Vorwort (S. V-VI):
Ich lege auf den folgenden Seiten
eine kleine Anzahl von Gedanken vor, die ich einem größeren Werk entnommen
habe, an dem ich seit Jahren arbeite. ( ).
Es war meine Absicht, die Betrachtungsweise, welche ich im »Untergang des
Abendlandes« ( )
ausschließlich auf die Gruppe der hohen Kulturen ( )
angewandt hatte, nun an deren historischer Voraussetzung, der Geschichte des
Menschen von seinem Ursprung an, zu erproben. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
V ).Es
ist nach wie vor meine Überzeugung, daß man das Schicksal des Menschen
nur verstehen wird, wenn man alle Gebiete seines Wirkens zugleich, vergleichend,
betrachtet und nicht den Fehler begeht, etwa von der Politik, der Religion oder
der Kunst allein aus einzelne Seiten seines Daseins zu erleuchten in dem
Glauben, damit alles erschlossen zu haben. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
V-VI ).
Die Technik als Taktik des Lebens (S. 1-13)
(Verfahren und Mittel, Kampf
und Waffe. Entwicklung und Vollendung. Vergänglichkeit als Form des
Wirklichen.)
Das Problem der Technik und ihres Verhältnisses zu Kultur
und Geschichte taucht erst im 19. Jahrhundert auf. Das achtzehnte hatte
mit der gründlichen Skepsis, dem Zweifel, welcher der Verzweiflung
gleichkommt, die Frage nach Sinn und Wert der Kultur gestellt eine
Frage, die zu weiteren, immer zersetzenderen Fragen führte und damit
die Grundlagen der Möglichkeit schuf, im 20. Jahrhundert, heute,
die Weltgeschichte überhaupt als Problem zu sehen. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 1 ).
Was bedeutet Technik? Welchen Sinn innerhalb der Geschichte, welchen
Wert im Leben der Menschen, welchen sittlichen oder metaphysischen Rang
hat sie? (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 2 ).
Goethe in seinem großen Sinn für alles Wirkliche hatte
im zweiten Faust versucht, in die tiefsten Tiefen dieser neuen Tatsachenwelt
einzudringen. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik -
Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 2 ).
Das Ideal war ausschließlich der Nutzen. Was der
»Menschheit« nützlich war, gehörte zur Kultur, war
Kultur. Das andre war Luxus, Aberglaube oder Barbarei. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 3 ).
Aber nützlich war, was dem »Glück der Meisten«
diente. Und Glück bestand im Nichtstun. Das ist im letzten Grunde
die Lehre von Bentham, Mill und Spencer. Das Ziel der Menschheit bestand
darin, dem einzelnen einen möglichst großen Teil der Arbeit
abzunehmen und der Maschine aufzubürden. Freiheit vom »Elend
der Lohnsklaverei« und Gleichheit im Amüsement, Behagen und
»Kunstgenuß«: das »panem et circenses«
der späten Weltstädte meldet sich an. Die Fortschrittsphilister
begeisterten sich über jeden Druckknopf, der eine Vorrichtung in
Bewegung setzte, die angeblich menschliche Arbeit ersparte.
An Stelle der echten Religion früher Zeiten tritt die platte Schwärmerei
für die »Errungenschaften der Menschheit«, worunter lediglich
Fortschritte der arbeitersparenden und amüsierenden Technik verstanden
wurden. Von der Seele war nicht die Rede (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 3-4 ).
Das ist nicht der Geschmack der großen Erfinder selbst,
mit wenigen Ausnahmen, und auch nicht der Kenner technischer Probleme,
sondern ihrer Zuschauer, die selbst nichts erfinden können
und jedenfalls nichts davon verstanden, die aber dabei etwas für
sich witterten. Und mit dem ganzen Mangel an Einbildungskraft, der den
Materialismus aller Zivilisationen kennzeichnet, wird nun ein Bild der
Zukunft entworfen, die ewige Seligkeit auf Erden, ein Endziel und Dauerzustand
unter Voraussetzung der technischen Tendenzen etwa der achtziger Jahre
in bedenklichem Widerspruch zum Begriff des Fortschrittes, der
den »Zustand« ausschließt: Bücher wie »Der
alte und neue Glaube« von Strauß, Bellamys »Rückblick
aus dem Jahre 2000« und Bebels »Die Frau und der Sozialismus«.
Kein Krieg mehr, kein Unterschied mehr von Rassen, Völkern, Staaten,
Religionen, keine Verbrecher und Abenteurer, keine Konflikte infolge von
Überlegenheit und Anderssein, kein Haß, keine Rache mehr, nur
unendliches Behagen durch alle Jahrtausende hin. Solche Albernheiten lassen
heute noch, wo wir die Endphasen dieses trivialen Optimismus erleben,
mit Grauen an die entsetzliche Langeweile denken das taedium
vitae der römischen Kaiserzeit die sich beim bloßen
Lesen solcher Idyllen über die Seele breitet und in Wirklichkeit
bei auch nur teilweiser Verwirklichung zu massenhaftem Mord und Selbstmord
führen würde. (Oswald Spengler, Der Mensch und die
Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 4-5 ).
Beide Ansichten sind heute veraltet. Das 20. Jahrhundert ist endlich
reif geworden, um in den letzten Sinn der Tatsachen einzudringen, aus
deren Gesamtheit die wirkliche Weltgeschichte besteht. Es handelt
sich nicht mehr darum, nach dem privaten Geschmack einzelner und ganzer
Massen die Dinge und Ereignisse im Hinblick auf eine rationalistische
Tendenz, auf eigne Wünsche oder Hoffnungen hin zu deuten. An Stelle
des »So soll es sein« oder »So sollte es sein«
tritt das unerbittliche: So ist es und so wird es sein. Eine stolze Skepsis
macht den Sentimentalitäten des vorigen Jahrhunderts Platz. Wir haben
gelernt, daß Geschichte etwas ist, das nicht im geringsten auf unsere
Erwartungen Rücksicht nimmt. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
5-6 ).
Der physiognomische Takt, wie ich das bezeichnet habe (Untergang
des Abendlandes, Bd. I, Kap. II), was allein zum Eindringen in
den Sinn alles Geschehens befähigt, der Blick Goethes, der Blick
geborener Menschenkenner, Lebenskenner, Geschichtskenner über die
Zeiten hin erschließt im einzelnen dessen tiefere Bedeutung.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 6 ).
Um das Wesen des Technischen zu verstehen,
darf man nicht von der Maschinentechnik ausgehen, am wenigsten von dem
verführerischen Gedanken, daß die Herstellung von Maschinen
und Werkzeugen der Zweck der Technik sei. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 6 ).
In Wirklichkeit ist die Technik uralt ( ).
Sie ist auch nichts historisch besonderes, sondern etwas ungeheuer Allgemeines.
Sie reicht weit über den Menschen zurück in das Leben der Tiere,
und zwar aller Tiere. Zum Lebenstypus des Tieres im Unterschied
von dem der Pflanze gehört die freie Beweglichkeit im Raum, die relative
Willkür und Unabhängigkeit von der gesamten übrigen Natur
und damit die Notwendigkeit, sich gegen diese zu behaupten, dem eigenen
Dasein eine Art von Sinn, Inhalt und Überlegenheit zu geben. Nur
von der Seele her läßt sich die Bedeutung des Technischen erschließen.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer
Philosophie des Lebens, 1931, S. 6-7 ).
Denn das freibewegliche Leben der Tiere (Untergang
des Abendlandes, Bd. II, Kap. I, Anfg.) ist Kampf und nichts anderes,
und die Taktik des Lebens, ihre Über- oder Unterlegenheit
dem »anderen« gegenüber, sei es die lebende oder leblose
Natur, entscheidet über die Geschichte dieses Lebens, darüber,
ob es dessen Schicksal ist, Geschichte von anderen zu erleiden oder selbst
für andere zu sein. (Oswald Spengler, Der Mensch und die
Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 7 ).
Die Technik ist die Taktik des ganzen
Lebens. Sie ist die innere Form des Verfahrens im Kampf, der
mir dem Leben selbst gleichbedeutend ist. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 7 ).
Das ist der andre Fehler, der hier vermieden werden muß:
Technik ist nicht vom Werkzeug her zu verstehen. Es kommt nicht
auf die Herstellung von Dingen an, sondern auf das Verfahren mit ihnen,
nicht auf die Waffe, sondern auf den Kampf. Und wie im modernen
Krieg die Taktik, also die Technik der Kriegführung das Entscheidende
ist, und die Techniken des Erdenkens, des Herstellens, der Anwendung von
Waffen nur als Elemente des Gesamtverfahrens gelten dürfen, so ist
es überall. Es gibt zahllose Techniken ohne irgendwelche Werkzeuge:
die Technik eines Löwen, der eine Gazelle überlistet, und die
diplomatische Technik. Die Verwaltungstechnik als das In-Form-Halten des
Staates für die Kämpfe der politischen Geschichte. Es gibt chemische
und gastechnische Verfahren. Es gibt bei jedem Kampf um ein Problem eine
logische Technik. Es gibt eine Technik der Pinselführung, des Reitens,
der Lenkung eines Luftschiffes. Es handelt sich nicht um Dinge, sondern
immer um eine Tätigkeit, die ein Ziel hat. Das wird gerade
von der vorgeschichtlichen Forschung oft übersehen, die viel zu viel
an die Gegenstände in den Museen denkt, und zu wenig an die zahllosen
Verfahren, die vorhanden gewesen sein müssen, aber keine Spur hinterlassen
haben. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 7-8 ).
Jede Maschine dient nur einem Verfahren und ist aus dem
Denken dieses Verfahrens heraus entstanden. Alle Verkehrsmittel
haben sich aus dem Denken des Fahrens, Ruderns, Segelns, Fliegens
entwickelt und nicht etwa aus der Vorstellung des Wagens oder Bootes.
Die Methode selbst ist eine Waffe. Und deshalb ist Technik kein »Teil«
der Wirtschaft, so wenig Wirtschaft neben Krieg und Politik ein für
sich bestehender »Teil« des Lebens ist. Alles das sind Seiten
des einen, tätigen, kämpfenden, durchseelten Lebens.
Aber es führt allerdings ein Weg vom Urkrieg früher Tiere zu
den Verfahren der modernen Erfinder und Ingenieure, und ebenso von der
Urwaffe, der List, zur Konstruktion der Maschine, mit welcher der heutige
Krieg gegen die Natur durchgeführt, die Natur überlistet wird.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 8-9 ).
Man nennt das Fortschritt. Es war das große Wort des vorigen
Jahrhunderts. Man sah die Geschichte wie eine Straße vor sich, auf
welcher »die Menschheit« tapfer immer weiter marschierte
das heißt im Grunde nur die weißen Völker, das heißt
nur die Großstädter unter ihnen, das heißt unter diesen
nur die »Gebildeten«. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
9 ).
Aber wohin? Wie lange? Und was dann? (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 9 ).
Er war etwas lächerlich, dieser Marsch ins Unendliche, nach
einem Ziel, an das man nicht ernsthaft[9] dachte, das man nicht deutlich
vorzustellen, suchte, nicht vorzustellen wagte, denn ein Ziel ist
ein Ende. Niemand tut etwas, ohne den Gedanken an den Augenblick,
wo er das erreicht hat, was er wollte. Man führt keinen Krieg, man
fahrt nicht zur See, man macht nicht einmal einen Spaziergang, ohne an
die Dauer und den Abschluß zu denken. Jeder wirklich schöpferische
Mensch kennt und fürchtet die Leere, die auf die Vollendung eines
Werkes folgt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik -
Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 9-10 ).
Zur Entwicklung gehört die Vollendung jede
Entwicklung hat einen Anfang, jede Vollendung ist ein Ende ,
zur Jugend gehört das Alter, zum Entstehen das Vergehen, zum Leben
der Tod. Das Tier, mit seinem Denken an die Gegenwart gebunden, kennt
und ahnt den Tod als etwas Zukünftiges, ihm Drohendes nicht.
Es kennt nur die Todsangst im Augenblick des Getötetwerdens.
Der Mensch aber, dessen Denken sich von dieser Fessel des Jetzt und Hier
befreit hat und über das Gestern und Morgen, das »Einst«
von Vergangenheit und Zukunft grübelnd hinschweift, kennt ihn im
voraus, und es hängt von der Tiefe seines Wesens und seiner Weltanschauung
ab, ob er die Furcht vor dem Ende überwindet oder nicht. Nach einer
althellenischen Sage, die in der Ilias vorausgesetzt wird, war Achill
von seiner Mutter vor die Wahl gestellt worden, ob er ein langes Leben
wünsche oder ein kurzes voller Taten und Ruhm, und er wählte
das letzte. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 10-11 ).
Man war - und ist - zu flach und feige, die Tatsache der Vergänglichkeit
alles Lebendigen zu ertragen, man wickelt sie in einen rosaroten Fortschrittsoptimismus,
an den im Grunde selbst niemand glaubt, man deckt sich mit Literatur zu,
man verkriecht sich hinter Idealen, um nichts zu sehen. Aber Vergänglichkeit,
Entstehen und Vergehen, ist die Form alles Wirklichen, von den
Sternen an, deren Schicksal für uns unberechenbar ist, bis herab
zu dem flüchtigen Gewimmel auf diesen Planeten. Das Leben des einzelnen
- ob Tier, Pflanze oder Mensch - ist ebenso vergänglich wie das von
Völkern und Kulturen. Jede Schöpfung unterliegt dem Verfall,
jeder Gedanke, jede Erfindung, jede Tat dem Vergessenwerden. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 11 ).
Überall ahnen wir verschollene
Geschichtsabläufe von großem Schicksal. Ruinen gewesener
Werke abgestorbener Kulturen liegen überall vor unseren Augen. Zur
Hybris des Prometheus, der in den Himmel greift, um die göttlichen
Mächte dem Menschen zu unterwerfen, gehört der Sturz. Was soll
und das Geschwätz von den »ewigen Errungenschaften der Menschheit«?
Die Weltgeschichte sieht sehr viel anders aus, als selbst unsere Zeit
sich träumen läßt. Die Geschichtedes Menschen ist, an
der Geschichte der Pflanzen- und Tierwelt gemessen, um von der Lebensdauer
der Sternenwelten zu schweigen, kurz, ein jäher Aufstieg und Fall
von wenigen Jahrtausenden, etwas ganz Belangloses im Schicksal der Erde,
aber für uns, die wir da hineingeboren sind, von tragischer Größe
und Gewalt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 11-12 ).
Und wir Menschen ... steigen
sehend hinab. Unser Blick für Geschichte, unsere Fähigkeit, Geschichte
zu schreiben, ist ein verräterisches Zeichen dafür, daß sich der
Weg abwärts senkt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 12 ).
