Der Untergang des Dollar-Imperiums. Die verborgene Geschichte des
Geldes und die geheime Macht des Money Trust (2009)
Vorwort
| J.
P. Morgan d.Ä. (1837-1913) | | J.
D. Rockefeller (1839-1937) | | | | | J.
P. Morgan d.J. (1867-1943) | | Paul
M. Warburg (1868-1932) |
»Geld ist Macht.« Dieses Sprichwort existiert seit
der Antike, und doch haben nur wenige Menschen die wahre Macht des Geldes verstanden.
(Ebd., S. 7).Geld kann erzeugt (»geschöpft«) oder
vernichtet werden. Es kann zu Wohlstand oder tiefer Depression führen oder
zu einem moderaten Wachstum. .... Im wesentlichen ist Geld ein politisches Geschöpf.
Deshalb sollte die Macht über die Geldschöpfung zu den wichtigsten Aspekten
nationaler Souveränität zählen, ohne die ein Staat nicht über
das Schicksal seiner eigenen Bevölkerung zu wachen vermag.
(Ebd., S. 7).Im Dezember 1913 ließ sich der Kongreß
der Vereinigten Staaten von Amerika von einer mächtigen Privatinteressen
- Namen wie J. P. Morgan, John D. Rockefeller und Paul Warburg sind da zu nennen
- überreden, die Macht der Geldschöpfung privaten Bankinteressen zu
übertragen. Damit gab der US-Kongreß eine Macht aus den Händen,
die für das Überleben der Republik als so wichtig betrachtet wurde,
daß die Gründungsväter sie gleich im ersten Artikel der us-amerikanischen
Verfassung verankert hatten. (Ebd., S. 7).Seitdem
liegt die Macht, das gesetzliche Zahlungsmittel der USA zu schöpfen, bei
einer Clique von Privatbankiers und nicht mehr bei den gewählten Vertretern
des us-amerikanischen Volkes. Infolge dieser Entscheidung, die bewußt so
vernebelt wurde, daß nur wenige verstehen, daß in den USA private
Bankiers und nicht mehr die eigene Regierung die Macht über das Geld in Händen
hält - ist US-Amerika im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in zwei Weltkriege
eingetreten ist, die vor allem geführt wurden, um die Macht des privaten
Money Trusts auszuweiten. (Ebd., S. 7-8).Dieses
Buch ist eine Chronik der Geschichte der wahren Macht über das Geld. Es erzählt,
wie diese Macht in privaten Händen die USA zur größten Macht der
Erde aufsteigen und in die schwerste Depression der Geschichte stürzen ließ.
Es erzählt auch, wie die gewählten Volksvertreter hilflos zusehen mußten,
während der durch und durch korrupte Money Trust enorme Summen Papiergeld
enteignete, um ein System zu retten, das nicht mehr zu retten war: ihr privat
kontrolliertes Dollar-System. (Ebd., S. 8-9).In
einem gesunden Organ, das gemäß seiner natürlichen Bestimmung
funktioniert, kann sich kein Krebsgeschwür ausbreiten. Nur wenn das Immunsystem
des Körpers nicht mehr normal funktioniert, kann ein Krebs wuchern. Der Schuldenkrebs
und die Kontrolle über diese Schulden im zurückliegenden Jahrhundert
und heute dient den Privatinteressen, die schon lange die us-amerikanische Federal
Reserve und darüber hinaus die Zentralbanken der meisten Industrieländer
der Welt kontrollieren. Schritt für Schritt haben diese Zentralbanken, wenn
auch manchmal zögerlich, auf die eine oder andere Weise die in den USA vorexerzierte
Übergabe der Souveränität über ihr eigenes Geld an Privatbankiers
imitiert - egal ob es nun »professionelle Banker« oder deren Statthalter
waren, wie zum Beispiel Alan Greenspan oder Paul Volcker.
(Ebd., S. 9).Hat man diese einfache Wahrheit erst einmal verstanden,
dann wird einem der wahre Grund nicht für die gegenwärtige verheerende
Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch für die Kriege und Krisen der
Zeit nach 1913 schlagartig klar - selbst der Normalbürger versteht das alles
ohne jede Schwierigkeit. Dann aber ließe sich der Schuldenkrebs isolieren
und unter Kontrolle bringen, und ganze Länder könnten wieder ein normales,
vernünftiges Wirtschaftsleben aufnehmen. (Ebd.,
S. 9).Es ist keine Überraschung, daß die Wirtschaftsfakultäten
der Universitäten in den USA, in Großbritannien und anderswo unter
dem Einfluß dieses Money Trusts davon Abstand genommen haben, diese
Wirklichkeit zu lehren. Nobelpreise wurden an die Ökonomen verliehen, die
den Interessen des Money Trusts am besten dienten, ob es sich nun um Milton
Friedman oder um weniger bekannte Namen handelt wie etwa die Derivate-Theoretiker
Robert Merton oder Myron Scholes - oder selbst um gemäßigte Kritiker
oder gar Reformer wie Joseph Stieglitz und Paul Krugman. Das System von Belohnungen
und beruflichen Auszeichnungen diente dazu, die Regeln dieser privaten Macht über
das Geld als Pseudowissenschaft zu sanktionieren. In die richtige Handhabung dieses
religiösen Dogmas dürfe sich, so wurde uns erklärt, kein unerfahrener
Laie einmischen, der vom »Geld« nichts verstehe. Einfache Grundfragen
zu stellen könnte den Normalbürger womöglich veranlassen, darüber
nachzudenken, wer denn eigentlich die wirkliche Macht über das Geld hat:
der souveräne Staat und seine gewählten Vertreter oder eine private
Geld-Oligarchie, die vor allem ihre eigene Macht im Sinne führt?
(Ebd., S. 9).Der Satz »Wer das Geld kontrolliert, der kontrolliert
die ganze Welt.« stammt angeblich von Henry Kissinger .... Wenn ein souveränes
Land, selbst eine Supermacht, die Kontrolle über das Geld verliert - als
»Banker der Welt«, als Zentrum des weltweiten Kapitalflusses, als
Inhaber der Weltreservewährung -, dann steht diese Supermacht unweigerlich
vor dem Absturz .... (Ebd., S. 10).Die
zentrale Frage, vor der die Länder inmitten der sich verschärfenden
Krise ... stehen, lautet: Wer soll künftig das Geld kontrollieren? Soll diese
Macht in der Hand privater Wall-Street-Banker bleiben, einer internationalen
Finanzoligarchie, die immer wieder bewiesen hat, daß sie sich um das Allgemeinwohl
eines Landes egal welchen Landes nicht schert? Oder sollen die gewählten
Regierungen souveräner Länder die Macht über das Geld wieder zurückerobern?
Dies gilt insbesondere für die USA, wo im Jahr 1913 sich der Präsident
(der Verräter Wilson; [HB]) und der Kongreß
vor dem Altar des Money Trusts verbeugt und diesem die souveränen
Rechte über das Geld übergeben haben. Die entscheidende Frage ist: Hat
der Staat die Macht über das Geld oder hat die Macht des Geldes die Kontrolle
über den Staat? (Ebd., S. 10).***Abraham
Lincoln hatte sehr wohl verstanden, warum die Väter der Verfassung der Vereinigten
Staaten vom Kongreß und nicht privaten Bankiers das Recht zur Geldschöpfung
übertragen hatten. Bereits seit langer Zeit hatte Lincoln die protektionistisch
Zollpolitik zum Schutz der Industrie des führenden Vertreters der Parte der
Whigs, Senator Henry Clay unterstützt. Außerdem war Lincoln
eng mit dem Ökonomem Henry C. Carey befreundet, der nicht nur offen für
protektionistische Maßnahmen eintrat, sondern auch ein energischer Anhänger
des berühmten deutschen Ökonomen Friedrich List war, einem der Väter
der Nationalökonomie. (**).(Ebd.,
S. 50-51). Der ehemalige Tübinnger
Wirtschaftsprofessor Friedrich List, in Deutschland u.a. als Vater des Zollvereins
bekannt, war in den 1820er Jahren auf Einladung von Mathew Careys Pennsylvania
Society for the Promotion of Manufactoring and the Mechanical Arts (Pennsylvanische
Gesellschaft zur Förderung des Manufakturwesens und der mechanischen Künste)
nach Pensylvanien gekommen. Dort schreib List eine scharfe Kritik an der britischen
Freihandelsdoktrin von Adam Smith und Ricardo ..., die Carey, der Vater von Lincolns
Berater Henry C. Carey, veröffentlichte. Kurioserweise ist der Name List
heute aus den Wirtschaftswissenschaften fats voll ständig verschwunden, da
dort seit den 1970er Jahren die neoliberalen Freihandeslehren eines Milton Friedman
dominieren. (Ebd., Anmerkung 11).
Republikanische Bankiers kaufen sich einen Demokraten für ihren Putsch
Die
Wahl Woodrow Wilsons im Jahr 1912 war das Werk einer kleinen Gruppe einflußreicher
Männer, die eine Spaltung innerhalb der Republikanischen Partei herbeiführten
- sie finanzierten eine dritte Partei, die nach ihrem Präsidentschaftskandidaten,
dem ehemaliegn Republikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, bald den
Spitznamen Bull Moose erhielt. (Ferdinand Lundberg berichtet in Americas
Sixty Families ausführlich über die Gründung der dritten Partei
Bull Moose, mit der diese Kreise erreichen wollten, daß an Stelle
des Republikaners Howard Taft der ihren Interessen zugänglichere Woodrow
Wilson gewählt wurde. Nach dem Sieg des »bankers man« Woodrow
Wilson im Jahre 1912 löste sich die vollkommen künstliche Progressive
Party wieder auf, und Teddy Roosevelt schloß sich stillschweigend wieder
der Republikanischen Partei an.)(Ebd., S. 67).
Zwei Rivalen für Englands führende Rolle in der Welt
In
der Zeit, in der sich in England die Anzeichen für einen endgültigen
Niedergang mehrten, tauchten, zunächst kaum wahrnehmbar, zwei potentielle
Rivalen auf, die in der Lage waren, die Rolle des Britischen Empires herauszufordern.
Einer davon war das Deutsche Reich. Im Jahre 1900 ... stellten das industrielle
Wachstum, das Erziehungs- und Bildungssystem sowie die Wissenschaften in Deutschland
schon seit langem (seit langem! [HB]) das-
bzw. diejenige Englands in den Schatten, so daß nur noch die Londoner City
ihre beherrschende Rolle über den Welthandel behielt. (**|**|**|**).
(Ebd., S. 74-75).Der zweite Herausforderer
für Englands Rolle als vorherrschende Weltmacht waren die Vereinigten Staaten
von Amerika, die sich im ersten Eroberungskrieg gegen Spanien 1898-1899 die Philippinen
und Kuba gesichert hatten. Der unerklärte geopolitische Wettstreit zwischen
England, Deutschland und US-Amerika sollte drei Jahrzehnte dauern, und es sollte
zu zwei Weltkriegen kommen, bevor er endlich entschieden war. (**|**|**|**).
(Ebd., S. 75). Eine interessante
geopolitische Sichtweise dieser Realität um die weltweite Vorherrschaft findet
sich in Peter J. Taylor, Britain and the Cold War ..., 1990, S. 17: »Im
nachhinein können wir die zwei Weltkriege als Wettsreit um die Nachfolge
der Briten zwischen Deutschland und den USA interpretieren. Der Wettstreit wurde
erst am Ende des Zweiten Weltkriegs und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands
entschieden.« (**|**|**|**).
(Ebd., Anmerkung 4).
In US-Amerika erkannten die Eliten, die
den Money Trust und die großen Industriekonzerne unter ihrer Kontrolle hatten
- die Morgans und Rockefellers, Harriman, Schiff und andere -, erst allmählich
die Möglichkeit, zu einer wirklichen Weltmacht zu werden. (Ebd., S.
75).
Manifest Destiny
Im Jahre 1900 ... stellten das
industrielle Wachstum, das Erziehungs- und Bildungssystem sowie die Wissenschaften
in Deutschland schon seit langem (!) das- bzw. diejenige
Englands in den Schatten, so daß nur noch die Londoner City (gemeint
ist die Finanzlobby; [HB]) ihre beherrschende Rolle über den Welthandel
behielt.(Ebd., S. 77).Da US-Amerikas
einziger Rivale beim Kampf um die Nachfolge des britischen Weltreichs das Deutsche
Reich war, sollte die Strategie darin bestehen, eine us-amerikanische Allianz
mit dem schwächeren der beiden Rivalen, nämlich England, gegen den stärkeren,
nämlich Deutschland, zu schmieden. Auf diese Weise sollte sich US-Amerika
als Macht wie Phoenix aus der Asche eines großen Krieges in Europa erheben.
(**|**|**|**).
(Ebd., S. 77).
Der Casus Belli
Die verhängnisvolle Fehlkalkulation
der britischen militärischen und diplomatischen Führung, die sie veranlaßte,
1914 in den Krieg einzutreten, habe ich in einem früheren Buch mit dem Titel
Mit der Ölwaffe zur Weltmacht - Der Weg zur neuen Weltordnung (**)
ausführlich dargelegt. Dieser Krieg war keine Reaktion auf die Verletzung
eines feierlichen internationalen Abkommens durch die Ermordung des Erzherzogs
Franz Ferdinand in Sarajewo. Er war vielmehr das Ergebnis einer strategischen
Entscheidung, die lange zuvor in Whitehall und in Downing Street Nr. 10, den britischen
Machtzentren, gefallen war: Bereits 1904 hatte England mit Frankreich die Entente
Cordiale geschlossen, und 1907, nach der russischen Niederlage gegen das von England
unterstützte Japan im russisch-japanischen Krieg von 1905, bildete es eine
Allianz mit dem zaristischen Rußland. Das Ziel dieser entstehenden »Tripelallianz«
war die militärische Einkreisung und Isolation des gemeinsamen Feindes, nämlich
Deutschlands.(Ebd., S. 77-78).Seit den Napoleonischen
Kriegen war das Kernstück der Strategie des Britischen Empires die Herrschaft
und Kontrolle über die Seewege und die Routen des Welthandels. Die Entscheidung,
einen Krieg gegen Deutschland, Österreich-Ungarn und später auch die
Türkei, das Osmanische Reich, zu führen, entsprang nicht der Stärke
des Britischen Empires, sondern der Einsicht in seine fundamentale Schwäche.
Man rechnete sich aus, daß ein früher Krieg besser wäre, anstatt
noch einige Jahre zu warten, da es dann für England schwieriger sein würde,
sich gegen die zunehmende Übermacht Deutschlands zu behaupten. Wie sich im
weiteren Verlauf zeigen sollte, führte diese Entscheidung dazu, daß
Rule Britannica, die Herrschaft des Britischen Empires, schließlich aufhörte.
Allerdings sollte es noch einige Jahre dauern - und es sollte noch zu einem Zweiten
Weltkrieg kommen -, bis die Elite in England diese Realität zögernd
zur Kenntnis nahm. (Ebd., S. 78-79).
Morgan übernimmt ein äußerst lukratives Geschäft
| Eine
Gedenktafel in Göttingen an J. P. Morgan, einen der Männer,
denen die Deutschen, ja sogar alle Europäer die Ur-Katstarophe
des 20. Jahrhunderts und die fatale Abhängigkeit vom US-
Dollar zu verdanken haben. Toll! |
Zur Erklärung, wie sich diese Entwicklung vollziehen könnte
und welches Land Morgan & Co. dabei als Hauptbedrohung für eine weltweite
Dominanz der USA betrachtete, stellte Lamont fest: »Die Frage der Überlegenheit
bei Handel und Finanzierung wird zwangsläufig durch mehrere Faktoren bestimmt;
einer davon ist die Frage, wie lange der Krieg noch dauern wird. Wenn ... der
Krieg schon bald zu Ende wäre .., würden wir wahrscheinlich erleben,
daß sich Deutschland, dessen Exporte jetzt fast vollständig unterbunden
sind, sehr schnell wieder zu einem scharfen Konkurrenten emporschwingen würde.«
Lamont weiter: »Ein dritter Faktor, und auch der ist abhängig von der
Dauer des Krieges, betrifft die Frage, ob wir in wirklich großem Stil zum
Kreditgeber für fremde Länder werden. .... Sollen wir in wirklich enormem
Maße Kreditgeber dieser ausländischen Regierungen werden? .... Wenn
der Krieg lang genug dauert, so daß wir in diesem Vorgehen bestärkt
werden, dann werden wir uns unweigerlich von einer Schuldnernation zu einer Gläubigernation
wandeln. Solch eine Entwicklung wird früher oder später den Dollar anstelle
des britischen Pfundes zur internationalen Devisengrundlage machen.« In
dieser ungewöhnlichen Rede, über US-Amerikas Presse wohlweislich nur
wenig berichtete, legte der Morgan-Partner Lamont die Strategie des Hauses Morgan
& Co. dar, und zwar nicht nur für die Zeit des (1.Welt-)Krieges,
sondern auch für die Nachkriegszeit bis hin zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
(Ebd., S. 83). Die Geschäfte liefen extrem gut für Lamont,
J. P. Morgan & Co. und ihre bevorzugten Unternehmen aus der Rüstungsindustrie.
(Ebd., S. 83).
Ein Krieg, um die Welt für J. P. Morgan & Co. sicherer zu machen
Vom
Standpunkt Lamonts und seiner Freunde lohnten sich ihre »ungewöhnlichen
Maßnahmen« während des Krieges erheblich. Ende 1916 und Anfang
1917 verschlechterten sich jedoch die Aussichten plötzlich ganz dramatisch.
Im Februar 1917 mußte der Zar in Rußland abdanken, weil das Militär
in St. Petersburg (Petrograd) meuterte. Die Führung der russischen Armee
war nicht in der Lage, die Meuterei zu unterdrücken. Würde Rußland
seine Streitkräfte aus dem Krieg zurückziehen, dann befände sich
Deutschland nicht mehr in einem verheerenden Zweifrontenkrieg und könnte
seine Streitkräfte auf die Westfront konzentrieren. (Ebd., S. 84).Weil
Morgan & Co. direkte Kriegskredite in Höhe von mehr als 1,5 Milliarden
Dollar für England, Frankreich, Rußland und Italien organisiert und
außerdem den kriegsführenden Nationen in Europa die Lieferung von Kriegsmaterial
im Wert von fünf Milliarden Dollar garantiert hatten, plagte Morgan &
Co. nun die Angst, daß das Undenkbare passieren könnte - ein Sieg Deutschlands.
(Ebd., S. 84).Die russische Front gegen das Deutsche Reich war
zusammengebrochen, und ein von W. I. Lenin geführtes bolschewistisches Regime
drohte die Macht in Rußland zu übernehmen; dieses waghalsige Unternehmen
wurde vom deutschen Generalstab finanziert. Die deutsche Führung ging bewußt
ein hohes Risiko ein, als sie es den führenden Bolschewisten ermöglichte,
von ihrem Schweizer Exil in einem versiegelten Eisenbahnwaggon über Deutschland
nach Rußland zu reisen. Außerdem gaben sie Lenin ausreichend Goldbarren
mit auf den Weg und kauften damit quasi eine Revolution gegen den Zaren. Der Zweck
dieser Operation war die Installierung eines neuen Regimes in Rußland, das
den Zielen der Engländer und Franzosen feindlich gesonnen war und einem Separatfrieden
mit Deutschland zustimmen würde. Frankreich war kriegsmüde und völlig
erschöpft. Seine dringenden Bitten um Verstärkung wies England zurück,
da das britische Militär eine Million Soldaten im Nahen Osten stationiert
hatte, die in Mesopotamien die unerschlossenen Ölquellen für das Britische
Empire sichern sollten. Ein Waffenstillstand an der Ostfront bedeutete, daß
die deutschen Truppen an der Westfront verstärkt werden konnten, um in einer
Großoffensive die französischen Stellungen durchbrechen und den Krieg
gewinnen zu können. (Ebd., S. 84-85).Wilsons Botschafter
in London war damals Walter Hines Page, der eng mit der Rockefeller-Gruppe verbunden
war. Page war Treuhänder von Rockefellers General Education Board
(Rat für Allgemeine Erziehung) gewesen, bevor er zum Botschafter am Hof von
St. James ernannt wurde. Page war, wie alle US-Botschafter in London seit 1902,
Mitglied in der exklusiven Pilgrims Society und erhielt von Cleveland Dodge,
dem Präsidenten der National City Bank, eine Einkommens-»Aufbesserung«
von 25 000 Dollar jährlich - damals eine erhebliche Summe. Wie bereits
erwähnt war Dodge der finanzkräftige Hintermann von Wilson. (Ebd.,
S. 85).Am 5. März 1917 sandte Botschafter Page eine vertrauliche
Depesche an Präsident Wilson, in der es hieß: »Ich glaube, der
Druck dieser heraufziehenden Krise übersteigt die Möglichkeiten des
Finanzhauses Morgan, für die britische und französische Regierung tätig
zu sein. Der [Finanz- ]Bedarf wird jetzt einfach zu groß und [ein Kredit]
ist so dringend erforderlich, daß eine Privatbank ihn nicht decken kann
....« Page fügte noch hinzu, die Aussichten in Europa seien »alarmierend«
für die industriellen und finanziellen Interessen US-Amerikas. »Wenn
wir in den Krieg gegen Deutschland einträten, bestünde die größte
Hilfe für unsere Alliierten in solch einem Kredit. In diesem Fall könnte
unsere Regierung, wenn sie wollte, eine große Investition tätigen,
und zwar entweder in Form eines direkten Kredits an Frankreich und England, oder
indem sie die Garantie für solch einen Kredit übernimmt ....«
(Ebd., S. 85).Um sicherzugehen, daß Woodrow Wilson Pages
Gedankengang nicht mißverstand, fügte der Botschafter noch hinzu: »Natürlich
kann unsere Regierung eine solche direkte Kreditgarantie nur dann abgeben, wenn
wir gegen Deutschland in den Krieg ziehen ....« Page fügte sogar noch
hinzu, die Alternative dazu sei der Zusammenbruch der Wirtschafts- und Finanzstruktur
in den USA selbst! (Ebd., S. 86).Vier Wochen nach Pages alarmierendem
Brief, im April 1917, führte Woodrow Wilson, der noch 1916 als Kandidat für
den Frieden gewählt worden war, US-Amerika in den Ersten Weltkrieg. Er erschien
vor dem Kongreß und bat um die formelle Kriegserklärung gegen Deutschland.
Als Grund nannte er Deutschlands Wiederaufnahme der uneingeschränkten U-Boot-Angriffe
gegen Schiffe der USA und anderer neutraler Länder, die englische und französische
Häfen anliefen. Der Kongreß verlieh Wilson die Vollmacht mit überwältigender
Mehrheit. Die einzigen Gegenstimmen kamen von einigen wenigen prinzipientreuen
Verfechtern der Neutralität, darunter Senator LaFollette. (Ebd., S.
86). | John
Pierpont Morgan, vor dem Ersten Weltkrieg der mächtigste Bankier
der Welt, war im Jahre 1913 für die Errichtung der privaten Federal
Reserve verantwortlich, die es möglich machte, daß die Vereinigten
Staaten von Amerika in den Ersten Weltkrieg eingriffen, um Morgans Kredite
an England und Frankreich zu retten. | Nun
begann das US-Finanzministerium, mit Unterstützung der 1913 errichteten Federal
Reserve - der Präsident der Federal Reserve Bank von New York
war Benjamin Strong (**),
ein loyaler Morgan-Mann - von der Bevölkerung Geld in nie da gewesener Höhe
einzutreiben, und zwar durch den Verkauf sogenannter »Liberty Loans«
(Friedensanleihen). Aus der ersten Tranche dieser Liberty Loans erhielt J. P.
Morgan & Co. 400 Millionen Dollar zur Begleichung der Schulden, die Großbritanniens
Regierung bei diesem Finanzhaus hatte. Wilson und die us-amerikanische Bevölkerung
holten buchstäblich Morgans dicke Kastanien aus dem Feuer. (Ebd., S.
86).Vom offiziellen Eintritt in den Ersten Weltkrieg im April 1917
bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstands mit Deutschland am 11. November 1918
lieh die Regierung der Vereinigten Staaten den Alliierten-Mächten in Europa
die - wie Thomas Lamont von Morgan bei seiner Rede 1915 gesagt hatte - »phantastische
Summe« von knapp 9,4 Milliarden Dollar - genau waren es 9 386 311 178
Dollar -, wobei der Löwenanteil von 4,136 Milliarden Dollar an England ging.
Frankreich erhielt 2,293 Milliarden Dollar. (Ebd., S. 87).Mit
Unterstützung der Federal Reserve wurde der full faith and credit
der Vereinigten Staaten von Amerika mobilisiert, um Deutschland vollkommen zu
besiegen. Diese neun Milliarden Dollar flossen jedoch nicht nach London oder Paris,
um dort je nach Bedarf eingesetzt zu werden. Das Geld ging vielmehr direkt an
die Industrie in US-Amerika, vor allem an die Unternehmen, die enge Verbindungen
zur Morgan-Gruppe, zu Kuhn und Loeb oder zur Rockefeller-Familie unterhielten,
um die an die Alliierten gelieferten Rüstungsgüter zu bezahlen. Morgan
leistete ganze Arbeit. (Ebd., S. 87).Für diese Kehrtwende
um 180 Grad und für die Mobilisierung der Öffentlichkeit in US-Amerika,
die skeptisch gegenüber einem Krieg gegen Deutschland eingestellt war, schuf
das Weiße Haus unter Wilson die eindrucksvollste Propagandaabteilung, die
die Welt bis dahin je gesehen hatte. (Ebd., S. 87).
Propaganda als Waffe
Am 13. April 1917 rief Woodrow Wilson
das Committee on Public Information (CPI, Komitee für Information
der Öffentlichkeit) ins Leben, um im eigenen Land für den Krieg zu werben
und im Ausland die us-amerikanischen Kriegsziele bekannt zu machen. Unter Leitung
des Journalisten George Creel, eines von Wilsons Strohmännern, verknüpfte
das CPI Werbetechniken mit einem hochentwickelten Verständnis der menschlichen
Psychologie. Es war das erste Mal überhaupt, daß eine Regierung in
einem solchen Ausmaß Propaganda verbreitete. Was jetzt ablief, war in jeder
Hinsicht ein Vorläufer der Welt, die George Orwell in seinem Roman 1984
beschrieben hat. (Ebd., S. 87).Neben Creel gehörte einer
der cleversten Propagandisten der us-amerikanischen Geschichte dem CPI an: der
junge, in Wien geborene naturalisierte US-Amerikaner Edward Bernays. Bernays brachte
die genaue Kenntnis eines damals noch neuen Zweiges der menschlichen Psychologie
mit, dessen Werke noch nicht ins Englische übersetzt worden waren. Er war
der Neffe und us-amerikanische Literaturagent des österreichischen Psychoanalytikers
Sigmund Freud. (Ebd., S. 87-88).Mit Creels Sensationsjournalismus
und Bemays Einsatz der Freudschen Psychologie und seiner Analyse unbewußter
Wünsche und Triebe ließ das Committee on Public Information
eine wohlkalkulierte Flut von Lügen auf die ahnungslose us-amerikanische
Öffentlichkeit los. Mit Bildern von deutschen Soldaten, die belgische Säuglinge
mit dem Bajonett aufspießten, und ähnlichen inszenierten Grausamkeiten
sollte die us-amerikanische Öffentlichkeit zu einem Krieg gegen ein Land
aufgestachelt werden, das sie in keiner Weise bedrohte - das deutsche Kaiserreich.
(Ebd., S. 88).Das CPI übte de facto in der Kriegszeit
eine Medienzensur aus. Unter Berufung auf die deutsche Propaganda gab das CPI
»freiwillige Richtlinien« für Nachrichtenmedien heraus. Durch
die Wirkung seiner antideutschen Propaganda wirkte das CPI mit, den US-Kongreß
dazu zu bewegen, das Spionagegesetz von 1917 und das Gesetz gegen Aufwiegelung
von 1918 zu verabschieden. Radikale Zeitungen wie der sozialistische Appeal
to Reason (Aufruf zur Vernunft) wurden durch das Verbot, in Kriegszeiten abweichende
Meinungen zu veröffentlichen, praktisch mundtot gemacht. (Ebd., S.
88).Zu Creel und Bernays gesellte sich beim CPI der anglophile
Journalist und enge Wilson-Berater Walter Lippmann. Bereits als junger Harvard-Absolvent
war Lippmann angeworben worden, um quasi als Verbindungsmann zwischen den
Wall-Street-Interessen um Morgan und der britischen Geheimgesellschaft Round
Table zu fungieren. Dieser Round Table hatte seit seiner Gründung
im Jahre 1909 eine maßgebliche Rolle dabei gespielt, die englische Bevölkerung
aufzuwiegeln und auf einen Krieg gegen Deutschland vorzubereiten. (Ebd.,
S. 88).Lippmann wurde durch seine regelmäßig zweimal
pro Woche erscheinenden Leitartikel in der New Yorker Herald Tribune, die
in mehreren hundert Zeitungen in ganz US-Amerika nachgedruckt wurden, zu einer
der einflußreichsten pro-britischen Stimmen in den USA. Seine Kommentare
spielten eine entscheidende Rolle dabei, die Loyalität der gebildeten us-amerikanischen
Mittelschicht zu gewinnen, die sich normalerweise eher neutral verhielt oder den
Krieg ablehnte. (Ebd., S. 88).Seinen besonderen Erfolg, in
nur wenigen Monaten eine regelrechte Massenhysterie für den Krieg zu entfachen,
verdankte das Committee on Public Information jedoch Bernays besonders
abwegiger Begabung, die Psychologie des Mobs mit der psychologischen Manipulation
verschiedener menschlicher Emotionen zu verknüpfen, die er mit Hilfe seines
Onkels entwickelt hatte. Unter vollem Einsatz von Bernays Talenten untersuchte
das CPI im Stile einer Werbeagentur der Madison Avenue die unterschiedlichsten
Wege, wie bestimmte Informationen tatsächlich bei der Bevölkerung ankamen.
Anschließend wurden diese Kanäle mit Kriegspropaganda gefüttert.
(Ebd., S. 88-89).Die Inlandsabteilung des CPI bestand aus 19 Unterabteilungen,
die sich jeweils auf einen bestimmten Typ Propaganda konzentrierten. Die Nachrichtenabteilung
des CPI verteilte viele tausend Presseerklärungen, das war der wichtigste
Weg zur Verbreitung von Informationen über den Krieg. Die CPI-Nachrichtenleute
brüsteten sich damit, daß angeblich jede Woche mehr als 20000 us-amerikanische
Zeitungskolumnen mit Material aus diesen CPI-Erklärungen erschienen; natürlich
wurde die Nachrichtenquelle dabei niemals genannt. Das CPI richtete auch eine
Abteilung namens Syndicated Features (etwa: Feature-Verband) ein und warb
dafür bei Autoren von Romanen und Kurzgeschichten sowie bei Essayisten. Diese
Schriftsteller sollten den Durchschnittsus-amerikanern den Krieg in Bildern vermitteln,
die einfach zu verstehen waren. Jeden Monat erreichte das CPI so etwa zwölf
Millionen Menschen. (Ebd., S. 89).In einer CPI-Abteilung
für Civic and Educational Cooperation (etwa: Staatsbürgerliche
Erziehung und Zusammenarbeit) verfaßten englandfreundliche Gelehrte Broschüren
mit Überschriften wie »Das Flüstern der Deutschen«,
»Deutsche Kriegspraktiken und Eroberung und Kultur«. Es war ungeschminkte
Propaganda. Angesehenere Denker wie John Dewey und Lippmann wandten sich hingegen
an eine aufgeklärtere us-amerikanische Öffentlichkeit. Jeder Bevölkerungsschicht
wurde so eine eigene, sorgsam auf sie abgestimmte Kriegspropaganda serviert.
(Ebd., S. 89).Zur CPI-Abteilung Bebilderte Öffentlichkeitsarbeit
(Division of Pictorial Publicity) zählten die begabtesten Reklamezeichner
und Karikaturisten der damaligen Zeit. Zeitungen und Zeitschriften stellten bereitwillig
Werbeseiten zur Verfügung. Es war fast unmöglich, eine Zeitung aufzuschlagen,
ohne auf CPI-Material zu stoßen. Überzeugend gemachte Plakate, dazu
in patriotischen Farben gemalt, erschienen auf Werbetafeln im ganzen Land. Mit
eingängigen Karikaturen wurden die US-Amerikaner zum Kauf von Liberty
Bonds animiert; andere Plakate wandten sich direkt anjunge Männer: »Uncle
Sam Wants You!« (Ebd., S. 89).Eine Filmabteilung sorgte
dafür, daß auch im Kino für den Krieg geworben wurde. Das CPI
gründete ein landesweites Freiwilligen-Corps namens Four Minute Men (Vierminutenmänner),
dem bis zu 75000 begeisterte Freiwillige angehörten, deren Aufgabe darin
bestand, als offizielle Vertreter des regierungseigenen CPI bei jeder Filmvorführung
zu erscheinen und eine vierminütige gepfefferte Ansprache zur Unterstützung
des Kriegs, zum Kauf von Liberty Bonds etc. zu halten. Der Erfolg war ungeheuer
groß. (Ebd., S. 89-90).In einem Leitartikel der Filmzeitschrift
The Motion Picture News wurde 1917 behauptet, »jeder, der in dieser
Branche tätig ist, will seinen Beitrag leisten«, und versprochen, »durch
Lichtbilder, Vorfilme, Filmankündigungen und Zeitungswerbung diese Propaganda
zu verbreiten, die unbedingt nötig ist, damit die großen Ressourcen
des Landes umgehend mobilisiert werden«. Filme mit Titeln wie »Der
Kaiser«, »Die Bestie von Berlin«, »Wölfe
der Kultur« und »Pershings Kreuzritter« liefen in
den us-amerikanischen Kinos im ganzen Land. Ein Film mit dem Titel »Zur
Hölle mit dem Kaiser« war so beliebt, daß in Massachusetts
einmal die Polizei gerufen werden mußte, um eine aufgebrachte Menge auseinanderzutreiben,
die wegen Überfüllung an der Kinokasse abgewiesen worden war.
(Ebd., S. 90).Da die Propagandisten versuchten, »für
den anderen zu denken«, bevorzugten sie indirekte Botschaften gegenüber
offenen, logischen Argumenten. Während des Krieges setzte das CPI zu diesem
Zweck wohlkalkulierte emotionale Appelle ein, in denen Deutschland verteufelt,
der Krieg mit den Zielen unterschiedlichster sozialer Gruppen in Verbindung gebracht
und, falls nötig, auch rundheraus gelogen wurde. (Ebd., S. 90).
Appell an einfache Gefühle
Die CPI-Propaganda sprach
bewußt das Herz und nicht den Verstand an. Sie war stark von Bernays
Anwendungen der Erkenntnisse Sigmund Freuds beeinflußt. Gefühlsagitation
war eine bevorzugte Technik der Strategen des CPI, die wohl wußten, daß
jede Emotion durch gekonnte Manipulation in Aktivität »abgeleitet«
werden kann. In einem unmittelbar nach Kriegsende in der Zeitschrift Scientific
Monthly erschienenen Artikel wurde behauptet, »die Einzelheiten über
das Leiden eines kleinen Mädchens und ihres Kätzchens können unseren
Haß gegen die Deutschen mobilisieren, unsere Sympathie für die Armenier
wecken, uns für das Rote Kreuz begeistern oder uns dazu bewegen, für
das Tierheim zu spenden«. (Ebd., S. 90).Das CPI schuf
Kriegs-Slogans wie »Blutendes Belgien«, »Der kriminelle
Kaiser« oder »Macht die Welt sicher für die Demokratie«.
Ein typisches Propagandaplakat zeigte einen aggressiven, bajonettschwingenden
deutschen Soldaten unter der Überschrift »Vertreibt den Hunnen mit
Freiheitsanleihen«. Damit wurden zum Beispiel die Gefühle von Haß
und Angst in Spenden für den Krieg umgeleitet. (Ebd., S. 90-91).Nach
dem Krieg schrieb Harold Lasswell von der Universität Chikago in einer soziologischen
und psychologischen Untersuchung über die Rolle der Propaganda während
des Krieges, der Grund für das Scheitern der deutschen Propaganda in US-Amerika
sei gewesen, daß die Deutschen die Logik mehr betont hätten als die
Leidenschaft. Der deutsche Diplomat Graf von Bernsdorff machte eine ähnliche
Beobachtung aus einem anderen Blickwinkel: »Das herausragende Charakteristikum
des Durchschnittsus-amerikaners ist eher große, wenn auch oberflächliche
Sentimentalität.« Wie die deutschen Presseerklärungen zeigen,
fehlte den Deutschen für diese Tatsache jegliches Verständnis.
(Ebd., S. 91).Eine weitere Propagandatechnik des CPI bestand in
der Dämonisierung des Feindes. »Die psychologischen Widerstände
gegen den Krieg sind in den modernen Ländern so groß«, schrieb
Lasswell, »daß jeder Krieg als Verteidigungskrieg gegen einen bedrohlichen,
mörderischen Aggressor dargestellt werden muß. Es darf keinen Zweifel
darüber geben, wen die Öffentlichkeit hassen muß.« In CPI-Broschüren
wurden die Deutschen als verkommene, brutale Aggressoren dargestellt. So fragte
in einer CPI-Veröffentlichung Professor Vernon Kellogg: »Kann es da
verwundern, daß nach dem Krieg die Menschen auf der Welt immer dann, wenn
sie erkennen, daß der andere ein Deutscher ist, vor Schreck ausweichen,
damit sie ihn nicht berühren, wenn er an ihnen vorübergeht, oder sich
nach Steinen bücken, um ihn zu vertreiben?« (Ebd., S. 91).Eine
besonders wirksame Strategie zur Dämonisierung der Deutschen war das Verbreiten
von Berichten über Gewalttaten. »Eine einfache Regel, wie man Haß
weckt«, sagte Lasswell, »lautet: Wenn sie sich nicht gleich erregen
lassen, dann präsentiere ihnen eine Gräueltat. Diese Regel ist bei allen
bekannten Konflikten unter Menschen immer erfolgreich angewandt worden.«
Unglaubliche Geschichten über barbarisches Vorgehen der Deutschen in Belgien
und Frankreich leisteten dem Mythos von der Brutalität der Deutschen Vorschub.
Laut CPI-Propaganda amüsierten sich die deutschen Soldaten damit, belgischen
Säuglingen die Hände abzuschneiden. Eine weitere oft wiederholte Schreckensmeldung
beschrieb, wie deutsche Soldaten belgischen Frauen aus schierer Bosheit die Brüste
abschnitten. (Ebd., S. 91).1927 verfaßte Lasswell eine
umfangreiche Studie mit dem Titel Propaganda Technique in the World War
(Propagandatechnik im Weltkrieg), in der er die Arbeit von Creel, Lippmann und
Bernays eingehend analysierte. Er teilte ihre Überzeugung, daß man
nicht darauf vertrauen könne, daß die Bevölkerung in einer Demokratie
sich so verhielte, wie die Elite es wünschte, und daher mit emotionalen Appellen
entsprechend manipuliert werden müsse. (Ebd., S. 92).Nach
dem Krieg gestand Edward Bernays ein, daß seine Kollegen angebliche Gräueltaten
benutzt hatten, um einen öffentlichen Aufschrei gegen Deutschland zu erzeugen.
