis akademische Ausbildung rechtfertigen, oder?). Oder anders ausgedrückt: Mutti ist die Beste!“ (Ebd., S. 94).

„Betrachtet man die Sache aus Sicht des Staates und der Solidargemeinschaft und weniger aus Sicht der Wirtschaft, dann rechnet sich nichts so sehr wie eine ausreichende Zahl an wohlerzogenen und kompetenten Kindern. Und damit natürlich erst recht »Mutti«.“ (Ebd., S. 94).

6.7) Die Angleichung der Geschlechter macht dumm

„Nun sind alle Vorarbeiten abgeschlossen, und ich möchte zu einer Kernaussage des vorliegenden Buches kommen:
 Die weitestgehende Angleichung der Geschlechter macht moderne Gesellschaften zunehmend ärmer und dümmer!
Dazu sollen zunächst noch einmal die wesentlichen, im Laufe des Buches nachgewiesenen Fakten in Erinnerung gerufen werden:
Allgemeine Intelligenz ist zu ganz erheblichen Anteilen erblich.
Es besteht eine enge Korrelation zwischen dem Wohlstand eines Landes und dem durchschnittlichen IQ seiner Bevölkerung
In modemen, »gleichberechtigten« Gesellschaften besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungs- beziehungsweise Intelligenzniveau und der Zahl an Nachkommen.
Diese Relation wird unmittelbar durch die Angleichung der Geschlechter und die Auflösung geschlechtsspezifischer Rollen bewirkt.
Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können die negative Korrelation weder umkehren noch aufheben.
In klassischen patriarchalischen Gesellschaften strebten ausschließlich die Männer nach gesellschaftlichen Positionen oder beruflichem Erfolg. Hatte ein Mann schließlich eine gute und sichere berufliche Stellung erreicht, begann er meist bald an eine Familiengründung zu denken. Allerdings war er nun möglicherweise bereits ein wenig älter.“ (Ebd., S. 94-95).

„Ohne die in den letzten 200 Jahren erzielten Fortschritte in der Medizin und Hygiene mußten Frauen in der Vergangenheit stets eher vier bis sechs Kinder zur Welt bringen, damit der Fortbestand einer Familie gesichert war. Ein beruflich erfolgreicher, nun aber möglicherweise schon etwas reiferer Mann interessierte sich folglich bevorzugt für sehr junge Frauen, da diese ihm noch besonders viele Kinder schenken konnten.“ (Ebd., S. 95).

„Frauen wiederum bevorzugten in erster Linie wohlhabende beziehungsweise gutsituierte Männer, denn in einer solchen Verbindung waren ihre ökonomische Versorgung und die ihrer Kinder möglichst gut gesichert. (Vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie, 2003, S. 77; Satoshi Kanazawa, Can Evolutionary Psychology explain Reproductive Behaviour in the Contempory United States?, 2003). Aus gesellschaftlicher Sicht machte deshalb eine Ehe zwischen einem etwa 35-jährigen, beruflich erfolgreichen Mann und einer 15-jährigen Frau in höchstem Maße Sinn, denn hierdurch konnten besonders viele Erfolgsmerkmale an die nächste Generation weitergegeben werden. (Die Verbindung einer reiferen Frau mit einem jüngeren Mann machte aus gesellschaftlicher Sicht dagegen überhaupt keinen Sinn, weswegen solche Beziehungen dann auch meist diskreditiert wurden). Auch erklärt sich hierdurch der biologische Sinn der oftmals bis ins hohe Alter reichenden Zeugungsfähigkeit von Männern. Es ist nicht auszuschließen, daß ein hohes Alter eines Mannes bei gleichzeitig gutem Gesundheitszustand in historischen Gesellschaften ebenfalls als ein Indikator für eine hohe genetische Fitneß gewertet wurde, welches ihn als möglichen Fortpflanzungspartner interessant machte.“ (Ebd., S. 95).

„Da Frauen aus der Konkurrenz um soziale und berufliche Positionen vollständig herausgehalten wurden, gab es für sie - anders als bei Männern - kaum objektiv bewertbare Erfolgsmerkmale, zumal sie im heiratsfähigen Alter meist auch noch zu jung waren, als daß sie sich im Leben bereits bewährt haben konnten. Männer wählten ihre Frauen deshalb ganz häufig nach Herkunft (Elternhaus) und/oder optischen Gesichtspunkten aus, zumal das Aussehen der Partnerin sie ein wenig auf deren genetische Fitneß schließen ließ. Geoffrey F. Miller behauptet allerdings, der menschliche Geist sei selbst ein Bündel von Fitneßindikatoren, die im Rahmen der Partnerwerbung validiert werden könnten (Vgl. Geoffrey F., Die sexuelle Evolution, 2001, S. 124 ff.).“ (Ebd., S. 96).

„Natürlich waren intelligente Männer gleichzeitig vor allem an intelligenten Frauen interessiert, denn aus den Nachkommen sollte ja mal etwas werden. (**). Auch mußte die Ehefrau gegebenenfalls einen größeren Haushalt führen und managen. Allerdings werden die folgenden Seiten zeigen, daß die geistige Weiterentwicklung einer patriarchalisch organisierten Population selbst dann möglich ist, wenn die Intelligenz der Frauen nicht mit der ihrer Partner korreliert.“ (Ebd., S. 96).


