V o r w o r t .
Die hier vorgelegten sieben Arbeiten enthalten das, was ich den
Deutschen, vor allem ihren politischen und wirtschaftlichen Führern,
in den Jahren 1919 bis 1926 über ihre eigene und die Lage der Welt,
ihre Aufgaben und ihre mögliche oder sichere Zukunft zu sagen hatte.
Es waren die Jahre, in welchen nach dem Tiefpunkt von Schmach, Unglück
und ehrlosem Verhalten die nationale Besinnung begann und sich zu einer
Bewegung entwickelte, die endlich eine Macht, nicht nur im Innern, sondern
auch dem Ausland sehr bemerkbar, geworden ist. (Oswald Spengler,
Politische Schriften, 1919, S. V).
Die beiden Schriften »Preußentum und Sozialismus«
und »Neubau des deutschen Reiches« wie der Würzburger
Vortrag drangen sofort in die weitere Öffentlichkeit. Die vier anderen
Vorträge wurden durch Auszüge in der Presse bekannt, drei davon
auch durch Sonderdrucke in den Kreisen, für die sie bestimmt waren,
verbreitet. Sie wurden sämtlich viel gelesen, viel beschimpft und
haben, soviel ich sehe, wenig praktische Wirkung erzielt. (Oswald
Spengler, Politische Schriften, 1919, S. V).
Trotzdem oder gerade deshalb sind sie heute in keiner Weise veraltet.
Sie zeichnen die großen Probleme, welche drohend vor diesem Zeitalter
aufgetürmt stehen und von denen heute nicht eines erkannt,
geschweige denn in seiner ganzen Schwere begriffen oder gar gelöst
ist, so wie es kein anderer bisher getan, gewollt, gewagt hat:
Die Tatsache des unvermindert fortschreitenden Imperialismus, die
Tatsache des Klassenkampfes, den heraufsteigenden Cäsarismus,
die hereinbrechende Wirtschaftskatastrophe. Ich habe mich, das
darf ich ohne Umschweife sagen, in keinem wesentlichen Punkte geirrt.
Es steht dem Leser heute frei, sich davon zu überzeugen. Ich gab
keine allgemeine, nebelhafte Theorie, kein ideologisches Wunschbild, über
das Dilettanten in Verzückung geraten könnten, kein »optimistisches«
Programm, durch das Probleme vornehm ignoriert und beiseite geschoben
werden, sondern ein Bild der Tatsachen und weiter nichts. Es war
hart, unerbittlich, grausam, aber es kommt nur darauf an, ob es richtig
ist oder nicht. Weil es das war, erhob sich das Geschrei über Pessimismus:
Ich stellte Tatsachen fest, wofür es den anderen an Mut, vielleicht
auch an Ehrlichkeit fehlte. Daß sie sehr ernst sind, ist unser Schicksal,
nicht meine Art, es zu zu sehen. (Oswald Spengler, Politische
Schriften, 1919, S. V-VI).
Ich hatte es längst gesehen. Im Jahre 1911, als mit der Marokkokrise
und dem italienischen Angriff auf Tripolis der Weltkrieg ganz eigentlich
schon begann, indem sich beide Parteien klar abzeichneten, hatte ich den
Plan, meine Gedanken über Deutschland unter dem Titel »Konservativ
und liberal« zusammenzustellen. (Vgl. Unt.
d. Abdl., S. 65 f. [].
Aus diesen Gedanken ist dann mein geschichts-philosophisches Hauptwerk
entstanden.) Ich war entsetzt über die Torheit unserer Politik,
welche die vollzogene Einschließung Deutschlands ruhig hinnahm,
über die Blindheit aller Kreise, die nicht an einen Krieg glaubten,
der in Wirklichkeit schon ausgebrochen war, über den verbrecherischen
und selbstmörderischen Optimismus, der auf unsren Aufstieg seit 1870,
unsre angebliche, in Wirklichkeit längst verlorene Machtstellung,
unsren scheinbaren Reichtum, der nur im Schaufenster lag, pochte und jeden
Gedanken daran abwies, daß das gründlich anders werden könne.