Einige dieser Gräuelgeschichten, die im Krieg umliefen - wie beispielsweise
die über eine Badewanne voller Augäpfel oder die Geschichte eines siebenjährigen
Jungen, der deutschen Soldaten mit einem Holzgewehr entgegentrat -, waren wiederauf
gewärmte Geschichten aus früheren Konflikten. In seiner Arbeit über
die Propaganda in Kriegszeiten behauptete Lasswell, Gräuelgeschichten seien
immer beliebt, weil die Zuhörer ihre selbstgerechte Entrüstung über
den Feind fühlen und sich bis zu einem gewissen Grade mit den Verbrechern
identifizieren könnten. So schrieb er: »Eine junge Frau, die vom Feind
mißbraucht worden ist, gibt einer ganzen Reihe von Vergewaltigern auf der
anderen Seite der Grenze eine geheime Befriedigung.« (Ebd., S. 90).Um
die Propagandawirkung zu verstärken, unternahm das regierungsgesteuerte CPI
große Anstrengungen, allgemein verwendete germnische Ausdrücke auszutauschen
- so sollten beispielsweise aus »Hamburgern« nun »Freiheitssteaks«
werden. Man fühlt sich sofort daran erinnert, daß Jahrzehnte später
die Bush-Regierung versuchte, Frankreich wegen der Ablehnung des Irak-Krieges
dadurch zu ächten, daß man fortan nicht mehr von »French fries«
(Pommes frites), sondern von »Freedom fries« sprach. Aus Sauerkraut
wurde damals auf dem us-amerikanischen Speiseplan »Freiheitskohl«,
und bekannte deutsche Milchschokolade wurde in dänische Milchschokolade umgetauft.
In weiten Teilen der USA lebten friedfertige und patriotische Deutsch-Amerikaner
in Angst vor Angriffen durch Horden oder organisierte Banden, allein wegen ihrer
ethnischen Herkunft. (Ebd., S. 92).Die Erfahrungen Lippmanns,
Bernays , Lasswells und anderer Autoren mit den ungewöhnlichen Techniken
der Meinungsmanipulation der Massen während des Krieges wurden zum Ausgangspunkt
einer Veränderung des Landes: Dem äußeren, trügerischen Erscheinungsbild
nach war US-Amerika zwar eine Demokratie, im Inneren wurde das Land jedoch von
einer Plutokratie regiert, die ihre eigenen Interessen verfolgte. (Ebd.,
S. 92).In einem bemerkenswert offenherzigen Buch mit dem einfachen
Titel Propaganda schrieb Bernays im Jahr 1928: »Es war natürlich
der erstaunliche Erfolg der Propaganda während des Krieges, der den intelligenten
wenigen ... die Augen dafür öffnete, wie sich das öffentliche Denken
manipulieren ließ.« in bezug auf seine eigenen Bemühungen mit
dem CPI fuhr Bemays fort: »Die us-amerikanische Regierung entwickelte eine
Technik, die ... neu war; ... die Manipulatoren des patriotischen Denkens nutzten
geistige Klischees und die emotionalen Gewohnheiten der Öffentlichkeit, um
eine Reaktion der Massen gegen angebliche Gräueltaten, den Terror und die
Tyrannei des Feindes zu produzieren. Es war nach Kriegsende nur natürlich,
daß sich intelligente Menschen fragten, ob es nicht möglich sei, eine
ähnliche Technik auch auf die Probleme des Friedens anzuwenden. (Ebd.,
S. 93).Es sollte sich zeigen, daß das nur allzu möglich
war. (Ebd., S. 93).In der Folgezeit schuf Bernays einen neuen
Berufszweig, den er Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) nannte.
In einem Buch, das er nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte, bezeichnete
Bernays seine eigene Tätigkeit als »die Handhabung des Konsensus«.
Die Methoden der Werbebranche in der New Yorker Madison Avenue und ihre ausgeklügelten
Techniken, einen unbewußten, triebhaften Wunsch zu erwecken, bestimmte Produkte
wie Zigaretten, teure Damenschuhe oder was immer der Kunde - politische Kunden
eingeschlossen - wünscht, zu kaufen, all dies war Bemays Werk. Er erwarb
sich den Titel »The Father of Spin« (Vater der Neuinterpretation),
eine Referenz an die Technik, die Wirklichkeit in gewünschter Manier zu manipulieren
- sei es, um eine bestimmte Politik oder um eine bestimmte Seife zu verkaufen.
(Ebd., S. 93).Während die bemerkenswerte Propagandamaschine
des Committee on Public Information (CPI) der Wilson-Regierung in der us-amerikanischen
Bevölkerung eine Kriegsstimmung erzeugte, konnten J. P. Morgan und die mit
ihm verbündeten Wall-Street-Interessen, die hinter der privaten Finanzierung
und Ausrüstung für England, Frankreich und Italien standen, ihr lukratives
Geschäft in erheblich größerem Umfang weiterführen. Allerdings
waren jetzt ihre Geschäfte durch den full faith and credit der Regierung
der Vereinigten Staaten garantiert und durch die praktisch unbegrenzte Fähigkeit
der neugeschaffenen Federal Reserve und deren Mitgliedsbanken abgesichert.
Sie alle bürgten für das außerordentlich hohe Risiko, das Morgan
und die privaten Finanzinteressen des Money Trusts eingingen. (Ebd., S.
93).
Die unglaublichen Kosten des Krieges
Ein entsetzlicher, vier
lange Jahre dauernder Krieg führte zu unermeßlich hohen Verlusten an
Menschen und zu ungeheuren Zerstörungen. Die offiziellen Statistiken der
Regierung beziffern die Opferzahlen, die dieser »Krieg, der alle Kriege
beenden sollte« direkt oder indirekt forderte, auf 16 bis 20 Millionen Menschen
- sieben Millionen davon waren Soldaten und über zehn Millionen Zivilisten.
Der Oberbefehlshaber der US-Expeditionsstreitkräfte, den Wilson nach Europa
entsandt hatte, um die us-amerikanischen Truppen zu kommandieren, General John
J. Pershing, wurde in New York mit einer Konfettiparade geehrt. Das Bild glich
dem Empfang eines römischen Kaisers, der mit reicher Kriegsbeute versehen
siegreich aus einem Feldzug in einem fremden Land zurückkehrte. Nur erhielten
in diesem Fall nicht die Generäle die reiche Kriegsbeute, sondern das Haus
Morgan sowie die Investmenthäuser und -banken der Wall Street. Sie kontrollierten
das Geschäft mit dem Kauf und Verkauf der Liberty Bonds der Federal
Reserve und anderer Regierungsanleihen, mit denen die Beteiligung am Ersten
Weltkrieg finanziert wurde. (Ebd., S. 94).Die Kosten des
Krieges erreichten, für alle Länder zusammengenommen, die schwindelerregende
Höhe von 186 Milliarden Dollar, also 186 000 000 000 Dollar.
Davon hatte Deutschland ungefähr 39 Milliarden Dollar aufgebracht, die Vereinigten
Staaten und ihre Alliierten dagegen 123 Milliarden Dollar. Allein die Kosten für
die us-amerikanische Kriegsbeteiligung ab April 1917 beliefen sich auf die enorme
Summe von 22 Milliarden Dollar - für nur gut zwei Jahre aktiver Kriegshandlungen.
(Ebd., S. 94).Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages
am 28. Juni 1919 hatten Großbritannien und das Britische Empire inklusive
Indien, Kanada und der Länder des Commonwealth insgesamt elf Milliarden Pfund
Sterling, das waren damals 54 Milliarden US-Dollar, für den Krieg gegen Deutschland
und die verbündeten Mittelmächte aufgewendet. Um die historische Größenordnung
dieser Zahl ermessen zu können, muß man sich vor Augen halten, daß
in den sechs Haushaltsjahren zwischen dem 31. März 1914 und dem 31. März
1920 die Ausgaben der englischen Regierung zusammengerechnet höher waren
als die Gesamtausgaben in den 225 Jahren vor 1914. (Ebd., S. 94).Über
36 Prozent davon bezahlten die britischen Steuerzahler. Die restlichen 64 Prozent
wurden geliehen, hauptsächlich von der Regierung der Vereinigten Staaten,
und zwar über die Institution Federal Reserve. Großbritannien
hatte sich insgesamt 7,4 Milliarden Pfund Sterling geborgt, wobei 4,86 Dollar
für das Pfund berechnet wurde. 1914, vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs,
betrug die britische Staatsverschuldung lediglich 711 Millionen Pfund Sterling,
nicht einmal fünf Prozent des gesamten Reichtums des Landes. Am Ende des
Krieges war die Verschuldung auf 8,2 Milliarden Pfund gestiegen - ein Anstieg
der öffentlichen Verschuldung um mehr als das Elffache in sechs Jahren.
(Ebd., S. 94-95).Das war das Ende des Britischen Empires als Bankenmetropole
der Welt, wie es Thomas Lamont 1915 prognostiziert hatte. England erstickte an
seinen Kriegsschulden. Die öffentliche Verschuldung in den USA stieg im Verlauf
dieses Krieges um etwa 2500 Prozent, von einer Milliarde Dollar 1913 auf über
25 Milliarden Dollar Ende 1919. Finanziert wurde diese Verschuldung durch den
Verkauf von öffentlichen Anleihen über die Federal Reserve und
die Privatbanken, die mit Anleihen handelten, an erster Stelle also von J. P.
Morgan, Kuhn & Loeb und anderen Wall-Street-Banken. Für diese Banken
war das ein enorm einträgliches Geschäft. (Ebd., S. 95).Allerdings
bestand das Problem für J. P. Morgan, Rockefeller und das ganze Establishment
der Wall Street nun aber dann, daß das übrige Land noch nicht bereit
war, sich den Mantel eines Weltreichs umzuhängen, der bisher von Großbritannien
getragen worden war. Dafür brauchte man noch etwas mehr Einsatz, sehr viel
mehr Yankee-Erfindungsgabe und einen weiteren Weltkrieg. (Ebd., S. 95).Für
J. P. Morgan & Co. und ihre Freunde im Money Trust an der Wall Street war
es von höchster Bedeutung, daß sich der Status der Vereinigten Staaten
durch den Ersten Weltkrieg änderte, wie der Morgan-Vertreter Thomas Lamont
dies 1915 bei seiner Rede vor der US-Amerikanischen Akademie für Politik
und Gesellschaftswissenschaften in Philadelphia prognostiziert hatte. US-Amerika
wurde von einer Schuldnernation zur größten Gläubigernation der
Welt, eine Rolle, die England zuvor bekleidet hatte. (Ebd., S. 95).Während
des Krieges verlagerte sich der Markt für Akzeptbanken von London nach New
York. Der Bankier Paul Warburg, ehemals Vorstandsmitglied der Federal Reserve
und Architekt des Federal-Reserve-Gesetzes, der jetzt wieder bei Kuhn &
Loeb tätig war, stieg zum mächtigsten Akzeptbankier der Welt auf. Noch
immer bildete der Goldstandard die Grundlage des Währungskurses, und die
jetzt von den New Yorker Bankiers angeführte kleine Gruppe internationaler
Bankiers, die das Gold besaß, kontrollierte jetzt das Währungssystem
aller westlichen Länder. Großbritannien konnte erst 1925 zum Goldstandard
zurückkehren und auch dann nur mit Hilfe einer Goldanleihe von Benjamin Strongs
(**)
New Yorker Federal Reserve an die Bank von England und eines zusätzlichen
Privatkredits von 100 Millionen Dollar von J. P. Morgan & Co. Doch diese Rückkehr
zum Goldstandard sollte sich für die englische Wirtschaft als verhängnisvoll
erweisen. (Ebd., S. 95-96).Im Dezember 1919 setzten die New
Yorker Bankiers beim US-Kongreß eine Änderung des »Federal Reserve
Acts« von 1913 durch, das sogenannte »Edge Amendment«. Aufgrund
dieser kleinen Änderung konnten besondere Finanzinstitute gebildet werden,
die sich ausdrücklich »in internationalen oder ausländischen Bankgeschäften
oder anderen internationalen oder ausländischen Finanzoperationen engagieren
(konnten), einschließlich dem Handel in Gold und Goldbarren und dem Besitz
von Aktien ausländischer Unternehmen«. In einem Kommentar dieser Änderung
betonte Prof. E. W. Kemmerer, Wirtschaftswissenschaftler an der Princeton University:
»Die Federal Reserve erweist sich als sehr einflußreich bei
der Internationalisierung des us-amerikanischen Handels und der us-amerikanischen
Finanzgeschäfte.« (Ebd., S. 96).Kemmerer, der
bei dieser Internationalisierung des New Yorker Bankwesens in den 1920er Jahren
eine wichtige Rolle gespielt hat, wußte, wovon er sprach. Genau deswegen
hatten J. P. Morgan, Warburg, Rockefeller und die anderen Mitglieder des inneren
Kreises des Money Trusts an der Wall Street so stark darauf gedrungen, eine Federal
Reserve zu gründen, die sich im Privatbesitz befand. Wie diese Federal
Reserve später, in den zehn Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs, die
Weltpolitik definierte, das sollte sich als bemerkenswert erweisen. (Ebd.,
S. 96).
Der US-Kongreß entdeckt den Money-Trust
Nach Morgans
Tod im März 1913, also kurz vor dem Ersten Weltkrieg, wurde das Haus Morgan
& Co. von Partnern geleitet, darunter Henry P. Davison, William Straight (der
während der Versailler Friedens[diktat]konferenz
verstarb), Thomas W. Lammot und später J. P. Morgan d.J.. (Ebd., S.
100).Durch bestimmte finanzielle Verknüpfungen verband die
Bank auch weiterhin das Schicksal der Wall-Street-Finanzinteressen und damit der
von diesen beherrschten us-amerikanischen Wirtschafts- und Finanzwelt mit der
Zukunft Englands nach dem Krieg. Die Politik des Hauses Morgan zielte darauf ab,
ein us-amerikanisches Finanzimperium zu errichten, das am Ende die Rolle spielen
sollte, die die Londoner City vor dem Krieg innegehabt hatte: die der führenden
Finanzsupermacht der Welt. J. P. Morgan & Co., Rockefellers Finanzgruppe und
die wichtigsten Investmentbanken an der Wall Street, wie Kuhn & Loeb und Dillon
& Read, spielten bei dieser Entwicklung eine tragende Rolle. (Ebd.,
S. 100).Die Art der ausländischen Verstrickungen des Hauses
Morgan nach dem Ersten Weltkrieg, die durch seine Kontrolle über die Federal
Reserve erleichtert wurde, war für die Vereinigten Staaten und letztendlich
auch für die Welt hoch problematisch. Der dominoartige Ausfall dieser von
Morgan initiierten Kreditverbindungen nach Europa und darüber hinaus in der
Zeit von 1929 bis 1931 machte aus einem handhabbaren Kollaps des us-amerikanischen
Aktienmarkts die schlimmste Depression in der Geschichte US-Amerikas, die ihrerseits
eine weltweite Depression auslöste. In einer Weise, die bemerkenswerte Analogien
zur Natur der jetzigen globalen Finanzkrise von 2007/2008 aufweist, stützten
sich die Kredite ab 1919 weltweit auf eine Pyramide immer fragwürdigerer
Schulden, auf deren Spitze das Haus Morgan und die Finanzhäuser der Wall
Street thronten. Die meisten Staaten Europas und eine Reihe weniger entwickelter
Länder von Bolivien bis Polen waren ebenfalls Teil dieser Kreditpyramide
der Wall Street. (Ebd., S. 100).Wenig verstanden - und entsprechend
wenig diskutiert - wurde damals und in den Jahrzehnten nach der Großen
Depression und der Krise in Europa von 1931 der zentrale Grund für den
Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Der wirkliche Ursprung der Großen Depression
von 1931 bis 1938 lag nicht in einem überbewerteten New Yorker Aktienmarkt
und dem darauffolgenden Kollaps. Der wahre Grund für die weltweite Depression
und Bankenkrise am Beginn der 1930er Jahre und damit die Triebkraft hinter der
ursprünglichen Aktienblase war vielmehr, daß das Haus Morgan und das
Wall-Street-Establishment, die ja während der Regierungszeit der Republikaner
in den 1920er Jahren die US-Außenpolitik bestimmt hatten, von einer falschen
Vorstellung ausgingen. Diese Kreise waren besessen von der Idee, die Macht zu
ergreifen und die Rolle zu übernehmen, die London vor dem Weltkrieg gespielt
hatte, nämlich die des Zentrums des Weltfinanzsystems. Diese zentrale Stellung
sollte nun New York einnehmen -und Gold sollte bei dieser Machtübernahme
die entscheidende Rolle spielen. (Ebd., S. 100-101).Im New
Yorker Money Trust gab es zwar unterschiedliche Ansichten darüber, wie man
diesen Währungsputsch am besten zum Erfolg führen konnte, doch über
die Tatsache, daß New York zum Finanzzentrum der Welt werden und London
in dieser Rolle ablösen sollte, bestand Einigkeit. (Ebd., S. 101).Die
Morgan-Fraktion, die seit den 1870er Jahren in den Vereinigten Staaten durch ihre
engen Verbindungen-zu führenden Finanzgruppen in London, allen voran den
Rothschilds, derart mächtig geworden war, hielt die Strategie einer gemeinsamen
Allianz in Form einer »Sonderbeziehung« (special relationship) zwischen
einer geschwächten Londoner City und der aufstrebenden Macht der Wall Street
für den besten Weg, endgültig ein »US-Amerikanisches Jahrhundert«
etablieren zu können. J. P. Morgans Verbindungen mit der Londoner City und
dem britischen Finanzministerium waren so stark, daß die New Yorker Bank
bis zum September 1931, als England gegen den Willen von J. P. Morgan & Co.
den Goldstandard aufgab, als offizieller Finanzvertreter der britischen Regierung
in den Vereinigten Staaten fungierte. Der einflußreiche Gouverneur der New
Yorker Federal Reserve, Benjamin Strong (**),
teilte Morgans Ansicht nachdrücklich. (Ebd., S. 101).Andere
Finanzhäuser an der Wall Street, besonders Dillon Read & Co. und ihr
einflußreicher Berater Edwin Kemmerer, der in den 1920erJahren die Schlüsselrolle
bei der Reorganisation eines neuen, von den USA dominierten Goldstandards spielte,
waren anderer Ansicht. Zwar wollten auch sie, daß ein aufsteigendes informelles
US-Empire, dessen Macht auf der Rolle der us-amerikanischen Goldreserven und der
Wallstreet-Banken beruhte, England schließlich als führende Weltmacht
ersetzen sollte. Doch Kemmerer und andere Bankiers in seinem Kreis fanden es überhaupt
nicht notwendig, so behutsam mit der Londoner City oder mit England im allgemeinen
umzugehen wie das Haus Morgan, das mit Morgan Grenfell über eine einflußreiche
Tochtergesellschaft verfügte und sowohl enge Verbindungen zur Bank von England
als auch zu Fed-Gouverneur Strong (**)
unterhielt. (Ebd., S. 101-102).Trotzdem waren sich alle großen
Fraktionen an der Wall Street darin einig, daß ihre Zukunft im hoch profitablen
Kreditgeschäft mit Buropa, Lateinamerika, Japan und der restlichen Welt lag.
Alle diese Länder und Kontinente waren fast ein Jahrhundert lang praktisch
eine Provinz der Londoner City gewesen. Diese Kredite und insbesondere die Kreditbürgschaften
der Wall Street für Kredite, die an die ganze Welt vergeben wurden, bescherten
den Bankiers in New York attraktive Auslandszinssätze von fünf bis acht
Prozent. Die Anleihen oder Kredite wurden in der Regel von den Regierungen der
einzelnen Länder abgesichert, die zuvor zugestimmt hatten, ihre Nachkriegswährungen
durch eine Anlehnung an einen us-dominierten neuen Goldstandard zu »stabilisieren«.
Dieses Stabilisierungssystem war eine primitive Ad-hoc-Version dessen,
was die New Yorker Banken später mit dem Internationalen Währungsfonds
und der Weltbank als Kern des Dollar-Systems nach dem Zweiten Weltkrieg institutionell
verankern sollten. (Ebd., S. 102).Bereits im Februar 1922,
in der Frühphase der Auslandskreditblasehatte Präsident Warren Harding
auf Druck des damaligen Handelsministers Herbert Hoover eine Sonderkonferenz im
Weißen Haus einberufen. Hoover war besorgt über den dramatischen Anstieg
der Auslandskredite durch us-amerikanische Banken und die damit verbundenen Risiken.
An dem Treffen nahmen teil: Präsident Harding, Finanzminister Andrew Mellon,
Außenminister Charles Evans Hughes, Handelsminister Hoover und führende
Vertreter der die Anleihen ausgebenden Wall-Street-Banken, wie J. P. Morgan, Dillon
& Read, Kuhn & Loeb und andere Institute. Ziel war es, die möglichen
Gefahren einer solch ausgedehnten Ausgabe von Auslandskrediten für die Gesundheit
der us-amerikanischen Wirtschaft zu beurteilen, insbesondere in den Fällen,
in denen die Risiken nicht bekannt waren. Die Teilnehmer des Treffens kamen zu
dem Schluß, daß alle Vorschläge für neue Auslandskredite
dem US-Außenministerium zur Beurteilung vorgelegt werden sollten. Das State
Department seinerseits sollte diese Beurteilung dann dem Handels- und dem Finanzminister
zur Begutachtung vorlegen. DemAußenministerium oblag die Beratung hinsichtlich
der politischen Auswirkungen der geplanten neuen Kredite auf die Vereinigten Staaten.
(Ebd., S. 102).Bereits nach knapp einem Monat waren die mächtigen
New Yorker Bankiers zum Gegenangriff bereit. Sie überzeugten Benjamin Strong
(**),
den Gouverneur der New Yorker Federal Reserve, energisch beim Außenminister
zu protestieren und zu fordern, die Regierung solle sich gefälligst aus dem
lukrativen Auslandskreditgeschäft der Wall Street »heraushalten«.
Der Money Trust setzte sich durch. Präsident Harding und Finanzminister Andrew
Mellon, ein einflußreicher englandfreundlicher Bankier, der ähnlich
wohlbetucht war wie Rockefeller, erzwang die Rücknahme des obigen Beschlusses;
die Vereinbarung wurde praktisch wirkungslos. Das boomende Auslandskreditgeschäft
wuchs sogar noch stärker an, bis zum Kollaps von 1929-1931. (Ebd.,
S. 102-103).Im wesentlichen glich diese in den 1920er Jahren von
der Wall Street erreugte Auslandskreditblase in puncto Risiko und unvermeidlichem
Fiasko der jüngsten Verbriefungsblase an der Wall Street (**),
die sich seit 1999 entwickelt hatte und nach ihrem Platzen im Sommer 2007 zum
größten Finanzdesaster der Geschichte führte. (Ebd., S.
103).In der ganzen Zeit, als in den 1920er Jahren die riesige Finanzblase
entstand, hielten die Bankiers der Wall Street engen Kontakt mit dem US-Finanzminister
Andrew Mellon. Dieser Mellon, der am längsten amtierende US-Finanzminister
aller Zeiten, sah ungerührt zu, wie sich der gesamte Prozeß entwickelte:
vom Beginn der Blase im Jahre 1921 über dieAmtszeit mehrerer Präsidenten
hinweg. Erst 1932 wurde Mellon vom damaligen Präsidenten Hoover entlassen.
Trotzdem blieb die Troika von US-Finanzministerium, Federal Reserve Bank von New
York und Wall Street das Zentrum der us-amerikanischen Finanzmacht, bis hinein
ins 21. Jahrhundert. (Ebd., S. 103).Die Höhe der Auslandsanleihen,
die von der Wall Street in den zehn Jahren vor dem Börsenkrach 1929 herausgegeben
wurden, betrug etwa sieben Milliarden Dollar, eine relativ gewaltige Summe, da
sie damals etwa zehn Prozent des gesamten BIP entsprach. Natürlich wurden
über 90 Prozent der Kredite, die nach Europa vergeben wurden, von den kriegsgeschädigten
europäischen Regierungen zum Kauf us-amerikanischer Waren aufgewendet, ein
Segen für die groBen an der New Yorker Börse notierten us-amerikanischen
Unternehmen. Aber schon bald vertiefte sich genau dadurch die Depression der US-Industrie
noch erheblich, denn nach 1929 brachen diese US- Verkäufe ein. (Ebd.,
S. 103).
Strongs New York Fed übernimmt das Kommando
| Der
mit Morgan verbundene Bankier Benjamin Strong (1872-1928) war bis zu seinem
Tod im Jahr 1928 der mächtige Präsident der New Yorker Federal
Reserve (er war auch ihr 1. Präsident; [HB]).
Seine Politik des »leichtenGeldes« heizte die Blase auf dem
US-Aktienmarkt von 1929 an, die eine Nebenwirkung von Morgans Plan war,
einen Golddevisenstandard mit Zentrum in New York einzuführen. |
Unter der Leitung des mächtigen ersten Präsidenten
der Federal Reserve Bank von New York, des Morgan-Mannes Benjamin Strong, wurden
von 1914 an die Währungspolitik der USA und die Kapitalflüsse in den
kritischen Jahren von 1929 bis 1931 de facto im Interesse der Wall Street
gesteuert. Wall Street, das war vor allem J. P. Morgan, der London die Führung
der Weltfinanzen abnehmen wollte. Entscheidend war bei diesem Prozeß, daß
unter Strongs Einfluß die Bankreserven der restlichen elf regionalen us-amerikanischen
Federal-Reserve-Banken nach New York geschleust wurden. Strong war vorher Vizepräsident
des von Morgan kontrollierten Banker's Trust in New York gewesen und hatte als
J. P. Morgans persönlicher Gesandter 1910 an dem Geheimtreffen der Top-Bankiers
auf Jekyll Island teilgenommen. Dort war der Plan entwickelt worden, der 1913
zum »Federal Reserve Act« und damit zu einer privaten US-Zentralbank
führte. Strong als Morgan-Mann zu bezeichnen, war deshalb keine Übertreibung.
(Ebd., S. 103-104).Die New Yorker Banken schleusten den Reichtum,
der in der Zeit zwischen 1920 und 1929 in der us-amerikanischen Industrie und
Landwirtschaft geschaffen worden war, über die Wall Street auf den Auslandskreditmarkt.
Unter dem Einfluß, den Strong, der Chef der Federal Reserve Bank von New
York, inzwischen gewonnen hatte, konzentrierte sich nun die bei weitem mächtigste
der zwölf Mitgliederbanken der Federal Reserve, nämlich die von New
York, vorwiegend auf das Auslandskreditgeschäft. Gleichzeitig setzte sie
sich dafür ein, erneut einen internationalen Goldstandard unter Führung
der Vereinigten Staaten einzurichten. Die übrigen elf regionalen Federal-Reserve-Banken
sollten sich um die wirtschaftlichen Probleme vor Ort oder in ihrer Region kümmern.
Gelder, die in den 1920er Jahren nicht den Weg ins Ausland fanden -vor allem nach
Deutschland oder auf andere gewinnträchtige Märkte -, flossen an die
New Yorker Börse, und dies nach 1925 in zunehmendem Maße. (Ebd.,
S. 104-105).Eine Folge des verheerenden Krieges von 1914 bis 1918
in Europa war die nie da gewesene Anhäufung von Goldreserven der europäischen
Zentralbanken in den Tresoren der Federal Reserve, da die schuldengeplagten kriegsführenden
Länder Europas, von England über Frankreich bis Italien, die von US-Amerika
gelieferten Rüstungsgüter mit ihrem Gold bezahlen mußten (und
diese Schulden Deutschland aubürdeten! [HB]). (Ebd., S. 105).Das
führte dazu, daß nach Ende der Verhandlungen (Verhandlungen
? Mit wem denn? Das Verhandeln war ja verboten! [HB]) in Versailles die
USA den Löwenanteil am Währungsgold der ganzen Welt besaßen: Ihre
Goldreserven vermehrten sich gegenüber denen der Vorkriegszeit um 400 Prozent.
Gold war bis zum Kriegsausbruch 1914 die Grundlage des internationalen Währungssystems
gewesen, dessen Zentrum seit der Zeit der Napoleonischen Kriege die Londoner City
war. (Ebd., S. 105).1920 besaß die Federal Reserve
der Vereinigten Staaten gut 40 Prozent der gesamten Goldreserven der Welt. Die
Fed hatte diese Goldmenge angesammelt, weil sie den welthöchsten Preis für
das Währungsgold bezahlen konnte, und das in einer Zeit, als Engand und Kontinentaleuropa
an US-Amerika hohe Kriegsreparationen (zahlte nur Deutschland
[einschließlich Österreivh! Anm [HB]) entrichten und die Kriegsschulden
begleichen mußten. (Ebd., S. 105).Von New York aus
richtete Benjamin Strong die Politik der Federal Reserve vornehmlich darauf aus,
den internationalen Goldstandard aus der Zeit vor 1914 wiedereinzuführen,
allerdings als Kernstück seiner - von der Wall Street geteilten - Vorstellungen
über einen Wiederaufbau in Europa, der mit Bankkrediten und Anleihen von
New Yorker Banken finanziert werden sollte - mit ansehnlichen Gewinnen, versteht
sich. Man war der Meinung, ein solcher von New York dominierter Goldstandard wäre
nur dann ein zuverlässiges Maß für die Wirtschaft, die Finanzen
und den Handel der Welt, wenn England daran beteiligt war. (Ebd., S. 105).
| Montagu
Norman (1871-1950), der Gouverneur der Bank von England, galt von 1920
bis zu seinem Tod als mächtigster Zentralbankchef der Welt. | Für die Größen des Money
Trusts in New York, und selbst für Benjamin Strong persönlich, spielten
England und die Bank von England in ihrem geplanten System mit Sitz in New York
eindeutig nur die Rolle eines untergeordneten »Juniorpartners«. Doch
dies wollten die Londoner City und das britische Establishment keinesfalls hinnehmen.
Die Forderung des US-Finanzministeriums bei den Versailler Friedens(diktat)gesprächen
1919, daß die Alliierten, allen voran England, ihre gesamten Kriegskredit-Schulden
in Milliardenhöhe zurückzahlen müßten, bedeutete im Klartext,
daß sich die us-amerikanische Finanzelite nicht mehr damit zufriedengab,
eine untergeordnete Rolle zu spielen. In Wahrheit war die gesamte Geschichte der
britischen Geopolitik in Europa und der übrigen Welt in der Zeit bis zum
Ausbruch des neuen Krieges im Jahre 1939 ein versteckter und verzweifelter Versuch
Großbritanniens, diesen Rang als Untergebener abzustreifen und seine imperiale
Hegemonie in der Welt aufrechtzuerhalten. (Ebd., S. 105-106).Die
wirtschaftliche und politische Macht des Britischen Empires war durch den Krieg
und die dadurch notwendig gewordenene hohe öffentliche Verschuldung stark
geschwächt worden, aber noch immer war das Empire ein wesentlicher Teil des
Weltfinanzsystems, ohne das ein neuer Goldstandard - auch einer, der von New York
dominiert wurde - nicht denkbar war. (Ebd., S. 106).Persönlich
war Strong ein Freund der Engländer. In den 1920erJahren verbrachte er seine
alljährlichen Sommerferien zusammen mit dem damaligen Chef der Bank von England,
Montagu Norman, entweder in Großbritannien oder in Südfrankreich, und
zwar bis zu seinem Tod im Jahr 1928. Er teilte die Sicht Montagu Normans, wonach
»die Welt von einem weltweiten System der Finanzkontrolle in privater Hand
geführt werden sollte, das in der Lage ist, das politische System in jedem
einzelnen Land und die Weltwirtschaft als Ganze zu dominieren«, wie der
us-amerikanische Historiker Carroll Quigley, ein ausgewiesener Insider des US-Establishments,
in seinem Monumentalwerk Tragedy and Hope (Tragödie und Hoffnung)
schreibt (S. 324). (Ebd., S. 106).In den 1960er Jahren war
Quigley, der vorher als Professor an den Universitäten Princeton und Harvard
geforscht und gelehrt hatte, an der Washingtoner Elite-Universität Georgetown
Lehrer des späteren Präsidenten Bill Clinton gewesen. Dem Vernehmen
nach erhielt Quigley in den 1950er Jahren für Recherchen zu seinem erwähnten
Buch Einsicht in vertrauliche Papiere und Archive des New Yorker Council on
Foreign Relations (**),
allerdings nur unter der Bedingung, daß er die zentrale Rolle der Rockefeller-Fraktion
in seinem Buch nicht erwähnen würde. Er hielt sich auch daran und konzentrierte
seine Darlegung statt dessen auf die Rolle der damals geschwächten Morgan-Fraktion,
die nach der Großen Depression ihre frühere Macht nicht mehr wiedergewinnen
konnte. (**). (Ebd., S.
106-107). Nach Infonnationen
aus erster Hand, die der Autor von einem Studenten Quigleys an der Georgetown-Universität
erhalten hat, fürchtete Quigley in seinen letzten Jahren um sein Leben, da
er Angst hatte, er könne in seinem Buch zu viel von der inneren Motivation
und dem Vorgehen des Macht-Establishments preisgegeben haben, und das, obwohl
erstaunlicherweise die zentrale Rolle Rockefellers auf den 1300 Seiten des Buches
so gut wie nie zur Sprache kommt. (Ebd., Anmerkung 10).
Quigley
beschreibt das Konzept der 1914 von Morgan, Strong und Montagu Norman angestrebten
Rückkehr zum Goldstandard wie folgt: »Dieses System sollte in feudalistischer
Manier von den gemeinsam agierenden Zentralbanken der Welt kontrolliert werden,
und zwar mit Hilfe von geheimen Absprachen, die bei häufigen privaten Treffen
und Konferenzen getroffen wurden. .... In jedem einzelnen Land beruhte die Macht
der Zentralbank zum großen Teil auf ihrer Kontrolle der Kreditvergabe und
der Geldmenge. In der gesamten Welt aber beruhte die Macht der Zentralbankiers
überwiegend auf ihrer Kontrolle von Anleihen und dem Fluß des Goldes.«
(Ebd., a.a.O., S. 324). (Ebd., S. 107).Im Zentrum dieses
Systems stand in den 1920er- ahren die New Yorker Federal Reserve unter Benjamin
Strong. (Ebd., S. 107).Der politisch glücklose Herbert
Hoover griff Strong in seinen späteren Memoiren mit bitteren Worten an und
machte ihn zum großen Teil für den Schaden verantwortlich, der durch
die Große Depression entstanden war. 1941 schrieb Hoover unter Bezug
auf Strongs Leitung der Politik der Federal Reserve verbittert: »Es gibt
Verbrechen, die weit schlimmer sind als Mord und für die Menschen verurteilt
und bestraft werden sollten.« Hoover nannte Strong »ein geistiges
Anhängsel Europas«, was ein versteckter Hinweis auf Montagu Norman
war. Hoover war ursprünglich in den 1920er Jahren eng mit Strong befreundet
gewesen, hatte aber später wegen dessen Unterstützung für die uneingeschränkte
Kreditvergabe der Banken an Europa mit ihm gebrochen. (Ebd., S. 107).Hoovers
Angriffe auf Strong waren zwar richtig, seine Gründe dafür aber nicht.
Denn entweder ließ er das geopolitische Projekt, das Strong und die Wall
Street vorhatten, nämlich New York zum Zentrum der weltweiten Kapitalströme
zu machen, außer Acht, oder er verstand das Ausmaß dieses Planes nicht.
(Ebd., S. 107).Hoover warf Strong weiterhin vor, er habe durch
die Zinspolitik seiner New Yorker Federal Reserve nach 1925 die Rückkehr
zum britischen Goldstandard erleichtert und dadurch künstlich die Zinsraten
in den ganzen USA nach unten gedrückt, als 1927 das Spekulationsfieber außer
Kontrolle geriet; das aber habe das Feuer noch weiter entfacht und später
zu dem spektakulären Börsenkrach von 1929 geführt. (Ebd.,
S. 107).Im Jahre 1925 war der Chef der Bank von England, Montagu
Norman, zusammen mit Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und Charles Rist
von der Banque de France nach New York gekommen, um Strong zu bewegen, den Diskontsatz
der Federal Reserve zu senken. Dadurch sollte England die Rückkehr zum Goldstandard
erleichtert haben und ein wirtschaftlicher Aufschwung in Kontinentaleuropa angestoßen
werden, der nötig war, um die nach dem Dawes-Plan von Deutschland geforderten
Kriegsreparationszahlungen an Frankreich, England und Italien leisten zu können.
Gleichzeitig brauchten Frankreich, England und Italien Dollar-Kredite, um in der
Lage zu sein, die us-amerikanischen Kriegsanleihen zurückzahlen zu können
(in Wirklichkeit haben sie die Deutschland nachträglich,
also noch zusätzlich aufgebürdet! [HB]). (Ebd., S. 108).Schutzzölle,
die in den 1920er Jahren zunächst durch den »Fordney-McCumber Act«
von 1922 erlassen worden waren, sowie der berüchtigte »Smoot-Hawley
Tariff Act« von 1930 hatten die Importbarrieren ungeheuer erschwert, so
daß es schwierig. wenn nicht gar unmöglich für die europäischen
Länder geworden war, die Kriegsschulden oder Reparationen zu bezahlen - es
sei denn, sie nahmen Kredite von den USA auf. Denn für die europäischen
Regierungen bestand keine Aussicht, diese Kosten auf traditionelle Weise durch
Aufbau von Dollar-Überschüssen gegenüber den USA aufzubringen.
Der »Smoot-Hawley Tariff Act« von 1930 hat nicht, wie von der heute
vorherrschenden Freimarktmythologie verbreitet, zu der Großen Depression
der 1930er Jahre geführt. Dieses Gesetz war lediglich ein kleiner verschlimmernder
Faktor in einem System, das nach 1919 auf einem verrotteten Fundament aufgebaut
worden war. Das gesamte Finanzgebäude, das die USA nach dem Ersten Weltkrieg
errichtet hatten, war auf Sand gebaut. Doch solange das Geld floß, war es
leicht, diese einfache Wahrheit zu ignorieren. (Ebd., S. 108).Während
des Ersten Weltkriegs war Strong als Chef der New Yorker Federal Reserve mehrmals
zu Gesprächen mit Vertretern der Bank von England und den Banken der City
nach London gereist. Aufgrund seiner einflußreichen Position als Chef der
New Yorker Federal Reserve konnte Strong im Vorstand der Fed einen verhängnisvollen
Präzedenzfall durchsetzen, und zwar über starke Einwände von einigen
Vorstandsmitgliedern, darunter Paul Warburg und Adolph C. Miller, hinweg. Benjamin
Strong, ein Morgan-Mann, wurde schon 1915 - trotz der Neutralität der US-Amerikaner
- mit der Aufgabe betraut, die Munitionsverkäufe der Alliierten zu finanzieren.