Bei verheirateten Paaren läßt sich eine deutliche selektive Partnerwahl bezüglich der Intelligenz feststellen. (Vgl. T. J. Bouchard / M. McGue, Familial Studies of Intelligence, 1981). Bei kurzfristigen Beziehungen stellen allerdings Männer im Gegensatz zu Frauen geringere Anforderungen an die Intelligenz des Sexualpartners (D. T. Kenrick / E. K. Sadalla / G. Groth / M. R. Trost, Evolution, Traits and the Stages of Human Courtship,1990), was aus biologischen Gründen auch zu erwarten ist.

„Stellen wir uns dazu eine Population vor, deren Menschen über drei verschiedene Intelligenzniveaus verfügen: Hoch, mittel und niedrig, wobei jeweils genau ein Drittel (= 33,33 Prozent) der Männer und Frauen hoch, mittel oder niedrig intelligent sind. Hohe Intelligenz entspräche einem Intelligenzquotienten (IQ) von 130, mittlere einem IQ von 100 und niedrige einem von 70. Ferner sei angenommen, ein Kind erbe mit einer jeweils 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit entweder die Intelligenz des Vaters oder der Mutter. Mit einer 40-prozentigen Wahrscheinlichkeit erlange das Kind seine Intelligenz dagegen durch eine zufällige Mutation. Es habe dann anteilsmäßig eine beliebige sonstige Intelligenz. Mit anderen Worten: Mit einer weiteren 13,33-prozentigen Wahrscheinlichkeit sei das Kind aufgrund einer Mutation hoch-, mittel- oder niedrigintelligent. Für unsere fiktive patriarchalische Gesellschaft stellen wir uns nun weiter vor, Männer wählten aus der Gesamtheit der Frauen eine Partnerin aus, ohne deren geistige Kompetenzen vorher zu kennen. Da sich in unserem Modell die individuelle Fertilität einer Frau ausschließlich an den ökonomischen Möglichkeiten ihres Ehemannes orientiert, der berufliche Erfolg von Männern aber in keinem Zusammenhang zu den geistigen Kompetenzen ihrer Ehefrauen steht, würden folglich Frauen mit hoher, mittlerer und niedriger Intelligenz durchschnittlich gleich viele Kinder pro Person in die Welt setzen, beispielsweise genau zwei. Bei den Männern sähe das etwas anders aus. Intelligente und damit häufig beruflich erfolgreiche Männer könnten sich mehr Kinder als andere Männer leisten. Sie würden durchschnittlich 2,2 Kinder pro Person haben. Männer mit mittlerer Intelligenz kämen durchschnittlich auf zwei Kinder pro Kopf und Männer mit niedriger Intelligenz lediglich auf 1,8. Entsprechende Fertilitätsunterschiede lassen sich für die gesamte Geschichte der Menschheit nachweisen. (Vgl. Laura Betzig, a.a.O., 1986; Eckart Voland, Grundriß der Soziobiologie, 2000, S. 89 f.; Rosemary L. Hopcroft, Sex, Status and Reproductive Success, 2006, S. 105).“ (Ebd., S. 96-97).

„Die nächste Generation hätte dann die folgende Intelligenzverteilung:
IntelligenzVerteilung bei Kindern
Hoch34,33 Prozent
Mittel33,33 Prozent
Niedrig32,33 Prozent
Abbildung 12) Intelligenzverteilung nächste Generation: Patriarchalische Gesellschaft (**) (**)
Mit anderen Worten: Die nächste Generation wäre durchschnittlich intelligenter als die vorangegangene. Hatte die Elterngeneration noch einen durchschnittlichen IQ von 100, so ist dieser bei der Folgegeneration bereits auf 100,6 angestiegen.“ (Ebd., S. 97).

„In modernen, der Gleichberechtigung der Geschlechter unterliegenden Gesellschaften streben sowohl Männer als auch Frauen nach gesellschaftlichen Positionen oder beruflichem Erfolg. Haben sie schließlich eine gute und sichere berufliche Stellung erreicht, können sie an eine Familiengründung denken. Meist sind beide Partner dann aber schon ein wenig älter. Für den sehr kurzen Zeitraum, der unter solchen Verhältnissen für den Aufbau einer beruflichen Karriere und die Gründung einer Familie bleibt, wurde in der Fachliteratur der Begriff »Rushhour des Lebens« geprägt (siehe zum Beispiel: Hans Bertram / W. Rösler / N. Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik, 2005). In patriarchalischen Gesellschaften besteht - wie beschrieben - eine vergleichbare »Rushhour« nicht, da Männer praktisch bis ins hohe Alter zeugungsf!ihig sind, ihnen also sehr viel mehr Zeit zum Aufbau einer beruflichen Karriere bleibt. Auch dieser Umstand zeigt, daß mit der gesellschaftlich angestrebten Angleichung der Geschlechterrollen massiv in die menschliche Biologie eingegriffen wird. Hierdurch werden Probleme geschaffen, die dann ins Visier der Familien- und Geschlechterforschung geraten, obwohl sie eigentlich gar nicht sein müßten.“ (Ebd., S. 98).

