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Eine Art
Schadensbilanz. Zerstörer der geistigen Freiheit: Jürgen Habermas erhält
den NRW-Staatspreis (von Thorsten Hinz) Am 7. November wird
Jürgen Habermas aus den Händen von Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers (CDU) den Staatspreis von Nordrhein-Westfalen erhalten. Zur Begründung
sagte Rüttgers, die Einlassung Habermas', »Naturwissenschaft und Technik
seien keine höhere Wahrheit als weltanschauliche oder religiöse Auffassungen,
ist für das Selbstverständnis unseres Landes von unschätzbarem
Wert». Hehre Worte! Doch haben im vergangenen Jahr zigtausende junger Leute,
und zwar durchweg intelligente, fleißige, leistungsfähige, vor diesem
Selbstverständnis und der Art, in der es sich entäußert, Reißaus
genommen. Ort des Geschehens wird der Petersberg bei Bonn sein, wo Adenauer
von den Hohen Kommissaren den Auftrag zur Gründung des Weststaates erhielt,
um anschließend zu einem Parforceritt zur Wiederherstellung der deutschen
Souveränität anzusetzen. Vom Reiter über den Bodensee unterschied
er sich freilich dadurch, »daß er nicht ganz ans Ufer gelangt ist«
(Caspar von Schrenck-Notzing). Habermas, der sich als gelungenes Produkt
der »Re-Education« bezeichnet, hat dieses Defizit ins Positive gewendet
und eine Staatsphilosophie daraus gemacht. Der Habermas-trunkene Rüttgers
würde demzufolge fragen: Welches Ufer denn? In dem Moment, da Adenauers inferiore
Erben so wenig weiter wissen wie ihre intellektuellen Kritiker von einst, fallen
beide sich in die Arme, frei nach der Gauner-Oper von Brecht: Und so schlüpft
zum schlechten Ende / alles unter einen Hut ... Nach Habermas hat die BRD
sich ausschließlich als liberaler Verfassungsstaat zu verstehen, der sich
nicht aus »den vorpolitisch-sittlichen Überzeugungen religiöser
und nationaler Gemeinschaften«, sondern aus den »kognitiven Beständen
eines von religiösen und metaphysischen Überlieferungen unabhängigen
Argumentationshaushalts« speist. Als Republik ohne nationale Exklusivität
also, denn mit der »Singularität« des Dritten Reiches hätten
die Deutschen das Recht auf »eine konventionelle Form ihrer nationalen Identität«
verwirkt. Die BRD versteht er als institutionalisierten Dauerdiskurs über
»universalistische Verfassungsprinzipien». Unter dem Eindruck
seiner erwiesenen Lebensfremdheit will Habermas den »Verfassungspatriotismus«
inzwischen nicht mehr »abstrakt« verstanden wissen, sondern aus dem
»geschichtlichen Kontext« eines Landes erfassen. Die Deutschen dürfen
deswegen jedoch nicht auf Erleichterung hoffen, denn weil dieser Kontext durch
den Nationalsozialismus definiert bleibt, verstärkt das sogar noch ihre Pflicht
zur universalistischen Vorleistung. Millionen armer Teufel haben sich das nicht
zweimal sagen lassen! Der Anprall des 11. September 2001 war ihm Anlaß
zu versuchen, die anhaltende Wirkungsmacht der Religionen in sein System zu integrieren.