Und dahinter sah ich die unvermeidliche Revolution, die Metternich (er
schrieb an Kübeck [S. 138], daß Preußen, wenn es den
deutschen Staatsbund auflöse, dazu den Bund mit der Demokratie brauche;
»ein Teil der deutschen Gebiete würde in Preußen aufgehen;
Preußen wäre alsdann bestimmt, in einer deutschen Republik
aufzugehen«) sowohl wie Bismarck klar vorausgesehen hatten,
die kommen mußte und nicht nur über Deutschland, ob wir nun
als Sieger oder als Besiegte nach Hause kamen. Heute wage ich die Meinung
auszusprechen, daß dieser Ausgang des Krieges mit seinen
Folgen für die ganze Welt und diese Revolution für uns
die mildeste Form war, das Notwendige zu erleiden, und dann auf der Bahn
unseres schweren Schicksals weiterzuschreiten. Es wäre furchtbar
gewesen, wenn nach einem raschen Siege das zaristische Rußland,
Frankreich, England, Italien, die Slawenvölker des zerfallenen Österreich
zu einem zweiten Kriege gerüstet hätten und die Revolution unter
ihren Augen zwischen einer siegesstolzen, unnachgiebigen konservativen
Macht und der als Sieger heimgekehrten krieggeübten Masse ausgebrochen
wäre. (Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919,
S. VI-VII).
So erlebten wir die dümmste und feigste, ehr- und ideenloseste
Revolution der Weltgeschichte. Aus Ekel und Erbitterung darüber entstand
im Sommer 1919 »Preußentum und Sozialismus« mit der
berühmt gewordenen Schilderung dieser Revolution an der Spitze, die
ein Wutgeschrei hervorrief und mir nie verziehen worden ist. Von diesem
Buche hat die nationale Bewegung ihren Ausgang genommen. Ich zeichnete
den tiefen ethischen Gegensatz zwischen englischer und preußischer
Lebensauffassung: Dort auf der Insel kein Staat, sondern eine Gesellschaft
freier Privatmenschen, die Geschäfte machten, hier an der Grenze
nach Osten, nach »Asien« hin ein Staat im strengsten und anspruchsvollsten
Sinne, aus der Tradition der Ritterorden erwachsen, welche Kolonisation
trieben; dort statt der Autorität des Staates der Parlamentarismus
privater Gruppen, hier statt des wirtschaftlichen Liberalismus
die Disziplinierung der Wirtschaft durch die politische Autorität.
Staat und Partei sind Gegensätze. Partei und Autorität sind
es auch. (Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. VII).
Und ich zeigte, daß Marx mit seiner Theorie nach England
gehört, daß seine Auffassung des Klassenkampfes die Auffassung
der Arbeit als Ware, nicht als Beruf, als Lebensinhalt voraussetzt;
als Ware, die man nach den Grundsätzen der Manchesterlehre verhandelt
und verteuert. Marxismus ist eine Abart des Manchestertums, Kapitalismus
der Unterklasse, staatsfeindlich und englisch-materialistisch durch und
durch. Daß »Sozialismus« ein Ethos ist, kein
Wirtschaftsprinzip, hat man bis heute in denjenigen nationalen Kreisen
nicht verstanden, welche dieses Schlagwort aufgriffen. Idioten versuchen
auch jetzt noch einen »nationalen« Kommunismus zu predigen.
Sozialismus, wie ich ihn verstehe, setzt eine Privatwirtschaft mit ihrer
altgermanischen Freude an Macht und Beute voraus. (Oswald Spengler,
Politische Schriften, 1919, S. VII-VIII).
Und ich zeigte endlich, daß der größte Sieg,
den Marx über seine Gegner davongetragen hat, in der allgemeinen
Annahme der Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, in welchen
die Anklage enthalten ist, daß nur der eine arbeitet, der andre
nicht, und daß der letzte von der Arbeit des ersten lebt. In einem
Staat, wo jeder arbeitet, gilt aber dieser ethische Gegensatz mit seiner
stillen Verachtung der Arbeit nicht: Ich hatte aus dem Wesen technischer
Entwicklung heraus die Ausdrücke Führerarbeit und ausführende
Arbeit geprägt, und es liegt nicht an mir, wenn andre nicht klug
genug waren, sie sich anzueignen. Aber die Höhe, das Dasein einer
Nationalwirtschaft, das Dasein sogar der Ausführenden selbst, hängt
von der Qualität der Führerarbeit ab und in ihrer Vernichtung
aus Unverstand, aus Haß, aus Neid entsteht heute die große
Gefahr, welche der Wirtschaft der ganzen Welt droht. (Oswald Spengler,
Politische Schriften, 1919, S. VIII).