„Aufgrund der hohen Opportunitätskosten von Kindern bekommen Frauen dann um so weniger Kinder, je beruflich qualifizierter sie sind, denn für sie steht ja bei einer Familiengründung beruflich und finanziell am meisten auf dem Spiel. Außerdem haben sie dann meist besonders wenig Zeit für Familienarbeit. Denn gerade karriereorientierte Frauen müssen in qualifizierten Berufen gleich viel in ihre Ausbildung und ihre Arbeit investieren wie kinderlose Frauen oder Männer. Sie konkurrieren also direkt mit anderen, die durch keinerlei Familienarbeit in der Ausübung ihres Berufes eingeschränkt sind. Dies gilt selbst dann, wenn sich beide Elternteile die Familienarbeit paritätisch teilen, und eine optimale Betreuungsinfrastruktur vorhanden ist. In diesem Fall würden sich auch für die beteiligten Männer nennenswerte Opportunitätskosten für weitere Kinder einstellen, da die Familienarbeit sie genauso wie ihre Frauen am Ausbau ihrer Karriere hindern würde“ (Ebd., S. 98).

„All diese Zusammenhänge sind empirisch und theoretisch sehr gut abgesichert. Ein Überblick über die dazugehörigen Fertilitätstheorien und ihre Begründungen findet sich im Abschnitt »Fertilitätstheorien« ab Seite 2.“ (Ebd., S. 98).

„Stellen wir uns nun als Alternative zu unserer obigen patriarchalischen Population eine »gleichberechtigte« Gesellschaft vor, bei der die Frauen um so weniger Kinder bekommen, je qualifizierter sie sind. Wir nehmen also zum Beispiel an, Frauen mit hoher Intelligenz würden durchschnittlich 1,8 Kinder pro Person haben, Frauen mit mittlerer Intelligenz zwei, und Frauen mit niedriger Intelligenz immerhin 2,2.“ (Ebd., S. 99).

„Das generative Verhalten der Bevölkerung orientierte sich nun also sehr stark am sozialen Erfolg der Frauen. In patriarchalischen Gesellschaften war das - wie wir gesehen haben - genau umgekehrt. Für die Männer kämen unter solchen Bedingungen zwei unterschiedliche generative Verhaltensweisen in Betracht. In einem ersten Modell würden sie sich unabhängig von ihrer Intelligenz mit einer beliebig intelligenten Partnerin verbinden und dann im Durchschnitt zwei Kinder pro Person haben. Und in einem zweiten Modell würden sie sich bevorzugt mit gleichqualifizierten Frauen verbinden und dann natürlich genauso viele Kinder wie ihre Partnerinnen haben . Das zweite Modell dürfte aufgrund der festgestellten Bildungshomogarnie bei Paaren (vgl Bernd Eggen / Marina Rupp, Kinderreiche Familien, 2006, S. 56) oder der Korrelation der IQs bei Ehepaaren (vgl. T. J. Bouchard / M. McGue, a.a.O., 1981) das aktuelle Paarungsverhalten in modemen Gesellschaften realistischer widerspiegeln. Aber auch ganz unabhängig davon, wären bei einer sehr starken Geschlechterangleichung Männer ganz ähnlich zu betrachten wie Frauen. Konkret hieße das: Männer mit hoher Intelligenz hätten dann 1,8 Kinder pro Person, Männer mit mittlerer Intelligenz zwei und Männer mit niedriger Intelligenz 2,2.“ (Ebd., S. 99).

„In der nächsten Generation stellten sich dann die beiden folgenden Intelligenzverteilungen:
IntelligenzVerteilung bei Kindern
Hoch32,33 Prozent
Mittel33,33 Prozent
Niedrig34,33 Prozent
Abbildung 13) Intelligenzverteilung nächste Generation: Gleichberechtigung der Geschlechter (**) (**)
IntelligenzVerteilung bei Kindern
Hoch31,33 Prozent
Mittel33,33 Prozent
Niedrig35,33 Prozent
Abbildung 14) Intelligenzverteilung nächste Generation: Gleichberechtigung + Bildungshomogamie (**) (**)
Der Anteil der Personen mit niedriger Intelligenz nähme in beiden Modellvarianten mit Gleichberechtigung der Geschlechter von Generation zu Generation zu, während immer weniger Menschen über eine hohe Intelligenz verfügten. Bei einer angenommenen Bildungshomogarnie bei Paaren oder IQ-Korrelation unter Ehepaaren, aber auch einer starken Angleichung der Geschlechter, wäre diese Entwicklung ganz besonders markant. Umgerechnet in IQs ergäbe sich das folgende Bild: In der ersten Modellvariante hätte die nächste Generation einen durchschnittlichen IQ von 99,4, bei der zweiten (realistischeren) Modellvariante sogar nur noch einen von 98,8.“ (Ebd., S. 99-100).

