Während die Freunde
der postnationalen Demokratie (Karl Dietrich Bracher) gerade noch
behaupteten, daß im neuen Zeitalter die kulturelle Homogenität wie
von selbst gewahrt bleibe und sich die Teilnehmer am herrschaftsfreien Diskurs
ohne sprachliche Probleme würden verständigen können, sieht man
jetzt immer deutlicher, wie unwahrscheinlich diese Hoffnungen sind. Das gilt selbst
dann, wenn ein Nationalstaat nur in seine historisch gewachsenen Bestandteile
zerfällt. Es zeigt sich also einmal mehr, daß die Nation besteht, sofern
sie etwas repräsentiert, das hinreichend klar erkennbar und großartig
genug ist, um Loyalitätsgefühle bis zur Opferbereitschaft zu wecken.
Sie existiert fort, weil ihre Existenz solche Empfindungen zu nähren weiß,
sie verfällt, wenn die Erkennbarkeit undeutlich und die Emotionen schwach
werden. Die Nation ist nicht natürlich wie Familie oder Sippe, sie gehört
zur Natur des Menschen nur insofern, als sie zu jenen identitätstiftenden
politischen Verbänden zählt, ohne die wir als soziale Wesen nicht leben
können. Es hat in der Geschichte Verbände gegeben, die kleiner (Bünde,
Stämme) oder größer (Imperien) waren und ähnliches leisteten,
auch zahlreiche Fälle, in denen alles da war, um sich als Nation selbständig
zu behaupten, die politischen Kräfteverhältnisse das aber nicht oder
nur phasenweise erlaubten. (Ebd., März 2009). |