Big Bang, zweiter Akt. Auf den Spuren des Lebens im All (2003)
2. Was ist Leben? (S. 29-68)
Das Leben auf der Erde ist geronnenes
Sonnenlicht, ist Manifestation kosmischer Energie. Auch eventuelles Leben anderswo
im Universum braucht Sterne als Energiespender .... (Ebd., S. 31).Versuchen
wir es mal aus der Sicht eines Physikers. Für ihn ist das Leben ein sich
selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem. Besser kann man
es kaum formulieren. Jede Art von Leben, auch außerirdisches, muß
ein sich selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem sein.
(Ebd., S. 34).Im Gleichgewicht ist alles gleich, das sagt ja schon
das Wort. (Ebd., S. 35).In der Physik ist der einfachste
Zustand, den ein System erreichen kann, ein Gleichgewichtszustand. Ist das Gleichgewicht
hergestellt, so geht nichts mehr, denn es ist ja alles ausgeglichen. .... Prinzipiell
gilt: Je näher ein System am Gleichgewicht ist, desto weniger tut sich in
ihm. Ist das Gleichgewicht schließlich erreicht, so sind alle treibenden
Kräfte erlahmt, und das System ist tot. Daß alle Systeme einem Gleichgewicht
zustreben, ist eine der wichtigsten Grundregeln der Physik. .... Die unterschiedlichen
Energieformen haben unterschiedliche Auswirkungen. Ein Körper mit kinetischer
Energie ist in Bewegung. Ein Körper mit potentieller Energie kann von einem
Tisch herabfallen und dabei Bewegungsenergie gewinnen. Doch letztendlich haben
alle Energieformen das Bestreben, sich in Wärmeenergie umzuwandeln. ....
Materie versucht immer ins Gleichgewicht mit ihrer Umgebung zu kommen, indem sie
alle Energieformen letztlich in Wärme verwandelt. Dieses Bestreben, sich
so unordentlich wie möglich zu strukturieren, begegnet uns im Alltag ständig.
Eine vom Tisch heruntergefallene Tasse, nun in tausend Scherben, bleibt zersprungen.
.... Alle Prozesse im Universum haben die Tendenz, die Unordnung zu erhöhen,
indem sie Wärme austauschen. Diese erstaunliche Erkenntnis ist als zweiter
Hauptsatz der Thermodynamik bekannt geworden . Sie muß uns als Lebewesen
unweigerlich beschäftigen, denn offenkundig zeichnen sich Lebewesen ja gerade
dadurch aus, daß sie nicht im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung sind.
Oder anders ausgedrückt: Wenn sie sich im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung
befinden, sind sie tot. Irgendetwas in einem Lebewesen sorgt also dafür,
daß das Ungleichgewicht aufrechterhalten wird, sich andauernd erneuert,
ja sich sogar verstärkt. Lebende Organismen bauen Ordnung auf. Der Mensch
zum Beispiel repariert sich ständig selbst. .... Wir bekommen alle fünf
Tage eine neue Magenschleimhaut, die Leber wird alle zwei Monate komplett erneuert.
Unser größtes Organ, die Haut, regeneriert sich alle sechs Wochen.
In jedem Jahr werden 98 Prozent der Atome in unserem Körper durch andere
ersetzt. Dieser ununterbrochene chemische Austausch, Stoffwechsel genannt, ist
das Zeichen von Leben. Alle Lebewesen sind gewissermaßen Inseln der Ordnung
in einem Meer von Unordnung. Sie sind in der Lage, sich selbst zu strukturieren,
obwohl die Erfahrung zeigt, daß sich die Materie im allgemeinen nicht selbst
ordnet. Wie kann das sein? Ist das nicht ein Verstoß gegen die Regeln
der Physik, gegen die Theorien über den Ablauf der Welt? Auf diese
Frage kann man mit einem entschiedenen »Nein« antworten!
(Ebd., S. 35-38).Alles zerfällt, sogar Gebirge sind nicht
sicher vor dem Zerfall. Insbesondere Lebewesen sind irreversible Systeme, weil
sie ständig Wärme abgeben. Überhaupt ist das ganze Universum irreversibel,
denn überall im All wird Wärme ausgetauscht. Die thermodynamische Theorie
besagt, daß in einem abgeschlossenen System die Prozesse ausschließlich
in Richtung eines Zustands geringerer Ordnung ablaufen, was gleichbedeutend ist
mit der Zunahme an Entropie. (Ebd., S. 39).Das
Leben ist ein sich selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem
.... (Ebd., S. 42). |

Die Erde zwischen der Energiequelle Sonne
und der Energiesenke des kalten Weltraums.
Damit Leben entstehen kann, muß ein steter
Fluß von Energie durch ein biologisches
System gewährleistet sein.
|
Der wesentliche Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie
zeigt sich in den Verbindungen der Elemente. Unbelebte Materie bevorzugt
einfache, um nicht zu sagen simpelste chemische Verbindungen, auch wenn
sie scheinbar so kompliziert strukturiert sind wie in einem Kristall.
Beispielsweise setzt sich das Sauerstoffmolekül der Luft aus nur
zwei Sauerstoffatomen zusammen. Kochsalz besteht aus einem Natriumatom
und einem Chloratom, Wasser aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen.
Ganz anders in Lebewesen: Belebte Materie zeigt eine schier unglaubliche
Vielfalt an Bindungsmöglichkeiten und besteht immer aus hoch komplizierten
Molekülen, die so groß sind, daß sie sogar unter dem
Mikroskop zu erkennen sind: gewaltige Komplexe von Tausenden von Wasserstoff-,
Sauerstoff- und Stickstoffatomen, eingebunden in Gerüsten aus Kohlenstoffketten,
die das Ganze zusammenhalten. Gerade das Element Kohlenstoff ist der Schlüssel
zum Geheimnis des Lebens auf der Erde. Kohlenstoff ist nämlich in
der Lage, mit praktisch jedem Element Verbindungen einzugehen. Aber auch
mit seinesgleichen kann es sich in unterschiedlichen Bindungsformen zusammentun,
denn nur die langen makromolekularen Ketten aneinander gereihter Kohlenstoffatome
sowie die Kohlenstoffringmoleküle öffnen der organischen Welt
die Tür zum Leben. Wie aber konnte es zu diesen komplexen Molekülen
kommen? Offenbar haben sich bei der Entstehung von Leben zunächst
recht einfache Moleküle zu stetig komplizierteren Verbindungen bis
hin zu den Makromolekülen der Eiweißbausteine zusammengefunden.
Dabei ist die Ordnung immer mehr gewachsen, und die Entropie
der Biosphäre, also der lebenden Welt, hat sich ständig verringert!
Das scheint im Widerspruch zu stehen zu den Gesetzen der Thermodynamik,
die doch für geschlossene Systeme eine stete Zunahme der Entropie
fordern. Die Erde und ihre Biosphäre sind aber alles andere als abgeschlossene
Systeme. Sie sind offen, und in einem offenen System kann die Entropie
an bestimmten Orten auch abnehmen. Die Erde ist ein solcher Ort im Universum,
ihr wird fortwährend von außen Energie zugeführt, hauptsächlich
in Form von Sonnenlicht. Andererseits verliert sie auch wieder Energie
durch Abstrahlung von Wärme in die kalte Umgebung des Universums.
Prozesse, die dem Drang nach Unordnung entgegenwirken und aus Unordnung
Ordnung schaffen wie beim Aufbau komplexer Moleküle aus einzelnen
Atombausteinen, laufen nur ab, wenn ein permanenter Fluß von Energie
durch das System garantiert ist. Das hört auch nicht auf, wenn das
Leben erst einmal entstanden ist, denn nun beginnt es sich unaufhaltsam
zu vermehren, und die Ordnung erfaßt immer größere Bereiche.
Aus Ordnung wird wieder Ordnung. Immer dann, wenn sich ein biologischer
Organismus verdoppelt, wird aus einem bereits sehr geordneten chemischen
System ein weiteres, ebenfalls sehr geordnetes System, und auch das geht
nicht ohne eine äußere Energiequelle. Für Physiker ist
also das Leben ein sehr geordneter, aber auch ein äußerts unwahrscheinlicher
Zustand der Materie. Es kann sich nur deshalb gegen den allgemeinen natürlichen
Trend zur Unordnung behaupten, weil es ständig Energie aus seiner
Umgebung aufnimmt und zum Aufbau und Erhalt von Ordnung verwendet. ....
Erst nachdem einfache, einzellige Lebewesen (Einzeller) auf der Erde die
Verwendung von Sonnenenergie zum Aufbau von Kohlenhydraten entdeckten,
stieg der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre. Diese einfachen Lebensformen
haben die Atmosphäre der Erde so umgebaut, daß sich für
späteres Leben günstigere Umstände ergaben. Die Einzeller
waren und sind die Architekten einer Atmosphäre, die das Leben schützt.
Aus der Erde wurde auf diese Weise ein planetares biologisches System
- das Biosystem Erde. Um bestehen zu können, benötigt das Leben
gleichmäßig sprudelnde Energiequellen. Große Energiebeträge
in kurzer Zeit zerstören eher das Leben und erhöhen somit wieder
den Grad der Unordnung. Als Energiequellen besonders geeignet sind Sterne,
für uns auf der Erde ist das die Sonne. Letztlich müssen die
Lebewesen aber die aufgenommene Energie, wenn auch in veränderter
Form, wieder loswerden können, da sie ansonsten an Überhitzung
zugrunde gehen würden. Zumeist geschieht dies durch Abgabe von Wärme
an die Umgebung: Der Mensch schwitzt, die Pflanze verdunstet Wasser. Die
Energiesenke ist der eiskalte Raum des Universums. Die Drehung um ihre
Achse erleichtert es der Erde, die aufgenommene Energie wieder an das
Universum abzugeben und so ihre Temperatur zu regeln. Würde die Erde
alle Energie in ihrer Atmosphäre speichern, so wäre es hier
ähnlich heiß wie auf dem Planeten Venus: etwa 400 bis 500 Grad
Celsius. Würde sie dagegen alle Energie, die sie von der Sonne erhält,
komplett abstrahlen, so wäre es auf unserem Planeten dermaßen
kalt, daß sogar vierzigprozentiger Wodka gefrieren würde: nämlich
minus 30 Grad Celsius. Damit haben wir ein weiteres Kriterium für
Leben gefunden: Leben kann nur entstehen und sich fortentwickeln, wenn
es in ein größeres System eingebettet ist, das sich im Zustand
des thermodynamischen Ungleichgewichts befindet. Das übergeordnete
System, zu dem unsere Erde gehört, ist das Sonnensystem, ein System
weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Die Biosphäre der Erde
konnte und kann sich nur organisieren, weil sie sich genau zwischen der
heißen Sonne und dem kalten Weltraum befindet. Diese fundamentale
Regel gilt für alle Lebensvorgänge im gesamten Universum! Anders
ausgedrückt heißt das: Wo immer sich auf einem Himmelskörper
Leben entwickeln soll, darf es nicht so heiß sein wie auf einem
Stern und nicht so kalt wie im Weltraum. Gleichgültig wo immer im
Universum es Lebewesen gibt, sie müssen Energie aufnehmen und abgeben
können, und die zum System gehörenden Quellen müssen einen
gleichmäßigen Strom passender Energie liefern. Dabei spielen
die Formen der Lebewesen und ihre inneren biochemischen Vorgänge
keine Rolle. Ohne Energiezufuhr gibt es kein Leben! Da die Energie des
Universums in den Sternen steckt, muß man folglich davon ausgehen,
daß Leben auch nur auf solchen Planeten existieren kann, die einen
Stern umkreisen, und zwar so, daß die vom Stern abgestrahlte Energie
vom Planeten aufgenommen und wieder abgegeben werden kann. Man sieht,
das Leben stellt ganz schön hohe Anforderungen an seine Umgebung.
Doch selbst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, wird Leben erst dann
entstehen können, wenn das System auch zu einer höheren Ordnung
fähig ist. Ein Kristall bleibt stets ein Kristall, auch wenn er noch
so viele Bausteine anlagert und immer weiter wächst. Bei der Verbindung
von zwei Molekülen jedoch entsteht bereits etwas Neues, etwas mit
höherer Ordnung. Wenn also aus Unordnung Ordnung geworden ist, dann
besteht der nächste Schritt darin, aus der Ordnung eine noch höhere
Ordnung herzustellen. Selbstorganisation, also die Erschaffung von Ordnung
aus Unordnung, ist der entscheidende Weg, der vom unbelebten Zustand ins
Reich des Lebens führt. Der Schritt, aus Ordnung höhere Ordnung
zu schaffen, bedeutet Differenzierung und weitergehende Strukturierung
eines biologischen Systems. Nun haben wir endlich auch den dritten Begriff
aus der allgemeinen Definition von Leben geklärt, und weil die Definition
so außerordentlich wichtig für unser Thema ist, wiederholen
wir sie hier noch einmal: Jede Art von Leben, auch außerirdisches,
muß ein dissipatives, sich selbst organisierendes Nichtgleichgewichtssystem
sein. (Ebd., S. 42-47).
|  In
einem Kreisprozeß reagiert ein Stoff A mit mehreren Partnern zu unterschiedlichen
Partnern zu unterschiedlichen Verbindungen, wird aber am Ende der Raektionskette
wieder als Ausgangsstoff für einen neuen Kreislauf freigesetzt. Die durchgezogene
Linie symbolisiert den Kreisprozeß. | Die
nahezu unbegrenzten Möglichkeiten des Kohlenstoffs, sich mit allen möglichen
Elementen zu den unterschiedlichsten Verbindungen zusammenzutun, eröffneten
ein schier unendliches Experimentierfeld für immer kompliziertere Vorstufen
des Lebens. .... Alles dreht sich im Kreis .... Im Meer der Unwahrscheinlichkeit
experimentierte die Natur in stets neuen Versuchsreihen mit den zur Verfügung
stehenden Bausteinen. Dabei entstanden Ketten aus Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Wasserstoff-,
Stickstoff- und Phosphoratomen, die sich immer mehr falteten, umbauten, neu strukturierten
und somit zunehmend komplexere Verbindungen errichteten. Mit jeder neuen Faltung
dieser riesigen, dreidimensionalen Molekülverbände entfernten sich die
»Noch-nicht-Lebewesen« vom Gleichgewicht in ihrer Umgebung. .... Die
Vorgänge sind Kreisprozesse. Kreisprozesse sind gekennzeichnet durch eine
Abfolge von chemischen Reaktionen, die mit dem Verbrauch eines Reaktionspartners
beginnen und diesen am Ende wieder freisetzen. Entsteht
beispielsweise durch Zufuhr von Energie aus zwei Molekülen ein anderes Molekül,
so wird die Energie im neuen Molekül in den gegenseitigen Bindungen der beteiligten
Atome als so genannte Bindungsenergie gespeichert. .... Wird in einer späteren
chemischen Reaktion das Molekül in seine Auzsgangskomponenten aufgebrochen,
so wird die Bindungsenergie wieder frei, und die Komponenten, aus denen das Molekül
zusammengesetzt war, stehen für den Aufbau neuer Moleküle zur Verfügung.
Damit ist der Kreis geschlossen. Mithilfe von Molekülen läßt sich
also Energie transportieren, denn wie Speditionsunternehmen wandern Moleküle
mit ihrer Bindungsenergie durch ein bilologisches System, werden dort in komplexen
chemischen Reaktionen umgebaut und zerlegt und geben dabei ihre Bindungenergie
an das System ab. (Ebd., S. 48-50).
|  |
Diese »Urviecher«, die man auch als Prokaryonten
bezeichnet, sind nur wenig strukturiert, sie besitzen noch keinen klar umrissenen
Zellkern. Die nächst höhere Entwicklungsstufe stellen die so genannten
Eukaryonten dar, Zellen mit mehreren inneren Membransystemen und einer Reihe von
Zellbestandtteilen wie dem Zellkern, den Chloroplasten, dem Golgi-Apparat und
schließlich den Mitochondrien. Eukaryonten ... sind ... die Prototypen irdischen
Lebens, der gesamten Flora und Fauna. Durch ihre halb durchlässigen Grenzmembranen
wird die Zelle zu einer teilweise abgeschlossenen System- und Funktionseinheit
mit einer gewissen Eigenständigkeit. Physikalisch gesprochen ermöglicht
diese Abgrenzung der Zelle die Aufrechterhaltung eines Zustands weitab vom thermodynamischen
Gleichgewicht. Damit gleicht die Zelle einer sehr kompakten und sehr effizienten
chemischen Fabrik, in der die notwendigen Kreisprozesse, von äußeren
Einflüssen mehr oder weniger ungestört, ablaufen können. .... Man
unterscheidet zwei Arten von Zellen: einfache Zellen ohne Zellkern, die Prokaryonten,
und komplexe Zellen, die Eukaryonten. Bakterien sind prokaryontische Zellen, während
sich Pflanzen und Tiere aus eukaryontischen Zellen zusammensetzen. Alle Zellen
bestehen in erster Linie aus dem Zellplasma, umgeben von einer Zellmembran oder
einer Zellwand. Bei den Prokaryonten schwimmt die Erbinformation tragende DNS
frei in diesem Plasma. Eukaryontische Zellen sind komplizierter aufgebaut. Man
findet zahlreiche, mit speziellen Aufgaben betraute Zellorganellen wie beispielsweise
den Zellkern, die Mitochondrien, den Golgi-Apparat, die Ribosomen und das endoplasmatische
Reticulum. (Ebd., S. 57-60).