An und für sich ist es belanglos, welches Schicksal unter
den Scharen »ewiger« Sterne dieser kleine Planet hat, der
irgendwo im unendlichen Raume für kurze Zeit seine Bahnen zieht;
noch belangloser, was auf seiner Oberfläche für ein paar Augenblicke
sich bewegt. Aber jeder einzelne von uns, an und für sich ein Nichts,
ist für einen unerkennbar kurzen Augenblick, eine Lebensdauer, in
dieses Gewimmel hineingeworfen. Und deshalb ist sie für uns über
alle Maßen wichtig, diese Welt im Kleinen, diese »Weltgeschichte«.
Und darüber hinaus ist es das Schicksal jedes einzelnen, daß
er durch seine Geburt nicht nur in diese Weltgeschichte überhaupt
versetzt ist, sondern in ein bestimmtes Jahrhundert, ein bestimmtes Land,
ein bestimmtes Volkstum, eine bestimmte Religion, einen bestimmten Stand.
.... Diesem Schicksal - oder Zufall (  )
- hat man sich zu fügen. Es verurteilt zu Lagen, Anschauungen
und Leistungen. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 12-13 ).
Es
gibt keinen »Menschen an sich«, sondern nur Menschen zu einer Zeit,
an einem Ort, von einer Rasse, einer persönlichen Art, die sich im Kampfe
mit einer gegebenen Welt durchsetzt oder unterliegt, während das Weltall
göttlich unbekümmert ringsum verweilt. Dieser Kampf ist das Leben, und
zwar im Sinne Nietzsches ( )
als ein Kampf aus dem Willen zur Macht, grausam, unerbittlich, ein Kampf ohne
Gnade. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer
Philosophie des Lebens, 1931, S. 13 ).
Pflanzenfresser und Raubtiere (S. 14-25)
(Der Mensch ein Raubtier. Beute
sein und Beute machen. Die Bewegung als Flucht oder Angriff. Das Raubtierauge
und seine Welt. Unveränderliche Gattungstechnik der Tiere und erfinderische
Technik des Menschen.)
Denn der Mensch
ist ein Raubtier. Feine Denker wie Montaigne ( )
und Nietzsche ( )
haben das immer gewußt. Die Lebensweisheit in alten Märchen
und Sprichwörtern aller Bauern- und Nomadenvölker, die lächelnde
Einsicht großer Menschenkenner - Staatsmänner, Feldherren,
Kaufleute, Richter - auf der Höhe eines reichen Lebens, die Verzweiflung
gescheiterter Weltverbesserer und das Schelten erzürnter Priester
waren weit davon entfernt, das zu verschweigen oder leugnen zu wollen.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 14 ).
Die Skepsis, die letzte philosophische Haltung, die diesem Zeitalter
noch möglich, die seiner würdig ist, gestattet kein Vorbeireden
mehr. Dennoch und gerade deshalb wende ich mich gegen Ansichten, die von
der Naturwissenschaft des vorigen Jahrhunderts her entwickelt worden sind.
Die anatomische Betrachtung und Ordnung des Tierreiches wird ihrer
Herkunft entsprechend durchaus von materialistischen Gesichtspunkten beherrscht.
Wenn das Bild des Leibes, wie er sich dem menschlichen Auge und
nur diesem darstellt, noch dazu des zerschnittenen, chemisch präparierten,
durch Experimente mißhandelten Leibes zu einem System führte,
das Linné begründet und die Schule Darwins paläontologisch
vertieft hat, einem System von ruhenden, optischen Einzelheiten, so gibt
es daneben noch eine ganz andere, unsystematische Ordnung von Arten des
Lebens, die sich nur dem ungelehrten Miterleben, der innerlich
gefühlten Verwandtschaft von Ich und Du erschließt, wie sie
jeder Bauer kennt, aber auch jeder echte Dichter und Künstler. Ich
denke gern über die Physiognomik (Untergang
des Abendlandes, Bd. I, Kap. II, § 4-5) der Arten von tierischem
Leben, über die Arten von Tierseelen nach und überlasse die
Systematik des Körperbaus den Zoologen. Und dann ergibt sich eine
ganz andere Rangordnung des Lebens, nicht des Leibes. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 14-15 ).
Eine Pflanze lebt, obwohl sie nur im eingeschränkten Sinne
ein Lebewesen ist (Untergang des Abendlandes, Bd.
II, S. 1 ff.). In Wirklichkeit lebt es in ihr oder um sie herum.
»Sie« atmet, »sie« nährt sich, »sie«
vermehrt sich, und trotzdem ist sie ganz eigentlich nur der Schauplatz
dieser Vorgänge, die mit solchen der umgebenden Natur, mit Tag und
Nacht, mit Sonnenbestrahlung und der Gärung im Boden eine Einheit
bilden, so daß die Pflanze selbst nicht wollen und wählen kann.
Alles geschieht mit ihr und in ihr. Sie sucht weder den Standort, noch
die Nahrung, noch die andere Pflanze, mit welcher sie die Nachkommen erzeugt.
Sie bewegt sich nicht, sondern der Wind, die Wärme, das Licht bewegen
sie. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu
einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 15 ).
Über diese Art von Leben erhebt sich nun das freibewegliche
Leben der Tiere, aber in zwei Stufen. Es gibt eine Art, durch alle
anatomischen Gattungen hindurch, vom einzelligen Urtier bis zu Schwimmvögeln
und Huftieren, deren Leben auf die unbewegliche Pflanzenwelt als
Nahrung angewiesen ist, um sich zu erhalten. Pflanzen fliehen nicht und
können sich nicht wehren. (Oswald Spengler, Der Mensch und
die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 16 ).
Aber darüber erhebt sich eine zweite Art von Leben, Tiere,
die von anderen Tieren leben, deren Leben im Töten besteht.
Da ist die Beute selbst sehr beweglich, selbst kämpfend, selbst reich
an Listen aller Art. Auch dieses Leben ist über alle Gattungen des
Systems verbreitet. Jeder Wassertropfen ist ein Schlachtfeld, und wir,
die den Kampf auf dem Lande so beständig vor Augen haben, daß
wir seine Selbstverständlichkeit, ja sogar sein Vorhandensein vergessen,
sehen heute mit Grauen, wie phantastische Formen der Tiefsee das Leben
des Tötens und Getötetwerdens führen. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 16-17 ).
Das Raubtier ist die höchste Form des freibeweglichen
Lebens. Es bedeutet das Maximum an Freiheit von andern und für
sich, an Selbstveranntwortlichkeit, an Alleinsein, das Extrem der Notwendigkeit,
sich kämpfend, siegend, vernichtend zu behaupten. Es gibt
dem Typus Mensch einen hohen Rang, daß er ein Raubtier ist.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 17 ).
Das Auge der Raubtiere aber gibt ein Ziel. Schon
dadurch, daß die Augenpaare der großen Raubtiere wie beim
Menschen auf einen Punkt der Umgebung fixiert werden können, gelingt
es, das Beutetier zu bannen. Im feindlichen Blick liegt für
das Opfer schon das unentrinnbare Schicksal, der Sprung des nächsten
Augenblicks. Das Fixieren der nach vorn und parallel gerichteten Augen
ist aber gleichbedeutend mit dem Entstehen der Welt in dem Sinne,
wie der Mensch sie hat, als Bild, als Welt vor seinen Blicken,
als Welt nicht nur des Lichtes und der Farben, sondern vor allem der perspektivischen
Entfernung, des Raumes und der in ihm stattfindenden Bewegungen
und an bestimmten Orten ruhenden Gegenstände. In dieser Art
des Sehens, wie sie nur die edelsten Raubtiere besitzen - Pflanzenfresser,
z.B. Huftiere, haben seitwärts stehende Augen, von denen jedes einen
anderen, unperspektivischen Eindruck hat -, liegt schon die Idee
des Herrschens. Das Weltbild ist die vom Auge beherrschte Umwelt.
Das Raubtierauge bestimmt die Dinge nach Lage und Entfernung. Es kennt
den Horizont. Es bemißt in diesem Schlachtfeld die Objekte
und Bedingungen des Angriffs. Wittern und Spähen - das Reh und der
Habicht - verhalten sich wie Sklave-sein und Herr-sein. Ein unendliches
Machtgefühl liegt in diesem weiten ruhigen Blick, ein Gefühl
der Freiheit, die aus Überlegenheit entspringt und auf der
größeren Gewalt beruht, und die Gewißheit, niemandes
Beute zu sein. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik -
Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 19-20 ).
Die Welt ist die Beute, und aus dieser Tatsache
ist letzten Endes die menschliche Kultur erwachsen. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 20 ).
Und endlich hat sich diese Tatsache der angeborenen Überlegenheit
wie nach außen zur Lichtwelt mit ihren unendlichen Fernen, so nach
innen zur Seelenart starker Tiere vertieft. Die Seele, das rätselhafte
Etwas, das bei diesem Wort gefühlt wird und dessen Wesen keiner Wissenschaft
zugänglich ist, der göttliche Funke in diesem lebendigen Leibe,
der in der göttlich grausamen, göttlich unbekümmerten Welt
herrschen oder unterliegen muß: was wir Menschen als Seele fühlen,
in uns und in andern, ist der Gegenpol der Lichtwelt um uns, in
welcher menschliches Denken und Ahnen gern eine Weltseele annimmt.
Die Seele ist um so stärker ausgeprägt, je einsamer das
Wesen ist, je entschiedener es eine Welt für sich bildet,
gegen alle Welt um sich herum. Was ist das Gegenteil der Seele eines Löwen?
Die Seele einer Kuh. Pflanzenfresser ersetzen die starke einzelne Seele
durch die große Zahl, die Herde, das gemeinsame Fühlen und
Tun von Massen. Aber je weniger man die andern braucht, desto mächtiger
ist man. Ein Raubtier ist jedermanns Feind. Es duldet in seinem Revier
niemand seinesgleichen der königliche Begriff des Eigentums
hat hier seine Wurzel. Eigentum ist der Bereich, in dem man unumschränkte
Macht ausübt, erkämpfte, gegen seinesgleichen verteidigte, siegreich
behauptete Macht. Es ist kein Recht auf ein bloßes Haben,
sondern auf ein selbstherrliches Schalten und Walten damit.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 20-21 ).
Es gibt, wenn man es richtig versteht, eine Raubtier- und eine
Pflanzenfresserethik. Niemand ist imstande, etwas daran zu ändern.
Es ist die innere Form, der Sinn, die Taktik des ganzen Lebens. Es ist
eine einfache Tatsache. Man kann das Leben vernichten, aber nicht
in seiner Art verändern. Ein gezähmtes, gefangenes Raubtier
- jeder zoologische Garten bietet Beispiele dafür - ist seelisch
verstümmelt, weltkrank, innerlich vernichtet. Es gibt Raubtiere,
die freiwillig verhungern, wenn sie gefangen sind. Pflanzenfresser geben
nichts auf, wenn sie Haustiere werden. Das ist der Unterschied zwischen
dem Schicksal von Pflanzenfressern und dem Raubtierschicksal.
das eine bedroht nur, das andere spendet auch. Jenes drückt nieder,
macht klein und feig, dieses erhebt durch Macht und Sieg, durch Stolz
und Haß. Jenes erleidet man, dieses ist man selbst. Der Kampf der
Natur drinnen gegen die Natur draußen wird nicht mehr als Elend
empfunden - so dachten sich Schopenhauer ( )
und Darwin ( )
den struggle for life -, sondern als großer Sinn des Lebens
(     ),
der es adelt - so dachte Nietzsche ( ):
amor fati. ( ).
Und der Mensch gehört zu dieser Art. Er ist kein Simpel, »von
Natur gut« und dumm .... Im Gegenteil, die Taktik seines Lebens
ist die eines prachtvollen, tapfern, listigen, grausamen Raubtiers. Er
lebt angreifend, tötend und vernichtend. Er will Herr sein, seitdem
es ihn gibt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 21-23 ).
Es ist ein ungeheurer Unterschied zwischen dem Menschen und allen
andern Tieren. Die Technik dieser Tiere ist Gattungstechnik. Sie
ist weder erfinderisch noch lernbar noch entwicklungsfähig. Der Typus
Biene hat, seit er da ist, seine Waben immer genau so gebaut wie heute,
und wird sie so bauen, bis er ausstirbt. Sie gehören zu ihm wie die
Form der Flügel und die Färbung des Leibes. Nur der anatomische
Standpunkt der Zoologen läßt Körperbau und Lebensart auseinanderfallen.
Geht man von der inneren Form des Lebens aus, statt von der des Leibes,
so ist diese Taktik des Lebens und die Gliederung des Leibes ein und dasselbe,
beides Ausdruck einer organischen Wirklichkeit. Die »Gattung«
ist eine Form nicht des sichtbar Ruhenden, sondern der Beweglichkeit,
nicht des So-seins, sondern des So-tuns. Körperform ist die Form
des tätigen Körpers. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
23-24 ).
Bienen, Termiten, Biber fuhren erstaunliche Bauten auf. Ameisen
kennen Pflanzenbau, Straßenbau, Sklaverei und Kriegführung.
Brutpflege, Festungsanlagen und planmäßige Wanderzüge
sind weit verbreitet. Alles was der Mensch kann, haben einzelne Tierformen
auch erreicht. Es sind Tendenzen, die im freibeweglichen Leben überhaupt
als Möglichkeiten schlafen. Der Mensch leistet nichts, was
nicht dem Leben im Ganzen erreichbar ist. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 24 ).
Und trotzdem alles das hat mit menschlicher Technik im
Grunde gar nichts zu tun. Die Gattungstechnik ist unveränderlich.
Das bedeutet das Wort »Instinkt«. Weil das tierische »Denken«
am unmittelbaren Jetzt und Hier haftet und weder Vergangenheit noch Zukunft
kennt, so kennt es auch weder Erfahrung noch Sorge. Es ist nicht wahr,
daß Tierweibchen für ihre Jungen »sorgen«. Die
Sorge ist ein Gefühl, das ein Wissen in die Ferne hinaus voraussetzt,
um das, was kommen wird, wie die Scham ein Wissen um das, was es war.
Ein Tier kann weder bereuen noch verzweifeln. Die Brutpflege ist wie alles
andere ein dunkles, wissensloses Getriebensein in vielen Typen von Leben.
Sie gehört zur Art und nicht zum Einzelwesen. Die Gattungstechnik
ist nicht nur unveränderlich, sondern auch unpersönlich.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 24-25 ).
Die Menschentechnik und sie allein aber ist unabhängig
vom Leben der Menschengattung. Es ist der einzige Fall in der gesamten
Geschichte des Lebens, daß das Einzelwesen aus dem Zwang der
Gattung heraustritt. Man muß lange nachdenken, um das Ungeheure
dieser Tatsache zu begreifen. Die Technik im Leben des Menschen ist bewußt,
willkürlich, veränderlich, persönlich, erfinderisch.
Sie wird erlernt und verbessert. Der Mensch ist der Schöpfer
seiner Lebenstaktik geworden. Sie ist seine Größe und sein
Verhängnis. Und die innere Form dieses schöpferischen Lebens
nennen wir Kultur, Kultur besitzen, Kultur schaffen, an der Kultur
leiden. Die Schöpfungen des Menschen sind Ausdruck dieses Daseins
in persönlicher Form. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
25 ).