Wie bereits erwähnt, war J. P. Morgan der Bankier für die englische
und später auch die französische Regierung, und weil Strong und die
New Yorker Fed die Rolle übernommen hatten, deren Wechsel zu diskontieren,
konnten sie den Krieg so lange fortführen, bis die US-Amerikaner schließlich
im Jahr 1917 in den Krieg eintraten. (Ebd., S. 108-109).Die
Rolle, die Strong dabei mit Unterstützung Morgans übernahm, war der
Präzedenzfall dafür, daß die New Yorker Federal Reserve von da
an bei allen internationalen Geschäften des gesamten Fed-Systems und dessen
Mitgliederbanken die Führung übernahm. Bis zur Verabschiedung des »Banking
Acts« von 1935 kontrollierte die New Yorker Fed direkt und allein die internationale
Währungs- und Bankenpolitik der USA. Morgans Rechnung und der auf Jekyll
Island geschmiedete Plan, die Federal Reserve als ihr Werkzeug zu nutzen, war
in den 1920erJahren aufgegangen. Der Präsident der New Yorker Federal Reserve
besaß in dieser Hinsicht alleinige Entscheidungsbefugnis. Nur die Krise
der 1930er Jahre machte eine - wenn auch nur kosmetische - Änderung dieser
Machtbefugnis notwendig. (Ebd., S. 109).
Die Goldstrategie der Bank von England
Daß England
in den 1920er Jahren zum Goldstandard zurückkehrte, war ein entscheidender
Faktor in der Strategie, nach dem Krieg die City von London wieder zum Weltfinanzzentrum
zu machen. Gleichzeitig war das der Kern der gesamten internationalen Kreditpyramide,
die von 1925 bis zum völligen Einbruch 1929-1931 entstand. Mehr noch als
die deutschen Reparationszahlungen oder die Kriegsschulden der Alliierten (die
sie Deutschland nachträglich, also zuzsätzlich aufbürdeten! [HB])
waren der grundsätzlich falsch angesetzte Golddevisenstandard und die wackelige
Position der Bank von England die entscheidenden Faktoren, die die schlimmste
weltweite Wirtschaftsdeflation in der Geschichte auslösten. (Ebd.,
S. 109).England hatte etwa 20 Jahre zuvor den schrecklichen Burenkrieg
geführt, um der Bank von England die Kontrolle über die größten
damals bekannten Goldminen in Witwatersrand zu sichern. Jetzt, nach dem langen
Krieg in Europa, war dieses gewonnene Gold zerronnen und mit ihm die Kontrolle
der Londoner City über den weltweiten Kredit, den Kern des britischen geopolitischen
Einflusses. (Ebd., S. 109).Zu Beginn der harten Auseinandersetzungen
über die Kriegsschulden der Alliierten, die deutschen Reparationszahlungen
und andere Fragen 1919 in Versailles war die englische Regierung gezwungen, das
Pfund Sterling formell vom Goldstandard abzukoppeln und die vor dem Krieg gültige
Parität von 4,86 US-Dollar zum Pfund aufzugeben. Der Grund: Washington bestand
auf der Rückzahlung der Kredite in Milliardenhöhe, die England bei us-amerikanischen
Banken aufgenommen hatte, vor allem bei dem Haus Morgan und später beim US-Finanzministerium.
(Ebd., S. 109-110).Das britische Establishment hatte naiverweise
erwartet, seine us-amerikanischen »Vettern« würden die Rückzahlung
der Schulden vergessen (Schulden vergessen!?! ),
wenn der Krieg erst einmal von der alliierten englisch-us-amerikanisch-französisch-italienisch-russischen
Front gewonnen wäre. Aber diese Illusionen waren schon bald dahin, als sich
die us-amerikanische Regierung unter dem Druck Morgans und der Wall Street weigerte,
diesem Wunsch nachzugeben. Da der größte Teil des britischen Handels
mit US-Amerika, der außerhalb der Strukturen des Empires abgewickelt wurde,
chronisch defizitär war, konnte England noch nicht einmal mehr die Illusion
aufrechterhalten, es könnte die vor dem Krieg bekleidete Position als Zentrum
eines weltweiten Goldstandards bewahren. (Ebd., S. 110).England
tat diesen Schritt nur äußerst zögerlich. 1919 war eindeutig klar,
daß nicht mehr das Britische Empire die stärkste Wirtschaftsmacht der
Welt war, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Das Gold aufzugeben, und
sei es auch nur vorübergehend, bedeutete de facto die Anerkennung dieser
unangenehmen Wirklichkeit. (Ebd., S. 110).Die USA hatten
durch den Ersten Weltkrieg eine überaus mächtige Position gewonnen,
sie waren Gläubiger aller großen europäischen Mächte. Die
Goldreserven US-Amerikas waren im Verlauf des Krieges auf das Vierfache gestiegen
und nunmehr die größten Währungsgoldreserven der Welt. Dieser
Prozeß setzte sich noch bis zum großen Börsenkrach im Jahre 1929
fort. England hatte dagegen enorm hohe Auslandsschulden, vor allem gegenüber
den Vereinigten Staaten. Das Pfund Sterling hatte deutlich an Wert verloren, und
Englands Goldreserven waren auf ein gefährlich niedriges Niveau gesunken.
(Ebd., S. 110).Nach dem Krieg fürchtete man bei der Bank von
England und in den führenden Kreisen der Londoner City, daß New York
die City als Weltfinanzzentrum ablösen werde. In dieser Lage galt die Rolle
des Goldes als entscheidend. 1919 waren die Vereinigten Staaten wieder dazu übergegangen,
den Dollar an das Gold zu koppeln, nachdem sie diese Bindung nach dem Kriegseintritt
US-Amerikas 1917 für zwei Jahre ausgesetzt hatten. Anders als England hatten
die USA keine Schwierigkeiten, zum Goldstandard zurückzukehren. Bei der Errichtung
eines neuen Goldstandards spielte US-Amerika jetzt die entscheidende Rolle.
(Ebd., S. 110).
Der Kollaps von Benjamin Strongs (**)
Großprojekt, New York zum Bankenzentrum für Europa und die ganze Welt
zu machen, hatte die Strukturen des Weltfinanzsystems, den Welthandel und die
Entwicklung der Weltwirtschaft gründlich erschüttert. (Ebd., S.
139).Es sollten sechs lange Jahre
einer schweren Wirtschaftsdepression, des Umbaus und der Vorbereitung für
einen neuen großen Krieg in Europa vergehen, um die Niederlage der Wall
Street in dem Bemühen, das Britische Empire als Weltmacht Nummer eins abzulösen,
wieder wettzumachen. Dazu mußte aber das Deutsche Reich als Rivale für
die Vorherrschaft US-Amerikas ein für alle Mal ausgeschaltet werden. (**|**|**|**).
(Ebd., S. 139-140).Diesen Prozeß würde
man später als Zweiten Weltkrieg bezeichnen. In Wahrheit war dieser Krieg
nur die Fortsetzung des ungelösten geopolitischen Problems des Ersten Weltkriegs;
ein gewaltiger und tragischer Kampf zwischen zwei Mächten - nämlich
Deutschland und den Vereinigten Staaten - um die Nachfolge des zerfallenden Britischen
Empires als herrschende Weltmacht. Zumindest stellte sich die Sache so für
die führenden Eliten im us-amerikanischen Establishment dar. Es kann bezweifelt
werden, ob die deutsche Elite ernsthaft die Idee eines globalen Reichs verfolgte;
ganz bestimmt nicht vor 1914 und allemAnschein nach noch nicht einmal in den 1930er
Jahren. Hitler hatte dafür viel zu viel Respekt vor dem Britischen Empire.
(**). (Ebd., S. 140). Vgl.
Fritz Hesse, Das Spiel um Deutschland, 1953, S. 240-241. Hesse, der im
Dritten Reich Berater von Außenminister Ribbentrop gewesen war, attackiert
in seinen Memoiren scharf das Außenministerium des Deutschen Reichs und
Hitler, weil diese die Geopolitik des Engländers Halford Mackinder nicht
verstanden hätten. In Hesses Worten: »Für die Angelsachsen war
es völlig gleichgültig, wer Deutschland regierte. Die einfache Tatsache,
daß Deutschland wieder zur größten Kontinentalmacht geworden
war, reichte den Angelsachsen und den Franzosen, um in den Krieg zu ziehen.«
(S. 240). (Ebd., Anmerkung 10).
Es konnte jedoch kein Zweifel
daran bestehen, daß der Money Trust in den Vereinigten Staaten solch eine
Vorstellung von einem weltweiten Imperium hegte, einem informellen Finanzimperium,
das durch die mächtigste Militärmacht der Welt abgesichert war. Zur
Durchsetzung dieses Ziels brauchte der Money Trust einen neuen Weltkrieg. Auch
hier sollte die Federal Reserve eine entscheidende Rolle spielen. Der erste Versuch
der einflußreichen New Yorker Banken, unterstützt von ihrer privaten
New Yorker Federal Reserve, war erwiesenermaßen ein katastrophaler Fehlschlag,
der die USA in die schlimmste Finanzkrise, eine Kettenreaktion von Bankenbankrotten
und eine Depression stürzte. Innerhalb von nicht einmal zehn Jahren machten
sich die Wall Street und die hinter ihr stehenden mächtigen Familien erneut
daran, zum zweiten und letzten Mal nach der Weltmacht zu greifen. (Ebd.,
S. 140).
Rockefeller triumphiert
Die
schicksalhafte Konsequenz des Niedergangs des Hauses Morgan im us-amerikanischen
Establishment war der Aufstieg der Interessen der Rockefeller-Familie, die fortan
die us-amerikanische Witschaftspolitik und die allgemeine Politik in den USA in
einem Maße beherrschte, wie es das Land noch nie erlebt hatte. In den 1920er-Jahren,
als die Morgans versuchten, ihre Dollar- Weltmacht aufzubauen, hatte die Rockefeller-Gruppe
noch im zweiten Glied gestanden. Sie konzentrierte sich damals vielmehr auf den
Ausbau der Macht von Standard Oil im Nahen Osten, in Lateinamerika, Europa und
anderen Teilen der Welt sowie auf den Aufbau einer internationalen Chemie- und
Rüstungsindustrie, des Vorläufers des amerikanischen militärisch-industriellen
Komplexes in der Zeit des Kalten Krieges. (Ebd., S. 156-157).Ende
der 1930er Jahre wurde die mächtige Rockefeller-Dynastie im wesentlichen
von vier Söhnen John D. Rockefellers jun. geleitet: David, Nelson, John D.
III und Laurance Rockefeller. Ein fünfter Sohn, Winthrop, spielte bei den
politischen Aktivitäten der Familie eine eher untergeordnete Rolle. Die vier
genannten Brüder kümmerten sich darum, daß die Macht ihrer Fraktion
in den höchsten Kreisen des US-Establishments stetig zunahm. Im Zentrum stand
dabei die Hausbank des Standard-Oil-Imperiums, die First National Bank in New
York mit ihrem Direktor James Stillman. Im Aufsichtsrat dieser Bank saß
unter anderen William Rockefeller, der Bruder von John D. Rockefeller. Daneben
spielte auch die Chase Bank eine Rolle, die ebenfalls eine Hausbank von Standard
Oil war. In der Zeit um 1933 war diese Chase - nach ihrer Fusion mit Rockefellers
Equitable Trust - sogar die größte Bank der Welt geworden; und sie
stand unter Rockefellers Kontrolle. (Ebd., S. 157).Den meisten
Bankiers an der Wall Street war Roosevelts New Deal anfänglich ein Gräuel,
da sie ihn als großen Schritt in Richtung auf einen Wirtschaftsbolschewismus
in den USA ansahen. Die Rockefellers hingegen hatten begriffen, daß sie
sich die Depression und die wachsende Rolle des Staates beim Aufbau ihres weltweiten
Imperiums zunutze machen konnten. Sie hatten von der Politik des Roosevelt-Kabinetts
nicht viel zu befürchten. Ihre Leute hatten das Sagen im berühmten »Brain
Trust« des Präsidenten - ein Gremium von ursprünglich fünf
Männern, die, ohne ein offizielles Amt zu bekleiden, den Präsidenten
in politischen Fragen berieten. (Ebd., S. 157).Die Rockefellers
hatten einen führenden Mann an der Seite von Präsident Roosevelt, nämlich
seinen Vertrauten (und ehemaligen Rockefeller-Angestellten) Harry Hopkins, über
den sie sicherstellen konnten, dasß Roosevelts Vorgehen den Interessen der
Rockefellers nutzte. Hopkins war mehr als zehn Jahre lang von der Rockefeller-Stiftung
finanziell unterstützt worden, als er Chef der von Rockefeller geförderten
»Sozialdienste« (Anführungsstriche von
mir [HB]) Organized Social Services war. (Ebd., S. 157-158).Gleichzeitig
unterhielten die Rockefellers aber auch enge Verbindungen zu einem weiteren einflußreichen
Mitglied von Roosevelts »Brain Trust«, zu Professor A. A. Berle
jun. vin der Columnia-Universität. Dieser Professor sollte nach dem 2. Weltkrieg
für die Rockefeller-Interessen als Berater in Lateiamerikafragen tätig
werden und als Co-Autor die Autobiographie von Nelson Rockefeller mitverfassen.
Berle stand seit Beginn der 1920er Jahre mit den Rockefellers auf gutem Fuß;
damals war er ein prominenter Rechtsanwalt in New York. (Ebd., S. 158).Anstatt
Schritte zu unternehmen, die es möglich gemacht hätten, die Depression
schon bald zu überwinden, brachte Roosevelt aufgrund der Ratschläge
dieser Männer das Land auf einen Kurs in Richtung einer staatlichen Kontrolle,
die an den Korporativismus in Musolini-Italien einnerte. (Ebd., S. 158).Anders
als mit den meisten kleinen und mittleren Industrieunternehmen ging der New Deal
äußerst freundlich mit den Rockefeller-Strukturen um, genauso wie mit
den meisten Unternehmen der »Fortune 500«, die den Rockefellers nahestanden.
(Ebd., S. 159).
Rockefellers diskretes Unterfangen
| »Wenn Kriegsziele formuliert
werden, die sich einzig und allein auf den anglo-amerikanischen Imperialismus
beziehen, dann werden diese den Menschen in der restlichen Welt wenig
bedeuten. Statt dessen sollten die Interessen anderer Völker betont werden.
Dies hätte eine weit bessere Propagandawirkung.« (Meomorandum des
Council on Foreign Relations [CFR] an das US-Außenministerium, War &
Peace Studies, 1941). ** | J. P. Morgan hatte niemals Zeit oder Interesse,
seinen großen Besitz in gemeinnützige Stiftungen zu überführen,
um damit seinen Einfluß weit über die Grenzen seiner Bank- und Unternehmensholdings
auszudehnen. Nachdem es im Zusammenhang mit einem Bergarbeiterstreik in Colorado,
bei dem private Sicherheitsleute auf unbewaffnete Arbeiter geschossen hatten,
negative Schlagzeilen gegeben hatte, war John D. Rockefeller dem Rat seines wichtigsten
Wirtschaftsberaters Frederick T. Gates gefolgt und hatte 1913 seinen Reichtum
in einer gemeinnützigen Stiftung angelegt. Dabei nutzte er steuerfreie Gelder,
um die Macht und den Einfluß der Familie im Stil us-amerikanischer Medici
auszuüben, allerdings ohne deren kulturelle Vornehmheit. (Ebd., S.
164).Die Rockefeller-Stiftung, die 1913 in-New York eingetragen
wurde, konzentrierte sich unter Gates Leitung - Rockefeller nannte Gates einmal
den größten Geschäftsmann, dem er je begegnet sei - auf Programme,
die zwar auch den Reichtum der Rockefellers mehrten, vor allem aber die politische
und gesellschaftliche Macht der Rockefeller-Interessen vergrößerten.
(Ebd., S. 164).Das Verständnis darüber, in welchem Ausmaß
die Rockefeller-Stiftung unter dem Deckmantel der Philanthropie (»Philanthropen«,
Menschenfreunde« oder »Gutemenschen« nennen sich solche
Lügner ja besonders gerne; [HB]) seit Beginn der 1930er Jahre die
Weltkarte verändert hat, ist ungeheuer wichtig - aber kaum vorhanden.
(Ebd., S. 164). | Isaiah
Bowman, der Gründer des CFR und Stratege der Geopolitik, war während
des Zweiten Weltkriegs Leiter des CFR-Geheimprojekts War & Peace Studies
der Rockefeller-Stiftung. Time, die Zeitschrift von Henry Luce, dem Verfechter
eines US-Amerikanischen Jahrhunderts, machte Bowman international bekannt..
Er war quasi der Haushofer der USA! | Mit Mitteln der Rockefeller-Stiftung
und unter größter Geheimhaltung nahm der New Yorker Council on Foreign
Relations (CFR) zusammen mit dem US-Außenministerium 1939 eine ganze Reihe
von Langzeitstudien in Angriff. Das Projekt, das den Namen War & Peace Studies
erhielt, lief fünf Jahre lang bis 1944. Leiter des Projekts war Prof. Isaiah
Bowman, Direktor des CFR und ursprünglich Mitglied eines vertraulichen
Beraterkreises von Woodrow Wilson im Ersten Weltkrieg namens The Inquiry
(etwa: Die Untersuchung). Bowman war Präsident der renommierten John-Hopkins-Universität
und Geograph. Er selbst bezeichnete sich unter Bezug auf Hitlers Geopolitiker
als US-Amerikas Haushofer. (Ebd., S. 165).Lange vor dem Sieg
der Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg war den Rockefellers und den Vorständen
der größten us-amerikanischen Unternehmen und Banken klar, daß
der us-amerikanische Markt für ihre ehrgeizigen Pläne viel zu klein
war. Nach ihrer Ansicht mußte US-Amerika global vorgehen, um die bereits
erwähnte »Manifest Destiny«, die grenzenlose Ausweitung der us-amerikanischen
Macht, zu erreichen. Ein ... errungener Sieg im Ersten Weltkrieg und die erzielten
Vorteile im Versailler Frieden (Diktat! [HB] in Europa
hatte ihnen Appetit auf mehr gemacht. (Ebd., S. 165).Die
Rockefeller-Interessen hatten insgeheim Ende 1939, nur wenige Wochen nach dem
deutschen Einmarsch in Polen, aber volle zwei Jahre vor dem Kriegseintritt der
Vereinigten Staaten nach Japans »Überfall« (Anführungstriche
von mir, denn ein Überfall war es ja nicht! [HB]) auf Pearl Harbor,
eine sehr einflußreiche Gruppe ins Leben gerufen: die War & Peace Group.
Diese geheime Gruppe erhielt von den Rockefellers den Auftrag, die wirtschaftlichen
und politischen Ziele für die USA in der Zeit nach dem Krieg festzulegen
-wobei man immer von der Annahme ausging, daß es zu einem Weltkrieg kommen
würde, aus dem die USA als herrschende Weltmacht hervorgingen. (Ebd.,
S. 165-166).Die War & Peace Study Group des New Yorker Council
on Foreign Relations führte für das personell hoffnungslos unterbesetzte
US-Außenministerium die so wichtige Planung für die Nachkriegszeit
durch. Nach 1942 wurden die meisten Mitglieder dieser Gruppe stillschweigend vom
Außenministerium übernommen, um von ihren hohen Positionen aus die
Ziele des Projekts umzusetzen. (Ebd., S. 166).Zwischen November
1939 und Ende 1942 hatte die Rockefeller Foundation über die Finanzierung
der War & Peace Study Group 350000 Dollar für die Erstellung eines Papiers
aufgebracht, das die Erringung der wirtschaftlichen Hegemonie US-Amerikas in der
Nachkriegszeit vorsah. Wie fast alle »philanthropischen« (Anführungstriche
von mir, denn philanthropisch waren sie ja nicht! [HB]) Investitionen der
Rockefellers sollte sich auch diese in späteren Jahren tausendfach auszahlen.
In diesem Papier wurde das weltweite Wirtschaftsimperium US-Amerikas nach dem
Krieg definiert. Das US-Amerikanische Jahrhundert war weitgehend ein Rockefeller-lmperium,
aber die meisten US-Amerikaner hatten davon nicht die geringste Ahnung.
(Ebd., S. 166).In seiner Jahrzehnte später autorisierten offiziellen
Geschichte gab das CFR in verblüffender Offenheit wesentliche Aufgaben des
War-&-Peace-Projekts zu: »Mehr als zwei Jahre vor dem Angriff der Japaner
auf Pearl Harbar hatte man im Forschungsstab des Council on Foreign Relations
damit begonnen, über einen neuen Vorstoß nachzudenken, der das Leben
des Instituts in den anstrengenden Jahren, die damals vor uns lagen, bestimmen
sollte. Mit Blick auf (Wilsons Beraterkreis) The Inquiry (**)
entwarf man für den Council eine Rolle bei der Planung der künftigen
Politik unseres Landes. Am 12. September 1939, nach dem Einmarsch Deutschlands
in Polen, machten sich (CFR-Vertreter Hamilton Fish) Armstrong und Mallory auf
den Weg nach Washington, wo sie sich mit George S. Messersmith, einem Abteilungsleiter
im Außenministerium, trafen. Damals standen dem Außenministerium nur
wenige Mittel für Studien, Forschungsprojekte, politische Planung und Initiativen
zur Verfügung; in dieser Hinsicht erging es den Karrierediplomaten am Vorabend
des Zweiten Weltkriegs nur wenig besser als ihren Vorgängern zu der Zeit,
als US-Amerika in den Ersten Weltkrieg eintrat.« (Ebd., S. 166).Die
Männer vom Council schlugen ein geheimes Projekt vor, das an The Inquiry
(**)
erinnerte: ein Programm unabhängiger Analysen und Studien, das der us-amerikanischen
Außenpolitik sowohl in den folgenden Kriegsjahren als auch angesichts der
Herausforderungen, die die neue Welt nach dem Krieg stellen würde, beratend
zur Seite stünde. Das Projekt wurde als War and Peace Studies bekannt.«
(Ebd., S. 166-167).»Die Angelegenheit ist streng vertraulich«,
schrieb Isaiah Bowman, »denn der gesamte Plan würde scheitern,
wenn öffentlich bekannt würde, daß das Außenministerium
mit einer außenstehenden Gruppe zusammenarbeitet.« Die Rockefeller-Stiftung
willigte zunächst zögernd ein, das Projekt zu finanzieren, steuerte
später aber 350000 Dollar bei, als sie von seiner Bedeutung überzeugt
war. In den folgenden fünf Jahren waren fast 100 Männer an den War and
Peace Studies beteiligt. Die Arbeit war in vier Themenbereiche unterteilt: Wirtschaft
und Finanzen, Sicherheit und Rüstung, Territorialfragen sowie Politik. Diese
Gruppen trafen sich über 250-mal, meistens in New York, zum Abendessen; die
Treffen zogen sich für gewöhnlich bis tief in die Nacht hin. Die Gruppen
erstellten 682 Memorandenfür das Außenministerium, das diese Berichte
als geheim einstufte und an die zuständigen Regierungsstellen weiterleitete.«
(Ebd., S. 167).Das Ziel dieses CFR-Geheimprojekts bestand darin,
eine solide und dauerhafte Grundlage dafür zu legen, daß die Vereinigten
Staaten nach dem Krieg die Rolle einnehmen konnten, die das Britische Empire vor
1914 innegehabt hatte: das Imperium, über dem die Sonne niemals untergeht
- eine »Pax Americana«; die unangefochtene Nachfolge US-Amerikas auf
die schwindende Pax Britannica des Britischen Empires.(Ebd., S. 167).Die
politischen Experten, die diese Grundsatzpapiere für den CFR erstellten,
wurden aus der Elite der Mitglieder des New Yorker Council on Foreign Relations
ausgewählt, der seinerseits mehr und mehr aus handverlesenen Rockefeller-Leuten
bestand. Anders als beim Britischen Empire beruhte die us-amerikanische Vision
einer Weltherrschaft auf Wirtschaftszielen und nicht auf militärischer Eroberung
und dem Besitz eines Kolonialreichs. Das Projekt war ungeheuer raffiniert, denn
mit ihm konnten die us-amerikanischen Großkonzerne ihre handfesten Interessen
hinter dem Banner des Kampfes für »Demokratie« und »Menschenrechte«
für »unterdrückte Kolonialvölker« sowie für die
Unterstützung des »freien Unternehmertums« und »offener
Märkte« verbergen. (Ebd., S. 167).Unter dem Einfluß
der politischen Strategie der War & Peace Group wurde Franklin D. Roosevelt
in den Kriegsjahren davon überzeugt, Churchill gegenüber zu erklären,
die Vereinigten Staaten kämpften nicht im Zweiten Weltkrieg, »um das
Britische Empire zu retten«. Was Franklin D. Roosevelt allerdings nicht
sagte, war, daß man tatsächlich diesen Krieg kämpfte, um ein us-amerikanisches
Imperium aufzubauen, das man später das »Amerikanische Jahrhundert«
nennen würde und das bis in alle Einzelheiten von den Rockefeller-Interessen
in New York und Washington formuliert worden war. (Ebd., S. 167-168).In
einem vertraulichen Memorandum von der War-&-Peace-Gruppe beim Council on
Foreign Relations an das US-Außenministerium von 1941 heißt es unmißverständlich:
»Wenn Kriegsziele formuliert werden, die sich einzig und allein auf den
anglo-amerikanischen Imperialismus beziehen, dann werden diese den Menschen in
der restlichen Welt wenig bedeuten. Statt dessen sollten die Interessen anderer
Völker betont werden. Dies hätte eine weit bessere Propagandawirkung.«
(**).
(Ebd., S. 168).Die von der Arbeitsgruppe des Council on
Foreign Relations verfolgten Ziele waren alles andere als demokratisch. Sie spiegelten
die Interessen der kleinen Elite us-amerikanischer Banken, Industrieunternehmen
und deren Rechtsanwaltskanzleien wider, die mittlerweile weltweite Interessen
vertraten. Die im CFR vertretenen Geschäftsleute waren eine ganz besondere
Spezies; anders als die anderen US-Amerikaner waren sie Angehörige einer
Aristokratie von Macht und Geld - sie waren eine nur auf sich selbst bezogene
Oligarchie. (Ebd., S. 168).In den Protokollen der Sicherheits-Unterabteilung
der War & Peace Study Group des CFR wurden die Maßstäbe für
die US-Außenpolitik nach dem Krieg festgehalten: ».... Das Britische
Empire wird in der Form, wie es in der Vergangenheit bestanden hat, nie wieder
auferstehen, und ... die Vereinigten Staaten werden möglicherweise seinen
Platz einnehmen müssen. ....« Die USA »müssen sich geistig
auf eine Weltordnung nach diesem Krieg vorbereiten, die uns in die Lage versetzt,
(anderen) unsere eigenen Bedingungen aufzuwingen, was einer ... Pax Americana
gleichkommt.« Die US-Amerikaner könnten, so wurde behauptet, ihre Vitalität
nur dadurch wiedergewinnen, daß sie die Notwendigkeit ständiger Expansion
einsähen. Im Jahr 1942 schrieb CFR-Direktor Isaiah Bowman: »Das Maß
unseres Sieges wird das Maß unserer Herrschaft nach einem Sieg sein. ....
Die USA müssen sich Bereiche sichern, die in strategischer Hinsicht für
die Kontrolle über die Welt erforderlich sind.«(Ebd., S. 168).Ein
weiteres Memorandum dieser Geheimgruppe, das Memorandum E-B19, legte die
Prioritäten der US-Außenpolitik nach dem Krieg dar und faßte
die »einzelnen Teile einer integrierten Politik zur Erringung einer militärischen
und wirtschaftlichen Überlegenheit der Vereinigten Staaten« zusammen.
Wie die Autoren erklärten, müsse ein weiteres wichtiges Element die
»(Nachkriegs- )Koordination und Kooperation der Vereinigten Staaten mit
anderen Ländern sein, um garantiert jede souveräne Handlung ausländischer
Nationen einzuschränken, die eventuell das kleinste Gebiet der Welt bedrohen
könnten, das für die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen
der Vereinigten Staaten und der westlichen Hemisphäre wesentlich ist.«
(Ebd., S. 168-169).Ein Memorandum des US-Außenministeriums
vom April 1944 erläuterte die Philosophie hinter dem Konzept dieser Gruppe
über den »Zugang zu Rohstoffen« für den Westen. Diese Philosophie
hieß: gleicher Zugang für alle us-amerikanische Unternehmen zu den
Rohstoffen der Welt - aber nicht für andere Interessen; volle Herrschaft
der USA über die Produktion in der westlichen Hemisphäre (d.h. Nord-
und Südamerika), während die US-Konzerne im Rest der Welt expandierten,
sowie »Beibehaltung der jetzigen Praxis, die bestehenden Konzessionen in
us-amerikanischer Hand zu behalten - und damit auch zu schützen - und gleichzeitig
auf dem Prinzip der Offenen Tür, der Chancengleichheit für US-Unternehmen
in neuen Bereichen zu bestehen«. (Ebd., S. 169).Die
Studien der Wirtschafts- und Finanzgruppe des CFR hatten ergeben, wie gefährlich
ein vereintes Europa - mit oder ohne Nazi-Herrschaft - für die Vereinigten
Staaten sein würde. Hamilton Fish Arrmstrong vom CFR erklärte bereits
Mitte Juni 1941, man könne die Entwicklung eines vereinten Europas nicht
zulassen, weil dies so stark wäre, daß es eine ernsthafte Bedrohung
für die us-amerikanische »Grand Area« darstellte. Ein Europa,
das sich als politische Einheit organisierte, galt als »grundsätzlich
unvereinbar mit dem us-amerikanischen Wirtschaftssystem«. (Ebd., S.
169).Die CFR-Gruppe, die während des Krieges direkt im US-Außenministerium
arbeitete, war davon überzeugt, daß man zumindest den größten
Teil der nicht-deutschen Welt als us-amerikanische »Grand Area« benötigte,
um genügend »Ellbogenfreiheit« zu haben. (Ebd., S. 169).Letztendlich
bestand die für die Nachkriegszeit geplante us-amerikansche »Grand
Area« aus der westlichen Hemisphäre (d.h. ganz Nord- und Südamerika)
sowie Westeuropa, dem Fernen Osten und dem ehemaligen Britischen Empire (das damals
gerade demontiert wurde). Dazu kam aber auch noch die Kontrolle über die
ungeheuer wichtigen Energieressourcen im Mittleren Osten (die damals zunehmend
in us-amerikanische Hände übergingen, weil Frankreich und England hinausgedrängt
wurden), die restliche Dritte Welt und, wenn möglich, den gesamten Erdball.
Auch ganz China gehörte zu dieser »Grand Area«. Bei diesen imperialen
Plänen war für Bescheidenheit kein Platz. Die einzige Frage, welche
die außenpolitischen Strategen des US-Amerikanischen Jahrhunderts
beschäftigte, war die: Würde Stalin einwilligen, ein zerstörtes
Rußland und die ganze Sowjetunion zum Teil eines US-Amerikanischen Jahrhunderts
zu machen, oder nicht?« (Ebd., S. 169-170).
Das US-Amerikanische Jahrhundert
Anfang 1941, etwa zehn Monate
vor der Bombardierung von Pearl Harbor durch die Japaner, gab Henry Luce, der
Herausgeber der Zeitschriften Time (**)
und Life, der über gute Verbindungen zur US-Ostküstenelite verfügte,
seinem Leitartikel für die Life-Ausgabe vom 17. Februar den Titel »Das
Amerikanische Jahrhundert«. In seinem Beitrag beschrieb Luce den sich herausbildenden
Konsens des Rockefeller-Establishments um den CFR und die War & Peace Study
Group. (Ebd., S. 170).Luce wörtlich: »Tyranneien
brauchen vielleicht etwas mehr Platz zum Leben, aber die Freiheit braucht noch
sehr viel mehr Raum als die Tyrannei und wird ihn auch weiterhin brauchen.«
Er rief die US-Amerikaner offen dazu auf, eine neue Rolle als herrschende Vormacht
in der Welt einzunehmen, obwohl die Vereinigten Staaten bis dahin noch nicht in
den Krieg eingetreten waren. Luce abschließend: »Der Ausweg ist: rückhaltlos
zu unserer Pflicht und unserer Chance als mächtigste und vitalste Nation
der Welt (die war aber Deutschland! [HB]) zu stehen
und dementsprechend gegenüber der ganzen Welt unseren vollen Einfluß
geltend zu machen für Zwecke, die wir für angemessen halten, und mit
Mitteln, die wir für angemessen halten.« (Ebd., S. 170).Das
war ein Aufruf zur Bildung eines us-amerikanischen Empires, ohne es beim Namen
zu nennen. Luce kleidete das Empire in ein idealistisches Gewand, ähnlich
wie die War-&-Peace-Gruppe: »Während des 17., 18. und 19. Jahrhunderts
wimmelte es auf dem Kontinent von Projekten und wunderbaren Zielen. Sie alle überragte
und verband das triumphale Ziel der Freiheit, das alle zum wunderbaren Banner
der ganzen Welt und der ganzen Geschichte verwob.« Mit bewegender Rhetorik
kam er zu dem Schluß: »In diesem Sinne sind wir alle aufgerufen, jeder
nach seinem eigenen Vermögen und jeder nach seiner besten Vorstellungskraft,
das erste große Amerikanische Jahrhundert zu schaffen.«
(Ebd., S. 170).Luce, Absolvent der Eliteuniversität Yale,
dessen Verlagsimperium seinen Sitz im Time Life Building des neu errichteten Rockefeller
Centers in New York hatte, spiegelte die damals aufkeimende Sicht der international
orientierten US-Geschäftswelt und des Banken-Establishmentt; um Rockefeller
wider. Diese Interessen brauchten den uneingeschränkten weltweiten Zugang
zu Rohstoffen und Märkten nach dem Krieg, und sie sahen jetzt die Chance,
all dies zu bekommen, während die konkurrierenden Nationen allesamt vom Krieg
verwüstet waren. (Ebd., S. 170-171).Die us-amerikanischen
Bank- und Industriegiganten mußten neue Märkte, mehr Raum erobern oder
das, was die War & Peace Study Group als »Grand Area« bezeichnete
- ein Konzept, das in bemerkenswerter Weise Haushofers Begriff »Lebensraum«
ähnelte. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Finanzen der CFR- War & Peace
Study Group erstellte Ende der 1930er Jahre eine Studie über den Welthandel.
Die Autoren schlugen vor, die westliche Hemisphäre mit dem pazifischen Raum
zu einem von den USA dominierten Block zu verschmelzen, auf der Grundlage dessen,
was sie als »militärische und wirtschaftliche Überlegenheit für
die Vereinigten Staaten« bezeichneten. Zu diesem Block sollte auch das damals
noch bestehende Britische Empire gehören. Die us-amerikanische »Grand
Area« sollte fast die ganze Erde umfassen, außer dem Einflußbereich
von Stalins Sowjetunion, die sich zu ihrer Verwunderung noch immer einer kapitalistischen
Durchdringung durch die US-Amerikaner widersetzte. (Ebd., S. 171).Das
Ziel, das die von Rockefeller finanzierte War & Peace Study Group für
die Welt der Nachkriegszeit verfolgte - die sie schon vor dem Eintritt der USA
in den Krieg als US-Amerikanisches Jahrhundert konzipierten -, war nicht
sentimental. 1940 schrieb ein Mitarbeiter der Arbeitsgruppe » Wirtschaft
und Finanzen« in einem an den CFR und das US-Außenministerium gerichteten
Memorandum: »Zuallererst sind die Vereinigten Staaten gefordert, in einer
Welt, in der sie die unbestreitbare Macht besitzen sollen, schnell ein Programm
umfassender Aufrüstung durchzuführen ..., um garantiert jede souveräne
Handlung ausländischer Nationen einzuschränken, die eventuell das kleinste
Gebiet der Welt bedrohen könnten, das für die Sicherheit und das wirtschaftliche
Wohlergehen der Vereinigten Staaten und der westlichen Hemisphäre wesentlich
ist.« (Ebd., S. 171).Im September 2002, also über
sechs Jahrzehnte später, erklärte die Regierung Bush mit fast denselben
Worten dieselben Ziele ausdrücklich zur Nationalen Sicherheitspolitik der
USA. (Ebd., S. 171).Isaiah Bowman, Gründungsmitglied
des CFR und Leiter der War & Peace Study Group beim CFR, der während
des Zweiten Weltkriegs auch als »Amerikas Geopolitiker« bekannt war,
benutzte noch einen anderen Begriff für die anvisierte »Grand Area«.
In Anlehnung an Hitlers geografischen Begriff, mit dem die deutsche Expansion
wirtschaftlich gerechtfertigt wurde, sprach Bowman vom »amerikanischen wirtschaftlichen
Lebensraum«. Aus offensichtlichen Gründen ließ man diesen Begriff
später fallen, und der neutralere Ausdruck »Amerikanisches Jahrhundert«
wurde statt dessen benutzt, um die Vision der Rockefeller-Gruppe über einen
US-Imperialismus in der Nachkriegszeit zu beschreiben. (Ebd., S. 171-172).Nach
der Vorstellung von Bowman und anderen in der CFR-Studiengruppe beim Außenministerium
würden sich die Helden der neuen us-amerikanischen Wirtschaftsgeographie
als selbstlose Verfechter der Freiheit für die Kolonialvölker und als
Feinde des Imperialismus darstellen. Sie würden dafür eintreten, den
Weltfrieden durch multinationale Kontrolle zu erreichen. Seit der Endphase des
Ersten Weltkriegs, als Bowman bei The Inquiry (**),
der bereits beschriebenen geheimen Strategiegruppe Woodrow Wilsons, mitgearbeitet
hatte, war er mit der Frage befaßt, wie man die imperialen Ambitionen der
USA in ein liberales und wohltätiges Gewand kleiden konnte. (Ebd.,
S. 172).US-Amerikas Beherrschung der Welt nach 1945 sollte nach
Ansicht Bowmans und der War & Peace Study Group durch eine neue, von ihnen
entworfene Organisation durchgesetzt werden, dem »Kronjuwel des us-amerikanischen
Lebensraums« - den Vereinten Nationen (UNO), denen die neuen, in Bretton
Woods geplanten Institutionen angehören sollten: der Internationale Währungsfonds
(IWF) und die Weltbank sowie später das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen
(General Agreement on Tariffs and Trade), GATT. (Ebd., S. 172).Bowmans
CFR-Gruppe hatte für Präsident Roosevelt den ersten groben Entwurf für
die spätere UNO verfaßt und den Präsidenten dafür gewonnen,
diesen Plan rückhaltlos zu unterstützen. Unter dem Banner des »freien
Handels« und der Öffnung bisher geschlossener Märkte in aller
Welt würde das Big Busineß der USA freie Bahn haben, nach dem Krieg
neue, bisher unerschlossene Märkte mit billigen Rohstoffen und neue Märkte
für den Verkauf us-amerikanischer Waren zu erschließen. (Ebd.,
S. 172).Bowmans Team verfaßte damals mehr als 600 politische
Dokumente für das US-Außenministerium und Präsident Roosevelt.
