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Plädoyer für ein negatives Wachstum: Alain
de Benoist fordert in seinem Buch (Ökologie bis zum Ende denken)
ein radikales ökonomisches Umdenken (von Michael Böhm) Dieses
Buch handelt vom Raubbau an der Natur und was dagegen zu tun wäre - aber
für die französischen Ökologisten ist es ein Skandal: weil es einen
Angriff auf die in Frankreich traditionell linke Deutungshoheit in dieser Domäne
darstellt.. Die extreme Rechte, so klagt das Institut der Wirtschafts-
und Sozialforschung für ein nachhaltiges Negativwachstum, unternimmt
derzeit einen Versuch, in die antiproduktiven und konsumkritischen Milieus einzudringen.
Von neofaschistischem Trödel ist die Rede und von Nachahmungsversuchen,
mit denen man nichts zu tun haben wolle. Die Anwürfe sind lächerlich,
infam und dumm: Das Buch enthält kaum etwas, das in der ökologischen
Debatte nicht schon von linker Seite diskutiert worden wäre. Dessen ungeachtet
bildet es dazu einen unverzichtbaren Beitrag, denn es versucht die Ökologie
bis zum Ende zu denken. Hierfür entlehnt sich der französische
Philosoph und Rechtsintellektuelle Alain de Benoist die seit den frühen 1970er
Jahren bekannte Idee des negativen Wachstums Sie zielt darauf ab,
Produktion und Konsumtion zu verringern, um so die verschiedenen Ökosysteme
zu respektieren - für Benoist ist es der einzig gangbare Weg zum Schutz und
Erhalt der Umwelt: Denn nach dem vom rumänischen Ökonomen Nicholas Georgescu-Roegen
entwickelten Konzeptverhält es sich mit den Energiereserven der Erde so wie
mit dem zweiten thermodynamischen Prinzip: Mechanische Energie, einmal in Wärme
umgewandelt, kann nie wieder mechanische Energie werden - auch natürliche
Ressourcen sind insofern endlich. Die mit ökologischem Wachstum
oder nachhaltiger Entwicklung umschriebenen Ansätze lösten
daher das Problem nicht, sie vertagten es nur. Denn auch sie basierten letztlich
auf der entleerenden Logik eines ständig steigenden Bruttoinlandsprodukts. Für
Alain de Benoist zeigt sich das am Beispiel des Erdöls: Sein Energieertrag
ist hoch, da es relativ einfach zu produzieren und transportieren ist, nahezu
40 Prozent des weltweiten Energiebedarfs werden mit Erdöl abgedeckt, allein
95 Prozent davon entfallen auf das Verkehrswesen. Allerdings wurden die letzten
Erdölfelder in den 1960er Jahren entdeckt, und jene, die man in SaudiArabien
um 1950 auszubeuten begann, werden bald erschöpft sein. Schon jetzt zeigten
sich daher die Effekte der Hubert-Spitze, benannt nach dem Geologen
King Hubert: Die Erdölförderung vollzieht sich danach nicht linear,
das heißt zu einem konstanten Preis vom ersten bis zum letzten Tropfen:
Ist die Spitze der Kurve überschritten, gehen Quantität
und Qualität zurück und die Preise beständig nach oben. Experten
schätzen, daß die weltweite Spitze bereits im Jahre 2010 erreicht sein
wird. Das Barrel Öl, das heute schon über 140 Dollar kostet, könnte
dann viermal so teuer sein. Freilich, bereits jetzt setzt man auf erneuerbare
Energiearten: auf Biokraftstoff, auf Wind, Wasser und Sonne. Doch deckt dergleichen
nur 5,2 Prozent des weltweiten Bedarfs, ist weniger effizient und schadet oft
der Natur: So mußte brasilianischen Zuckerrohrplantagen der amazonische
Regenwald weichen - die steigende Nachfrage nach Biosprit verstärkt dadurch
den Treibhauseffekt. Das Wichtigste aber ist: Um ökologische Innovationen
weiter voranzutreiben, um sie durchzusetzen und um von ihren Effekten zu profitieren,
braucht man wiederum Energie - und das heißt nach Lage der Dinge noch immer
Öl. Angesichts der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und
des immensen Konsums vor allem in der westlichen Welt, in der immer mehr
gleich besser ist, und angesichts der Politik, die ihrerseits beständig
Wirtschaftswachstum fordert, zweifelt de Benoist am Fortbestand unserer Zivilisation.
Das Festhalten an der Wachstumsdynamik, schreibt er, konfrontiert
uns mit der Perspektive, daß die Zivilisation, wie wir sie kennen, verschwindet
- nicht in Millionen Jahren, auch nicht in Tausenden, sondern am Ende dieses Jahrhunderts. Mit
dem Glauben an den Fortschritt brechen Aber - würde nicht ein negatives
Wachstum die globale Nachftage verringern, Arbeitslosigkeit erhöhen und damit
die sozialen Probleme? Für Alain de Benoist geht das nicht ohne eine tiefgreifende
Transformation ökonomischer Vorstellungen. Hier denkt der französische
Philosoph weiter als die linken Partisanen des negativen Wachstums,
denn während diese sich darauf beschränken, einen anderen Lebensmodus
zu fordern, zeigt jener die philosophischen Grundlagen dafür auf: Den Raubbau
an der Natur zu verhindern und zu einer wirklichen ökologischen Lebensweise
zu gelangen, bedeutet für ihn radikal mit dem aufklärerischen Glauben
an den Fortschritt zu brechen und das heißt auch mit der liberalen Idee,
wonach sich im beständigen Kapitalerwerb die menschliche Vernunft artikuliere
- dem eigentlichen Motor der wachstumshörigen Marktgesellschaft. Es
bedeutet aber auch eine Absage an deren religiösen Vorläufer: an das
Christentum, dessen Vorstellung von einer Erlösung im Jenseits sich in den
Fortschrittsglauben säkularisierte, und an sein objektivierendes Denken,
das der Natur ihren sakralen Charakter nahm. Die irdischeWelt wurde durch die
christliche Auferstehungssymbolik zu einer bloßen Durchgangstation, zu einem
Tal derTränen, ohne Wert an sich. Für den antiken Menschen dagegen
war die Natur voll von Göttern und Mysterien, sie war heilig und besaß
einen eigenen Wert, er versuchte in Harmonie mit ihr zu leben - und deshalb war
die Ökonomie vor allem darauf ausgerichtet, menschliche Bedürfnisse
zu befriedigen, statt sie zu schaffen wie im modernen Kapitalismus. Ausstieg also
aus der christlich-aufklärerischen Progressionslogik durch eine Ökologie,
die in den Köpfen beginnt, und zurück zur antiken Konzeption
von Oikos und Nomos? Ein solcher Ansatz wäre freilich zu einfach. Doch zeigt
das Buch, daß wirkliche Ökologie wohl nur mit denen zu machen ist,
die ihrerseits einen kritischen Blick auf die Aufklärung zu werfen vermögen.
Wer gleich mit der Faschismuskeule schwingt, gehört zweifellos nicht dazu. Junge
Freiheit vom 04. Juli 2008
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