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Streit, der
nicht vergehen will (von Werner Olles) Das im 18. Jahrgang vierteljährlich
erscheinende Antifaschistische Info Blatt (AIB) befaßt sich in seiner aktuellen
Ausgabe mit der »Geschichte und Aktualität des Historikerstreits: Vergangenheit,
die nicht vergehen will». Nachdem der Politikwissenschaftler Volker Kronenberg
kürzlich in der Welt Ernst Nolte als einen der »klügsten Geschichtsdenker
des 20. Jahrhunderts« bezeichnete, der seine Frage »nach dem Entstehungs-
und Beziehungsverhältnis von nationalsozialistischem und bolschewistischem
Terror- und Vernichtungsregime« womöglich »20 Jahre zu früh«
gestellt habe, erhöben sich nun immer mehr Stimmen, die »Gerechtigkeit
für Ernsr Nolte« (Kronenberg) forderten. Dabei konzediert das
AIB ziemlich überraschend, daß es bei dem »Historikerstreit«
offensichtlich weniger darum ging, Noltes Auffassungen empirisch zu widerlegen,
sondern wohl eher, wie der Historiker Hans-Ulrich Wehler in einer schwachen Stunde
zu-gab, um die »kulturelle Hegemonie« in der Deutung der jüngeren
deutschen Geschichte. Und weil die Linke in dieser geschichtspolitischen Kontroverse
einmal mehr nicht den allerbesten Eindruck machte - vor allem Jürgen Habermas
fiel mit seiner These von »apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung«
ziemlich aus der Rolle -, erfährt der Kulturkampf um die Deutungsmacht laut
AIB 20 Jahre danach seine Fortsetzung. Nach der angeblichen Historisierung des
NS-Regimes geht es also jetzt offenbar um die Historisierung des »Historikerstreits». Recht
gut recherchiert ist ein Beitrag über »Die extreme Rechte in der Türkei».
Der Autor schildert die Entwicklung der Partei der nationalistischen Bewegung
(MHP) und deren als »Graue Wölfe« bekannter Jugendorganisation,
die in den siebziger Jahren als paramilitärische Kräfte gegen linksrevolutionäre
Gruppierungen, liberale Intellektuelle und Journalisten eingesetzt wurden. Zur
Gewaltpraxis der Grauen Wölfe gehörten auch Anschläge gegen politische
Gegner und Pogrome gegen Aleviten und Kurden. Zu einer gewissen Mäßigung
führte die Regierungsbeteiligung zusammen mit der Mutterlandspartei und der
Demokratischen Linkspartei unter Bülent Ecevit. Inzwischen habe sich die
MHP zu einer »nationalistischen bzw. rechtskonservativen Partei mit antidemokratischen,
antiwestlichen und reaktionär-konservativen Tendenzen« entwickelt.
Die »radikalere extrem rechte Linie« vertritt dagegen heute die Partei
der Großen Einheit. Für eine Entwarnung sei es jedoch zu früh,
wie der jüngste Mordanschlag gegen einen katholischen Priester gezeigt habe.
Zudem würden gezielt Gerüchte in Umlauf gebracht, daß die Orthodoxe
Kirche Jugendliche aus armen Familien missioniere, in Griechenland ausbilde und
sie in der Region wieder als Missionare einsetze. Ähnliche Gerüchte
verbreiten, daß junge Kurden in westtürkischen Städten gezielt
zu kriminellen Zwecken eingesetzt würden. Das sind in der Tat beunruhigende
Tendenzen, die hoffentlich dazu beitragen werden, einen möglichen EU-Beitritt
der Türkei zu verhindern. Junge Freiheit vom 29. September 2006 | | |