„Ein typischer Einwand könnte lauten: Die Intelligenz eines Menschen ist vielleicht durchschnittlich nur zu 60 Prozent erblich. Mit entsprechenden Fördermaßnahmen könnte der durchschnittliche IQ der Bevölkerung also ganz leicht wieder angehoben werden. Dagegen sprechen jedoch die folgenden Sachverhalte:
Die Fördermaßnahmen müßten von Bürgern mit hoher Intelligenz erbracht werden, denn nur diese besitzen ja die entsprechenden Kompetenzen. Deren Zahl nimmt aber ab.
Die Fördermaßnahmen übersetzten sich in zusätzliche gesellschaftliche Kosten. Einerseits müßten die zusätzlichen Lehrer von den restlichen Erwerbstätigen finanziert werden, andererseits fehlten sie als hochqualifizierte Arbeitnehmer an anderen Stellen.
Gemäß der in der Biologie allgemein akzeptierten und als Weismann-Barriere (**) bezeichneten Regel, nach der Erfahrungen, die ein Individuum mit der Umwelt macht, nicht in den Erbgang einfließen können, würden die zusätzlichen Bildungsmaßnahmen keinen Einfluß auf den erblichen Teil der Intelligenz nehmen. In der übernächsten Generation wäre der durchschnittliche IQ der Population bei Modellvariante 2 schon auf 97,8 gesunken. Von Generation zu Generation müßte folglich immer mehr in zusätzliche Bildungsmaßnahmen bei gleichzeitig schwindendem Lehrerpotential investiert werden.
Wir können also zusammenfassen: In patriarchalischen Gesellschaften korreliert die Zahl an Nachkommen mit dem sozialen Erfolg und der Intelligenz der Männer, wodurch die Bevölkerung von Generation zu Generation sukzessive an Intelligenz gewinnt. In modernen »gleichberechtigten« Gesellschaften besteht dagegen üblicherweise eine negative Korrelation zwischen der Zahl an Nachkommen und der Intelligenz der Männer und Frauen, wodurch die Bevölkerung von Generation zu Generation sukzessive an Intelligenz verliert. Die These eines sukzessiven genotypischen Intelligenzverlustes (und damit indirekt eines Kulturverlustes) moderner Gesellschaften ist insgesamt nicht neu, werden solche Entwicklungen doch von verschiedenen Autoren zumindest für die USA seit einiger Zeit vermutet (zum Beispiel (Daniel R. Vining, a.a.O., 1982; Daniel R. Vining, a.a.O., 1995; Richard Lynn / Marilyn Van Court, a.a.O., 2004; Richard Lynn, a.a.O., 1998; Richard Lynn, a.a.O., 1996). Im vorliegenden Buch wird allerdings zusätzlich noch behauptet, hierbei handele es sich um eine zwangsläufige Folge einer zu starken Angleichung der Geschlechter mit ähnlichen bis identischen Lebensentwürfen für Frauen und Männer. Eine solche zunehmende Angleichung scheint auch in anderen historischen menschlichen Hochkulturen stattgefunden zu haben. Möglicherweise hat sie zu deren Untergang beigetragen.“ (Ebd., S. 100-101).

„Da der durchschnittliche IQ einer Bevölkerung auch mit dem Wohlstand des Landes korreliert, dürfte sich in solchen Gesellschaften zunehmend Armut ausbreiten. Kurz: Eine solche Gesellschaft brasilianisiert und entwickelt sich zurück in ein Entwicklungsland.“ (Ebd., S. 101).

„Ferner zeigen die obigen Resultate: Die enorme menschliche Gehirnentwicklung während der Altsteinzeit dürfte maßgeblich auf die sexuelle Arbeitsteilung unserer Vorfahren zurückzuführen sein. Diese hatte folglich einen Sinn und stellte einen evolutionären Vorteil dar, und man darf nun nicht erwarten, man könnte in solche Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens mal eben so eingreifen, ohne daß dies Konsequenzen haben wird.“ (Ebd., S. 101).

„Man versteht nun auch den eigentlichen Sinn der menschlichen Reproduktionseinheit »Familie« besser. Diese dient nicht nur der Sicherung der Generationenfolge durch Weitergabe des Lebens, sondern offenbar auch dazu, eine gesellschaftliche Weiterentwicklung zu unterstützen. Dies scheint aber nur bei sexueller Arbeitsteilung möglich zu sein. Mit der Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter dürfte die Familie somit einen großen Teil ihres ursprünglichen Sinns verlieren. Im Prinzip wäre das menschliche Familiensystem damit zerstört.“ (Ebd., S. 101).