Den zweiten Anstoß dazu erhielt er durch die Gen-Forschung. Die hybride
Selbstermächtigung des Menschen, der sich anschickt, die »Differenz
zwischen Schöpfer und Geschöpf« aufzuheben, stieß ihn auf
die Frage, ob die diskursive Vernunft nicht doch eine religiöse Rückbindung
benötige. Falls Herr Rüttgers eine metaphysische Wende erblickte, an
der er sein christdemokratisch-patriotisches Herzchen wärmen kann, hätte
er sich gründlich getäuscht. Habermas gleicht einem virtuosen mittelalterlichen
Geozentriker, der die Erkenntnisse über die planetarischen Umlaufbahnen,
die auf ihn hereinstürzen, durch immer kompliziertere mathematische Kombinationen
mit seinem schiefen Weltbild in Übereinstimmung zu bringen sucht. Für
Habermas besitzt die Rede über das Dritte Reich bekanntlich selber eine religiöse
Dimension. Und wenn er neuerdings sagt, der liberale Verfassungsstaat dürfe
nicht »den gläubigen Mitbürgern das Recht bestreiten, in religiöser
Sprache Beiträge zu öffentlichen Diskussionen zu machen«, er müsse
sogar »relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich
zugängliche Sprache (...) übersetzen«, beschreibt er zunächst
eine Banalität. Schließlich beruft das Grundgesetz sich in der Präambel
auf Gott, und zwischen den staatlichen Institutionen und den christlichen Kirchen
gibt es diesbezüglich keine entscheidenden Konflikte. In dem Habermasschen
System aber, in dem das wiedervereinigte Deutschland weiterhin kein Recht auf
»konventionelle Identität« besitzt, klingt das als Einladung
an die Muslime, ihre Forderungen an den deutschen Staat deutlich zu formulieren,
ja seine kulturelle und lebensweltliche Transforma-tion zu betreiben. Hintergrund
aller Reden und öffentlichen Einsprüche von Habermas ist seine Theorie
des kommunikativen Handelns. In seinem Modell der kommunikativen Rationalität
werden die Geltungsansprüche argumentativ vorgetragen, ausgetauscht, bewertet,
um schließlich zu einem rational motivierten, allgemein akzeptierten Einverständnis
zu gelangen. Der einzige Zwang, der existieren darf, ist der des besseren Arguments,
was eine ideale Sprechsituation (die Abwesenheit von Druck, Angst, Zensur u.s.w.)
erfordert. Der Wert des erreichten Konsenses bemißt sich daran, wie weit
die Umstände der Diskussion sich diesen idealen Voraussetzungen angenähert
haben. Sogar nach seinen eigenen Maßstäben hinterläßt
Habermas also eine einzigartige Schadensbilanz. Ernst Nolte konstatierte im »Historikerstreit«
1986/87, »daß derselbe Mann, welcher in der Theorie ein Vorkämpfer
der 'herrschaftsfreien' Diskussion ist, in der Praxis die formellen und informellen
Machtpositionen, welche er in Gremien und Verlagen innehat, mit Energie und Geschick
zu benutzen weiß, um ein Zensoramt besonderer Art auszuüben».
Schlimmer noch. Sein Zensoramt hat er genutzt, um in der Gesellschaft die hinreichend
bekannten didaktischen Tabus zu installieren, die sich von kulturellen Tabus dadurch
unterscheiden, daß sie nicht freiwillig und spontan eingehalten werden,
sondern ihnen das Odium der Gewalt anhaftet. Daher ist Habermas einer der folgenreichsten
Zerstörer sowohl der geistigen Freiheit als auch des Politischen und ein
politischer Abenteurer obendrein! Denn das Funktionieren seines auf Konsens
ausgerichteten kommunikativen Modells beruht selber auf konsensualen Grundlagen,
nämlich auf dem Gleichklang der »Hintergrundüberzeugungen«
der Diskurs-Teilnehmer. Die Erfahrungen - aktuell die Morddrohungen gegen eine
grüne Bundestagsabgeordnete, die zum Ablegen des Kopftuchs aufgerufen hat
- zeigt aber, daß dieser rationale »Common sense« ohne gemeinsame
vorpolitisch-sittliche Überzeugungen gar nicht zu haben ist. Das Habermas-Modell
fällt vor unseren Augen in sich zusammen und vielleicht auch der Staat, der
sich nach seinem Bilde verformt hat. Den Schritt ins Freie kann Habermas, der
Propagandist eines lebensgefährlich defizitären Politikbegriffs, logischerweise
genausowenig weisen wie die Politiker, die sich ratlos an seine Rockschöße
klammern. Foto: Jürgen Habermas: Sein »Zensoramt« (Ernst
Nolte) hat er genutzt, um in der Gesellschaft die hinreichend bekannten didaktischen
Tabus zu installieren, die sich von kulturellen Tabus dadurch unterscheiden, daß
sie nicht freiwillig und spontan eingehalten werden, sondern ihnen das Odium der
Gewalt anhaftet. Unser Bild zeigt Jürgen Habermas am 14. Oktober 2001 bei
einer Rede in der Frankfurter Paulskirche, nachdem ihm der mit 25.000 Euro dotierte
Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen worden war. Der jetzige NRW-Staatspreis
ist ebenfalls mit 25.000 Euro dotiert. Dazwischen erhielt Habermas den mit 50.000
Euro ausgestatteten Prinz-von-Asturien-Preis sowie den mit umgerechnet etwa 364.000
Euro dotierten Kyoto-Preis. Junge Freiheit vom 3. November 2006 | |  |