Die Entstehung des Menschen: Hand und Werkzeug (S. 26-36)
(Die Hand als Tast- und Tatorgan.
Trennung von Herstellung und Gebrauch der Waffe. Befreiung vom Zwang der
Gattung. Denken des Auges und Denken der Hand. Mittel
und Zweck. Der Mensch als Schöpfer. Die Einzeltat. Natur und Kunst.
Die menschliche Technik künstlich. Mensch gegen Natur: Die Tragödie
des Menschen.)
Seit wann gibt es diesen Typus des erfinderischen Raubtiers?
Das ist gleichbedeutend mit der Frage: Seit wann gibt es den Menschen?
- Was ist der Mensch? Wodurch ist er zum Menschen geworden?
Die Antwort lautet: Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine Waffe
ohnegleichen in der Welt des freibeweglichen Lebens. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 26 ).
Die Antwort lautet: Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine
Waffe ohne gleichen in der Welt des freibeweglichen Lebens. Man vergleiche
sie mit der Tatze, dem Schnabel, den Hörnern, Zähnen und Schwanzflossen
anderer Wesen. Auf der einen Seite konzentriert sich in ihr der Tastsinn
in dem Grade, daß man sie fast als Tastorgan neben das Seh-
und das Hörorgan stellen kann. Sie unterscheidet nicht nur warm und
kalt, fest und flüssig, hart und weich, sondern vor allem Schwere,
Gestalt und Ort der Widerstände, kurz die Dinge im Raum. Aber
darüber hinaus sammelt sich in ihr die Tätigkeit des
Lebens so vollständig, daß sich die gesamte Haltung und der
Gang des Leibes gleichzeitig daraufhin gestaltet hat. Es
gibt nichts in der Welt, was mit diesem tastenden und tätigen
Gliede verglichen werden kann. Zum Raubtierauge, das die Welt »theoretisch«
beherrscht, tritt die Menschenhand als praktische Beherrscherin.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 26-27 ).
Sie muß plötzlich entstanden sein im Vergleich
mit dem Tempo kosmischer Strömungen, jäh wie ein Blitz, ein
Erdbeben, wie alles Entscheidende im Weltgeschehen, epochemachend im höchsten
Sinne. Wir müssen uns auch darin von den Anschauungen des vorigen
Jahrhunderts lösen, wie sie seit Lyells geologischen Forschungen
im Begriffe »Evolution« liegen. Eine langsame, phlegmatische
Veränderung entspricht dem englischen Naturell, nicht der Natur.
Um sie zu stützen, warf man mit Millionen von Jahren um sich, da
sich in meßbaren Zeiträumen nichts dergleichen zeigte. Aber
wir könnten keine geologischen Schichten unterscheiden, wenn sie
nicht durch Katastrophen unbekannter Art und Herkunft getrennt
wären, und keine Arten fossiler Tiere, wenn sie nicht plötzlich
auftauchten und sich unverändert bis zu ihrem Aussterben hielten.
Von »Ahnen« des Menschen wissen wir nichts, trotz allen
Suchens und anatomischen Vergleichens. Seitdem Menschenskelette auftauchen,
ist der Mensch so, wie er heute ist. Den »Neandertaler« sieht
man in jeder Volksversammlung. Es ist auch ganz unmöglich, daß
sich Hand, aufrechter Gang, Haltung des Kopfes und so weiter nach- und
auseinander entwickelt hätten. Alles das ist zusammen und plötzlich
da. (Überhaupt diese »Entwicklung«!
Die Darwinianer sagen, daß der Besitz solcher ausgezeichneten Waffen
die Art im Kampf ums Dasein begünstigt und erhalten habe. Aber erst
die fertig ausgebildete Waffe wäre ein Vorteil; die in Entwicklung
begriffene - und diese Entwicklung soll ja Jahrtausende gedauert haben
- ist eine unnütze Last, die das Gegenteil bewirken müßte.
Und wie stellt man sich den Anfang einer solchen Entwicklung vor?
Diese Jagd auf Ursachen und Wirkungen, die schließlich Formen des
menschlichen Denkens sind und nicht des Weltwerdens, ist ziemlich töricht,
wenn man glaubt, damit in die Geheimnisse der Welt eindringen zu können.)
Die Weltgeschichte schreitet von Katastrophe zu Katastrophe
fort, ob wir sie nun begreifen und begründen können oder nicht.
Man nennt das heute ... Mutation ( ).
Es ist das eine innere Wandlung, die plötzlich alle Exemplare
einer Gattung ergreift, ohne »Ursache« selbstverständlich,
wie alles in der Wirklichkeit. Es ist der geheimnisvolle Rhythmus des
Wirklichen. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 27-28 ).
Aber nicht nur müssen Hand, Gang und Haltung des Menschen
gleichzeitig entstanden sein, sondern auch und das hat bis jetzt
niemand bemerkt Hand und Werkzeug. Die unbewaffnete Hand
für sich allein ist nichts wert. Sie fordert die Waffe, um
selbst Waffe zu sein. Wie sich das Werkzeug aus der Gestalt der Hand gebildet
hat, so umgekehrt die Hand an der Gestalt des Werkzeugs. Es ist
sinnlos, das zeitlich trennen zu wollen. Es ist unmöglich, daß
die ausgebildete Hand auch nur kurze Zeit hindurch ohne Werkzeug tätig
war. Die frühesten Reste des Menschen und seiner Geräte sind
gleich alt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 28-29 ).
Was sich aber geteilt hat, nicht zeitlich, sondern logisch,
ist das technische Verfahren, und zwar in Herstellung der
Waffe und ihren Gebrauch. Wie es eine Technik des Geigenbaus und
eine Technik des Geigenspiels gibt, so eine Kunst des Schiffbaus und eine
Kunst des Segelns, eine Verfertigung des Bogens und eine Fertigkeit im
Schießen. Kein anderes Raubtier wählt die Waffe. Der
Mensch aber wählt sie nicht nur, sondern er stellt sie
her, nach eigener persönlicher Erwägung. Damit hat er eine
furchtbare Überlegenheit im Kampf gewonnen gegen seinesgleichen,
gegen andere Tiere, gegen die gesamte Natur. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 29 ).
Das ist die Befreiung vom Zwang der Gattung, etwas
Einzigartiges in der Geschichte des gesamten Lebens auf diesem Planeten.
Damit ist der Mensch entstanden. Er hat sein tätiges Leben
in hohem Grade von den Bedingungen seines Leibes unabhängig gemacht.
Der Gattungsinstinkt besteht weiter in voller Gewalt, aber von ihm hat
sich ein Denken und denkendes Handeln des Einzelnen abgelöst, das
vom Banne der Gattung frei ist. Diese Freiheit ist Wahlfreiheit. Jeder
stellt seine eigene Waffe her, nach eigenem Geschick und eigener Überlegung.
Die vielen Funde von verfehlten und verworfenen Stücken zeugen noch
heute von der Mühe dieses anfänglichen »denkenden Tuns«.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 29-30 ).
Wenn trotzdem die Stücke so ähnlich sind, daß
man nach ihnen mit sehr zweifelhaftem Recht »Kulturen«
wie Acheuléen und Solutréen unterscheidet, und durch alle
fünf Erdteile sicher mit Unrecht danach Zeitvergleiche
vornimmt, so liegt das daran, daß diese Befreiung vom Zwang der
Gattung zunächst nur als große Möglichkeit wirkt
und anfangs weit davon entfernt ist, verwirklichter Individualismus zu
sein. Niemand will den Originellen spielen. Ebensowenig denkt jemand daran,
den andern nachzuahmen. Jeder denkt und arbeitet für sich, aber das
Leben der Gattung ist so mächtig, daß das Ergebnis trotzdem
überall ähnlich ist wie im Grunde heute noch. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 30 ).
Zum »Denken des Auges«, dem verstehenden scharfen
Blick der großen Raubtiere ist damit das »Denken
der Hand« getreten. Aus jenem entwickelt sich seitdem das theoretische,
betrachtende, beschauliche Denken, das »Nachsinnen«, die »Weisheit«,
aus diesem das praktische, tätige, die Schlauheit, die eigentliche
»Intelligenz«. Das Auge forscht nach Ursache und Wirkung,
die Hand arbeitet nach den Prinzipien von Mittel und Zweck. Ob etwas zweckmäßig
oder unzweckmäßig ist das Werturteil der Tätigen
hat mit wahr und falsch, den Werten des Betrachtenden, mit
Wahrheit nichts zu tun. Der Zweck ist eine Tatsache, der Zusammenhang
von Ursache und Wirkung eine Wahrheit (Untergang
des Abendlandes, Bd. I, Kap. II, § 16, Bd. II, Kap. III, § 6).
So sind die sehr verschiedenen Denkweisen des Wahrheitsmenschen
des Priesters, Gelehrten, Philosophen , und des Tatsachenmenschen
des Politikers, Feldherrn, Kaufmanns entstanden. Seitdem
und heute noch ist die befehlende, hinweisende, zur Faust geballte Hand
der Ausdruck eines Willens. Deshalb die Aufschlüsse aus Handschrift
und Gestalt der Hand. Deshalb die sprachlichen Wendungen von der schweren
Hand des Eroberers, der glücklichen Hand eines Geschäftsmannes,
daher die seelischen Merkmale der Verbrecher- und der Künstlerhand.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 30-31 ).
Mit der Hand, der Waffe und dem persönlichen Denken ist der
Mensch schöpferisch geworden. Alles was Tiere tun, bleibt
im Rahmen des Tuns der Gattung und bereichert deren Leben nicht. Der Mensch
aber, das schöpferische Tier, hat einen Reichtum von erfinderischem
Denken und Tun über die Welt verbreitet, der es berechtigt erscheinen
läßt, wenn er seine kurze Geschichte die »Weltgeschichte«
nennt und seine Umgebung als die »Menschheit« mit der gesamten
übrigen Natur als Hintergrund, Objekt und Mittel betrachtet.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 32 ).
Das Tun der denkenden Hand aber nennen wir die Tat.
Tätigkeit gibt es mit dem Dasein der Tiere, Taten erst mit dem Dasein
des Menschen.
Nichts ist so bezeichnend für den Unterschied als das Anzünden
des Feuers. ( ).
Man sieht - Ursache und Wirkung - wie Feuer entsteht. Auch viele Tiere
sehen es. Aber der Mensch allein denkt - Zweck und Mittel - ein
Verfahren aus, um es herzustellen. Keine zweite Tat macht so den Eindruck
des Schöpferischen. Es ist die Tat des Prometheus. Eine der unheimlichsten,
gewaltigsten, rätselhaftesten Erscheinungen der Natur - der Blitz,
der Waldbrand, ein Vulkan - wird vom Menschen selbst ins Leben gerufen,
gegen die Natur. Wie mag das auf die Seele gewirkt haben, der erste Blick
in die selbst entzündete Flamme! ( ).
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 32-33 ).
Unter dem gewaltigen Eindruck der freien, bewußten Einzeltat,
die sich aus dem gleichförmigen, triebhaften, massenhaften »Tun
der Gattung« heraushebt, hat sich nun die eigentliche Menschenseele
gestaltet, sehr einsam selbst im Vergleich zu anderen Raubtierseelen,
mit dem stolzen und schwermütigen Blick des Wissenden über
sein eignes Schicksal hin, dem unbändigen Machtgefühl in der
tatgewohnten Faust, jedermanns Feind, tötend, hassend, zu
Sieg oder Sterben entschlossen. Diese Seele ist tiefer und leidenvoler
als die irgendeines Tieres. Sie steht in unversöhnlichem Gegensatz
zur gesamten Welt, von der sie durch ihr eigenes Schöpfertum
getrennt ist. Es ist die Seele eines Empörers. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 33 ).
Der früheste Mensch horstet einsam wie ein Raubvogel. Wenn
sich auch einige »Familien« zu einem Rudel zusammentun, so
geschieht das in losester Form. Noch ist von Stämmen keine Rede,
geschweige denn von Völkern. Das Rudel ist eine zufällige Sammlung
von ein paar Männern, die sich gerade einmal nicht bekämpfen,
mit ihren Weibern und deren Kindern, ohne Gemeingefühl, in vollkommener
Freiheit, kein »Wir« wie eine Herde von bloßen Gattungsexemplaren.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 33-34 ).
Die Seele dieser starken Einsamen ist durch und durch kriegerisch,
mißtrauisch, eifersüchtig auf die eigene Macht und Beute. Sie
kennt das Pathos nicht nur des »Ich«, sondern auch des »Mein«.
Sie kennt den Rausch des Gefühls, wenn das Messer in den feindlichen
Leib schneidet, wenn Blutgeruch und Stöhnen zu den triumphierenden
Sinnen dringen. Jeder wirkliche »Mann« noch in den Städten
später Kulturen fühlt zuweilen die schlafende Glut dieses Urseelentums
in sich. Nichts von der jämmerlichen Feststellung, daß irgend
etwas »nützlich« ist, daß es »Arbeit erspart«.
Noch weniger von den zahnlosen Gefühlen des Mitleids, der Versöhnung,
der Sehnsucht nach Ruhe. Dafür aber der volle Stolz darauf, weithin
seiner Stärke und seines Glücks wegen gefürchtet, bewundert,
gehaßt zu sein, und der Drang nach Rache an allem, seien es lebende
Wesen oder Dinge, was diesen Stolz auch nur durch sein Dasein verletzt.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 34 ).
Und diese Seele schreitet fort in wachsender Entfremdung gegenüber
der ganzen Natur. Die Waffen aller Raubtiere sind natürlich,
nur die bewaffnete Faust des Menschen, mit der künstlich hergestellten,
durchdachten, gewählten Waffe, ist es nicht. Hier beginnt »Kunst«
als Gegenbegriff zur Natur. Jedes technische Verfahren des Menschen
ist eine Kunst und ist immer so genannt worden, die Kunst des Bogenschießens
und Reitens wie die Kriegskunst, die Künste des Bauens, des Regierens,
des Opferns und Wahrsagens, des Malens und Versemachens, des wissenschaftlichen
Experimentierens. Künstlich, widernatürlich
ist jedes Werk vom Anzünden des Feuers bis zu den Leistungen, die
wir in hohen Kulturen als eigentlich künstlerische bezeichnen. Der
Natur wird das Vorrecht des Schöpfertums entrissen. Der »freie
Wille« schon ist ein Akt der Empörung, nichts anderes. Der
schöpferische Mensch ist aus dem Verbande der Natur herausgetreten,
und mit jeder neuen Schöpfung entfernt er sich weiter und feindseliger
von ihr. Das ist seine »Weltgschichte«, die Geschichte
einer unaufhaltsam fortschreitenden, verhängnisvollen Entzweiung
zwischen Menschenwelt und Weltall, die Geschichte eines Empörers,
der dem Schoße seiner Mutter entwachsen die Hand gegen sie erhebt.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 34-35 ).
