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Es
ist mit diesen Hinweisen zur Wortgeschichte wenig darüber gesagt, ob die
Nation nicht schon früher von der Sache her bestand, obwohl der Begriff ungebräuchlich
war. Die radikalste Bejahung dieser Position findet man bei den Ethologen. ....
Robert Ardrey behauptete, daß man grundsätzlich jede Sozialform als
»Nation« bezeichnen könne, die sich durch engen Zusammenschluß
nach innen und extravertierte Aggression auszeichne. Die Probe auf die Existenz
sei die Verteidigung des in Anspruch genommenen Territoriums gegen beliebige Angreifer.
»Territorialität«, so Ardrey, gehöre wie die Gruppenbildung
zu den anthropologischen Gegebenheiten und sei durch keine kulturelle Entwicklung
zu überformen. Die hier aufgestellte These von der »biologischen Nation«,
deren Ursprungsform sich heute noch bei anderen Primaten beobachten lassen soll,
wird von anderen Forschern, etwa Irenäus Eibl-Eibesfeldt, durchaus geteilt
und unter Hinweis auf bestimmte Konstanten des menschlichen Verhaltens - Brutpflegetrieb,
Stärke der Binnenmoral, Schwäche der »Fernstenliebe« - weiter
untermauert. Der Vorzug dieser Konzeption liegt offen zu Tage. Ihre Anhänger
verweisen darauf, daß es eine Reihe elementarer Verhaltensweisen gebe, die
unter allen kulturellen und historischen Umständen immer wieder auftreten
und ohne Zweifel dazu beigetragen haben, Nationen zu begründen.Karlheinz
Weißmann, Nation?, 2001, S. 25-26 |
Ethnisch-kulturell
»gekippte« Stadtteile überläßt man sich selbst, die
Ordnungskräfte verzichten auf Kontrolle und beschränken sich auf die
Separation. Diejenigen, die es sich leisten können oder zu den Bürgern
ohne »Migrationshintergund« gehören, ziehen in andere Quartiere
um. Mittelfristig könnten diese Viertel auch nach nord- oder südamerikanischem
Muster befestigt werden. Wenn sich die Staatshaushalte nicht sanieren lassen,
wovon ich ausgehe, wird die Sorge für die Sicherheit immer stärker privatisiert,
was dazu beitragen dürfte, daß die Ober-, aber auch die Mittelschicht
kleinere Staaten im Staat organisiert. In den USA gibt es seit den 1970er Jahren
eine Debatte über diesen als »Brasilianisierung« bezeichneten
Vorgang. Erledigt sind die Erwartungen, daß durch Panmixie - also die Verbindung
aller ethnischen Gruppen mit allen anderen qua Heirat - eine neue Homogenität
entstehen könne. Auch das geordnete Nebeneinander ist als Illusion entlarvt.
Und so zerfällt die Gesellschaft in Gruppen nach Primärmerkmalen, also
den »rassischen«, insbesondere der Hautfarbe. Wer über die entsprechenden
Mittel verfügt, setzt sich in komfortable, wiederum homogene Ghettos ab.Karlheinz
Weißmann, Unsere Zeit kommt, 2006, S. 109-110 |
Es
spricht vieles dafür, daß der Normalfall ein auf lange Dauer gestellter
Zerfallsprozeß ist. Vielleicht hat er auch seine pittoreske Seiten. Die
Vorstellung von einem »neuen Mittelalter« hat immer wieder die verschiedensten
Köpfe angeregt .... Und ein solches Mittelalter würde der Tendenz zur
Anarchisierung und zur Entstehung konkurrierender Gewaltinhaber entsprechen. Es
gibt dann eben nicht mehr den Staat als Garanten des Friedens innerhalb bestimmter
Grenzen, sondern einen modernen Feudal- und Brotherrn, der Schutz gegen Treue
zusichert. Dafür kommen große Konzerne ebenso in Frage wie örtliche
Würdenträger, Sektenführer, Warlords oder Mafiabosse.Karlheinz
Weißmann, Unsere Zeit kommt, 2006, S. 110 |
Lernziel
Ahnungslosigkeit. .... Ahnungslosigkeit, die indes systematisch gefördert
wird, um nach einer ersten Phase der Entwicklung - in der man es besser wußte,
aber darauf verzichtete, das bessere Wissen geltend zu machen - in eine finale
einzutreten, in der es gar kein besseres Wissen mehr gibt.Karlheinz
Weißmann, in: Junge Freiheit, 05.01.2007 |
Die
Debatte über Jugendkriminalität, die in Wirklichkeit eine Debatte über
die Kriminalität ausländischer Jugendlicher ist, berührt einen
heiklen Punkt. Das hat Roland Koch offenbar nicht hinreichend bedacht, sondern
geglaubt, er könne den Coup mit der Unterschriftenkampagne gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft wiederholen. Da hatte er wie das Vorbild Kohl in Wahlkampfzeiten
den dezenten Schritt nach rechts probiert, nur um nach errungenem Sieg prompt
in die Mitte zurückzukehren.Karlheinz
Weißmann, in: Sezession, Februar 2008, S. 1 |
Die
Lage ist aber so deutlich gewandelt, daß die Hoffnung, man werde das Problem
zunehmender Bedrohung der Autochthonen durch die Eingewanderten einfach wieder
ad acta legen können, kaum in Erfüllung gehen dürfte. Vielmehr
ist damit zu rechnen, daß das Thema ein Dauerthema wird und dabei nicht
mehr die Suche nach Lösungen hier und jetzt oder das optimistische »Weiter
so« oder das Bedürfnis nach nützlichen Illusionen im Vordergrund
steht, sondern die Frage nach den Ursachen und das heißt die Frage nach
den Verursachern. Die wird bisher so angestrengt vermieden, weil die Politische
Klasse insgesamt Verursacher ist und eben keine Seite glaubwürdig mit
dem Finger auf die andere weisen kann, sondern eine größtmögliche
Koalition über Jahrzehnte hinweg die Einwanderung forciert oder hingenommen
hat, blind für die langfristigen Folgen, aber bereit, jeden mundtot zu machen,
der diese etwa erwähnen wollte.Karlheinz
Weißmann, in: Sezession, Februar 2008, S. 1 |
Nun
zeigt der Multikulturalismus - die »erzwungene Vision« (Konrad Adam)
einer dekadenten, alternden Gesellschaft - sein häßliches Gesicht.