6.8) Reproduktionsorganisation

„Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Das unterschiedliche Fortpflanzungsverhalten in patriarchalischen und modernen, gleichberechtigten Gesellschaften läßt sich grob angenähert wie folgt beschreiben:
In patriarchalischen Gesellschaften konkurrieren die Männer um berufliche Positionen. Je größer ihr Erfolg dabei ist, desto besser sind ihre Chancen bei besonders attraktiven und gutgestellten (»aus gutem Elternhaus«) Frauen. Entscheidend für die Fertilität einer Familie sind die ökonomischen Möglichkeiten des Mannes. Die sexuelle Selektion richtet sich somit insgesamt am Erfolg aus und genügt damit dem Selektionsprinzip der Evolutionstheorie. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Frauen aus dem Spiel um Macht und berufliche Positionen herausgehalten werden und zwischen Männern und Frauen eine sexuelle Arbeitsteilung besteht.
In modernen, gleichberechtigten Gesellschaften konkurrieren sowohl Männer als auch Frauen um berufliche Positionen innerhalb einer marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft. Entscheidend für die Fertilität einer Familie sind die beruflichen Freiräume der Frau, bei paritätischer Aufteilung der Familienarbeit auch die des Mannes. Die gesellschaftliche Reproduktion ist üblicherweise sozialistisch organisiert, weshalb es dort zur Tragik der Allmende kommen dürfte (siehe Abschnitt »Die Tragik der Allmende« ab Seite 73). In der Reproduktion hat also der »Faule« den größten Erfolg beziehungsweise die geringsten Kosten. Gesellschaftlicher Erfolg ist deshalb verknüpft mit beruflichem Erfolg und reproduktiver »Faulheit«, gesellschaftlicher Misserfolg dagegen mit beruflichem Scheitern und reproduktivem Erfolg. In »Die Familienmanagerin« (2006) wurde das demographisch-ökonomische Paradoxon entsprechend aus der Konkurrenz von produktiven und reproduktiven Aufgaben heraus erklärt: Menschen, die sich aus irgendeinem Grund produktiv nicht entfalten können, werden bei ausreichender Nahrungsversorgung versuchen, sich reproduktiv zu entfalten. (Vgl. Peter Mersch, Die Familienmanagerin, 2006, S. 81 [**]).
In meinem Buch »Hurra, wir werden Unterschicht!« (2007, S. 103 ff.) konnten für moderne, gleichberechtigte Gesellschaften schwerwiegende Organisationsmängel im Verhältnis von Wirtschaft und gesellschaftlicher Reproduktion nachgewiesen werden, die für viele demographische und gesellschaftliche Probleme in den Industrienationen maßgeblich verantwortlich sein dürften (siehe die kursiv markierten Bereiche in der folgenden Abbildung, in der Deutschlands Bundesrepublik mit dem Pharmaunternehmen Pfizer verglichen wird. Deutschland bietet in erster Linie »menschliche Kompetenzen«, das heißt, Humankapital an. [Vgl. Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007, S. 103ff.[**]).
 PfizerBundesrepublik Deutschland
 ReproduktionProduktionReproduktionProduktion
NameForschung und EntwicklungProduktion, Marketing u.s.w.Familien- und ErziehungsarbeitWirtschaft
OrganisationMarktwirtschaftMarktwirtschaftSozialistischMarktwirtschaft
FinanzierungDurch Produktion ProduktverkaufPrivatProduktverkauf
ProdukteNeue MedikamenteRelpax, Viagra u.s.w.Neue menschliche KompetenzenMenschliche Kompetenzen
Abbildung 15) Vergleichder internen Organisationen von Unternehmen und Gesellschaften
Auffällig ist, daß in modernen Gesellschaften - im Gegensatz zu kompetitiven Unternehmen - die Wirtschaft (Produktion) üblicherweise marktwirtschaftlich organisiert ist, die Reproduktion dagegen sozialistisch. Denn bei der Nachwuchsarbeit muß die Erziehung privat geleistet werden, der Nutzen daraus (Mitbürger, Steuerzahler, Rentenbeitragszahler u.s.w.) steht dann aber allen Bürgern - Eltern wie Kinderlosen - in gleicher Weise zu. Nun verfügt aber gerade Deutschland in dieser Frage über sehr viel Expertise, denn jahrzehntelang grenzten die sozialistische DDR und die marktwirtschaftliche BRD unmittelbar aneinander. Damit die qualifiziertesten Bürger der DDR nicht in den benachbarten Westen abwanderten, sah sich die DDR zu einem Mauerbau gezwungen. Im Patriarchat gab es - bildlich gesprochen - für die Frauen eine ganz ähnliche Mauer, und diese hieß »Rollenvorgabe als Mutter und Hausfrau«. Die Frauenbewegung hat die Mauer zum Einstürzen gebracht, und seit dem können die Frauen zwischen produktiven und reproduktiven Tätigkeiten frei wählen. Die qualifiziertesten unter ihnen suchen nun ihr Glück in der marktwirtschaftlichen Produktion (Wirtschaft) und vernachlässigen dafür die sozialistische Reproduktion.“ (Ebd., S. 101-104).

„Die gerade beschriebene Problematik besteht in erster Linie für Paare mit einem beiderseitig regelmäßigen Einkommen (beziehungsweise für berufstätige Alleinerziehende ebenso), und zwar um so mehr, je höher das Einkommen beider Partner ist. Auch aus diesem Grund setzen gerade beruflich erfolgreiche Paare beziehungsweise Paare mit hohen beruflichen Potentialen (zum Beispiel hoher Bildung) besonders wenige Kinder in die Welt. Paare, deren Eltern beide berufslos sind, verschlechtem ihre ökonomische Situation durch zusätzliche Kinder dagegen nicht (siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt »Alles besser durch Vereinbarkeit?«  ab Seite 86).“ (Ebd., S. 104).

