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Andreas Vonderach

- „Die Sache mit den Genen“ -

(aus: Sarrazin lesen [Sonderheft])

 

„Die Sache mit den Genen“ (Andreas Vonderach)

„Das Skandalpotential von Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab liegt nicht zuletzt darin, daß er es wagt, auch biologisch zu argumentieren. Der allgemeine Tenor ist, daß er zu Recht auf ein lange unterschätztes Integrationsproblem hingewiesen habe, seine genetischen Argumente aber im günstigsten Fall eine persönliche Marotte, im schlimmsten Fall ein gefährlicher Unsinn seien. Fachleute wie die Begabungsforscher Heiner Rindermann und Detlef Rost haben dagegen bestätigt, daß Sarrazins Argumentation in Hinblick auf die Erblichkeit der Intelligenz keine sachlichen Fehler enthält. (Vgl. Heiner Rindermann / Detlef Rost, Was ist dran an sarrazins Thesen?, in: F.A.Z., 08.09.2010)

Die Erkenntnisse, die Thilo Sarrazin in seinem Buch ausspricht, sind wissenschaftlich nicht neu. Daß die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften der Menschen in starkem Maße von Genen beeinflußt werden, daß es unter ihnen große Unterschiede gibt und daß die unterschiedlich starke Fortpflanzung verschiedener Gruppen die genetische Zusammensetzung der Bevölkerung verändert, ist seit über hundert Jahren bekannt. Seit den ersten Zwillingsuntersuchungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts kann wissenschaftlich kein Zweifel daran bestehen, daß alle unsere persönlichen Charaktereigenschaften, insbesondere auch unsere individuelle Verstandesbegabung, zu einem erheblichen Teil durch unser genetisches Erbe bestimmt sind. Zwar schwanken die errechneten Werte für den IQ je nach der verwendeten Forschungsmethode immer etwas, doch liegen alle Ergebnisse konstant innerhalb eines Bereiches von 40 bis 80 Prozent der Variabilität des IQ innerhalb der Bevölkerung. Wenn besonders in den fünfziger bis siebziger Jahren unter Einfluß von Behaviorismus, Soziologie und Psychoanalyse der Eindruck entstand, alle »biologistischen« Theorien seien inzwischen widerlegt und die allgemeine Formbarkeit des Menschen wissenschaftlicher Konsens, dann beruhte das nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf ideologischen Moden und veränderten politischen Machtverhältnissen. Dabei waren die grundlegenden Fakten auch damals bekannt. Wer in die anthropologischen Handbücher aus dieser Zeitschaut, wird dort überall die hohen Heritabilitäten (das Maß für die Erblichkeit von Eigenschaften) aus den Zwillings- und Adoptionsstudien finden, ebenso wie die unterschiedliche Verteilung des IQ in den sozialen Schichten.

In der Biologie hat sich der Wind mittlerweile gedreht. Den Anfang machte in den siebziger Jahren die Soziobiologie, die zu einer Renaissance der Darwinschen Theorie führte und bewußt auch den Menschen einbezog. Den Durchbruch brachte aber erst die Entwicklung der molekulargenetischen Methoden in den neunziger Jahren. Seit es möglich ist, konkrete DNS-Abschnitte nicht nur mit bestimmten Krankheiten, sondern auch Verhaltenseigentümlichkeiten in Zusammenhang zu bringen, sind die Gene auch im öffentlichen Bewußtsein zu einer Realität geworden. Es gehört zu den Absurditäten der Situation, daß gleichzeitig zwei radikal kulturalistische Theorien, die konsequent alle biologischen Forschungsergebnisse ignorieren, der Konstruktivismus und die Gender-Forschung (**|**), erst jetzt den Gipfel ihres -Einflusses in den Gesellschaftswissenschaften erreicht haben. (Vgl. Volkmar Weiss, Die IQ-Falle - Intelligenz, Sozialstruktur und Politik, 2000).