3. Die Bausteine des Lebens (S. 69-89)
Protonen und Neutronen sind
keine Elementarteilchen, sondern besitzen eine innere Struktur. Beide sind aus
je drei Quarks aufgebaut: das Proton aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark,
das Neutron aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks. .... Bezeichnet man die Elementarladung
eines Elektrons mit e0, so besitzt das Up-Quark
die Ladung + 2/3e0, das
Down-Quark die Ladung - 2/3e0.
Die Ladungssumme der im jeweiligen Nukleon vereinigten Quarks ergibt für
das Proton den Wert + e0 und für das Neutron
den Wert Null, so wie es sein muß, damit das Proton nach außen als
Ganzes elektrisch positiv erscheint und das Neutron elektrisch neutral. Aus der
Tatsache, daß das Down-Quark geringfügig schwerer ist als das Up-Quark,
erklärt sich auch die gegenüber dem Proton etwas größere
Masse des Neutrons. Mittels der schwachen Kernkraft können sich Neutronen
in Protronen umwandeln, ein Vorgang, der insbesondere beim so genannten b-Zerfall
radioaktiver Elemente zu beobachten ist. Dabei entsteht aus einem Kernneutron
ein Proton, und ein Elektron und ein Antineutrino verlassen den Kern. Bei diesem
Prozeß wandelt sich ein Down-Quark des Neutrons in ein Up-Quark um, so daß
ein Proton mit zwei Up-Quark und einem Down-Quark entsteht. Die Massendifferenz
zwischen Neutron und Proton steckt in dem Elektron und dem Antineutrino. ....
Das derzeit gültige Standardmodell der Teilchenphysik ... umfaßt insgesamt
sechs verschiedene Quarks mit der Bezeichnung up, down, strange, charme, top und
bottom, welche die Symmetrieeigenschaften der Teilchen beschreiben. .... Vervollständigt
werden die Elementarteilchen durch sechs Leptonen: dem Elektron e, dem Elektron-Neutrino
ve, dem Myon m-, dem Myon-Neutrino,
dem Tau t- und
dem Tau-Neutrino vt. .... Neutrinos entstehen
sowohl bei radioaktiven Zerfalls- als auch bei Kernfusionsprozessen, wie sie beispielsweise
in der Sonne ablaufen. .... Man teilt die Elementarteilchen in drei Familien auf
(I: Elektron, Elektron-Neutrino,
Up-Quark, Down-Quark; II: Myon,
Myon-Neutrinoi, Charm-Quark, Strange-Quark; III:
Tau, Tau-Neutrino, Top-Quark, Bottom-Quark). Eigenartigerweise
benutzt die Natur jedoch nur die Teilchen der ersten Familie, um die gesamte baryonische
Materie des Universums aufzubauen, aus der die Planeten, die Sterne und die Galaxien
bestehen. Warum und zu welchem Zweck sich die Natur den Luxus zweier weiter Teilchenfamilien
leistet, ist bis heute nicht geklärt. (Ebd., S. 85-87).
6. Die schweren Elemente (S. 105-123)
Die Entwicklungsphasen von
Sternen, deren Anfangsmassen größer sind als acht Sonnenmassen, laufen
anders ab, wobei sich insbesondere das Ende weitaus dramatischer gestaltet. Am
Beispiel eines 20-Sonnenmassen-Sterns läßt sich das gut studieren:
Im Anfangsstadium verlaufen die Lebenswege massereicher und massearmer Sterne
noch parallel. Beide Arten beginnen in der Kernzone mit dem Wasserstoffbrennen,
gefolgt vom Heliumbrennen. Was die Dauer der Brennphasen betrifft, so besteht
allerdings ein wesentlicher Unterschied. Während ein Stern wie unsere Sonne
rund zehn Milliarden Jahre von seinem Wasserstoffvorrat lebt, verheizt ein 20-Sonnenmassen-Stern
seinen Brennstoff in wenigen Millionen Jahren. Das Heliumbrennen läuft noch
schneller ab, es ist bereits nach einigen hunderttausend Jahren beendet. Jetzt
trennen sich die Lebenswege der massereichen und der massearmen Sterne. Während
das Kernbrennen bei den massearmen Sternen mit dem Heliumbrennen beendet ist,
kollabiert der Kern der schweren Sterne weiter, bis die Temperatur im Inneren
den für das nun folgende Kohlenstoffbrennen nötigen Wert von etwa 700
Millionen Kelvin erreicht. Das funktioniert, weil die ursprüngliche Sternmasse
so groß war, daß trotz der Sternwinde noch ein ausreichend schwerer
Kern verbleibt, dessen Masse für entsprechend starke Gravitationskräfte
sorgt. Für das Kohlenstoffbrennen, bei dem nun in großem Umfang Natrium,
Neon und Magnesium fusioniert werden, braucht der Stern nur noch etwa 1000 Jahre.
Es bereitet jetzt keine Probleme mehr, den weiteren Fortgang der Ereignisse zu
erraten: Ist auch der Kohlenstoffvorrat verbrannt, so laufen wieder die gleichen
Prozesse ab, die wir schon kennen. Der Kern verdichtet sich weiter, und Druck
und Temperatur steigen nochmals an. Bei etwa einer Milliarde Grad startet das
so genannte Neonbrennen, wobei Magnesium, Silizium und Schwefel erzeugt werden.
Ab zwei Milliarden Grad beginnt das Sauerstoffbrennen mit Silizium und Schwefel
als Fusionsprodukt, und schließlich, bei drei Milliarden Grad, wird Silizium
zu Eisen und Nickel verbrannt. Die Brennphasen dauern von Stufe zu Stufe immer
kürzer. Das Neonbrennen ist nach etwa zehn Jahren beendet, das Sauerstoffbrennen
in einem Jahr, und für die Fusion von Silizium zu Eisen und Nickel benötigt
der Stern nur noch wenige Stunden. Mit dem Siliziumbrennen bricht die Kernreaktionskette
ab. Eine Fusion der Eisenatome würde keine Energie mehr liefern, vielmehr
müßte Energie von außen zugeführt werden, um ein Verschmelzen
in Gang zu setzen. Das nukleare Feuer ist also endgültig erloschen. Was nun
folgt, gehört mit zu den spektakulärsten Ereignissen, die das Universum
zu bieten hat. (Ebd., S. 109-111).Da weder in den massereichen
noch in den massearmen Sternen während der verschiedenen Brennphasen Elemente,
die schwerer sind als Eisen, entstehen, muß es andere Prozesse zu deren
Synthese geben, die parallel zu den einzelnen Brennstufen ablaufen. Die entscheidende
Rolle spielen dabei die Neutronen, welche in großer Zahl bei den Verschmelzungsvorgängen
anfallen. Kollidiert eines dieser Neutronen mit einem Atomkern, so kann es im
Kern stecken bleiben. Bei diesem Prozeß wird die Anzahl der Kernbausteine
um ein Nukleon erhöht. Als Ergebnis erhält man ein Isotop des ursprünglichen
Elements, also einen Kern mit einem überschüssigen Neutron. Viele dieser
Isotope sind jedoch nicht stabil, sie zerfallen radioaktiv. Dabei verwandelt sich
eines der elektrisch ungeladenen Kernneutronen in ein positiv geladenes Proton,
und ein Elektron und ein Antineutrino verlassen den Kern. Zwar ändert dieser
Vorgang nichts an der Anzahl der Kernbausteine, aber die Ladung des Kerns ist
jetzt um eine Einheit größer, so daß der Kern zum nächsthöheren
Element im Periodensystem aufsteigt. Dieser Vorgang kann mehrmals hintereinander
ablaufen, wobei die Kerne des neuen Elements nun ihrerseits Neutronen einfangen
und neue Isotope bilden, die sich dann beim anschließenden Zerfall in noch
schwerere Elemente umwandeln. Auf diese Weise entsteht ein ganzes Netzwerk aus
Neutroneneinfang und Isotopenzerfall, das Ergebnis sind zunehmend schwerere Elemente.
Ausgehend von Eisen wird auf diese Weise ein Großteil der Elemente wie Silber,
Gold und Platin bis hinauf zum Blei aufgebaut. Diesen Vorgang bezeichnen die Astrophysiker
auch als »s-Prozeß« (wobei das »s« für
das englische Wort »slow« = langsam steht). Der Prozeß muß
langsam ablaufen, damit den instabilen Isotopen genügend Zeit bleibt, durch
den Zerfall eines Neutrons in das nächsthöhere Element überzugehen,
noch bevor ein weiteres Neutron eingefangen wird. In sehr heißen und dichten
Teilchengasen wie beispielsweise der explodierenden Hülle einer Supernova
läuft dagegen eine Turboversion der Atombildung ab, der so genannte »r-Prozeß«
(»r« hier steht für das englische Wort »rapide« und
bedeutet »schnell«). Das Einfangen von Neutronen erfolgt nun wesentlich
schneller, so daß für den konkurrierenden Neutronenzerfall kaum Zeit
bleibt. Durch »r-Prozesse« werden insbesondere die neutronenreichen
Kerne der schweren Elemente wie Uran und Thorium gebildet. (Ebd., S. 112-113).Der
Kern des anfänglich 20 Sonnenmassen schweren Sterns ist nach all den vorausgegangenen
Brennphasen und vor allem durch die verlustreichen Sternwinde schließlich
auf etwa 1,5 Sonnenmassen geschrumpft. Nun regiert erneut die Schwerkraft,
und zum wiederholten male kontrahiert der kern. Jetzt beginnen Prozesse, in deren
Verlauf eine große Menge Neutrinos freigesetzt wird, die den Stern nahezu
ungehindert verlassen und damit in enormen Umfang Energie abführen. Dadurch
kühlt die Kernregion rasch ab, der Druck im Inneren sinkt rapide, und die
Schwerkraft preßt den Kern noch weiter zusammen. Schließlich verschmelzen
sogar die vorhandenen Elektronen mit den Protonen, so daß ein superdichter
Neutronenstern sowie eine Unmenge weiterer Neutrinos entstehen. Da nun auch der
stabilisierende Druck der Elektronen wegfällt - der Druck kommt dadurch zustande,
daß die Elektronen unterschiedliche Energieniveaus besetzen und somit beliebig
eng zusammenrücken können -, bricht der Stern im Bruchteil einer Sekunde
unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen. Die jetzt auf den Neutronenkern niederprasselnden
äußeren Sternschichten verursachen gewaltige Druckwellen, die vom harten
Kern zurückprallen und gemeinsam mit den Neutrinos nach außen rasen.
Dabei wird die Sternhülle schlagartig so stark aufgeheizt, daß der
gesamte Stern in einer gewaltigen Explosion zerrissen und seine Hülle weit
in den Raum hinausgeschleudert wird. Die frei werdende Menge an Energie ist so
gigantisch, daß bereits ein Prozent davon den Sternrest für kurze Zeit
heller leuchten läßt als alle 100 Milliarden Sterne einer Galaxie zusammen.
Dieses Schauspiel, welches das Leben eines Sterns endgültig beschließt,
bezeichnen die Astrophysiker recht nüchtern als Supernova-Explosion vom Typ
II. Am Ende dieses spektakulären Vorgangs bleibt im Zentrum ein nur einige
zig Kilometer großer, so genannter Neutronenstern übrig. Er ist so
dicht, daß ein Kubikzentimeter davon ungefähr so viel wiegt wie alle
Menschen dieser Erde zusammen. In der Folge breitet sich um den Neutronenstern
eine riesige, leuchtende Gaswolke aus, die man auch als Supernova-Überrest
bezeichnet. Neben Wasserstoff und Helium enthält sie alle die in den Brennphasen
erbrüteten und in den s- und r-Prozessen erzeugten schweren Elemente, die
nun in das All hinauskatapultiert werden und das interstellare Gas mit mehreren
Sonnenmassen an schweren Elementen anreichern. Bilden sich hieraus wieder Sterne,
so werden sie metallreicher sein als die der vorhergegangenen Generation.
(Ebd., S. 113-114).
7. Biochemie und Ursprung des Lebens (S. 124-174)
Die Zusammensetzung
der belebten Materie ähnelt also weit mehr der in den Sternen und kosmischen
Gaswolken als der unseres Planeten. Das ist in der Tat überraschend. Anscheinend
ist es den Lebewesen ziemlich egal, was sich an chemischen Elementen auf einem
Planeten im »Angebot« befindet. Läßt sich das irgendwie
verstehen? (Ebd., S. 125).Beginnen wir beim Kohlenstoff.
Daß dieses Element in der Lage ist, komplexe Ketten- und Ringmoleküle
zu bilden, und mit fast allen anderen Elementen Bindungen eingehen kann, wissen
wir bereits. Deshalb gibt es auch weit mehr Verbindungen mit Kohlenstoff als ohne
ihn. Für das Leben ist das außerordentlich wichtig, denn für die
Speicherung von Information, wie beispielsweise des genetischen Codes, sind komplexe
Moleküle unverzichtbar. Deshalb steht der Kohlenstoff auch im Mittelpunkt
unserer Betrachtungen, und wir müssen erklären, woher die beneidenswerte
Bindungsfähigkeit der Kohlenstoffatome kommt. .... Ein Element mit weniger
als vier Außenelektronen in der zweiten Schale wird seine Elektronen eher
abgeben, um nur noch eine Schale mit zwei Elektronen zu besitzen, während
ein Element mit mehr als vier Außenelektronen dazu tendiert, seine Außenschale
auf acht Elektronen aufzufüllen. In beiden Fällen aber wird ein Zustand
erreicht, den man als gesättigt bezeichnet. .... Beim Kohlenstoff mit seinen
vier Außenelektronen wird die Sache etwas komplizierter. Der kann sich zunächst
nicht entscheiden, ob er Elektronen abgeben oder aufnehmen soll, und zieht andere
Wege vor. Eine Möglichkeit, eine Verbindung einzugehen, besteht darin, sich
mit vier anderen Atomen je ein Elektron zu teilen. Auf diese Weise entstehen vier
so genannte Einfachbindungen. Es kann aber auch vorkommen, daß ein Kohlenstoffatom
zwei oder sogar drei Elektronen mit nur einem anderen Atom oder auch mit seinesgleichen
gemeinsam hat. Dann spricht man von einer Doppel- oder Dreifachbindung. Moleküle,
deren Atome sich über Doppel- oder Dreifachbindungen miteinander vereinigen,
sind stabiler als solche mit Einfachbindungen. Mit Sauerstoff zum Beispiel bildet
Kohlenstoff Kohlendioxid, ein sehr stabiles Gas mit je einer Doppelbindung zwischen
dem Kohlenstoffatom und den beiden Sauerstoffatomen. Diese Fähigkeit des
Kohlenstoffs sowohl zu Einfach- als auch zu Mehrfachbindungen ist es, die einerseits
die universelle Verwendungsfähigkeit dieses Elements begründet und andererseits
für die biochemische Dynamik und die Stabilität der Verbindungen verantwortlich
ist. Letzteres ist besonders wichtig, denn auch die komplexesten Moleküle
sind für das Leben wertlos, wenn sie entweder schnell wieder zerfallen oder
so stabil sind, daß sie nicht mehr aufgebrochen werden können, um mit
anderen Molekülen oder Atomen neue Verbindungen einzugehen. Das Leben ist
ja keine statische Angelegenheit, sondern es »lebt« davon, daß
es Energie in Form von Molekülen aufnimmt, diese Moleküle über
chemische Prozesse in andere Moleküle überführt und die dabei frei
werdende Energie für das eigene Sein verwendet. Leben ist also ein hoch dynamischer
Prozeß der Energieumwandlung auf molekularer Ebene mit Molekülen, die
auch mal »loslassen« können. »Stabilität« und
»Flexibilität« sind die Zauberworte der biochemischen Welt. Während
die Ketten- und Ringverbindungen der Kohlenstoffchemie die »Wirbelsäule«
der organischen Welt bilden, sind die Elemente Sauerstoff und Stickstoff für
Kraft und Stabilität zuständig. Ihre Fähigkeit, sich über
mehr als ein Elektronenpaar mit dem Kohlenstoff zu verbinden, führt zu dauerhaften
und doch wieder lösbaren Komplexen. Weil bei der Reaktion des Sauerstoffs
mit anderen Atomen, der so genannten Oxidation, Energie frei wird, bezeichnen
die Chemiker Oxidationsreaktionen auch als exotherme Prozesse. Derartige Verbindungen
stellen Zustände niedrigster Energie dar und sind deshalb stabiler. Im allgemeinen
laufen chemische Reaktionen ohne äußere Einflüsse immer in Richtung
geringerer Energie ab, so wie Wasser ohne äußere Einflüsse eben
nur den Berg hinunter fließt und nicht hinauf. Übrigens rührt
der Name »Stickstoff« daher, daß dieses Gas in der Lage ist,
ein Feuer zu ersticken. Der aggressive Sauerstoff hingegen fördert die Verbrennung.