Die Tragödie des Menschen beginnt,
denn die Natur ist stärker. Der Mensch bleibt abhängig
von ihr, die trotz allem auch ihn selbst, ihr Geschöpf, umfaßt.
Alle großen Kulturen sind ebenso viele Niederlagen. Ganze Rassen
bleiben, innerlich zerstört, gebrochen, der Unfruchtbarkeit und geistigen
Zerrüttung verfallen, als Opfer auf dem Platze. Der Kampf gegen die
Natur ist hoffnungslos, und trotzdem wird er bis zum Ende geführt
werden. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 35-36 ).
Die zweite Stufe: Sprechen und Unternehmen (S. 37-59)
(Das Tun zu mehreren. Seit wann
gibt es ein Sprechen in Worten? Zweck des Sprechens: das Unternehmen zu
mehreren. Zweck des Unternehmens: die Steigerung menschlicher Macht. Trennung
von Denken und Hand: Führerarbeit und ausführende Arbeit. Köpfe
und Hände: Rangunterschied der Begabungen. Organisation. Organisiertes
Dasein: Staat, Volk, Politik, Wirtschaft, Technik und Menschenzahl. Persönlichkeit
und Masse.)
Wie lange das Zeitalter der bewaffneten Hand dauerte, das heißt,
seit wann es den Menschen gibt, wissen wir nicht. Die Zahl von Jahren
ist auch belanglos, obwohl sie heute noch viel zu hoch angenommen wird.
Es handelt sich nicht um Millionen, nicht einmal um mehrere Jahrhunderttausende;
immerhin muß eine beträchtliche Zahl von Jahrtausenden verflossen
sein. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 37 ).
Nun aber tritt eine zweite Wandlung ein, die Epoche macht, ebenso
jäh und gewaltig, das Menschenschicksal von Grund aus umformend wie
die erste, wieder eine echte Mutation in dem eben erörterten Sinne
( ).
Die prähistorische Forschung hat das längst bemerkt. In der
Tat zeigen die Dinge, die in unsern Museen liegen, plötzlich ein
anderes Gesicht. Tongefäße treten auf, Spuren von »Ackerbau«
und »Viehzucht«, wie man es sorglos genug und viel zu modern
genannt hat, Hüttenbau, Gräber, Andeutungen des Verkehrs. Eine
neue Welt des technischen Denkens und Verfahrens meldet sich an. Vom Museumsstandpunkt
aus, viel zu flach und auf die bloße Anordnung von Funden versessen,
hat man ältere und jüngere Steinzeit, Paläolithikum und
Neolithikum, getrennt. Aber diese Einteilung des vorigen Jahrhunderts
erweckt längst Unbehagen, und man versucht seit Jahrzehnten, sie
durch etwas anderes zu ersetzen. Ausdrücke wie Mesolithikum, Mio-,
Mixoneolithikum beweisen indessen, daß man immer noch an einer bloßen
Ordnung der Objekte haftet und deshalb nicht weiter kommt. Was
sich verwandelt, sind aber nicht die Geräte, sondern der Mensch.
Noch einmal: Nur von der Seele aus läßt sich die Geschichte
des Menschen erschließen. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
37-38 ).
Diese Mutation ( )
läßt sich ziemlich genau festlegen, etwa ins fünfte Jahrtausend
v. Chr. (auf Grund der Forschungen ... am schwedischen
Bänderton: Reallexikon der Vorgeschichte, Bd. II [Diluvialchronologie]).
Längstens zwei Jahrtausende später beginnen schon die Hochkulturen
in Ägypten und Mesopotamien. Man sieht, das Tempo der Geschichte
nimmt tragische Maße an. Vorher spielten Jahrtausende kaum eine
Rolle, jetzt wird jedes Jahrhundert wichtig. Der rollende Stein nähert
sich in rasenden Sprüngen dem Abgrund. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 38 ).
Aber was ist geschehen? Dringt man tiefer in diese neue Formenwelt
menschlicher Taten ein, so sieht man bald sehr verwirrte und komplizierte
Zusammenhänge. All diese Techniken setzen sich gegenseitig voraus.
Die Haltung von gezähmten Tieren fordert das Anpflanzen von Futtermitteln,
die Saat und Ernte von Nahrungspflanzen das Vorhandensein von Zug- und
Lasttieren, diese wieder den Bau von Gehegen, jede Art von Bauten die
Herstellung und den Transport von Baustoffen, der Verkehr die Straße,
das Saumtier und das Schiff. (Oswald Spengler, Der Mensch und
die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 38 ).
Was ist das seelisch Umwälzende an alledem? Ich gebe
die Antwort: Das planmäßige Tun zu mehreren. Bis dahin
lebt jeder Mensch sein eigenes Leben, stellt selbst seine Waffe her, führt
allein seine Taktik im täglichen Kampfe durch. Keiner braucht den
anderen. Das ändert sich plötzlich. Diese neuen Verfahren dehnen
sich über lange Zeiträume, unter Umständen über Jahre
aus man denke an den Weg vom Fällen der Bäume bis zur
Abfahrt des mit ihnen gebauten Schiffes und ebenso über weite
Strecken. Sie zerfallen in Reihen von genau geordneten Einzelakten und
in Gruppen von nebeneinander durchgeführten Handlungen. Diese Gesamtverfahren
aber setzen als unentbehrliches Mittel die Wortsprache voraus.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 38 ).
Das Sprechen in Sätzen und Worten kann nicht früher
oder später, es muß damals entstanden sein, rasch wie alles
Entscheidende, und zwar in engem Zusammenhang mit der neuen Art menschlicher
Verfahren. Das läßt sich beweisen. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 38 ).
Was ist »Sprechen«? ( ).
Ohne Zweifel ein Verfahren zum Zweck von Mitteilungen, eine Tätigkeit,
die von zahlreichen Menschen fortgesetzt untereinander ausgeübt wird.
»Sprache« ist nur eine Abstraktion davon, die innere
grammatische Form des Sprechens einschließlich der Wortformen.
Diese Form muß verbreitet sein und eine gewisse Dauer haben, wenn
Mitteilungen wirklich stattfinden sollen. Ich hatte früher ( )
gezeigt, daß dem Sprechen in Sätzen einfachere Formen der Mitteilung
vorausgehen Zeichen fürs Auge, Signale, Gesten, Warnungs-
und Drohrufe die sämtlich zur Unterstützung des Sprechens
in Sätzen fortbestehen, auch heute noch, als Sprechmelodie, Betonung,
Mienenspiel, Handbewegungen, in der heutigen Schrift als Interpunktion.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 40 ).
Trotzdem ist das »fließende« Sprechen
dem Gehalt nach etwas ganz Neues. Seit Hamann und Herder hat man sich
denn auch immer wieder die Frage nach seiner Entstehung vorgelegt. Wenn
alle Antworten bis zum heutigen Tage uns unbefriedigt lassen, so liegt
das daran, daß die Frage falsch gemeint war. Denn der Ursprung
des Sprechens in Worten kann nicht in der Tätigkeit des Sprechens
selbst gesucht werden. So dachten die Romantiker, wirklichkeitsfremd wie
immer, welche die Sprache aus der »Urpoesie der Menschheit«
ableiteten nein, mehr noch: die Sprache war die Urdichtung des
Menschen; sie war Mythus, Lyrik, Gebet zugleich, und Prosa war nur die
spätere Herabwürdigung zum gemeinen Gebrauch des Tages. Aber
dann müßte die innere Form der Sprache, die Grammatik, der
logische Aufbau der Sätze ganz anders aussehen. Gerade urwüchsige
Sprachen wie die der Bantu- und der Turkstämme zeigen die Tendenz
besonders deutlich, ganz klare, scharfe, unmißverständliche
Unterscheidungen zu treffen. (Bis zu dem
Grade, daß in manchen Sprachen der »Satz« ein einziges
Wortungeheuer ist, in dem durch klassifizierende Vor- und Nachsilben in
gesetzmäßiger Ordnung alles ausgedrückt wird, was gesagt
werden soll.) (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 40-41 ).
Aber das führt zum Grundfehler der Feinde aller Romantik,
der Rationalisten. Sie laufen stets der Meinung nach, daß der Satz
ein Urteil oder einen Gedanken ausdrücke. Sie sitzen
an ihrem Schreibtisch voller Bücher und grübeln über ihr
eigenes Denken und Schreiben nach. Da scheint ihnen der »Gedanke«
der Zweck des Sprechens zu sein. Weil sie allein zu sitzen pflegen,
vergessen sie über dem Sprechen das Hören, über
der Frage die Antwort, über dem Ich das Du. Sie sagen
»Sprache« und meinen die Rede, den Vortrag, die Abhandlung.
Ihre Ansicht vom Entstehen der Sprache ist monologisch und deshalb
falsch. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 41 ).
Die richtig gestellte Frage lautet nicht: Wie, sondern wann
entsteht das Sprechen in Worten? Und dann wird sehr bald alles klar. Der
meist mißverstandene oder übersehene Zweck des Sprechens
in Sätzen ergibt sich aus der Zeit, seit welcher so, nämlich
fließend gesprochen wird. Und der Zweck liegt in der Form
der Satzbildung klar zutage. Das Sprechen erfolgt nicht monologisch, sondern
dialogisch, die Satzreihen folgen nicht als Rede, sondern zwischen
mehreren Menschen als Unterredung. Der Zweck ist nicht ein Verstehen
aus dem Nachdenken heraus, sondern eine wechselseitige Verständigung
durch Frage und Antwort. Welches sind denn die ursprünglichen Formen
des Sprechens? Nicht das Urteil, die Aussage, sondern der Befehl, der
Ausdruck des Gehorsams, die Feststellung, die Frage, die Bejahung, die
Verneinung. Es sind Sätze, die sich stets an einen anderen
wenden, ursprünglich, sicher ganz kurz: Tu das! Fertig? Ja! Anfangen!
Die Worte als Begriffsbezeichnung*
folgen erst aus dem Zweck der Sätze, so daß von Anfang an der
Wortschatz eines Jägerstammes ganz anders ist als der eines Dorfes
von Viehzüchtern oder einer seefahrenden Küstenbevölkerung.
(* Der Begriff ist die Einordnung von Dingen, Lagen,
Tätigkeiten in Klassen von praktischer Allgemeinheit. Der
Pferdebesitzer sagt nicht »Pferd«, sondern Schimmelstute oder
Rappfohlen, der Jäger nicht »Wildschwein«, sondern Keiler,
Bache, Frischling.) Ursprünglich war die Sprache eine schwierige
Tätigkeit*, und man sprach gewiß
nur das Notwendigste. (* Und sicher lernten erst
Erwachsene fließend sprechen, wie noch viel später schreiben.)
Noch heute ist der Bauer schweigsam im Verhältnis zum Städter,
der infolge seiner Sprachgewöhnung den Mund nicht halten kann und
aus Langerweile schwatzt und Konversation macht, sobald er nichts zu tun
hat, und ob er etwas zu sagen hat oder nicht. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 41-42 ).
Der ursprüngliche Zweck des Sprechens ist die Durchführung
einer Tat nach Absicht, Zeit, Ort, Mitteln. Die klare, eindeutige
Fassung derselben ist das Erste, und aus der Schwierigkeit, sich verständlich
zu machen, den eigenen Willen anderen aufzuerlegen, ergibt sich die Technik
der Grammatik, die Technik der Bildung von sätzen und Satzarten,
des richtigen Befehlens, Fragens, Antwortens, der Ausbildung von Wortklassen
auf Grund der praktischen, nicht der theoretischen Absichten und
Ziele. Das theoretische Nachdenken hat am Entstehen des Sprechens in Sätzen
so gut wie gar keinen Anteil. Alles Sprechen ist praktischer Natur und
geht vom »Denken der Hand« aus. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 43-44 ).
Das Tun zu mehreren nennen wir Unternehmen. Sprechen
und Unternehmen setzen sich in genau derselben Weise gegenseitig voraus
wie früher Hand und Werkzeug. Sprechen zu mehreren hat seine
innere, grammatische Form an der Durchführung von Unternehmungen
entwickelt, und die Gewohnheit des Unternehmens ist von der Methode des
sprachgebundenen Denkens geschult worden. Denn Sprechen heißt, sich
anderen denkend mitzuteilen. Wenn Sprechen ein Tun ist, so ist
es ein geistiges Tun mit sinnlichen Mitteln. Es hat die
unmittelbare Verbindung mit körperlichem Tun sehr bald nicht mehr
nötig. Denn das ist das Neue, welches jetzt, seit dem 5. Jahrtausend
v. Chr., Epoche macht: Das Denken, der Geist, der Verstand oder wie man
das nennen will, was sich durch die Sprache von der Verbundenheit
mit der tätigen Hand emanzipiert hat, tritt der Seele und dem Leben
nun als eine Macht für sich entgegen. Die rein geistige
Überlegung, die »Berechnung«, welche hier
plötzlich, entscheidend, alles verändernd auftaucht, ist diese,
daß gemeinsames Tun als Einheit eine Wirkung hat, als ob
ein Riese etwas täte. Oder wie es Mephistopheles im Faust ironisch
ausdrückt: »Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, // Sind ihre
Kräfte nicht die meine? // Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
// Als hätt' ich vierundzwanzig Beine.« (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 44-45 ).
Das Raubtier Mensch will seine Überlegenheit
bewußt steigern, weit über die Grenzen seiner Körperkraft
hinaus. Es opfert seinem Willen zu größerer Macht einen wichtigen
Zug gerade seines Lebens. Das Denken, das Berechnen der
größeren Wirkung ist das erste. Ihr zuliebe versteht man
sich darauf, ein wenig von seiner persönlichen Freiheit aufzugeben.
Innerlich bleibt man ja unabhängig. Aber kein Schritt in der Geschichte
läßt sich zurücktun. Die Zeit und also das Leben sind
nicht umkehrbar. Einmal an die Tätigkeit zu mehreren gewöhnt
und an ihre Erfolge, verwickelt sich der Mensch immer tiefer in diese
verhängnisvolle Bindungen. Das unternehmende Denken greift
immer stärker in das Seelenleben ein. Der Mensch ist Sklave seines
Gedankens geworden. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 45-46 ).
Der Schritt vom Gebrauch persönlicher Werkzeuge zum Unternehmen
von mehreren bezeichnet eine ungeheuer wachsende Künstlichkeit
der Verfahren. Das Arbeiten mit künstlichen Stoffen, das Töpfern,
Weben und Flechten, will noch nicht viel besagen, obwohl es viel durchgeistigter,
viel schöpferischer ist als alles frühere. Aber über
zahlreiche Verfahren, von denen wir nichts mehr wissen können, ragen
einige von gewaltiger Gedankenkraft hinaus, die Spuren hinterlassen haben.
