Lichtenberg
sagte einmal, daß die Fliege, die nicht erschlagen werden will, am sichersten
ist, wenn sie sich auf die Klappe setzt. Diese Strategie hat Thilo Sarrazin blendend
umgesetzt, und auch die Bild-Zeitung mit ihrem Riecher für Massentrends dachte
sich wohl, daß mehr Kohle mit ihm als gegen ihn einzufahren sein wird. Mit
Gegenwehr war natürlich zu rechnen. Aus allen Rohren werde nun auf Sarrazin
gefeuert, meinte gestern ein Bekannter zu mir. Ehrlich gesagt, dieser Meinung
bin ich nicht..Mich verwundert vielmehr, daß die vorhersehbare
Dresche bisher so lauwarm ausgefallen ist. Der Tenor ist eher ein kummerfaltiges
»Aber Thilo, du Grobian, wie kannste denn so garstig daherreden?«
Die ganze wehleidige Kindergarten- und Tantensprache der »bunten Republik«
darf sich also mal wieder austoben. Von Merkels Regierungssprecher hören
wir, Sarrazin habe Dinge gesagt, die, auweh zwick, »für viele Menschen
in diesem Land verletzend« sein könnten. Tja, die Wahrheit tut eben
weh!Auch Desintegrations-Tante Böhmer von der CDU, die uns
das unsterbliche, in alle Kissen des Reiches zu stickende Wort geschenkt hat:
»Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und
ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle!, und der eine
Ministerin Kramp-Karrenbauer (sic) bescheinigte, sie wäre, was auch immer
das heißen mag, »authentisch«, meint, Sarrazin sei ganz doll
»verletzend«, »diffamierend« und »verbreite Gerüchte«.Parteichef
Sigmar Gabriel findet Sarrazins Buch irgendwie »sprachlich gewalttätig«
und wundert sich milde »warum der noch bei uns Mitglied sein will«,
statt wie sonst in der BRD üblich einfach seinen Kopf zu fordern. Indessen
muß sich Gabriel schon von Zehntkläßlern darüber aufklären
lassen, daß sich »Einwandererkinder nicht integrieren«, worauf
er als Antwort nichts weiter parat hatte, als die bisserl allzu kritischen Schüler
routiniert auf den Beschämungstrip zu schicken (gelernt ist eben gelernt):Als
eine andere Schülerin sich beklagt, die Hauptschüler würden das
Leistungsniveau drücken, wirft Gabriel ihr ein »entsetzliches«
Menschenbild vor. Die Schüler blicken ein wenig verdutzt drein. Aber Gabriel
bleibt dabei. Solche Thesen hört er schon genug. Von Thilo Sarrazin zum Beispiel.Der
Spiegel kommentiert das übrigens mit der Überschrift »Gabriel
im Sozi-Märchenland«. Ha. Udo Wolf, Fraktions-Chef der Berliner Linkspartei
nannte die Sarrazin-Aussage »rechtspopulistisch« an der Grenze zur
»Volksverhetzung« Und Grünen-ApOpa Ströbele warf ein schlagendes
Argument für den Sarazenen in die Waagschale: »Das SPD-Mitglied Sarrazin
steht für das Gegenteil rot-grüner Politik!« Darauf kannste eine
Tüte rauchen, Hans-Christian.Aber irgendwas ist hier komisch, nicht?
Ist das schon alles? Was fehlt uns hier? Richtig, der
Föhrer, denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat bisher noch keiner
der maßgeblichen »scharfen Kritiker« (die noch kein einziges
sachliches Argument vorbringen konnten) den altbewährten Hitler-Nazi-Goebbels-Joker
ausgespielt. Mit Ausnahme natürlich des Zentralrats der Juden, der allerdings
auch nur einen eher mauen, eher obligatorisch wirkenden NPD-Vergleich anzubieten
hatte. Stephan Kramer hat nämlich leider schon beim ersten, im Rückblick
vergleichsweise moderat wirkenden Durchlauf der Sarrazin-Nummer sämtliches
rhetorisches Blei besinnungslos verballert und sich dabei ziemlich lächerlich
gemacht. Nun ist die Platte wohl zu abgespielt, um sie ein weiteres Mal aufzulegen.Was
ist also los? Warum so kleinlaut, Genossen? Ist die Keule
nun doch noch stumpf geworden? Oder kommt ihr euch langsam selbst
etwas blöde vor in der Dauerrolle als Godwins rote Knöpfe?
(Ebd., 26. August 2010, S. 19). |