Ein zu hoher Gehalt an Sauerstoff in der Erdatmosphäre hätte Flächenbrände
globalen Ausmaßes zur Folge. Das würde zu einer Zerstörung des
Sauerstoff erzeugenden Biomaterials führen, was wiederum den Sauerstoffgehalt
der Atmosphäre absenken und so die Feuer allmählich zum Verlöschen
bringen würde. Doch zu wenig Sauerstoff ist für das Leben auch nicht
förderlich, man denke nur an die Bergsteiger auf den Gipfeln des Himalaja.
Der gegenwärtige Sauerstoffgehalt der irdischen Atmosphäre ist das Resultat
eines sich selbst regelnden, eng verzahnten Biosystems. - Allein mit Kohlenstoff
und den Gasen Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff ist die Elementarpalette
des Lebens noch nicht komplett. (Ebd., S. 127-128).Aminosäuren
... bilden eine Gruppe ähnlich strukturierter Moleküle aus etwa 10 bis
30 Atomen, die in den Kohlenstoffketten verbunden sind: An einem stets gleichen
Grundgerüst einer Amin- (NH2) und einer Karboxylgruppe (CO2H)
sind über eine freie Einfachbindung die unterschiedlichsten Molekülkomplexe
angedockt. Da sich Aminosäuren auch unter den unwirtlichsten Bedingungen
im Weltall bilden, könnte es sein, daß sich das Leben im ganzen Universum
aus Aminosäuren aufbaut. Man findet sie in Kometen und Meteoriten, in der
Atmosphäre des Jupiter und in interstellaren Gaswolken. Die Unwirtlichkeit
des Universums beruht hauptsächlich auf der enormen Kälte und der fehlenden
Abschirmung der Moleküle gegen hoch energetische, hochgradig zerstörerische
Ultraviolettstrahlung. Trotz allem bilden sich vielfach Kohlenstoffverbindungen
bis hin zu Aminosäuren. Im Zentrum unserer Milchstraße hat man beispielsweise
Glycin entdeckt,d ie einfachste aller Aminosäuren. .... Es muß also
gelungen sein, das Molekül zu erzeugen, es dann aber vor weiter UV-Strahlung
zu schützen. Die Strahlung durfte folglich nur einmal wirksam werden. ....
Die Bindungsfähigkeit von Kohlenstoff beweist sich eben auch unter den ungünstigen
Umständen im Weltraum, die sich gänzlich von den Bedingungen im Labor
oder in der irdischen Natur unterscheiden. Kommen wir zurück zu den Aminosäuren.
Weshalb sind sie so wichtig für das Leben auf der Erde? Aminosäuren
bauen Eiweiße, auch Proteine genannt, auf. Doch Aminosäuren sind Monomere,
also kleine Moleküle, und von ihnen ist es noch ein langer Weg bis zu den
einfachsten Lebewesen. Das Leben fordert weit höher entwickelte Moleküle,
von denen manche mehr als 10 000 Atome umfassen, so genannte Makromoleküle.
Damit aus den monomeren Aminosäuren derartige Riesenmoleküle werden
wie die Proteine entstehen, bedarf es eines Prozesses, den die Chemiker als Polymerisation
bezeichnen. Bei diesem Vorgang reiht sich eine Vielzahl unterschiedlicher Aminosäuren
zu langen Ketten aneinander, wobei die einzelnen Aminosäuren durch so genannte
Peptidbindungen (H-C-N-O) miteinander verknüpft sind. Diese spezielle Methode,
aus unterscheidlichen einfachen Molekülen größere, ja sogar riesige
Moleküle aufzubauen, unterscheidet die belebte von der unbelebten Materie.
Lebende Materie besteht hauptsächlich aus langen kettenförmigen Molekülen,
den Polymeren, in denen sich ein bestimmtes Muster mit kleinen Änderungen
immer wiederholt, wogegen sich die unbelebte Natur mit relativ simplen Molekülen
zufrieden gibt. Auf der Erde kommen vier Arten von organischen Polymeren vor:
nämlich die bereits erwähnten Proteine, die Kohlenhydrate, Lipide und
Nukleinsäuren. Die Proteine (griechisch »Proteion« = das Erste),
die Eiweißkörper, sind makromolekulare hochpolymere Substanzen und
die wichtigsten Baustoffe biologischer Organismen. Aus den Aminosären baut
sich die ganze Vielfalt dieser Eiweißkörper auf. Proteine sind die
Alleskönner, die das Leben erst möglich machen. Sie sind universell
verwendbar .... - Die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate werden im Organismus
abgebaut und liefern dabei die für Biosynthese, Körperwärme und
Muskelarbeit nötige Energie, Lipide sind Fette und Öle. Von besonderer
Bedeutung sind noch die Nukleinsäuren, die sich aus Zucker, Phosphorsäure
und einem Nukleinsäürebasenrest aufbauen. Die wichtigste unter ihnen
ist die Desoxyribonukleinsäure (DNS) .... - Aus den verfügbaren Monomeren
kann theoretisch eine Vielzahl an Polymeren entstehen, die sich zu noch komplexeren
Molekülen miteinander verbinden. Eigenartigerweise nimmt das Leben aber gar
nicht alle diese vielen Möglichkeiten biochemischer Verbindungen wahr. Beispielsweise
besteht ein typisches Proteinmolekül aus einigen hundert Aminosäuren.
Proteine unterscheiden sich nur in der Auswahl der Aminosäuren und der Reihenfolge,
in der diese zu einer Polymerkette verknüpft sind. Und jetzt kommt die Überraschung:
Theoretisch sind Hunderte verschiedener Aminosäuren möglich, aber von
den über 260 bekannten Aminosäuren verwendet das Leben nur ganze 20.
Hier zeigt sich ein ausgeprägtes Auswahlverfahren, dessen Grund uns völlig
unbekannt ist. Ein Eiweißmolekül, das aus 100 dieser 20 verschiedenen
Aminosäuren besteht, könnte auf 20100 unterschiedliche Arten
und Weisen zusammengesetzt sein. Das ist eine so große Zahl, daß man
noch nicht einmal einen Namen dafür hat. Im Vergleich dazu beträgt die
Anzahl aller Teilchen im gesamten Universum nur 1080. Die Zahl der
möglichen Variationen unter den Eiweißmolekülen ist also um viele
Größenordnungen größer als die Anzahl der Teilchen im Universum.
Doch ungeachtet dieser astronomischen Vielfalt produzieren und verwenden die meisten
Lebewesen auf diesem Planeten nur knapp 100 000 Arten von Proteinmolekülen.
Diese Besonderheit, hoch spezialisierte, chemische Verbindungen aufzubauen und
eine weitaus größere Zahl von Molekülarten gewissermaßen
abzulehnen, gehört zu den bezeichnenden Eigenheiten des uns bekannten Lebens.
Extraterrestrisches Leben auf Kohlenstoffbasis könnte ohne weiteres andere
Aminosäurestrukturen verwenden und damit die Zahl der Möglichkeiten
noch einmal erheblich vergrößern. Aber auch dort werden nur bestimmte
Molekülarten in Betracht kommen, aber eben Molekülarten mit anderer
Zusammensetzung. Fassen wir kurz zusammen: Leben ist einerseits sehr anpruchslos,
denn es begnügt sich mit den einfachsten Atomsorten wie Wasserstoff, Kohlenstoff,
Stickstoff und Sauerstoff - alles Elemente, die im Kosmos weit verbreitet sind.
Andererseits ist das Leben aber ausgesprochen wählerisch, wenn es darum geht,
diese Atome miteinander zu kombinieren. Möglicherweise ist das Leben auf
der Erde das Ergebnis ungezählter chemischer Versuchsreihen. Das, was erfolgreich
getestet wurde, ist erhalten geblieben, und alle erfolglosen Experimente sind
längst in Vergessenheit geraten. Auf anderen Planeten herrschen sicherlich
andere Spielregeln, aber die betreffen nicht die Grundausstattung mit Wasserstoff,
Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, sondern nur deren Kombinationsmöglichkeiten.
(Ebd., S. 130-136).Obwohl DNS und RNS Erstaunliches leisten, sind
sie nicht allmächtig. Vor allem sind sie imstrengen Sinne nicht lebendig.
Die beiden Partner im Spiel des Lebens brauchen sehr spezielle Voraussetzungen,
um sich zu reproduzieren, und die finden sich nur in belebteb Wesen. In den Viren,
die man früher für die einfachsten Lebewesen hielt, sind diese Bedingungen
nicht gegeben. Da Viren nur aus Nukleinsäuure und einer Proteinhülle
bestehen, können sie sich nicht außerhalb lebender Zellen vermehren.
Wenn sie dazu fähig wären, würden uns viele Krankheiten erspart
bleiben. (Ebd., S. 141-142).Die kleinste Einheit eigenständigen
Lebens auf der Erde ist die Zelle., eine winzige biochemische Planungs- und Fabrikationseinheit,
deren Durchmesser oft nicht mehr als ein Tausendstel Zentimeter beträgt.
Die ersten zellen, die sogenannten Prokaryonten (griechisch: vor dem Kern) bestanden
lediglich aus einer Membran als Hülle für das Zytoplasma, in dem DNS,
RNS und andere Moleküle schwammen. Prokaryonten weisen noch keinen besonderen
Mittelpunkt oder gar Zellkern auf. Doch im Gegensatz zu Viren sind sie wirklich
lebendige Wesen mit etwa 10000-mal mehr DNS-Molekülen. Mit dem Aufkommen
der Prokaryonten setzt gewissermaßen ein biologischer Abnabelungsprozeß
ein. Wie gelingt es einem biologischen Organismus, sich von den allgemeinen physikalischen
Umständen unabhängig zu machen? (Ebd., S.143-144 ).Prokaryonten
sind Lebewesen, die sich vermehren und Proteine aufbauen können, ohne
auf einen Wirt angewiesen zu sein. (Ebd., S. 144). |
Der
anfänglich von Cyanobakterien erzeuge Sauerstoff wurde sofort wieder durch
die Oxidation von zweiwertigem zu dreiwertigem Eisen gebunden und als eisenhaltiger
Schlamm am Grund der Meere abgelagert. Erst nachdem die Deponien des zweiwertigen
Eisens erschöpft waren, führte die Photosynthese in den Pflanzen zu
dem heutigen Gehalt an freiem Sauerstoff in der Erdatmosphäre. |
Der
erste Sauerstoff gelangte nicht infolge der Einwirkung von Lebewesen in unsere
Atmosphäre, sondern entstand bei der Spaltung von Wasserdampfmolekülen
durch den ultravioletten Strahlungsanteil der Sonne. Damit bekamen die Organismen
auf der Erde schon mal einen Vorgeschmack von diesem Gas. Sauerstoff war nämlich
für die damaligen Einzeller ein ausgesprochen starkes Zellgift, an dem sie
schnell zugrunde gingen. Er muß daher anfänglich als intensiver Auslesefaktor
zugunsten solcher Organismen gewirkt haben, die Sauerstoff zunächst ertragen
und später sogar ausnutzen konnten. Auf der nächsten Stufe biologischer
Entwicklung, bei den Zellen mit Zellkern, den Eukaryonten, finden wir kaum noch
Arten, die ohne gasförmigen Sauerstoff auskommen können. .... Trotz
dieser neuen Quelle stieg der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre zunächst
nur geringfügig an. Das im Meerwasser gelöste zweiwertige Eisen verband
sich nämlich umgehend mit dem Sauerstoff zu dreiwertigen, schwer löslichem
Eisenoxid, das sich als eisenreicher Schlamm in mächtigen Schichten auf den
Meeresboden ablagerte. Erst nachdem die Ozeane von zweiwertigem Eisen befreit
waren, konnte endlich der gasförmige Sauerstoff in nennenswerten Mengen in
die Atmosphäre entweichen. Mit dem Überschreiten der Sauerstoffkonzentration
von einem Prozent des heutigen Wertes war nun eine Konzentration erreicht, welche
die Existenz von Sauerstoff atmenden Organismen erlaubte. Jetzt tauchten neue
Organismen auf, die einen gewaltigen Entwicklungsschritt darstellten: Zellen mit
Zellkernen. Diese neuen Bewohner der Erde sollten den ganzen Planeten unter ihre
Herrschaft bringen - sie sollten die Welt verändern. Schlagen wir also ein
neues Kapitel auf: betrachten wir die neuen Organismen, die Zellen mit Zellkern,
die so genannten Eukaryonten. Niemand weiß genau, wie aus einer Vielzahl
von Zellen ohne klar umrissenen Kern die Zellen mit einem echten Zellkern hervorgegangen
sind. Wie wurden aus Prokaryonten Eukaryonten? Zweifellos gab es in dieser
Entwicklung ... jede Menge Zwischenschritte. Letztlich war der Sprung in der Zellentwicklung
jedoch gewaltig, denn in den Eukaryonten zeigt sich der höchste Grad an Kompliziertheit,
zu dem sich Zellen auf der Erde entwickelt haben. (Ebd., S. 145-148).Das
Leben auf der Erdebrauchte zwei (eher: drei! HB)
Milliarden Jahre, um den entscheidenden Baustein, eine Zelle mit Zellkern, zu
realisieren. So lange Zeit war nötig, obwohl auf unserem Planeten die Zellen
ohne Zellkern bereits weitgehend für die entsprechenden Bedingungen gesorgt
hatten. Die Eukaryonten legten sich sozusagen in das von den Prokaryonten gemachte
Bett. (Ebd., S. 148).In den Eukaryonten steckt die Information
über den Aufbau der Zelle und die Funktionsweise ihrer Bestandteile in den
... Chromosomen, die ihrerseits geschützt im Zellkern untergebracht sind.
Die Chromosomen enthalten die DNS-Moleküle, in denen der Bauplan des betreffenden
Lebewesens verschlüsselt ist. Ein typisches Chromosom einer eukaryontischen
Zelle enthält Tausende von Genen, das sind genau definierte DNS-Abschnitte,
die den Code zum Aufbau eines bestimmten Proteins enthalten. Die Menge an DNS
in einer Eukaryonten-Zelle ist zehn- bis tausendmal größer als in einer
Prokaryonten-Zelle. Folglich können Eukaryonten in ihrer Erbmasse sehr viel
mehr Informationen unterbringen als Prokaryonten, was sich in der immensen Vielfalt
der Strukturen und Funktionen dieser Zellen widerspiegelt. Eine Welt aus Prokaryonten
ist langweilig und ohne große Entwicklungsmöglichkeit - die Einzeller
bleiben Einzeller. Der Sprung des Lebens zu vielzelligen Organismen gelingt nur
mit eukaryontischen Zellen. Ohne diesen entscheidenden Entwicklungsschritt hätte
es auf diesem Planeten kein höher entwickeltes Leben gegeben. Zellen mit
Kern sind die entscheidende Weggabelung in der biologischen Entwicklung.
(Ebd., S. 148-150).Die entwicklungsgeschichtlich älteste und
somit einfachste, aber auch schnellste Art für einen Organismus, sich zu
vermehren, ist die Zellteilung. Dabei entstehen zwei genetisch identische Tochterzellen.
Viele einzellige Organismen, darunter die meisten Bakterien, aber auch eukaryontische
Einzeller wie die Amöben und viele Grünalgen, vermehren sich auf diese
Weise. Sogar verschiedene Tiere haben die Fähigkeit, sich ungeschlechtlich
zu vermehren, zum Beispiel die Blattläuse. Doch erst die geschlechtliche
Fortpflanzung, der Sex, brachte den entscheidenden Fortschritt bei der Vermehrung
der Organismen. Offenbar bietet die sexuelle Fortpflanzung so große Vorteile,
daß die am höchsten organisierten eukaryontischen Organismen sich ganz
darauf verlassen. Da bei der geschlechtlichen Fortpflanzung beide Eltern ihren
Teil zur Erbmasse beitragen, erhält der Nachkomme von jedem Elternteil einen
kompletten Satz Chromosomen. In der neuen Kombination der beiden Elternchromosomen
werden die Eigenschaften der beiden Ausgangszellen willkürlich ausgewählt
und neu zusammengesetzt. Diese Revolution in der Fortpflanzung hatte eine unbegrenzte
Erweiterung der Entwicklungsmöglichkeiten biologischer Systeme zur Folge.