Die Dokumente befaßten sich praktisch mit allen Winkeln der Welt, von großen
Kontinenten bis hin zu winzigen Inseln. Alles beruhte auf der Annahme, daß
die USA als Sieger aus einem Krieg hervorgingen, den Washington bis dahin noch
gar nicht offiziell führte. (Ebd., S. 172).Für
die Rockefellers und andere weitsichtige Mitglieder des politischen Establishments
der USA sollte die weltweite Macht nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in Begriffen
wie »militärische Kontrolle über Kolonialgebiete« gemessen
werden. Das Britische Empire und andere Kolonialmächte Europas hatten gelehrt,
daß ein solches System viel zu teuer und ineffizient war. Macht würde
man fortan als wirtschaftliche Macht definieren. Und die würde weitgehend
auf dem beruhen, was der Harvard-Professor Joseph Nye später als »Soft
Power« bezeichnen sollte: eine »sanfte Macht«, die sich auf
den mächtigsten Militärapparat und die herrschende Finanzmacht der Welt
stützte. (**). (Ebd.,
S. 172-173). Joseph S. Nye,d.J.,
»Propaganda Isn't the Way: Soft Power«, in: The International
Herald Tribune, 10. Januar 2003. Nye definiert hier, was er unter »soft
power« (sanfte Macht) versteht: »Soft power ist die Fähigkeit,
das zu bekommen, was man sich wünscht, indem man die anderen dafür gewinnt
und davon überzeugt, seine Ziele zu übernehmen. Sie unterscheidet sich
von der »hard power«, der Fähigkeit, mit Zuckerbrot und Peitsche
die wirtschaftliche und militärische Macht einzusetzen, um andere dazu zu
bringen, seinem Willen zu gehorchen. Sowohl hard power als auch soft power sind
wichtig ..., aber Überzeugung ist viel billiger als Zwang und sollte deshalb
gehegt und gepflegt werden.« (Ebd., Anmerkung 12).
Die Rockefellers bauen ihr Wirtschaftsimperium in Lateinamerika auf
Als
sich der Zweite Weltkrieg 1945 dem Ende zuneigte, verkörperte keine andere
Gruppe die Weltanschauung des us-amerikanischen Big Busineß' klarer als
die Familie Rockefeller, die mit ihrem weltweiten Ölimperium und ihren Banken
ein Vermögen aufgebaut hatte. Für die Familie vor allem Nelson, John
D. III, Laurance und David -, deren Stiftung die War & Peace Studies des CFR
finanziert hatte, bedeutete das siegreiche Ende des Krieges die goldene Gelegenheit,
ihren Einfluß auf die Weltpolitik stärker zu ihrem eigenen Nutzen auszuüben
als jemals zuvor. (Ebd., S. 173).Nelson Aldrich Rockefeller
sollte bei der Definition dieser globalen Interessen eine diskrete, aber entscheidende
Rolle hinter den Kulissen spielen. Geschickt wurden diese Interessen nicht mehr
als Rockefellers Privatsache dargestellt, sondern zu sogenannten »nationalen
Interessen Amerikas« erklärt. (Ebd., S. 173).Jetzt
wurde deutlich, was genau Isaiah Bowman und seine Kollegen von der War & Peace
Study Group im US-Establishment mit ihrem Begriff der »Grand Area «
und der Entwicklung des » freien Marktes« im Sinn gehabt hatten. Nelson
Rockefeller, der die War & Peace Studies des Council on Foreign Relations
maßgeblich unterstützt hatte, verlor jetzt keine Zeit und nutzte entschlossen
die wirtschaftlichen Möglichkeiten für das Lateinamerika-Geschäft,
die der Zweite Weltkrieg seiner Familie eröffnet hatte. (Ebd., S. 173).Während
des Krieges hatte Nelson sich in ganz Lateinamerika für die Interessen der
Rockefeller-Familie eingesetzt. Als Koordinator für Interamerikanische
Angelegenheiten (CIAA) bekleidete er damals eine hohe Position im US-Geheimdienst
und agierte nominell im Auftrag des Weißen Hauses unter Roosevelt. Von dieser
strategischen Position aus konnte Nelson Unterstützungsgelder der US-Regierung
für Rockefellers Geschäftsfreunde in Schlüsselstaaten wie Brasilien,
Peru, Mexiko, Venezuela und sogar Argentinien schleusen - immer unter dem Vorwand,
in Lateinamerika einen Kampf gegen die Infiltration der Nazis und für die
Verbreitung der »amerikanischen Demokratie« zu führen. Sorgfältig
legte er damit die Basis für die Ausweitung der us-amerikanischen Geschäftsbeziehungen
in Lateinamerika nach dem Krieg - ganz besonders natürlich für das Geschäft
der Rockefeller-Interessen. (Ebd., S. 173-174).Roosevelt
hatte Nelson Rockefeller im August 1940 zum Direktor der CIAA ernannt, unter eindeutiger
Verletzung der offiziellen Neutralität der USA. Um diesen heiklen Punkt zu
vertuschen, wurde der CIAA die Fassade einer Organisation verpaßt, die in
Lateinamerika die »amerikanische Kultur« förderte. (Ebd.,
S. 170).
Vorwand für den Kriegseintritt: Roosevelts Pearl Harbor
Als
Präsident Roosevelt 1940 zum dritten Mal zum Präsidenten gewählt
wurde, war er insgeheim schon seit Monaten damit beschäftigt, in den Krieg
gegen Deutschland einzugreifen. Roosevelt war Churchill nicht nur - unter Verstoß
gegen die offiziell behauptete Neutralität der USA - durch den Leih- und
Pachtvertrag zu Hilfe gekommen, sondern Franklin D. Roosevelt spielte auch eine
aktive Rolle bei der Vorbereitung der Ereignisse, die Japan schließlich
zu der Entscheidung bewogen, im Dezember 1941 den Versuch zu unternehmen, in Pearl
Harbor die US-Pazifikflotte zu zerstören. (Ebd., S. 174).Freigegebene
Kongreß-Protokolle und andere nach dem Krieg und Roosevelts Tod veröffentlichte
Dokumente belegen zweifelsfrei, daß der Präsident und sein Kriegsminister
Henry Stimson durch das ÖI-Embargo gegen Japan und die Vorbereitungen für
eine Militäraktion im Pazifik zur Eindämmung der japanischen Expansion
Tokio bewußt zum Krieg anstachelten. Aus diesen Dokumenten geht hervor,
daß Roosevelt bereits Tage vor der Bombardierung Pearl Harbors über
die genauen Einzelheiten des Vorrückens der japanischen Marine bis hin zum
genauen Zeitpunkt des geplanten Angriffs unterrichtet war. (Ebd., S. 174).Roosevelt
und seine Berater stachelten die Japaner zum Angriff auf die US-Marinebasis auf
Hawaii an, um die ahnungslose us-amerikanische Öffentlichkeit für einen
Krieg mobilisieren zu können, mit dem das US-Amerikanische Jahrhundert
erkämpft werden sollte. Damit sollten Rockefellers War-&-Peace-Studies-Pläne
für die Nachkriegszeit in die Realität umgesetzt werden. Historiker
nennen das Ganze den Zweiten Weltkrieg. (Ebd., S. 174-175).Bei
einer Anhörung des gemeinsamen Untersuchungsausschusses des US-Kongresses
über den Angriff auf Pearl Harbor, die 1946 unter Vorsitz von Senator Alben
Barkley aus Kentucky stattfand, wurde auch ein Bericht des Pearl Harbor Boards
der US-Armee vorgetragen. Er wurde sofort als »streng geheim« klassifiziert
und erst Jahrzehnte später freigegeben. Dieser Bericht war eine einzige Anklage
gegen die Roosevelt-Regierung, gegen Roosevelt persönlich und gegen seinen
Kriegsminister Stimson. Mit Blick auf den Hintergrund der japanischen Entscheidung,
Pearl Harbor zu bombardieren, heißt es in dem Bericht, Roosevelt habe »am
26. Juli 1941 per Executive Order verfügt, alle japanischen Vennögenswerte
in den Vereinigten Staaten einzufrieren. Mit dieser Anordnung kamen alle Finanztransaktionen
sowie sämtliche Import- und Exportgeschäfte, an denen Japaner beteiligt
waren, unter us-amerikanische Kontrolle. Die Anordnung brachte den Handel zwischen
den Vereinigten Staaten und Japan praktisch zum Erliegen.« In Tokio wurde
sie als Kriegshandlung gegen Japan aufgefaßt. (Ebd., S. 175).Bei
den japanischen Angriffen auf Pearl Harbor und die Bomberflotte der US Army Air
Force am 7. Dezember 1941 kamen 2403 US-Amerikaner ums Leben und 1178 wurden verwundet.
18 us-amerikanische Kriegsschiffe und 188 US-Flugzeuge wurden zerstört. Bereits
am 26. November 1941, also zwei Wochen vor diesem Angriff, war Roosevelt persönlich
von Churchill dringend vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Pearl
Harbor gewarnt worden. Roosevelt reagierte auf diese Warnung damit, daß
er die Luftabwehr für die Flotte von Pearl Harbor abzog, eine Maßnahme,
die einen Erfolg der Japaner praktisch garantierte. (Ebd., S. 175).In
einem gemeinsam verfaßten Schreiben an den Oberkommandierenden der US-Flotte
warnten die US-Admiräle Richardson und Kimmel bereits am 25. Januar 1941
vor einem möglichen japanischen Angriff auf Pearl Harbor - also fast elf
Monate, bevor es wirklich dazu kam. In dem Brief hieß es: »Japan wird
möglicherweise ohne Vorwarnung angreifen; die Angriffe können in jeder
erenklichen Form erfolgen .... Japanische Angriffe sind gegen die Schiffahrt,
Außenposten oder Marineeinheiten zu erwarten. Auch Überraschungsangriffe
auf Pearl Harbor oder Versuche, den (Hafen- )Kanal zu blockieren, sind möglich.«
(Ebd., S. 175).Zudem waren bewußte Schritte unternommen worden,
um zu gewährleisten, daß Pearl Harbor im Fall eines solchen Angriffs
der Japaner schutzlos dastehen werde. Eine Untersuchung des Pearl-Harbor-Ausschusses
der US-Armee ergab: »Die Lage am 7. Dezember läßt sich wie folgt
zusammenfassen: Die Marine nahm keine Fernaufklärung vor; nur die üblichen
vier oder fünf Seeaufklärer (PBYs) waren in der Luft; die Flakartillerie
unternahm nicht die üblichen Sonntagsmanöver mit den Marinefliegern,
und die Flugzeugträger mit ihren Flugzeugen befanden sich an diesem Sonntag
in einiger Entfernung von Oahu. Alle Flugzeuge der Army und Navy standen eng beieinander
am Boden; die gesamte Flotte lag im Hafen, außer den beiden Einheiten Task
Forc 9 und 12, zu denen einige Kreuzer und Zerstörer sowie die beiden Flugzeugträger
Lexington und Enterprise gehörten. Die Munition für die Army befand
sich mit Ausnahme der in der Nähe der Luftabwehrgeschütze gelagerten
Kisten in Munitionslagern, und sowohl die beiden Kampfdivisionen als auch die
Luftabwehreinheiten befanden sich in ihren Quartieren und nicht in ihren Gefechtstellungen.
Aufgrund Alert Nr. 1 zur Sabotagebekämpfung war alles auf engstem Raum konzentriert.
Kurz: Alles, was getan worden war, lud geradezu zu einem Luftangriff ein, und
die Japaner machten sich dies in vollem Umfang zunutze.« (Ebd., S.
175-176).Am 19. Juli 1941, fünf Monate vor dem Angriff auf
Pearl Harbor, wurde Admiral Kimmel, der Chef der US-Pazifikflotte, zu seiner eigenen
Information über den Inhalt einer abgefangenen japanischen Depesche in Kenntnis
gesetzt, die vom US-Geheimdienst durch das Programm namens Magic entschlüsselt
worden war. In der abgefangenen Nachricht von Kanton an Tokio hieß es unter
anderem: »Der kürzlich erteilte Befehl zur allgemeinen Mobilmachung
bringt die unwiderrufliche Entschlossenheit Japans zum Ausdruck, der anglo-amerikanischen
Mitwirkung bei der Eindämmung der natürlichen Expansion Japans ein Ende
zu bereiten. .... Unmittelbares Ziel ist die friedliche Besetzung Französisch-Indochinas,
doch jeder Widerstand wird zerschlagen und das Kriegsrecht wird eingeführt
.... Als Nächstes steht ein Ultimatum an Niederländisch-Indien auf dem
Plan. Bei der Besetzung von Singapur wird die Marine die Hauptrolle spielen ...,
mit der U-Boot- Flotte in Mandates, Hainan und Indochina werden wir die Militärmacht
der Briten und Amerikaner vernichten und zerschlagen, so daß sie sich nie
mehr an Komplotten gegen uns beteiligen können.« (Ebd., S. 176).Damit
wußten die höchsten Stellen der US-Regierung bereits fünf Monate
vor Pearl Harbor, daß ein Krieg mit Japan kurz bevorstand, und zwar aufgrund
der abgefangenen Nachrichten, die der US-Geheimdienst mit Hilfe des streng geheimen
Magic-Programms, mit dem die Codes der japanischen Marine und Diplomatie geknackt
worden waren, entschlüsselt hatte. (Ebd., S. 176-177).Am
7. November 1941, genau einen Monat vor dem Angriff, erhielt der Oberste Flottenkommandant
der US-Pazifikflotte, Admiral Kimmel, von Admiral Stark aus Washington die folgende
Depesche: »Eine Krise im Pazifik scheint sich anzubahnen. Wann sie genau
zum Ausbruch kommt, läßt sich nicht vorhersagen. Meine grundsätzliche
Reaktion darauf ist so, wie ich Ihnen bereits geschrieben habe .... In einem Monat
kann buchstäblich alles passieren.« (Ebd., S. 177).Am
28. November 1941 erhielt Kimmel eine neuerliche Depesche von Admiral Stark aus
Washington, in der es unter anderem hieß: »Verhandlungen mit Japan
scheinen praktisch zum Erliegen gekommen zu sein ..., künftiges Vorgehen
der Japaner unvorhersehbar, aber Kriegshandlungen jederzeit möglich. Wenn
Kriegshandlungen nicht - wiederhole: nicht - verhindert werden können, sollen
nach Wunsch der Vereinigten Staaten die Japaner den ersten ostentativen Akt begehen.«
(Ebd., S. 177).Nach Erhalt dieser Warnung wurde Admiral Kimmel
von Washington angewiesen, von Pearl Harbor aus keine Fernaufklärung gegen
mögliche Luftangriffe zu unternehmen. Auf Anweisung von Henry Stimsons Kriegsministerium
in der Zeit zwischen dem 28. November und dem 5. Dezember gab Kimmel den beiden
Flugzeugträgem USS Enterprise und USS Lexington den Befehl, zusammen mit
sechs schweren Kreuzern und 14 Zerstörern Pearl Harbor in Richtung der Atolle
Midway und Wake zu verlassen. Damit sollten die modernsten Schlachtschiffe der
Pazifikflotte beim Angriff der Japaner außer Reichweite sein. Bewußt
hielt Washington Kimmel lebenswichtige Informationen vor, aufgrund derer er bereits
Tage vor dem Angriff hätte erkennen können, daß Pearl Harbor das
Ziel war. Ihm wurde der Eindruck vermittelt, das wahrscheinliche Ziel des japanischen
Angriffs seien die Philippinen oder Inseln in der Nähe. (Ebd., S. 177).In
dem Untersuchungsbericht des Senats heißt es weiter: »Admiral Newton
erhielt keinerlei Informationen über die zunehmende Gefährdung unserer
Beziehungen zu Japan. Er erhielt keine besonderen Befehle und hielt sein Auslaufen
aus Hawaii als Mission für nicht weiter bedeutsam, außer, daß
er Midway ansteuern und von der Lexington aus ein Luftgeschwader zur Verstärkung
dieser Insel losschicken sollte. Deshalb erfolgte kein Befehl zur Bewaffnung der
Flugzeuge oder zur Kriegsvorbereitung außer der üblichen Routine ...,
die Alarmbereitschaft im Hafen (Pearl Harbor - W. E.) wurde nicht erhöht,
lediglich eine Patrouille der Küstenwache wurde von Pearl Harbor aus losgeschickt,
die dann im Hafenkanal und in der Umgebung kreuzte.« Wie es in dem Bericht
weiter heißt, wurden die Verteidigungsmaßnahmen in Pearl Harbor sogar
noch mehr reduziert: »Ein in Pearl Harbor stationiertes Geschwader patrouillenflugzeuge
erhielt den Befehl, das Geschwader zu ersetzen, das von Midway aus nach Wake flog.
Dieses Geschwader Patrouillenflugzeuge verließ Pearl Harbor am 30. November.«
(Ebd., S. 177-178).Dann hält der Untersuchungsbericht fest:
»Nichts wurde jedoch unternommen, um von Norden und Nordwesten, die als
gefährlichste Sektoren galten, heranrückende feindlicheAngreifer auszumachen.
Wir werden die Rechtfertigung für diese Unterlassung untersuchen.«
(Ebd., S. 178).Wie es in dem Bericht heißt, war Washington
dafür verantwortlich, Admiral Kimmel die bestmögliche Einschätzung
darüber zu liefern, aus welcher Richtung der strategisch wichtigste feindliche
Angriff kommen würde. Kimmel mußte als Oberbefehlshaber der Pazifikflotte
auch auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein, und »als er vor den nahenden
Kriegshandlungen gewarnt und angewiesen wurde, Verteidigungsmaßnahmen zu
ergreifen, mußten sich solche Maßnahmen notwendigerweise gegen alle
möglichen Gefahren richten, die auf Hawaii aufgrund der schwierigen Lage
dort zukamen.« (Ebd., S. 178).
Black Magic in Washington
|  Der
japanische Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 wurde von Roosevelt bewußt provoziert,
um den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen - wie später
anhand von Dokumenten bewiesen wurde -, wobei es zuvorderst nicht um einen
Krieg gegen Japan, sondern gegen Deutschland ging. |
In
dem Bericht des Senats wird im Einzelnen dargelegt, daß das us-amerikanische
Kriegs- und das Marineministerium heimlich den diplomatischen Code der Japaner
geknackt hatten. Durch die Einsicht in abgefangene und entschlüsselte Botschaften
zwischen Tokio und den japanischen diplomatischen Einrichtungen, das sogenannte
Magic-Projekt, verfügte Washington über reichlich Aufklärungsmaterial
über die Ziele der Japaner. Die durch Magic gewonnenen geheimdienstlichen
Informationen wurden als überaus vertraulich betrachtet und durften nur von
wenigen Personen eingesehen werden, damit nicht bekannt wurde, daß der Code
geknackt war. (Ebd., S. 178).Roosevelt informierte noch nicht
einmal Churchill, dessen eigener Geheimdienst in Cheltenham die japanischen Codes
ebenfalls geknackt hatte, über diesen Durchbruch. Im Gegenzug zeigten sich
die Briten, deren streng geheimes Projekt den Namen Ultra trug, auch recht
zugeknöpft; Churchill zum Beispiel unterließ es, Roosevelt über
das britische Geheimnis namens Ultra zu informieren. Nur der englische Text der
abgefangenen Nachrichten der Japaner wurde einigen zuständigen US-Stellen
mitgeteilt, darunter Kriegsminister Stimson, seinem Stabschef sowie dem Chef der
Abteilung Kriegsplanung und dem Chef der Abteilung Militärgeheimdienst. Von
der us-amerikanischen Marine wurden Marineminister Knox, der Chief of Naval Operations
(Chef der Marineoperationen), der Chef der Abteilung Kriegsplanung sowie der Direktor
des Marinegeheimdienstes in Kenntnis gesetzt. Darüber informiert wurden außerdem
das US-Außenministerium und der Marineassistent des Präsidenten, der
den Inhalt natürlich umgehend vertraulich dem Präsidenten übermittelte.
(Ebd., S. 178-179).Am 6. Dezember 1941 wurde eine abgefangene und
mithilfe von Magic entschlüsselte japanische Nachricht übersetzt und
am Abend zwischen 21.30 und 22.00 Uhr an das US-Kriegsministerium und das Weiße
Haus übermittelt, und zwar an einen Adjutanten von Admiral Beardall, den
Marineassistenten des US-Präsidenten, mit der Weisung, diese Nachricht dem
Präsidenten so schnell wie möglich zukommen zu lassen. Korvettenkapitän
Schulz überbrachte diese Nachrichten Präsident Roosevelt, der sie gemeinsam
mit Harry Hopkins durchlas. Dann wurde die Nachricht an Marineminister Knox weitergeleitet,
der sie ebenfalls las, und an Admiral Wilkinson. (Ebd., S. 179).Die
abgefangene Nachricht enthielt ein Kommunique zwischen Tokio und dem japanischen
Botschafter in Washington. Es deutete darauf hin, daß es am 7. Dezember
um 13.00 Uhr Washingtoner Zeit, oder im Morgengrauen nach der Zeitrechnung in
Pearl Harbor, zu einem dramatischen Ereignis kommen würde. Dieses Ereignis
war die Bombardierung der US-Flotte in Pearl Harbor durch die Japaner - ein Ereignis,
das es Roosevelt ermöglichte, vom Kongreß die Zustimmung zu einer Kriegserklärung
gegen die Mächte der Tripelallianz - Deutschland, Japan und Italien - zu
erwirken. (Ebd., S. 180).Admiral Kimmel erklärte später
bei der Anhörung im US-Kongreß: »Hätte ich diese entscheidenden
Informationen und die Nachricht »Schiffe im Hafen«bereits am 28. November
[1941] erhalten, so hätte ich nach meiner heutigen Überzeugung den Vorschlag
des Marineministeriums, Flugzeugträger nach Wake und Midway zu entsenden,
abgelehnt. Ich hätte den dritten Flugzeugträger, die Saratoga, von der
(US- )Westküste zurückbeordert. Ich wäre mit der Flotte in See
gestochen und hätte es gewagt, sie in einer Abfangposition auf See zu belassen.
Damit hätte die Schlagkraft der Flotte sich eines Angriffs auf die Region
Hawaii erwehren können.« Kimmel wurde jedoch zum Sündenbock gemacht,
weil er den Angriff auf Pearl Rarbor zugelassen hatte; er wurde zum Rücktritt
gezwungen. (Ebd., S. 180).Churchills Nachricht vom 26. November
1941 an Roosevelt ist das einzige Dokument in der gesamten Korrespondenz dieser
beiden Staatschefs, das bis zum heutigen Tage aus Gründen der »nationalen
Sicherheit« nicht veröffentlicht worden ist. Angeblich hatte Churchill
darin Roosevelt vor einem kurz bevorstehenden Angriff auf Pearl Harbor gewarnt.
(Ebd., S. 180).Der vernichtende Angriff auf Pearl Rarbor lieferte
Roosevelt den Grund, den Krieg zu führen, den er sich so sehr wünschte
(so wie Wilson den 1. Weltkrieg [HB]). Es war ein
Krieg für den Aufbau eines ... us-amerikanischen Empires, das US-Amerikanische
Jahrhundert des Time-Rerausgebers Henry Luce. (Ebd., S. 180).Auch
nachdem der US-Kongreß Deutschland, Japan und den Achsenmächten im
Dezember 1941 den Krieg erklärt hatte, setzten einflußreiche Kreise
innerhalb der Regierung Roosevelt und der Rockefeller-Fraktion in der us-amerikanischen
Industrie ihre illegale Kooperation mit führenden deutschen Rüstungsunternehmen
fort, eine Geschichte über Landesverrat, die jedoch in den historischen Berichten
über die Nachkriegszeit geflissentlich übersehen bzw. versteckt wurde.
(Ebd., S. 180).
Leichen aus dem Dritten Reich in Rockefellers Keller
Ähnlich
wie die Chefs zahlreicher us-amerikanischer Unternehmen - von Henry Ford bis zu
den DuPonts - fand auch die Rockefeller-Gruppe im US-Establishment das europäische
Modell des Faschismus eines Mussolini oder sogar das der Nazis in Deutschland
attraktiv. Die Wall Street und die führenden Industriekreise in den USA hatten
die Gewerkschaften schon immer abgelehnt und waren geradezu unbarmherzig, wenn
es darum ging, gegenüber der breiteren Bevölkerung Zugeständnisse
zu machen. Fasziniert beobachteten diese Kreise, wie Hitler und Mussolini es Anfang
der 1930er Jahre schafften, die organisierte Arbeiterschaft zu disziplinieren
und die Gewerkschaften samt ihren politischen Parteien zu zerschlagen - egal,
ob es Sozialdemokraten oder Kommunisten waren. (Ebd., S. 180).Es
gab aber auch einen geopolitischen Aspekt bei ihrer Sympathie für die Faschisten
vor dem Krieg. Wie ihre Vettern in den Kreisen des Round Tables in England wünschten
sie sich einen größeren Krieg; einen Krieg zwischen ihren wichtigsten
Rivalen im Kampf um die potenzielle Vorherrschaft in Eurasien: Deutschland und
Rußland (Sowjetunion). Einen Krieg also, in
dem die beiden Großmächte, Hitlers Drittes Reich und Stalins Sowjetunion,
»einander zu Tode bluten würden«, wie es ein britischer Insider,
Sir David Sterling, Gründer der britischen Eliteeinheit SAS, formulierte.
Mit ideologischen oder romantischen Illusionen über die Überlegenheit
der »arischen Rasse« hatte dies wenig zu tun, wenngleich die Rockefeller-Stiftung
bis 1939 die Eugenik-Forschung und Experimente an Menschen in Hitlers Drittem
Reich großzügig finanziell unterstützte. Es ging allein um den
Aufbau ihres US-Amerikanischen Jahrhunderts auf den Trümmern Europas.
(Ebd., S. 181).Zu Beginn des Kriegseintritts der Vereinigten Staaten
im Jahr 1941 war der (später in Exxon umbenannte) Konzern Standard Oil of
New Jersey der größte Ölproduzent der Welt. Der Konzern kontrollierte
84 Prozent des us-amerikanischen Ölmarktes. Seine Hausbank war die Chase
Bank, die Eigentümermehrheit lag bei der Rockefeller-Familie und ihren Stiftungen,
die von der Steuerzahlung befreit waren. Der nächstgrößte Aktionär
der Standard Oil nach den Rockefellers war die IG Farben, das riesige Petrochemie-Unternehmen
in Deutschland (das größte Chemieunternehmen
der Welt! [HB]), das damals ein wichtiger Teil der deutschen Rüstungsindustrie
war. Die Beziehung zwischen den Rockefellers und der IG Farben reichte bis in
das Jahr 1927 zurück, also ungefahr in die Zeit, als die Rockefeller-Stiftung
in großem Stil begann, die Eugenikforschung am Kaiser-Wilhelm-lnstitut in
Berlin finanziell zu unterstützen. (Ebd., S. 181-182).Nelson
Rockefeller bekämpfte zwar anscheinend als Chef der CIAA der US-Regierung
die Wirtschaftsinteressen der Nationalsozialisten in Lateinamerika, doch der Konzern
Standard Oil der Familie Rockefeller, vertreten durch den Vorsitzenden Walter
C. Teagle und Präsident William S. Farish, sorgten für die Lieferung
des damals unverzichtbaren Zusatzstoffes Tetraethylblei an die Deutsche Luftwaffe.
Teagle von Standard Oil, Henry Ford sowie Sir Henry Deterding, der Chef von Royal
Dutch Shell, waren vor dem Krieg alle offene Bewunderer des Dritten Reichs. (**).
(Ebd., S. 182). Am 25. März
1942 gab der stellvertretende US-Justizminister Thurman Arnold bekannt, daß
William Stamps Farish von Standard Oil sich in bezug auf Anschuldigungen einer
kriminellen Absprache mit den Nationalsozialisten für »nicht schuldig«
erklärt habe. Als George H. W. Bush 1980 zum US-Vizepräsidenten gewählt
wurde, ging sein persönliches Vermögen in die Treuhänderschaft
eines von William Stamps Farish III. - einem Enkel des früheren Chefs von
Standard Oil- verwalteten »blind trusts« über. Als Präsident
ernannte H. W. Bush dann Douglas Dillon vom Investmenthaus Dillon & Read,
einen alten Freund der Familie, zum Finanzminister. (Ebd., Anmerkung 29).
Kurz
nach Hitlers Machtübernahme Anfang 1933 hatte Teagle dafür gesorgt,
daß der persönliche Pressesprecher und »Meinungsmacher«
der Rockefeller-Familie, Ivy Lee, der IG Farben und der Nazi-Regierung in Berlin
Informationen über die us-amerikanische Reaktion auf die deutsche Aufrüstung,
auf die Behandlung der Kirchen im Dritten Reich und auf die Organisation der Geheimen
Staatspolizei (Gestapo) zugänglich machte. Lees Aufgabe bestand nun dann,
eine deutschfreundliche Propagandakampagne in den Vereinigten Staaten auf die
Beine zu stellen, um Sympathien für das Dritte Reich zu erzeugen. Lee wurde
über ein Konto bei der von Deutschland kontrollierten Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (BIZ; gegründet 1930 [HB])
in Basel bezahlt, ein Finanzinstitut, das ironischerweise 1930 gemäß
dem Owens-Plan (gemeint ist offenbar der Young-Plan [HB])
gegründet worden war, um die Zahlung der deutschen Kriegsreparationen nach
dem Ersten Weltkrieg abzuwickeln. Chef der BIZ zum Zeitpunkt der Überweisungen
an Ivy Lee war der US-Amerikaner Gates W. McGarrah, der früher für Rockefellers
Chase Bank in New York und die Federal Reserve tätig gewesen war. (Ebd.,
S. 182).Rockefellers Bank, die Chase Bank, spielte eine entscheidende
Rolle bei der Finanzierung der verschiedenen Rockefeller-Aktivitäten im nationalsozialistischen
Deutschland. Als Hitler 1936 das Rheinland remilitarisierte, gründete die
Schroeder Bank in New York mit den Rockefellers eine Partnerschaft namens Schroeder,
Rockefeller & Co., Investment Bankers. Das Time Magazine bezeichnete diese
Bank damals als »Wirtschaftsmotor der Achse Rom-Berlin« (Ebd.,
S. 182).Auffällig bei der neuen Bank waren die Partner, zu
denen als Vertreter der Familie John D. Rockefellers Neffe Avery Rockefeller zählte,
sowie Baron Bruno von Schröder (»englisch«:
Schroeder [HB]) aus London und der Vetter des Barons, Baron Kurt von Schröder,
Chef des Kölner Bankhauses J. H. Stein und Direktor bei der BIZ in Basel.
Kurt von Schröders Bankhaus J. H. Stein in Köln hatte schon 1931 bei
der frühen finanziellen Unterstützung Hitlers eine maßgebliche
Rolle gespielt und diente als Hitlers Liaison mit der deutschen Großindustrie
über die »Harzburger Front«, der führende Bankiers, Industrielle
und Militärs wie Hjalmar Schacht, Fritz Thyssen, General von Seeckt und zahlreiche
andere Prominente angehörten, die sich in der Frühphase der Wirtschaftskrise
Hitler zuwandten, den sie für den möglichen Retter ihrer Macht hielten.
(Ebd., S. 182-183).Auch die New Yorker Anwälte, die bei der
Gründung der Schroeder-Rockefeller-Bank Rechtsbeistand leisteten, waren zwei
Partner in Rockefellers Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell, nämlich die
Brüder John Foster und Allen Dulles. Allen Dulles saß anschließend
im Vorstand dieser neuen Bank. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, daß
sich Dulles während des Krieges dem us-amerikanischen Office of Strategic
Services (OSS), dem Vorläufer der CIA, anschloß und im Krieg vom
schweizerischen Bern aus geheimdienstliche Operationen leitete - angeblich gegen
Deutschland. (Ebd., S. 183).Die Geschäfte der New Yorker
Bank Schroeder, Rockefeller & Co. wurden über die Pariser Niederlassung
der Chase Bank abgewickelt, die ihren Geschäftsbetrieb während des gesamten
Krieges weiterführen konnte, obwohl Paris in der Zeit der Vichy-Regierung
von den Deutschen besetzt war. Über die Pariser Chase Bank liefen nicht nur
die Finanzgeschäfte mit dem Bankhaus Schroeder in New York, sondern auch
mit der nazifreundlichen französischen Banque Worms. Außerdem wurden
über die Pariser Chase Bank auch die Geschäfte von Rockefellers Standard
Oil im besetzten Frankreich abgewickelt. Die Direktoren von Standard Oil in Frankreich
saßen auch im Vorstand der Banque de Paris et des Pays-Bas in Vichy, die
ihrerseits als Verbindungsglied zwischen verschiedenen deutschen Bankkreisen und
der Chase Bank fungierte. (Ebd., S. 183).Nach dem Angriff
der japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 wurden alle noch in Paris verbliebenen
Zweigstellen us-amerikanischer Banken aus Angst vor feindseligen Angriffen geschlossen
- mit einer Ausnahme: Die einzige Bank, die während des gesamten Krieges
geöffnet blieb, war Rockefellers Chase Bank. Diese Bank handhabte auch die
persönlichen Bankgeschäfte für Otto Abetz, den deutschen Botschafter
in Paris. Zwischen den Rockefellers und Berlin bestanden enge Beziehungen.
(Ebd., S. 183).Allerdings stand der Rockefeller-Clan bei seinen
geheimen Finanzund Industriegeschäften mit dem Dritten Reich nicht allein.
Die Rockefellers kooperierten mit anderen führenden Vertretern im us-amerikanischen
Establishment, vor allem mit der Familie DuPont und der Familie Bush - durch Prescott
Bush, den Vater des späteren US-Präsidenten George Herbert Walker Bush
und Großvater von George W. Bush. (Ebd., S. 183-184).
Auch die Familien DuPont und Bush machen mit
|  Die
us-amerikanischen Medien berichteten im Juli 1942 über den Skandal um
Prescott Bush. Averell Harriman und andere Mitglieder des Rockefeller-Kreises,
die Thyssen und die deutsche Rüstungsindustrie unterstützt hatten. |
Während
der Bombardierung Londons durch die Deutsche Luftwaffe protestierte die britische
Regierung gegen die Lieferung von Tetraethyl-Blei durch Standard Oil an Deutschland.
Dieser Zusatzstoff war nötig, um Flugbenzin mit hoher Oktanzahl herzustellen,
und ohne dieses Benzin hätten die Flugzeuge der Luftwaffe nicht nach England
fliegen können. Standard Oil, DuPont und General Motors hatten weltweite
Patente auf dieses Äthyl-Additiv. 1938 hatte Teagle bei einem Geheimtreffen
mit dem Vorsitzenden der IG Farben, Hermann Schmitz, vereinbart, der IG-Farben
einige Tonnen von ihrem Tetraethylblei zu »leihen«. Teagle traf ähnliche
Absprachen, um auch die japanische Luftwaffe mit demselben Zusatzstoff zu versorgen.
(Ebd., S. 184).Bei den Geheimabkommen von Rockefellers Standard
Oü mit der IG-Farben während des Krieges war auch der riesige Chemiekonzern
DuPont aus Delaware mit von der Partie. Durch verschiedene Vereinbarungen in der
Petrochemie hatte Rockefellers Standard Oü den Konzern DuPont in den Kreis
der Rockefeller-Unternehmen gezogen. Dabei ging es auch um eine Vereinbarung zur
Herstellung von Tetraethylblei für Antiklopfmittel für Autobenzin mit
der Ethyl Company, einem gemeinsamen Unternehmen von Standard Oil, General Motors
und DuPont. (Ebd., S. 180).Bereits 1919 hatten DuPont- Vorstandsmitglieder
dem deutschen Chemiker und Industriellen Carl Bosch die gemeinsame Produktion
von Farbstoffen vorgeschlagen. Doch weil Bosch, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts
(zusammen mit Fritz Haber) bei der Badischen Anilin- und Soda Fabrik (BASF) ein
Verfahren zur Ammoniaksynthese entwickelt hatte, anschließend bei der BASF
zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen war und später seine eigene Firma
- die IG Farben - gründete, keinen Vorteil darin sah, den deutschen Sachverstand
mit den US-Amerikanern zu teilen, lehnte er den DuPont-Vorschlag ab. DuPont ließ
sich aber nicht entmutigen und versuchte nach der Gründung der IG Farben
im Jahre 1925 weiterhin, deutsches Know-how zu erwerben. Im darauffolgenden Jahr
unterzeichneten DuPont-Vertreter ein geheimes »Gentlemen's Agreement«
mit zwei Tochtergesellschaften der IG Farben, der Dynamit Aktiengesellschaft und
Köln Rottweiler - beides große Sprengstoffhersteller -, wobei beiden
Vertragspartnern das Vorrecht bei der Nutzung neuer Verfahren und Produkte eingeräumt
wurde, wie etwa bei der Herstellung von Schwarzpulver sowie Sicherheitsanzündschnüren
und Pulverzündschnüren. (Ebd., S. 184-185).DuPont
hatte in den 1920er Jahren über drei Millionen Dollar in die deutschen Rüstungsindustrie
investiert und sich damit einen großen Vorsprung vor allen us-amerikanischen
Konkurrenten gesichert. Im Jahre 1933 - Hitler war mittlerweile an die Macht gekommen
- willigten DuPont-Vertreter ein, dem Dritten Reich »militärische Treibstoffe
und militärische Sprengstoffe« zu verkaufen, was sowohl eine Verletzung
des Versailler Vertrages (Diktats! [HB]) als auch
des Friedensvertrags (Diktats! [HB]) zwischen den
USA und Deutschland bedeutete. Zu der Vereinbarung kam es, obwohl ein DuPont-Direktor
in Deutschland gewarnt hatte, es sei »allgemein bekannt«, daß
die IG Farben die Nationalsozialisten finanzierte. (Ebd., S. 185).Berichte
über die geheimen Kartellvereinbarungen DuPonts mit der IG Farben und anderen
Firmen in Europa kamen 1934 bei den Anhörungen über Kriegsmaterial im
US-Senat zur Sprache. Eine ganze Reihe von Direktoren aus der DuPont-Familie -
Lammot, Felix, Pierre und Irenee leugneten die Existenz solcher Vereinbarungen,
bis zum Beweis Dokumente vorgelegt wurden, die eine Kartellvereinbarung über
Sprengstoffe mit dem britischen Chemieriesen Imperial und verschiedenen deutschen
Unternehmen zweifelsfrei belegten. (Ebd., S. 185).Trotz dieser
peinlichen Enthüllungen unterhielt DuPont weiterhin während der Nazizeit
Verbindung zur IG Farben und gewährte Lizenzen zur Herstellung von Acryl-
und Stickstoffprodukten. 1939 vereinbarte DuPont mit dem deutschen Chemieriesen
einen intensiven Informationsaustausch, wobei der US-Konzern das Know-how für
die Herstellung vollsynthetischer Fasern lieferte und dafür von der IG Farben
die Patente zur Herstellung von Buna erhielt, einem neu entwickelten synthetischen
Kautschuk für die Reifenherstellung. (Ebd., S. 185).Der
Austausch strategisch wichtigen industriellen Know-hows ging ungehindert weiter,
obwohl dies die Gesetze über die us-amerikanische Neutralität verletzte
und obwohl Roosevelt von William Dodd, seinem Botschafter in Berlin, davor gewarnt
wurde. DuPont verhandelte weiterhin mit der IG Farben über Handelsabkommen,
und zwar bis zum Jahre 1941, als der Vorstand schließlich dafür stimmte,
die Aktien an der deutschen Firma zu verkaufen und den Austausch von Patenten
»auszusetzen«, bis »die derzeitige Notlage vorüber ist«.
