 | | Original oder Fälschung Wie
der Verfassungsschutz das Profil der NPD mitbestimmt (von Klaus Kunze)
Vom
Vater hab ich die Statur, reimte einst Goethe, vom Mütterchen
die Frohnatur. Die äußere Statur der West-Altpartei NPD wird
heute von jugendlichen Demonstranten im Osten bestimmt, doch ihre geistige Elternschaft
ist höchst zweifelhaft. Ist sie ein illegitimes Kind des Verfassungsschutzes?
Sitzen Ziehväter und Einflüsterer der Parteiparolen - oder muß
man geistige Brandstifter sagen - in Amtsstuben? So mag ihr Parteivolk frei nach
Goethe rätseln - Was ist denn an dem ganzen Wicht original zu nennen? Daß
nicht nur deutsche Behörden Informanten in der NPD haben, ist banal und seit
Jahrzehnten bekannt. Es wirft auch weder Rechts- noch politische Probleme auf,
wenn sich der VS aus verdeckten Quellen informiert. Die geheimdienstlichen Aktionen
haben aber offenbar eine andere Qualität angenommen. Solange nur der eine
oder andere kleine Parteiindianer spitzelte, veränderte er weder die Statur
noch die ideologische Natur der NPD. Was aber, wenn sich ein Häuptling nach
dem anderen als Agent des VS entpuppt? Die Legitimität des Verbotsverfahrens
erhielte einen irreparablen Schlag, sollten Behörden nur umwerfen, was sie
zuvor selbst maßgeblich aufgebaut oder mitgesteuert haben. Wenn der Staat
reihenweise Leute in die Führungsspitze einer Opposition schleust, arbeiten
sie im Zweifel nicht nur als Spitzel, sondern auch als Saboteure. Das wäre
ungesetzlich, und so war wehrhafte Demokratie nicht gedacht. Selbst
die formale Legalität des Verbots ist zweifelhaft, wenn die Reihen der Parteivertreter
von V-Leuten durchsetzt sind. Wie in jedem Gerichtsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht
ein faires Verfahren zu gewährleisten, in dem beide Seiten zu Wort kommen.
Falls auf der staatlichen, quasi der Klägerseite, Verfassungsschützer
darlegen, was die NPD für staatsfeindliche Thesen vertritt, und wenn auf
der Beklagtenseite Parteivertreter, in Wahrheit aber V-Leute, eifrig
nicken und noch eins draufsetzen, ist das Verfahren eine Farce. Genau dieser Eindruck
drängt sich umso stärker auf, je mehr scheinbare NPD-Vertreter sich
als Zuarbeiter des VS entpuppen: Wurde die Partei von ihren eigenen Häuptlingen
in einen Hinterhalt gelockt und absichtlich ins verfassungswidrige Abseits gelenkt? Wer
repräsentiert eigentlich die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht, wenn sich
rechts und links von den Schranken des Gerichts Mit- und Zuarbeiter des VS die
Bälle zuspielen? Was ist noch echt an ihr, oder führt sie eine virtuelle
Scheinexistenz, genährt aus Filmkonserven finster blickender, glatzköpfiger,
stiernackiger Demonstranten? Will man dieses Gaukelbild packen und eines echten
Verantwortlichen habhaft werden, dann löst sich die telegene Fratze des Neonazismus
leicht in Rauch auf, der aus den Schloten verschiedener Geheimdienste quillt. Was
da gelegentlich dumpf brüllend und demonstrierend über unsere Straßen
trottet, ist juristisch unschwer verbietbar. Ein guter Teil der Straßenaktivisten
ist gar nicht Mitglied der NPD, sondern setzt sich zusammen aus Skinheads, Altmitgliedern
schon verbotener Gruppen wie der FAP und freien Kameradschaften, die sich nicht
verbieten lassen, weil sie absichtlich jede Rechtsförmigkeit scheuen. Das
Verhalten der Anhänger genügt für ein Parteiverbot. Fröhlich
die ihnen - von wem? - in den Mund gelegten Parolen schmetternd sind sie eine
Augenweide für staatliche Verfolger: Keine verfassungsfeindliche Phrase,
kein historisches Fettnäpfchen, kein verdächtiges Symbol wird da ausgelassen.
So, ja so möchte man sie haben: so radikal und so böse und so offen
system- und verfassungsfeindlich, daß es eine Lust sein muß, sie verbieten
zu lassen. Im Bundesverfassungsgericht sitzen zwar parteipolitisch handverlesene
Richter, denen nichts ferner liegt als Sympathie für Rechtsextremisten. Doch
jeder von ihnen hat einen Ruf zu verlieren und wird sich zu schade sein für
ein Possenspiel, in dem beide Rollen, die des Räubers und die des Gendarmen,
von Schauspielern derselben VS-Truppe gespielt werden. Das Gericht wird alles
daransetzen, keine Beweismittel zu verwerten, die von bezahlten VS-Spitzeln
selbst produziert wurden, und es muß unbedingt sicherstellen, der NPD nicht
ausgerechnet durch den Mund von VS-Zuarbeitern rechtliches Gehör
zu geben.Wer wird noch irgend einem NPD-Oberen glauben, ausgerechnet er sei kein
Spitzel? Selbst wenn die Karlsruher Richter formal legal die NPD verböten:
Die Legitimität des staatlichen Verbotsaktes ist unwiderbringlich verloren.
Sie hing von der Glaubwürdigkeit der wehrhaften Demokratie ab, sich vor ihren
Feinden zu verteidigen. Wer aber nur den Wolf totschlägt, den er selbst gezüchtet
hat, macht sich ebenso lächerlich wie die Ideen, für die er angetreten
ist. Dem Verbot wird die Legendenbildung auf dem Fuße folgen: Die
Verschwörungstheorie von den geheimen Drahtziehern, an deren Strippen unsere
Politiker mit all ihren Schlapphüten gezogen werden, von der angeblichen
Scheindemokratie und ihren Nutznießern und der unversehrte Glaube an die
eigene, die gute rechte Sache. Denn alles Wirrköpfige - das wird als sicher
gelten - hatte von VS-Agenten gestammt. Wenn mit dem Verbot irgend eine Wirkung
hätte erzielt werden sollen: Schon jetzt ging dieser Schuß gründlich
nach hinten los.
Klaus Kunze ist Rechtsanwalt in Uslar. Junge
Freiheit vom 1. Februar 2002 | |  |