Zu den Kernthesen von Sarrazins Buch gehört der Zusammenhang von Intelligenz und sozialer Schicht. Intelligenz ist das Merkmal, das die größte Vorhersagekraft für den schulischen und beruflichen Erfolg hat, größer auch als die soziale Herkunft. Da intelligenteren Menschen der soziale Aufstieg eher gelingt als weniger intelligenten, reichern sich die guten Begabungen und mit ihnen die ihnen zugrundeliegenden Gene in den oberen Schichten an. Zugleich dünnen sich die unteren Schichten genetisch an Begabungen immer mehr aus. Das ist eine unausweichliche Schlußfolgerung aus der genetischen Variabilität und der Tatsache, daß die Intelligenz der Menschen von den Genen beeinflußt wird. Es müssen gar nicht alle sozialen Aufsteiger überdurchschnittlich intelligent sein, eine mäßige Korrelation zwischen Begabung und sozialem Erfolg reicht schon aus, um diesen Prozeß in Gang zu setzen. Diese Tatsache ist der Wissenschaft seit langem unter dem Begriff der Sozialen Siebung bekannt. Ihre Konsequenzen sind ernüchternd: Ausgerechnet die Abschaffung der Klassenunterschiede, die Herstellung der Chancengleichheit für alle ist es, die zu immer größerer Ungleichheit führt! Sie schafft neue, viel tiefgreifendere, weil in den kognitiven Fähigkeiten begründete Klassenunterschiede. Untersuchungen zeigen, daß die soziale Schichtzugehörigkeit, gemessen an dem beruflichen Status, weniger auf der sozialen Herkunft und der schulischen Förderung als auf genetischen Voraussetzungen beruht. Eine norwegische Studie errechnete für den beruflichen Sozialstatus eine Heritabilität von 45 Prozent. (Vgl. Krostian Tambs / Jon Martin Sundet, Genetic and Environmental Contributions ..., 1989, S. 209-221).

In jeder Gesellschaft gibt es dumme, mittelmäßige und kluge Menschen, genauso wie es gesellige und eigenbrötlerische, ernste und lustige, ängstliche und mutige Menschen gibt. Die große Variabilität ist ein populationsgenetisches Grundphänomen. Sie ist die Voraussetzung dafür, daß durch sexuelle Neukombination immer neue Merkmalskombinationen möglich sind und daß die Population sich auf veränderte Umweltbedingungen einstellen kann. Zu den Konsequenzen der großen Variabilität gehört, daß es für jedes Merkmal, das eine Variabilität innerhalb einer Population aufweist, auch eine Variabilität zwischen den Populationen gibt. Denn an der Variabilität der Population setzen ja die verschiedenen populationsgenetischen Prozesse an. Es treten nicht überall und in der gleichen Häufigkeit dieselben Mutationen auf. Der Zufallsfaktor Gendrift, der bei der Entstehung jeder neuen Generation ebenso eine Rolle spielt wie bei der Bildung neuer Gruppen, ist immer wirksam. Ebenso wie die Selektion durch die natürliche und kulturelle Umwelt, die bestimmte Merkmalsträger bevorzugt, was deren Fortpflanzung begünstigt, und andere benachteiligt, was zu deren verminderter Fortpflanzung oder gar Eliminierung führt, nicht immer und überall die gleiche , ist. Wenn es etwas gibt, was die Evolution nicht herstellen kann, dann ist , das Gleichheit. Keine zwei Familien sind gleich, keine zwei Dorfbevölkerungen, keine regionalen und sozialen Gruppen und erst recht keine Völker und Rassen. Genetische Unterschiede gibt es immer. Die Frage kann nicht sein, ob es Unterschiede zwischen zwei Gruppen gibt, sondern nur, wie groß sie jeweils sind.

Seit dem Beginn der Menschheitsgeschichte gab es einen positiven Zusammenhang von Intelligenz, sozialem und ökonomischem Erfolg und dem Fortpflanzungserfolg. Bereits im Tierreich haben Alpha-Tiere, die ihre Konkurrenten im Wettkampf besiegen, bevorzugten Zugang zu den Weibchen und geben so ihre Gene überproportional an die nächste Generation weiter. Dieses Prinzip stellt sicher, daß sich nur die Gene der gesündesten und fähigsten Individuen replizieren. Den gleichen Zusammenhang gibt es auch in traditionellen menschlichen Gesellschaften. Untersuchungen zeigen, daß in Jäger-und-Sammler-Gesellschaften und in traditionellen bäuerlichen Gesellschaften der soziale und wirtschaftliche Erfolg stets an der Zahl der Nachkommen ablesbar war. Häuptlinge und Großbauern hatten mehr Kinder und Enkel als Kleinbauern und Knechte. In Europa war zum Beispiel bis vor zweihundert Jahren die Familiengründung noch an den Besitz einer Hofstelle oder eines eigenen Handwerksbetriebes gebunden. Die kognitiven Fähigkeiten, die für den sozialen und ökonomischen Erfolg erforderllich waren, wurden so selektiv begünstigt. Nur so war der kulturelle Fortschritt bis zur Hochkultur überhaupt erst möglich.