(Ebd., S. 185).Diese von DuPont erwähnte »derzeitige
Notlage« war damals die offizielle Kriegserklärung der USA gegen Deutschland
und die Achsenmächte. (Ebd., S. 186).Auch Rockefellers
Standard Oil hatte seine Erfahrungen bei der Herstellung von künstlichem
Kautschuk sowie sein überlegenes Acetylen- Verfahren und seine Herstellungsmethode
für synthetisches Benzin an das nationalsozialistische Deutschland weitergegeben.
Mit dem auf diesem Wege hergestellten Benzin konnte nicht nur die deutsche Luftwaffe
zweieinhalb Jahre lang fliegen, sondern damit konnte Hitler auch seine riesige
motorisierte Armee in Bewegung halten. (Ebd., S. 186).Bis
zu dem Moment, als deutsche Panzer in die Niederlande und Frankreich einrückten,
waren die führenden Kreise um Neville Chamberlain in England und die Rockefeller-Gruppe
an der Wall Street fest davon überzeugt, das Dritte Reich werde sich zur
Sicherung seines »Lebensraums« nach Osten und nicht nach Westen wenden.
Der wahre Zweck von Chamberlains berüchtigter Münchner »Appeasement«-Politik
bezüglich des deutschen Anspruchs auf das Sudetenland und die Tschechoslowakei
bestand dann, die Deutschen dazu zu verleiten, ihren »Lebensraum«
nach Osten, in Richtung von Stalins Sowjetunion, auszudehnen. Hitler sollte meinen,
England habe nichts dagegen einzuwenden. (Ebd., S. 186).Chamberlain
erhielt seine geopolitischen Direktiven von der einflußreichen Fraktion
des Round Tables im britischen Establishment. Vor 1914 hatte vor allem die Round-Table-Gruppe
von Lord Milner die Propagandatrommel für einen Krieg gegen Deutschland gerührt.
Die hasserfülltesten germanophoben Töne kamen damals von Philipp Kerr,
dem später der Titel Lord Lothian verliehen wurde. (Ebd., S. 186).Ende
der 1930er Jahre propagierte derselbe Round Table, der vor 1914 massiv Propaganda
für einen Krieg gegen das Deutsche Reich gemacht hatte, das genaue Gegenteil.
In öffentlichen Reden und in der Londoner Times, dem Hausblatt des Round-Table-Mitglieds
Geoffrey Dawson, sowie in ihrem eigenen Magazin, The Round Table, forderten
diese britischen Elitekreise, die Remilitarisierung des Rheinlands durch die Reichsregierung
zu tolerieren und jede Einmischung in den Spanischen Bürgerkrieg zu unterlassen,
bei dem Deutschland Francos Streitkräfte nicht nur tatkräftig logistisch,
sondern auch mit Waffen unterstützte. (Ebd., S. 186).Im
Januar 1935 traf Lord Lothian, der später zum Botschafter Seiner Majestät
in Washington ernannt werden sollte, mit Hitler zusammen. Angeblich schlug Hitler
Lord Lothian eine Allianz zwischen England, Deutschland und den Vereinigten Staaten
vor, die Hitler freie Bahn für einen Vorstoß nach Osten gegen Rußland
verschaffen würde. Als Gegenleistung habe Hitler dem Vernehmen noch Lord
Lothian versprochen, er werde Deutschland nicht zu einer »Weltmacht«
aufsteigen lassen oder den Versuch unternehmen, der britischen Marine bei der
Kontrolle der Weltmeere Konkurrenz zu machen. (Ebd., S. 186-187).Diese
Kehrtwendungen von 180 Grad in der Deutschland-Politik des britischen Round Tables
zu unterschiedlichen Zeiten und auch die Politik seiner Verbündeten in den
Kreisen des Council on Foreign Relations in New York werden nur dann verständlich,
wenn man die Ziele der britischen Geopolitik berücksichtigt. Sir Halford
Mackinder hatte schon 1919 bei den Friedens(diktat)gesprächen
in Versailles erklärt, Ziel der britischen Geopolitik der »Balance
of Power« (des Machtgleichgewichts) sei es, sich stets mit dem schwächeren
von zwei kontinentaleuropäischen Rivalen gegen den stärkeren zu verbünden.
In den Jahren bis zum Ausbruch des Großen Krieges im August 1914 war Frankreich
der schwächere Rivale auf dem Kontinent, Deutschland der stärkere. Während
der 1930er Jahre bis zur Invasion der Wehrmacht in den Niederlanden war Frankreich
der stärkere der beiden Gegner Englands auf dem Kontinent, und zwar durch
seine Allianzen mit Polen und der Tschechoslowakei sowie seine unilaterale Gold-
und Finanzpolitik. (Ebd., S. 187).Wenn einerseits Hitler
und sein innerster Kreis das Wesen der britischen geopolitischen Strategie nicht
verstanden, so hatten andererseits auch die Kreise im Umfeld des britischen Round
Tables nicht verstanden, wie tief die Lektion des Ersten Weltkriegs - nämlich,
daß Deutschland nie wieder einen Zweifrontenkrieg führen würde
- dem Generalstab der Reichswehr und den führenden Nationalsozialisten in
den Knochen steckte. (**).
(Ebd., S. 187). Bedeutsam ist
die Dokumentation der Tatsache, daß dieselben Mitglieder des britischen
Round Tables um Lord Lothian (Philipp Kerr), des
britischen Botschafters in Washington während des Zweiten Weltkriegs, die
1914 die Propagandatrommel für einen Krieg gegen Deutschland gerührt
hatten, im Jahre 1938 dasselbe zur Unterstützung der deutschen Waffenkäufe
taten. Beides war jeweils nur ein Aspekt der größeren geopolitischen
Absicht, Rivalen auf dem eurasischen Kontinent zu zerstören. Die Rockefeller-Gruppe
in den USA stimmte aus eigenen Motiven ihr Vorgehen eng mit dem Round Table ab.
Siehe auch Carroll Quigley, a.a.0., S. 628-629. Dort wird dargelegt, welche strategischen
Überlegungen Chamberlain bei seinem Appeasement-Versuch 1938 in München
bewogen, nämlich Deutschlands »Drang nach Osten« (den
es so nie gehabt hat [HB]) zu befördern.(Ebd., Anmerkung 41).
Als
die Börsenaufsichtskommission der US-Regierung im Februar 1938 eine Untersuchung
über die Rolle von Standard Oil bei der Kontrolle von American IG, einem
Joint Venture mit der IG Farben, veranstaltete, nahm Konzernchef Teagle
zu Lügen Zuflucht und behauptete, er wisse von nichts. Anschließend
faßte er den Entschluß, bei Standard Oil eine weniger exponierte Rolle
zu spielen, und überließ auf Verlangen von John D. Rockefeller jun.
die Aufsicht über das Tagesgeschäft seinem Freund, dem Standard-Oil-Direktor
William Stamp Farish. Auch der Konzern Standard Oil belog die Regierung und behauptete,
seine Politik inzwischen geändert zu haben. (Ebd., S. 187).Doch
diese Veränderung war rein kosmetischer Natur. Standard Oil ließ lediglich
seine Flotte in Panama registrieren, um einer Durchsuchung oder Beschlagnahmung
durch England zu entgehen. Doch die Schiffe transportierten weiterhin Öl
nach Teneriffa und an die Küste Spanisch Saharas im Nordwesten Afrikas, wo
sie aufgetankt wurden während ihre Ladung gleichzeitig auf deutsche Tanker
zum Weitertransport nach Hamburg umgeladen wurde. (Ebd., S. 187-188).Die
IG Farben verfügte noch immer über einen Brückenkopf auf dem lukrativen
US-Markt, und zwar durch den Besitz von 90 Prozent der Anteile der General Aniline
and Film Corporation (GAF) mit Sitz in New York. Diese Gesellschaft wiederum -
eine Strohfirma - kontrollierte Anteile in Höhe von 11,5 Millionen Dollar
bei us-amerikanischen Firmendarunter auch Standard Oil und DuPont. (Ebd.,
S. 188).Als das bekannt wurde, kam es zu einem wahren Proteststurm
in der Presse, der dazu führte, daß die US-Regierung das Vermögen
von General Aniline nach dem » Trading with the Enemy Act«, dem US-Gesetz
über den Handel mit dem Feind, beschlagnahmte. 1943 wurden DuPont und zwei
weitere US-Unternehmen der Teilnahme an einem internationalen Komplott zur Kontrolle
strategisch wichtiger Metalle angeklagt. DuPont wurde schließlich verurteilt.
(Ebd., S. 188).Diese Firma aus Delaware mußte sich im Januar
1944 erneut vor Gericht verantworten, dieses Mal als Beteiligter bei Kartellvereinbarungen
über Sprengstoffe. Dabei stellte sich heraus, daß in Deutschland nur
drei oder vier Direktoren der IG Farben eingeweiht waren sowie der Finanzberater
Erwin Respondek, der geholfen hatte, die Vereinbarung zu formulieren. (Ebd.,
S. 188).Der Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und den Vereinigten
Staaten im Dezember 1941 beeinflußte diesen Pakt nicht. Wie Respondek nach
dem Krieg erklärte, hatte die IG Farben »DuPont vor und während
des deutsch-amerikanischen Konflikts bis Januar/Februar 1945 über eine gesicherte
Route über Basel mit detaillierten Informationen versorgt«. Die vertraulichen
Unterlagen, die die IG Farben an DuPont lieferte - und von dort erhielt -, wurden
»in einem besonderen Safe aufbewahrt, zu dem außer drei oder vier
besonderen Direktoren niemand Zugang hatte« (Ebd., S. 188).DuPont
und die IG Farben waren auch an extrem sensitiven kriegsrelevanten Forschungs-
und Entwicklungsarbeiten beteiligt. Während des Ersten Weltkriegs hatte ein
deutscher Chemiker namens Walter Heldt ein Giftgas entwickelt, das als Zyklon
B bekannt war und zur Entlausung eingesetzt wurde. Die Herstellung dieses Gases
oblag nun der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (DEGESCH),
die zu 42,5 Prozent der IG Farben gehörte. Als die Nationalsozialisten 1942
mit der Durchführung ihrer »Endlösung« begannen und Gaskammern
bauten, lieferte die DEGESCH das Zyklon B. 1942 behauptete US-Senator Harry S.
Truman bei einer Untersuchung des Senats, die Beziehung zwischen Rockefeller und
der IG Farben »grenzt an Verrat« Paul Manning, der Kriegskorrespondent
von CES News, berichtete am 10. August 1944, die Partner Rockefeller und IG Farben
hätten ihr »Fluchtkapital« mit der Hilfe ihnen nahestehender
us-amerikanischer, deutscher, französischer, englischer und schweizerischer
Banken verschoben. Unter dem Schutz des Weißen Hauses wurde - abgesehen
von einigen kleineren Geldstrafen - praktisch nichts gegen die Rockefeller- und
DuPont-Interessen wegen ihrer Verletzung des »Trading with the Enemy Acts«
unternommen. (Ebd., S. 188-189). |
Ein
weiterer wichtiger Akteur bei der Unterstützung der Rockefellers und der
Wall Street für das Dritte Reich und einen künftigen Krieg gegen die
Sowjetunion war der Vater von Präsident Herbert Walker Bush, Prescott Bush,
der wie sein Sohn und sein Enkel, George W. Bush, Mitglied von Skull & Bones
(**) war, dem elitären Gehe,imbund
der Universität Yale.« (Ebd., S. 189).Die Familie
Bush hatte vor dem Zweiten Weltkrieg schon jahrzehntelang engstens mit der mächtigen
Rockefeller-Gruppe zusammengearbeitet. Beide Familien machten ihr Geld in der
Öl- und Rüstungsindustrie.« (Ebd., S. 189).George
H. Walker und Samuel Prescott Bush, die Großväter von George Herbert
Walker Bush, waren im und nach dem Ersten Weltkrieg die Gründerväter
der Familiendynastie. Walker, Financier aus St. Louis, hatte mit Rüstungsverträgen
ein Vermögen gemacht. 1919 wurde er von dem Eisenbahnerben W. Averell Harriman
als Präsident der Wall-Street-Firma W. A. Harriman Co. angestellt, die in
den 1920er Jahren in Öl, Schifffahrt, Luftfahrt und Mangan investierte, teilweise
auch in Rußland und Deutschland. Samuel Bush betrieb in Ohio ein Stahlunternehmen
namens Buckeye Steel Castings, in dem Waffen hergestellt wurden. 1917 berief ihn
Bernard Baruch zum Leiter der damals noch kleinen Abteilung für Waffen, Munition
und Versorgung des staatlichen War Industries Boards in Washington.46 Sowohl George
Walker als auch Sam Bush waren an der Bildung des späteren militärisch-industriellen
Komplexes in den USA beteiligt. (Ebd., S. 190).Prescott Bush
machte sein Vermögen als Direktor von Unternehmen, die im Zweiten Weltkrieg
zur us-amerikanischen Rüstungsindustrie gehörten; aber zur gleichen
Zeit waren seine Unternehmen auch -über Thyssen -strategisch an der geheimen
Rüstung und Finanzierung des Dritten Reiches beteiligt. Ein Bush-Unternehmen,
Dresser Industries aus Texas, stellte die Brandbomben her, die über Tokio
abgeworfen wurden, und produzierte Gasdiffusionspumpen für das Atombombenprojekt.
(Ebd., S. 190).Die Familie Bush unterhielt neben den langjährigen
Verbindungen zu dem reichen Bank- und Eisenbahnmagnaten Harriman auch enge Beziehungen
zu den Rockefellers, die die Ölindustrie kontrollierten. Bushs Verbindungen
zu John D. Rockefeller und Standard Oil gingen auf die Zeit vor über 100
Jahren zurück, als Rockefeller Sam Bushs Buckeye Steel Castings dadurch einen
fabelhaften Erfolg bescherte, daß er die Eisenbahngesellschaften, die sein
Öl transportierten -und die übrigens teilweise Harriman gehörten
-, dazu überredete, das schwere Gerät bei Buckeye Steel zu kaufen. George
H. Walker half in den 1920er Jahren beim Wiederaufbau der sowjetischen Ölindustrie,
und Prescott Bush sammelte als Direktor von Dresser Industries in Texas Erfahrungen
im internationalen Ölgeschäft. Dresser Industries gehörte zu den
Bank-Holdings der Familie Harriman und unterhielt engste Beziehungen zu Rockefellers
ÖI-Interessen. Später wurde Dresser Teil der Halliburton Corporation,
also des Konzerns, der durch Dick Cheney traurige Berühmtheit erlangte.
(Ebd., S. 190).Als Folge der Reorganisation der Macht an der Wall
Street nach dem Börsenkrach von 1929 schloß sich im Jahr 1931 Averell
Harrimans Investmentbank W A. Harriman & Co. mit dem britisch-us-amerikanischen
Investmenthaus Brown Brothers zusammen - zur Investmentbank Brown Bros. Harriman.
Seniorpartner waren Averell und sein Bruder sowie Prescott Bush und Thatcher H.
Brown. Der Londoner Zweig dieses Investmenthauses war fortan unter dem Namen Brown
Shipley tätig, und bei dieser Bank war Montagu Norman (**)
Seniorpartner gewesen, bevor er Chef der Bank von England wurde. (Ebd.,
S. 190-191).Harriman war bereits in den 1920er Jahren der New Yorker
Bankier für den deutschen Stahlmagnaten Fritz Thyssen geworden. 1934, also
ein Jahr nach Errichtung des Dritten Reiches, hatte es Prescott Bush, Seniorpartner
bei Brown Bros. Harriman, zum Direktor bei der Union Banking Corporation gebracht,
die in den USA für den deutschen Montankonzern Vereinigte Stahlwerke AG tätig
war. 1926 war ein enger Freund von Prescott Bush, der einflußreiche Wall-Street-Investmentbankier
Clarence Dillon vom Investmenthaus Dillon Read & Co., im Auftrag von Thyssen
an der Gründung der Vereinigten Stahlwerke beteiligt; er selbst hatte zwei
Sitze im Vorstand des neuen Montankonzerns inne. (Ebd., S. 191).Offiziell
wurde die Union Banking Corporation (UBC) 1924 in den New Yorker Büroräumen
von W A. Harriman & Co. gegründet. Die UBC war eng mit der niederländischen
Bank voor Handel en Sheepvaart (BHS) liiert, die wiederum Thyssen gehörte.
Die UBC war das Vehikel, mit dem unter Zuhilfenahme der niederländischen
BHS Gelder vom Thyssen-Unternehmen über den Atlantik in die USA sowie von
dort nach Deutschland geschleust wurden. Das Investmenthaus Brown Bros. Harriman
- d.h. Prescott Bush und Averell Harriman, der übrigens, wie Bush, ebenfalls
in Yale der Geheimgesellschaft Skull & Bones (**)
angehört hatte - fungierte also als Manager für Thyssens Finanzoperationen
außerhalb Deutschlands. (Ebd., S. 191).Im Jahr 1942
unterzeichnete Leo T. Crowley, der Alien Property Custodian (Treuhänder ausländischer
Vermögen) der US-Regierung, die »Vesting Order No. 248« zur Beschlagnahmung
des Vermögens von Prescott Bush gemäß dem »Trading with
The Enemy Act«. Diese Verfügung wurde aber nur in einigen schwer zugänglichen
Aktenverzeichnissen der US-Regierung veröffentlicht und von der Presse nicht
aufgegriffen. Außerdem hieß es in diesem Papier lediglich, die Union
Banking Corporation sei tätig gewesen im Auftrag der »Thyssen-Familie
aus Deutschland ..., Staatsbürger ... eines als feindlich bezeichneten Landes«
(Ebd., S. 191).Als Ermittler des US-Kongresses nach dem Krieg die
Thyssen-Strukturen, die Union Banking Corporation und andere Betriebe mit Nazi-Verbindungen
untersuchten, gaben sie bekannt, daß die Vereinigten Stahlwerke während
des Dritten Reiches die folgenden prozentualen Anteile der deutschen Gesamtproduktion
hergestellt hatten: 50,6 Prozent des gesamten Roheisens, 41,4 Prozent des Universalblechs,
30,6 Prozent des Grobblechs, 38,5 Prozent der Gesamtproduktion von galvanisiertem
Blech, 45,5 Prozent aller Rohre und Leitungen, 22,1 Prozent aller Drähte,
35,0 Prozent der Sprengstoffe. Die Vereinigten Stahlwerke spielten also eine erhebliche
Rolle bei der Rüstungsproduktion. (Ebd., S. 191-192).Bei
genauerer Betrachtung ging es bei der weitreichenden und wenig bekannten Beteiligung
der Familien Rockefeller, Harriman und Bush an der lebenswichtigen Unterstützung
für die Kriegsvorbereitungen des Dritten Reiches um viel ehrgeizigere Ziele
als nur um ihre Sympathie für die Philosophie und Methoden in Hitler-Deutschland
.... Ihr Ziel bestand nicht etwa darin, ein siegreiches Deutschland zu unterstützen,
sondern sie wollten einen Weltkrieg, aus dem dann nach 1945 ein US-Amerikanisches
Jahrhundert, genauer gesagt ein »Rockefeller-Jahrhundert«,
hervorgehen sollte. (Ebd., S. 192).Bush, Rockefeller, Harriman,
DuPont und Dillon waren maßgeblich daran beteiligt, dem Dritten Reich in
seiner Frühphase wichtige Unterstützung zukommen zu lassen, denn das
gehörte zu ihrem großen geopolitischen Plan, die europäischen
Großmächte, besonders Deutschland und Rußland (Sowjetunion),
dazu zu bringen, sich gegenseitig zu zerstören. Wie erwähnt sprach ein
britischer Stratege davon, diese beiden Mächte »sollten einander zu
Tode bluten«, und das sollte den Weg für die Hegemonie des US-Amerikanischen
Jahrhunderts ebnen. Das war die eigentliche Absicht der von Rockefeller finanzierten
War & Peace Studies. (Ebd., S. 192).Zusätzlich zu
den Geschäften der Rockefellers in Deutschland und Rest-Europa während
des Zweiten Weltkriegs sollte Nelson Rockefeller in Lateinamerika eine strategisch
wichtige Rolle dabei spielen, die unenneßlichen Rohstoffe zu sichern und
die nötigen politischen Bündnisse zu schmieden, die man nach dem Krieg
für den Aufbau des us-amerikanischen Empires nutzen wollte. (Ebd.,
S. 192).
Der Aufbau des Rockefeller-Imperiums in Lateinamerika
Während
des Zweiten Weltkriegs war Nelson Rockefeller mit der Aufgabe betraut, in Lateinamerika
vor der Gründung der CIA die geheimdienstlichen und verdeckten Operationen
der USA zu koordinieren. Er war die direkte Verbindung zwischen Präsident
Franktin Roosevelt und Sir William Stephenson, dem persönlichen Geheimdienstchef
für ganz Amerika des britischen Premierministers Winston Churchill. Sir Stephenson
leitete ein Deckunternehmen namens British Security Coordination oder BSC. Bezeichnenderweise
befand sich das geheime Hauptquartier für Stevensons verdeckte Aktivitäten
im Rockefeller Center in New York City, und zwar in Raum 3603, d.h. ganz in der
Nähe von Nelsons eigenem Büro. Das war kein Zufall. Rockefeller und
Stephenson stimmten die beiderseitigen Geheimdienstoperationen in Nord- und Südamerika
eng miteinander ab, wobei Rockefeller allerdings bereits die Übernahme der
besten britischen Anlagewerte in dieser Weltregion vorbereitete. (Ebd.,
S. 193).In Washington installierte Rockefeller ein von ihm handverlesenes
Team, das aus engen Geschäftspartnern seiner Familie bestand. Dazu gehörten
auch Joseph Rovensky von der Chase Bank und Will Clayton, ein Baumwollmagnat aus
Texas von der Firma Anderson Clayton, ein Unternehmen, das landwirtschaftliche
Produkte herstellte. Nelsons Assistent John McClintock betrieb nach dem Krieg
in ganz Zentralamerika die riesigen Plantagen der United Fruit Company, in deren
Auftrag die CIA 1954 einen Putsch in Guatemala inszenierte. (Ebd., S. 193).Nelson
Rockefellers Tätigkeit während des Krieges legte die Basis für
die massive Ausweitung der Familieninteressen in den 1950er Jahren. Er entwarf
ein gemeinsames Verteidigungskonzept für die USA und Lateinamerika, das die
Militärelite in Lateinamerika im Kalten Krieg an die USA binden sollte. Oft
genug geschah dies durch rücksichtslose Militärdiktatoren, die von der
Unterstützung durch die Familie Rockefeller profitierten und die von den
Rockefeller-Interessen bei ihren Geschäften eine Vorzugsbehandlung genossen.
Nelson nannte diese von ihm unterstützten kooperativen lateinamerikanischen
Militärdiktatoren »das neue Militär«. Einige Jahre später
sollte dieses Konzept das Vorbild für die NATO werden. (Ebd., S. 193).Seit
den 1930er Jahren hatte Nelson Rockefeller bei den Investitionen us-amerikanischer
Unternehmen in Lateinamerika eine Vorreiterrolle gespielt. Damals war er Direktor
von Creole Petroleum, der Tochtergesellschaft von Standard Oil in Venezuela. 1938
hatte er den Versuch unternommen, mit dem damaligen mexikanischen Präsidenten
Lazaro Cárdenas über eine Niederlassung für Standard Oil in Mexiko
zu verhandeln, hatte damit aber keinen Erfolg. Vielmehr hatte Cárdenas
Standard Oil verstaatlicht, was die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko vergiftete.
(Ebd., S. 194).In den 1940er Jahren gründete Nelson Rockefeller
die Mexican-American Development Corp. (als ob Mexiko nicht
zum Kontinent Amerika gehörte [HB]), und nach dem Krieg war er Privatinvestor
in der mexikanischen Industrie. Er ermunterte seinen Bruder David Rockefeller,
die Lateinamerika-Abteilung der Chase Bank zu gründen. (Ebd., S. 194).Während
des Krieges hatte Nelson Rockefeller als Chef von Roosevelts CIAA ein Netzwerk
von Journalisten und Herausgebern großer Zeitungen in ganz Lateinamerika
aufgebaut. Dabei drohte er neutralen lateinamerikanischen Zeitungsherausgebern
an, sie von der Versorgung mit kanadischem Zeitungspapier abzuschneiden. Schon
bald brüstete sich Rockefeller damit, er kontrolliere 1200 Zeitungsherausgeber
in Lateinamerika, weil diese ansonsten kein Zeitungspapier mehr erhalten würden
- die Lieferungen erfolgten mit us-amerikanischen Schiffen. (Ebd., S. 194).Rockefellers
Pressestab versorgte dann ganz Lateinamerika mit us-amerikafreundlichen Stories,
die natürlich besonders wohlgesonnen gegenüber den Geschäftsinteressen
der Rockefellers in Südamerika waren. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung
des Einflusses der Nationalsozialisten in Lateinamerika legten Nelson Rockefeller
und seine Brüder die Grundlage für ihr riesiges privates Geschäftsimperium
in der Nachkriegszeit. (Ebd., S. 194).Während Nelson
Rockefeller als Koordinator für den US-Geheimdienst in Lateinamerika für
die us-amerikanische Regierung arbeitete, lieferten die Rockefeller-Banken und
Standard Oil lebenswichtige Rohstoffe an das Dritte Reich und leisteten aktive
Finanzhilfe. Bis zum Moment der Kriegserklärung der USA im Dezember 1941
war Standard Oil rund um die Uhr damit beschäftigt, dem deutschen Militär
unverzichtbare Ölprodukte zu liefern. Als die Tanker von Standard Oil, die
illegal nach Europa unterwegs waren, durch eine britische Seeblockade gestoppt
wurden, sorgte Farish von Standard Oil dafür, daß das Öl nach
Rußland und von dort über die Transsibirische Eisenbahn nach Berlin
transportiert wurde; oder aber von Rußland nach Nordafrika - konkret Casablanca,
das damals von der nazi-freundlichen Vichy-Regierung Frankreichs kontrolliert
wurde. Die Öllieferungen der Rockefellers von ihren Ölfeldern in Südamerika,
vor allem Venezuela, wurden ergänzt durch eine Vereinbarung zwischen der
IG Farben und Farish von Standard Oil, in der festgelegt wurde, daß Standard
Oil seine Ölfelder im rumänischen Ploesti an den deutschen Industriekonzern
IG Farben verpachtete. (Ebd., S. 194-195).Die IG Farben ihrerseits
finanzierte in Rumänien zum Schutz der Ölleitungen die Aufstellung der
Eisernen Garde von General lan Antonescu. Um die Öllieferungen von Standard
Oil an die Achsenmächte, also auch an Mussolinis Italien, zu sichern, ließ
Farish die Tanker von Standard Oil nicht wie bisher unter deutscher, sondern unter
panamesischer Flagge registrieren. Dadurch erhielt er von James Forrestal, dem
damaligen Staatssekretär im US-Marineministerium, die Freistellung vor einer
möglichen Beschlagnahmung. Dieser Forrestal saß gleichzeitig als Vizepräsident
im Vorstand der General Analine & Film, dem gemeinsamen Unternehmen von Standard
Oil und IG Farben. (Ebd., S. 195).Entgegen Farishs Versicherung
an die us-amerikanischen Behörden, er habe die Öllieferungen über
Rockefeller-Außenposten wie Brasilien oder Teneriffa gestoppt, gingen diese
Lieferungen illegal bis nach dem Angriff auf Pearl Harbor weiter. Farish war damals
übrigens auch Mitglied im War Petroleum Board der US-Regierung. (Ebd.,
S. 195).Während die Rockefeller-Gruppe durch das Wirken von
Nelson Rockefellers CIAA aktiv daran arbeitete, sich den lateinamerikanischen
»Lebensraum« in Lateinamerika zu sichern, arbeiteten die Partner der
Rockefellers in der deutschen Industrie aktiv an ihrer eigenen Version vom »Lebensraum«.
(Ebd., S. 195).
Die Lehren der britischen Geopolitik außer Acht gelassen
| »Wer Osteuropa regiert,
beherrscht das Herzland; wer das Herzland regiert, beherrscht die Weltinsel;
wer die Weltinsel regiert, beherrscht die gesamte Welt.« (Halford Mackinder,
1919). | Es
gibt einen (scheinbaren) Widerspruch in der Rolle der führenden Kreise des
Council on Foreign Relations und der Internationalisten im Umkreis der Rockefeller-Gruppe.
Einerseits finanzierten sie die War & Peace Studies des CFR, deren Autoren
erklärtermaßen einen detaillierten Plan für die weltweite Hegemonie
US-Amerikas nach dem Krieg entwerfen wollten -für ein US-Amerikanisches Jahrhundert.
Andererseits haben die Rockefellers, Standard Oil und Unternehmen wie Dow Chemicals
und DuPont aber anscheinend in erheblichem Maße die Aufrüstung des
Dritten Reichs unterstützt, und zwar mit einer Energie, die weit darüber
hinausging, daß sie sich von den täglichen Geschäften mit dem
Dritten Reich einen erheblichen Gewinn versprachen. (Ebd., S. 199).Doch
dieses scheinbare Paradox löst sich auf, wenn man die us-amerikanische Geopolitik
in dem Sinne versteht, wie Isaiah Bowman vom CFR und Nicholas Spykman von der
Universität Yale sie auffaßten. Bowman und Spykman hatten die wesentlichen
Aspekte der Ideen des Briten Halford Mackinder zu einer besonderen us-amerikanischen
Form der Geopolitik geformt - der eines us-amerikanischen Empires. (Ebd.,
S. 199).Für die us-amerikanischen Eliten im Umfeld des CFR
war Krieg lediglich ein Instrument der Politik, ihr weltweites Finanzimperium
nach dem Krieg auszuweiten und einen us-amerikanischen »Lebensraum«
zu schaffen, der nicht nur das Britische Empire, sondern auch das Deutsche Reich
und jede andere mögliche europäische Kontinentalmacht ersetzte. Wie
aus Spykmans Worten hervorgeht, war ihnen bei dem Versuch, einen noch größeren
us-amerikanischen Lebensraum durch die Eroberung und Unterwerfung neuer Märkte
im Gefolge ihrer Kriege zu schaffen, nur allzu bewußt, daß das, was
die Welt Frieden nannte, in Wirklichkeit nur ein »einstweiliger Waffenstillstand«
war - bis die mögliche Ausbeutung einer bestimmten Weltregion erschöpft
war und ein neuer Eroberungskrieg nötig wurde. Mit großer geopolitischer
Voraussicht schrieb Spykman 1938: »Wenn die Träume einer Europäischen
Konföderation nicht Wirklichkeit werden, dann ist es sehr gut möglich,
daß in 50 Jahren das Quadrumvirat der Weltmächte von China, Indien,
den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion gebildet wird.« (Unerläßliche,
also notwendige Voraussetzung dafür war aber - wie schon mehrfach gesagt
-, daß der größte, ja einzige Konkurrent der USA zerstört
werden mußte: Deutschland! [HB]). Das also verstanden Spykman, Bowman
und die führenden Kreise im Umfeld der Rockefeller-Dynastie unter internationaler
Politik. Gegenüber dem berühmten Diktum von Clausewitz, der Krieg sei
eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, war dies eine bedeutsame Veränderung.
(Ebd., S. 199-200).Wenn die Führung des einflußreichen
britischen Round Tables die grundlegenden geopolitischen Anforderungen Deutschlands
nicht verstand, so herrschte auch bei den Deutschen - und bei Hitler ganz besonders
- ein verhängnisvolles Mißverständnis über die Grundzüge
der britischen Geopolitik, aus welchen Gründen auch immer. (Ebd., S.
200).Bevor jedoch das US-Amerikanische Jahrhundert zur dominierenden
Weltmacht werden konnte, wie es Rockefeller, Isaiah Bowman und die Eliten im Umkreis
des New Yorker Council on Foreign Relations planten, mußten sich alle potenziellen
Rivalen in einem großen Massaker gegenseitig vernichten. Nur dann ließe
sich mit Sicherheit ausschließen, daß ... das Deutsche Reich das Machtvakuum
... ausfüllen könnte, das nach einem Zusammenbruch Frankreichs und seiner
Alliierten entstanden wäre. (Ebd., S. 200).Von Washington
aus unterhielt Franklin Delano Roosevelt eine geheime Korrespondenz mit Churchill,
und zwar schon lange bevor die USA im Dezember 1941 in den Krieg eintraten. Churchill,
der gerissene und absolut prinzipienlose Verfechter der Interessen des Britischen
Empires, versuchte, seine Verbindungen zum us-amerikanischen Präsidenten
dahingehend auszunutzen, daß er so viel wie möglich für England
dabei herausschlagen konnte. Zu den größten Rätseln der Anfangsjahre
des Zweiten Weltkriegs in Europa gehört die Frage, warum Hitler nicht zuerst
England in die Knie zwang - was in Dünkirchen leicht möglich gewesen
wäre -, bevor er sich definitiv nach Osten wandte und gegen die Sowjetunion
losschlug. (Ebd., S. 200).Der fürchterliche Zweite Weltkrieg
war ein gewaltiger Zusammenstoß widerstrebender geopolitischer Strategien
um die Vorherrschaft. Die traditionelle geopolitische Strategie Großbritanniens
bestand darin, Kontinentaleuropa zu spalten und die Meere zu beherrschen. Churchills
beispiellose Entscheidung, sich mit ... den Vereinigten Staaten, im Krieg gegen
Deutschland zu verbünden, beruhte auf der Kalkulation, nur so könnte
die weltweite Vormachtstellung des Britischen Empires gerettet werden. (In
Wirklichkeit war das Britische Empire zu diesem Zeitpunkt längst so gut wie
tot! [HB]). (Ebd., S. 200-201).Die Opposition gegen
Hitler innerhalb der deutschen Großindustrie und Hochfinanz sowie bei hochrangigen
Militärs beruhte auf den geopolitischen Plänen dieser Kreise, einen
Wirtschaftsimperialismus anstelle eines militärischen Imperialismus
zu errichten - eine »penetration pacifique«, ein »Drang nach
Osten«, der sich gegen Osteuropa und schließlich auch gegen die Sowjetunion
richtete. Hitler verfocht die geopolitische Strategie eines Lebensraums, der die
brutale militärische Unterdrückung der slawischen Völker forderte,
während die deutsche Großindustrie versuchte, dieselben Gebiete durch
wirtschaftliche Mittel statt durch Krieg zu erobern. (Ebd., S. 201).Die
Vereinigten Staaten und insbesondere die Internationalisten im Umkreis von Präsident
Roosevelt wie Rockefeller, DuPont, Prescott Bush und der Council on Foreign Relations
verfolgten einen ganz eigenen geopolitischen Plan. Sie wollten Hitler und Deutschland
unterstützen und ausnutzen, um damit ein für alle Mal die Möglichkeit
auszuschalten, daß Deutschland erneut zum Herausforderer eines us-amerikanischen
Lebensraums werden könnte. Sie wollten die us-amerikanische Überlegenheit
über die vom Krieg verwüsteten Länder Deutschland, England und
Stalins Sowjetunion durchsetzen. Die Rockefellers und ihre Freunde waren genauso
wenig »deutschfreundlich«, wie sie »englandfreundlich«
waren. Sie wollten ein US-Amerikanisches Jahrhundert, und vor allem eines
für Rockefeller, und zwar in einem fast monarchistischen Sinne. Ihre Ailianzen,
mal mit Deutschland, mal mit der Sowjetunion oder England, waren für sie
lediglich taktische Manöver auf dem Weg zur Erfüllung ihres strategischen
Endziels: die weltweite Hegemonie US-Amerikas, ihr us-amerikanisches »Manifest
Destiny«, ihr »Lebensraum« bzw. »Grand Area«.
(Ebd., S. 201).Fritz Hesse, Ribbentrops England-Berater im deutschen
Außenministerium, glaubte, Hitlers entscheidender Fehler habe in seiner
fatalen Unverständnis der Axiome der britischen Geopolitik bestanden. Der
»Führer« habe nicht verstanden, warum Churchiil eine Einigung
mit Hitler über die Aufteilung der Welt noch nicht einmal in Erwägung
ziehen wollte. Und das zu einer Zeit, als das Überleben Englands selbst alles
andere als gesichert zu sein schien. (Ebd., S. 201).Ebenso
wurde Hesse klar, daß auch die Spitzen der deutschen Opposition gegen Hitler
dies nicht verstanden, sei es aus schwer verständlicher Naivität oder
aufgrund einer verdrehten Arroganz. Diese Männer im deutschen Außenministerium,
im Generalstab der Wehrmacht oder in den Führungsetagen des deutschen Bankwesens
oder der Industrie - also Hitlers interne Opposition im deutschen Establishment
- verstanden einfach nicht die Bedeutung der geopolitischen Axiome. Aufgrund dieses
Denkfehlers war ihr Bestreben, die Politik des Dritten Reiches zu bestimmen und
1940 zu einem Modus Vivendi mit England zu kommen, zum Scheitern verurteilt.