Also bleibt als letzter Ausweg die Betonung des Zwangsläufigen und die dreiste
Behauptung, niemand habe ahnen können, worauf das alles hinauslaufe. Man
kennt diese Taktik noch aus den Debatten nach dem Zusammenbruch der DDR, als zwar
nicht leicht glaubhaft zu machen war, daß jeder vor 1989 für die Wiedervereinigung
eintrat oder den Kommunismus als inhumane Ideologie begriffen hatte, aber doch
immer wiederholt wurde, daß niemand habe ahnen können, wie es in der
»Zone« tatsächlich aussah und daß die Teilung ja auch ihr
Gutes hatte, jedenfalls friedenssichernd und zähmend wirkte und gewisse »Errungensshaften«
besaß, die man bewahren müsse.Karlheinz
Weißmann, in: Sezession, Februar 2008, S. 1 |
Die
neue Absetzbewegung folgt einem ähnlichen Muster. Frank Schirrmacher hat
schon das Signal gegeben. In seinem großen Artikel für die Frankfurter
Allgemeine (Ausgabe vom 15. Januar 2007) gibt er sich zum einen naiv - man habe
schließlich nicht wissen können, daß auch die Fremden einen,
eben antideutschen, Rassismus entwickelten - und weiter entschlossen, das Problem
anzupacken, indem er die Linie Kochs unterstützt. Was das so unerfreulich
macht, ist die erwähnte Neigung, der Fehlentwicklung keinesfalls auf den
Grund zu gehen. Mit dem Unterton des Erstaunten stellt Schirrmacher fest, daß
die westdeutsche Zivilgesellschaft, die sich so viel darauf zugute hielt, die
»Vergangenheit bewältigt« zu haben und ohne Feindbestimmung auszukommen,
plötzlich einem veritablen Feind gegenüberstehe, der solche Vorbehalte
gar nicht begreift, jedenfalls nicht bereit ist, sein Handeln daran auszurichten.Karlheinz
Weißmann, in: Sezession, Februar 2008, S. 1 |
Wer
so spricht und ernstgenommen werden will, darf seinen analytischen Fähigkeiten
kaum etwas zutrauen. Was sich wenigstens die nicht nachsagen lassen müssen,
die außerhalb des Konsensus standen. Vor mehr als vierzig Jahren, zu einem
Zeitpunkt, als man noch eher glauben durfte, die richtigen Lektionen gezogen zu
haben und mit der Bundesrepublik über ein Staatswesen zu verfügen, das
die Herausforderungen der Zukunft bestehen könnte, notierte Ernst Jünger
den Satz: »Wo der Liberalismus seine äußersten Grenzen erreicht,
schließt er den Mördern die Tür auf. Das ist Gesetz!«Karlheinz
Weißmann, in: Sezession, Februar 2008, S. 1 |
Es
paßt nicht in ihr »progessives Geschichtsbild«, daß der
einzig bedeutsame Widerstand gegen Hitler von Kräften der alten Elite getragen
wurde und auf tradierten Ideen beruhte.Karlheinz
Weißmann, in: Junge Freiheit, 18.07.2008 |
An
anderer Stelle hat Kaplan darauf hingewiesen, daß die Zerstörung der
Demokratie mitbedingt sei durch die Schwäche der Staatlichkeit außerhalb
des europäisch-nordamerikanischen Wohlstandsgürtels, unter Einschluß
von Japan und einigen asiatischen Staaten. Eine Einschätzung, die durch die
zahllosen Programme zum nation building nicht widerlegt, sondern bestätigt
wird, und die failed states - die gescheiterten Staaten, also jene ehemaligen
Kolonien, denen es in den vergangenen Jahrzehnten nie gelungen ist, eine brauchbare
Ordnung aufzubauen - sind mittlerweile zum Gegenstand intensiver, wenngleich vergeblicher
Bemühungen der internationalen Gemeinschaft geworden. Das alles spricht dafür,
daß uns nicht nur ein nachdemokratisches Zeitalter, sondern auch ein nachstaatliches
Zeitalter bevorstehen könnte.Karlheinz
Weißmann, Post-Demokratie, 2009, S. 75-76 |
Der Begriff Post-Demokratie ist inhaltlich
unbestimmt. Wer das Wort nicht nur als Schreckvokabel benutzt, erwartet
irgendein Danach, das sich von der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit
- negativ - unterscheidet. Ohne Zweifel besteht Grund zur Sorge. Aber
das Kernproblem ist nicht das Verschwinden der Demokratie, sondern das
Verschwinden des Staates, der auch die Voraussetzung der Demokratie bildet.
Der Staat erodiert an der Basis durch die Auflösung der tragenden
Institutionen und verliert sich nach oben durch die Einfügung in
immer andere, immer neue, unkontrollierbare Strukturen, die theoretisch
oder praktisch seine Souveränität aufzuheben suchen. Verglichen
mit diesem Problem ist die Frage nach der Zukunft der Demokratie sekundär.
Karlheinz
Weißmann, Post-Demokratie, 2009, S. 81-82 |
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