Wahrscheinlich ermöglicht dieser Vorgang gegenüber der ungeschlechtlichen
Vermehrung auch eine drastische Beschleunigung der natürlichen Auslese. Durch
die ständige Weitergabe der Eigenschaften beider Eltern entstehen für
die nachfolgenden Generationen erheblich mehr Kombinationsmöglichkeiten,
die sich, je nach äußeren Bedingungen, erfolgreich durchsetzen oder
als erfolgloser Versuch wieder aussterben. Sex ist die unabdingbare Voraussetzung
für die offenbar unbegrenzte Flexibilität der Organismen bei der Anpassung
an sich verändernde äußere Umstände. Ohne diesen entscheidenden
Schritt in der Entwicklungsgeschichte wäre unser Planet nur von Einzellern
bewohnt. (Ebd., S. 152).
8. Leben im Sonnensystem (S. 175-221)
|
Sonne,
Mond und andere Körper des Sonnensystems (aber eben besonders der Mond, weil
er der Erde so nahe ist) versuchen die um 23,5 Grad gegen die Erdbahnebene geneigte
Erdachse aufzurichten. Wie bei einem Kreisel reagiert die Erde darauf mit einer
Rotation der Erdachse um eine Senkrechte, so daß die Erde dabei einen Präzessionskegel
beschreibt. Ein Umlauf Dauert rund 25800 Jahre. |
Aber
wieso hat sich die Rotation der Erde verlangsamt? Schuld daran ist hauptsächlich
der Begleiter der Erde, der Mond. Die Anziehungskraft dieses Trabanten wirkt sich
auf die Erde in Form der Gezeiten aus. Dabei bilden sich zwei gewaltige Flutberge:
der eine auf der dem Mond zugewandten Seite, der andere auf der abgewandten Seite.
Während sich der Mond um die Erde dreht, bleiben diese Wasserberge immer
auf der Linie Erde-Mond ausgerichtet. Nun dreht sich aber die Erde viel schneller
um ihre Achse als der Mond um die Erde, so daß sich die Erde unter den Flutbergen
hindurch dreht. Dabei wird Reibungsenergie verbraucht, und die geht der Rotationsenergie
der Erde verloren. Die Erde dreht sich also immer langsamer. Natürlich übt
auch die Erde auf den Mond eine Anziehungskraft aus, so daß der Mond ebenfalls
in seiner Eigendrehung verlangsamt wurde, und zwar so weit, daß er sich
heute während eines Umlaufs um die Erde nur noch einmal um seine Achse dreht.
Das ist auch der Grund, warum wir immer nur dieselbe Seite des Mondes sehen. Daß
der Erdtag tatsächlich länger geworden ist, kann man an den Sedimenten
der Meere ablesen. Meeresalgen reagieren besonders empfindlich auf die Sonneneinstrahlung.
Solange die Sonne scheint, erzeugen sie einen Stoff, der sich in den Meeresablagerungen
als sehr dünne Schicht von weniger als einem tausendstel Millimeter Dicke
nachweisen läßt. Ähnlich wie bei den Jahresringen der Bäume
ist es möglich, aus der Schichtung der Gesteine die Tageslängen zu ermitteln.
Dabei hat sich gezeigt, daß vor 500 Millionen Jahren ein Jahr mehr als 400
Tage hatte, ein Tag also nur rund 21 Stunden lang war. Rechnet man von der heutigen
Tageslänge zurück, so erhält man als Ergebnis, daß sich die
Erde ursprünglich in knapp sieben Stunden einmal um ihre Achse gedreht haben
muß. Gäbe es den Mond nicht, so hätte sich nur die Sonne auf die
Umdrehung der Erde ausgewirkt. Zwar ist die Sonne wesentlich schwerer als der
Mond, da sie aber viel weiter entfernt ist, fällt ihre Gezeitenkraft nur
etwa halb so stark aus wie die des Mondes. Die Sonne allein hätte die Erde
bis heute nur auf etwa zehn Stunden pro Umdrehung abgebremst. Die Tage wären
also um mehr als die Hälfte kürzer. (Ebd., S. 178-179).
Die Umdrehungsgeschwindigkeit eines Planeten bestimmt wesentlich das Wettergeschehen.
Die Bewegungen der Hoch- und Tiefdruckgebiete hängen direkt mit der Umdrehungsgeschwindigkeit
des Planeten zusammen. Dreht sich ein Planet zu langsam, so wird eine Seite stärker
erwärmt als die andere, es kommt zu Luftmassenverschiebungen in großem
Umfang, starke Stürme sind die Folge. Dreht sich ein Planet zu schnell, so
gibt es ebenfalls andauernde starke Windbewegungen, weil sich die Lufthülle
mit dem Planeten mitdreht. Eine Erde mit einer Tageslänge von zehn Stunden
wäre deshalb eine äußerst stürmische Welt, die Windgeschwindigkeiten
betrügen mindestens 400 Kilometer pro Stunde. Fortwährend würden
Hurrikane, Tornados und Wirbelstürme über die Erde hinwegfegen. Die
Meere wären ständig aufgewühlt, Sturmfluten würden an den
Küsten die Kontinente abtragen, gewaltige Überflutungen und Wasserlawinen
würden die Entwicklung von Leben stark behindern, wenn nicht sogar völlig
verhindern. Auf einem Planeten mit derartigen Windverhältnissen müßten
Lebewesen in jeder Hinsicht »platt« sein, damit sie nicht weggeweht
werden. Uns Menschen gäbe es in unserer jetzigen Gestalt sehr wahrscheinlich
nicht. (Ebd., S. 179-180). Interessant ist, daß die
Stabilisierung der Erdachse durch den Mond nur funktioniert, weil zwei Eigenschaften
der Erde zusammentreffen: Die Erde dreht sich, und ihre Achse ist gegen
eine Senkrechte zur Bahnebene des Mondes geneigt. Aufgrund der Rotation erfährt
die Erde eine Abplanung, der Erdball wird zu einem Rotationsellipsoid deformiert,
er verändert sich zu einer Kugel mit einem ausgeprägten Wulst längs
des Äquators. Da die Anziehungskraft des Mondes den Wulst auf der ihm zugewandten
Erdhälfte stärker anzieht als den auf der abgewandten Hälfte, entsteht
ein Drehmoment, das die Erdachse aufzurichten versucht. Würde sich bei geneigter
Erdachse die Erde nicht drehen oder würde sie sich bei senkrecht stehender
Achse drehen, so hätte der Trabant keinerlei Wirkung auf den Kreisel Erde.
Nur bei gleichzeitiger Rotation und einer Neigung der Achse stellt sich
ein Effekt ein. (Ebd., S. 182).
Wie aber reagieren die Kontinente auf die sich ausbreitende ozeanische
Kruste? Wie reagieren die alten Kontinente auf den Druck der Ozeanböden
? Dazu muß man wissen, daß die gesamte Lithosphäre, die
ozeanische und die kontinentale, in ungefähr ein Dutzend einzelne Platten
zerbrochen ist. Diese schwimmen regelrecht auf einer teilweise geschmolzenen,
zähflüssigen Schicht, der so genannten Asthenosphäre. Getrieben
durch die Konvektion von heißem, flüssigem Material aus dem Erdinneren,
bewegen sich einige der Platten aufeinander zu, andere driften voneinander weg.
Die Wärmequellen im Inneren der Erde liefern die hierfür benötigte
Energie. Wo die Platten auseinander driften, kommt es zu einem regen Vulkanismus.
Geschmolzenes Material steigt in den Spalten zwischen den Platten auf, kühlt
ab und bildet eine neue Kruste. Im Laufe der Jahrmilliarden sind so riesige Becken
entstanden, die späteren Ozeane. Doch da die Erde eine Kugel mit endlicher
Oberfläche ist, müssen die Platten woanders auch wieder aufeinander
zutreiben. Wo das der Fall ist, spricht man von so genannten Subduktionszonen,
in denen eine Platte unter der anderen wegtaucht und in der Tiefe wieder aufgeschmolzen
wird. Der Rand der aufgleitenden Platte wird gestaucht, so daß es zur Auffaltung
von Gebirgen und häufigen Erdbeben kommt. Auf diese Weise bildet sich ein
regelrechter Gesteinskreislauf, indem aus dem Erdinneren aufsteigendes Material
an anderer Stelle wieder abtaucht. Heute kann man aus den unterschiedlichen Gesteinsfunden
Bilderreihen von einem regelrechten Tanz der Kontinente anfertigen. Afrika treibt
gegenwärtig auf Europa zu und wölbt die Alpen auf. Indien schiebt sich
unter den eurasischen Kontinent und hebt das Himalaja-Gebirge an. Auch der südliche
Teil von Afrika wird zur Zeit angehoben, während der nördliche Teil
sich unter Europa schiebt. Amerika driftet von Europa weg in Richtung Asien, und
in schätzungsweise 20 Millionen Jahren werden Teile Ostafrikas vom afrikanischen
Kontinent abbrechen. Da also alle Kontinente im Fluß sind, muß die
Erde früher ganz anders ausgesehen haben. (Ebd., S. 185).
Gleichschaltung
erlebt jeder Körper, der sich im Schwerefeld eines anderen massereicheren
Körpers bewegt. Es sind die Gezeitenkräfte, die den kleineren Körper
in seiner Eigendrehung abbremsen, und zwar umso schneller, je enger die beiden
Körper einandern umkreisen und je größer der Massenunteschied
ist. Zwar spürt auch der größere Körper den kleinen Begleiter,
jedoch entsprechend dem Verhältnis der beiden Massen viel schwächer.
(Ebd., S. 193-194).Doch wieso ist die Venus der Erde so ähnlich
und dennoch ganz anders? Liegt es an der Nähe zur Sonne, machen 45
Millionen Kilometer so viel aus? Hat es mit der fehlenden Eigendrehung zu
tun? Berechnungen haben ergeben, daß dort ein uns nur zu bekanntes
Phänomen, der Treibhauseffekt, die entscheidende Rolle gespielt hat. Auf
der Venus hat er einen katastrophalen Verlauf genommen, weil die Atmosphäre
so viel Kohlendioxid enthält. Auf den ersten Blick war dieser Befund überraschend,
denn ursprünglich enthielten sowohl die Venus als auch die Erde die gleichen
Gase mit annähernd gleichen Häufigkeiten. Beide Planeten hatten ja eine
Uratmosphäre aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickstoff, freigesetzt im wesentlichen durch vulkanische Aktivität. Auf der Erde aber wurde ein Großteil
des Kohlendioxids in den Wassern der Meere gelöst, zur Bildung der Karbonatgesteine
verbraucht und durch die Photosynthese der Pflanzen der Atmosphäre entzogen.
Könnte man den gesamten in den Karbonatgesteinen und organischen Bestandteilen
gebundenen Kohlenstoff in Kohlendioxid rückverwandeln, so würde man
das Hunderttausendfache von dem erhalten, was heute in der Erdatmosphäre
vorhanden ist. Diese Menge entspricht ungefähr dem Kohlendioxidgehalt der
Venus. Erde und Venus unterscheiden sich also nicht hinsichtlich des Gesamtgehalts
an Kohlendioxid, sondern nur bezüglich seiner Verteilung. Bei der Venus sind
die Prozesse unglücklicherweise anders abgelaufen als auf der Erde. Ohne
den Treibhauseffekt läge die Lufttemperatur der Venus bei höchstens
70 Grad Celsius. (Ebd., S. 197).
9. Gesucht: Ein idealer Platz für das Leben (S. 222-263)
Leben
ist ein sich selbst organisierendes Nichtgleichgewichtssystem, das mit seiner
Umgebung Energie und Materie austauscht. Dies ist die physikalische Definition
von Leben (Ebd., S. 225). |
 Die
bewohnbare sogenannte habitale Zone um einen Stern wird im wesentlichen ausschließlich
von der Masse des Sterns bestimmt. In unserem Sonnensystem liegt die Erde inmitten
dieses Bereichs. Ähnlich
wie unser Sonnensystem weist auch unsere Milchstraße eine bewohnbare Zone
auf, außerhalb der es vermutlich keine belebten Planeten oder Monde gibt.
Natürlich liegt unsere Sonne, unser Sonnensystem in diesem Lebensgürtel.
|
»Gute«
Sterne sind G-Sterne, und das ist nicht einmal falsch, denn unsere Sonne ist ein
G-Stern - und daß sich unter ihr relativ gut leben läßt, davon
können wir uns jeden Tag aufs Neue überzeugen. Doch dieses »G«
steht für etwas anderes: Die Astronomen teilen die Sterne in Klassen ein,
die sie mit O, B, A, F, G, K und M bezeichnen. O-Sterne gehören zu den massereichen
und sehr heißen Sternen, wogegen die M-Sterne das andere Ende der Skala
bilden, also eine sehr kleine Masse besitzen und relativ kühl sind. Im Vergleich
zur Sonne haben O-Sterne bis etwa 100-mal mehr Masse, wogegen sich M-Sterne mit
rund einem Zehntel der Sonnenmasse begnügen. (Ebd., S. 227).Als
in unserer Sonne das Wasserstoffbrennen einsetzte, da begann ihre habitable Zone
in einer Entfernung von 0,8 AE und reichte bis 1,2 AE in den Raum hinaus. Unsere
Erde liegt gegenwärtig genau In diesem Bereich (siehe
Abb.). Doch mit fortschreitendem Alter eines Sterns dehnt sich die
ursprünglich nur auf das Sternzentrum beschränkte Waserstoffbrennzone
aus, die Leuchtkraft nimmt zu, und der Durchmesser des Sterns schwillt an. Damit
dehnt sich auch die habitable Zone, sie wird breiter und entfernt sich vom Stern.
Je größer die Masse des Sterns, desto schneller entfernt sich die bewohnbare
Zone. (Harald Lesch, Ebd., S. 228).Zur Erinnerung: Bei der
Drehung der Erde unter den vom Mond aufgetürmten Flutbergen wird Reibungsenergie
verbraucht, so daß sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit zunehmend verlangsamt.
Erst wenn die Erde für eine Umdrehung genauso lange braucht wie der Mond
für eine Umrundung der Erde, ist das Spiel beendet. Von da ab wendet die
Erde dem Mond immer dieselbe Seite zu, Diesen als Korotation bezeichneten Zustand
hat der Mond schon vor langer Zeit erreicht, denn so wie die Gravitationskraft
des Mondes auf die Erde wirkt, wirkt auch die Gravitationskraft der Erde auf den
Mond. Erde und Mond zwingen sich also gegenseitig zur Korotation, wobei dieses
Schicksal den masseärmeren Partner zuerst ereilt. (Ebd., S. 235).Da
sich die Gezeitenkräfte umgekehrt proportional zur dritten Potenz des Abstands
Stern-Planet verändern - eine Halbierung des Abstands hat achtmal so große
Gezeitenkräfte zur Folge -, wirkt sich eine Verringerung der Entfernung zwischen
Stern und Planet ziemlich drastisch aus. Bei einem 0,2-Sonnemassenstern, den ein
Planet mit der Masse unserer Erde in der Entfernung von 0,1 AE umkreist, dauert
es nur etwa 25 bis 30 Millionen Jahre, bis der Stern die Korotaion des Planeten
erzwungen hat. Aber Korotation ist nicht gut für das Leben. Wenn ein Planet
seinem Stern stets dieselbe Seite zuwendet, heizt sich diese so stark auf, daß
das Leben dort praktisch gegrillt wird, wogegen die abgewandte Seite durch Wärmeabstrahlung
in den Weltraum abkühlt und das Leben dort zu Eis erstarrt. In einem sehr
schmalen Übergangsbereich kann sich vielleicht eine für das Leben noch
akzeptable Temperatur einstellen. Wenn der Planet aber eine Atmosphäre besitzt,
entwickeln sich aufgrund der hohen Temperaturdifferenz zwischen den beiden Hemisphären
extrem starke Winde, die mit Geschwindigkeiten von 1000 Kilometern pro Stunde
und mehr über den Planeten fegen. Daß weder das eine noch das andere
eine gute Voraussetzung für die Enststehung von Leben ist, liegt auf der
Hand. (Ebd., S. 235-236).auf der Verteilung des Metallgehalts,
der vom Scheibenzentrum zum Rand hin abnimmt. Bei einem zu geringen Metallgehalt
in den Randbereichen der Scheibe wird die Bildung gesteins- und eisenhaltiger
Planeten immer unwahrscheinlicher. Nahe der Scheibenmitte ist der Metallgehalt
dagegen überproportional hoch und ausreichend Material für erdähnliche
Planeten vorhanden. Dafür taucht dort ein anderes Problem auf, das mit den
Spiralarmen zusammenhängt ...: Spiralarme entstehen aufgrund von Dichtewellen
und sind im Prinzip Zonen, in denen das Scheibengas im Vergleich zu den Bereichen
zwischen den Armen dichter ist. Die Spiralarme rotieren mehr oder weniger starr
mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um das Zentrum. Das Scheibengas und die Sterne
rotieren dagegen differenziell, schneller in Zentrumsnähe und langsamer am
Rand der Scheibe. Insgesamt betrachtet dreht sich das System der Spiralarme jedoch
langsamer als das Scheibengas mit den Sternen. Das führt dazu, daß
das Scheibengas die Spiralarme überholt und der Reihe nach durchläuft.
