Herbert
Spencer (1820-1903) ... faßte die Auslese als einen individuellen Kampf
ums Dasein auf, der - weil quasi naturrechtlich den Abläufen inhärent
- an und für sich nützlich und wünschenswert sei. Insbesondere
dürfe er nicht durch staatliches - etwa sozialpolitisches - Eingreifen behindert
werden.Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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Die weitreichende Rezeption solcher
Ideen wurde wohl auch dadurch gefördert, daß sie mit dem Puritanismus
kompatibel waren. Wegbereitend für diese Koexistenz wirkte hier - worauf
Max Weber (1864-1920) mit Nachdruck hinwies - im Grunde bereits die Prädestinationslehre
des schweizerischen Reformators Johannes Calvin. Calvins Auffassung von der göttlichen
Vorsehung unterschied sich scharf von der katholischen Lehre der Werkgerechtigkeit
und nahm ethische Grundprinzipien vorweg, wie sie charakteristisch werden sollten
für den englischen Puritanismus und den modernen Kapitalismus westlicher
Prägung. Das Schicksal eines Menschen galt Calvin als schon vor bzw. bei
seiner Geburt durch Gottes unerforschlichen Willen vorherbestimmt: entweder- ohne
Verdienst - als Gnadenwahl zur Seligkeit, oder - ohne Schuld - als Prädamnation
zur Verdammnis. Ihren irdischen Status quo verdankten die Menschen daher allein
Gottes freier Entscheidung.Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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Diese Lehre deckt sich mit Extrempositionen,
die sich Spencers Nachfolger zu eigen machen. sollten - beispielsweise wenn das
besitzlose Proletariat als ein Rückstandsprodukt der »natürlichen
Auslese« erscheint und das Zugrundegehen der Armen als ein Naturgesetz.
Insbesondere der us-amerikanische Sozialdarwinismus - wie ihn etwa William Graham
Sumner (1840-1910) an der Yale-Universität und William James (1842-1910) an der
Harvard-Universität propagierten - machte in letzter Konsequenz den gesellschaftlichen
Erfolg von Individuen oder den geschichtlichen Erfolg von Gruppen zum Kriterium
der Lebensbewährung und biologischen Wertigkeit, baute er doch auf folgende
Argumentationsstränge: (A) Struggle tor existence und survival
of the fittest sind ein Teil der Gesamtökonomie der Natur. Da die menschliche
Gesellschaft ihrerseits Teil der Natur ist, gelten auch für sie eben diese
Naturgesetze. (B) Die Menschen sind von Natur aus ungleich, weshalb die soziale
Stufenleiter diese Ungleichheit widerspiegelt. (C) Da der soziale Fortschritt
sich nach Naturgesetzen vollzieht, soll man ihn ungehindert vonstatten gehen lassen.
(D) Hieraus resultiert eine streng deterministische Auffassung der Gesellschaft.
Staatliche Interventionen sind in gewissem Sinne gegen die Religion, da das Walten
der Naturgesetze mit dem Willen Gottes zusammenfällt (vgl. Wilhelm E. Mühlmann,
Geschichte der Anthropologie, 1984, S. 110-115).Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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Auch dem Lebenswerk von Darwins Vetter
Francis Galton (1822-1911) liegen sozialdarwinistische Ideen zugrunde. Seine auf
das Zustandekommen von Hoch- und Höchstbegabungen ausgerichteten Familienstudien
überzeugten Galton davon, die Erblichkeit habe für schöpferische
Leistungen mehr Bedeutung als die Umwelt. Die Auffassung, nature dominiere
über nurture, machte Galton zum Begründer der Eugenik.Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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Der Darwinsismus wurde also in dem Moment
zum Steinbruch von Moral und Ideologie, als die Spenceristen und Sozialdarwinisten
aus dem survival of the fittest unbedenklich ein survival of the best
machten.Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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Der temporäre Verzicht auf direkte
eigene Reproduktion bei gleichzeitiger Unterstützung der Aufzucht genetisch
naher Verwandter ist mittlerweile von etlichen Tierarten bekannt - beispielsweise
bei einigen Vogelarten, wo die älteren Geschwister - anstelle selbst ein
Nest zu bauen - ihren Eltern bei der Aufzucht jüngerer Geschwister helfen.
Hamiltons Prinzip der kin selection ließ sich ebenfalls bei taxonomisch
so verschiedenen Gruppen wie Hautflüglern, Zwergmungos, Nacktmullen, Wildhunden
oder Krallenaffen nachweisen, bei denen sich einige Individuen unter Verzicht
auf direkte Reproduktion als »Helfer-am-Nest« betätigen.Volker
Sommer, Soziobiologie, in: Eckart Voland, Fortpflanzung, 1992, S.
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