(Ebd., S. 202).Selbst wenn Chamberlain damals den politischen Kurs
hätte ändern wollen - er hatte sich bereits zu sehr auf eine Beschwichtigungspolitik
gegenüber Hitler festgelegt. Deshalb konnte er sich den starken Widerstand
von hochrangigen Oppositionellen im deutschen Generalstab und in dessen Umkreis,
die Hitlers Politik klar ablehnten, den Streit über den Danziger Korridor
mit militärischen Mitteln zu lösen, nicht zunutze machen. (Ebd.,
S. 202-203).Weniger offensichtlich war, warum Churchill den Widerstand
in Deutschland nicht unterstützte, als er im Mai 1940 als erklärter
Gegner von Chamberlains Beschwichtigungspolitik an die Macht gekommen war. Hätte
der neue englische Premierminister in dieser Frühphase des Krieges den deutschen
Widerstand unterstützt, dann hätte die militärische Bedrohung,
die Hitler für Europa - und ganz direkt natürlich für England selbst
- darstellte, entscheidend verringert, wenn nicht sogar völlig ausgeschaltet
werden können. (Ebd., S. 203).Als Churchill im Mai 1940
seine Amtsräume in 10 Downing Street bezog, hatte die deutsche Wehrmacht
Polen, den größten Teil der Tschechoslowakei, Österreich, Dänemark,
Norwegen, Belgien, Holland, Luxemburg und ganz Frankreich besetzt (Österreich
mußte nicht »besetzt werden, sondern lediglich seinem Wunsch entprechend
angeschlossen werden! [HB]). Es bestanden eine Militärallianz zwischen
Deutschland und Italien sowie eine gute Zusammenarbeit Hitlers mit Francos neutralem
Spanien. Zudem hatte Deutschland mit Stalins Sowjetunion eine Vereinbarung über
die Aufteilung des restlichen europäischen Kontinents getroffen. (Ebd.,
S. 203).England sah sich also vollständig isoliert und von
allen Alliierten auf dem Kontinent, die die Hauptlast des Kampfes hätten
tragen können, abgeschnitten. Es gab dort keinen Kandidaten, der zusammen
mit England hätte kämpfen können, so wie es Frankreich im Jahre
1914 getan hatte. Churchill wußte auch nur zu gut, daß die Vereinigten
Staaten nicht bereit waren, ihre jungen Männer in einen erneuten Krieg in
Europa zu schicken. (Ebd., S. 203).Churchill wußte
über die Bedeutung des Widerstands in Deutschland. Schon bevor er in die
Regierung Chamberlain eingetreten war, war Churchill die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit
der hochrangigen Kräfte in Deutschland bewußt, die versuchten, einen
neuen Krieg zu verhindern. (Ebd., S. 203-204).Er hatte einige
der wichtigsten Männer des Widerstands gegen Hitler aus der deutschen Elite
getroffen, darunter Ewald von Kleist-Schmenzin, ein Aristokrat und pommerscher
Junker, der Cousin und Mitstreiter des Generals Erwin von Kleist war. Churchill
hatte Ewald von Kleist im Sommer 1938 auf sein Landgut in Chartwell eingeladen,
um mit ihm über die Lage in Deutschland zu sprechen. Ein Jahr später,
im August 1939, also unmittelbar vor Hitlers Einmarsch in Polen, hatte sich Churchill
auf Veranlassung von Admiral Canaris, dem Chef der deutschen Spionageabwehr, mit
Kleists engem Freund aus dem deutschen Widerstand, Fabian von Schlabrendorff,
getroffen. Churchill wußte genau, wie ernsthatt und einflußreich der
institutionelle Widerstand gegen Hitler war. (Ebd., S. 203-204).Warum
es der britische Premierminister ablehnte, den Widerstand gegen Hitler zu unterstützen
oder auch nur zu ermutigen, gehört zu den größten Paradoxa des
Zweiten Weltkriegs. Aber ein Paradox war es nur für jemanden, der die Axiome
der britischen Geopolitik nicht verstand. Chamberlain und Churchill waren sich
in einem grundlegenden, strategischen Punkt einig. Die geopolitischen Ziele Englands,
wie sie diese verstanden, waren von dem Widerstand im deutschen Militär,
in der Zivilverwaltung und in der Industrie mindestens genauso, wenn nicht sogar
noch stärker, bedroht wie von Hitler selbst. (Das war
auch der Grund z.B. dafür, daß nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland
nicht der Nationalsozialismus, sondern dessen Widerstand - der Konservat[iv]ismus
und insbesondere das nicht zufällig fälschlicherweise als »Militarismus«
bezeichnete Preußentum innerhalb Deutschlands - zerstört wurde!
[HB]). (Ebd., S. 204).Wie Hesse
richtigerweise behauptet hatte, war es für England gleichgültig, welche
der beiden Gruppen in Deutschland an der Macht war. Solange Deutschland die eurasische
Landmasse zu beherrschen drohte, war es für die britische Geopolitik der
wichtigste strategische Rivale. Schon lange bevor Sir Halford Mackinder 1904 seine
These vom Kampf »Herzland gegen Weltinsel« aufgestellt hatte, versuchte
Großbritannien gemäß seiner geopolitischen Doktrin des Machtgleichgewichts
(»balance of power«) zu verhindern, daß eine kontinentaleuropäische
Macht die Herrschaft über Eurasien gewann. (Ebd., S. 204).Hesse
war mit Mackinders geopolitischen Vorstellungen vertraut und zitierte ihn sogar,
um seine Argumentation zu untermauern. Er hatte verstanden, welche Motive die
von Mackinder formulierte angelsächsische - und us-amerikanische - Geopolitik
antrieben. Hesse unterstrich, daß das völlige Unverständnis der
kontinentaleuropäischen Mächte, insbesondere Deutschlands, dieser Motive
schon im vorangegangenen Jahrhundert der eigentliche Grund für die wiederholten
Kriege gewesen war. Denn weder Großbritannien noch später auch die
USA hätten zulassen können, daß eine kontinentaleuropäische
Macht unangefochten den eurasischen Kontinent beherrschte. Mackinder hatte 1919
in seinem Aufsatz ausdrücklich geschrieben: »Wer Osteuropa regiert,
beherrscht das Herzland; wer das Herzland regiert, beherrscht die Weltinsel; wer
die Weltinsel regiert, beherrscht die ganze Welt. (**).
(Ebd., S. 204). Vgl. Fritz Hesse,
Das Spiel um Deutschland, 1953, S. 240. In einer Fußnote über
Mackinders 1919 verfaßten Aufsatz »Democratic Ideals and Reality«
schreibt Hesse: »Die vorgefaßte Konzeption der Engländer und
US-Amerikaner finde ich insbesondere in dem Buch von Sir Halford Mackinder, Democratic
Ideals and Reality, London 1919, vertreten. Seine Lehre vom Herzland sowie
die des Admirals Mahan haben zu dem völligen Mißverständnis der
Politik der Kontinentalmächte geführt, ohne die man die englische und
die us-amerikanische Politik in diesem Jahrhundert nicht verstehen kann. Es sind
insbesondere diese Gedanken gewesen, aufgrund derer Angelsachsen im Interesse
ihrer Sicherheit Deutschland zerschlagen zu müsen glaubten.« (Fußnote
S. 240). (Ebd., Anmerkung 5).
Hesse war für die Vertreter
des deutschen Widerstands kein Unbekannter. Er verkehrte seit Mitte der 1920er
Jahre mit vielen von ihnen per Du, da sie zusammen dem reaktionär-elitären
Deutschen Herrenklub des Barons Heinrich von Gleichen-Rußwurm in Berlin
angehört hatten. Mitglieder dieses Klubs waren unter anderem auch die Herren,
die später zu einflußreichen Männern des Widerstands gegen Hitler
werden sollten, wie etwa Ulrich von Hassel, Hjalmar Schacht, Friedrich Werner
Graf von der Schulenburg, General Kurt von Hammerstein. Wolf Graf von Baudissin
und Baron Thilo von Wilmowsky, von 1911 bis 1943 Mitglied m Aufsichtsrat der Krupp
AG. (Ebd., S. 204-205).Anfang der 1930er Jahre wurde Hesse
auch zum Vorsitzenden des Deutschen Orient-Vereins berufen. einer wichtigen Abteilung
innerhalb des deutschen Verbands für Geopolitik und Industrie, dem Mitteleuropäischen
Wirtschaftstag oder MWT. Dieser Verband war seit 1934 an den strategisch-geopolitischen
Vorstößen der deutschen Großindustrie zur Schaffung eines deutschen
Großraums, des »Lebensraums«, beteiligt! Deutschlands Großindustrie
hatte den MWT bereits 1931 so umgestaltet, daß er ihren Zwecken diente,
also bereits zwei Jahre bevor sie die schicksalsträchtige Entscheidung fällten,
Hitler den Weg zur Kanzlerschaft zu ebnen. (Ebd., S. 205).
| Wo
genau aber liegt dieses Mitteleuropa? | | -
Variante 1 - | |  | | -
Variante 2 - | |  | | -
Variante 3 - | |  | | -
Variante 4 - | |  | | | | Die
Problematik bezüglich der Definition von Mitteleuropa betrifft
nicht die Breitengrade (**|**|**),
sondern die Längengrade. Variante
1 (**) zeigt
die Ost-Längengrade 0 bis 25 (genau: 10 bis 15), Variante
2 (**) zeigt
die Ost-Längengrade 5 bis 30 (genau: 15 bis 20), Variante
3 (**) zeigt
die Ost-Längengrade 10 bis 35 (genau: 20 bis 25), Variante
4 (**) zeigt
die Ost-Längengrade 15 bis 40 (genau: 25 bis 30) als Mitteleuropa. | | | | Welche
der vier Varianten in Engdahls Text gemeint ist, ist nicht immer eindeutig.
Es mag daran liegen, daß Engdahl in den USA geboren und aufgewachsen
ist. Er hätte deutlich machen müssen, wer Mitteleuropa
wann und warum wie definiert! | | | | Weil
aus Engdahls Text nicht eindeutig hervorgeht, wie Mitteleuropa von
den Längengraden her verstanden werden soll, gehe ich davon aus, daß
es vielleicht nur bezüglich der Breitengrade verstanden werden soll, und
zwar: zwischen 45 und 55 Grad nördlicher Breite (**|**|**|**). | | | | -
Mitteleuropa bezüglich der Breitengrade - | |  | | |
Der »Großraum Mitteleuropa« des Dritten Reiches
Die
Schlüsselpersonen des späteren Widerstandes gegen Hitler kamen aus den
höchsten Kreisen derselben konservativen Familien und Institutionen. die
Hitler im Januar 1933 die Kanzlerschaft angeboten hatten. Diese Kreise hatten
Hitler damals unterstützt, weil sie ihn für den geeigneten Mann hielten,
der ihre eigenen Pläne umsetzen konnte: nämlich die Verluste von Versailles
wieder wettzumachen und Deutschland zum Kern ihrer geplanten neuen Ordnung in
Europa zu machen. Nach Versailles wurde in der deutschen Außen-, Sicherheits-
und Wirtschaftspolitik alles darauf ausgerichtet, daß Deutschland wieder
zu einer einflußreichen Weltmacht aufstieg. Nach 1930 konzentrierte sich
diese neue Machtstrategie darauf, die Hegemonie in Mitteleuropa (wo
aber liegt Mitteleuropa genau [**|**]?
[HB]) zu erringen. Nach der Niederlage von 1918 hatten sich die führenden
deutschen Kreise auf eine langfristige, geheim gehaltene Strategie geeinigt. Zu
diesen Kreisen zählten die Kommandoebene der Reichswehr, die adligen Junker
unter den Großgrundbesitzern, die oberen Etagen des deutschen Beamtentums
und schließlich die wichtigsten Vertreter von Industrie und Banken - also
alle vier Säulen der institutionellen Macht in Deutschland. Sie alle erstrebten
ein Ziel: Deutschland sollte auf der weltpolitischen Bühne wieder die Rolle
spielen, die dem Land zukam: die einer wirtschaftlichen und politischen Weltmacht.
Vor einer Versammlung junger Deutscher faßte Reichpräsident von Hindenburg
in den 1920er Jahren den Entschluß dieser Kreise einmal so zusammen: »Was
deutsch war, muß wieder deutsch werden.« (Ebd., S. 205-206).Carl
Duisberg von der IG Farben, dem Chemiekartell, das enge Verbindungen zu Rockefellers
Standard Oil sowie zu DuPont und anderen führenden US-Unternehmen unterhielt,
erläuterte 1931, also zwei Jahre vor Hitlers Machtübernahme, die strategischen
wirtschaftlichen Ziele der deutschen Industrie-Elite. Er erklärte, Deutschland
müsse »einen geschlossenen, unabhängigen Wirtschaftsblock von
Bordeaux bis Odessa als Rückgrat Europas« schaffen. Duisberg sprach
dabei nicht nur als Chef des Chemiekonzerns IG Farben, der seit den 1920er Jahren
geheime Abkommen mit Rockefellers Standard Oil getroffen hatte. Duisberg sprach
auch als Vorsitzender des mächtigen Reichsverbands der Deutschen Industrie.
(Ebd., S. 206).Nach Duisbergs Vorstellungen sollte der Wirtschaftsblock
von Bordeaux bis Odessa ein von Deutschland dominiertes Gebiet sein, das sich
über das europäische Herzland erstreckte bzw. über das Gebiet,
das die NSDAP-Propaganda als »Lebensraum« bezeichnete. Um diesen Wirtschaftsraum
Mitteleuropa (wo aber liegt Mitteleuropa genau [**|**]?
[HB]) ... zu errichten, setzten die Wirtschaftskapitäne eine private
Interessenvertretung ein, die als MWT - Mitteleuropäischer Wirtschaftstag
- bekannt war. (Ebd., S. 206).Im August 1931, also mitten
in der sich verschärfenden Weltwirtschaftskrise, machten die großen
Unternehmen des deutschen Stahlkartells, die als Langnamverein bekannt waren,
den MWT zum Instrument zur Verbreitung ihrer Pläne für eine wirtschaftliche
Expansion. Für sie bedeutete die internationale Wirtschaftskrise eine Gelegenheit,
auf internationaler Ebene Initiativen in Gang zu setzen, an die man zuvor nicht
zu denken gewagt hätte. Um den MWT - eine damals in Wien ansässige,
kaum noch aktive Organisation - zu kooptieren, übernahmen diese Kreise dessen
Finanzierung, verlegten die Zentrale nach Berlin und machten einen der ihren,
den Baron Thilo von Wilmowsky, zum Vorsitzenden des MWT. Dieser, ein Schwager
des einflußreichen Industriemagnaten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach,
hatte als Vorstandsmitglied des Stahl- und Rüstungsriesen Krupp in den 1920er
Jahren die Geschäfte für Krupp in der Sowjetunion geführt. Einen
Monat später, im September 1931, übernahm Gustav Krupp von Carl Duisberg
die Leitung des Reichsverbands der Deutschen Industrie. (Ebd., S. 206-207).Zu
den finanziellen Stützen des MWT gehörten die führenden deutschen
Industrieverbände. Zu Krupp und dem Lagnamverein als Vertreter der Stahlindustrie
gesellten sich dabei die IG Farben für den Chemiesektor, das Kohlebergbaukartell
aus dem Ruhrgebiet, das Kaliumkartell, die großen Landwirtschaftsinteressen
der ostpreußischen Junker, der Deutsche Maschinenbauverband und der Reichsverband
der Deutschen Industrie als einflußreichste Vertretung der deutschen Großindustrie.
Auch der damalige Chef der Dresdner Bank, Carl Goetz, und Hermann Abs von der
Deutschen Bank gehörten zu den prominenten Mitgliedern des neu formierten
MWT. (Ebd., S. 207).Unter Baron von Wilmowsky unterhielt
der MWT enge Beziehungen zur staatlichen Verwaltung in Deutschland, besonders
zu Oberst (später General) Georg Thomas, dem damaligen Leiter des Heereswaffenamts
im Reichswehrministerium, den Wilmowsky später als »unseren Patron«
bezeichnete. Als der Druck vonseiten Hitlers zunahm, die Rüstungsproduktion
zu steigern, spielte Thomas eine Schlüsselrolle als Verbindungsmann zwischen
dem Reichswehrministerium, der militärischen Führung und den Vertretern
der Industrie im MWT. Thomas übernahm bis 1942 immer mehr Verantwortung für
Entscheidungen des gesamten Rüstungsbereichs in der Wirtschaft des Dritten
Reiches. Er entschied darüber, was gebraucht wurde und welche Firma welchen
Auftrag erhielt. Durch diesen Prozeß übernahmen die Industrievertreter
im MWT Krupp, IG Farben und andere - das Kommando beim Aufbau der Kriegswirtschaft,
besonders in der Zeit nach 1934. (Ebd., S. 207).Ihre Geheimvereinbarungen
mit Standard Oil und der Chase Bank von Rockefeller sowie mit DuPont und anderen
Industriekreisen in den USA waren für ihre Pläne eminent wichtig, denn
dadurch sollte Deutschland in die Lage versetzt werden, den für den kommenden
Krieg benötigten synthetischen Kautschuk und synthetisches Benzin herzustellen
d.h. die sogenannte wirtschaftliche Autarkie gewinnen. Die Standard-Oil-Gruppe
von Rockefeller informierte die Führung der IG Farben jedoch nicht darüber,
daß die entsprechenden Herstellungsverfahren noch nicht vollständig
entwickelt waren. Die IG Farben und das Deutsche Reich sollten für den Bau
des Leunawerkes zur Herstellung synthetischen Benzins atemberaubende Summen aufwenden.
(Ebd., S. 207).In den oberen Etagen des deutschen Außenministeriums
ließ der MWT vor allem den zweiten Mann des Ministeriums für sich wirken,
Staatssekretär Ernst Freiherr von Weizsäcker, Ulrich von Hassel, der
deutsche Botschafter im Vatikan in den 1930er Jahren und wie Wilmowsky Mitglied
im Deutschen Herrenklub, wurde Vorstandsmitglied im MWT. In den Jahren ... nach
1933 arbeitete auch Hjalmar Schacht, ebenfalls ein enger persönlicher Freund
von Wilmowsky, bei der Umsetzung der wirtschaftlichen Expansionspläne eng
mit dem MWT zusammen. Schacht war damals Reichswirtschaftsminister und gleichzeitig
Reichsbankpräsident. (Ebd., S. 208).Im Oktober 1932,
einige Monate vor Hitlers Machtübernahme als Reichskanzler, war der MWT in
Rom in geheimer Mission unterwegs zu einem Treffen mit dem faschistischen Diktator
Benito Mussolini. Der Plan war in Zusammenarbeit mit dem Reichsaußenministerium
und der Reichswehr geschmiedet worden. Bei dem Treffen sollte ein vertrauliches
Memorandum übergeben werden. In diesem Papier schlugen der MWT und seine
einflußreichen Unterstützer im deutschen Establishment vor, Deutschland
und Italien sollten gemeinsam Mitteleuropa (wo aber liegt
Mitteleuropa genau? [**|**]?
[HB]) unter sich aufteilen. (Ebd., S. 208).In dem
inoffiziellen Memorandum wurde eine wirtschaftliche Einflußsphäre Italiens
in Südosteuropa vorgesehen, wobei Mussolini ein großer Teil von Rumänien
sowie Serbien, Bulgarien, Albanien und Griechenland zugestanden wurde. Deutschland
beanspruchte Polen und die Tschechoslowakei als vorrangige Interessensphäre
und beabsichtigte, die Zollunion mit Österreich aus dem Jahre 1931 wieder
einzurichten und weiter auszubauen. Österreich hatte, wie erwähnt. die
Zollunion unter dem starken Druck Frankreichs aufgeben müssen. Damit erhielte
Deutschland auch den direkten Zugriff auf die ungarische Wirtschaft. (Ebd.,
S. 208).Eine aus Ungarn, Kroatien-Slowenien und dem transsylvanischen
Teil Rumäniens bestehende Donauföderation sollte dann genau umrissene
bevorzugte Zoll- und Handelsvereinbarungen mit Deutschland und Italien treffen.
Das Königreich Jugoslawien sollte aufgeteilt werden, und zwar mit Hilfe höherer
deutscher und italienischer Geldzuwendungen und Waffenlieferungen an die Pavelic-Truppen,
die damals gegen König Alexander I. kämpften. In dem Memorandum wurde
genau beschrieben, wie die Teilung dieses reichen zentralen Balkanlandes erfolgen
würde; in einer Rückkehr zum Status vor Versailles würden Slowenien
und Kroatien dem deutschen Wirtschaftsraum, Serbien dagegen Mussolini zugeteilt.
(Ebd., S. 208).In den internen Diskussionen ließen die Vertreter
des MWT keinen Zweifel daran aufkommen, daß die vorgeschlagene Aufteilung
Mitteleuropas zwischen Deutschland und Italien unter deutschem Kommando vor sich
gehen würde. Die wirtschaftlich und militärisch schwächeren italienischen
Firmen würden schrittweise von den gewandteren deutschen Firmen in den Hintergrund
gedrängt. (Ebd., S. 209).Der einzige Teil der wirtschaftlichen
Expansion des MWT, die sogenannte »penetration pacifique« (friedliche
Durchdringung) von Duisberg und Krupp, bei dem kein Fortschritt erzielt werden
konnte, waren die Beziehungen zu Stalins Sowjetunion, die Mitte der 1930er Jahre
Deutschland als wichtigste strategische Bedrohung betrachtete. Doch auch das sollte
sich schon bald dramatisch ändern. Wie Sohn-Rethel betont, hatte das Deutsche
Reich schon seit 1935 insgeheim darauf hingearbeitet, die Sowjetunion in den Krieg
hineinzuziehen. (Ebd., S. 212).
Der Wirtschaftsraum Eurasien
Nachdem Hitler der Geduldsfaden
gegenüber dem polnischen Außenminister Josef Beck gerissen war, entschloß
er sich, Stalins durchtriebenen Vorschlag zur Aufteilung Polens anzunehmen. Am
23. August 1939 wurde in Moskau der Nichtangriffspakt von Molotov und Ribbentrop
unterzeichnet, was dann bereits Anfang September 1939 zur militärischen Besetzung
und Zerstückelung Polens führte. (Ebd., S. 217).Der
Pakt mit der Sowjetunion führte dazu, daß jeglicher ernsthafte Widerstand
gegen Hitler in Becks Generalstab und anderen Institutionen in sich zusammenbrach.
Obwohl England und Frankreich Deutschland den Krieg erklärt hatten, um ein
Zeichen zur Verteidigung Polens zu setzen, war es von ihrer Seite eher ein »vorgetäuschter
Krieg«. Darüber hinaus schienen die Aussichten auf eine strategische
Allianz mit der Sowjetunion einen mehr als genügenden Ausgleich für
die Unpäßlichkeit zu geben, daß man sich theoretisch im Krieg
gegen England und Frankreich befand. Vielleicht wäre ja schon bald alles
vorbei, könnten die Männer des deutschen Widerstands gegen Hitler gedacht
haben. (Ebd., S. 217).Außerdem ging der Nichtangriffspakt
Deutschlands mit der Sowjetunion mit einem weitreichenden deutsch-sowjetischen
Handels- und Kreditabkommen einher. Im Zuge dieses Wirtschaftspakts erhielt die
UdSSR eine sofortige Kreditlinie von bis zu 200 Millionen Reichsmark zum Kauf
von deutschen Industriegütern. Im Gegenzug lieferte die Sowjetunion Öl
und Rohstoffe an die deutsche Industrie. (Ebd., S. 217).Artikel
I des Handels- und Kreditabkommens sah ausdrücklich »den Bau von Fabriken,
die Lieferung aller Arten von Maschinen und Werkzeugmaschinen, Ausrüstung
zum Aufbau einer Naphtha-Industrie, einer sowjetischen Chemieindustrie, die Ausrüstung
für eine elektrotechnische Industrie, Schiffe, Fahrzeuge, Transportausrüstung,
Meßinstrumente, Laborausrüstung ...« vor. Der Anfangskredit von
200 Millionen Reichsmark, den Moskau für den Kauf deutscher Industriegüter
erhielt, sollte von der Deutschen Golddiskontbank (Dego) gewährt werden
(Ebd., S. 217).Dieses Handels- und Kreditabkommen mit Stalin eröffnete
zumindest theoretisch die Aussicht auf eine weitreichende wirtschaftliche »penetration
pacifique« der riesigen Sowjetunion durch Deutschland. Zweifellos unter
Mitwirkung des Botschafters des Dritten Reiches in Moskau, Friedrich Werner Graf
von der Schulenburg, eines alten Freundes des Barons von Wilmowsky vom MWT, entwarf
das Außenministerium unter Freiherr von Weizsäcker ein Memorandum für
Ribbentrop, Hitler und das Kabinett. Darin legten sie dar, welche Bedeutung sie
den neuen Wirtschaftsabkommen mit Moskau zumaßen. (Ebd., S. 217-218).Im
Außenministerium jubelte man über die Wirtschaftsabkommen mit Moskau.
Man schrieb: »Beide Länder werden sich gegenseitig auf natürliche
Weise bereichern: Die Sowjetunion, das Land der unbegrenzten Rohstoffquellen und
großer langfristiger Wirtschaftsplanung, benötigt in absehbarer Zukunft
deutsche Fertigwaren höchster Qualität. Deutschland, das aufgrund seiner
ungeheuer spezialisierten Industrie, die höchste Qualität liefert, der
jetzt nur teilweise industrialisierten Sowjetunion die benötigten Fabriken
und Ausrüstungen für die Entwicklung seines Industriesektors liefern
kann. Und Deutschland ist auch unbegrenzt in der Lage, die sowjetische Produktion
zu beliefern ....« (Ebd., S. 218).Deutschlands institutionelles
Ziel- das der wirtschaftlichen Beherrschung der riesigen eurasischen Landmasse
- schien im Sommer 1940 plötzlich zum Greifen nahe zu sein. (Ebd.,
S. 218).
Neue Ordnung in Europa
Seinen höchsten Einfluß
im Dritten Reich hatte der Mitteleuropäische Wirtschaftstag (MWT) von Wilmowsky
ironischerweise - und obwohl Schacht mittlerweile in Ungnade gefallen war - in
den ersten beiden Kriegsjahren; vom August/September 1939 bis zum (Präventiv-)Angriff
auf die Sowjetunion im Juni 1941 (Operation Barbarossa). (Ebd., S.
218).Unter den wirtschaftlichen Bedingungen des Hitler-Stalin-Pakts
wurde die Rolle der Sowjetunion als lang ersehnter Rohstofflieferant und Abnehmer
deutscher Wirtschaftsgüter endlich Wirklichkeit. Unter diesen Bedingungen
arbeitete das MWT zusammen mit Hermann Abs von der Deutschen Bank intensiv an
der Formulierung von Hitlers geplanter »Neuer Ordnung« - der Konsolidierung
eines von Deutschland beherrschten Europas von Bordeaux bis Odessa, oder jetzt
sogar noch weit darüber hinaus. (Ebd., S. 218).Schachts
Nachfolger im Wirtschaftsministerium, Walther Funk, war von Göring angewiesen
worden, Pläne für eine wirtschaftliche Konsolidierung der Gebiete zu
entwerfen, die entweder zuvor von den wirtschaftlichen Beziehungen zum Dritten
Reich mit Beschlag belegt oder davon abhängig geworden waren. Am 25. Juli
1940 verkündete Funk die »Neue Ordnung in Europa« gemäß
dem Versprechen, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und gesellschaftliches Chaos
in den Ländern zu beenden, die jetzt in der Einflußsphäre von
Deutschlands lagen. Dieses Versprechen war ein wohlkalkulierter Kontrast zu Wirtschaftschaos
und Depression der liberalen Wirtschaftslehre. (Ebd., S. 218-219).Funks
Assistent beim Reichswirtschaftsministerium war Karl Blessing, ein Schützling
von Hjalmar Schacht. Blessing war für die Konsolidierung vieler Wirtschafts-
und Bankverbindungen mit den besetzten Gebieten in Europa verantwortlich. Im Sommer
1941, unmittelbar vor dem (Präventiv-)Angriff
auf die Sowjetunion (die Sowjetunion war informiert und
wegen dieses deutschen Präventiv-Angriffs nicht mehr in der Lage, ihren Angriff
auf Europa durchzuführen! [HB]), wurde Blessing von Göring zum
stellvertretenden Vorsitzenden des staatlichen Unternehmens Kontinentale Öl
AG ernannt. Im Aufsichtsrat dieser Konti Öl saßen unter anderem Reichswirtschaftsminister
Walter Funk, Hermann Abs von der Deutschen Bank und Carl Krauch von der IG Farben.
Die Konti Öl gehörte zu den zahlreichen Unternehmen, die - insbesondere
in Rumänien - über Frontorganisationen mit Rockefellers Standard Oil
kooperierten, um die kriegswichtige Benzinversorgung zu sichern. (Ebd.,
S. 219).Walter Funks Neue Ordnung sollte aus einem einzigen
europäischen Wirtschaftsraum bestehen, aus einem einheitlichen europäischen
Markt von »Bordeaux bis Odessa« und darüber hinaus. Die Wirtschaftsbeziehungen
zwischen Deutschland und den osteuropäischen sowie einigen westeuropäischen
Ländern unter der Vorherrschaft von Hitlers Drittem Reich sollten in nationalen
Währungen abgewickelt werden, deren Wert an den der Reichsmark gekoppelt
war. (Ebd., S. 219).Berlin sollte Finanzzentrum dieser Neuen
Ordnung in Europa werden. Schlußendlich sollten alle Landeswährungen
dieses »Neuen Europas« an die Reichsmark gebunden und durch rigide
Preiskontrollen der einzelnen Länder aufrechterhalten werden. Gold sollte
zugunsten der Bindung an die Reichsmark abgelehnt werden -diese Währungsstruktur
war also in etwa vergleichbar mit der Rolle, die der US-Dollar nach dem Verlassen
des Goldstandards im August 1971 (**|**)
spielte. Mit einer gewissen - zumindest für Deutschland, wenn auch nicht
für die besetzten Nachbarn - zwingenden Logik erklärte Funk: »Wir
werden niemals eine Währungspolitik verfolgen, die uns in irgendeiner Weise
vom Gold abhängig macht, denn wir können uns nicht an ein Zahlungsmittel
binden, dessen Wert wir nicht selbst festlegen können.« (Ebd.,
S. 219).Schließlich liefen die Überlegungen darauf hinaus,
ein Vier-MächteAbkommen zwischen Hitlers Deutschland, Mussolinis Italien,
Japan und der Sowjetunion zu bilden, das die gemeinsame wirtschaftliche Kontrolle
über die gesamte eurasische Landmasse zwischen dem Atlantik und dem Pazifik
ausüben sollte. Genau so eine geballte Machtkonzentration gelte es, so hatte
Mackinder seinerzeit die britische Elite gewarnt, um jeden Preis zu verhindern;
und genau so etwas würden ihre us-amerikanischen Vettern in Rockefellers
Council on Foreign Relations und dessen Umkreis nicht tolerieren - das
war zumindest Fritz Hesse nur allzu bewußt. (Ebd., S. 219-220).Von
zentraler Bedeutung für den Aufbau der Neuen Ordnung in Europa war
die Rolle der großen Banken in der Reichshauptstadt Berlin, vor allem der
Deutschen Bank und der Dresdner Bank. Im Direktorium der mächtigsten Bank
in Deutschland, der Deutschen Bank, war Hermann Abs für das gesamte Auslandsgeschäft
verantwortlich. Abs trat 1937 auf Empfehlung des damaligen Reichswirtschaftsministers
Schacht in den Vorstand der Deutschen Bank ein; er nahm den Posten eines verstorbenen
Direktors ein. (Ebd., S. 220).Das deutsche Bankenmodell,
bei dem die Banken Eigentümer der Schlüsselindustrien waren, sollte
in die besetzten Gebieten des Neuen Europa exportiert werden, insbesondere
in die östlichen Länder. Die Deutsche Bank kontrollierte bereits einen
Großteil des tschechoslowakischen Bankenwesens durch den Kauf der Böhmischen
Union-Bank; und durch die Übernahme des großen Wiener Creditanstalt-Bankvereins
kontrollierte sie auch einen Großteil der Industrie- und Bankgeschäfte
in Österreich. Die Dresdner Bank übernahm die Länderbank Wien und
die wichtige Böhmische Escompte-Bank in Prag. (Ebd., S. 220).Die
Kontrolle der deutschen Banken über die Geldhäuser in Wien und Prag
verschaffte der MWT-Strategie zur Entwicklung des Handels mit Südosteuropa
beträchtlichen Aufwind. Durch die Creditanstalt dehnte die Deutsche Bank
ihre Interessen im alten Teil des Habsburgerreiches aus, d.h. in Zagreb, Budapest,
Lvov und auch Belgrad. Durch die Kontrolle der Prager Banken kontrollierten die
deutschen Banken - vollständig oder teilweise -auch die Geschäfte in
Preßburg (Bratislava), Belgrad, Sofia und Bukarest. Die Geldhäuser
in diesen Ländern wiederum kontrollierten die wichtigsten landwirtschaftlichen
Betriebe und Industrieunternehmen in der jeweiligen Region. Zur Rechtfertigung
der deutschen Politik zur Konsolidierung der Banken in Osteuropa erklärte
das Reichswirtschaftsministerium, das sei »notwendig, um die Rohstoffquellen
zu sichern, die für unser wirtschaftliches Wohlergehen so bedeutsam sind«.
(Ebd., S. 220).Die expansive Entwicklung der großen Berliner
Banken, der Industrie und des MWT beim Bau der Neuen Ordnung in Europa
lief nach dem Besuch des sowjetischen Außenministers Molotov in Berlin am
12. November 1940 aus dem Ruder. Verärgert konfrontierte Molotov Hitler mit
dem Vorwurf, Deutschland habe gegen das Abkommen zwischen Molotow und Ribbentrop
von 1939 verstoßen, besonders in Finnland und Rumänien. Im Oktober
1940, also nur wenige Tage vor Molotovs Reise nach Berlin, hatte Rumäniens
Diktator Ion Antonescu der deutschen Wehrmacht erlaubt, sein Land zu besetzen
und damit die unschätzbar wichtigen Ölreserven in Ploiesti für
das Dritte Reich zu sichern. (Ebd., S. 220-221).Bei seinen
Berliner Gesprächen mit Hitler betonte Molotov noch einmal nachdrücklich
die sowjetischen Ansprüche an Finnland und die Balkanländer, insbesondere
Rumänien. Außerdem verlangte Stalin die Kontrolle über die Dardanellen;
dieser Schritt bedrohte die Allianz Deutschlands mit Mussolinis Italien.
(Ebd., S. 221).Kurz nach dieser Konfrontation mit Molotov im November
1940 entschied Hitler, die Sowjetunion nicht nur von dem geplanten Vier-Mächte-Abkommen
mit Italien und Japan auszuschließen. Am 18. Dezember 1940 befahl Hitler
seinem militärischen Oberkommando, unter dem Decknamen Operation Barbarossa
die vollständige Zerstörung der Sowjetunion vorzubereiten - also den
alten Plan aus dem Jahre 1935 zu realisieren. (Ebd., S. 221).Operation
Barbarossa dauerte von Juni bis Dezember 1941 - in einem extrem kalten Winter.
Am Einmarsch in die Sowjetunion waren über 4,5 Millionen Soldaten (hauptsächlich
der Wehrmacht [HB]) beteiligt. In Hinsicht auf die Zahl der Beteiligten,
das durchschrittene Gelände und die Zahl der Gefallenen war diese Operation
Barbarossa die größte Militäroperation in der Geschichte der
Menschheit. (Ebd., S. 221).An diesem Scheidepunkt im Juni
1941 brach die gesamte Strategie von Wilmowskys MWT zusammen; der MWT verlor jeglichen
Einfluß auf die deutsche Politik. Die MWT -Mitglieder in der deutschen Industrie
und den Institutionen des Dritten Reiches definierten ihre Aktivitäten neu
und wurden zu dem, war man nach dem Krieg als »Der Widerstand« bezeichnete.
(Ebd., S. 221).Die merkwürdigen Aufs und Abs des aktiven Widerstands
dieser Männer gegen Hitlers Kriegspläne nach 1939 bis zum versuchten
Attentat auf den »Führer« am 20. Juli 1944 durch Oberst Claus
von Stauffenberg können vielleicht nur vor dem Hintergrund der Aufs und Abs
der Pläne für Mitteleuropa und Eurasien der deutschen institutionellen
Kreise um Schacht, Krupp, General Thomas und Wilmowskys MWT verstanden werden.
Englands Premierminister Churchill betrachtete diese Entwick lung eiskalt vom
Standpunkt eines britischen Geopolitikers: Für ihn war der deutsche Widerstand
gegen Hitler der gefährlichere Gegner. Churchill verstand den deutschen Widerstand
nur allzu gut. (Ebd., S. 221-222).Alfred Sohn-Rethel, Sohn
einer konvertierten jüdischen Mutter und eines »arischen« Vaters,
mußte 1936 Deutschland verlassen, nachdem die Gestapo Verdacht in Hinblick
auf seine Aktivitäten geschöpft hatte. Aus dem französischen Exil
schrieb er ausführliche Berichte über die Pläne und seine Erfahrungen
in den Kreisen der deutschen Industriellen beim MWT und deren wirtschaftsimperialistische
Pläne. Zu den Personen, die seine Schriften erhielten, gehörte der einflußreiche
außenpolitische Redakteur der London Times, Wickham Steed, ein Mitglied
des britischen Round Tables und ein enger Freund Winston Churchills. (Ebd.,
S. 222).Churchill war völlig klar, daß die britische
Geopolitik nicht zulassen konnte, daß sich ein Deutschland zu den Bedingungen
der erfolgreichen Mitteleuropa-Strategie des MWT als Bedrohung für die britische
Vorherrschaft etablierte. Um dieser Bedrohung zu begegnen und um das Britische
Empire zu erhalten, mußte er - und auch das begriff Churchill nur allzu
gut - eine noch nie da gewesene Sonderbeziehung (später »Special Relationship«
genannt) mit Englands anderem Rivalen, den Vereinigten Staaten, eingehen. Roosevelt
seinerseits war dazu nur allzu gern bereit - allerdings nur strikt zu us-amerikanischen
Bedingungen und nicht entsprechend Churchills Wünschen. (Ebd., S. 222).Im
Spätsommer 1945 hatte mit Japan die letzte der drei Achsenmächte Deutschland,
Japan und Italien kapituliert. Dieser Sieg hatte fürchterliche Opfer an Menschenleben
gefordert. Im Zweiten Weltkrieg waren über 100 Millionen Soldaten mobilisiert
worden; dieser Krieg war der umfassendste Krieg der Geschichte. Im Zustand des
»totalen Kriegs« stellten die großen Länder ihre gesamten
wirtschaftlichen, industriellen und wissenschaftlichen Fähigkeiten in den
Dienst des Krieges und verwischten so die Grenzen zwischen zivilen und militärischen
Ressourcen. Über 55 Millionen Menschen, die meisten davon Zivilisten, kamen
im Zweiten Weltkrieg ums Leben, der damit auch der blutigste Konflikt in der menschlichen
Geschichte war. (Ebd., S. 222).Am Ende dieses Krieges standen
die Vereinigten Staaten von Amerika als unangefochtene Weltmacht da. Ihre Industrie
war auf der Grundlage der damals (aus Deutschland geklauten)
höchstentwickelten Technik und mit Steuergeldern (und
Deutschlands Reapartionszahlungen) wiederaufgebaut worden und hatte Flugzeuge,
Panzer, Munition, Bomben und andere Sprengstoffe für den Krieg produziert.
Roosevelts New Deal und die großen staatlichen Infrastrukturprojekte vom
Hoover- und Colorado-Damm bis zur Tennessee-Stromtal Verwaltung (TVA) lieferten
der us-amerikanischen Aluminiumindustrie und den anderen Rüstungsbetrieben
die riesigen Energiemengen zu günstigen Preisen. US-Amerikas Chemiebetriebe
von DuPont bis Dow Chemical und Hercules Powder hatten sich zu riesigen Unternehmen
entwickelt. Und einer dieser Industriegiganten war zur Speerspitze der us-amerikanischen
politischen Macht geworden: 1945 standen die Rockefeller-Brüder im Zentrum
des entstehenden weltweiten Kolosses namens US-Amerikanisches Jahrhundert.
(Ebd., S. 222-223).US-Amerikas Elitekreise im Umfeld des Council
on Foreign Relations und der Wall Street hatten ihre neue globale »Open
Door« (Offene Tür) aufgestoßen bzw. die »Grand Area«
geschaffen, wie Isaiah Bowman vom CFR diese Politik bezeichnete. Jetzt war die
US-Elite bereit, durch diese Tür hindurchzutreten. Sie war der Sieger in
dem komplexen geopoliitischen Spiel, aus dem das US-Amerikanische Jahrhundert
der Familie Rockefeller und ihrer Freunde beim Council on Foreign Relations samt
ihren unzähligen Verbündeten in der US-Industrie hervorgehen sollte.