Der Aufsatz über das Russentum stammt aus dem Jahre 1922.
Zwei Monate nach dem Vortrag wurde der Vertrag von Rapallo durch Maltzahn
geschlossen (am 16. April), gegen den Willen
und zum Entsetzen von Reichskanzler und Außenminister, die gerade
in Genua damit beschäftig waren, sich wieder einmal mit englischen
und französischen Ministern zu »verständigen«. Es
war seit Jahren die erste selbständige Tat deutscher Außenpolitik.
Das Russentum war damals und ist heute und in Zukunft in jedem Sinne das
nächste Problem für uns, aber ich sehe nicht, daß
jemand anders bis heute es von innen heraus verstanden hätte.
(Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. VIII).
Aber wird sich diese ungeheure Volksmasse durch neue Machthaber
langsam aus der geistigen Beschränktheit des westeuropäischen
Kommunismus befreien oder wird sie vom Bauerntum her durch eine religiöse
Erweckung befreit werden? Das ist die Frage von damals und von morgen.
(Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. IX).
In dem folgenden Aufsatz über neue Formen der Weltpolitik
versuchte ich den Gedanken zu entwickeln, daß die Vormachtstellung
Frankreichs es war die Zeit der Ruhrbesetzung und des Dawesplanes
nur künstlich und nicht dauernd möglich sei: Kein neuer
Gedanke, kein aufbauendes Ziel, nur Ausdruck eines greisenhaften Volkstums,
dem wider Verdienst und Erwartung ein ungeheurer Erfolg in den Schoß
gefallen ist, der in absehbarer Zeit gründlich zu Ende sein wird.
Sein Höhepunkt liegt bereits hinter uns: Der Ruhreinmarsch. Darüber
hinaus zeigte ich die Verschiebung der Macht vom europäischen »Konzert
der Großmächte« in die weiten Gebiete der gesamten Welt,
das Schwinden des Vorrangs der weißen Völker und vor allem
die grundsätzliche Änderung der Form und Tatsache des »Regierens«:
Es handelt sich nicht nur um den Ersatz von Hoheitsregierungen durch Privatinteressen
von Parteien, sondern vor allem um die Einwirkung dieser Tatsache und
des Weltkrieges auf die Form stehender Heere, welche das System gestützt
haben. Ich halte sie für überlebt, seit durch das Eindringen
der Parteipolitik in sie die Autorität über diese bewaffneten
Massen in Frage gestellt ist, und sehe in der Zukunft das Entstehen kleinerer
Freiwilligenheere, die sich aus Überzeugung in den Dienst eines Führers
stellen. Gleichzeitig hat sich meiner Meinung nach die Bedeutung der Kriegsflotten
und damit der Rangstellung Englands grundsätzlich verändert
und vermindert. Die großen Machtlinien über die Kontinente
hin treten in den Vordergrund. Auf der anderen Seite ist die Übergangsform
der Parteiherrschaft in Parlamenten als die augenblickliche Art des Regierens
ohne Autorität in dem Augenblick zu Ende, wo irgendeine Partei diese
Form nicht mehr respektiert, sobald sie zu ihrem Nachteil arbeitet, und
andere Mittel in[9] Betracht zieht. Damit erscheint die letzte Form zivilisierter
Mächte, der Cäsarismus, am Horizont. Seine Vorform wird heute
als Diktatur bezeichnet. (Oswald Spengler, Politische Schriften,
1919, S. IX-X).
Am 26. Februar 1924 hielt ich den Vortrag vor den Würzburger
Studenten über die politischen Pflichten der deutschen Jugend. Es
war der Tag, an welchem der Hochverratsprozeß gegen die Urheber
des Hitlerputsches in München begann. Was ich hier gesagt habe, gilt
heute noch mit unverminderter Wucht. Die »junge Generation«
hat es nicht verstanden. Es ist die Frage, ob man es in diesem Alter überhaupt
verstehen kann, aber ich hoffte darauf und hoffe auch heute noch. Jung
in diesem Sinne ist man nicht an Jahren, sondern an Urteilskraft und Verantwortungsfreude.