Seit dem 19. Jahrhundert hat sich dies geändert. Durch die Aufhebung der bisherigen Heiratshindernisse und den Rückgang der Kindersterblichchkeit nahm die Kinderzahl der unteren Schichten stark zu. Zugleich setzte wegen der Verstädterung, des relativen Wohlstands und der Sicherheit vor existentieller Bedrohung ein allgemeiner Rückgang der Geburten ein, der seinen Ausgang von den oberen Schichten nahm und bis heute anhält. Seitdem gibt es in den entwickelten europäischen Ländern eine negative Korrelation von sozialem und ökonomischem Erfolg und der Zahl der Kinder. Das bedeutet, daß sich die Korrelation von sozialem und ökonomischem Erfolg und der Zahl der Kinder umgekehrt hat.

Zugleich hat sich die soziale Selektion dadurch verschärft, daß die Klassengrenzen immer durchlässiger wurden. Intelligenten Menschen aus den unteren Schichten gelang nun der soziale Aufstieg, der ihnen jahrhundertelang weitgehend verwehrt war. In den oberen Schichten angelangt, glichen sie aber ihr Fortpflanzungsverhalten den dortigen Verhältnissen an. Da die Fähigkeiten, die den sozialen Aufstieg ermöglichen, zumindest in gewissem Maße genetisch begründet sind, heißt das nicht weniger, als daß in den europäischen Ländern nun schon seit sieben Generationen eine Selektion gegen die Intelligenz stattfindet. Darauf ist früh von Bevölkerungswissenschaftlern und Eugenikern hingewiesen worden. Die allgemeine Entwicklung schien diese jedoch zu widerlegen. Der wissenschaftliche Fortschritt nahm einen ungeahnten Aufschwung und auch der IQ erreichte spätestens seit der Nachkriegszeit mit jeder Schülergeneration höhere Werte, ein Phänomen, das nach seinem Entdecker der Flynn-Effekt genannt wird. Die Häme über den Kulturpessimismus der Eugeniker gehört seitdem zum Standardrepertoire vieler Bevölkerungswissenschaftler.

Allerdings mehren sich die Zeichen dafür, daß der Optimismus verfrüht war und der Flynn-Effekt an sein Ende gekommen ist. Seit etwa 30 Jahren ist die Zunahme des IQ in den meisten westlichen Ländern zum Stillstand gekommen, und in einigen Ländern geht der IQ sogar schon wieder zurück. (**|**). Wahrscheinlich ist, daß der schon vor Generationen eingesetzte Rückgang der Intelligenz auf genotypischer Ebene bis dahin durch die zunächst noch großen Begabungsreserven der unteren und mittleren Schichten, durch die bessere Ernährung und Lebensumstände, die anregungsreichere Umwelt und die Abnahme von Verwandtenheiraten überdeckt wurde. Erst jetzt, nachdem die Begabungsreserven der unteren Schichten verbraucht und die Möglichkeiten der Umweltverbesserung weitgehend ausgereizt sind, kommt die schon lange bestehende genetische Gegenauslese auch phänotypisch zum Tragen. Es gehört zur Tragik demographischer Prozesse, daß ihre Auswirkungen erst sichtbar werden, wenn an ihnen nur noch wenig zu ändern ist.

Zu diesem Prozeß, den Sarrazin als genetischen benennt und mit seinen Konsequenzen beschreibt, kommt noch die Einwanderung aus den unterentwickelten Ländern, insbesondere aus den islamischen Ländern hinzu. Sarrazin sieht die Hauptursache für die mangelnde Integrationsbereitschaft und -fähigkeit dieser Gruppen in ihrer Kultur begründet, insbesondere im Islam. Sicherlich zu Recht. Mit seinem totalen, den ganzen Menschen umfassenden Anspruch hat sich der Islam gegen jede Relativierung immunisiert. Sarrazin bringt das Beispiel der drei größten Einwanderergruppen in Großbritannien, den Schwarzen aus Westindien (Karibik) sowie Indern und Pakistani (S. 264). Von diesen Gruppen machen demnach nur die islamischen Pakistani größere Probleme, während sich die anderen, insbesondere auch die sich von den Pakistani ansonsten nur wenig unterscheidenden Inder, verhältnismäßig gut integrieren. Ob deren Integration wirklich so problemlos ist, sei dahingestellt. Dazu, ob die von ihm beschriebenen kognitiven und sozialen Defizite der türkischen und arabischen Einwanderer auch genetische Ursachen haben, finden sich bei Sarrazin widersprüchliche Aussagen und Andeutungen (S. 58, 173, 287, 293). Es ist klar, daß eine eindeutige Aussage in diesem Sinne eine halbwegs unvoreingenommene Rezeption seines Buches unmöglich gemacht hätte - auch wenn das starke Gewicht der genetischen Argumentation als solcher bereits eine Interpretation nahelegt, wie sie ja auch von vielen Kommentatoren unterstellt wurde.