Vor allem sind es die, welche aus dem »Gedanken des Bauens«
erwachsen sind. Wir kennen Bergwerke auf Feuerstein, lange vor aller Kenntnis
der Metalle, in Belgien, England, Österreich, Sizilien, Portugal,
die sicher bis in diese Zeit zurückreichen, mit Schächten und
Stollen, Wetterführung und Abstützungen, in denen mit Werkzeugen
aus Hirschgeweih gearbeitet wurde. (Reallexikon
der Vorgeschichte, Bd. I [Bergbau].) Es gibt in »frühneolithischer«
Zeit starke Beziehungen zwischen Portugal und Nordwestspanien und der
Bretagne unter Umgehung von Südfrankreich, zwischen der Bretagne
und Irland, die eine geregelte Schiffahrt und also den Bau von leistungsfähigen
Fahrzeugen unbekannter Art voraussetzen. Es gibt in Spanien Megalithbauten
aus behauenen Steinen von gewaltiger Größe, mit Deckplatten
im Gewicht von mehr als 100000 kg, die oft von weither herangeschafft
und mit einer uns unbekannten Technik an ihren Platz gesetzt werden mußten.
Macht man sich klar, was zu solchen Unternehmungen nötig ist an Nachdenken,
Beratung, Aufsicht, Befehlen, an monate- und jahrelanger Vorbereitung
zur Gewinnung und zum Heranbringen des Materials, zur zeitlichen und räumlichen
Verteilung der Aufgaben, dem Entwerfen des Planes, zur Übernahme
und Leitung der Ausführung? Welch langes Vorausdenken fordert das
Unternehmen der Schiffahrt auf hoher See im Vergleich zur Herrichtung
eines Feuersteinmessers! Schon der »zusammengesetzte Bogen«,
der auf spanischen Felsbildern dieser Zeit vorkommt, verlangt zu seiner
Herstellung aus wechselnden Lagen von Sehnenmasse, Horn und bestimmten
Hölzern ein kompliziertes Verfahren, das sich über 57
Jahre ausdehnt. Und die »Erfindung des Wagens«, wie wir sehr
naiv sagen, was setzt sie für ein Nachdenken, Anordnen und Tun voraus,
das sich von Zweck, Weg und Art des »Fahrens«, der Wahl und
Herstellung der Straße, an die meist niemand denkt, der Beschaffung
oder Züchtung von Zugtieren bis zu Erwägungen über Größe
und Art der Belastung, deren Sicherung, über Lenkung und Unterkunft
erstreckt! (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 46-48 ).
Eine ganz andere Welt von Schöpfungen geht aus dem »Gedanken
des Zeugens« hervor, nämlich der Züchtung von
Pflanzen und Tieren, durch welche der Mensch selbst die Schöpferin
Natur vertritt, nachahmt, verändert, verbessert und vergewaltigt.
Seit er damals Pflanzen anbaute, statt sie zu sammeln,
hat er sie sicherlich mit Bewußtsein für seine Zwecke umgestaltet.
Jedenfalls gehören die Funde zu Arten, die wildwachsend nicht nachgewiesen
sind. Und die ältesten Funde von Tierknochen, welche Viehhaltung
in irgend einer Form beweisen, zeigen bereits die Folgen der »Domestikation«,
die bestimmt zum Teil gewollt und durch Züchtung erreicht
worden sind. (Vgl. Otto Hilzheimer, Natürliche
Rassengeschichte der Haussäugetiere, 1926.) Der Begriff
der Beute des Raubtieres erweitert sich: Nicht nur das erlegte Tier ist
Beute und Eigentum, sondern schon die freiweidende Wildherde (wie
heue der Wildbestand unserer Wälder), ob man sie nun einhegt
oder nicht. Sie gehört jemandem, einem Stamm oder Jägertrupp,
und dieser verteidigt sein Recht auf Ausbeutung. Die Überführung
in Gefangenschaft zum Zweck der Züchtung, die den Anbau von Futtermitteln
voraussetzt, ist nur eine von mehreren Arten des Besitzens. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 48-49 ).
Ich hatte gezeigt, daß die Entstehung der bewaffneten Hand
die logische Trennung von zwei Verfahren zur Folge hatte: die Herstellung
und den Gebrauch der Waffe. Ebenso folgt nun aus dem sprachgeleiteten
Unternehmen die Trennung der Tätigkeiten des Denkens und der
Hand. Bei jedem Unternehmen läßt sich Ausdenken
und Ausführen unterscheiden, und von jetzt an ist die Leistung
des praktischen Denkens die erste und wichtigste. Es gibt Führerarbeit
und ausführende Arbeit: das ist für alle kommenden Zeiten
die technische Grundform des gesamten menschlichen Lebens geworden (Untergang
des Abendlandes, Bd. II, Kap. V, § 2, 4.). Ob es sich um eine
Jagd auf großes Wild oder einen Tempelbau, um ein kriegerisches
oder landwirtschaftliches Unternehmen, die Gründung einer Firma oder
eines Staates, um einen Karawanenzug, einen Aufstand, selbst um ein Verbrechen
handelt immer muß zuerst ein unternehmender, erfinderischer
Kopf da sein, der die Idee hat, die Ausführung leitet, der befiehlt,
die Aufgaben verteilt, kurz, der zum Führer geboren ist über
andere, die es nicht sind. (Oswald Spengler, Der Mensch und die
Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 49-50 ).
Es gibt aber nicht nur zwei Arten von Technik im Zeitalter des
sprachgeleiteten Unternehmens, die von Jahrhundert zu Jahrhundert schärfer
auseinandertreten, sondern auch zwei Arten von Menschen, die sich
durch ihre Begabung für eine von ihnen unterscheiden. Es gibt
bei jedem Verfahren eine Technik des Führens und eine andere der
Ausführung, aber ebenso selbstverständlich gibt es von Natur
Befehlende und Gehorchende, Subjekte und Objekte der politischen oder
wirtschaftlichen Verfahren. Das ist die Grundform des vielgestaltig
gewordenen menschlichen Lebens seit dieser Wandlung, die nur mit dem Leben
selbst zu beseitigen ist. (Oswald Spengler, Der Mensch und
die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 50 ).
Zugegeben, daß sie widernatürlich und künstlich
ist aber das ist ja »Kultur«. Sie mag verhängnisvoll
sein und ist es zu Zeiten wirklich gewesen, weil man sich einbildete,
sie künstlich beseitigen zu können, aber sie ist nichtsdestoweniger
eine unerschütterliche Tatsache. Regieren, Entscheiden, Leiten,
Befehlen ist eine Kunst, eine schwierige Technik, die wie jede
andre eine angeborene Begabung voraussetzt. Nur Kinder glauben, daß
der König mit der Krone zu Bette geht, und Untermenschen der Großstädte,
Marxisten, Literaten, glauben von Wirtschaftsführern etwas Ähnliches.
Unternehmen ist eine Arbeit, welche die Handarbeit erst möglich
macht. Und ebenso ist das Erfinden, Ausdenken, Berechnen, Durchführen
neuer Verfahren eine schöpferische Tätigkeit begabter
Köpfe, welche die ausführende Tätigkeit der Unschöpferischen
zur notwendigen Folge hat. Hierher gehört der etwas altmodische Unterschied
von Genie und Talent. Genie ist wörtlich (es
kommt vom lateinischen genius, der männlichen Zeugungskraft)
die Schöpferkraft, der heilige Funke im einzelnen Leben, der
in Strömen von Generationen rätselhaft auftaucht und erlischt
und plötzlich ein Zeitalter weithin erleuchtet. Talent ist eine Begabung
für vorhandene Einzelaufgaben, die sich durch Tradition, Lernen,
Übung, Dressur zu starker Wirkung entwickeln läßt. Talent
setzt Genie voraus, um angewendet werden zu können, nicht umgekehrt.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 50-52 ).
Es gibt zuletzt einen natürlichen Rangunterschied
zwischen Menschen, die zum Herrschen und die zum Dienen geboren sind,
zwischen Führern und Geführten des Lebens. Er ist schlechthin
vorhanden und wird in gesunden Zeiten und Bevölkerungen von jedermann
unwillkürlich anerkannt, als Tatsache, obgleich sich in Jahrhunderten
des Verfalls die meisten zwingen, das zu leugnen oder nicht sehen. Aber
gerade das Gerede von der »natürlichen Gleichheit aller«
beweist, daß es hier etwas fortzubeweisen gibt. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 52 ).
Das sprachgeleitete Unternehmen ist nun mit einer gewaltigen Einbuße
an Freiheit, der alten Freiheit des Raubtieres, verbunden für
die Führer wie die Geführten. Sie werden beide geistig,
seelisch, mit Leib und Leben Glieder einer größeren Einheit.
Das nennen wir Organisation. Es ist die Zusammenfassung des tätigen
Lebens in feste Formen, das In-Form-sein für Unternehmungen irgendwelcher
Art. Mit dem Tun zu mehreren erfolgt der entscheidende Schritt vom
organischen zum organisierten Dasein, vom Leben in natürlichen
zu dem in künstlichen Gruppen, vom Rudel zu Volk, Stamm, Stand
und Staat. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 52-53 ).
Aus Raubtierkämpfen zwischen einzelnen ist der Krieg
geworden, ein Unternehmen von Stamm gegen Stamm, mit Führern und
Gefolgschaften, mit organisierten Märschen, Überfällen
und Gefechten. Aus der Vernichtung des Besiegten wird das Gesetz,
das dem Unterliegenden auferlegt wird. Das menschliche Recht ist immer
ein Recht des Stärkeren, das der Schwächere zu befolgen
hat (Untergang des Abendlandes, Bd. II Kap. I, §
15; Kap. IV, § 6), und dieses Recht zwischen Stämmen
als dauernd gedacht ist der »Friede«. Einen solchen
Frieden gibt es auch innerhalb des Stammes, um seine Kräfte
für Aufgaben nach außen hin verfügbar zu halten: der
Staat ist die innere Ordnung eines Volkes für den äußeren
Zweck. Der Staat ist als Form, als Möglichkeit, was die
Geschichte eines Volkes als Wirklichkeit ist (ebenda).
Geschichte aber ist Kriegsgeschichte, damals wie heute. Politik
ist nur der vorübergehende Ersatz des Krieges durch den Kampf mit
geistigeren Waffen. Und die Mannschaft eines Volkes ist ursprünglich
gleichbedeutend mit seinem Heer. Der Charakter des freien Raubtieres
ist in wesentlichen Zügen vom einzelnen auf das organisierte Volk
übergegangen, das Tier mit einer Seele und vielen Händen
(und mit einem Kopf, nicht mit vielen).
Regierungs-, Kriegs- und diplomatische Technik haben dieselbe Wurzel und
zu allen Zeiten eine tief innerliche Verwandtschaft. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 53-54 ).
Es gibt Völker, deren starke Rasse den Raubtiercharakter
bewahrt hat, räuberische, erobernde, Herrenvölker, Liebhaber
des Kampfes gegen Menschen, welche den wirtschaftlichen Kampf gegen
die Natur den andern überlassen, um sie zu plündern und
zu unterwerfen. Mit der Schiffahrt zugleich ist der Seeraub, mit dem Nomadenleben
der Überfall auf Handelsstraßen, mit dem Bauerntum dessen Knechtung
durch einen kriegerischen Adel gegeben. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 54 ).
Denn mit der Organisation zu Unternehmungen trennt sich auch die
politische und die wirtschaftliche Seite des Lebens, die
Richtung auf Macht oder auf Beute. Es gibt nicht nur eine
Gliederung innerhalb der Völker nach Tätigkeiten, Krieger
und Handwerker, Häuptlinge und Bauern, sondern auch die Organisation
ganzer Stämme für einen einzigen wirtschaftlichen Beruf.
Es muß damals schon Jäger-, Viehzüchter-, Bauernstämme
gegeben haben, Bergbau-, Töpfer- und Fischerdörfer, politische
Organisationen von Seefahrern und Händlern. Und darüber hinaus
gibt es Eroberervölker ohne wirtschaftliche Arbeit. Je härter
der Kampf um Macht und Beute, desto enger und strenger die Bindungen des
einzelnen durch Recht und Gewalt. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
54-55 ).
In den Stämmen dieser frühen Art bedeutet das einzelne
Leben wenig oder gar nichts. Man mache sich nur klar die isländischen
Sagas geben einen Einblick , daß bei jeder Fahrt über
See nur ein Teil der Schiffe ankommt, daß bei jedem großen
Bau ein erheblicher Teil der Arbeitenden zugrunde geht, daß ganze
Stämme in Zeiten der Trockenheit verhungern es kommt nur darauf
an, daß so viele übrig bleiben, um die Seele des Ganzen
zu repräsentieren. Die Zahl wächst rasch wieder nach.
Als Vernichtung empfindet man nicht den Untergang einzelner oder vieler,
sondern das Erlöschen der Organisation, des »Wir«.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 55 ).
In dieser wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit
liegt die stille und tiefe Rache der Natur an dem Wesen, das ihr das Vorrecht
auf Schöpfertum entriß. Dieser kleine Schöpfer wider
die Natur, dieser Revolutionär in der Welt des Lebens ist der Sklave
seiner Schöpfung geworden. Die Kultur, der Inbegriff künstlicher,
persönlicher, selbstgeschaffener Lebensformen, entwickelt sich zu
einem Käfig mit engen Gittern für diese unbändige Seele.
Das Raubtier, das andere Wesen zu Haustieren machte, um sie für sich
auszubeuten, hat sich selbst gefangen. Das Haus des Menschen ist
das große Symbol dafür. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
55-56 ).
Und seine wachsende Zahl, in welcher der einzelne sich bedeutungslos
verliert. Denn das gehört zu den folgenschwersten Wirkungen menschlichen
Unternehmergeistes, daß die Bevölkerung sich vervielfacht.
Wo einst ein Rudel von wenigen hundert Köpfen schweifte, sitzt
jetzt ein Volk von Zehntausenden (und drängen
sich heute Millionen). Es gibt kaum noch menschenleere Räume.
Volk grenzt an Volk, und die bloße Tatsache der Grenze, der
Grenze eigener Macht, reizt die alten Instinkte zu Haß, Angriff
und Vernichtung. Die Grenze jeder Art, auch die geistige, ist der Todfeind
des Willens zur Macht. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 56 ).
Es ist nicht wahr, daß menschliche Technik Arbeit erspart.
Es gehört zum Wesen der sich verändernden, persönlichen
Menschentechnik im Gegensatz zur Gattungstechnik der Tiere, daß
jede Erfindung die Möglichkeit und Notwendigkeit neuer Erfindungen
enthält, daß jeder erfüllte Wunsch tausend andere weckt,
jeder Triumph über die Natur zu noch größeren reizt. Die
Seele dieses Raubtiers ist unersättlich, sein Wollen nie zu befriedigen
das ist der Fluch, der auf dieser Art von Leben liegt, aber auch
die Größe in ihrem Schicksal. Ruhe, Glück, Genuß
sind gerade den höchsten Exemplaren unbekannt. Und kein Erfinder
hat je die praktische Wirkung seiner Tat richtig vorausgesehen.
