Die Nahrungsmittelbestände auf unserem Globus reichen
bei weitem aus, um alle Menschen ernähren zu können. Es ist die Ungleichheit,
die den gegenteiligen Eindruck erweckt: Hunger bzw. Unterernährung in verschiedenen
Entwicklungs- bzw. Transformationsländern. Die Hauptprobleme bei der Versorgung
mit Nahrungsmitteln treten laut FAO (Organisation für Ernährung und
Landwirtschaft) insbesondere in Afrika südlich der Sahara und in Südasien
auf. Als wichtigste Ursachen nennt die FAO: Bevölkerungswachstum,
zu geringe Wirtschaftsentwicklung, Kriege, Bürgerkriege, zu starkes Ausmaß
der AIDS-Erkrankungen, massive politische, soziale und wirtschaftliche Mißstände. |
Laut
FAO nahm die globale Landwirtschaft auch in den letzten Jahren sowohl absolut
als auch relativ zu. Denn der Produktionsindex pro Kopf lag z.B. 2005 um 0,3 Punkte
höher als z.B. in den 1990er Jahren. Und der Anstieg der Preise für
landwirtschafliche Produkte hängt auch (auch!) mit dem Anstieg des Preises
für Rohöl
zusammen. Denn einerseits steigen dadurch ja die Kosten für Produktion, Verarbeitung
und Transport in der Landwirtschaft, und andererseits nimmt die Attraktivität
alternativer Energiequellen zu, so daß die landwirtschaftliche Nutzfläche
für Lebensmittel u.a. immer mehr Konkurrenz durch Biotreibstoffe
bekommt, was ebenfalls die Preise ansteigen läßt. Zwar waren die Preise
auf dem Weltmarkt für Nahrungs-, Genuß- und Futtermittel sowie agrarische
Industrierohstoffe aufgrund starker Produktionssteigerungen und vielfach von Überproduktion
in den 1990er Jahren und danach auch noch in der Zeit von 2000 bis 2002 zurückgegangen
und hatten teilweise sogar historische Tiefstände erreicht, doch ab 2002
setzte eine Trendwende mit Preissteigerungen ein ().
Der IFAD (Internationaler Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung) weist
darauf hin, daß die zunehmende Knappheit an Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln
nicht allein der Nachfrage nach Biotreibstoffen zugeschrieben werden kann, sondern
auch (auch!) deshalb entstanden ist, weil bekanntlich die Produktivität im
Agrarsektor kaum noch wächst.
Die
Tatsache, daß die Reserven an Nahrungsmitteln seit den 1970er Jahren im
Vergleich relativ gering sind, läßt sich durch die Tatsache begründen,
daß seitdem mehr Nahrungsmittel verbraucht als hergestellt werden. Preissteigerungen
aufgrund verstärkter Nachfrage betrafen besonders Getreide und Ölpflanzen,
weil diese zunehmend zur Gewinnung von Biodiesel, also als regenerative Energiequellen,
nachgefragt werden; weitere Gründe für die hohen Preise für Nahrungsmittel
waren Mißernten infolge von Naturkatastrophen und die stark zugenommene
Spekulation an den Warenbörsen. In über 30 Staaten hatten die steigenden
Preise zu einer nahrungsmittelkrise und in Haiti sogar zum Sturz der Regierung
geführt (April 2008). |
Die
moderne Landwirtschaft konte zwar die Produktion der Nahrungsmittel enorm steigern;
aber dieser Fortschritt ging mit hohen ökologischen und sozialen
Folgekosten einher. So sind die weltweite Bodendegradation und die Wasserknappheit
in großen Teilen Afrikas und Asiens auf die Landwirtschaft zurückzuführen.
Es ist davor zu warnen, die Landwirtschaft weiterhin auf Massenproduktion auszurichten;
es ist dafür zu plädieren, die Landwirtschaft multifunktional zu vereinen
mit dem Schutz von Wasser, Boden, Luft, Umwelt, Ökosysteme, Wäldern,
Arten und Leben überhaupt. Kleinbauern müssen viel stärker gefördert
werden und traditionelle Anbauweisen weiter gepflegt werden. Umweltschützer
müssen Konservative sein. Das gilt auch in der Landwirtschaftspolitik.