„Ulrich Beck führt die zunehmenden sozialen Probleme moderner Gesellschaften wie Prekarisierung der Arbeit, Sockelarbeitslosigkeit, Herausbildung einer neuen Unterschicht oder die Armut an und unter Kindern vor allem auf globale ökonomische Entwicklungen zurück. Die ungewollte Folge der neoliberalen Utopie des freien Marktes ist die Brasüianisierung des Westens. .... Das Herausragende ist die neue A.hnlichkeit von Entwicklungsprofilen der Erwerbsarbeit in der so genannten ersten und der so genannten dritten Welt. ... Damit breitet sich im Zentrum des Westens der sozialstrukturelle Flickenteppich aus, will sagen: die Vielfalt, Unübersichtlichkeit und Unsicherheit von Arbeits-, Biographie- und Lebensformen des Südens. (Vgl. Ulrich Beck, Schöne neue Arbeitswelt , 1998, S. 7f.). Ferner vermutet er, die Erwerbsgesellschaft neige sich aufgrund des verstärkten Einsatzes intelligenter Technologien insgesamt ihrem Ende zu. (Vgl. Ulrich Beck, ebd., S. 9). In der Folge entstehe ein Heer an Dienstboten und Arbeitsnomaden, die zwischen verschiedenen Beschäftigungsformen und Ausbildungen hin- und herpendeln (vgl. Ulrich Beck, ebd., S. 8), und die einer kleineren Schicht an privilegierten Wissensarbeitern gegenüberstehe. Empirische Daten (zum Beispiel die im Kapitel »Intelligenz« ab Seite 57 angeführten Belege) scheinen aber eher die These zu stützen, die »Brasilianisierung« des Westens werde in erster Linie durch das spezifische generative Verhalten der Industrienationen verursacht (vgl. Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007), das heißt, sie dürfte primär reproduktiv und nicht ökonomisch bedingt sein.“ (Ebd., S. 104).

„Wenn also die zunehmenden sozialen Probleme in den entwickelten Ländern ganz wesentlich auf deren Reproduktionsverhalten zurückzuflihren sind, dann sollten auch die Gegenmaßnahmen dort ansetzen.“ (Ebd., S. 104).

6.9) Was tun?

„Die im Abschnitt »Die Angleichung der Geschlechter macht dumm« beschriebene Entwicklung... ist real und findet statt. Die durchschnittlichen Intelligenzquotienten der Bevölkerungen in den westlichen Industrienationen nehmen nämlich tatsächlich seit Ende der 1990er Jahre kontinuierlich ab. (Vgl. Wissenschaft.de, Forscher schlagen Alarm - In den Industrieländern ist der IQ auf Talfahrt !, 16.05.2005 [**]). Gleichzeitig breitet sich eine neue Armut aus. Und ganz nebenbei geht es ja dabei auch um Einiges. Steigen die Preise oder die Arbeitslosenzahlen oder sinkt das Bruttosozialprodukt, dann herrscht sehr schnell große Aufregung, wenngleich alles sehr bald wieder ganz anders aussehen kann. Wir sprechen aber hier über ein Abfallen der durchschnittlichen IQs ganzer Bevölkerungen. Ein solcher Schaden dürfte nicht nur gravierende Langzeitauswirkungen für die betroffenen Volkswirtschaften haben, sondern obendrein auch noch irreparabel sein.“ (Ebd., S. 105).

„Doch wie läßt sich ein solcher Trend aufhalten? Eine theoretische Option stellt sicherlich die Rückkehr zum Patriarchat dar, wie es auch bereits von verschiedenen Autoren vorhergesagt wurde (zum Beispiel Phillip Longman, The Empty Cradle, 2006). Sollten die modernen Industrienationen in eine substanzielle Krise geraten, die ihre Überlebensfähigkeit unmittelbar gefährdet, dann werden sich zwangsläufig entsprechende patriarchalische Strukturen zurückbilden, denn diese haben sich in mehreren Millionen Jahren und insbesondere während schwerer Krisenzeiten bewährt. Wenn die entwickelten Staaten ihre demographischen Probleme nicht in den Griffbekommen, dann werden sie in eine substanzielle Krise geraten.“ (Ebd., S. 105).