Lange wurde die Möglichkeit von genetisch bedingten kognitiven Unterschieden zwischen den Rassen und Völkern geleugnet. Alle Hinweise in dieser Richtung wogen wenig gegenüber dem unbestreitbaren Diskriminierungspotential, das eine solche Feststellung bergen kann. Dabei haben sich die menschlichen Populationen im Zuge des »Zivilisationsprozesses« in den letzten 10 000 Jahren dramatisch verändert. Mit der zivilisatorischen Entwicklung wie zum Beispiel der Übernahme einer agrarischen und später hochkulturellen Lebensweise veränderte sich auch der morphologische Phänotyp, wurden die Menschen graziler, nahm die Schädelkapazität zu und verschwanden oder reduzierten sich archaische Merkmale wie zum Beispiel Überaugenwülste, große Wangenknochen oder große Zähne. Populationen, die bei der altsteinzeitlichen Lebensweise als Jäger und Sammler blieben, wie zum Beispiel die australischen Ureinwohner, behielten dagegen ihren archaischen körperlichen Habitus. Der Schädel eines heutigen Australiden, in Europa ausgegraben, würde aufgrund seiner Form in die jüngere Altsteinzeit vor mehr als 10000 Jahren datiert werden. Dennoch richtete man sich in der Vorstellung ein, der Mensch habe sich in den letzten 50000 Jahren nicht mehr wesentlich verändert. Die Evolution des Menschen sei beendet, und die kognitiven Fähigkeiten, die der Homo sapiens damals erreicht hatte, seien bis heute dieselben geblieben und bei allen Rassen gleich.

Die empirische Weltverteilung des IQ weist bekanntlich erhebliche Unterschiede auf. Der durchschnittliche IQ beträgt in Ostasien 105, in Europa 100, in Südostasien 90, in Nordafrika, dem Mittleren Osten, Südasien und Amerika (Indianer) 85, in Schwarzafrika 67 und ist am niedrigsten bei australischen Ureinwohnern (62) und afrikanischen Buschmännern (56). Das sind beträchtliche Unterschiede. Es bedeutet, daß es zwischen der Mehrzahl der Individuen der Gruppen mit dem höchsten IQ und der der Gruppen mit dem niedrigsten IQ praktisch keine Überschneidung hinsichtlich der bei Einzelpersonen gemessenen Intelligenz gibt. Diese Differenzierungen werden übrigens durch die methodisch ganz anders gearteten Ergebnisse der kulturvergleichenden Entwicklungspsychologie nach Jean Piaget bestätigt, die zeigen, daß die am weitesten entwickelte Stufe des kognitiven Verständnisses, die der formalen Operationen, die das Denken mit abstrakten Begriffen beinhaltet, in den Entwicklungsländern nur bei einem sehr kleinen Prozentsatz der Bevölkerung anzutreffen ist. (**). Allerdings läßt sich die Tatsache, daß Zwillings- und Adoptionsstudien einen hohen genetischen Anteil an der Entstehung von IQ-Unterschieden innerhalb von Bevölkerungen ermittelt haben, nicht so ohne weiteres auf die Unterschiede zwischen Bevölkerungen übertragen. Genaugenommen ist die Situation die, daß es gegenwärtig keine wissenschaftliche Methode gibt, mit der man den Anteil genetischer beziehungsweise umweltbedingter Ursachen an dem Entstehen von Bevölkerungsunterschieden hinsichtlich des IQ berechnen könnte.