Je fruchtbarer die Führerarbeit ist, desto
größer wird der Bedarf an ausführenden Händen. Deshalb
beginnt man die Gefangenen feindlicher Stämme, statt sie zu töten,
hinsichtlich ihrer Körperschaft auszubeuten. Das ist der Beginn der
Sklaverei, die genau so alt sein muß wie die Sklaverei
der Haustiere. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik -
Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 56-57 ).
Diese Völker und Stämme vermehren sich gewissermaßen
nach unten. Nicht die Zahl der »Köpfe« wächst,
sondern die der Hände. Die Gruppe der Führernaturen bleibt
klein. Es ist das Rudel der eigentlichen Raubtiere, das Rudel der Begabten,
das über die wachsende Herde der andern in irgendeiner Weise
verfügt. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik -
Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 57 ).
Aber selbst diese Herrschaft der wenigen ist von der alten Freiheit
weit entfernt. Das liegt in dem Worte Friedrichs des Großen: »Ich
bin der erste Diener meines Staates.« Deshalb der tiefe verzweifelte
Drang der Ausnahmemenschen, innerlich frei zu bleiben. Hier und
erst hier beginnt der Individualismus als der Widerspruch gegen die
Psychologie der »Masse«. Es ist das letzte Aufbäumen
der Raubtierseele gegen die Gefangenschaft in der Kultur, der letzte Versuch,
sich der seelischen und geistigen Einebnung zu entziehen, die durch
die Tatsache der großen Zahl bewirkt und dargestellt wird. Deshalb
die Lebenstypen des Eroberers, des Abenteurers, des Einsiedlers, selbst
ein gewisser Typus von Verbrechern und Bohemiens. Man will der Wirkung
der saugenden Zahl entgehen, indem man sich über sie stellt, vor
ihr flieht, sie verachtet. Die Idee der Persönlichkeit, dunkel beginnend,
ist ein Protest gegen den Menschen der Masse. Die Spannung zwischen beiden
wächst bis zum tragischen Ende. (Oswald Spengler, Der Mensch
und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S.
57 ).
Der Haß, das eigentliche Rassegefühl der Raubtiere,
setzt voraus, daß man den Gegner achtet. Es liegt eine gewisse
Anerkennung der Gleichheit des seelischen Ranges darin. Wesen, die tiefer
stehen, verachtet man. Wesen, die selbst tief stehen, sind neidisch.
Alle frühen Märchen, Göttermythen und Heldensagen sind
voll von solchen Motiven. Der Adler haßt nur seinesgleichen. Er
beneidet niemand, er verachtet viele, alle. Die Verachtung blickt aus
der Höhe herab, der Neid schiebt von unten herauf - es sind die welthistorischen
Gefühle der zu Staaten und Ständen organisierten Menschheit,
deren friedliche Exemplare ohnmächtig an den Stäben des Käfigs
rütteln, der sie zusammen einschließt. Von dieser Tatsache
und ihren Folgen kann nichts befreien. So war es, so wird es sein
- oder es wird gar nichts mehr sein. Es hat einen Sinn, diese Tatsache
zu achten oder zu verachten. Sie zu verändern ist unmöglich.
Das Schicksal des Menschen ist im Laufe und muß sich vollenden.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 58-59 ).
Der Ausgang: Aufstieg und Ende der Maschinenkultur (S. 60-89)
(Wikinger des Geistes. Experiment,
Arbeitshypothese, Perpetuum mobile. Sinn der Maschine: die anorganischen
Kräfte der Natur zur Arbeit gezwungen. Industrie, Reichtum und Macht.
Kohle und Menschenzahl. Mechanisierung der Welt. Symptome des Verfalls:
Abnahme der Führernaturen. Meuterei der Hände. Verlust des Monopols
der Technik. Die farbige Welt. Ende.)
Die »Kultur« der bewaffneten Hand
( )
hatte einen langen Atem und hat die ganze Gattung Mensch ergriffen. Die
»Kulturen des Sprechens und Unternehmens« ( )
- es sind bereits mehrere, die sich deutlich unterscheiden lassen
-, diese Kulturen des beginnenden seelischen Gegensatzes zwischen Persönlichkeit
und Masse, des herrschsüchtig werdenden »Geistes« und
des von ihm vergewaltigten Lebens ergreifen nur noch einen Teil der Menschenwelt
und sind heute, nach wenigen Jahrtausenden, längst alle erloschen
und zersetzt. Was wir »Naturvölker« und »Primitive«
nennen, sind nur die Reste des lebenden Materials, Ruinen einstiger durchseelter
Formen, Schlacken, aus denen die Glut des Werdens und Vergehens entschwunden
ist. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 60 ).
Aus diesem Boden wachsen seit 3000 v. Chr.
hier und dort die hohen Kulturen ( )
auf, Kulturen im engsten und größten Sinne, jede nur noch einen
sehr kleinen Raum der Erdoberfläche erfüllend und von der Dauer
kaum eines Jahrtausends. Es ist das Tempo der letzten Katastrophen. Jedes
Jahrzehnt bedeutet etwas, jedes einzelne Jahr fast hat »ein Gesicht«.
Es ist Weltgeschichte im eigentlichsten, anspruchvollsten Sinne. Diese
Gruppe von leidenschaftlichen Lebensläufen hat als ihr Symbol und
ihre »Welt« die S t a d t erfunden,
gegenüber dem Dorf der voraufgehenden Stufe, die steinerne Stadt
als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der mütterlichen
Erde getrennten, vollkommen gegennatürlich gewordenen Lebens, die
Stadt des wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande
an sich zieht und verbraucht ( ).
Dort entsteht die »Gesellschaft« ( )
mit ihrer ständischen Rangordnung Adlige, Priester, Bürger
gegenüber dem »groben Bauerntum« als die künstliche
Stufung des Lebens ... und als Sitz einer vollkommen durchgeistigten Kulturentwicklung.
Dort herrschen »Luxus« und »Reichtum«. Das sind
Begriffe, die von denen, die nicht dazu gehören, neidisch mißverstanden
werden. Aber Luxus ist nichts als Kultur in anspruchsvollster Form. Man
denke an das Athen des Perikles, das bagdad Harun al Raschids und an das
Rokoko. Diese Kultur der Städte ist durch und durch Luxus,
in allen Schichten und Berufen, um so reicher und reifer, je später
die Zeiten werden, durch und durch künstlich, ob es sich nun um Künste
der Diplomatie, der Lebensführung, des Schmückens, Schreibens
und Denkens oder des Wirtschaftslebens handelt. Ohne wirtschaftlichen
Reichtum, der sich in wenigen Händen sammelt, ist auch »Reichtum«
an bildenden Künsten, an Geist, an vornehmer Sitte unmöglich,
um von dem Luxus an Weltanschauungen, an theoretischem statt praktischem
Denken zu schweigen. Wirtschaftliche Verarmung zieht geistige und künstlerische
sofort nach sich. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 60-62 ).
Und in diesem Sinne sind auch die technischen Verfahren, die in
der Gruppe dieser Kulturen heranreifen, geistiger Luxus, späte, süße,
leichtverletztliche Früchte einer wachsenden Künstlichkeit und
Durchgeistigung. Sie beginnen mit dem Bau der Gräberpyramiden Ägyptens
und der sumerischen Tempeltürme Babyloniens, die im dritten Jahrtausend
v. Chr. tief im Süden entstehen und lediglich den Sieg über
schwere Massen bedeuten, und gehen über die Unternehmungen der chinesischen,
indischen, antiken, der arabischen und mexikanischen Kultur bis zu denen
der faustischen ... im hohen Norden, welche den Sieg über schwere
Probleme reinen technischen Denkens darstellen. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 62-63 ).
Denn diese Kulturen wachsen unabhängig voneinander
und in einer Folge auf, die von Süden nach Norden weist. Die
faustische, westeuropäische Kultur ist vielleicht nicht die
letzte, sicherlich aber die gewaltigste, leidenschaftlichste, durch
ihren inneren Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster
seelischer Zerissenheit die tragischste von allen. Es ist möglich,
daß noch ein matter Nachzügler kommt, etwa irgendwo zwischen
Weichsel und Amur und im nächsten Jahrtausend, hier aber ist der
Kampf zwischen der Natur und dem Menschen, der sich durch sein historisches
Dasein gegen sie aufgelehnt hat, praktisch zu Ende geführt worden.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 63 ).
Die nordische Landschaft hat den Menschenschlag in ihr durch die
Schwere der Lebensbedingungen, die Kälte, die beständige Lebensnot
zu harten Rassen geschmiedet, mit einem bis aufs äußerste geschärften
Geist, mit der kalten Glut einer unbändigen Leidenschaft im Kämpfen,
Wagen, Vorwärtsdrängen das, was ich das Pathos der
dritten Dimension genannt habe (vgl. Der
Untergang des Abendlandes, Band I, Kapitel III, § 2 f., Kapitel
V, § 3). Es sind noch einmal echte Raubtiere, deren Seelenkraft
nach der Unmöglichkeit ringt, die Übermacht des Denkens, des
organisierten künstlichen Lebens über das Blut zu brechen und
in ein Dienen zu verwandeln, das Schicksal der freien Persönlichkeit
zum Sinn der Welt zu erheben. Ein Wille zur Macht, der aller Grenzen von
Zeit und Raum spottet, der das Grenzenlose, das Unendliche zum eigentlichen
Ziel hat, unterwirft sich ganze Erdteile, umfaßt zuletzt den Erdball
mit den Formen seines Verkehrs und seines Nachrichtenwesens und verwandelt
ihn durch die Gewalt seiner praktischen Energie und die Ungeheuerlichkeit
seiner technischen Verfahren. (Oswald Spengler, Der Mensch und
die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 63-64 ).
Am Anfang jeder hohen Kultur bilden sich die beiden Urstände,
Adel und Priestertum, als die Anfange der »Gesellschaft« über
dem bäuerlichen Leben des flachen Landes (vgl.
Der Untergang des Abendlandes, Band II, Kapitel IV, § 2 ).
Sie verkörpern Ideen, und zwar Ideen, die einander ausschließen.
Der Adlige, Krieger, Abenteurer lebt in der Welt der Tatsachen,
der Priester, Gelehrte, Philosoph in seiner Welt der Wahrheiten.
Der eine erleidet oder ist ein Schicksal, der andere denkt in Kausalitäten.
Jener will den Geist in den Dienst eines starken Lebens stellen, dieser
sein Leben in den Dienst des Geistes. Nirgends hat der Gegensatz unversöhnlichere
Formen angenommen als in der faustischen Kultur, in der das stolze Blut
der Raubtiere sich zum letzten Male gegen die Tyrannei des reinen Denkens
auflehnt. Von dem Kampf zwischen den Ideen des Kaisertums und Papsttums
im 12. und 13. Jahrhundert an bis zum Kampf zwischen den Mächten
einer vornehmen Rassetradition Königtum, Adel, Heer
und den Theorien eines plebejischen Rationalismus, Liberalismus Sozialismus
von der französischen bis zur deutschen Revolution
wurde immer wieder die Entscheidung gesucht. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 64-65 ).
Dieser Unterschied besteht in voller Größe zwischen
den Wikingern des Blutes und den Wikingern des Geistes im
Aufstieg der faustischen Kultur. Jene erreichen in unstillbarem Drang
nach unendlichen Fernen vom hohen Norden aus 796 Spanien, 859 das Innere
Rußlands, 861 Island und zur selben Zeit Marokko, von dort her die
Provence und die Nähe von Rom, 865 über Kijew (Kaenugard) das
Schwarze Meer und Byzanz, 880 das Kaspische Meer, 909 Persien. Sie besiedeln
um 900 die Normandie und Island, um 980 Grönland, entdecken um 1000
Nordamerika. 1029 sind sie von der Normandie her in Unteritalien und Sizilien,
1034 von Byzanz aus in Griechenland und Kleinasien, 1066 erobern sie von
der Normandie aus England. (vgl. Karl Theodor Strasser,
Wikinger und Normannen, 1928) (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 65-66 ).
Mit derselben Kühnheit und demselben Hunger nach geistiger
Macht und Beute dringen nordische Mönche des 13. und 14. Jahrhunderts
in die Welt technisch-physikalischer Probleme ein. Hier ist nichts von
der tatfremden müßigen Neugierde chinesischer, indischer, antiker
und arabischer Gelehrten. Hier gibt es keine Spekulation mit dem Ziel,
eine bloße »Theorie«, ein Bild zu erhalten von dem,
was man nicht wissen kann. Zwar ist jede naturwissenschaftliche
Theorie ein Mythus des Verstandes von den Mächten der Natur,
und jede ist von der zugehörigen Religion durch und durch abhängig.
(Vgl. Der Untergang des Abendlandes, Band
I, Kapitel VI.) Hier aber, und hier allein, ist die Theorie von
Anfang an Arbeitshypothese (vgl. Der Untergang
des Abendlandes, Band II, Kapitel III, § 19). Eine Arbeitshypothese
braucht nicht »richtig«, sie muß nur praktisch brauchbar
sein. Sie will die Geheimnisse der Welt rings um uns her nicht enthüllen,
sondern bestimmten Zwecken dienstbar machen. Deshalb die Forderung
der mathematischen Methode, die von den Engländern Grosseteste
(geb. 1175) und Roger Bacon (geb. um 1210), den Deutschen Albertus Magnus
(geb. 1193) und Witelo (geb. 1220) erhoben wurde. Deshalb das Experiment,
Bacons scientia experimentalis, die Befragung der Natur mit der Folter,
mit Hebeln und Schrauben. (Vgl. Der Untergang
des Abendlandes, Band II, Kapitel V, § 6.) Experimentum
enim solum certificat, wie Albertus Magnus schrieb. Es ist die Kriegslist
geistiger Raubtiere. Sie glaubten, daß sie »Gott erkennen«
wollten, und wollten doch allein die Kräfte der anorganischen
Natur, die unsichtbare Energie in allem, was geschieht, isolieren,
faßbar, benutzbar machen. Die faustische Naturwissenschaft und diese
allein ist Dynamik, gegenüber der Statik der Griechen und der Alchymie
der Araber (vgl. Der Untergang des Abendlandes,
Band I, Kapitel VI, § 12). Nicht auf Stoffe, sondern auf Kräfte
kommt es an. Die Masse selbst ist eine Funktion der
Energie. Grosseteste entwickelt eine Theorie des Raumes als einer Funktion
des Lichtes, Petrus Peregrinus eine Theorie des Magnetismus. In einer
Handschrift von 1322 wird die kopernikanische Theorie von der Bewegung
der Erde um die Sonne angedeutet, worauf fünfzig Jahre später
Nikolaus von Oresme in »De coelo et mundo« diese Theorie klarer
und tiefer begründet als Kopernikus selbst und in »De differentia
qualitatum« die Fallgesetze Galileis und die Koordinatengeometrie
von Descartes vorwegnimmt. Man erblickt in Gott nicht mehr den Herrn,
der von seinem Thron aus die Welt regiert, sondern eine unendliche, kaum
noch persönlich gedachte Kraft, die überall in der Welt gegenwärtig
ist. Es war ein seltsamer Gottesdienst, diese experimentelle Erforschung
der geheimen Kräfte durch fromme Mönche. Und, wie ein alter
deutscher Mystiker sagte: Indem du Gott dienst, dient Gott dir.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 66-68 ).