Die Verdichtung, die das Scheibengas dabei in jedem Spiralarm erfährt, führt
zu einer Neubildung von Sternen. Das erklärt auch, warum die Spiralarme so
hell leuchten: Sie sind die Orte, an denen die jungen, gleißend hellen,
blau strahlenden Sterne geboren werden. In den Spiralarmen sterben aber auch viele
Sterne, vor allem die massereichen. Das hängt damit zusammen, daß massereiche
Sterne eine vergleichsweise kurze Lebenserwartung haben und sich trotz ihrer Bewegung
relativ zu den Spiralarmen in der kurzen Spanne ihres Lebens nicht weit von ihrem
Geburtsort entfernen. Wie wir schon wissen, enden massereiche Sterne in einer
Supernova mit den bekannten negativen Auswirkungen für Leben auf benachbarten
Planeten. Soweit die Fakten. Doch was hat das mit dem Leben zu tun? Wie
es scheint, kann man auch unserer Milchstraße eine habitable Zone (bewohnbare
Zone, d.h. Lebenszone; HB; vgl. Lebensgürtel)
zuweisen. Sie liegt etwa auf halber Entfernung zwischen dem Bulge und dem Rand
der Scheibe und scheint ziemlich schmal zu sein. Dort ist die Metallhäufigkeit
für erdähnliche Planeten ausreichend hoch und die Differenzgeschwindigkeit
von Spiralarmen und Scheibengas gering. Ein Stern, der hier gerade zwischen zwei
Spiralarmen liegt, verbleibt auch relativ lange in diesem von astronomischen Katastrophen
weniger bedrohten Bereich, so daß dem Leben viel Zeit bleibt, sich zu etablieren.
Was bedeutet das für uns? Die Sonne rotiert mit einer Geschwindigkeit
von 220 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von 26 000 Lichtjahren
um das Zentrum der Milchstraße, also ziemlich genau in der habitablen Zone
der Galaxis. Da die Spiralarme am Ort der Sonne nur etwa halb so schnell rotieren,
dauert es rund 500 Millionen Jahre, bis alle Spiralarme einmal durchlaufen sind.
Außerdem steht unsere Sonne gegenwärtig ziemlich genau zwischen zwei
Spiralarmen: in einem Bereich, in dem die Gefahr einer Supernova gering ist. Vielleicht
haben wir es nicht zuletzt diesen glücklichen Konstellationen zu verdanken,
daß das Leben auf der Erde Fuß fassen konnte. Inwieweit sich die Verhältnisse
in unserer Milchstraße auch auf andere Spiralgalaxien übertragen lassen,
ist schwer zu sagen. Im Allgemeinen sind sich Spiralgalaxien, was ihren Aufbau
und ihre Struktur betrifft, jedoch sehr ähnlich. (Ebd., S. 260-262).
10. Die Suche nach außerirdischem Leben (S. 264-289)
Daß
unter den 105 gefundenen Riesenplaneten ein belebter sein könnte, mag sich
kein Wissenschaftler so recht vorstellen, handelt es sich doch mit großer
Wahrscheinlichkeit bei allen um Gasplaneten, die, wie mittlerweile schon mehrmals
erwähnt, für das Leben keine guten Orte sind. Doch wie kann man einen
belebten von einem unbelebten Planeten aus einer Entfernung von mmdestens 4,3
Lichtjahren - so welt ist der nächste Stern von der Sonne entfernt - unterscheiden?
Dazu müssen wir uns nochmals vor Augen führen, wie das Leben einen Planeten
verändert - genauer gesagt: seine Atmosphäre -und wie man über
deren Zusammensetzung mithilfe der Spektroskopie Aufschluß erhält.
Grundvoraussetzung für Leben ist das Vorhandensein größerer Mengen
Wasser und Kohlendioxid. Auch wenn auf dem Planeten kein Leben entstanden ist,
so wird dennoch ein mehr oder weniger großer Anteil Wasserdampf und Kohlendioxid
in semer Atmosphäre zu finden sem, da alle Planeten diese Gase aus der protoplanetaren
Gasscheibe, aus der sie entstanden, mitbekommen haben. Doch wenn es Leben gibt,
kommen drei weitere atmosphärische Bestandteile hinzu: nämlich Sauerstoff,
Ozon und größere Mengen Methan. Daß Sauerstoff von Bakterien
und Pflanzen bei der Photosynthese erzeugt wird und daß sich Ozon aus freiem
Sauerstoff durch die Einwirkung der ultravioletten Strahlung in den oberen Atmosphärenschichten
bildet, wissen wir bereits. Gibt es kein Leben, so gibt es auch keine nennenswerten
Mengen an freiem Sauerstoff, denn dieses Element ist so reaktionsfreudig, daß
es bereits nach kurzer Zeit, beispielsweise in den Gesteinen des Planeten, gebunden
wird. Das Leben muß also fortwährend neuen Sauerstoff nachliefern.
Und das Methan, woher kommt das? Methan ist ein Stoffwechselprodukt, das von primitiven
Lebensformen wie Bakterien ausgeschieden wird, das aber auch in großen Mengen
in den Verdauungsorganen höherer Lebewesen entsteht, beispielsweise den Mägen
von Rindern. Vermag man also bei der Spektralanalyse der Atmosphäre eines
Planeten alle fünf Komponenten gleichzeitig und in größerer Menge
nachzuweisen, so darf man ziemlich sicher sein, daß sich dort Leben ausgebreitet
hat. (Ebd., S. 285-286). |
 Das
vom Stern ausgehende Licht wird beim Durchgang durch die Atmosphäre des Planeten
von den dort vorhandenen Molekülen abbiert. Mithilfe der Spektralanalyse
kann man aus der Lage und Intensität der Absorptlonslinien Art und Konzentration
der Atmosphärenbestandteile bestimmen. Die
Absorptionsspektren von Venus, Erde und Mars zeigen nur auf unserem Planeten die
für das Leben notwendigen Moleküle Wasser und Ozon an.
|
Die
Spektralanalyse eines femen Planeten ist jedoch ein schwieriges Unterfangen. Zum
einen braucht man eine Lichtquelle, beispielsweise einen Stern, der den Planeten
von hinten beleuchtet, zum anderen muß das System Stern/Planet so zum Beobachter
orientiert sein, daß der Planet auf seinem Weg um den Stern die Verbindungslinie
Beobachter-Stern kreuzt und das Licht zuerst die Atmosphäre des Planeten
durchdringen muß, bevor es den Beobachter auf der Erde erreicht. Sind diese
Bedingungen erfüllt, so läßt sich ein Absorptionsspektrum aufzeichlen
(siehe
Abbildung) ...: Je nach Art der in der Gashülle vorhandenen Moleküle
werden bestimmte Wellenlängen der Lichtquelle absorbiert. Auf diese Weise
gibt uns ein Absorptionsspektrum Auskunft über die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre.
Beispielsweise unterscheiden sich die Absorptionsspektren von Venus, Erde und
Mars insbesondere dort, wo Wasser und Ozon ihre Absorptionslinien haben (siehe
nächste Abbildung). Während diese Linien bei der Erde deutlich
auszumachen sind, fehlen sie bei Venus und Mars nahezu völlig. (Ebd.,
S. 286).Aussagekräftige Absorptionsspektren erhält man
jedoch nur, wenn sichergestellt ist, daß die Linien des Absorptionsspektrums
von der Atmosphäre des Planeten und nicht von der Atmosphäre des Sterns
stammen. Man muß also zuerst das Sternspektrum aufnehmen und ein zweites
dann, wenn der Planet gerade vor dem Stern vorbeiläuft. Darauf muß
der Beobachter allerdings unter Umständen viele Jahre warten. Sind schließlich
beim Vergleich der beiden Spektren neue Linien hinzugekommen beziehungsweise haben
sich bereits vorhandene Linien verstärkt, so stammen sie vom Planeten. Einen
Unterschied wird man jedoch nur feststellen können, wenn die Atmosphäre
des Planeten hinreichend dicht und ausgedehnt und die Konzentration der Komponenten
in der Atmosphäre hoch ist. Ansonsten sind die Absorptionslinien so schwach,
daß man sie auch mit den feinsten Geräten nicht mehr feststellen kann.
(Ebd., S. 286-287).In den seltensten Fällen passen alle Faktoren
so glücklich zusammen, daß man tatsächlich eine Aussage machen
kann. Bisher ist das nur ein einziges Mal gelungen: Im November 2001 konnte mit
dem Hubble-Space-Teleskop von dem sonnenähnlichen Stern HD 209458, der etwa
150 Lichtjahre von uns entfernt in der Konstellation Pegasus beheimatet ist und
bei dem 1999 ein Planet von etwa 0,7 Jupitermassen entdeckt wurde, erstmals ein
Absorptionsspektrum aufgenommen werden. Was man fand, war jedoch ziemlich ernüchternd:
eine Atmosphäre, bestehend aus Natriumdampf - also nicht unbedingt das, was
sich das Leben wünscht. Man muß jedoch erwähnen, daß das
Hubble-Space-Teleskop gar keine anderen Bestandteile entdecken konnte, weil seine
Geräte in den Wellenlängenbereichen, in denen Wasser, Sauerstoff, Ozon,
Kohlendioxid und Methan ihre Fingerabdrücke hinterlassen, nicht empfindlich
sind. Die Astronomen wollen daher die Justierung ändern und nochmals das
Licht dieses Sterns analysieren. Allerdings besteht wenig Hoffnung auf Spektakuläres.
Mittlerweile weiß man nämlich, daß es sich bei dem Planeten um
einen Gasriesen handelt, auf dem a priori nicht mit Leben zu rechnen ist.
(Ebd., S. 287-289).Aber auch wenn sich demnächst ein Kandidat
finden sollte, dessen Atmosphäre alle Anzeichen von Leben widerspiegelt -
es ist dennoch sehr unwahrscheinlich, daß sich das Leben dort nach dem gleichen
Muster, hin zu den gleichen Lebewesen entwickelt hat wie auf der Erde. Allein
unsere Erde belegt eine schier unglaubliche Vielfalt an Lebensformen, darunter
zahlreiche, die wir erst bei genauerer Betrachtung überhaupt als Lebewesen
erkennen. Wer sagt uns denn, daß die Natur, auch wenn wir nur Leben auf
der Grundlage der Kohlenstoffchemie betrachten wollen, nicht noch ganz andere
Möglichkeiten hat? (Ebd., S. 289).
11. Die Suche nach außerirdischem Leben (S. 290-337)
Wenn
Leben auf Kohlenstoffbasis der universelle Normalfall sein sollte, dann kann das
Vorhandensein der Photosynthese nicht auf einem Zufall beruhen, sondern sie muß
aus einem Wettbewerb unterschiedlicher Verfahren hervorgegangen sein mit dem Ziel,
den Fortbestand des Lebens sicherzustellen. Die ultimative, über lange Zeiträume
dauerhaft stabile Energiequelle eines Planeten ist nun mal die elektromagnetische
Strahlung seines Zentralgestirns. Die Photosynthese, also die Energiegewinnung
aus Sternenlicht, ist folglich der konsequenteste Weg aus einer drohenden Energiekrise,
wenn die ursprünglich vom Leben genutzten Ressourcen erschöpft sind.
Und wie schon mehrmals erwähnt, entsteht bei der Photosynthese der unvermeidbare
Sauerstoff. (Ebd., S. 292).Nur eine Kultur, nämlich
die abendländische, hat sich die Fähigkeit zur weltweiten Kommunikation
angeeignet und darüber hinaus Entdeckungsreisen ins nahe Weltall unternommen.
Europa wurde nie entdeckt, aber es waren Europäer, die die anderen Kontinente
entdeckten und die ganze Welt umsegelten und erforschten. (Ebd., S. 302).
12. Raumfahrt (S. 338-378)
Bewegt sich ein Raumschiff mit nahezu
Lichtgeschwindigkeit, so ist die Zeit, wie sie für ein Besatzungsmitgleid
an Bord des Schiffes vergeht, bedeutend kürzer als die für die auf der
Erde zurückgebliebenen Menschen. Daß das durchaus mit rechten Dingen
zugeht, konnte Einstein anhand seiner »speziellen Relativitätstheorie«
zeigen. Demnach vergeht für einen Beobachter die Zeit in einem relativ zu
ihm bewegten Bezugssystem langsamer. Daß das tatsächlich stimmt, läßt
sich an den Satelliten des Global Position System (GPS) beobachten, deren
Zeitsignale gegenüber einer Uhr auf der Erde verspätet aufeinander folgen.
Bei großen Relativgeschwindigkeiten ist der Effekt drastischer. .... Drammatischer
wird die Sache, wenn der Astronaut fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist,
sagen wir: mit 99,9999995 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Wenn er nach zehnjähriger
Reise wieder auf der Erde landet, sind dort sag und schreibe 100 000 Jahre vergangen
! Vorausgesetzt, die Menschheit hat diese lange Zeit ohne große Veränderungen
überdauert, wird sich vermutlich niemand mehr an die 100 000 Jahre zuvor
gestartete Mission erinnern. In 100 000 Jahren kann die Technik gewaltige Fortschritte
gemacht haben; vielleicht sind neue Raumantriebe entwickelt worden, mit denen
die Menschheit die Erde mittlerweile verlassen hat, um eine bessere Heimat zu
finden. Doch auch wenn die Astronauten auf der Erde erwartet würden, so wären
sich Raumfahrer und Zurückgebliebene vermutlich ziemlich fremd. Andererseits
ermöglicht diese Diskrepanz in der Zeit aber auch Reisen zu entfernten Galaxien
in der den Menschen zugedachten Lebenszeit. Würde im Raumschiff die Zeit
gleich schnell vergehen wie auf der Erde, so wären die Astronauten schon
lange vor Erreichen ihres Ziels gestorben. So aber altern die Astronauten auf
einer Reise zur Andromeda-Galaxie nur um 28 Jahre - vorausgesetzt, sie fliegen
mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. (Ebd., S. 369-371).Interessant
ist auch, wie ein Astronaut in seinem Raumschiff eine Reise mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit
erlebt. Selbst erfahren hat es ja noch niemand, doch glaubt man der Theorie, so
müßte sich etwa Folgendes abspielen: Solange das Raumschiff nicht schneller
als 0,5c (halbe Lichtgeschwindigkeit) fliegt, bemerkt der Astronaut bei einem
Blick aus der Kanzel seines Raumschiffs nichts Auffälliges. Vielleicht erscheinen
ihm die Sterne in gerader Richtung vor ihm ein wenig heller. Doch ab 0,9c ändert
sich das Bild. Während die Sterne unmittelbar vor ihm ihre Position unverändert
beibehalten, scheinen die seitlichen Sterne langsam nach vorne zu wandern. Mit
wachsender Geschwindigkeit konzentrieren sich die Sterne mehr und mehr um einen
Punkt, der in Flugrichtung vor dem Raumschiff liegt. Außerhalb dieser Sternkonzentration
ist nichts als pure Schwärze. Ein Blick nach hinten zeigt, daß auch
hier alle Sterne auf einen Punkt zuzulaufen scheinen und nur noch sehr schwach
und tiefrot leuchten. Steigert der Astronaut die Geschwindigkeit noch weiter,
so verändern die vorher gelblich schimmernden Sterne ihre Farbe in bläuliches
Weiß, die vorher blau-weiß leuchtenden verschwinden ganz, und neue,
vorher gar nicht wahrgenommene Sterne tauchen auf und beginnen rötlich zu
leuchten. Fliegt das Schiff schließlich fast mit Lichtgeschwindigkeit, so
hat sich das Gesichtsfeld des Astronauten auf einen Bruchteil des Winkels von
einem Grad verengt - auf einen Punkt, der so hell ist wie die Sonne. In allen
anderen Richtungen herrscht dagegen völlige Dunkelheit. An diesem spektakulären
Anblick ändert sich nichts, solange das Raumschiff seine Geschwindigkeit
beibehält. Wird es jedoch abgebremst, so beginnen die Ereignisse rückwärts
zu laufen, und die Sterne gewinnen wieder ihr ursprüngliches Aussehen und
ihre angestammten Plätze zurück. Mithilfe des Dopplereffekts und der
Relativitätstheorie lassen sich diese Erscheinungen erklären. Das Licht
einer Quelle, die auf den Beobachter zukommt, wird für den Beobachter zu
kürzeren Wellenlängen verschoben, es wird also immer blauer. Da blaues
Licht energiereicher ist als rotes, erscheinen diese Sterne zunehmend heller.