Inzwischen mehren sich mit der Erforschung der DNS aber die Hinweise, daß die Gene eine wichtige Rolle für das Temperament und die Begabung eines Volkes spielen. Es gibt deutliche ethnische Unterschiede bei Genen, die für die Bildung von Neurotransmittern, Botenstoffe im Gehirn, eine Rolle spielen. So besteht ein Zusammenhang zwischen dem Dopamin-Rezeptor-Gen 4 (DRD4) und dem Bedürfnis nach Neuem (novelity seeking). Menschen mit einer bestimmten Variante dieses Gens bedürfen größerer Reize und einer abenteuerlicheren Lebensgestaltung, um dieselbe Befriedigung zu finden wie andere Menschen. Diese neugierig und abenteuerlustig machende Variante kommt bei 20 Prozent der Europäer vor, während sie bei Ostasiaten völlig fehlt. Ein anderes Neurotransmitter-Gen ist das Serotonin- Transporter-Gen (SERT). Bei einer Variante dieses Gens neigen die betroffenen Menschen in stärkerem Maße zu Depressionen, neurotischem Verhalten und Schadensvermeidung. Sie sind ängstlicher und leichter verletzbar. Die Weltverteilung dieser Genvariante zeigt einen deutlichen Zusammenhang mit der Zivilisationshöhe (vor Ausbreitung der Europäer). Sie ist bei Naturvölkern wie Pygmäen oder Schwarzafrikanern mit Werten um 20 Prozent relativ selten, kommt bei 40 bis 50 Prozent der Europäer vor und bei 70 Prozent der Ostasiaten. Die Verteilung des DRD4- und des SERT-Gens passen gut zu den von Daniel Freedman schon in den 1970er Jahren nachgewiesenen Verhaltensunterschieden zwischen den Neugeborenen europäischer, afrikanischer und asiatischer Herkunft. Sie zeigen auch eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den kulturellen Besonderheiten Europas und Ostasiens, dem Individualismus und stärkeren Aktivismus der Europäer und der ausgeprägten Sozialdisziplin der Asiaten.

Genetische Untersuchungen von John Hawks, Eric T. Wang, Henry Harpending und Gregory Cochran haben in den letzten Jahren im menschlichen Genom Belege dafür gefunden, daß sich die Selektion in den letzten 40000 Jahren und vor allem seit der letzten Eiszeit vor etwa 10000 Jahren sogar erheblich beschleunigt hat. Etwa 7 Prozent des menschlichen Genoms haben sich in dieser Zeit verändert. Es gibt weiterhin Hinweise darauf, daß die Veränderungen bei Europäern und Ostasiaten stärker waren als bei Afrikanern. Dabei sind vier Fünftel der evoluierten Gene rassenspezifisch, und nur ein Fünftel findet sich bei allen Menschen. Brisant im Hinblick auf mögliche kognitive Unterschiede ist, daß ein großer Teil der durch die Selektion veränderten Gene das Gehirn und das Nervensystem betrifft. So zum Beispiel das Mikrocephalin-Gen und das ASPM-Gen, die beide die Hirnentwicklung steuern. Beide zeigen eine deutliche geographische Korrelation mit der Gehirngröße und dem IQ. So findet sich zum Beispiel das progressive Mikrocephalin-Allel bei Negriden mit nur 22 Prozent erheblich seltener als bei Europäern und Ostasiaten, von denen es mehr als 80 Prozent aufweisen. Die Forschung ist im Fluß, und abschließende Aussagen sind noch nicht möglich.

Wenn es zutrifft, daß der geographischen Korrelation von IQ, Kulturhöhe, Gehirngröße und morphologisch progressivem Phänotyp ein genetischer Zusammenhang zugrunde liegt, bedeutet dies, daß auch der im Vergleich zu Europäern niedrigere IQ-Mittelwert (zwischen 80 und 90) der türkischen und arabischen Bevölkerungen nicht nur soziale und kulturelle Ursachen hat.

Es ist viel davon die Rede, daß türkische und arabische Einwanderer gleichsam aus dem Mittelalter zu uns kämen. Man verbindet damit die Vorstellung von archaischen Ehrbegriffen, Sippenethik, rigider Sexualmoral, Unterdrückung der Frau und sogenannten Ehrenmorden. Tatsächlich macht man sich aber keine Vorstellung davon, wie tiefgehend die kulturellen Unterschiede wirklich sind. Ein Bild davon vermitteln die Ergebnisse der kulturvergleichenden Untersuchungen in der Fortsetzung der Entwicklungspsychologie Jean Piagets, die der Aachener Soziologe Georg W. Oesterdiekhoff zusammengestellt hat. (Vgl. Georg W. Oesterdiekhoff, Zivilisation und Strukturgenese, 2000). **