Man hatte es satt, sich mit dem Dienste von Pflanzen, Tieren und
Sklaven zu begnügen, die Natur ihrer Schätze zu berauben
der Metalle, Steine, Hölzer, Faserstoffe, des Wassers in Kanälen
und Brunnen , ihre Widerstände zu besiegen durch Schiffahrt,
Straßen, Brücken, Tunnels und Deiche. Sie sollte nicht mehr
in ihren Stoffen geplündert, sondern in ihren Kräften
selbst ins Joch gespannt werden und Sklavendienste tun, um die Stärke
des Menschen zu vervielfachen. Dieser ungeheuerliche Gedanke, so fremd
allen andern, ist so alt wie die faustische Kultur. Schon im 10. Jahrhundert
treffen wir technische Konstruktionen von einer ganz neuen Art. Schon
Roger Bacon und Albertus Magnus haben über Dampfmaschinen, Dampfschiffe
und Flugzeuge nachgedacht. Und viele grübelten in ihren Klosterzellen
über der Idee des Perpetuum mobile (vgl.
Der Untergang des Abendlandes, Band
II, Kapitel V: Die
Maschine). (Oswald Spengler, Der Mensch und
die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 68-69 ).
Dieser Gedanke ließ uns nicht wieder
los. Das wäre der endgültige Sieg über Gott oder die Natur
deus sive natura gewesen: Eine kleine selbstgeschaffene
Welt, die sich wie die große aus eigener Kraft bewegt und
nur dem Finger des Menschen gehorcht. Selbst eine Welt erbauen,
selbst Gott sein - das war der faustische Erfindertraum, aus dem
von da an alle Entwürfe von Maschinen hervorgingen, die sich dem
unerreichbaren Ziel des Perpetuum mobile so sehr als möglich
näherten. Der Begriff der Beute des Raubtieres wird zu Ende gedacht.
Nicht dies und das, ..., sondern die Welt selbst wird mit dem Geheimnis
ihrer Kraft als Beute davongeschleppt, hinein in den Bau dieser Kultur.
Wer nicht selbst von diesem Willen zur Allmacht über die Natur besessen
war, mußte das als teuflisch empfinden, und man hat die Maschine
stets als die Erfindung des Teufels empfunden und gefürchtet. Mit
Roger Bacon beginnt die lange Reihe derjenigen, die als Zauberer und Ketzer
zugrunde gingen. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 69-70 ).
Aber die Geschichte der westeuropäischen Technik schritt
vorwärts. Um 1500 beginnt mit Vasco da Gama und Kolumbus eine neue
Reihe von Wikingerzügen. Neue Reiche werden in West- und Ostindien
geschaffen oder erobert und ein Strom von Menschen nordischen Blutes (denn
auch was aus Spanien, Portugal und Frankreich hinüberwandert, sind
sicherlich zum größten Teil Nachkommen der Eroberer aus der
Völkerwanderung gewesen. Was zurückblieb, war der Menschenschlag,
der schon Kelten, Römer und Sarazenen überdauert hatte)
ergießt sich nach Amerika, wo einst die Islandfahrer vergeblich
gelandet waren. Und gleichzeitig werden die Wikingerfahrten des Geistes
in gewaltigem Maßstabe fortgesetzt. Schießpulver und Buchdruck
werden erfunden. Seit Kopernikus und Galilei folgen unzählige technische
Verfahren aufeinander, die sämtlich den Sinn hatten, anorganische
Kraft aus der Umwelt zu isolieren und an der Stelle von Tieren und Menschen
Arbeit leisten zu lassen. (Oswald Spengler, Der Mensch und die
Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 70 ).
Die Technik ist mit den wachsenden Städten bürgerlich
geworden. Der Nachfolger jener gotischen Mönche war der weltlich
gelehrte Erfinder, der wissende Priester der Maschine. Mit dem
Rationalismus endlich wird der »Glaube an die Technik« fast
zur materialistischen Religion: Die Technik ist ewig und unvergänglich
wie Gott Vater; sie erlöst die Menschheit wie der Sohn; sie erleuchtet
uns wie der Heilige Geist. Und ihr Anbeter ist der Fortschrittsphilister
der Neuzeit .... Mit dem Rationalismus endlich wird der »Glaube
an die Technik« fast zur materialistischen Religion: Die Technik
ist ewig und unvergänglich wie Gott Vater; sie erlöst die Menschheit
wie der Sohn; sie erleuchtet uns wie der Heilige Geist. Und ihr Anbeter
ist der Fortschrittsphilister der Neuzeit .... (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 70-71 ).
In Wirklichkeit hat die Leidenschaft des Erfinders mit ihren Folgen
gar nichts zu tun. Sie ist sein persönlicher Lebenstrieb, sein persönliches
Glück und Leiden. Er will für sich den Triumph über schwierige
Probleme genießen, den Reichtum und Ruhm, den ihm der Erfolg einbringt.
Ob seine Erfindung nützlich oder verhängnisvoll ist, schaffend
oder zerstörend, das ficht ihn nicht an, selbst wenn irgendein Mensch
imstande wäre, das von Anfang an zu wissen. Aber die Wirkung einer
»technischen Errungenschaft der Menschheit« sieht niemand
voraus, abgesehen davon, daß »die Menschheit«
nie etwas erfunden hat. Chemische Erfindungen wie Synthese des Indigo
und in kurzer Zeit wahrscheinlich die des künstlichen Gummi zerstören
die Lebensbedingungen ganzer Länder, die elektrische Kraftübertragung
und die Erschließung der Wasserkräfte haben die alten Kohlengebiete
Europas samt ihrer Bevölkerung entwertet. Haben solche Überlegungen
je einen Erfinder dahin gebracht, sein Werk zu vernichten? Dann
kennt man die Raubtiernatur des Menschen schlecht. Alle großen Erfindungen
und Unternehmungen stammen aus der Freude starker Menschen am Sieg. Sie
sind Ausdruck der Persönlichkeit und nicht des Nützlichkeitsdenkens
der Massen, die nur zusehen, aber die Folgen hinnehmen müssen, wie
sie auch sind. Und diese Folgen sind ungeheuerlich. .... Man versteht
die Geheimnisse der Natur so wenig als je, aber man kennt die Arbeitshypothese,
die nicht »wahr«, sondern nur zweckmäßig ist, mit
deren Hilfe man sie zwingt, dem menschlichen Befehl, dem leisesten Druck
auf einen Knopf oder Hebel zu gehorchen. Das Tempo der Erfindungen
wächst ins Phantastische, und trotzdem, es muß immer wieder
gesagt werden, es wird dabei nichts von menschlicher Arbeit gespart.
Die Zahl der notwendigen Hände wächst mit der Zahl der Maschinen,
weil der technische Luxus jede andere Art von Luxus steigert (man
vergleiche das Leben von Arbeitern um 1700 und 1900 und die Lebenshaltung
städtischer Arbeiter überhaupt mit der von Bauern) und
weil das künstliche Leben immer künstlicher wird. (Oswald
Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 71-73 ).
Seit der Erfindung der Maschine, der listigsten aller Waffen gegen
die Natur, die überhaupt möglich ist, haben Unternehmer und
Erfinder die Zahl der Hände, deren sie bedürfen, im wesentlichen
auf deren Herstellung verwendet. Die Arbeit der Maschine wird von der
anorganischen Kraft geleistet, der Spannkraft von Dampf oder Gas, der
Elektrizität und der Wärme, die aus oder durch Kohle, Erdöl
und Wasser befreit werden. Aber damit ist die seelische Spannung zwischen
Führern und Geführten gefährlich gewachsen. Man versteht
einander nicht mehr. Die frühesten »Unternehmungen« der
vorchristlichen Jahrtausende forderten die verstehende Mitarbeit
aller, die wußten und fühlten, um was es ging. Es war eine
Art Kameradschaft dabei, wie heute auf der Treibjagd und beim Sport. Schon
bei den großen Bauten im frühen Ägypten und Babylonien
kann das nicht mehr der Fall gewesen sein. Der einzelne Arbeiter begriff
weder das Ziel noch den Zweck des ganzen Verfahrens. Sie waren ihm auch
gleichgültig, vielleicht verhaßt. »Arbeit« war
ein Fluch, wie es die Paradieserzählung am Anfang der Bibel darstellt.
Jetzt aber, seit dem 18. Jahrhundert, arbeiten die zahllosen »Hände«
an Dingen, von deren tatsächlicher Rolle im Leben, auch im eigenen,
sie gar nichts mehr wissen und an deren Gelingen sie gar keinen inneren
Anteil nehmen. Eine seelische Verödung greift um sich, eine trostlose
Gleichförmigkeit ohne Höhen und Tiefen, die Erbitterung weckt
gegen das Leben der Begabten, die schöpferisch geboren sind.
Man will es nicht sehen, man versteht es nicht mehr, daß Führerarbeit
die härtere Arbeit ist, daß das eigene Leben von ihrem
Gelingen abhängt. Man fühlt nur, daß diese Arbeit glücklich
macht, daß sie die Seele beschwingt und bereichert, und darum haßt
man sie. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 73-74 ).
In der Tat aber vermögen weder die
Köpfe noch die Hände etwas an dem Schicksal der Maschinentechnik
zu ändern, die sich aus innerer, seelenhafter Notwendigkeit entwickelt
hat und nun der Vollendung, dem Ende entgegenreift. Wir stehen heute auf
dem Gipfel, dort, wo der fünfte Akt beginnt. Die letzten Entscheidungen
fallen. Die Tragödie schließt. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 74 ).
Jede hohe Kultur ist eine Tragödie; die
Geschichte des Menschen im Ganzen ist tragisch. Der Frevel und Sturz des
faustischen Menschen aber ist größer als alles, was Äschylus
und Shakespeare je geschaut haben. Die Schöpfung erhebt sich gegen
den Schöpfer: Wie einst der Mikrokosmos Mensch gegen die Natur, so
empört sich jetzt der Mikrokosmos Maschine gegen den nordischen Menschen.
Der Herr der Welt wird zum Sklaven der Maschine. Sie zwingt ihn, uns,
und zwar alle ohne Ausnahme, ob wir es wissen wollen oder nicht, in die
Richtung ihrer Bahn. Der gestürzte Sieger wird von dem rasenden Gespann
zu Tode geschleift. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 75 ).
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sieht die »Welt« auf
diesem kleinen Planeten so aus: Eine Gruppe von Nationen nordischen Blutes
unter der Führung von Engländern, Deutschen ... und Yankees
beherrscht die Lage. Ihre politische Macht beruht auf ihrem Reichtum,
und ihr Reichtum besteht in der Stärke ihrer Industrie. Diese
aber ist an das Dasein von Kohle gebunden. Die Lage der erschlossenen
Kohlengebiete sichert vor allem den germanischen Völkern beinahe
das Monopol und führt zu einer Vermehrung der Bevölkerung, die
in der gesamten Geschichte ohne Beispiel ist. Auf dem Rücken der
Kohle und an den Knotenpunkten der von ihr ausstrahlenden Verkehrswege
sammelt sich eine Menschenmasse von ungeheurem Ausmaß, die von der
Maschinentechnik gezüchtet ist, für sie arbeitet und von ihr
lebt. Die übrigen Völker werden, ob in der Gestalt von Kolonien
oder als scheinbar unabhängige Staaten, in der Rolle von Rohstofferzeugern
und Abnehmern erhalten. Diese Verteilung wird gesichert durch Heere und
Flotten, deren Unterhalt den Reichtum von Industrieländern voraussetzt,
und die infolge ihrer technischen Durchbildung selbst Maschinen geworden
sind und auf einen Fingerdruck hin »arbeiten«. Wieder zeigt
sich die tiefe Verwandtschaft, ja fast Identität von Politik, Krieg
und Wirtschaft. Der Grad der militärischen Macht ist vom Rang der
Industrie abhängig. Industriearme Länder sind arm überhaupt,
also können sie kein Heer und keinen Krieg bezahlen, also sind sie
politisch ohnmächtig, also sind die Arbeiter in ihnen, Führer
wie Geführte, Objekte der Wirtschaftspolitik ihrer Gegner.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 75-76 ).
Gegenüber den Massen ausführender
Hände, die der mißgünstige »Blick der Kleinen«
allein sieht, wird der steigende Wert der Führerarbeit weniger schöpferischer
Köpfe, der Unternehmer, Organisatoren, Erfinder, Ingenieure, nicht
mehr begriffen und gewürdigt .... Der alberne Satz: »Alle Räder
stehen still, wenn dein starker Arm es will« umnebelt die Gehirne
von Schwätzern und Schreibern. Das kann auch ein Ziegenbock, der
ins Getriebe gerät. Aber diese Räder erfinden und beschäftigen,
dami jener »starke Arm« sich ernähren kann, das vermögen
nur wenige, die dazu geboren sind. (Oswald Spengler, Der
Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 76-77 ).
Diese Unverstandenen und Verhaßten, das Rudel der starken
Persönlichkeiten, haben eine andere Psychologie. Sie kennen
noch das Triumphgefühl des Raubtieres, das die zuckende Beute unter
den Klauen hält, das Gefühl des Kolumbus, als am Horizont das
Land erschien, das Gefühl Moltkes bei Sedan, als er am Nachmittag
von der Höhe von Frénois aus beobachtete, wie sich der Ring
seiner Artillerie bei Illy schloß und damit den Sieg vollendete.
Solche Augenblicke, der Gipfel dessen, was ein Mensch erleben kann, sind
die, in denen ein großes Schiff vor den Augen seines Erbauers die
Helling verläßt, eine neu erfundene Maschine tadellos zu
arbeiten beginnt, oder der erste Zeppelin sich vom Boden erhob.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 77-78 ).
Aber das gehört zur Tragik dieser Zeit, daß das entfesselte
menschliche Denken seine eigenen Folgen nicht mehr zu erfassen vermag.
Die Technik ist esoterisch geworden wie die höhere Mathematik, deren
sie sich bedient, wie die physikalische Theorie, die bei ihrem Zerdenken
von Abstraktionen der Erscheinung bis zu den reinen Grundformen menschlichen
Erkennens vorgedrungen ist. ohne es recht zu bemerken. Die Mechanisierung
der Welt ist in ein Stadium gefährlichster Überspannung
eingetreten. Das Bild der Erde mit ihren Pflanzen, Tieren und Menschen
hat sich verändert. In wenigen Jahrzehnten sind die meisten großen
Wälder verschwunden, in Zeitungspapier verwandelt worden und damit
Veränderungen des Klimas eingetreten, welche die Landwirtschaft ganzer
Bevölkerungen bedrohen; unzählige Tierarten sind wie der Büffel
ganz oder fast ganz ausgerottet, ganze Menschenrassen wie die nordamerikanischen
Indianer und die Australier beinahe zum Verschwinden gebracht worden.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 78 ).