Das Licht einer Infrarotquelle verschiebt sich in den sichtbaren roten Bereich
und die Strahlung einer Ultraviolettquelle in den Bereich der Röntgenstrahlung.
Folglich werden die ursprünglich nicht sichtbaren, im Infrarot leuchtenden
Sterne plötzlich sichtbar, und die ursprünglich blau leuchtenden Sterne
verschwinden, da ihr Licht jetzt in den für das Auge unsichtbaren Bereich
der UV-Strahlung verschoben ist. Diese Frequenzverschiebung wird umso drastischer,
je schneller das Raumschiff fliegt. Für einen Raumfahrer, der sich mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit
durch den Weltraum bewegt, wird quasi jede vor ihm liegende Lichtquelle zu einer
Röntgenquelle. Der Effekt der Gesichtsfeldverengung beruht auf der bei Beinahe-Lichtgeschwindigkeiten
eintretenden Lichtablenkung. Man kann den Vorgang vereinfacht mit einem Auto vergleichen,
das durch senkrecht herabfallenden Regen fährt. Beim stehenden Auto zeichnen
die Regentropfen, die auf die Seitenscheiben des Autos treffen, senkrechte Wasserspuren
auf das Glas. Beginnt das Auto zu fahren, so werden mit wachsender Geschwindigkeit
die Spuren immer schräger und verlaufen schließlich fast von vorne
nach hinten parallel zur Fahrtrichtung. Es hat also den Anschein, als würden
die Tropfen nicht senkrecht von oben, sondern direkt von vorne kommen. (Ebd.,
S. 371-372).Lassen wir die einzelnen Raumfahrtkonzepte nochmals
Revue passieren, so scheint es nicht ausgeschlossen, daß es der Menschheit
in ferner Zukunft gelingen könnte, bis zu den Strenen in den Weiten des Alls
vorzudringen. .... Einige Pessimisten haben mit der Planung bewohnbarer Oasen
im Universum schon begonnen und denken darüber nach, wie man einen fernen
Planeten in eine »Neue Heimat« verwandeln könnte. Die ersten
Stützpunkte auf diesem langen Weg werden zunächst Kolonien in der Erdumlaufbahn
und später im interplanetaren Raum sein, künstliche Welten auf relativ
kleinem Raum mit künstlicher Schwerkraft und künstlicher Atmosphäre
- in jeder Hinsicht unabhängig, aber einsam .... Wie werden die Menschen
dort leben, wie die soziologischen Probleme bewältigen, wie werden sie damit
zurechtkommen, gefangen zu sein in einer Nußschale im All? Und schlimmer
noch: Wie fühlen sich die Passagiere bei Reisen, die in der einem Menschen
zugedachten Lebenszeit nicht zu bewältigen sind? Müssen sie sich
nicht wie Sklaven einer späteren Generation vorkommen, benutzt als eine Art
Brücke in die Zukunft, die man letztlich nicht mehr braucht und hinter sich
abreißen kann? Es müssen außergewöhnliche Menschen
mit außergewöhnlichen Eigenschaften sein, die all das einmal auf sich
nehmen wollen. Aber egal wie lange die Reise auch dauert, einmal wird man einen
Ort, einen Planeten finden, der unserer Erde ähnlich ist, der zumindest unserer
Erde ähnlich gemacht werden könnte - und dann? Dann stehen die
Flüchtlinge vor völlig neuen, noch größeren Herausforderungen.
Die Menschen, die auf einem fernen Planeten landen, können nicht damit rechnen,
ein gemachtes Bett vorzufinden, einen Planeten, der exakt ihren Bedürfnissen
entspricht. Vielleicht ist es dort viel zu kalt oder zu heiß, vielleicht
fehlt eine Atmosphäre, oder sie ist dem Menschen nicht zuträglich, vielleicht
gibt es dort Wasser nur in Form von Eis. Wollen die Menschen hier leben, so gilt
es, dem Planeten eine Kur angedeihen zu lassen, an den Schrauben für Temperatur
und Atmosphäre zu drehen, die neue Heimat einer Metamorphose, einem »
Terraforming«, zu unterziehen, sie erdähnlich zu machen. Das hat natürlich
nur Aussicht auf Erfolg, wenn der Planet die Ressourcen für ein derartiges
Unterfangen auch bereithält .... Tatsächlich hat man bereits ganz konkrete
Vorstellungen, wie man den Mars für Menschen bewohnbar machen könnte.
Nach allem, was wir bisher wissen, scheint sich dieser Planet heute gegenüber
jeglichem erdähnlichen Leben feindlich zu verhalten. Seine Atmosphäre
ist zu dünn, zu kalt, nicht atembar, und seine Oberfläche ist schutzlos
den zerstörerischen Photonen des ultravioletten Sonnenlichts ausgeliefert.
Aber Wasser in gefrorener Form scheint es in größerer Menge in den
eisigen Polkappen und vermutlich auch in oberflächennahen Schichten zu geben.
Und da der Mars zu den terrestrischen Planeten in unserem Sonnensystem gehört,
mangelt es auch nicht an jenen Elementen, welche das Leben und der Mensch für
ihren Unterhalt benötigen. Was also könnte man unternehmen, um den Mars
in einen bewohnbaren Planeten zu verwandeln ? Experten bei der NASA zerbrechen
sich schon seit einiger Zeit darüber die Köpfe. Ihre Pläne sehen
vor, zunächst einige Dutzend Milliarden Tonnen des Treibhausgases Fluorchlorkohlenwasserstoff
(FCKW) in die Marsatmosphäre einzubringen, um so die Temperatur innerhalb
von etwa 20 Jahren um 20 Grad Celsius zu erhöhen. Das FCKW müßte
man nicht von der Erde herbeitransportieren, es könnte direkt auf dem Mars
produziert werden, vorausgesetzt die Elemente Fluor, Chlor und Kohlenstoff sind
ausreichend und leicht zugänglich vorhanden. Sollte das nicht der Fall sein,
so empfiehlt eine spektakuläre Variante des Konzepts, einen passenden Asteroiden
einzufangen und auf den Mars prallen zu lassen, um die Atmosphäre mit den
entsprechenden Komponenten anzureichern. Ist die Temperatur nach einer Anwärmphase
erst einmal auf minus 35 Grad Celsius gestiegen, so würden in der Folgezeit
die Polkappen zu schmelzen beginnen, und das frei werdende Kohlendioxid könnte
den Treibhauseffekt weiter ankurbeln. Allerdings befürchten die Wissenschaftler,
daß das in den Polkappen gespeicherte Kohlendioxid nicht ausreichen könnte,
um den Permafrostboden völlig aufzutauen und das dort vermutete Wasser in
flüssiger Form freizusetzen. Um dieses Problem zu lösen, sollten, so
die NASA, Bakterien auf dem Mars ausgesetzt werden. Bakterien können bei
einem Atmosphärendruck überleben, der zehnmal geringer ist als der auf
unserer Erde. Ihre Aufgabe soll es sein, den Stickstoff aus der Planeten-Kruste
zu verdauen und ihn in Ammoniak, ein ebenfalls sehr effizientes Treibhausgas,
umzuwandeln. Wenn das funktionieren würde, hätte der Mars in kurzer
Zeit eine Atmosphäre, die so dicht wäre wie die der Erde. Bei einer
mittleren Temperatur von etwa null Grad Celsius würden zumindest die oberen
Bodenschichten anfangen aufzutauen. Nach den Vorstellungen der Wissenschaftler
könnte dieser Zustand bereits 100 Jahre nach Beginn der ersten Einflußnahme
erreicht sein. Zu diesem Zeitpunkt wird der Mars aber noch einer trockenen Wüste
ähneln, denn das Wasser ist vornehmlich im Boden gespeichert, und die Atmosphäre
ist weder Pflanzen noch Tieren zuträglich. Jetzt muß der Kreislauf
des Wassers zwischen Boden und Atmosphäre in Gang gebracht werden. Dazu soll
nach den Plänen der NASA eine spiegelnde Platte mit einem Durchmesser von
etwa 100 Kilometern im Marsorbit stationiert werden. Dieser Spiegel lenkt Sonnenenergie
auf die Marspole, um das Wassereis völlig zum Schmilzen zu bringen. Das Wasser,
so glauben die Wissenschaftler, verdampft, steigt in die Atmosphäre auf und
verstärkt somit nochmals den Treibhauseffekt. Als Folge davon erhöht
sich die Marstemperatur weiter, und der Permafrostboden taut bis hinab zu einer
Tiefe von etlichen Dutzend Metern auf. Der in die höheren Schichten der Atmosphäre
aufgestiegene Wasserdampf kondensiert, fällt als Regen zu Boden und füllt
die Becken und Flußtäler wieder mit Wasser. Was für eine lebensfreundliche
Umwelt jetzt noch fehlt, ist Sauerstoff in genügender Menge. Die einzige
uns bekannte Möglichkeit, mit der man die Zusammensetzung der Atmosphäre
grundlegend verändern kann, ist die Photosynthese von Kohlenhydraten durch
Pflanzen. Folglich sieht der letzte Schritt des »Terraforming«-Prozesses
vor, den ganzen Planeten mit einer widerstandsfähigen Flora zu besiedeln.
Sie produziert aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht ausreichende Mengen des
lebenswichtigen Sauerstoffs. Aber dieser Prozeß geht sehr langsam voran.
Nach Schätzung der Wissenschaftler dürften wohl 100 000 Jahre vergehen,
bis die Bewohner des Mars endlich die Sauerstoffmasken abnehmen können. Rückblickend
scheint »Terraforming« zwar ein spektakuläres und zeitaufwendiges,
aber kein unmögliches Unterfangen zu sein, um einen Planeten den Bedürfnissen
seiner Eroberer anzupassen. Sollte es die Menschheit jemals wagen, dieses Experiment
an einem unserer nächsten Planeten auszuprobieren, so könnte das dabei
gewonnene Know-how als eine Art »Kochrezept« für die Weltraumpioniere
der fernen Zukunft dienen. (Ebd., S. 373-378).
13. Warum ist die Welt so, wie sie ist? (S. 379-403)
Doch
was wäre, wenn die Massenverhältnisse anders wären? Wenn
beispielsweise das Elektron schon bei seiner Entstehung nach dem Urknall geringfügig
schwerer ausgefallen wäre, auf alle Fälle aber schwerer als der Massenunterschied
zwischen Neutron und Proton? Hätte sich das Universum unverändert
entwickeln können? Ganz im Gegenteil! Dann wären nicht die Protonen,
sondern die Neutronen die stabilen Teilchen geworden, weil die Protonen sofort
nach ihrer Entstehung die freien Elektronen eingefangen und sich in Neutronen
und Neutrinos verwandelt hätten. Aus diesen Elementarteilchen lassen sich
jedoch keine Atome, keine Elemente aufbauen. Entstanden wäre eine elektrisch
neutrale Welt ohne Ladungen, nur Neutronen und Neutrinos, eine Welt ohne Planeten
und natürlich auch ohne Leben. Das Universum wäre sehr eintönig
geblieben. Vielleicht wären Sterne entstanden, allerdings nur Neutronensterne,
kleine, einige zig Kilometer große, immens kompakte Materiekugeln, von denen
ein Teelöffel voll etwa einige hundert Millionen Tonnen wiegt. Doch diese
Sterne würden das Universum in völliger Dunkelheit belassen, da sie
nicht im sichtbaren Bereich des Spektrums leuchten. Daß all das nicht geschehen
ist, daß wir vielmehr in einem so vielfältig strukturierten Universum
leben, verdanken wir der Tatsache, daß in unserer Welt die Elektronenmasse
eben kleiner ist als die sowieso schon sehr geringe Massendifferenz zwischen Neutron
und Proton. (Ebd., S. 388).Als Nächstes wollen wir die
Neutronen- und Protonenmasse ein wenig verändern. Da der Massenunterschied
zwischen diesen beiden Teilchen so klein ist, sind etwa eine Sekunde nach dem
Urknall rund sechsmal so viele Protonen vorhanden wie Neutronen, so daß
nach der Entstehung der ersten Elemente (primordiale Nukleosynthese) die Materie
in unserem Universum im wesentlichen zu 75 Prozent aus Wasserstoff und zu 25 Prozent
aus Helium besteht. Wäre das Neutron nur zehn Prozent schwerer, so hätten
sich fast nur Protonen, also Wasserstoffkerne gebildet. Wäre dagegen das
Neutron genauso schwer wie das Proton, so hätte es gleich viele Neutronen
und Protonen gegeben, und am Ende der primordialen Nukleosynthese wäre lediglich
Helium übrig geblieben. Sterne hätten sich aber in jedem Fall bilden
können. Bei nur aus Wasserstoff bestehenden Sternen wäre Helium eben
etwas später beim Wasserstoffbrennen entstanden. Dagegen hätte bei reinen
Heliumsternen das für das Leben so wichtige, lang andauernde Wasserstoffbrennen
gar nicht stattgefunden. Die Sterne hätten sich bedeutend schneller entwickelt,
und ihre dramatisch verkürzte Lebenszeit hätte nicht ausgereicht, um
das Leben während seiner langen Entwicklungsphase kontinuierlich mit Energie
zu versorgen. Und nicht zu vergessen: Es gäbe kein Wasser, denn ohne Protonen
können keine Wassermoleküle gebildet werden, und ohne Wasser ist Leben
nicht möglich. Somit verbleibt noch die Frage: Was wäre, wenn sich das
Massenverhältnis von Neutron und Proton genau umgekehrt verhielte, wenn das
Proton schwerer wäre als das Neutron? Alles hätte sich mit genau
entgegengesetztem Vorzeichen abgespielt. Eine Sekunde nach dem Urknall wären
sechsmal mehr Neutronen als Protonen vorhanden gewesen, und die primordiale Nukleosynthese
hätte zu einem Universum mit 25 Prozent Helium und 75 Prozent Neutronen geführt.
Im Prinzip hätte sich das Universum gar nicht so sehr verändert. An
die Stelle der Protonen wären Neutronen getreten und umgekehrt. Auch Sterne
hätten sich bilden können, in denen statt Wasserstoff eben Neutronen
zu Helium verbrannt würden. Der wesentliche Unterschied ist jedoch bei den
Prozeßzeiten der Kernfusionreaktionen zu suchen: Da die Neutronen elektrisch
neutral sind, fänden sie wesentlich schneller zusammen als die sich abstoßenden
Protonen. Wie bei reinen Heliumsternen wären auch diese Sterne bereits verlöscht,
noch ehe das Leben sich hätte aufrappeln können. (Ebd., S. 388-389).Bisher
haben wir nur mit den Teilchenmassen gespielt. Wären die Auswirkungen ähnlich
dramatisch, wenn wir die Skalen der vier Grundkräfte verstellen?
(Ebd., S. 389-390).Beginnen
wir mit der schwächsten, der Gravitation. Diese Kraft besitzt eine unendliche
Reichweite, ihre Stärke nimmt jedoch mit dem Quadrat der Entfernung ab. Die
Gravitation bewirkt, daß sich zwei Körper gegenseitig stets anziehen,
und zwar mit einer Kraft, die proportional ist zum Produkt der beiden Massen.
Der Parameter, der die Gravitation bestimmt, ist die so genannte Gravitationskonstante
G, eine der Naturkonstanten. Daß die Gravitation die schwächste unter
den vier Grundkräften ist, liegt in erster Linie an der Kleinheit dieser
Konstanten. Sie ist dafür verantwortlich, daß die Sterne so riesengroß
sind. Unsere Sonne, ein absoluter Durchschnittsstern, hat eine Masse von rund
2 x 1030 Kilogramm und einen Durchmesser von gerundet 1,4
Millionen Kilometern. Da sie aufgrund dieser gewaltigen Masse über einen
entsprechend großen Vorrat an Wasserstoff verfügt, dauert das Wasserstoffbrennen
auch entsprechend lange. Sterne dieser Größenordnung verharren etwa
zehn Milliarden Jahre in der Phase des Wasserstoffbrennens. Wäre die Gravitationskonstante
größer, so würde bereits eine geringere Sternmasse ausreichen,
um den Druck und die Temperatur im Sterninneren auf die Werte ansteigen zu lassen,
die für das Wasserstoffbrennen nötig sind. Der Stern wäre folglich
kleiner und seine Lebensdauer entsprechend kürzer. Eine um den Faktor zehn
größere Gravitationskonstante würde die Lebensdauer unserer Sonne
auf etwa zehn Millionen Jahre verkürzen! .... Mit einem Muttergestirn, das
bereits nach etlichen zig Millionen Jahren das Wasserstoffbrennen einstellt, wäre
die Erde, vorausgesetzt sie hätte sich überhaupt entwickeln können,
mit Sicherheit ein toter Planet geworden. Natürlich können wir die Skala
für die Gravitationskraft auch in die andere Richtung drehen und G noch kleiner
machen, als es ohnehin schon ist. Zunächst würden die Sterne noch größer
und massereicher. Aber die Planeten würden vermutlich - je nachdem wie stark
die Masse des Sterns im Verhältnis zur Verringerung von G zunähme -
in immer geringerem Abstand um die Sterne kreisen und wären somit in einem
viel höheren Maße der Strahlung der Sterne ausgesetzt. Verringert man
G noch weiter, so kommt man schnell an einen Wendepunkt, an dem es im gesamten
Universum überhaupt keine Sterne, keine Planeten und keine Galaxien mehr
geben würde. Schuld daran ist die Ausdehnung des Universums. Ab einer gewissen
unteren Schwelle für G wäre die ausdünnende Wirkung der Expansion
auf die Materie dem Bestreben der Gravitation, die Materie zu Sternen und Galaxien
zusammenzuballen, überlegen, und das Universum bliebe auf ewig strukturlos.
