 | | Allah gegen Mickymaus Vom
Ende der Spaßgesellschaft: Die These vom Kampf der Kulturen droht sich zu
bewahrheiten (von Werner Olles)
Im Sommer 1993 veröffentlichte der
Politikwissenschaftler und Harvard-Professor Samuel Huntington in der renommierten
und einflußreichen Zeitschrift Foreign Affairs einen Aufsatz mit dem polarisierenden
Titel The Clash of Civilisations?. Huntington stellte hier erstmals
seine provozierende These über den im 21. Jahrhundert unvermeidlichen Zusammenprall
der Zivilisationen und Kulturen auf. Dieses neue Zivilisationsparadigma beruht
wesentlich auf der nicht unbegründeten Annahme einer Zweitklassigkeit
des Westens, die er als ein deutliches Zeichen des Niedergangs
versteht. Obwohl die Kritik der Politiker und Intellektuellen an Huntingtons
Ausführungen überwog, erhielt er durchaus auch Zustimmung. Im Dezember
1993 schob er in Foreign Affairs den Essay If not civilisations, what? Paradigms
of the post-cold war world nach, in dem er die Problematik der westlichen
Ideen der Menschenrechte, des Liberalismus und Individualismus, der Gleichheit
und Demokratie, der Freiheit des Handels und der Trennung von Kirche und Staat
im Bereich der internationalen Politik den vormodernen nicht-westlichen Kulturen
mit ihren archaischen Gemeinschaftsmodellen gegenüberstellt. Zwei Jahre später
sprang ihm Bassam Tibi mit seinem Buch Krieg der Zivilisationen. Politik
und Religion zwischen Vernunft und Irrationalismus (Hamburg 1995) zur Seite.
Tibi definierte den Clash of Civilisations als Ausweg aus der
analytischen Sackgasse, in die sich die multikulturellen Gesellschaften
des Westens sicherheits- und geopolitisch hineinmanövriert haben. Bereits
1990 hatte jedoch Bernard Lewis in der Zeitschrift The Atlantic Monthly in seinem
Text The roots of Muslim Rage die Thematik eines Kampfes der Kulturen
angesprochen. Auf ihn bezog sich Huntington, als er sein kulturgeographisches
und geschichtszyklisches Zivilisationsmodell von einem ursprünglich 25seitigen
Essay zu einem 580seitigen Buch mit dem Titel Der Kampf der Kulturen. Die
Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert (München, Wien 1996)
anwachsen ließ. Nach Francis Fukuyamas Buchstrom über Das Ende
der Geschichte (München 1992) füllte nun dessen ehemaliger Lehrer
das Vakuum in der Theoriebildung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wieder mit
geopolitischem Realismus auf. Ähnlich wie Zbigniew Brzezenski und Henry Kissinger
setzt Huntington auf die Ideologie der Einheit der westlichen Kultur, auf die
Raumgebundenheit von politiko-kulturellem Handeln und auf die Vorstellung der
Gemeinsamkeit von Geopolitik und Geokultur. Damit ist er recht nahe bei
Oswald Spengler, einem der Urväter der Konservativen Revolution, dessen Kulturmorphologie
und Kulturbiologie und dessen Dekadenzthese er voll und ganz teilt. Wie Spengler
beklagt auch Huntington den Verfall, die Schwäche, Kraftlosigkeit, Entartung
und das Greisentum unseres dekadenten Zeitalters. Anders als Spengler, dessen
Kulturbegriff sich explizit gegen das anglo-amerikanische Zivilisationsverständnis
richtete, sieht Huntington die Erschöpfung und das Verblassen des Westens,
der zur Selbstverteidigung nicht mehr in der Lage und weit offen für
barbarische Eindringlinge, die aus anderen, jüngeren, kraftvolleren Zivilisationen
kommen ist. Mit argumentativem Furor beschreibt er die Gefahr, die im Sinne
des Clash of Civilisations von kulturell andersartigen Nachbarvölkern,
vom Aufstieg der chinesischen Macht und der Dynamik des Islam
ausgeht, und stellt diesen stabilen Glaubenssystemen mit ihrem Stammesdenken und
ihrer tiefen Religiosität den Verfalls- und Fäulnisprozeß des
