Als
Kind las er ... die Märchen der Gebrüder Grimm und die Ilias des Homer.
Es war die Vielfalt, die ihn magisch anzog, das spirituelle Universum der Mythen
und Legenden - sein großes Lebensthema klang hier bereits an. Später
sollte er es bei der Lektüre von Charles Maurras wiederfinden, dem Theoretiker
der Monarchie, der gegen den modernen Egalitarismus die polytheistische Formenwelt
des griechischen Heidentums setzte. Und noch viel später, als jungem Mann,
begegnete es ihm bei Louis Rougier und Georges Dumézil, beides Gelehrte,
die auch in ihren Schriften die kulturelle Mannigfaltigkeit des antiken Paganismus
rühmten. Aber vor allem ist es Friedrich Nietzsche der sein Denken bis heute
prägt. Seit Alain de Benoist im Alter von 13 Jahren die Genealogie der
Moral des deutschen Phiilosophen gelesen hatte, begleitete ihn dessen Idee,
daß es das Christentum gewesen war, das den Egalitarismus über die
Welt gebracht hatte. (Ebd., Dezember 2008,
S. 19).Mit diesem geistigen Gepäck, das angesichts der gesellschaftlichen
Erschütterungen Kommentar und Bewältigungsstrategie zugleich
bedeutete, studierte Alain de Benoist ab 1960 Recht, Philosophie und Religionswissenschaften
an der Pariser Sorbonne. Als Student engagierte er sich auf der Seite der politischen
Rechten für Algérie française: in der ... Vereinigung
nationalistischer Studenten. Aber es war keine koloniale Attitüde, die ihn
dazu bewog, sondern jene Bauernmentalität, die seine Mutter in der Familie
wachhielt und die mahnt, daß Territorium nicht aufzugeben ist. Gepaart mit
Nietzsches Spott über den »flachen Utilitarismus« der modernen
Zeit erschien ihm de Gaulles Politik absurd, der für ein modernes Frankreich
Algerien in die Unabhängigelt entließ.
(Ebd., Dezember 2008, S. 19).Vor allem aber setzte Alain de Benoist
seine eigene Ideenarbeit fort. Inteliektuell gereift, erkannte er tiefere Zusammenhänge
und zog größere Analogien: Antichristliche Vorbehalte und europäische
Begeisterung fanden ihren Kontrapunkt in Georges Dumézils Überlegungen
zur trifunktionellen Ideologie der Indoeuropäer, ebenso bezog er Carl Schmitts
Theorie des Politischen darauf und entwickelte seine eigene Kritik des Liberalismus,
die weit über Schmitt hinaus geht. Mit den kulturrelativistischen Ansätzen
von Claude Levi-Strauss sowie den Theorien der Philosophischen Anthropologie
überwand er seine rassebiologische Argumentation und fand zum differentialistischen
Antirassismus - eine logische Konsequenz in seiner intellektuellen Entwicklung,
da ein solcher Standpunkt die Verschiedenheit nicht vereint, sondern von ihr ausgeht.
Überhaupt entwickelte er während der 1970er Jahre ein kohärentes
Weltbild - trotz seines Hanges zu enzyklopädioschen Synthesen .... Kommunismus,
Sozialimus, Liberalismus - all das, so Benoist, seien nur »Spielarten«
der »aktuellen Subversion«. Die gesamte Moderne begreift er als Verfallsepoche
- samt ihrem Ökonomismus und der Gleichgültigkeit gegenüber gewachsenen
Werten, samt ihrem universalen Anspruch, der schon totalitären Charakter
habe, und samt ihrer Wurzel: dem Christentum und seiner Idee von der Gleichheit
aller Menschen vor Gott. Es war eine philantike Doktrin, für die Alain
de Benoist warb, ein geistiges »Zurück-zu-den-Griechen« - in
ihrer polytheistischen Welt erknnte er eine Alternatlve für Gegenwart und
Zukunft. (Ebd., Dezember 2008, S. 21).Während
der 1980er Jahre formulierte er seine Kritik an den Menschenrechten, die auch
viele marxistische Intellektuelle im Munde führten: Als liberale Ideologie
mit universalem Anspruch legitimierten sie für ihn nur das ökonomische
System des Westens und seine weltweite Implementierung - und damit Zerstörung
der vesrchiedenen Kulturen. Für ihn waren sie moralische Phrase und politisches
Instrument, »die letzte Verwandlung des egalitären Diskurses«.
Im »Recht der Völker« sah Alain de Benoist dazu eine Alternative,
in jener Idee, die in den antikolonialen und nationalen Freiheitsbewegungen nach
dem Zweiten Weltkrieg entstand - der einstige Unterstützer von Algérie
française wandte sich so gegen neue Formen des Kolonialismus, ja gegen
Kolonialismus überhaupt. Aber auch Europa solle sich befreien von seinem
universalen, egalitären und liberalen Glaubenssätzen und von seinen
Vormündern beiderseits des Eisernen Vorhangs, um einen »Dritten
Weg« zu suchen, jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. Wie die einstigen
Kolonien solle es seine Identität wiederentdecken ....
(Ebd., Dezember 2008, S. 22).In der Reichsidee, einem rechten Topos
schlechthin, verwirklicht sich für ihn der multikulturelle Traum: durch pluralistische
Gesetzesformen in einer gesellschaftlichen Struktur, die verschiedene Kulturen
bestärkt und integriert, ohne sie auf eine Identität zu verpflichten
- das war ein Affront für die republikanischen Gralshüter juristischer
Egalität und für die traditionellen Nationalisten. Aber geanuso verwirte
er mit seinen Reflexionen zur Ökologie, auch das eine Debatte, die sonst
nur französische Linke führten. Der egalitäre Liberalismus, so
erklärte er ..., sei per se der Feind der Natur. Als säkularisierte
Form des Christentums vollziehe er dessen Auferstehungssymbolik: durch seine monetare
Vernunft und den Fortschrittsglauben - die eigentlichen Motoren der Marktgesellschaft.
Ein »negatives Wachstum« sei daher die einzige Chance, den Raubbau
an natürlichen Ressourcen zu beenden un deine Lebensweise, die wie in der
Antike die Wirtschaft in den Dienst des Menschen stelle. (Ebd., Dezember
2008, S. 22). Das Christentum und die Moderne - für den Benoist
sind deren ideelle Grundlagen ähnlich. Ihre Derivate, wie den Egalitarismus
oder die Unterscheidung zwischen links und rechts, gut und böse zugunsten
eines alternativen Bildes von Mensch und Gesellschaft intellektuell zu überwinden
- das ist bis heute sein Ziel. (Ebd., Dezember
2008, S. 22). |