„Allerdings gehört die Gleichberechtigung der Geschlechter in modernen Gesellschaften zu den allgemeinen Menschenrechten, an denen in Normalzeiten niemand wird rütteln können. Auch haben wir es hier mit einer kulturellen Errungenschaft zu tun, die Teil des Selbstverständnisses westlicher Gesellschaften geworden ist, und der auch sehr viel Positives abzugewinnen ist. Wir benötigen also eine Lösung für das obige Problem unter der Rahmenbedingung der Gleichberechtigung der Geschlechter. Bevor ich eine solche skizziere, möchte ich aber zunächst noch einige weitere Rahmenbedingungen benennen, die ebenfalls in diesem Kontext von Bedeutung sind.
Menschen sollten sich in Zukunft nach Möglichkeit nicht mehr vermehren, sondern sich bestenfalls in ihrer vorhandenen Kopfzahl ersetzen. Dies gilt insbesondere für alle Menschen, die ganz wesentlich von staatlichen Transferleistungen leben, und zur Zeit noch nicht einmal ein ausreichendes Einkommen für die bereits vorhandene Familiengröße erwirtschaften können. Es ist nicht auszuschließen, daß irgendwann einmal die Gründung einer Mehrkindfamilie mit drei oder mehr Kindern - zum Beispiel aus ökologischen Gründen - von staatlichen Behörden genehmigt werden muß.
Jeder Mensch hat das Recht, lebenslänglich kinderlos zu bleiben. Allerdings sollte er sich dann ersatzweise finanziell angemessen an der Nachwuchsarbeit beteiligen.
Eine bestandserhaltende Reproduktion ist nur mit einem nennenswerten Anteil an Mehrkindfamilien (drei oder mehr Kinder) erreichbar. Wie aber im ersten Punkt bereits herausgestellt wurde, sollten sich Familien ... nicht mehr unabgestimmt vermehren. In größeren Familien avanciert die Erziehungsarbeit sehr schnell zum Vollzeitjob. Da die erziehende Person dann sehr viel Verantwortung für eine größere Zahl an schutzbedürftigen Personen trägt, bestehen hier gleichzeitig hohe Ausbildungsanforderungen.
Alleinerziehung ist eine Realität. Jedes zukünftige Familienkonzept muß auch Alleinerziehung berücksichtigen.
Die niedrige Bestandserhaltungsgrenze von 2,1 Kindern pro Frau erlaubt eine Arbeitsteilung unter Frauen. In historischen menschlichen Gesellschaften mußten Frauen aufgrund der hohen Sterblichkeit meist noch eher fünf oder sechs Kinder in die Welt setzen, um den Bestand ihrer Familie beziehungsweise der gesamten Population zu sichern. Heute reichen dafür bereits durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau. Berücksichtigt man zusätzlich noch die deutlich gestiegenen Lebenserwartungen, dann wird deutlich, daß Frauen unter solchen Verhältnissen mit einer reinen Mutter-und-Hausfrau-Tätigkeit nicht mehr ausgelastet sein können. Als möglicher Ausweg aus dem Dilemma bietet sich eine »sexuelle Arbeitsteilung« unter Frauen an: Ein Teil der Frauen wählt den typischen Lebensentwurf heutiger moderner, emanzipierter Frauen und Männer, geht einem Beruf nach und hat daneben eventuell noch eine kleinere Familie, während sich ein anderer Teil fur ein Leben als Familienfrau entscheidet und eine größere Familie gründet, dann aber für diese Arbeit auch bezahlt wird. Solche Familienfrauen müßten aber über eine qualifizierte Ausbildung verfügen, da sie eine hohe Verantwortung für eine größere Zahl an schutzbedürftigen Personen tragen. Da die Familienfrauen ausschließlich mit reproduktiven Aufgaben beschäftigt wären, würde sich in ihrem Fall wieder die aus natürlichen Gründen überlegene sexuelle Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen herausbilden.
Bei der Nachwuchsarbeit handelt es sich um eine Kollektivaufgabe. An der Aufgabe hat sich jeder Bürger anteilsmäßig (direkt oder finanziell) zu beteiligen, weil es sonst zur Tragik der Allmende kommt.
Der Staat muß die Bevölkerungsentwicklung weitestgehend »planen » können. Aufgrund der weit ausgebauten sozialen Sicherungssysteme, zur Abwendung unkaIkulierbarer Risiken für die nächste Generation und aus ökologischen Gründen benötigen Regierungen in Zukunft Verfahren, mit denen sie die Bevölkerungsentwicklung - gegebenenfalls in Abstimmung mit anderen Regierungen - in engen Grenzen halten können.
Die Gleichstellung der Geschlechter verlangt die Gleichwertigkeit produktiver und reproduktiver Tätigkeiten. In historischen menschlichen Gesellschaften kamen den Männern in erster Linie die produktiven, Frauen die eher reproduktiven Aufgaben zu. Im Patriarchat »ernährte« der Mann mit seinem Einkommen Frau und Kinder, während die Frauen ihre reproduktiven Leistungen kostenfrei erbrachten. Eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter ist nur möglich, wenn es gelingt, reproduktive und produktive Aufgaben gleichzustellen.
Von einer modernen Familienpolitik wird also deutlich mehr verlangt als ein Krippenausbau oder weitere finanzielle Anreize für Kinder. Tatsächlich ist die gesamte gesellschaftliche Reproduktion neu zu konzipieren. Dabei wären auch weitere globale und ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.“ (Ebd., S. 105-108).

„Möchte man erreichen, daß auch für beruflich qualifizierte Frauen das Aufziehen von vielen eigenen Kindern wieder attraktiv wird, dann muß man ihnen gezielt Alternativen im reproduktiven Bereich anbieten, so wie das jedes Unternehmen in seinem reproduktiven Bereich ebenfalls tut. Dies dürfte dann die Professionalisierbarkeit von Erziehungsarbeit mit eigenen Kindern zur Folge haben.“ (Ebd., S. 108).