Früher wurden Kleinbauern viel stärker gefördert als heute, früher
wurden traditionelle Anbauweisen viel mehr gepflegt als heute. Heute ist der Fortschritt
mehr als je zuvor dabei, uns Menschen zu vernichten. Es sieht offenbar ganz so
aus, als sei die bisher großartigste Erfindung der Natur, das menschliche
Gehirn, nichts weiter als ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Experiment.Wie
schon gesagt: Hauptfaktoren der enormen Steigerungen der Preise für Nahrungsmittel
sind das zu schnelle Bevölkerungswachstum
(75 Mio. pro Jahr [Stand: 2008]), die zugenommenen Mißernten infolge von
Naturkatastrophen, die kleiner gewordenen Anbauflächen, die gestiegenen Preise
für Energie und Düngemittel u.ä., die gestiegene Kaufkraft in den
wirtschaftlich boomenden asiatischen Ländern (v.a. China und
Indien) mit der damit verbundenen stärkeren Nachfrage nach z.B. Fleisch-
und Milchprodukten, die stark gestiegene Spekulation an den Warenbörsen,
denn die Spekulanten treiben die Rohstoffpreise in die Höhe, weil die Rohstoffe
seit der weltweiten Finanz- und Bankenkrise eine sichere Anlagemöglichkeit
geworden sind. Das trifft nicht nur Rohöl und Gold, sondern zunehmend auch
Agrarprodukte, weil anstelle von Getreide, Futter- und Nahrungsmittel vermehrt
Energiepflanzen (z.B. Ölpalmen, Soja, Mais) zur Produktion von
Biotreibstoffen angebaut werden. 2008 wurden 5% der globalen Getreideproduktion
für Biosprit verwendet, und laut OECD und FAO wird sich die Produktion von
Biosprit von 2008 bis 2018 wahrscheinlich verdoppeln, damit zunehmend den Anbau
von Lebensmitteln verdrängen und für rund ein Drittel des Preisanstiegs
von Agraprodukten verantwortlich sein. Als aber im September 2008 in den USA die
Börsen zusammenbrachen (vgl. Börsen-Crash), begannen die
Preise schon zu sinken.Der Rückgang der Preise für Nahrungsmittel
auf den Weltmärkten hat sogar schon im Frühsommer 2008 eingesetzt, also
schon vor der Finanzkrise im September 2008. Denn weil die zu erzielenden Erzeugerpreise
so hoch waren, haben weltweit viele Landwirte mehr angebaut. Dieses größere
Angebot hat zweifellos zu dem Preisrückgang beigetragen. Die globale Weizenproduktion
stieg um zehn Prozent. Der gesunkene Ölpreis verringert zudem die Nachfrage
nach den aus Nahrungsmittel gewonnenen Biokraftstoffen, mit der Folge, daß
noch mehr Getreide auf den Markt kommt und die Preise noch weiter nachgeben. Joachim
von Braun bleibt jedoch skeptisch, denn der Preisverfall mag den Millionen vom
Hunger bedrohten Menschen in der Welt zwar eine kurzfristig Erleichterung bringen;
aber durch die Finanzkrise wird Kapital für Agrarinvestitionen und
für Ernährungsprogramme jetzt noch knapper. Das droht die nachhaltige
Überwindung der Welternährungskrise zu verhindern. (Joachim von
Braun). Einbrechende Getreidepreise gekoppelt mit weltweiter Finanzkrise und daraus
resultierender Verknappung von Investitionen in die Landwirtschaft könnten
dazu führen, daß wieder weniger Getreide angebaut wird. Eine negative
Auswirkung der Finanzkrise auf die weltweite Nahrungsmittelproduktion zeigte sich
schon bald danach an den sich füllenden Getreidelagern, z.B. in den USA und
anderen Staaten. Denn wegen der verschärften Kriterien für die Kreditvergabe
sind viele große Abnehmer nicht so flüssig. Selbst Landwirtschaftsexperten
in der vordersten Reihe fällt es schwer, angesichts der vielfältigen
Faktoren den Überblick zu behalten. Ich versuche zu verstehen, wie
es kommt, daß ich hier oben in Kanada Getreide anbaue und Schweine mäste,
mit fallenden Erzeugerpreisen kämpfen muß und meine Abnehmer Kreditprobleme
haben - und das alles nur, weil Hauskredite in Florida oder Kalifornien geplatzt
sind und so eine internationale Finanzkrise ausgelöst worden ist, beschwerte
sich Rolf Penner, der in Manitoba einen 770-Hektar-Großbetrieb führt.