Zynischerweise wurden also dieselben Personen, die insgeheim das Dritte Reich
bei seinen Kriegsvorbereitungen aktiv unterstützt hatten, nach dem Zweiten
Weltkrieg zu den führenden Repräsentanten einer us-amerikanischen Politik
zur »Verbreitung der Demokratie« und des »freien Unternehmertums«
in aller Welt. Für sie war das nichts Persönliches; es war einfach nur
das tägliche Geschäft - »business as usual«. Das war die
Geburtsstunde des US-Amerikanischen Jahrhunderts. (Ebd., S. 223).
Das Britische Empire wird zurechtgestutzt
Die dramatischste Veränderung,
zu der es 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam, war der relative Absturz
der politischen Macht, die 150 Jahre lang die Welt beherrscht hatte - Großbritannien.
Im größeren geopolitischen Zusammenhang betrachtet,
läßt sich die Zeit vom Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 bis zum Ende
des Zweiten Weltkriegs 1945 vielleicht am besten als »Wettstreit zwischen
Deutschland und den USA um die Nachfolge Großbritanniens« verstehen,
und genau so hat es ein Student von Mackinders britischer Geopolitik auch formuliert.
»Dieser Wettstreit war erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der
bedingungslosen Kapitulation Deutschlands entschieden.«. (Ebd., S.
227).Das US-Establishment und seine Alliierten in Washington zögerten
keine Sekunde, um diese imperiale Nachfolge anzutreten. Schon vor Kriegsende sollte
Washington Churchill gegenüber keinen Zweifel daran lassen, daß man
in der Nachkriegswelt die traditionellen Einflußsphären nicht mehr
respektieren werde. Man wollte dies insbesondere mit Blick auf die althergebrachte
dominierende Rolle Englands in der Ölpolitik im Mittleren Osten klarstellen;
ebenso dachte man nicht daran, die geheimen (deutschen,
aus Deutschland geklauten) Erkenntnisse bei der Entwicklung der Atombombe
mit irgendjemandem zu teilen. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde klargestellt,
daß Truman die Finanzhilfen an England gemäß dem Leih- und Pachtgesetz
stoppen und ab sofort harte Forderungen als Gegenleistung für us-amerikanische
Finanzhilfen stellen würde.. (Ebd., S. 227-228).
Roosevelts Saudi-Coup: Die Sonne geht über dem US-Amerikanischen Jahrhundert
auf
Die us-amerikanischen Ölinteressen waren am Ende des
Zweiten Weltkriegs viel mächtiger als vor dem Krieg. Ein wesentlicher Faktor
war dabei der, daß ihre englischen, deutschen und französischen Ölrivalen
durch den Krieg zerstört bzw. geschwächt waren. Washington zögerte
keinen Augenblick, diese Schwäche auszunutzen. (Ebd., S. 228).Da
handverlesene Leute aus den Reihen der von Rockefeller finanzierten War &
Peace Studies jetzt praktisch die Politik des US-Außenministeriums bestimmten,
David Rockefellers Chase Bank, die unter der nazifreundlichen französischen
Vichy-Regierung im von den Nazis besetzten Paris ihre Geschäfte betrieb und
Geld von der IG Farben und anderen Kunden im Dritten Reich transferiert hatte,
in der us-amerikanischen Finanzpolitik den Ton angab, und Nelson Rockefeller Roosevelts
Politik der »guten Nachbarschaft« mit Lateinamerika fest in der Hand
hatte - eine neue Version der us-amerikanischen Monroe-Doktrin in bezug auf die
Einflußsphäre der USA in ganz Nord- und Süd-Amerika -, brauchte
der US-Präsident dem entstehenden Rockefeller-Imperium jetzt nur noch einen
letzten Gefallen zu tun: nämlich Rockefellers Ölgesellschaften die Exklusivrechte
über die riesigen Ölvorräte des Königreichs Saudi-Arabien
zu verschaffen, und dieser verhängnisvolle Schritt sollte den gesamten Gang
der us-amerikanischen Nahost-Politik in der Nachkriegszeit bis zum heutigen Tag
bestimmen. (Ebd., S. 228).Harold L. Ickes war 13 J ahre lang
Franklin Roosevelts Innenminister und in dieser Position auch für die Vergabe
von Pachtverträgen für Rohstoffelder zuständig; seit 1941 war er
auch Koordinator für Petroleum in Fragen der Nationalen Verteidigung der
USA. Ickes diente dem Präsidenten auch als Direktor der Public Works Administration
(PWA) im Rahmen des New Deals, also der Behörde, die in den Zeiten der Depression
der US-Privatindustrie Milliarden Dollars an Steuergeldern zur Verfügung
stellte. Rockefellers Standard Oil und ihre ARAMCO Corporation konnten Ickes dafür
gewinnen, Roosevelt 1943 davon zu überzeugen, auch Saudi-Arabien großzügige
Finanzhilfen gemäß dem Leih- und Pachtgesetz zu gewähren. Der
Hintergedanke: Die US-Regierung sollte sich zum ersten Mal in dieser Region derWeIt
engagieren und einen Schutzschild für die ARAMCO-Interessen bilden. Diese
Arab-American Oil Company war in Wirklichkeit nur ein Konsortium der großen
Ölgesellschaften Rockefellers, die lange darum gekämpft hatten, bei
den reichen saudischen Ölvorkommen den Fuß in die Tür zu bekommen.
(Ebd., S. 228-229).Auch Ickes gehörte zu den Personen im inneren
Kreis um Roosevelt, die gleichzeitig enge Freunde der Familie Rockefeller waren.
Bereits in den 1930er Jahren war Ickes wiederholt auf dem Landgut der Familie
Rockefeller in Pocantico Hill im US-Bundesstaat New York zu Gast gewesen, ein
Vorrecht, daß nur ganz wenigen Personen, die nicht zu ihrem engsten Umfeld
gehörten, gewährt wurde. (Ebd., S. 229).In einem
Memorandum des US-Außenministeriums an das Weiße Haus vom Dezember
1942 heißt es: »Wir sind fest davon überzeugt, daß die
Entwicklung der Petroleumquellen in Saudi-Arabien im Lichte des breiteren nationalen
Interesses betrachtet werden sollte.« Dieses nationale Interesse hatten
die Rockefellers und ihr Vertreter Ickes gegenüber Roosevelt als das Recht
formuliert, ein exklusives Mandat über die saudi-arabischen Ölvorkommen
zu bekommen und die britischen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. (Ebd.,
S. 229).Als Roosevelt im Februar 1943 die Finanzhilfen nach dem
Leih- und Pachtgesetz an Saudi-Arabien verkündete, bezeichnete er das Land
als »lebenswichtig für die Verteidigung der Vereinigten Staaten«.
Er machte sich jedoch nicht die Mühe, zu erklären, warum. Die Hilfen
nach dem Leih- und Pachtgesetz bedeuteten, daß ARAMCO den Fuß in die
Tür bekam, um sich die Exklusivrechte an dem saudischen Öl zu sichern.
Dieses Vorhaben zu erleichtern war eine der wichtigsten Handlungen des US-Präsidenten.
London schäumte vor Wut über Roosevelts Entscheidung, millionenschwere
Hilfen in das Königreich zu pumpen, verfügte aber nicht über die
Finanzmittel, um sich auf ein Wettbieten mit seinem Alliierten in Washington einzulassen.
Schließlich war die britische Wirtschaft selbst abhängig von Hilfen
gemäß dem Leih- und Pachtgesetz der USA. (Ebd., S. 229).Das
US-Außenministerium war erst relativ spät nach Saudi-Arabien gekommen,
eine Region, die in London seit den Tagen des englischen Geheimdienstagenten T.
E. Lawrence - dem »Lawrence von Arabien« - im Ersten Weltkrieg als
Eckstein von Englands Kontrolle über den Mittleren Osten gegolten hatte.
Erst 1942 eröffneten die USA eine kleine Gesandtschaft, noch nicht einmal
eine Botschaft, in Riad. (Ebd., S. 229-230).
| Kurz
vor seinem Tod gelang es Roosevelt 1945 noch, die Verbindung zwischen England
und König Abdul Aziz (Ibn Saud) von Saudi Arabien zu kappen und das saudusch-arabische
Öl für die USA zu sichern. (Bild: Treffen
vom 14.02.1945 [HB]). |
Bei seiner Rückkehr von der Drei-Mächte-Konferenz
in Jalta 1945 hatte Roosevelt ein Geheimtreffen mit dem saudischen König
Abdul Aziz Al Saud (»Ibn Saud«) auf dem Schiff des Präsidenten
vereinbart. Ein US-Zerstörer, die USS Murphy, legte im Februar 1945 im saudischen
Hafen Dschidda an; es war das erste Mal überhaupt, daß ein us-amerikanisches
Schiff im Königreich Saudi Arabien vor Anker ging. Ibn Saud und seine Entourage
kamen an Bord und wurden zum Großen Bittersee im Suezkanal gebracht, wo
der König am 14. Februar an Bord der USS Quincy mit dem Präsidenten
der Vereinigten Staaten von Amerika zusammentraf. Für Ibn Saud war es das
erste Treffen mit einem ausländischen Staatschef überhaupt. (Ebd.,
S. 230).Bei dem Gespräch achtete Roosevelt sorgsam darauf,
in Gegenwart des saudischen Monarchen weder zu rauchen noch zu trinken, um dessen
religiöse Gefühle nicht zu verletzen. Er versprach dem König, »er
werde nichts unternehmen, um die Juden gegen die Araber zu unterstützen,
und keine feindlichen Schritte gegen die arabischen Völker unternehmen«.
Der König war über die starke Zuwanderung europäischer Juden nach
Palästina, das damals noch englisches Mandatsgebiet war, besorgt. Berichten
zufolge verließ Ibn Saud das Treffen mit Roosevelt hoch befriedigt darüber,
daß der US-Präsident »Verständnis« für die arabische
Sicht in der heiklen Palästina-Frage gezeigt habe. Auch Roosevelt hatte die
Freundschaft dadurch »besiegelt«, daß er dem saudischen König
seinen eigenen Rollstuhl und ein DC3-Flugzeug zum Geschenk machte. Der König
war dem Vernehmen nach darüber hocherfreut. (Ebd., S. 230-231).Erbost
über Roosevelts diplomatischen Vorstoß, verlangte Churchill drei Tage
später ebenfalls ein Treffen mit dem König. Der britische Premierminister,
ein geradezu legendärer starker Trinker und Zigarrenraucher, ließ Seine
Exzellenz vor dem Treffen wissen, daß es in Churchills Welt als »heiliger
Ritus« galt, zu rauchen und Alkohol zu trinken. Das gefiel dem König
offenbar überhaupt nicht. Außerdem weigerte sich Churchill, Zugeständnisse
an Saudi-Arabien in der Palästina-Frage zu machen, und überreichte als
Gegengeschenk für luxuriöse juwelenbesetzte Geschenke des Königs
diesem lediglich eine Schachtel mit billigem Parfüm. (Ebd., S. 231).Am
5. April 1945 hielt Roosevelt seine Versprechen an den saudischen König in
einem Brief fest, in dem es hieß, der US-Präsident habe die Versprechen
in seiner »Eigenschaft als Leiter der Exekutive dieser Regierung«
gegeben. (Ebd., S. 231).Eine Woche später war Roosevelt
tot. Stalin, der Churchill nicht ausstehen konnte, schrieb einen vertraulichen
Brief an FDRs Witwe, Eleanor Roosevelt, in dem er anbot, seinen persönlichen
Arzt zu schicken, um eine unabhängige Autopsie durchzuführen. Wie er
der Witwe mitteilte, war er überzeugt davon, daß Churchill Roosevelt
hatte vergiften lassen. Sie nahm das Angebot jedoch nicht an. Roosevelt hatte
jedoch lange genug gelebt, um dem ÖI-Imperium der Rockefellers den größten
Dienst zu erweisen: die Exklusivrechte für ihre Partner bei ARAMCO über
die Erschließung aller saudischen Ölvorkommen. Dieser Preis sollte
die US-Außenpolitik der folgenden 60 Jahre maßgeblich bestimmen. Es
war das erste Mal, daß die nationale Sicherheit der USA offiziell mit dem
Schicksal des über 10000 Meilen entfernten Wüstenkönigreichs am
Persischen Golf verknüpft wurde. Es sollte aber nicht das letzte Mal sein,
daß die »nationalen Interessen« der US-Außenpolitik mit
den Ölvorkommen im Mittleren Osten verbunden wurden. In den 1940er Jahren
war der Schritt, die saudischen Ölvorkommen zum Bestandteil us-amerikanischer
Interessen zu machen, umso bemerkenswerter, als die Vereinigten Staaten damals
genug eigenes Öl förderten und daher nicht auf Ölimporte angewiesen
waren. Als 1948 das größte Erdölfeld der Welt, Ghawar, in Saudi-Arabien
entdeckt wurde, verschaffte das der Macht, die us-amerikanische Ölinteressen
über die Weltwirtschaft ausübten, einen weiteren Hebel. Öl wurde
in der Nachkriegswelt sehr schnell zur Grundlage des Wachstums der Weltwirtschaft,
zur Hauptenergiequelle. Und diese Energie hielten die us-amerikanischen Ölriesen
der Rockefellers fest in der Hand. (Ebd., S. 231-232).
Und über dem Britischen Empire geht die Sonne unter
In
den sechs Jahren des Krieges, der sich über den ganzen Erdball gespannt hatte,
waren über 55 Millionen Menschen ums Leben gekommen. In keinem Land waren
mehr Einwohner gestorben als in Stalins Sowjetunion, die mindestens 22 Millionen
verloren hatte. In Washington wußte man genau, wer was verloren hatte. Dort
ging es vor allem um die Frage, wie man die entstehende us-amerikanische Hegemonie
handhaben wollte. 1945 waren die Vereinigten Staaten unter dem Banner von »Freiheit«
und »Demokratie« bereit, die Welt in einem Maße zu beherrschen,
wie es das Britische Empire nicht einmal vor dem Ersten Weltkrieg 1914 vermocht
hatte. (Ebd., S. 232).Nach der Versailler Friedenskonferenz
von 1919 hatte das Britische Empire die größte geographische Ausdehnung
erreicht, das Herrschaftsgebiet erstreckte sich über ein Viertel der Erdoberfläche,
ein Empire, »in dem die Sonne nie unterging«. Nur 30 Jahre später,
im Jahr 1949, zerfiel das Britische Empire an allen Enden, überall forderten
die Kolonien die Unabhängigkeit von dem repressiven Mutterland. Das Britische
Empire erlebte die wahrscheinlich größten Aufstände, die ein Königreich
in der ganzen Geschichte je erlebt hatte. Heimlich, still und leise unterstützte
die us-amerikanische Außenpolitik das Streben der Kolonien nach Freiheit
und Unabhängigkeit, ohne jedoch den Prozeß der Entkolonialisierung
ernsthaft zu fördern, wenn die Länder ihre Unabhängigkeit erst
einmal erlangt hatten. (Ebd., S. 232).Nach einer Meuterei
der indischen königlichen Marine irn Februar 1947 ernannte die britische
Labour-Regierung von Premierminister Clement Attlee Viscount Mountbatten aus Burma
zum letzten Vizekönig von Indien. Er hatte den Auftrag, den Abzug der britischen
Kolonialtruppen und der britischen Administration durchzuführen. Am 15. August
1947, fünf Monate nach Mountbattens Ankunft in Indien, hatte er den indischen
Subkontinent geteilt, und zwar so, daß er einem bizarren Flickenteppich
glich: Ost- und Westpakistan mit überwiegend muslimischer Bevölkerung
waren durch ein von Hindus dorniniertes Indien getrennt. (Ebd., S. 232).
Washington wirft die (in Deutschland geklaute) Atombombe
ab
Als Roosevelt im April 1945 plötzlich starb, folgte
ihm sein Vizepräsident Harry Truman, ein schlecht vorbereiteter Senator aus
Missouri, im Amt. Zu Trumans ersten Amtshandlungen als Präsident gehörte
seine Zustimmung zum Abwurf der Atombombe auf Japan, nachdem ihn seine Militärbefehlshaber
über die Wirkung der Atombombe informiert hatten. Tatsächlich hatte
Truman diese Entscheidung insgeheim schon zu Beginn der Potsdamer Konferenz -
zwischen Truman, Stalin und Churchill - gefällt, die in der zweiten Juli-Hälfte
1945 im besetzten Deutschland stattfand. Nur bei dieser Gelegenheit hat sich Truman
übrigens mit seinem künftigen Gegner im Kalten Krieg getroffen.
(Ebd., S. 235).Der Abwurf der Atombomben auf Japan ist seitdem
heiß umstritten. Truman behauptete, er habe gehandelt, um Japan zur Kapitulation
zu zwingen und einen längeren Krieg mit weiteren us-amerikanischen Opfern
zu verhindern. Das war für aufmerksame Beobachter der Ereignisse kein besonders
überzeugendes Argument. (Ebd., S. 235).Deutschland hatte
bereits im Mai 1945 gegenüber den Alliierten Streitkräften kapituliert,
einen Monat nach dem Amtsantritt von Präsident Truman. Japan war jetzt isoliert,
wirtschaftlich in die Knie gezwungen und de facto bereits besiegt. Eine
wirksame Seeblockade Japans durch Kriegsschiffe der USA und der Alliierten hätte
nach Ansicht von Militärexperten ausgereicht, um den japanischen Kaiser zur
Kapitulation zu zwingen, selbst unter den harschen Bedingungen, die Washington
dabei stellte. Weitere Opfer hätte es praktisch nicht mehr gegeben.
(Ebd., S. 235).Statt dessen setzte Washington seine schreckliche
neue (den Deutschen geklaute) Atomwaffe ein. Truman
bestand darauf, er habe auf Anraten seiner Militärs gehandelt, um »das
Leben von 100000 us-amerikanischen Jungs zu retten«. In Wirklichkeit sollte
damit der ganzen Welt, und in erster Linie Stalin, demonstriert werden, daß
US-Amerikas Macht entsetzlich und eigentlich unvorstellbar war. (Ebd., S.
235-236).In Trumans privatem Tagebuch vom Juli 1945 findet sich
ein aufschlußreicher Eintrag. »Es ist sicher gut für die Welt,
daß Hitlers oder Stalins Leute diese Atombombe nicht entdeckt haben (Deutschland
hatte die Atombombe zuerst; die US-Amerikaner haben sie bei Kriegsende beschlagnahmt
und über Japan abgeworfen [HB]). Es scheint das schrecklichste Ding
zu sein, das je erfunden wurde, aber es kann auch das nützlichste sein.«
Privat brach Truman Berichten zufolge nach einem detaillierten Briefing durch
seine Militärs über die Wirkung dieser Bombe mit den Worten »Das
ist das größte Ding in der Geschichte« in kindlichen Jubel aus.
In der Tat ein sehr merkwürdiger Kommentar eines Mannes, der gerade befohlen
hatte, diese »schrecklichste« aller Waffen gegen Japan zum Einsatz
zu bringen. (Ebd., S. 236).US-Außenminister James Byrnes
riet Präsident Truman im Sommer 1945, unmittelbar nach dem erfolgreichen
Test der Atombombe am 16. Juli in Alamagordo im US-Bundesstaat New Mexico, eine
mit Bedingungen verknüpfte Kapitulation des Kaisers von Japan, die den Krieg
sofort beendet hätte, abzulehnen. Byrnes behauptete, die Bombe und der Eintritt
der Sowjets in den Krieg gegen Japan würde eine Einigung mit Japan überflüssig
machen. (Ebd., S. 236).Das eigentliche Ziel der atomaren
Verwüstung von Hiroshima und Nagasaki war Moskau und erst in zweiter Linie
Tokio. Als er den Bericht über den ersten erfolgreichen Test der Bombe in
Alamagordo erhalten hatte, zeigte sich der us-amerikanische Kriegsminister Henry
L. Stimson hoch erfreut. Er benutzte die Terminologie des Pokerns, als er in sein
Tagebuch schrieb, die Kombination der überwältigenden wirtschaftlichen
Stärke US-Amerikas in der Nachkriegszeit mit dem Monopol über die Atombombe
verschaffe den USA den Super-Trumpf »eines Royal Straight Flush, und wir
dürfen uns nicht blöd dabei anstellen, wie wir ihn ausspielen«.
Präsident Truman erklärte gegenüber Stimson, auch er sei der Meinung,
daß US-»Amerika die Karten in der Hand halte«, und er, Truman,
werde sie als us-»amerikanische Karten ausspielen«. (Ebd., S.
236).1945 verfügten allein die Vereinigten Staaten über
die industriellen Fähigkeiten und die nötigen Ressourcen zur Herstellung
von Atombomben (NEIN - denn Deutschland verfügte darüber
schon viel früher als die Vereinigten Staaten, nur wurde ihm die Patente
und das Wissen über den Bau einer Atombombe und die Atombombe selbst geklaut
und nach Kriegsende die Verfügbarkeit darüber verboten! [HB]).
1943 hatte Präsident Roosevelt mit Churchill ein Geheimabkommen, das sogenannte
»Quebec Agreement«, über die Kontrolle der Entwicklung der Atomenergie
und der entsprechenden Uran- und Thoriumbrennstoffe unterzeichnet. (Ebd.,
S. 236).
Ein us-amerikanischer Lebensraum nach dem Krieg
Die
treibende Kraft hinter dem gesamten Projekt War & Peace Studies von
Rockefellers Council on Foreign Relations, das Motiv für Roosevelt,
die Vereinigten Staaten in den Krieg zu führen, die gesamte Kriegsmobilisierung
und die durch den Krieg verursachte öffentliche Verschuldung der Vereinigten
Staaten, all dies richtete sich auf ein Ziel in der Nachkriegszeit: die Schaffung
eines weitgehenden Monopol-Absatzmarktes oder Wirtschaftsraumes für die Vereinigten
Staaten, eines »us-amerikanischen Lebensraums«, wie Isaiah Bowman
vom CFR es nannte ein wahrhaft US-Amerikanisches Jahrhundert. (Ebd.,
S. 240).Das Ganze war ein Empire genau wie das Britische Empire
nach 1815, allerdings mit dem bedeutsamen Unterschied, daß sich sein wirtschaftlicher
Imperialismus dieses Mal hinter der rhetorischen Fassade der »Verbreitung
des freien Unternehmertums, der nationalen Selbstbestimmung und der Demokratie«
verbarg. (Was sich wirklich dahinter verbarg, hatte ja schon
Wilson verraten! [HB]). Den Architekten dieser Politik im US-Außenministerium,
dem Weißen Haus und dem außenpolitischen Establishment gelang die
clevere Täuschung, ihr Empire strebe nicht nach militärischer Besetzung
anderer Länder; zumindest behaupteten sie dies. Aber bis ins letzte Detail
handelte es sich hier um ein (informelles) Empire, das auf der dominierenden Rolle
der USA im internationalen Finanzsystem - mit dem Dollar als Stützpfeiler
des Nachkriegssystems - und der militärischen Überlegenheit beruhte.
(Ebd., S. 240-241).Diese Täuschung war zum Teil deshalb so
verblüffend erfolgreich, weil die führenden Kreise im US-Establishment
begriffen, wie wichtig es war, den reichen und oft korrupten Eliten in den Ländern,
deren Märkte sie erobern wollten, einen Teil des Kuchens vor Ort abzugeben.
Außerdem hatten die engen Beziehungen zwischen Washington und Hollywood
dazu geführt, daß innerhalb der US-Regierung ein sehr effektiver Propagandaapparat
entstanden war, der in den meisten Ländem die Hoffnung der Menschen auf eine
bessere Zukunft genährt hatte. Wie dem auch sei, das sich nach 1945 herausbildende
System wurde von einer überwältigenden Macht, den Vereinigten Staaten
von Amerika, und einer wachsenden Anzahl von Vasallenstaaten gebildet, deren reiche
Führungseliten ihre Existenz auf die eine oder andere Weise dem guten Willen
der Vereinigten Staaten verdankten. (Ebd., S. 241).Wie in
den vorherigen Kapiteln beschrieben, war die us-amerikanische Geschichte des letzten
Jahrhunderts von einem zunehmend mächtigen Kartell der Finanzeliten und der
von diesen kontrollierten Industriekonzerne geprägt. Allein deren Interessen,
und nicht etwa die Interessen der Nation oder ihrer Bürger (und
also auch nicht der Demokratie! [HB]), definierten die Prioritäten
dieses mächtigen Kartells. Die allgegenwärtige Kontrolle über die
Medien des Landes ernöglichte es den Propagandaexperten des Kartells, dessen
eigene Interessen als »US-Amerikas Interessen« darzustellen.
(Ebd., S. 241).Die Philosophie der us-amerikanischen Expansionspolitiker
wie Frederick Jackson Turner und Brooks Adams, wonach US-Amerika aufgrund einer
von Gott gegebenen »Manifest Destiny« seine Grenzen ständig weiter
ausdehnen konnte, war die mystische oder romantische Verbrämung der Tatsache,
daß sich die kartellisierte und zunehmend konzentrierte Monopolwirtschaft
des Money Trusts seit dessen Entstehen in der Zeit nach 1860 immer neue Märkte
erobern mußte, um bestehen zu können. Das Wirtschaftsmodell dieser
Interessen war das der britischen Ostindiengesellschaft, oder genauer der Piraterie
der nordafrikanischen Barbareskenstaaten, die zur Aufrechterhaltung ihres jeweiligen
Imperiums eine Weltregion nach der anderen völlig ausplünderten und
so wenig Brauchbares wie möglich zurückließen. Die Rockefeller-Interessen,
die prominentesten Vertreter dieser Idee der »Manifest Destiny« in
der Nachkriegszeit, betrachteten die gesamte Welt als eine derartige »Grenze«.
(Ebd., S. 241-242).Im Jahre 1944 erklärte der Staatssekretär
im US-Außenministerium, Dean Acheson, vor einem Kongreßausschuß,
der sich mit der Wirtschaft in der Nachkriegszeit beschäftigte: »Keine
Gruppe ... hat je daran geglaubt, daß unsere eigenen Märkte unsere
gesamte Produktion in unser derzeitiges System aufnehmen könnten. Deshalb
muß man sich nach anderen Märkten umsehen, und diese Märkte finden
sich im Ausland.« (Ebd., S. 242).Die verschiedentlich
geäußerte Bezeichnung »Architekt des Kalten Krieges« erhielt
Acheson nicht von ungefähr. Acheson entwarf die »Truman-Doktrin«.
Er überzeugte Truman, 1950 einen nicht erklärten Krieg gegen Korea zu
führen; und er spielte auch 1944 beim Zustandekommen der Vereinbarungen von
Bretton Woods eine Rolle, denn dieses System sollte den USA bei der Suche nach
»Auslandsmärkten« helfen. (Ebd., S. 242).1945
konnten die außenpolitischen Kreise beim New Yorker Council on Foreign Relations
und in Washington von sich behaupten, bei ihren Plänen große Fortschritte
erzielt zu haben. Ihr einziges Problem sahen sie darin, daß sie irgendwann
die beiden großen Gebiete, die ihrer wirtschaftlichen Expansion, ihrer »Manifest
Destiny«, zunächst verschlossen blieben - die Sowjetunion und später
die Volksrepublik China -, zerstören oder zumindest empfindlich schwächen
mußten, wenn sie weltweit alle Volkswirtschaften und Märkte kontrollieren
wollten. (Ebd., S. 242).Während seiner Arbeit im War
& Peace Studies-Projekt für die Rockefellers und beim Council on Foreign
Relations überzeugte Isaiah Bowman den alternden Vater der britischen Geopolitik,
Sir Halford Mackinder, davon, einen strategischen Beitrag für das CFR-Joumal
Foreign Affairs zu verfassen und seine Vorstellungen über eine geopolitische
Ordnung der Nachkriegszeit darzulegen. Der mit »The Round World and the
Winning of Peace« (etwa: »Der Erdball und der Sieg für den Frieden«)
überschriebene Aufsatz erschien im Juli 1943 in Foreign Affairs, also fast
ein Jahr vor der Landung der Alliierten in der Normandie. (Ebd., S. 242).In
seinem Aufsatz legte Mackinder seine Vision einer von den USA beherrschten Nachkriegsordnung
dar. Er wiederholte noch einmal seine 1904 formulierte ursprüngliche Definition
des Herzlandes (**|**|**)
als dem wichtigsten Gegner der fortgesetzten anglo-us-amerikanischen Überlegenheit
nach dem Krieg. Was er als Herzland definierte, entsprach im wesentlichen dem
Territorium der damaligen Sowjetunion. (Ebd., S. 242).Mackinder
brachte gewissennaßen die geopolitische Saat für den späteren
Kalten Krieg aus. Er schrieb: »Die Schlußfolgerung ist unvermeidlich:
wenn die Sowjetunion aus diesem Krieg als Eroberer Deutschlands hervorgeht, dann
wird sie zur größten Landmacht der Erde. Darüber hinaus wird sie
sich in der strategisch stärksten Verteidigungsposition befinden. Das Herzland
ist die größte natürliche Festung der Welt.« (Ebd.,
S. 243).Bowman und die führenden Kreise der US-Außenpolitik
nahmen sich diese Lektion offensichtlich zu Herzen, aber in einem us-amerikanischen
Zusammenhang und nicht in dem Sinne von Mackinder, der damals Sowjetrußland
als Alliierten der Angelsachsen und US-Amerikaner bei der Eindämmung Deutschlands
nach dem Krieg betrachtet hatte. (Ebd., S. 243).Schon kurz
nach Roosevelts Tod betrachteten das US-Establishment und Churchill gleichennaßen
die Sowjetunion, ihren Alliierten der Kriegszeit, als ihren Hauptfeind, als Bedrohung
für den Weltfrieden. Nach Churchills Ansicht hieß das -und zwar schon
in der Zeit vor dem offiziellen Kriegsende -, daß man Deutschland zu irgendeinem
späteren Zeitpunkt als den nunmehr schwächeren der beiden Rivalen Englands
um die Hegemonie in Eurasien gewinnen mußte; strikt nach der britischen
Kalkulation des Machtgleichgewichts, demzufolge Stalins Sowjetunion nunmehr Englands
stärkerer Rivale um diese Position war. Dieses Kalkül hatte mit Ideologie
nichts zu tun, sondern war rein geopolitischer Natur. Kaum jemand verstand das
-und aus Londoner Sicht sollte man es auch gar nicht verstehen (Ebd., S.
243). Am 15. April 1945, wenige Tage nach Roosevelts Beerdigung
und wenige Wochen vor der Kapitulation Deutschlands, trafen sich hochrangige us-amerikanische
und britische Außenpolitiker zu Gesprächen hinter verschlossenen Türen
in Washington. Zu den 15 einflußreichsten Gesprächsteilnehmern zählten
John J. McCloy, damals stellvertretender Kriegsminister, der Präsident von
General Motors, ein wichtiger Rüstungsunternehmer und mehrere handverlesene
Establishment-Insider. Diese Herren unterhielten sich darüber, wie man angesichts
der in US-Amerika vorherrschenden Ansicht, daß der Krieg gewonnen sei und
jetzt der Frieden wieder einkehren werde, die Militäraktionen US-Amerikas
von Deutschland auf die Sowjetunion verlagern könnte. Sie verständigten
sich darauf, daß so ein radikaler Umschwung in der öffentlichen Meinung
in den USA gegen den Kriegsalliierten Sowjetunion nur dann möglich war, wenn
man Stalin zu einem aggressiven Vorgehen provozieren könnte, das wie ein
Vertrauensbruch und eine Bedrohung des Friedens aussähe! Sie hatten die Lektion
vom britischen Machtgleichgewicht verstanden und machten sich nunmehr daran, diese
Lektion in verhängnisvoller Weise auf die us-amerikanische Außenpolitik
anzuwenden. (Ebd., S. 243-244).Ihnen war klar: Mit einer
feindlichen Sowjetunion an der Ostgrenze Westeuropas entstand de facto
ein neuer Wirtschaftsraum in Westeuropa, Japan, großen Teilen Asiens, Afrikas
und Lateinamerikas, der nach dem baldigen Ende des 2. Weltkrieges von den USA
beherrscht sein würde; ein Raum, dessen Sicherheit von der militärischen
Stärke US-Amerikas abhängen würde. Mit der Beherrschung dieses
riesigen Raumes sollte die Strategie der War & Peace Studies des CFR umgesetzt
werden, in der Nachkriegszeit ein us-amerikanisches Empire zu errichten, das nicht
ausdrücklich so genannt wurde. (Ebd., S. 244).Mitten
in der Öl- und Nahrungsmittelkrise der 1970er Jahre hat Henry Kissinger,
damals sowohl Außenminister als auch Präsident Nixons Nationaler Sicherheitsberater,
angeblich erklärt: »Herrsche über das Öl, und du herrschst
über ganze Länder oder gar Kontinente; herrsche über die Nahrungsmittel,
und du herrscht über die Menschen; herrsche über das Geld, und du herrschst
über die ganze Welt. (Ebd., S. 244).1945 kontrollierte
die Federal Reserve, die Zentralbank der Vereinigten Staaten, den größten
Teil des Währungsgoldes der »freien Welt«. Mit ihrer Währung,
dem Dollar, sollten die USA gemäß dem von Washington und den Wall-Street-Banken
entworfenen System von Bretton Woods die weltweite Kontrolle über das Geld
übernehmen. Schon ab 1941, als die US-Geopolitiker damit rechneten, daß
Hitlers Vormarsch gegen die Sowjetunion Deutschland als potenziellen künftigen
Rivalen ausschalten würde, legten sie die Grundlage für die wirtschaftliche
Hegemonie der USA in der Nachkriegszeit. Damit hatten sie auch großen Erfolg,
allerdings nur zeitweise. (Ebd., S. 244).
Die Errichtung des Dollar-Systems in Bretton Woods
Das Zentrum
der us-amerikanischen Wirtschaftsstrategie für die Welt nach dem Zweiten
Weltkrieg war das noch während des Krieges getroffene Abkommen zwischen den
Alliierten, das später als Bretton-Woods-Abkommen bezeichnet wurde. Es bestand
im Kern aus der Förderung des freien Handels und sah den US-Dollar als einzige
Währung beim Welthandel vor. (Ebd., S. 244).Zu diesem
freien Handel in der Welt gehörten die Senkung von Zöllen und die Aufhebung
protektionistischer Maßnahmen einzelner Länder, die den Fluß
vor allem us-amerikanischer Güter auf die Weltmärkte behinderten. Bereits
1846, als die englische Regierung die zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem »Corn
Law« (Korngesetz) erlassenen protektionistischen Maßnahmen für
landwirtschaftliche Erzeugnisse aufgeben mußte, war den Engländern
klar geworden, daß »freier Handel« und »gleiche Wettbewerbsbedingungen«
nur Kampfparolen der stärksten Volkswirtschaften sind, wenn sie weniger entwickelte
Märkte für ihre Erzeugnisse erschließen wollen. Nach 1945 sollten
die Führungskreise der us-amerikanischen Industrie und Banken dieses System
praktisch zu einem religiösen Dogma erheben. (Ebd., S. 244-245).Den
Volkswirtschaften in Europa blieb angesichts der Verwüstungen durch sechs
Jahre Krieg kaum eine andere Wahl, als sich den us-amerikanischen Vorstellungen
über das Management der internationalen Wirtschaft in der Nachkriegszeit
anzuschließen. Selbst Großbritannien, das doch für sich in Anspruch
nahm, den Vereinigten Staaten am Verhandlungstisch mindestens ebenbürtig
zu sein, mußte sich angesichts brutaler Forderungen der USA eine bittere
Lektion in Sachen Erniedrigung gefallen lassen. (Ebd., S. 245).Zur
endgültigen Einigung über eine Neue Weltordnung in Währungs-
und Wirtschaftsfragen nach dem Zweiten Weltkrieg kam es im Juli 1944 im Hotel
Mount Washington in Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire. Zuvor hatte
es monatelange erbitterte Auseinandersetzungen gegeben, insbesondere zwischen
den englschen und us-amerikanischen Verhandlungsführern. Von zentraler Bedeutung
bei dem Abkommen war die englisch-us-amerikanische Hegemonie über das Weltfinanz-
und Handelssystem. Die entscheidenden Bedingungen waren bereits seit 1941 bei
privaten Verhandlungen zwischen Lord Keynes, dem Berater des britischen Finanzministeriums,
und Harry Dexter White, dem Stellvertreter von US-Finanzminister Morgenthau, ausgehandelt
worden. (Ebd., S. 245).Das Treffen der »Vereinten Nationen«
- so Roosevelts Bezeichnung - in Bretton Woods sollte zur ersten institutionellen
Einrichtung einer neuen Organisation der Vereinten Nationen (UNO) nach dem Krieg
werden, die den von England dominierten Völkerbund ablösen sollte. Anders
als beim Völkerbund sollten bei der UNO die USA den Ton angeben, und die
UNO sollte im wesentlichen die us-amerikanischen Pläne für die Nachkriegszeit
umsetzen. Selbst das Baugelände für das UNO-Hauptquartier in Manhattan
wurde von der Rockefeller-Familie gestiftet. Aufgrund des rapiden Anstiegs der
Grundstückspreise in der Umgebung, wo nun die diplomatischen Vertretungen
der vielen Mitgliedsländer errichtet wurden, erwies sich diese ursprüngliche
Großzügigkeit als eine lohnende Investition. (Ebd., S. 245-246).Nach
vielen Auseinandersetzungen setzte sich Washington gegenüber den Engländern
in bezug auf Stimmrechte, Regeln und andere wichtige Aspekte der neuen Bretton-Woods-Institutionen
IWF und Weltbank durch. (Ebd., S. 246).Um sicherzugehen,
daß die USA zur Gründung der UNO über genügend Stimmen verfügten,
sorgte Nelson Rockefeller höchstpersönlich dafür, daß es
zu einem erstaunlichen - und von einigen Medien als politisch peinlich bezeichneten
- »Bündeln« der Stimmen zugunsten der us-amerikanischen Pläne
kam. Damit gewann Rockefeller die Stimmen der 14 Mitgliedsländer der Panamerikanischen
Union, von denen sieben darunter Argentinien - während des Zweiten Weltkriegs
neutral gewesen waren. Nelson Rockefeller, der vom US-Präsidenten gerade
zum stellvertretenden Minister für Lateinamerika ernannt worden war, stellte
den lateinamerikanischen Ländern ein Ultimatum, wonach sie nicht an der Schaffung
der neuen Organisation der Vereinten Nationen - dem Herzstück des geopolitischen
Plans der War & Peace Studies des CFR für die US-Amerikas Herrschaft
nach dem Krieg - teilnehmen könnten, wenn sie nicht bis Februar 1945 den
Achsenmächten den Krieg erklärten. Diese formelle Kriegserklärung
gegen die Achsenmächte war nach dem gerade getroffenen Drei-Mächte-Abkommen
von Jalta erforderlich. (Ebd., S. 246-247).Nur Argentinien
blieb außen vor, aber man brauchte seine Stimme als Gegengewicht gegen die
Stimmen Englands. Rockefeller gelang es, den bereits kranken Roosevelt dazu zu
bewegen, Argentinien schriftlich zur Gründung der UNO einzuladen, obwohl
das Land gegen die nur wenige Wochen zuvor in Jalta erreichten Vereinbarungen
mit England und der UdSSR verstoßen hatte, wonach nur jene Länder Gründungsmitglieder
der UNO sein dürften, die Deutschland den Krieg erklärt hatten. (Also
- gemäß dieser kriminellen Logik - haben die sogenannte BRD und die
sogenannte DDR, als sie UNO-Mitglieder wurden, Deutschland den Krieg erklärt!