Wer beides nicht besitzt, ist für die Politik stets allzu jung. Aber
ich sah das große Laster des jungen Deutschland wieder in voller
Blüte, wie nach 1815: Den Hang, die nüchterne Wirklichkeit
nicht sehen und meistern zu wollen, sondern sie durch ideale Träume,
durch Romantik, durch Parteitheater mit Fahnen, Umzügen und Uniformen
zu verschleiern und harte Tatsachen durch Theorien und Programme zu fälschen.
Begeisterung ist eine gefährliche Mitgift auf politischen Pfaden.
Der Pfadfinder muß ein Held sein, kein Heldentenor. Es steht schlimm
um ein Schiff, wenn die Besatzung im Sturme berauscht ist. Politik ist
das Gegenteil von Romantik, sehr prosaisch, nüchtern und hart. Die
Jugend muß staatsmännische Kunst begreifen und achten
lernen, ihre Objekte, Mittel und Methoden, die zähe, feine, kühle
Kunst, den Gegner geistig zu überlisten nicht durch Argumente, sondern
durch überlegenes Tun. (Oswald Spengler, Politische Schriften,
1919, S. X).
Aber ich fand eine Mißachtung der wirtschaftlichen
Realitäten, die heute ein Hauptproblem großer Politik sind
und die sich nicht durch Ideologie behandeln lassen. Und ich zeigte deshalb,
daß die entscheidende Wandlung in der Wirtschaft des 19. Jahrhunderts
auf der einen Seite durch die Herrschaft der Kohle herbeigeführt
wurde, die massenzüchtend wirkte und Volkstum, gesellschaftliche
Schichtung und politischen Rang der führenden Nationen völlig
verändert hat; andererseits durch die Entstehung des beweglichen,
heimatlosen Finanzkapitals infolge der Herrschaft der Aktie über
die arbeitenden Werke. Diese spekulative, am Wirtschaftskörper einer
Nation nicht bauende, sondern schmarotzende Form des Besitzes greift nicht
nur den »Arbeiter«, also die ausführende Arbeit an, sondern
die Industrie, das Bauerntum, den Staat überhaupt. Es ist kindisch,
dem Unternehmer mit dem Börsenmann zugleich den Krieg zu erklären.
Darin steckt die Ideologie von Leuten geringen Wertes, welche die ganze
Wirtschaft nicht mögen, weil sie ihr nicht gewachsen sind.
Träumen und Programme entwerfen ist bequemer, aber die Folge davon
ist ein gehaltloses und problemloses Leben auf Grund von Parteibezügen.
Und endlich steht hier damals wie heute die ethische Forderung,
sich zu einer brauchbaren Gefolgschaft für künftige Führer
zu erziehen. Heute sehe ich keinen. Aber das ist etwas anderes als mitreden
zu wollen. Wenn die Mannschaft den General belehren will, hat das Heer
aufgehört zu existieren. (Oswald Spengler, Politische Schriften,
1919, S. X-XI).
Im »Neubau des Deutschen Reiches« zog ich die Summe
dessen, was ich für die Aufgaben künftiger Staatsmänner
halte. Staatsmänner, nicht Parteiführer und Schwärmer für
ein drittes Reich. Vor allem den Staat aufzubauen, das preußische
Gegenteil des englisch-parlamentarischen Ausdrucks eines inselhaften Nationalcharakters,
den Staat, der auf Autorität beruht und auf dem sittlichen Typus
des Staatsdieners im Sinne Friedrichs des Großen, der heute selbst
als Begriff verlorengegangen ist. Dann die Erziehung, die heute im vollsten
Verfall ist, die zur Erziehung für diesen Staat werden muß
und nicht für einen weltfremden Humanismus. Das Recht, das ich als
das Ergebnis von Pflichten gegen den Staat und die Nation definierte:
Der neue Grundgedanke einer künftigen Rechtsschöpfung, der sehr
tiefes Nachdenken fordert und, wie ich glaube, eines großen Volkes
würdig ist. Und ich zeigte endlich, wieviel der Marxismus, der Liberalismus,
die Demokratie, lauter nichtdeutsche Ideale, daran absichtlich verdorben
haben. (Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. XI).