Landwirtschaftliche
Betriebe in Deutschland | Betriebsgröße
in ha | Anzahl in 1000 | Veränderung
2005 - 2007 | Anzahl in % | Fläche
in Mio. ha | Anteil
an der Gesamtfläche in % | | 2-9,9 | | -8,3 | | | | 10-19,9 | | -5,9 | | | | 20-29,9 | | -8,1 | | | | 30-49,9 | | -6,2 | | | | 50-99,9 | | -1,8 | | | | 100
und mehr | | 5,6 | | | |
| Summe | | -5,4 | | | | | Quelle:
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
2008 |
In Deutschland ging die Bedeutung der Landwirtschaft
als Mittel des Lebensunterhalts auf dem Land weiter zurück. Nach dem Erwerbscharakter
zählten 2007 in Deutschland nur noch die Betriebe mit 76,4% der Fläche,
nämlich 44,6% aller Betriebe, zu den Haupterwerbsbetrieben, dagegen die Betriebe
mit 23,6% der Fläche, nämlich 54,4% aller Betriebe, zu den Nebenerwerbsbetrieben.
Außerlandwirtschaftliche Einkommen machen bei den Nebenerwerbsbetrieben
bereits mehr als 50% des Gesamteinkommens des Haushalts aus.
Beschäftigungsstruktur (Bs) und Wertschöpfung (Ws) in den 3
Wirtschaftssektoren (Stand: 2007) |
Staaten (Beispiele) | I)
Primärer Wirtschaftssektor (Land- und Forstwirtschaft,
Fischerei) | II)
Sekundärer Wirtschaftssektor (Produzierendes Gewerbe, Industrie) | III)
Tertiärer Wirtschaftssektor (Handel, Verkehr, Dienstleistungen) | USA | 1,2
% (Bs) bzw. 1 % (Ws) | 22,8
% (Bs) bzw. 21 % (Ws) | 76,0
% (Bs) bzw. 77 % (Ws) |
Deutschland * | 1,0
% (Bs) bzw. 1 % (Ws) | 30,0
% (Bs) bzw. 30 % (Ws) |
69,1 %*
(Bs) bzw. 69 %*
(Ws) | Aus
Primär-Sekundär-Tertiär ist Tertiär-Sekundär-Primär
geworden! Aus I > II > III ist III > II > I geworden ! | China | 11,7
% (Bs) bzw. 12 % (Ws) | 48,4
% (Bs) bzw. 48 % (Ws) | 39,9
% (Bs) bzw. 40 % (Ws) | Aus
Primär-Sekundär-Tertiär ist Sekundär-Tertiär-Primär
geworden! Aus I > II > III ist II > III > I geworden ! | Tansania | 81,3
%*
(Bs) bzw. 45 % (Ws) | 8,5
%*
(Bs) bzw. 17 % (Ws) | 10,2
%*
(Bs) bzw. 37 % (Ws) | Aus
Primär-Sekundär-Tertiär ist Primär-Tertiär-Sekundär
geworden! Aus I > II > III ist I > III > II geworden! |
Quellen:
UN, OECD, World Development Indication, Fischer Weltalmanach; vgl. Peter Mersch,
a.a.O., 2007, S. 128 |
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