Trübe Aussichten (von Doris Neujahr) Die
historische Wahrheit wird nicht auf Propagandaveranstaltungen ermittelt. Das gilt
auch für die Holocaust-Konferenz, die in Teheran stattgefunden hat. Teilnehmer
sollten sich genau überlegen, wofür sie die Kulisse bilden - aber das
sollen sie in aller Freiheit tun dürfen! Es ist skandalös, daß
die Behörden dem früheren NPD-Chef Günter Deckert den Paß
entzogen haben, weil seine Teheran-Reise "die Belange der Bundesrepublik"
beschädige. Indem er Deckert die Reisefreiheit aberkannte, hat der Staat
demonstriert, daß er seine Bürger jederzeit als sein Eigentum reklamieren
kann und sie sich entsprechend zu benehmen haben. DDR-Bürgern waren
Auslandsreisen entweder verboten, oder sie waren ein Mittel, um politischen Konformismus
zu erzwingen. Symbol und letzte Instanz der Repression war die Mauer. Sie war
die Existenzgrundlage der DDR, aber auch der Grund ihres Verschwindens. Hätte
die DDR Reisefreiheit - und damit mittelbar Gedanken- und politische Freiheit
- gewährt, wären Entwicklungen angestoßen worden, die für
die SED unkalkulierbar waren. Also blieb die Mauer stehen, und das Land implodierte.
Es erstickte am angesammelten Frust seiner Bürger, deren Energien vom Gefühl
der Einsperrung absorbiert waren. Bedeutet der Paßentzug, daß
ein sanktioniertes Geschichtsbild für die Bundesrepublik die gleiche Bedeutung
hat wie die Mauer für die DDR? Das ergäbe trübe Aussichten für
alle. Sie hätten sich der Frage zu stellen, in was für einem Land sie
eigentlich leben.
Junge
Freiheit vom 15. Dezember 2006
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