Hierher gehört das, was ich über den Steuerbolschewismus
gesagt habe, der in seiner ganzen furchtbaren Gefahr auch heute noch nicht
erkannt ist, weil eine Regierung nach der anderen von provisorischen Mitteln
lebt und die Lösung des Problems der Zukunft zuschiebt. Hat heute
schon jemand begriffen, was alles »Steuer« ist, und was die
besinnungslosen Methoden bereits zerstört haben? Dazu gehört
die Zerstörung der führenden Schichten nicht nur des deutschen
Volkes durch den trockenen Bolschewismus in Gestalt von Steuern, welche
der Neid untergeordneter Klassen diktierte; die Inflation als Konfiskationssteuer
gegenüber dem ererbten, ersparten, erarbeiteten Besitz, in welchem
doch auch die Voraussetzung zu künftigen Leistungen wirtschaftlicher
und kultureller Natur aufgespart war; die Enteignung des Hausbesitzes,
der aus Ersparnissen des Mittelstandes hervorgegangen war, durch die Niedrighaltung
der Mieten, kurz der Kommunismus durch den Steuerzettel, der damals wie
heute jede Regierung zur Verbrecherin macht, weil sie nicht den Mut findet,
die Tatsachen zu durchdenken und daraus die Konsequenzen zu ziehen.
(Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. XI-XII).
Und endlich: Das heutige Verhältnis von Weltwirtschaft und
Weltpolitik. Das war vor allem zu denen gesagt, welche heute das Schicksal
der Wirtschaft in der Hand haben und von Tag zu Tag leben, statt die Schwere
ihrer Aufgabe zu begreifen. Es muß immer wieder gesagt werden: Politik
ist im Leben der Völker unbedingt das erste und Wirtschaft
das zweite. Eine gesunde Wirtschaft kann es in einem Lande ohne
starke außenpolitische Führung nicht geben. Es zeugt von einer
Erkrankung des Volkskörpers, wenn das Verhältnis sich umkehrt.
Das ist heute in der ganzen Welt der Fall, aber die Folgen liegen offen
vor unseren Augen. Die ganze Gefahr, die damals in einem Augenblick,
wo flacher Optimismus sich wie heute einbildete, daß es »wieder
aufwärts gehe« niemand sehen wollte und die heute jeder
sieht, aber nicht begreift und nicht begreifen will, liegt darin, daß
wir in einer Wirtschaftskatastrophe begriffen sind, welche die
gesamten Formen des letzten Jahrhunderts von Grund aus verwandeln wird,
und die man nicht nach Monaten, sondern nach Jahrzehnten bemessen muß.
Das hier gezeichnete Bild der Zusammenhänge zwischen den neuen Formen
und Lagen der großen Politik und den sich rasch wandelnden Formen
der Wirtschaft ist heute ebenso gültig wie damals. Die Dinge sind
weiter fortgeschritten, aber das Verständnis für sie blieb auf
dem alten Punkte. (Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919,
S. XII-XIII).
Das ist es, was ich in diesen Jahren sagte und schrieb, nicht
für den Augenblick, sondern für die Zukunft. Ich sehe schärfer
als andere, weil ich unabhängig denke, von Parteien, Richtungen und
Interessen frei. Ich habe die Dinge vorausgesehen, wie sie sich organisch,
schicksalhaft entwickelten und weiter entwickeln werden. Ich sehe noch
mehr voraus, aber ich fühle mich einsamer als je, nicht etwa wie
unter Blinden, sondern wie unter Leuten, die ihre Augen verbunden haben,
um den Einsturz des Hauses nicht zu sehen, während sie mit ihren
Hämmerchen daran hantieren. Aber ich wiederhole immer und immer wieder,
daß ich lediglich Tatsachen beschrieben habe, für Leute,
die staatsmännisch denken und handeln können, und nicht für
Romantiker. Will man nicht endlich hören und nicht nur lesen? Ich
warte darauf. (Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919,
S. XIII).
München im Oktober 1932
O s w a l d S p e n g l e r
(Oswald Spengler, Politische Schriften, 1919, S. XIII).
W E I T E R :
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