Abendlandes gegenüber. In diesem Kampf zwischen Dschihad und McWorld
verschmelzen Kultur und Macht; der Weltbürgerkrieg der Kulturen wird zum
Schicksalskampf um die Weltherrschaft. In den martialischen Kampfverbänden
der muslimischen Fanatiker offenbart Allah seine Rache am eindringlichsten und
fühlbarsten. Huntington konstatiert für Westeuropa eine Islamisierung
mit anschließender Afrikanisierung, wenn es nicht gelingt, Dämme
zu bauen gegen die Flut der ungebetenen Einwanderer und identitätspolitisch
die Idee des christlichen Abendlandes als Kulturmacht und Abgrenzungskriterium
gegen die islamische Zivilisation wiederzubeleben. Die ethnischen Minderheiten
in den USA und Westeuropa fungieren hier als eine Art fünfte Kolonne
nichtwestlicher Zivilisationen, als deren nützliche Idioten die
Multikulturalisten dienen, denen folglich der Kampf an der Heimatfront zu gelten
hat. In Huntingtons Fußstapfen treten neben Bassam Tibi auch Botho
Strauß mit seinem Anschwellenden Bocksgesang und Hans Magnus
Enzensberger mit seinen im gleichen Jahr wie Clash of Civilisations
erschienenen Aussichten auf den Bürgerkrieg, um die hiesige entpolitisierte
Spaßgesellschaft - die nach den barbarischen Terroranschlägen in New
York und Washington zu allem Überfluß in der schlechten Tradition deutscher
Schuld- und Gesinnungskultur und deutscher Romantik auch noch die Innerlichkeit
des Gemüts entdeckt - aus ihrer politischen Apathie und ihrem unschuldigen
Dornröschenschlaf zu wecken. Man braucht jedoch kein Politikexperte zu sein,
um zu spüren, daß die herrschende politische Klasse nichts davon begriffen
hat, was sich in den Köpfen der Heiligen Krieger abspielt. Die
überzeugendste Repräsentanz dieser Disneyworld-Mentalität stellt
hierzulande die grüne Regierungspartei dar, deren führende Chargen inzwischen
offenbar die völlige geistige Umnachtung ereilt hat. Wie anders ließe
sich erklären, daß die Parteispitze angesichts der bekannt geworden en
Verstrickungen in Deutschland ansässiger arabischer Terroristen in die Anschläge
jetzt energisch für eine erleichterte und verstärkte Einwanderung fremder
Ethnien plädiert. In dem islamistischen Ideologiegemisch aus Dschihad-Kultur,
terroristischer Katharsis und irrationaler Religiosität, aus Blut, Glaube
und Überzeugung, das von den Europäern und Amerikanern schon deshalb
nicht verstanden wird, weil uns derartige Eigenarten des Patriarchalischen, Autoritären
und Natavistischen völlig fremd geworden sind, liegt jedoch auch der Schlüssel
zum Verständnis eines Triumphalismus, der verächtlich auf die Dekadenz
der westlichen Kultur in diesem nihilistischen Jahrhundert, das vom Geistigen
so tief abgekommen ist wie nie zuvor, herabblickt. So beurteilte beispielsweise
der Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann die Anschläge als Angriff
auf das marktwirtschaftliche und finanzwirtschaftliche System der freien Welt,
und in Mainz wurde bei der Interkulturellen Woche eine Diskussion zum Thema Ist
der Islam eine Alternative für den Westen? Probleme der multikulturellen
Gesellschaft mit der Begründung abgesagt, angesichts der Terroranschläge
könne dies jetzt nicht mehr in der ursprünglich beabsichtigten Weise
erörtert werden. Es ist dieser Materialismus, es ist diese Feigheit,
es sind diese öffentlich erwünschten Denkverbote einer unseligen political
correctness und der laszive Umgang mit der Wahrheit, die die Unfähigkeit
des Westens ausmachen, im Schatten der amerikanischen Ereignisse einen - bei aller
notwendigen Distanz und Härte - rationalen Maßstab im Umgang mit der
islamischen Welt zu finden.
Junge
Freiheit vom 21. September 2001 | |  |