(Ebd., S. 390-391).Im Gegensatz
zur Gravitation ist die Reichweite der schwachen Kernkraft außerordentlich
klein und hauptsächlich auf den Bereich des Atomkerns beschränkt. Diese
Kraft ist verantwortlich dafür, daß sich Quarks, die Bausteine der
Nukleonen, untereinander umwandeln können. Ein Beispiel ist der so genannte
b-Zerfall, wobei ein Neutron in ein Proton, ein Elektron
und ein Antineutrino zerfällt. Das Wesentliche ereignet sich dabei im Inneren
des Neutrons, wo sich eines der beiden Down-Quarks spontan in ein Up-Quark umwandelt.
Erinnern wir uns: Dieser Prozeß war verantwortlich dafür, daß
im frühen Universum das anfängliche Verhältnis von sechs Protonen
auf je ein Neutron binnen weniger Minuten auf sieben zu eins verschoben wurde.
Heute ist der Beta-Zerfall die Ursache für die Umwandlung der radioaktiven
Elemente in stabile Atome. Im Zusammenhang mit unseren Betrachtungen zur speziellen
Einstellung der Parameter unseres Universums ist jedoch der so genannte inverse
Beta-Zerfall von Bedeutung, bei dem die Vorgänge in umgekehrter Richtung
ablaufen: Aus einem Proton und einem Elektron entstehen ein Neutron und ein Neutrino.
Besonderen Einfluß hat diese Reaktion auf das Geschehen in massereichen
Sternen. Wie wir schon wissen, brechen diese Sterne am Ende ihres Lebens unter
ihrer eigenen Schwerkraft zusammen, wobei die Elektronen in die Protonen hineingepreßt
werden und der Stern in einer Supernova vom Typ II explodiert. Die dabei entstehenden
Neutronen formen im Zentrum einen Neutronenstern, und eine ungeheure Menge Neutrinos
rast durch den Sternrest nach außen. Insbesondere diese Neutrinos sind es,
die den Stern so stark aufheizen, daß er bei der Explosion nahezu seine
gesamte Masse mit all den erbrüteten schweren Elementen ins All hinausschleudert.
Bei einer veränderten schwachen Kernkraft gäbe es keine Supernovae und
somit auch keine schweren Elemente zum Aufbau von Planeten und den komplexen Molekülen,
aus denen sich die belebte Materie zusammensetzt. Die besondere Rolle der Neutrinos
beruht darauf, daß sie nur über die schwache Kernkraft mit Materie
wechselwirken. Diese Wechselwirkung ist so gering, daß eine etwa ein Lichtjahr
dicke Bleimauer nötig wäre, um sie zu stoppen. Aber genau das ist der
entscheidende Punkt bei einer Supernova-Explosion. Das Ausmaß der Neutrino-Wechselwirkung
mit Materie ist exakt so eingestellt, daß es in den engen Spielraum paßt,
in dem es zu einer Supernova-Explosion kommen kann. Bei einer etwas geringeren
Wechselwirkung gäben die Neutrinos bei ihrem Weg aus dem Stern zu wenig Energie
an die Sternhülle ab, so daß die Materie nicht entsprechend aufgeheizt
und der Stern folglich nicht explodieren würde. Wäre die Wechselwirkung
etwas stärker, so könnten die Neutrinos den Stern gar nicht verlassen,
sondern würden gleich bei ihrer Entstehung im Kern stecken bleiben. Dabei
würde zwar der Kern erhitzt, aber aufgrund der hohen Kerndichte käme
es zu keiner Explosion. Auch hier zeigt sich wieder, daß scheinbar geringfügige
Nuancen das Universum zu dem haben werden lassen, was es heute ist. (Ebd.,
S. 391-392).Analysieren wir
nun noch die starke Kernkraft. Wie bei der schwachen Kernkraft reicht ihr Einfluß
nicht über den Radius der Atomkerne hinaus. Wäre die Reichweite auch
nur um wenige Millimeter größer, so würde die gesamte Materie
im Universum zu riesigen Atomkernen zusammengezogen, die keine Ähnlichkeit
mehr hätten mit den Elementen, aus denen unsere Welt aufgebaut ist. Doch
das ist noch nicht alles! Daß es überhaupt Leben geben kann, beruht
unter anderem auch darauf, daß die starke Kernkraft nur auf die Nukleonen,
die Protonen und Neutronen, wirkt, nicht aber auf Elektronen. Das ist ein Glücksfall,
denn andernfalls würden die Elektronen mit hineingezogen in den Strudel der
Bildung riesiger Atomkerne, und alle Chemielaboratorien könnten von heute
auf morgen zusperren, weil es nämlich gar keine Chemie mehr gäbe. Die
chemische Wechselwirkung unter den Atomen, der Aufbau von Molekülen aus den
Elementen, beruht ja gerade auf dem gegenseitigen Austausch von Elektronen beziehungsweise
darauf, daß sich zwei an der Bindung beteiligte Atome ein oder mehrere Elektronen
teilen. Doch wenn es gar keine Elektronen mehr gäbe, wäre auch der »Leim«
verschwunden, der die Atome zu Molekülen zusammenfügt. (Ebd.,
S. 392-393).Die elektromagnetische
Kraft ist für das Aussehen des Universums von ähnlicher Bedeutung. Wie
auch bei der Gravitation ist deren Reichweite im Prinzip unendlich groß.
Da sie jedoch nur auf elektrisch geladene Teilchen wirkt, eine Ansammlung gleich
vieler positiver und negativer Ladungen nach außen aber elektrisch neutral
ist, ist ihre Wirkung in der alltäglichen Welt auf geringe Entfernungen beschränkt.
Im Gegensatz zur Gravitation, die alle Massen nur zusammenziehen will, wirkt sie
sowohl anziehend als auch abstoßend. Im Atom ist sie für die Bindung
der negativ geladenen Elektronen an den positiv geladenen Kern zuständig.
Im Atomkern scheint sich jedoch ihre Wirkung zu einem Problem auszuwachsen. Denn
mit Ausnahme des Wasserstoffs vereinigen alle Elemente mehrere positiv geladene
Protonen in ihren Kernen, die sich eigentlich abstoßen und zum Auseinanderfallen
des Atoms führen müßten. Doch die Kerne fallen nicht auseinander,
weil die starke Kernkraft dem entgegenwirkt und die Nukleonen zusammenhält.
Damit Atomkerne stabil bleiben, muß also die starke Kernkraft der elektromagnetischen
Kraft überlegen sein, aber wiederum nicht so sehr, daß die Kerne nicht
doch noch, beispielsweise bei der Kernspaltung, aufgebrochen werden können.
Wieder kommt es auf die richtige Balance der Kräfte an. Schon bei einer auf
die Hälfte verringerten starken Kernkraft würden nahezu alle Kerne instabil,
und bei einer Einschränkung auf ein Viertel der aktuellen Kraft fielen sie
spontan auseinander. Das Gleiche würde passieren, wenn die starke Kernkraft
unverändert bliebe, dafür aber die elektromagnetische Kraft ungefähr
um den Faktor 10 stärker wäre. Die elektromagnetische Kraft findet sich
aber auch auf einem Gebiet, wo man ihren Einfluß auf den ersten Blick nicht
vermuten würde: nämlich dem Licht. Licht ist eine elektromagnetische
Welle und transportiert somit Energie. Das trifft natürlich nicht nur für
den Bereich des sichtbaren Lichts zu, sondern ganz allgemein für das gesamte
elektromagnetische Spektrum. Dem Transport von Energie durch Strahlung begegnen
wir überall im Universum, beispielsweise bei den Kühlprozessen der interstellaren
Gas-, Staub- und Molekülwolken. Bevor dort Sterne entstehen können,
muß die Temperatur der Wolken erst auf einen Wert abfallen, bei dem der
Gasdruck in der Wolke der Gravitation nicht mehr die Waage halten kann. Ohne die
Strahlungskühlung gäbe es keine Sterne. Doch auch nach seiner Geburt
kann ein Stern auf den Mechanismus des Energietransports durch Strahlung nicht
verzichten, denn er muß die in seinem Inneren frei werdende Fusionsenergie
in Form von Licht wieder loswerden. Wenn das nicht möglich wäre, würde
es den Stern zerreißen, sobald die ersten Kernreaktionen stattfänden.
Auch bei Sternen, die ihre Energie nicht durch Strahlung, sondern wie in einem
Topf mit kochendem Wasser durch das Aufsteigen heißer Blasen, die so genannte
Konvektion, nach außen leiten, kann die Energie von der äußersten
Sternhülle, der Photosphäre, nur durch Strahlung abgegeben werden.
(Ebd., S. 393-394).Vielleicht
hat sich der eine oder andere schon einmal die Frage gestellt, warum das Universum
so riesengroß ist und so unvorstellbar alt: so groß, daß darin
hunderte Milliarden von Galaxien Platz haben und in jeder Galaxie wieder hunderte
Milliarden von Sternen vorkommen, und so alt, daß die Sterne genügend
Zeit hatten, die für das Leben unverzichtbaren Elemente auszubrüten.
Im Wesentlichen sind zwei Größen dafür verantwortlich: zum einen
die Masse in unserem Universum in Form von Sternen, Galaxien, Wolken und »Dunkler
Materie« und zum anderen die so genannte kosmologische Konstante. Bleiben
wir zunächst bei der Masse. Massen ziehen sich gegenseitig an, und zwar mit
umso größerer Kraft, je mehr davon vorhanden ist. Andererseits expandiert
unser Universum seit dem Urknall. Anziehung und Expansion zerren also beide in
unterschiedlicher Richtung an den Massen. Die Gravitationskraft arbeitet gegen
eine Ausdehnung des Universums beziehungsweise sie versucht, das bereits expandierte
Universum wieder zusammenschnurren zu lassen, während die allgemeine Expansion
zu einer stetigen Vergrößerung und zu einer Verringerung der Massendichte
führt. Das Universum darf also nicht zu viel Masse enthalten, so daß
die Gravitation nicht die Oberhand gewinnt und alles wieder in sich zusammenfällt.
Zu wenig Masse hätte die umgekehrte Folge: Die Materie würde so sehr
auseinander gezerrt, daß sie nicht mehr zu Sternen und Galaxien zusammenklumpen
könnte. Und ein Universum ohne Sterne ist ein Universum ohne Leben. In
diesem Konzert spielt die kosmologische Konstante eine nicht zu unterschätzende
Rolle. Als Einstein seine Gleichungen zur allgemeinen Relativitätstheorie
aufgestellt hatte, war ein Ergebnis seiner Berechnungen, daß das Universum
instabil sei. Für Einstein war dieser Gedanke unerträglich, da er sich
ein expandierendes oder sich zusammenziehendes Universum nicht vorstellen mochte.
Trickreich wie er war, führte er einen Parameter in seine Gleichungen ein
- die bereits erwähnte kosmologische Konstante - und machte ihren Wert gerade
so groß, daß die zusammenziehende Wirkung der Gravitation zu null
ausgeglichen wurde. Später konnte der Astronom Edwin Hubble jedoch zweifelsfrei
belegen, daß das Universum tatsächlich instabil ist und sich ausdehnt.
Als Folge dieser Erkenntnis sah sich Einstein genötigt, seinen Trick als
die größte Eselei seines Lebens zu bezeichnen. Heute hat dieser Parameter,
dem die Kosmologen den griechischen Buchstaben L (Lambda)
gegeben haben, wieder an Bedeutung für die weitere Entwicklung des Universums
gewonnen. L ist nämlich ein Maß für
die Energiedichte des Vakuums, also des leeren Raumes, dem jegliche Masse und
Strahlung fehlen, so daß nur noch die so genannte Vakuumenergie zurückbleibt.
Nach den Gesetzen der Quantenmechanik bilden sich aus diesem Energievorrat fortwährend
extrem kurzlebige Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich sofort wieder gegenseitig
vernichten und dabei die zu ihrer Entstehung vom Vakuum entliehene Energie erneut
an das Vakuum zurückgeben. Doch wie wirkt sich diese Vakuumenergie auf das
Universum aus? Mithilfe der Einsteinschen Gleichung »Energie ist gleich
Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat« könnte man der Vakuumenergie
eine Masse zuordnen und vermuten, daß diese einen Beitrag zur Gravitation
leistet, daß sie, je nach dem Vorzeichen von L,
entweder anziehend oder abstoßend auf die Masse der Sterne und Galaxien
wirkt. Doch das ist zu kurz gedacht. Der Kosmologe Gerhard Börner vom Max-Planck-lnstitut
für Astrophysik macht denn auch deutlich, daß L
verblüffenderweise keinerlei Wirkung auf gewöhnliche Massen hat. Vielmehr
ist L als ein Beitrag zur Krümmung der Raumzeit
zu verstehen, als eine Art innerer Druck im Kosmos, der das Universum und die
darin enthaltene Materie auseinander treibt. Dummerweise gibt es keine Möglichkeit,
den Wert von L direkt zu messen, man kann ihn nur auf
Umwegen abschätzen. Heraus kommt, daß L
außerordentlich klein ist. Die Theorie der Quantenmechanik fordert jedoch
für L einen Wert, der mindestens um 120 Größenordnungen
größer ist. Damit klar ist, was das bedeutet: 120 Größenordnungen
besagen nicht, daß das theoretische L lediglich
120-mal größer ist als der geschätzte Wert der Kosmologen, sondern
daß es mindestens um den gigantischen Faktor 10120 größer
sein sollte. Wenn das richtig wäre, dann müßte das Universum aufgrund
des starken inneren Drucks schon längst auseinander geflogen sein. Da das
jedoch nicht der Fall ist, kann das nur heißen, daß die quantenmechanische
Vakuumenergie sich nicht gravitativ im Universum auswirkt. - Neben anderen Ungereimtheiten
gehört insbesondere diese Diskrepanz zu den großen Rätseln, die
es zu lösen gilt, wenn wir das Universum verstehen wollen. Nun, wie groß
auch immer L letztlich sein mag - fest steht jedenfalls,
daß die zu unserem Universum vereinte Masse und L
so perfekt zusammenwirken, daß ein Kosmos mit Sternen entstehen konnte.
Glücklicherweise hat es dabei für seine Ausdehnung zur heutigen Größe
so lange gebraucht, daß den Sternen genügend Zeit blieb, sich in Ruhe
zu entwickeln und die Elemente zu produzieren, die das Leben für den Aufbau
seiner Strukturen benötigt. (Ebd., S. 396-399). Fassen
wir zusammen: Die eingangs geäußerte Vermutung, es könnte für
die Entstehung von Leben nicht ausreichen, lediglich einen geeigneten Stern und
einen passenden Planeten auszusuchen, hat sich mehrfach bestätigt. Tatsächlich
hängen die Entwicklung des Universums und die Bildung von Sternen und Planeten
davon ab, wie die Werte einer Reihe fundamentaler Größen ausfallen
und wie sie aufeinander abgestimmt sind. Daß das Universum so geworden ist,
wie es sich uns heute präsentiert, verdanken wir der Tatsache, daß
sowohl die einzelnen Teilchenparameter als auch die Reichweite und die Stärke
der Grundkräfte genau die Werte aufweisen, die wir vorfinden. Hätten
die Parameter von Beginn an anders ausgesehen, so wäre daraus ein anderes
Universum geworden, in den meisten Fällen sogar ein Universum ganz ohne Atome.
Geringfüge Änderungen dieser »Grundeinstellung« würden
unser heutiges Universum sofort zerstören beziehungsweise hätten es
gar nicht erst entstehen lassen. Es ist schon beeindruckend, wie im Wechselspiel
der Kräfte und Massen nur Nuancen darüber entschieden haben, daß
aus dem Urknall ein Universum hervorgegangen ist, in dem zumindest auf unserer
Erde eine Flora und Fauna und natürlich wir selbst entstehen konnten.
(Ebd., S. 399). Aber warum die Natur
so ist, wie sie ist, warum die Naturkonstanten und die Kräfte, welche die
Entwicklungsprozesse steuern, genau die Werte und Größen haben, die
wir messen, und keine anderen, ist nach wie vor eines der größten Rätsel
der Physik. Wäre es anders gekommen, so gäbe es niemanden, der sich
darüber wundern und rätseln könnte. Der Physiker Hans Joachim Blome
vergleicht diese Situation mit der des Überlebenden beim russischen Roulette.
