Eine
fragwürdige Personalie nährt den Verdacht, daß die 60 Millionen
Euro für die Auschwitz-Stiftung den Gesetzen seriöser Haushaltspolitik
widersprechenDie Nachricht fand sich allenfalls unauffällig in den
Meldungsspalten der großen Medien: 60 Millionen Euro Steuergelder aus der
Bundesrepublik Deutschland fließen in den kommenden fünf Jahren in
eine »Internationale Stiftung Auschwitz-Birkenau«. Die Hälfte
davon bringt der Bund auf, den Rest die Länder. Damit ist allerdings erst
die halbe Miete eingefahren. Denn die in Warschau ansässige Stiftung benötigt
für ihre erfolgreiche Arbeit laut eigenen Angaben die Summe von 120 Millionen
Euro. Den fehlenden Betrag erhofft sie, von Polen, der EU, weiteren Staaten und
Gesellschaften und von Privatpersonen zu erhalten.Das Konzept und der
Auftrag der Anfang 2009 gegründeten Stiftung lauten, mit den Zinsen des Stiftungskapitals
die dauerhafte Erhaltung der über 150 Gebäude und 300 Ruinen des Lagergeländes
zu finanzieren. Dabei wurden bereits immer wieder große Summen in den Erhalt
oder die Rekonstruktion der weitläufigen Anlagen investiert. In den 1990er
Jahren hat die Bundesrepublik Deutschland dafür 30 Millionen Mark bereitgestellt.
Derzeit läuft ein von der EU unterstütztes Restaurierungsprojekt einiger
Holzbaracken. Renoviert wurden auch schon die Gleise, die ins Lager führen.
Der Stacheldraht wird ständig erneuert.Allein im Museum Auschwitz
sind derzeit 200 Personen beschäftigt. Direktor des Museumsbetriebes ist
der 1972 geborene, umtriebige Dr. Piotr M. A. Cywinski, eine Personalie, die kaum
thematisiert wird. In der Warschauer Stiftung nimmt er den Posten des Vorstandsvorsitzenden
ein. Die Stiftung als Mittelgeber wird also ebenso von ihm geleitet wie das Museum
als Mittelnehmer. Wäre der Gegenstand nicht emotional so aufgeladen, dann
würde man eine solche Ämterkonstellation als unseriös bezeichnen.
Der akademische und politische Lebenslauf des gerade mal 37jährigen Historikers
ist spektakulär: Cywinski war bereits Vizevorsitzender und Vorsitzender des
»Katholischen Warschauer Intellektuellenclubs«, er saß und sitzt
in Gremien für den polnisch-jüdischen, den christlich-jüdischen
und den ukrainisch-polnischen Dialog, er ist Angehöriger des »Polnischen
Rates der Christen und Juden«, 2008 war er gar »Botschafter des internationalen
Jahres des interkulturellen Dialoges«, u.s.w., u.s.w. ....Cywinski
ist Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rates, stellvertretender Vorsitzender
des Internationalen Zentrums für Bildung über Auschwitz und den Holocaust,
er arbeitet zudem für das Groß-Rosen-Museum (ebenfalls ein KZ-Museum)
und ist stellvertretender Vorsitzender des Unabhängigkeitsmuseums in Lodsch
(hier kann der Besucher unter anderem etwas über »Polens heldenhafte
Rolle bei der Luftschlacht um England und der Schlacht am Monte Cassino«
erfahren). Und seit 2006 ist Cywinski zudem Chef des Auschwitz-Birkenau Museums.Dabei
scheint auf den ersten Blick unklar, weshalb Cywinski dringend noch Finanzhilfe
für sein Lagermuseum braucht. Noch am 3. Januar 2010 verkündete er einen
Besucherrekord für das Jahr 2009. Insgesamt seien 1,3 Millionen Besucher
in das Lager geströmt, so viele wie noch niemals zuvor. Das sind im Schnitt
mehr als 3.500 Besucher am Tag. Mehr als die Hälfte seien Kinder und Jugendliche
gewesen, so Cywinski, der dies ausgesprochen begrüßt, da diese die
»Zukunft der Welt« seien. »Ohne tiefgehendes Wissen über
Auschwitz kann das Europa von heute nicht verstanden werden«, führt
er gegenüber der Nachrichtenagentur DPA aus. 1,3 Millionen Besucher, die
größtenteils die teuren, geführten Touren buchen und immer
noch ein Finanzproblem?Hat Direktor Cywinski bei seinen vielfältigen
Nebenbeschäftigungen überhaupt noch die notwendige Zeit, das Museum
zu leiten? Muß man sich wirklich darüber wundern, daß ausgerechnet
polnische Medien wie die Nachrichtenseite Polskaweb darüber spekulieren,
daß der dubiose Diebstahl des »Arbeit macht frei«-Schildes vom
Auschwitzer Eingangsportal Ende 2009 womöglich ein Marketing-Coup gewesen
sei, um das Museum mal wieder in die Medien zu bringen? 60 Millionen Euro deutscher
Steuergelder in den Händen eines Multifunktionärs und Tausendsassas?
Welche Kontrolle behält sich die Bundesregierung über die Verwendung
dieser Gelder vor? Was sagt der deutsche Bundesrechnungshof zu diesem Engagement?
(Ebd., 1. Februar 2010, S. 19). |