„Dazu müßte aber zunächst die Nachwuchsarbeit als gesellschaftliche Kollektivaufgabe verstanden werden, die prinzipiell von allen Bürgern anteilsmäßig in direkter oder indirekter Form zu erbringen ist. Grundlage dafür könnte die folgende Maxime sein:
Jedem steht es in unserer Gesellschaft frei, Kinder in die Welt zu setzen. Doch bitte beachten Sie: .... Ein unkontrollierter Bevölkerungszuwachs sollte ... unbedingt vermieden werden. Beschränken Sie sich nach Möglichkeit auf maximal zwei Kinder pro Paar. Der Staat wird Maßnahmen ergreifen und fördern, die für eine möglichst optimale Vereinbarkeit einer kleineren Familie mit bis zu zwei Kindern mit einem Beruf und für einen relativ fairen Familienlastenausgleich sorgen werden.
Allerdings ist die Gesellschaft auf eine insgesamt bestandserhaltende Reproduktion angewiesen. Wenn viele Menschen kinderlos bleiben, kann eine solche nicht gewährleistet werden. Deshalb ist es in unserer Gesellschaft zusätzlich Ihre Aufgabe, als Paar zwei Kinder aufzuziehen, als Einzelperson ein Kind. Damit leisten Sie Ihren Beitrag zu einer bestandserhaltenden gesellschaftlichen Reproduktion. Sie müssen das aber nicht selbst tun, sondern Sie können die Aufgabe zum Teil oder in Gänze anderen Fachleuten überlassen. Dafür müssen Sie dann aber regelmäßig einen bestimmten Betrag abführen, damit diese das auch in der entsprechenden Qualität für Sie tun können.
Im Klartext heißt das: Jeder Bürger müßte für ein Kind Unterhalt zahlen. Allerdings könnte er sich von dieser Verpflichtung durch das Aufziehen eines eigenen Kindes befreien.“ (Ebd., S. 108).

„Der eingenommene Unterhalt könnte wie folgt verwendet werden: Wenn viele Menschen kinderlos bleiben, kommen insgesamt zu wenige Kinder auf die Welt. Die Differenz zu einer bestandserhaltenden Geburtenrate könnte dann von staatlich beschäftigten »Familienmanagerinnen« abgedeckt werden, die in aller Regel größere Familien mit drei oder mehr Kindern gründen. Da die Familienarbeit dabei zum Vollzeitjob generiert, würden solche Familienfrauen (oder auch -männer) vom Staat bezahlt. Allerdings benötigten sie entsprechende Qualifikationen, da sie einen Beruf mit sehr hoher Verantwortung ausüben. Auch müßten sie sich regelmäßig fortbilden. Ergänzende Ausführungen dazu finden sich in meinen Büchern »Land ohne Kinder« (2006), »Die Familienmanagerin« (2006) und »Hurra, wir werden Unterschicht!« (2007).“ (Ebd., S. 109).

6.2) Fazit

„Das Prinzip der natürlichen Selektion ist ein Verfahren, mit der es der Natur gelingt, auf günstigen Erfahrungen aus der Vergangenheit aufzusetzen, ohne bei ihrem genetischen Lotterie-Spiel jedes Mal wieder bei Null anfangen zu müssen. Damit das möglichst gut gelingen kann, haben sich mit der Zeit auf evolutionäre Weise verschiedene unterstützende biologische Muster durchgesetzt, wobei insbesondere die geschlechtliche Fortpflanzung, die sie begleitende sexuelle Selektion und die sexuelle Arbeitsteilung zu nennen sind. Auf Basis dieser Mechanismen ist auch das menschliche Familiensystem entstanden, welches unter anderem die gleichzeitige »Optimierung von Familie und Beruf' (und nicht nur deren Vereinbarkeit) im Sinne des Selektionsprinzips zum Ziel hat.“ (Ebd., S. 109).

„Das vorliegende Buch konnte zeigen, daß die in unserer Gesellschaft angestrebte Angleichung der Geschlechter mit im Regelfall ähnlichen Lebensentwürfen und einer paritätischen Aufteilung von Familienarbeit im Widerspruch zu grundsätzlichen biologischen Gegebenheiten steht. Die Emanzipation der Frauen kann folglich nicht so umgesetzt werden, wie dies bislang geschehen ist. Wird an der bisherigen Strategie nichts geändert, dürften sich die betroffenen Gesellschaften restlos ruinieren. Zu den ersten Symptomen können ein schleichender gesellschaftlicher Intelligenzverlust und das Entstehen einer neuen Armut gezählt werden.“ (Ebd., S. 109).

„Die Ausführungen konnten deutlich machen, daß die gesellschaftliche Nachwuchsarbeit unter der Gleichberechtigung der Geschlechter vollständig neu zu konzipieren ist. Dabei wären in Zukunft allerdings auch noch weitere globale und ökologische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.“ (Ebd., S. 110).

„Auf Basis solcher Überlegungen wurde ein erster Vorschlag für eine Neuorganisation der gesellschaftlichen Reproduktion gemacht. Ich persönlich glaube nicht, daß man unter freiheitlich-demokratischen Rahmenbedingungen sehr viele Alternativen haben wird.“ (Ebd., S. 110).

„Ich bin davon überzeugt, daß die großen aktuellen sozialen Probleme in den entwickelten Ländern ganz entscheidend durch Organisationsmängel im reproduktiven Bereich verursacht werden.“ (Ebd., S. 110).

Zitate: Hubert Brune, 2007 (zuletzt aktualisiert: 2009).

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- Literaturverzeichnis -