Alles Organische erliegt der um sich greifenden
Organisation. Eine künstliche Welt durchsetzt und vergiftet die natürliche.
Die Zivilidation ist selbst eine Maschine geworden, die alles maschinenmäßig
tut oder tun will. Man denkt nur noch in Pferdekräften. Man erblickt
keinen Wasserfall mehr, ohne ihn in Gedanken in elektrische Kraft umzusetzen.
Man sieht kein Land voller weidender Herden, ohne an die Auswertung ihres
Fleischbestandes zu denken, kein schönes altes Handwerk einer urwüchsigen
Bevölkerung ohne den Wunsch, es durch ein modernes technisches Verfahren
zu ersetzen. Ob es einen Sinn hat oder nicht, das technische Denken will
Verwirklichung. Der Luxus der Maschine ist die Folge eines Denkzwanges.
Die Maschine ist letzten Endes ein Symbol, wie ihre geheimes Ideal, das
Perpetuum mobile, eine seelisch-geistige, aber keine vitale Notwendigkeit.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 78-79 ).
Sie beginnt der wirtschaftlichen Praxis vielfach zu widersprechen.
Der Zerfall meldet sich schon allenthalben. Die Maschine hebt ihren Zweck
durch ihre Zahl und ihre Verfeinerung zuletzt auf. Das Automobil hat sich
in den großen Städten durch seine Massenhaftigkeit um die Wirkung
gebracht und man kommt schneller zu Fuß vorwärts. In Argentinien,
Java und anderswo erweist sich der einfache Pferdepflug der kleinen Besitzer
den großen Motoren gegenüber als wirtschaftlich überlegen
und verdrängt sie wieder. Schon ist in vielen tropischen Gebieten
der farbige Bauer mit seiner primitiven Arbeitsweise ein gefährlicher
Konkurrent des modernen technischen Plantagenbetriebes der Weißen
geworden. Und der weiße Industriearbeiter im alten Europa und Nordamerika
beginnt mit seiner Arbeit fragwürdig zu werden. (Oswald Spengler,
Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
1931, S. 79-80 ).
Es ist Torheit, wie es im 19. Jahrhundert Mode war, von der drohenden
Erschöpfung der Kohlenlager in wenigen Jahrhunderten und deren Folgen
zu reden. Auch das war materialistisch gedacht. Abgesehen davon, daß
heute schon Erdöl und Wasserkraft als anorganische Kraftreserven
von grötem Umfang herangezogen sind, würde technisches Denken
sehr bald ganz andere Quellen entdecken und erschließen. Aber es
handelt sich gar nicht um solche Zeiträume. Die westeuropäisch-amerikanische
Technik wird früher zu Ende sein. Kein platter Umstand wie
der Mangel an Stoffen würde diese gewaltige Entwicklung aufhalten
können. Solange der in ihr wirkende Gedanke auf der Höhe
ist, wird er immer die Mittel zu seinen Zwecken zu schaffen wissen.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 80 ).
Aber wie lange wird er auf der Höhe sein?
Um auch nur den gegenwärtigen Bestand an technischen Verfahren, und
Anlagen auf dem gleichen Niveau zu erhalten, sind, sagen wir, 100000 hervorragende
Köpfe nötig, Organisatoren, Erfinder und Ingenieure. Es müssen
starke, sogar schöpferische Begabungen sein, für ihre Sache
begeistert und mit eisernem Fleiß und großen Kosten durch
Jahre hindurch daraufhin ausgebildet. In der Tat haben seit 50 Jahren
die meisten starken Begabungen unter der Jugend der weißen Völker
eine vorherrschende Neigung gerade für diesen Beruf empfunden. Schon
die Knaben spielten mit technischen Dingen. In den städtischen Schichten
und Familien, deren Söhne hier vorwiegend in Betracht kommen, waren
Wohlstand, eine Tradition geistiger Berufe und verfeinerte Kultur vorhanden,
die normalen Voraussetzungen für die Ausbildung dieses reifen und
späten Produktes, des technischen Denkens. Das wendet sich seit Jahrzehnten
immer deutlicher, in allen Ländern mit großer und alter Industrie.
Das faustische Denken beginnt der Technik satt zu werden. Eine Müdigkeit
verbreitet sich, eine Art Pazifismus im Kampfe gegen die Natur. Man wendet
sich zu einfacheren, naturnäheren Lebensformen, man treibt Sport
statt technischer Versuche, man haßt die großen Städte,
man möchte aus dem Zwang seelenloser Tätigkeiten, aus der Sklaverei
der Maschine, aus der klaren und kalten Atmosphäre technischer Organisation
heraus. Gerade die starken und schöpferischen Begabungen wenden sich
von praktischen Problemen und Wissenschaften ab und der reinen Spekulation
zu. Okkultismus und Spiritismus, indische Philosophien, metaphysische
Grübeleien christlicher oder heidnischer Färbung, die man zur
Zeit des Darwinismus verachtete, tauchen wieder auf. Es ist die Stimmung
Roms zur Zeit des Augustus. Aus Lebensüberdruß flüchtet
man aus der Zivilisation in primitivere Erdteile, ins Landstreichertum,
in den Selbstmord. Die Flucht der geborenen Führer vor der Maschine
beginnt. Bald werden nur noch Talente zweiten Ranges, Nachzügler
einer großen Zeit, verfügbar sein. Jeder große Unternehmer
stellt die Abnahme der geistigen Qualitäten des Nachwuchses fest.
Aber die großartige technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts
war nur auf Grund des beständig steigenden geistigen Niveaus möglich
gewesen. Nicht die Abnahme allein, schon der Stillstand ist gefährlich
und weist auf ein Ende, mögen noch soviel gutgeschulte Hände
zur Arbeit bereit sein. (Oswald Spengler, Der Mensch und die
Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 80-82 ).
Aber wie steht es damit? Die Spannung zwischen Führerarbeit
und ausführender Arbeit hat den Grad einer Katastrophe erreicht.
Die Bedeutung der ersteren und der wirtschaftliche Wert jeder echten Persönlichkeit
in ihr ist so groß geworden, daß sie den meisten von unten
her nicht mehr sichtbar und verständlich ist. In der andern, der
Arbeit der Hände, ist der einzelne nun ganz ohne Bedeutung. Nur die
Zahl hat noch Wert. Das Wissen um diese unabänderliche Lage,
das von egoistischen Rednern und Schreibern gereizt, vergiftet und finanziell
ausgebeutet wird, ist so trostlos, daß eine Auflehnung gegen die
Rolle, welche die Maschine, nicht deren Besitzer, den meisten zuweist,
menschlich genug ist. Es beginnt in zahllosen Formen, vom Attentat über
den Streik bis zum Selbstmord, die Meuterei der Hände gegen ihr
Schicksal, gegen die Maschine, gegen das organisierte Leben, zuletzt
gegen alle und alles. Die Organisation der Arbeit, wie sie seit Jahrtausenden
im Begriff des Tuns zu mehreren (vgl. S.
46 ff.) liegt, und welche den Unterschied von Führern und
Geführten, von Köpfen und Händen zur Grundlage hat,
wird von unten her aufgelöst. Aber »Masse« ist nur eine
Verneinung, und zwar des Begriffes der Organisation, nichts was
für sich lebensfähig wäre. Ein Heer ohne Offiziere ist
nur ein überflüssiger und verlorener Menschenhaufe. Ein Gewirr
von Ziegeltrümmern und Eisenfragmenten ist kein Gebäude mehr.
Diese Meuterei rings auf der Erde droht die Möglichkeit technisch-wirtschaftlicher
Arbeit aufzuheben. Die Führer können fliehen, aber die überflüssig
gewordenen Geführten sind verloren. Ihre Zahl bedeutet ihren Tod.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 82-84 ).
Das dritte und schwerste Symptom des beginnenden
Zusammenbruchs aber liegt in dem, was ich den Verrat an der Technik
nennen möchte. Es handelt sich um Dinge, die jeder kennt, die aber
nie in dem Zusammenhang gesehen werden, der erst ihren verhängnisvollen
Sinn offenbart. Die ungeheure Überlegenheit Westeuropas und Nordamerikas
in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an Macht jeder Art,
wirtschaftlicher, politischer, militärischer, finanzieller Macht,
beruht auf einem unbestrittenen Monopol der Industrie. Große Industrien
gab es nur im Zusammenhang mit Kohlenlagern in diesen nordischen Ländern.
Der Rest der Welt war Absatzgebiet, und die Kolonialpolitik wirkte stets
in der Richtung der Erschließung neuer Absatz- und Rohstoff-, nicht
Produktionsgebiete. Kohle gab es auch anderswo, aber nur der »weiße«
Ingenieur hätte sie erschließen können. Wir waren im Alleinbesitz
nicht der Stoffe, sondern der Methoden und der Gehirne,
die zu deren Anwendung geschult waren. Darauf beruht die luxuriöse
Lebenshaltung des weißen Arbeiters, der im Vergleich zum farbigen
fürstliche Einnahmen besitzt (ich verstehe
unter »Farbigen« auch die Bewohner Rußlands und eines
Teils von Süd- und Südosteuropa), ein Umstand, den der
Marxismus zu seinem Verderben unterschlagen hat. Das rächt sich heute,
wo von hier aus das Problem der Arbeitslosigkeit in die Entwicklung
geworfen wird. Der Lohn des weißen Arbeiters, heute eine Gefahr
für sein Leben, beruht in seiner Höhe ausschließlich
auf dem Monopol, das die Führer der Industrie um ihn herum aufgerichtet
hatten. (Schon die Spannung zwischen dem Lohn eines
Knechtes auf dem Lande und dem Einkommen eines Metallarbeiters beweist
das.) (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 84-85 ).
Da beginnt am Ende des Jahrhunderts der blinde Wille zur Macht
entscheidende Fehler zu begehen. Statt das technische Wissen geheim zu
halten, den größten Schatz, den die »weißen«
Völker besaßen, wurde es auf allen Hochschulen, in Wort und
Schrift prahlerisch aller Welt dargeboten, und man war stolz auf die Bewunderung
von Indern und Japanern. Die bekannte »Industriezerstreuung«
setzt ein, auch aus der Überlegung, daß man die Produktion
dem Abnehmer nähern müsse, um größere Gewinne zu
erzielen. Es beginnt statt des Exports ausschließlich von Produkten
der Export von Geheimnissen, von Verfahren, Methoden, Ingenieuren und
Oraganisatoren. Selbst Erfinder wandern aus. Der Sozialismus, der sie
in sein Joch spannen möchte, vertreibt sie. Alle »Farbigen«
( )
sahen in das Geheimnis unserer Kraft hinein, begriffen es und nützten
es aus. Die Japaner wurden binnen 30 Jahren technische Kenner ersten Ranges
und bewiesen im Kriege gegen Rußland eine kriegstechnische Überlegenheit,
von welcher ihre Lehrmeister lernen konnten. Heute sind allenthalben in
Ostasien, Indien, Südamerika, Südafrika; Industriegebiete entstanden
oder in Bildung begriffen, die infolge ihrer niedrigeren Löhne eine
tödliche Konkurrenz darstellen. Die unersetzlichen Vorrechte
der weißen Völker sind verschwendet, verschleudert, verraten
worden. Die Gegner haben ihre Vorbilder erreicht, vielleicht mit der Verschmitztheit
farbiger Rassen und der überreifen Intelligenz uralter Zivilisationen
übertroffen. Wo es Kohle, Erdöl und Wasserkräfte gibt,
kann eine neue Waffe gegen das Herz der fasustischen Kultur geschmiedet
werden. Hier beginnt die Rache der ausgebeuteten Welt gegen ihre Herren.
Mit den unzähligen Händen der Farbigen, die ebenso geschickt
und viel anspruchsloser arbeiten, wird die Grundlage der weißen
wirtschaftlichen Organsiation erschüttert. Der gewohnte Luxus
des weißen Arbeiters gegenüber dem Kuli wird zu seinem Verhängnis.
Die weiße Arbeit selbst wird überflüssig. Die gewaltigen
Massen auf der nordischen Kohle, die Industrieanlagen, das angelegte Kapital,
ganze Städte und Landstriche drohen der Konkurrenz zu erliegen. Das
Schwergewicht der Produktion verlagert sich unaufhaltsam, nachdem der
Weltkrieg auch der Achtung der Farbigen vor dem Weißen ein Ende
gemacht hat. Das ist der letzte Grund der Arbeitslosigkeit in den
weißen Ländern, die keine Krise ist, sondern der Beginn
einer Katastrophe. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik
- Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 85-87 ).
Für die Farbigen aber die Russen sind hier immer einbegriffen
ist die faustische Technik kein inneres Bedürfnis. Nur der
faustische Mensch denkt, fühlt und lebt in ihrer Form. Sie
ist ihm seelisch nötig, nicht ihre wirtschaftlichen Folgen,
sondern ihre Siege: navigare necesse est, vivere non est necesse. Für
»Farbige« ist sie nur eine Waffe im Kampf gegen die faustische
Zivilisation, eine Waffe wie ein Baumast im Walde, den man fortwirft,
wenn er seinen Zweck erfüllt hat. Diese Maschinentechnik
ist mit dem faustischen Menschen zu Ende und wird eines Tages zertrümmert
und vergessen sein Eisenbahnen und Dampfschiffe so gut wie
einst die Römerstraßen und die chinesische Mauer, unsere Riesenstädte
mit ihren Wolkenkratzern ebenso wie die Paläste des alten Memphis
und Babylon. Die Geschichte dieser Technik nähert sich schnell dem
unausweichlichen Ende. Sie wird von innen her verzehrt werden wie alle
großen Formen irgendeiner Kultur. Wann und in welcher Weise wissen
wir nicht. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 87-88 ).
Angesichts dieses Schicksals gibt es nur eine Weltanschauung,
die unser würdig ist, die schon genannte des Achill: Lieber ein kurzes
Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt. Die Gefahr ist so
groß geworden, für jeden einzelnen, jede Schicht, jedes Volk,
daß es kläglich ist, sich etwas vorzulügen. Die Zeit läßt
sich nicht anhalten; es gibt keine weise Umkehr, keinen klugen Verzicht.
Nur Träumer glauben an Auswege. Optimismus ist Feigheit.
(Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie
des Lebens, 1931, S. 88 ).
Wir sind in diese Zeit geboren und müssen tapfer den Weg
zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Es gibt keinen andern. Auf
dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung ist Pflicht.
Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem
Tor in Pompeji gefunden hat, der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv
vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das heißt
Rasse haben. ( ).
Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht
nehmen kann. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag
zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 88-89 ).
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