So ist eine solche »mittelalterliche« Kultur zum Beispiel noch verbunden mit animistischen Vorstellungen. Eine Untersuchung von Dorfbewohnern in der ländlichen Westtürkei ergab, daß dort 55 Prozent der Befragten glauben, daß Sonne und Mond lebende Subjekte seien, 38 Prozent sprechen den Wolken Bewußtsein zu, und 11 Prozent glauben, daß ein zu Boden gefallener Stein Schmerzen empfindet (vgl. Karl Kälble, Die Entwickluung der Kausalität im Kulturvergleich, 1997, S. 284f.). Das schon erwähnte Stadium des formalen Denkens im Sinne Piagets wird in ländlichen Gegenden der Türkei und der arabischen Länder praktisch gar nicht erreicht. Dem entspricht, daß auch die oberen Stufen der Entwicklung des moralischen Urteils nach Lawrence Kohlberg nur selten anzutreffen sind. (Vgl. Lawrence Kohlberg / Elliot Turiel, Moralische Entwicklung und Moraledrziehung, in: Gerhard Portele [Hrsg.], Sozialisation und Moral, 1978, S. 13-80). Türkische Landbewohner verharren demnach zu 54 Prozent auf der sogenannten vorkonventionellen Stufe, in der das moralische Urteil an den eigenen Bedürfnissen und Strafe und Gehorsam ausgerichtet ist, 40 Prozent auf der konventionellen Stufe und nur 6 Prozent auf der postkonventionellen Stufe der Orientierung an allgemeingültigen ethischen Prinzipien (diese letzte, anspruchsvolle Stufe wird allerdings auch im Westen nur von etwa 34 Prozent der Menschen erreicht, hier herrscht die konventionelle Stufe der Orientierung an Recht und Ordnung, von Konformität und Loyalität vor). Die unteren Stufen der moralischen Entwicklung sind im allgemeinen mit Egozentrismus und mangelnder Fähigkeit zur Selbstkritik verbunden.

Die arabischen Völker - und in geringerem Maß auch die Türken - zeigen aber auch psychologische Besonderheiten, die andere auf einem vergleichbaren kognitiven Entwicklungsstand stehende Völker wie Schwarzafrikaner, Inder oder Südostasiaten nicht aufweisen. Übereinstimmend berichten europäische und kritische einheimische Beobachter, wie zum Beispiel der Iraker Ali Al-Wardi oder die US-Amerikanerin Sania Hamady, von impulsiver, wenig moderater Emotionalität und Affektausbrüchen, geringer Selbstkontrolle, leidenschaftlichem Egozentrismus, Neigung zu Gewalttätigkeit und Fanatismus. (Vgl. Ali Al-Wardy, Soziologie des Nomadentums, 1972; Sania Hamady, Temperament and Character of the Arabs, 1960). Dem steht eine offensichtlich erforderliche rigide Kontrolle durch die Gemeinschaft entgegen, die etwa sexuelle Verfehlungen mit härtesten Sanktionen belegt. Der Fanatismus der Araber wird in Berichten seit dem Mittelalter immer wieder genannt. Man macht es sich zu leicht, wenn man hier nur Vorurteile und Stereotype am Werk sehen will.

Es ist bezeichnend, daß die islamischen Völker, die nicht zu dem von Marokko bis Afghanistan reichenden anthropologischen Kontinuum ostmediterraner und orientalider Völker gehören, wie Schwarzafrikaner und Indonesier, vergleichsweise frei von solchen Erscheinungen der Aggressivität und des Fanatismus sind. Man muß damit rechnen, daß in patriarchalisch-kriegerischen Gesellschaften die entsprechend veranlagten Männer einen Fortpflanzungsvorteil besitzen. Über die Jahrtausende hinweg kann das auch bei einem nur geringen Fortpflanzungsvorteil zu einer Anreicherung entsprechender Erbanlagen im Genpool einer Population führen.

Der us-amerikanische Wissenschaftsjournalist Steven Pinker sah schon 2006 in der Erkenntnis der modernen Wissenschaft, daß Völker sich in ihrer Begabung und ihrem Temperament genetisch unterscheiden können, die »gefährlichste Idee der nächsten zehn Jahre«. Es wäre auf jeden Fall fahrlässig, bei dem derzeitigen Stand der Ferschung die Möglichkeit genetischer Unterschiede auch der Psyche und deren gesellschaftliche Folgen zu ignorieren. (Ebd., Oktober 2010, S. 24-29).

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