Unter Tugendterroristen Konkurrenz
um die Deutungshoheit: Peter Sloterdijk kontert einen erneuten Versuch, ihn unschädlich
zu machen (von Thorsten Hinz)Im Juli 2009 entbot Jürgen Habermas in
der Zeit dem Direktor des Instituts für Sozialwissenschaften in Frankfurt
am Main, Axel Honneth, einen überaus herzlichen Geburtstagsgruß zum
Sechzigsten. Honneth ist ein Lieblingsjünger des Meisters, was nicht unwichtig
ist, um den Schlagabtausch zwischen Honneth und Peter Sloterdijk zu verstehen,
der jetzt in der Zeit und der Frankfurter Allgemeinen stattfindet. Am 24.
September warf Honneth dem Karlsruher Kollegen auf einer Doppelseite der Zeit
vor, den deutschen Sozialstaat als Kleptokratie zu diffamieren, in
der Transferempfänger und moralisierende Linksintellektuelle die Leistungsträger
schröpften. Zu den Linksintellektuellen zählt sich auch Honneth, der
es nur richtig findet, wenn der rechtlichen Gleichstellung die soziale folgt.
In Venezuela führt Präsident Chávez ja gerade eindrucksvoll vor,
wie man das macht. Zum Schluß erregt er sich darüber, daß Sloterdijk
seine Thesen in einer eigenen Fernsehsendung verbreiten darf und von Parteien
zu Vorträgen geladen wird. Das tue der demokratischen Kultur
Abbruch. Was das mit Habermas zu tun hat? Fast auf den Tag genau vor zehn
Jahren war an derselben Stelle ein Artikel des Zeit-Redakteurs und Habermas-Bewunderers
Thomas Assheuer erschienen, der Sloterdijk in die Nähe faschistoider Untiefen
rückte. Der Angriff blieb folgenlos, weil der versierte Medienprofi Sloterdijk
sofort in die Gegenoffensive ging und Habermas als den Spiritus rector der Aktion
ausmachte. Dieser habe zwischen Hamburg und Jerusalem umhertelefoniert,
um gegen ihn zu mobilisieren eine sozialliberale Variante der Tugenddiktatur.
Nun setzt Honneth die Versuche fort, einen Konkurrenten um die Deutungshoheit
unschädlich zu machen. Sloterdijk hat in der FAZ vom 26. September
belustigt reagiert. Er kanzelt Honneth als glücklosen Philosophieprofessor
ab, der ziemlich boshaft und sehr leseschwach sowie von Stagnation
und Frustration gekennzeichnet sei. Wie immer man zu Sloterdijk steht
sein Hohn über das Tugendterror-Milieu wirkt wie Wasser in der Wüste.
Junge
Freiheit vom 2. Oktober 2009
|