Seine Freude, in diesem Spiel gewonnen zu haben, wird gedämpft, sobald ihm
klar wird, daß er keine Gelegenheit gehabt hätte sich zu ärgern,
wenn er nicht gewonnen hätte - weil es ihn dann nämlich nicht mehr gäbe.
Eine allerdings ziemlich lapidare Antwort auf die Frage nach dem Warum könnte
lauten: Eben weil es in unserem Universum Leben gibt, können die Parameter
nur die Werte besitzen, welche die Existenz von Leben möglich machen. Diesen
logischen Schluß bezeichnet man auch als Anthropisches Prinzip. Anders formuliert
heißt das: Die beobachtbaren Werte der Naturkonstanten und die Anfangsbedingungen
unseres Universums erfüllen gerade die Bedingungen, welche für die Evolution
intelligenten Lebens notwendig sind. Geht man noch einen Schritt weiter und unterstellt,
daß der Entstehung des Universums die Absicht zugrunde liegt, ein bestimmtes
Ergebnis zu erzielen, so verschärft sich das Anthropische Prinzip zu der
Aussage, daß die Parameter so eingestellt sein mußten, damit
die Entwicklung von Leben möglich wurde. Hinter dieser auch als teleologisch
bezeichneten Auslegung des Anthropischen Prinzips steht das Wirken eines allem
übergeordneten Willens - eines Gottes, dessen Ziel von Anfang an die Erschaffung
von Leben war. Damit verlassen wir jedoch die Erklärungsebene der Physik
und müssen uns über die Prozesse, die zur Abstimmung der fundamentalen
Größen geführt haben, keine Gedanken mehr machen. Eine naturwissenschaftliche
Antwort auf die Frage, warum die Einstellungen so und nicht anders sind, muß
natürlich anders aussehen - aber um es nochmals zu betonen: Die Naturwissenschaften
haben keine Erklärung dafür! Wir können nur spekulieren.
(Ebd., S. 399-400).Es könnte doch sein, daß alles
auf einem puren Zufall beruht, daß aus der Menge der im Rahmen der Naturgesetze
zulässigen Werte zufällig die in unserem Universum gültigen Bedingungen
zum Zuge kamen. Doch wie wahrscheinlich ist das? Der Quantenphysiker Lee
Smolin rechnet uns vor, daß die Wahrscheinlichkeit, bei einer dem Zufall
überlassenen Einstellung der Parameter exakt die Wertekombination zu finden,
die unser Universum bestimmen, bei 10-229 liegt. Nach Roger Penrose,
Physiker an der Universität Oxford, ist der Satz der für unser Universum
grundlegenden Konstanten sogar nur einer von 101200 möglichen
Kombinationen. Mit anderen Worten: Daß auf zufällige Art und Weise
unser Universum zustande kam, erscheint - nahezu - ausgeschlossen. Spätestens
an diesem Punkt bleibt für manche Naturwissenschaftler nur Gott als Antwort.
(Ebd., S. 400-401).Welche Antworten könnte es sonst noch geben?
Nehmen wir einmal an, es existiert eine eindeutige, selbstkonsistente Theorie
für das gesamte Universum, ein in jeder Hinsicht widerspruchsfreies mathematisches
Modell. Das hieße: Aufgrund mathematischer Gesetzmäßigkeiten
konnte das Universum nur so und nicht anders werden. Gäbe es eine derartige
Theorie, so müßten wir sie als Erklärung für unsere Welt
hinnehmen. Aber was wäre das für eine schreckliche Erklärung! Der
Mensch müßte sich dann als das Ergebnis einer mathematischen, seelenlosen
Logik betrachten, und sein Dasein hätte nicht mehr Sinn als eine mathematische
Operation. (Ebd., S. 401).Eine andere Erklärung beruht
auf der Möglichkeit multipler Universen, von ... deren Existenz Kosmologen
wie Andrei Linde felsenfest überzegt sind. Es widerspricht nicht den gängigen
Theorien über die Entstehung des Universums, daß sich aus dem Quantenschaum
des Vakuums fortwährend Blasen abschnüren, die zu neuen Universen expandieren.
Jedem dieser Universen liegen vermutlich andere Anfangsbedingungen zugrunde, und
in jedem bestimmen andere Gesetzmäßigkeiten und Naturkonstanten die
Entwicklungsgeschichte. Bei einer riesigen, vielleicht sogar unendlichen Anzahl
von Paralleluniversen muß zwangsläufig auch eines dabei sein, dessen
Feinabstimmung der Parameter genau der unseren entspricht. Da wir jedoch prinzipiell
nicht über den Rand unserer Blase hinaussehen können - und in Anbetracht
der andersartigen Gesetzmäßigkeiten -, werden wir über diese Universen
leider nie etwas in Erfahrung bringen. (Ebd., S. 401-402).Vielleicht
muß man analog zur biologischen Evolution die spezielle Einstellung der
Parameter unseres Universums als das Ergebnis einer Evolution der Naturkonstanten
betrachten: Aus einem Universum könnten »Tochteruniversen« hervorgehen,
wobei sich die Naturkonstanten leicht verändert vererben. Universen mit »schlechten
Genen«, zum Beispiel einer zu großen Gravitationskonstante, würden
schnell wieder kollabieren, von der Bühne verschwinden und aussterben. Andere
mit »besseren Genen« würden sich weiter »fortpflanzen«.
Wie in der Biologie würden schließlich die Arten dominieren, welche
die größte Anzahl von Nachkommen hervorbringen. Doch wie soll man sich
den Mechanismus der Fortpflanzung bei einem Universum vorstellen? Der
Quantenphysiker Lee Smolin glaubt die Lösung in der Entstehung Schwarzer
Löcher am Ende des Lebens massereicher Sterne gefunden zu haben. Seiner Meinung
nach sind die Zustände in einem Schwarzen Loch nicht von denen des Urknalls
zu unterscheiden. In beiden Fällen handelt es sich um eine Singularität,
einen Zustand extremer Dichte, Temperatur und Energie. Könnte es aufgrund
dieser Analogie nicht sein, daß hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen
Lochs ein neues Universum entsteht? Smolin hält es für möglich.
Wenn die Parameter des neuen Universums die Bildung von Sternen begünstigen,
wird es viele neue Schwarze Löcher hervorbringen und sich weiter fortpflanzen,
andernfalls aber aussterben. Anders ausgedrückt: Nur Parameterkombinationen,
die zahlreiche Sterne hervorbringen, werden auch zahlreiche Nachkommen haben.
Das entspricht dem Prinzip der Evolution und Auslese, wie wir es aus der Biologie
kennen, nur daß hier die Naturkonstanten die Rolle der Gene übernehmen.
(Ebd., S. 402).Laut dieser Hypothese wäre eine Vielfalt von
Universen möglich, die unentwegt neue Sterne hervorbringt, welche sich weiterentwickeln,
zu Schwarzen Löchern kollabieren und wiederum neue Universen entstehen lassen.
Die Sternentwicklung wird zwar aufgrund der jeweiligen Parameterwerte jedesmal
etwas anders verlaufen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis irgendwann einmal
ein Universum auftaucht, dessen Naturkonstanten die Bildung von Elementen, Molekülen
und schließlich auch die Existenz von Leben ermöglichen, ein Universum
mit »unseren« Naturkonstanten. Damit wäre die Entstehung von
Leben auch auf der kosmischen Ebene das zwangsläufige Ergebnis einer langen
natürlichen Entwicklungsreihe. Weder der Zufall noch eine übergeordnete
Macht hätten dem Leben auf die Beine geholfen, sondern dies wäre einer
Reihe physikalisch bedingter Ausleseprozesse zu verdanken gewesen. Und was ist
mit den vielen anderen Universen? Unter ihnen gäbe es sicher einige,
die unserem Universum sehr ähnlich wären, vielleicht auch mit einer
gleichartigen Form von Leben. Leider werden wir nie erfahren, wie das »Parallel-Leben«
aussieht, geschweige denn, was sich wirklich in einem Schwarzen Loch abspielt
oder beim Urknall geschah. (Ebd., S. 402-403).
Ausblick (S. 404-408)
Nicht alle Sterne sterben zur gleichen Zeit.
Unzählige sind bereits erloschen, unzählige werden im Laufe von Milliarden
Jahren noch folgen. Unsere Sonne erleidet dieses Schicksal in etwa vier bis fünf
(wahrscheinlich fünf; HB) Milliarden Jahren.
Sie wird sich zu einem Roten Riesen aufblähen und den Planeten Merkur und
sehr wahrscheinlich auch die Venus verschlingen - ein lokales Ereignis, das zwar
das Leben auf der Erde bedroht, das aber ohne spürbare Auswirkung auf das
übrige Universum sein wird. Doch wenn wir es bis dahin nicht schaffen, auf
einen anderen Planeten auszuweichen, vielleicht auf einen Planeten in einem anderen
Sonnensystem, dann ist das Schicksal der Spezies Mensch besiegelt. Doch auch nach
einem derartigen Exodus wären wir noch nicht auf der sicheren Seite. Es wird
der Moment kommen, da keine neuen Sterne mehr entstehen, weil der Gasvorrat der
Galaxien erschöpft ist. Dann werden alle Sterne unserer Galaxis und auch
die aller anderen Galaxien ausgebrannt sein, und es wird nirgendwo mehr eine Supernova
explodieren und frisches Material für neue Sterne in das All schleudern.
Von da an wird es finster sein im Universum, zumindest was das für unsere
Augen sichtbare Licht anbelangt, und es wird auf ewig finster bleiben. Anstelle
von Sternen wird es dann nur noch Braune Zwerge und Weiße Zwerge geben,
Neutronensterne und Schwarze Löcher. Die Kosmologen schätzen, daß
das in etwa 100 Billionen Jahren der Fall sein wird. Spätestens dann wird
es kein Leben mehr geben, zumindest keines der uns bekannten Art. Wir wollen nicht
behaupten, daß das Universum von da ab für alle Zeiten tot sein wird;
vielleicht schafft es das Leben ja, sich im Laufe der unvorstellbar langen Zeit
von 100 Billionen Jahren zu völlig anderen, für uns unvorstellbaren
Entwicklungsstufen aufzuschwingen, sich zu wandeln und anzupassen an die neuen
Verhältnisse. Aber die neuen Verhältnisse werden sehr, sehr fremdartig
sein, und dieses Leben wird keine Ähnlichkeit mehr haben mit jenem, wie wir
es kennen. Die Galaxien werden auch im Dunkeln noch für geraume Zeit als
zusammengehörige Systeme weiterbestehen, und längst ausgeglühte
Planeten werden um ausgebrannte Sternreste kreisen. Aber diese Bindungen halten
nicht ewig, Galaxien werden auf ihren Wegen durch das All einander nahekommen
und miteinander kollidieren. Unsere Milchstraße und die
Andromeda-Galaxie sind gegenwärtig schon auf Kollisionskurs. In etwa sechs
Milliarden Jahren könnte es zu einem Zusammenstoß kommen. Doch auch
wenn das zu diesem Zeitpunkt gerade noch einmal gut gehen sollte - langfristig
ist eine Kollision unvermeidbar, da die beiden Systeme durch die Gravitation aneinander
gebunden sind. Sie umkreisen sich, und weil dabei durch Reibung Energie verloren
geht, verschmelzen sie schließlich zu einem riesigen Haufen ungeordneter
Sterne. Für die Sonnensysteme einer Galaxie hat das einschneidende Konsequenzen.
Aufgrund der Schwerkraft aneinander vorbeiziehender Sterne werden die Planeten
allmählich aus ihren Bahnen geworfen und in das All geschleudert. Wissenschaftler
schätzen, daß in rund 100 Billiarden Jahren alle Planetensysteme zerfallen
sind. Schließlich bleiben auch die ausgebrannten Sonnen nicht von diesen
Auflösungserscheinungen verschont. Wie bei den Planeten kann bei der Begegnung
dreier Sterne der masseärmste aus der Galaxie katapultiert werden. Derartige
Drei-Körper-Begegnungen sind zwar relativ selten - sie kommen in einer Galaxie
etwa nur ein halbes Dutzend mal pro einer Milliarde Jahre vor -, aber im Universum
spielt Zeit keine Rolle, und auf lange Sicht ist das Ergebnis dramatisch. Irgendwann
zwischen einer Trillion (1018) und einer Quatrilliarde (1027)
Jahre werden die Galaxien etwa 99 Prozent ihrer Masse verloren und sich somit
praktisch aufgelöst haben. Der jeweils verbleibende Rest wird dann zu einem
einzigen supermassiven Schwarzen Loch kollabieren. Jetzt geht es ans Eingemachte,
an die eigentliche Substanz. Wenn die Theorien der Elementarteilchenphysiker stimmen,
dann löst sich auch die Materie insgesamt auf. Nach etwa 1032
Jahren zerfallen nämlich selbst die Protonen, die elementaren Bausteine der
Materie, in Positronen und Photonen. Treffen die Positronen auf ein Elektron,
so vernichten sich die Teilchen gegenseitig, und es bleiben nur noch Photonen
übrig. Letztlich wird also die gesamte feste Materie, werden alle Stern-
und Planetenreste in Strahlung verwandelt sein. Dann gibt es im Universum nur
noch gigantische Schwarze Löcher, die in einem allumfassenden Meer von Photonen
und Neutrinos schwimmen. Sieht so die Ewigkeit aus? Sie ahnen es schon, verehrte
Leserinnen und Leser, die Kosmologen haben noch einen weiteren Trumpf im Ärmel.
Sie behaupten, daß auch die Schwarzen Löcher einmal ihr Dasein beenden,
indem sie verdampfen. In etwa 1080 Jahren sollen diese Prozesse beginnen
und erst in 10130 Jahren beendet sein. Dann soll es wirklich nichts
mehr geben außer Neutrinos und Photonen in Form von extrem langwelliger
elektromagnetischer Strahlung in einem extrem kalten, leeren Universum. Obwohl
die Kosmologen auch an diesem Punkt mit ihren Spekulationen noch nicht zu Ende
sind, ist es doch für uns an der Zeit, die Gedankenreise in die Zukunft abzubrechen.
(Ebd., S. 405-407). |
Ewig ist nur die Energie! | Obwohl die Kosmologen auch an
diesem Punkt mit ihren Spekulationen noch nicht zu Ende sind, ist es doch für
uns an der Zeit, die Gedankenreise in die Zukunft abzubrechen. Schon längst
überschreitet das alles unser Vorstellungsvermögen. Was bleiben soll,
ist die Erkenntnis, daß dem Leben, wo und wann auch immer es im Universum
entstanden sein mag, nur eine zeitlich begrenzte Spanne vergönnt ist. Nur
in der gegenwärtigen, glücklicherweise zig Milliarden Jahre andauernden
Epoche der Sterne konnte und kann es entstehen, kann es sich entwickeln und gedeihen.
Zu keiner Zeit vorher noch irgendwann nachher waren und sind die Verhältnisse
geeignet, um Leben zu unterstützen. In den Epochen davor fehlte es an den
entsprechenden Bausteinen und Energiequellen, danach gewinnen die destruktiven
Kräfte die Oberhand. (Ebd., S. 407-408).Sollen wir über
diese Erkenntnis nun in Trübsal verfallen und angesichts der scheinbaren
Sinnlosigkeit des Lebens verzagen? Für viele kann hier sicherlich der
Glaube an einen Gott hilfreich sein. Aber müssen wir uns wirklich schon heute
ängstigen vor einem Szenario, das voraussichtlich erst in etwa zwei Milliarden
Jahren Realität wird, wenn es auf der Erde so heiß wird wie auf der
Venus und die Meere verdampfen? Zwei Milliarden Jahre, das ist eine Zeitspanne,
die rund 10000 mal länger ist als die Zeit, die seit dem Erscheinen des ersten
hoch entwickelten menschenähnlichen Wesens, des Homo sapiens, vergangen
ist. Anstatt die Flinte ins Korn zu werfen, sollten wir lieber alle Kraft darauf
verwenden, das Überleben der Spezies Mensch wenigstens für die nächsten
100000 Jahre sicherzustellen. Daß allein dieses Minimalziel von einer Dimension
ist, welche die gesamte Menschheit fordert, zeigt uns der tägliche Blick
in die Medien. Wie es scheint, sind wir gerade dabei, unsere Lebensgrundlagen
zu zerstören, und weit davon entfernt, einander in friedlicher Koexistenz
zu begegnen. Soll sich daran etwas ändern, so muß sich der Mensch endlich
seines selbstverliehenen Titels »intelligentes Lebewesen« besinnen
und alles unterlassen, was seine Existenz und die der anderen bedrohen könnte.
Wenn das gelingt, brauchen wir uns vor der Zukunft nicht zu fürchten!
(Ebd., S. 408). |