[HB]). Diese Geste war militärisch bedeutungslos, weil der Krieg praktisch
beendet war. Das Ganze war ein Trick von Nelson Rockefeller, die Stimmen bei der
Gründung der Vereinten Nationen gegen Großbritannien zu bündeln,
das seinerseits seine Herrschaftsgebiete (Dominions) und die Länder des Commonwealth
einsetzte, um ihre Stimmenzahl zu erhöhen. Stalin schäumte vor Wut.
(Ebd., S. 247).Das Bretton-Woods-System sollte auf drei Säulen
beruhen: dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dessen Gelder aus den Beiträgen
der Mitgliedsländer eine Notreserve bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten bilden
sollten; einer Weltbank oder Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung,
die Mitgliedsländern Kredite für Großprojekte gewähren sollte;
und etwas später einem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), bei
dem durch Gesprächsrunden über Zollsenkungen ein Fahrplan für den
»freien Handel« entwickelt werden sollte. (Ebd., S. 247).Jedes
Mitgliedsland sollte aufgrund einer bestimmten Quote Beträge in Gold und
Landeswährung in einen gemeinsamen IWF-Fonds einzahlen. Gemäß
ihrem Anteil an der Gesamtquote des IWF sollte ein Mitgliedsland im IWF-Direktorium
(Board of Governors) eine entsprechende Anzahl von Stimmen erhalten. Es war von
vornherein ein Spiel nach us-amerikanischen Regeln. Die USA mit den größten
Goldreserven der Welt bekamen schließlich 28 Prozent der Stimmen, das Vereinigte
Königreich erhielt 13 Prozent. Dagegen verfügte Frankreich nur über
magere fünf Prozent. Damit war der neugeschaffene IWF ein Instrument der
Anglo-US-Amerikaner zur Gestaltung ihrer Version der weltwirtschaftlichen Entwicklung
nach dem Krieg. (Ebd., S. 247).Bretton Woods bedeutete gegenüber
dem früheren Goldstandard eine willkommene Verbesserung für die Vereinigten
Staaten, denn alle Unterzeichnerländer des Abkommens willigten ein, den Wert
ihrer Währungen nicht an Gold, sondern an den US-Dollar zu koppeln. Wie in
England ein Jahrhundert zuvor, so wurde 1945 behauptet, der Dollar wäre »so
gut wie Gold«. Innerhalb von 20 Jahren sollte sich dieses Axiom der internatiolalen
Finanzstabilität als tragische Täuschung erweisen. 1945 war es allerdings
die Realität. Europa brauchte dringend Kredite für den Wiederaufbau.
Die Währungen waren nicht konvertibel, und die Wirtschaft lag in Trümmern.
(Ebd., S. 247-248).Die New Yorker Federal Reserve Bank, ein privates,
seit seiner Gründung im Jahre 1913 vom Money Trust der Wall Street kontrolliertes
Finanzinstitut, bildete den Kern des neuen internationalen Finanzsystems, das
über das meiste Währungsgold der nicht kommunistischen Welt verfügte.
Den USA bot das Währungssystem von Bretton Woods einmalige Vorteile. In der
Praxis bedeutete es, daß die anderen Länder, da der US-Dollar die Hauptreservewährung
war, ihre Währungen an den Dollar koppeln mußten und - wenn die Konvertibilität
wiederhergestellt war - diese Dollars kaufen oder verkaufen mußten, um die
Schwankung der Währungsparitäten in einer Bandbreite von plus/minus
einem Prozent zu halten, wie es die Regeln des IWF verlangten. Damit trat der
US-Dollar an die Stelle, die das Gold zur Zeit des Goldstandards im internationalen
Finanzsystem eingenommen hatte. In der Praxis bedeutete dies, daß der Welthandel
fast ausschließlich in US-Dollars abgewickelt wurde - und das sollte sich
später als entscheidender Vorteil für die USA erweisen. (Ebd.,
S. 248).Diese Rolle des US-Dollars als unangefochtene Weltreservewährung
war eine der wichtigsten Säulen der Macht der USA nach dem Krieg. Die zweite
Säule war die unangefochtene Rolle der Vereinigten Staaten als alleinige
militärische Supermacht, eine Überlegenheit, die die Sowjetunion während
des Kalten Krieges nicht ernsthaft infrage stellen konnte. Die am Zweiten Weltkrieg
beteiligten Länder Westeuropas waren hochverschuldet (Deutschland
nicht, aber Deutschland war ausgeraubt worden [HB]) und hatten auf us-amerikanisches
Verlangen große Mengen Gold in die Vereinigten Staaten transferieren müssen.
Auch dies trug zur Überlegenheit der Vereinigten Staaten als »Führungsmacht
der Freien Welt« nach 1945 bei. (Ebd., S. 248).Unter
dem System von Bretton Woods war die Währung eines jeden Mitgliedslandes
an den US-Dollar gekoppelt. Der US-Dollar seinerseits wurde bei 35 Dollar für
die Feinunze Gold fixiert, eine Rate, die Präsident Roosevelt 1934 auf dem
Tiefpunkt der Großen Depression festgelegt hatte, noch bevor die
wirtschaftlichen Auswirkungen eines Weltkrieges spürbar wurden. Der Unterschied
zu dem vorherigen Golddevisenstandard von 1919 bis 1934 bestand darin, daß
die Vereinigten Staaten dieses Mal weder politische noch militärische Konkurrenz
um die Welthegemonie fürchten mußten (zu diesem
Zweck war Deutschland ja ausgebombt und ausgeraubt worden [HB]). Sie konnten
die Bedingungen buchstäblich diktieren. Und genau das taten sie auch.
(Ebd., S. 248-249).Da die New York Federal Reserve Bank während
des Krieges den Großteil der staatlichen Goldreserven aufgehäuft hatte,
und da der Dollar aus den Verwüstungen des Krieges als stärkste Währung
der Welt hervorgegangen war ..., konnte kaum jemand nach dem Krieg einem US-Dollar-Standard
etwas entgegensetzen. (Ebd., S. 249).Die Errichtung des IWF
nach Washingtons Vorstellungen verschaffte den US-Banken und Finanzinteressen
nach dem Krieg international enorme Vorteile. Gleichzeitig wurde der US-Dollar
zur Weltreservewährung, die de facto das Gold ersetzte. Dies sollte
1973 offiziell besiegelt werden. Diese außergewöhnliche Rolle des US-Dollars
verschaffte dem US-Kapital in der Nachkriegszeit einen enormen Vorteil gegenüber
potenziellen Rivalen wie der Deutschen Mark, dem britischen Pfund Sterling oder
dem französischen Franc. Wichtiger noch: Sie gab dem US-Finanzministerium
und der Federal Reserve die uneingeschränkte Macht, Dollars in praktisch
unbegrenzter Höhe als Weltreservewährung in Umlauf zu setzen, ohne Rücksicht
auf eine Golddeckung. (Ebd., S. 249).In Wirklichkeit war
der Dollar zwar nicht »so gut wie Gold«, er wurde aber von anderen
Ländern jahrelang so behandelt. Unter Führung von Rockefellers Finanzinstituten
Chase Bank und National City Bank hatten New Yorks Finanzhäuser die Stelle
als »Bankier für die Welt« eingenommen, die London vor 1914 innegehabt
hatte. (Merke: die Machtstellung, die England vor dem
1. Weltkrieg und US-Amerika nach dem 2. Weltkrieg innehatte, war zwischen
den beiden Weltrkiegen offen und wurde zwischen den zwei Ländern, die ausschließlich
dafür in Frage kamen, ausgefochten: es war der 31-jähriger Krieg - ein
Weltmachtskrieg - um die Weltherrschaft zwischen Deutschland und US-Amerika, das
sich mit dem Rest der Welt verbünden mußte, um überhaupt eine
Chance zu Erreichung dieses Ziel bekommen zu können [**|**|**|**|**|**|**|**|**]!
[HB]). In der Nachkriegszeit wurde viel us-amerikanisches Kapital in Europa,
Lateinamerika und der ganzen übrigen Welt investiert. Verhängnisvollerweise
machte es die Rolle des US-Dollars als Weltreservewährung auch möglich,
daß die Vereinigten Staaten ihre weltweiten Militärausgaben dadurch
finanzierten, daß sie einfach neue Dollars in Umlauf brachten, d.h. druckten,
anstatt -wie verwunderte sowjetische Ökonomen richtigerweise betonten -die
eigenen Goldreserven zu erhöhen. Kein anderes Land konnte sich diesen Luxus
erlauben. (Ebd., S. 249).Anfanglich spielten der IWF und
die Weltbank aber nur eine untergeordnete Rolle, während eine leicht veränderte
Strategie der Geopolitik nach Roosevelts Tod 1945 unter Präsident Truman
langsam Gestalt annahm. Bowmans War & Peace Study Group beim CFR war ursprünglich
davon ausgegangen, daß sich die USA nach dem Krieg mit der Sowjetunion und
den anderen alliierten Nationen verbünden sollten, um sicherzustellen, daß
Deutschland nicht wieder zur stärksten Nation aufsteigen könnte. Außerdem
sollte China als Alliierter gegen ein mögliches Wiedererstarken Japans fungieren.
Truman dagegen war aufgeschlossener für die Vorschläge von Averell Harriman,
dem ehemaligen US-Botschafter in Moskau, und die von US-Außenminister Dean
Acheson, die beide zu einem stärkeren Widerstand gegen Stalins Vorgehen in
Osteuropa rieten, auch wenn dies gegen die in Jalta erreichte Vereinbarung verstieß.
Die großartigen Pläne zur Ausweitung des us-amerikanischen »Lebensraums«,
die Roosevelt mit seiner Vorstellung von den Vereinten Nationen gehegt hatte,
wurden einstweilen auf Eis gelegt. Washington wollte dieselben Pläne lieber
bilateral verfolgen, d.h. mit England. (Ebd., S. 249-250).Churchill
war 1946 nach Fulton in Trumans Heimatstaat Missouri gekommen, wo er seine berühmte
Rede über den »Eisernen Vorhang« hielt und erklärte, daß
im Augenblick Europa neu geteilt werde. Spätestens seit 1943 hatten Churchill
und die ihm nahestehenden Kreise des englischen Round Tables damit gerechnet,
daß sie einen neuen Konflikt mit den Sowjets schüren müßten,
damit sich England bei dem unerfahrenen Washington als unverzichtbarer »Vermittler«
zwischen den Sowjets und den Vereinigten Staaten andienen konnte. Bereits Anfang
1945, noch vor der Kapitulation Deutschlands, hatte Churchill angeordnet, die
gefangengenommenen deutschen Divisionen intakt zu halten und ihnen ihre Waffen
zu belassen, weil man daran dachte, sie möglicherweise gegen die sowjetische
Rote Armee einzusetzen. Ein sehr ungewöhnliches Vorgehen. Aus militärischen
Gründen widersetzten sich General Eisenhower und das Weiße Haus diesem
Plan. Er machte aber deutlich, daß England sich bereits auf die nächste
Phase des Kampfes in einer »balance of power«-Welt vorbereitete?
(Ebd., S. 250).Churchill war klar, daß sich England selbst
mit einer von Roosevelt regierten USA hart würde auseinandersetzen müssen,
wenn es auch nur den Anschein seiner Vorkriegsmacht wahren wollte. Truman stellte
schon sehr früh klar, daß genau dies der Fall sein würde.
(Ebd., S. 250).Als eine seiner ersten und unerwarteten Amtshandlungen
als Präsident hatte Truman die Unterstützungen nach dem Leih- und Pachtgesetz
für England direkt nach der Kapitulation Japans im August 1945 eingestellt
und die Rückzahlung der Kriegskredite gefordert. Die Engländer waren
überrascht, denn sie hatten erwartet, daß die USA ihre großzügige
Hilfe auch beim Wiederaufbau nach dem Krieg fortführen würden. Anfang
1945 waren 55 Prozent der englischen Arbeitskräfte entweder im Krieg oder
in der Kriegsproduktion beschäftigt. Die strenge Rationierungspolitik der
Kriegszeit hatte dazu geführt, daß der Pro-Kopf-Verbrauch in England
um 16 Prozent unter das Niveau von 1938 gefallen war. Am Ende des Krieges betrugen
Englands Gold- und Dollar-Reserven nicht einmal mehr 1500 Millionen Dollar, die
kurzfristige Verschuldung lag bei ungeheuren zwölf Milliarden Dollar. Mit
Ausnahme der Rüstungsindustrie war die britische Industrie in einem desolaten
Zustand. Die Kohleproduktion war dramatisch gesunken, Stromausfälle waren
an der Tagesordnung. Millionen heimkehrende Soldaten mußten wieder in eine
schwer angeschlagene zivile Wirtschaft integriert werden. (Ebd., S. 250-251).Trumans
Entscheidung, diese Hilfslieferungen einzustellen, richtete sich direkt gegen
London, denn zur gleichen Zeit machte Truman im Falle Chinas eine Ausnahme und
ließ die Unterstützungen nach dem Leih- und Pachtgesetz weiterlaufen.
Für Washington und die Kreise um den CFR richtete sich die Streichung der
us-amerikanischen Kredite und Hilfslieferungen gezielt gegen einen potenziellen
wirtschaftlichen Konkurrenten nach dem Krieg, nämlich Großbritannien
mit seinen Sterling-Präferenzabkommen, mit seinen Herrschaftsgebieten (Dorninions)
in der ganzen Welt und mit seinen vielen Kolonien. (Ebd., S. 251).Es
war klar: Roosevelt und die Rockefellers waren nicht in den Krieg gezogen, um
das Britische Empire zu retten. Ganz im Gegenteil, England mußte in die
Knie gezwungen werden, damit es sich als der eindeutig kleinere Partner an einer
anglo-us-amerikanischen »Special Relationship« beteiligte. Der spätere
britische Premierminister Harold Macmillan, der während des Zweiten Weltkriegs
persönlicher Gesandter von Winston Churchill gewesen war, formulierte diese
neue Realität gegenüber dem prominenten englischen Sozialdemokraten
Richard Crossman folgendermaßen: »Mein lieber Crossman, wir sind die
Griechen in diesem Amerikanischen Empire. Sie sehen vielleicht die Amerikaner
so, wie die Griechen die Römer empfunden haben - dick, vulgär, geschäftig,
dynamischer als wir und doch ruhiger, mit weniger unverdorbenen Tugenden, aber
auch korrupter. Wir müssen das Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte
so führen, wie die griechischen Sklaven die Geschäfte für Kaiser
Claudius geführt haben.« (Ebd., S. 251).
Der Marshallplan: Der Beginn des US-Amerikanischen Jahrhunderts
1947
war Washington bereit, Westeuropa in seinen Wirtschaftsraum zu integrieren und
die Sowjets zu isolieren. Deshalb wurde ein bilateraler Marshallplan für
den Wiederaufbau Europas vorgeschlagen. (Ebd., S. 252).Den
mächtigen Vertretern des sogenannten Ostküsten-Establishments, d.h.
den zumeist mit der Rockefeller-Gruppe verbundenen oder ihnen zumindest nahestehenden
New Yorker Banken und internationalen Konzernen, war völlig klar, was sie
nach dem Krieg erreichen wollten. Der Chef von Standard Oil formulierte es mit
schönen Worten. (Ebd., S. 252).1946 forderte Leo D.
Welch, Direktor von Rockefellers Standard Oil, Washington auf, » ...die
politischen, militärischen, territorialen und wirtschaftlichen Erfordernisse
darzulegen, die auf die Vereinigten staaten bei der potenziellen Führung
des nicht-deutschen Teils der Welt, inklusive des Vereinigten Königreichs,
der westlichen Hemisphäre und des Fernen Ostens, zukommen.« Diesen
Satz hätten auch die Vertreter der War & Peace Group des CFR genau so
formulieren können. (Ebd., S. 252).Im us-amerikanischen
Busineß-Jargon fuhr Welch fort: »Als größter Kapitalgeber
und als wichtigste Beitragsquelle zu dem globalen Mechanismus müssen wir
das Tempo bestimmen und die Verantwortung als Mehrheitsaktionär dieses Unternehmens
übernehmen, das man die Welt nennt ..., und das gilt auch nicht nur für
eine bestimmte Amtszeit. Das ist eine dauernde Verpflichtung.« (Ebd.,
S. 252).1948 verfaßte George F. Kennan, der einflußreiche
us-amerikanische Diplomat, der die Strategie des Kalten Krieges im US-Außenministerium
maßgeblich mit formuliert hatte, für sein Ministerium ein vertrauliches
internes Memorandum. In diesem Papier legte er in knappen Worten dar, was das
US-Macht-Establishment im Umfeld der Rockefeller-Familie für die Nachkriegszeit
plante: »Wir besitzen etwa 50 Prozent des Reichtums dieser Welt, stellen
aber 6,3 Prozent ihrer Bevölkerung. .... In einer solchen Situation werden
wir unweigerlich zur Zielscheibe von Neid und Mißgunst. Unsere wirkliche
Aufgabe besteht deshalb in der nächsten Zeit darin, eine Form von Beziehungen
zu entwickeln, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte
Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten. Dabei können wir
uns keine Sentimentalitäten oder Tagträumereien leisten; unsere Aufmerksamkeit
muß sich überall auf unsere unmittelbaren nationalen Ziele richten.
Wir sollten uns nicht der Täuschung hingeben, daß wir uns heute den
Luxus von Altruismus und Weltbeglückung leisten könnten.«
(Ebd., S. 252-253).Kennan, der schon in den 1930er Jahren unter
Rockefellers Geschäftspartner Averell Harriman als Gesandter an der US-Botschaft
in Moskau tätig war und später in Washington die Politik des »Containments«
(Eindämmung) des Kalten Kriegs konzipierte, beschrieb damit die wahre Natur
der US-Politik nach dem Zweiten Weltkrieg. Kühl, aber ehrlich und realistisch
präsentierte Kennan das wahre Ziel der Nachkriegs-Elite der USA: Die Beherrschung
der ganzen Welt - oder zumindest so viel davon, wie die US-Elite 1948 bekommen
konnte. Es ging also um die Herrschaft über die vom CFR vorgeschlagene »Grand
Area«. (Ebd., S. 253).1947 legte US-Außenminister
George Marshall einen zusammen mit William Clayton und George Kennan verfaßten
Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas vor. Dieser Plan sollte
die Dominanz der US-Industrie, der großen Ölgesellschaften und Finanzhäuser
im Nachkriegseuropa zementieren. Bekannt wurde diese Politik als »Marshallplan«,
dessen offizieller Name lautete: European Recovery Program (ERP), also Europäisches
Wiederaufbauprogramm. (Ebd., S. 253).Die us-amerikanischen
Autoren der Bedingungen für die Marshallplan-Hilfe hatten darauf geachtet,
das Angebot us-amerikanischer Hilfe beim Wiederaufbau auch der Sowjetunion zu
unterbreiten, allerdings unter der Bedingung, daß Stalin die sowjetische
Wirtschaft für den Westen und die Vereinigten staaten öffnete. Da neben
anderen unakzeptablen Bedingungen dabei auch vorgesehen war, daß die Sowjetunion
riesige Mengen Rohstoffe an Westeuropa liefern mußte, lehnte die Sowjetunion
diese Form der Hilfe ab. Daher (und hauptsächlich daher,
daß sie Deutschland weiterhin ausbeuteten und kontrollierten [HB])
konnten die USA also Westeuropa wirtschaftlich dominieren, ohne mit den Sowjets
kooperieren zu müssen. (Ebd., S. 253-254).Bei nüchterner
Betrachtung ging es bei der Marshallplan-Hilfe um den massiven Transfer us-amerikanischer
Industriegüter nach Europa, ein sehr nützliches Vorgehen bei der Eroberung
der neuen westeuropäischen Märkte. Vor allem gehörte zu diesen
Hilfsmaßnahmen der Verkauf von Öl aus den Reserven des Standard-Oil-Imperiums
der Rockefellers. Eine Anfrage des US-Senats brachte ans Licht, daß der
größte Einzelposten , bei der ERP-Hilfe für die Empfangerländer
den Kauf us-amerikanischen Öls betraf - Öl, das Rockefellers Standard
Oil zu hochgradig inflationierten Preisen geliefert hatte. (Ebd., S. 254).Am
Ende des Krieges waren die von Rockefeller kontrollierten »Fünf ; Schwestern«,
also praktisch die gesamte US-Ölindustrie, g:nauso internationalisiert wie
die britische. Die Hauptquellen des US-Öls befanden sich in Venezuela, im
Mittleren Osten und anderen weit entlegenen Gebieten. »Big Oil«, wie
man die fünf riesigen Unternehmen nannte - Standard Oil of New Jersey (Exxon),
Socony-Vaccum Oil (Mobil), Standard Oil of Califomia (Chevron), Texaco und Gulf
Oil der Familie Mellon -, übernahm nach dem Krieg die Kontrolle des europäischen
Erdölmarkts. (Ebd., S. 254).Die Verwüstungen des
Krieges hatten sich stark auf die europäische Abhängigkeit von der Kohle
als Hauptenergiequelle ausgewirkt. Deutschland hatte die Kohlereserven im Osten
an die Sowjets und Polen (vgl. Vertreibung, Morde, widerrechtliche
Annexionen u.s.w. [HB]) verloren, und die Kohleförderung im Westen
Deutschlands betrug nur 40 Prozent der Vorkriegsproduktion. In Großbritannien
lag die Kohleförderung um 20 Prozent unter dem Wert von 1938. Das Öl
in Osteuropa lag nun hinter Churchills »Eisernem Vorhang«, unerreichbar
für den Westen. 1947 wurde die Hälfte alles in Europa verbrauchten Öls
von den fünf us-amerikanischen Ölgesellschaften geliefert. (Ebd.,
S. 254).Die großen us-amerikanischen Ölfirmen nutzten
diese günstige Gelegenheit unverzüglich: Kongreßuntersuchungen
und Protesten aus der Verwaltungsburokratie gegen den offensilchtlichen Mißbrauch
der Marshallplan-Gelder zum Trotz zwangen die US-Ölkonzerne Europa (ganz
besonders Deutschland [HB]), einen hohen Preis zu zahlen. Von 1945 und
1948 erhöhten Rockefellers Ölgesellschaften den Ölpreis für
ihre europäischen Kunden um mehr als das Doppelte, von 1,05 Dollar auf 2,22
Dollar pro Barrel. Das Öl wurde zwar billig auf den Feldern der US-Gesellschaften
im Mittleren Osten gefördert - die Förderpreise lagen meist bei unter
25 Cent pro Barrel -, aber die Frachtraten wurden bewußt mit einer komplizierten
Formel berechnet und an die Frachtpreise gekoppelt, die für Transporte von
der Karibik nach Europa galten, so daß der Endpreis erheblich höher
lag. (Ebd., S. 254-255).Selbst auf dem europäischen
Markt gab es enorme Unterschiede bei den von den US-Konzemen geforderten Preisen.
Griechenland mußte 8,30 Dollar pro Tonne für Heizöl bezahlen,
während England für die gleiche Ölsorte weniger als die Hälfte
- genau 3,95 Dollar pro Tonne - auf den Tisch legen mußte. Außerdem
setzten die US-Ölgesellschaften mit Unterstützung Washingtons durch,
daß die Europäer keine MarIshallplan-Dollars für den Aufbau eigener
Raffineriekapazitäten verwenden durften. Dadurch verstärkten die US-Olkonzerne
von »Big Oil« ihre Kontrolle über die Länder im Nachkriegseuropa
noch erheblich. (Ebd., S. 255).Der Marshallplan zum Wiederaufbau
trat am 12. Juli 1947 in Kraft und blieb bis nach dem Koreakrieg 1953 wirksam.
In dieser Zeit gewährte Washington wirtschaftliche und technische Hilfe im
Wert von etwa 13 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau der europäischen
Staaten, die der 1948 im Zuge des Marshallplans gegründeten Organisation
für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) mit Sitz in
Paris beitraten. Diese Hilfen waren jedoch an strikte Bedingungen geknüpft.
So mußten beispielsweise in Frankreich als Gegenleistung für US-Finanzhilfen
us-amerikanische Filme gezeigt werden, was eine Schwächung der französischen
Filmindustrie bedeutete. US-Amerika war sich der Bedeutung Hollywoods als Propagandainstrument
für die unterschwellige Werbung für den »American Way of Life«
und us-amerikanische Güter sehr wohl bewußt. Darüber hinaus ermöglichte
es der Marshallplan großen US-Konzernen, sich in die europäische Industrie
einzukaufen, und zwar zu Schnäppchenpreisen, da die europäischen Währungen
gegenüber dem Dollar stark gefallen waren. (Ebd., S. 255).Anfänglich
wurden die Marshallplan-Gelder vornehmlich zum Kauf von Nahrungsmitteln und Treibstoffen
aus den USA verwendet, später dann für Industriegüter, die beim
Wiederaufbau benötigt wurden. Nach dem Beginn des Koreakriegs im Juni 1950
wurde ein immer größerer Teil der Mittel im Zuge der Gründung
der neuen nordatlantischen Verteidigungsorganisation NATO für den militärischen
Wiederaufbau in Westeuropa benutzt. Dabei stammten die meisten Rüstungsgüter
aus den USA. US-Amerikanische Rüstungsexporte wurden zur strategischen Priorität
bei der us-amerikanischen Exportpolitik. (Der Marshallplan
war also eine Hilfe nur für US-Amerika, nicht für Europa!
[HB]). (Ebd., S. 250).
1971: Der Anfang vom Ende des Dollar-Systems
| »Wir haben
Ihnen gezeigt, wie die USA England und alle anderen Länder der Geschichte,
die versucht haben. ein Imperium zu errichten, in die Tasche gesteckt haben.
Wir haben die größte Abzocke aufgezogen, die es je gegeben hat.«
(Herman Kahn, 1971, nachdem er erfuhr, wie Zahlungsbilanzdefizite der USA
genutzt werden können, um andere Länder auszubeuten). Vgl. Michael
Hudson, Super Imperialism: The Origins and Fundamentals of US World Dominance,
2003, S. xiii. Hudsons Bericht ist Teil seiner brillanten Beschreibung der
us-amerikanischen Finanzmanipulationen der Nachkriegszeit, als atemberaubend hohe
Schulden des US-Finanzministeriums im Verein mit chronischen Handelsdefiziten
dazu benutzt wurden, um das zu tun, was sich kein anderes Land leisten konnte,
einfach weil der Dollar Weltreservewährung war und die Sicherheit aller anderen
Länder von der Militärmacht der USA abhing. Ihnen blieb nichts anderes
übrig, als mit ihren Handelsüberschüssen von vielen hundert Milliarden
Dollars Schatzbriefe des us-amerikanischen Finanzministeriums zu kaufen, was -
wie Hudson gegenüber Kahn betont hatte - diese Länder zwang, us-amerikanische
Kriege und andere Abenteuer zu finanzieren, die den Ländern, die diese US-Schatzbriefe
kauften, auch noch zum Schaden gereichten. Die Abkopplung des Dollars vom Gold
im August 1971 war der entscheidende Schritt, der diese Entwicklung erst ermöglichte,
obwohl das, wie Hudson zeigt, den politischen Kreisen in Washington und an der
Wall Street zunächst gar nicht klar war. Das gesamte Buch ist online verfügbar. |
Die frühen 1970er Jahre bedeuteten für das US-Establishment
eine Wasserscheide. Wenn die USA als dominierende weltweite Wirtschafts- und Finanzmacht
überleben wollten, mußten dramatische Maßnahmen eingeleitet werden.
Wie US-Amerikas Elite dabei allerdings vorgehen sollte, war alles andere als klar.
Doch schon bald hatten die Mächte, die an der Wall Street das Sagen hatten,
eine Strategie entwickelt. (Ebd., S. 295).Angesichts der
Kosten für Johnsons eskalierenden Krieg in Südostasien verkauften internationale
Banken und Zentralbanken vermehrt Dollars und kauften dafür Gold. 1968 hatte
das Defizit im US-Bundeshaushalt aufgrund der explodierenden Kriegskosten die
bis dahin beispiellose Höhe von 30 Milliarden Dollar erreicht. Die Goldreserven
schwanden weiterhin beängstigend und näherten sich dem gesetzlich vorgeschriebenen
Mindestwert von 25 Prozent. Politische Auflösungserscheinungen verstärkten
die Finanzflucht noch weiter: Verteidigungsminister Robert McNamara, der weithin
als Architekt und Stratege eines »nicht zu gewinnenden Krieges« galt,
reichte seinen Rücktritt ein. (Ebd., S. 295).Es
war offensichtlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der Kern des Bretton-Woods-Systems
der Nachkriegszeit zerbrach. Das geschah schließlich am 15. August 1971,
als Präsident Richard Nixon der Welt verkündete, er habe angeordnet,
das Gold-Diskontfenster der New Yorker Federal Reserve zu schließen. Ausländer,
die Dollars besaßen, waren durch diese einseitige Handlung des US-Präsidenten
über Nacht ihres vertraglich besiegelten Anrechts auf Gold beraubt worden.
(Ebd., S. 295-296).Nixon handelte auf Rat eines kleinen Beraterkreises
aus dem Umkreis der Rockefellers. Dazu gehörten neben seinem Haushaltsberater
George Shultz, dem späteren US-Außenminister und Direktor des riesigen
Baukonzerns Bechtel, auch Jack F. Bennet vom Finanzministerium, der später
Direktor von Rockefellers Ölgesellschaft Exxon Co. und Finanzstaatssekretär
für internationale Währungsfragen wurde, sowie der frühere Direktor
der Chase Manhattan Bank, Paul Volcker, zeitlebens ein Protegé der Rockefeller-Interessen.
Dieser Paul Volcker sollte acht Jahre später als Chef der us-amerikanischen
Federal Reserve eine entscheidende Rolle spielen. Zu diesem Posten hatte ihm David
Rockefeller verholfen, der dafür gesorgt hatte, daß Präsident
Carter Volcker zum Fed-Chef ernannte, damit ein »Bankiers-Putsch«
möglich wurde! (**).
(Ebd., S. 296). | Die
Entscheidung Nixons und Volckers zur Aufhebung der Goldkonvertibilität
vom August 1971 öffnete die Schleusen für die Währungsinflation. | Nixons einseitiges Vorgehen in der Goldfrage
wurde bei internationalen Gesprächen bestätigt, die im Dezember desselben
Jahres in Washington zwischen Vertretern der führenden Länder Europas,
Japans und einiger anderer Staaten geführt wurden und in einem faulen Kompromiß
mündeten, der nach dem Ort der Verhandlungen als »Smithsonian Agreement«
bekannt wurde. Nach diesen Gesprächen im Washingtoner Smithsonian-Gebäude
verkündete Nixon, diese Vereinbarung sei »der Abschluß der wichtigsten
Währungsvereinbarung der Weltgeschichte«. Die USA hatten formell den
Dollar abgewertet, allerdings nicht um den riesigen Betrag - d.h. eine Verdopplung
des Goldpreises auf 70 US-Dollar -, der nach Meinung der Europäer nötig
war, um ein globales Gleichgewicht wiederherzustellen. Washington wertete den
Dollar lediglich um acht Prozent ab, wodurch der Goldpreis bei 38 Dollar pro Feinunze
anstatt der jahrelang gültigen 35 Dollar pro Feinunze festgelegt wurde. Außerdem
ließ diese Vereinbarung jetzt eine offizielle Schwankungsbreite der Währungen
von 2,25 Prozent zu (anstelle des ursprünglich in den IWF-Regeln festgelegten
einen Prozentes). (Ebd., S. 296-297).Als Nixon allen, die
auf der Welt Dollars besaßen, erklärte, daß sie ihre Papiere
nicht mehr in Gold eintauschen konnten, setzte er eine Reihe von Entwicklungen
in Gang, die die Welt erschüttern sollten. Es dauerte nur wenige Wochen,
bis das Vertrauen in das »Smithsonian Agreement« zu bröckeln
begann. (Ebd., S. 297).Gold hat wenig Wert an sich. Dieses
Edelmetall wird für einige industrielle Zwecke benutzt und ist als Schmuck
sehr begehrt. Aber historisch hat es aufgrund seines begrenzten Vorkommens als
anerkannter Wertstandard gedient, an dem verschiedene Länder ihre Handelsbedingungen
und damit auch ihre Währungen ausgerichtet haben. Als Nixon erklärte,
daß die USA ihren Währungsverpflichtungen gegenüber dem Gold nicht
mehr nachkommen würden, öffnete er die Schleusen für eine weltweite
Spekulation im Stil eines Casinogelages in Las Vegas und zwar in einer historisch
nie da gewesenen Dimension. (Ebd., S. 297).Ab dem 15. August
1971 wurde die langfristige wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr an einen festen
Wechselkurs gebunden, sondern der Welthandel wurde selbst zum Schauplatz von wilden
Spekulationen in bezug darauf, in welche Richtung bestimmte Währungen schwanken
würden. Infolgedessen stieg das Gesamtvolumen der weltweit zirkulierenden
Dollars, das sich bis Ende der 1960er Jahre auf einem relativ gleichmäßigen
Niveau befunden hatte, bis Ende der 1990er Jahre exponentiell um etwa 2500 Prozent
an. (Ebd., S. 297).Daß die Einlösung von Gold
ausgesetzt und daraufuin Anfang der 1970er Jahre »flexible Wechselkurse«
eingeführt wurden, war keine Lösung. Es verschaffte den US-Finanzkreisen
lediglich etwas Zeit, ihre nächsten Schritte festzulegen. Die untaugliche
Grundlage des »Smithsonian Agreements« führte 1972 zu einer weiteren
Verschlechterung der Lage, da es weiterhin zu einer massiven Kapitalflucht aus
dem Dollar in Richtung Europa und Japan gab, bis Nixon am 12. Februar 1973 schließlich
eine zweite Abwertung des Dollars bekannt gab, und zwar um zehn Prozent gegenüber
dem Gold, wodurch der offizielle Goldpreis auf den bis heute gültigen Wert
von 42,22 Dollar pro Feinunze festgelegt wurde. (Ebd., S. 297).Doch
die Abwertung konnte die Dollar-Verkäufe kaum stoppen. Im Mai 1973 kam es
darum auf einer kleinen schwedischen Ferieninsel vor Stockholm zu einem streng
geheimen Treffen, bei dem das Leben des US-Dollars auf Kosten des weltweiten industriellen
Wachstums ein wenig weiter verlängert wurde. Die Wall Street und die Machtelite
im Umkreis des damaligen US-Außenministers - und de facto amtierenden
Präsidenten - Henry Kissinger, der selbst zeitlebens ein Anhängsel der
Rockefeller-Interessen war, beschlossen bei diesem Treffen, der Weltwirtschaft
einen dramatischen Schock zu verpassen, um den fallenden Dollar als Wert für
den Welthandel und die Weltfinanzen sowie als Säule der imperialen Strategie
US-Amerikas zu retten. (Ebd., S. 297-298).
Saltsjöbaden und der Ölschock der Bilderberger **
Der
Plan hinter Nixons Dollar-Strategie vom 15. August 1971 (**|**)
wurde erst im Oktober 1973 deutlich, und selbst dann begriffen außer einer
Handvoll Insider nur wenige den Zusammenhang. Die Entmonetarisierung des Goldes
im August 1971 wurde vom New Yorker Finanz-Establishment genutzt, um Zeit zu gewinnen,
während us-amerikanische Politstrategen einen kühnen neuen Währungsplan
entwarfen - einen »Paradigmenwechsel« vollzogen, wie einige Insider
das Ganze gern nannten. In dem Moment, wo alles verloren schien, hatten bestimmte
einflußreiche Stimmen im US-Finanz-Establishment eine Strategie entwickelt,
mit der wieder ein starker Dollar geschaffen und die politische Machtposition
der USA in der Welt gestärkt werden konnten. (Ebd., S. 298).Im
Mai 1973, als der dramatische Verfall des Dollars noch in vollem Gange war, trafen
sich 84 der führenden Insider aus Finanzen und Politik auf der besagten einsamen
Insel an der Ostseeküste vor Stockholm - Saltsjöbaden -, die praktisch
der schwedischen Bankiersfamilie Wallenberg gehört. Bei diesem Treffen von
Prinz Bernhards Bilderberger-Gruppe (**)
trug ein US-Amerikaner das »Szenario« eines unmittelbar bevorstehenden
400-prozentigen Anstiegs der Öleinkünfte der OPEC-Länder vor. Der
Zweck dieses Geheimtreffens auf Saltsjöbaden bestand allerdings nicht darin,
den erwarteten Ölpreisschock zu verhindern, sondern vielmehr zu planen, wie
man die bald zu erwartende Flut von Öl-Dollars handhaben sollte. US-Außenminister
Kissinger sollte diesen Prozeß später als »Recycling der Petrodollar-Ströme«
bezeichnen. (Ebd., S. 298).Der erwähnte US-Amerikaner
war Walter Levy, der Rockfellers Standard-Oil-Konzern als Berater nahestand. Er
erklärte den Teilnehmern des Bilderberger-Treffens (**)
, bei dem es eigentlich um die atlantisch-japanische Energiepolitik gehen sollte,
was in der nächsten Zeit geschehen würde. Zunächst legte er dar,
daß in Zukunft der weltweite Ölbedarf vorwiegend von einer kleinen
Zahl ölproduzierender Länder im Mittleren Osten gedeckt werde, und fügte
dann prophetisch hinzu: »Die Kosten dieser Ölimporte werden gewaltig
steigen, was für die Zahlungsbilanzen der Verbraucherländer große
Schwierigkeiten bringen wird. Ernsthafte Probleme würden entstehen, wenn
sich in Ländern wie Saudi-Arabien oder Abu Dhabi plötzlich große
Devisenreserven anhäufen sollten.« Und weiter: »Die politischen,
strategischen und machtpolitischen Beziehungen zwischen den ölproduzierenden
und den ölimportierenden Ländern sowie den Heimatländern der internationalen
und nationalen Ölgesellschaften der produzierenden und importierenden Länder
könnten sich grundlegend verändern.« Er prognostizierte dann einen
Anstieg der Öleinkünfte der OPEC-Länder im Mittleren Osten, der
bei etwas über 400 Prozent liegen würde, das gleiche Niveau, das Kissinger
bald vom persischen Schah verlangen sollte. (Ebd., S. 298-299).Weitere
Teilnehmer des Treffens auf Saltsjöbaden im Mai 1973 waren: David Rockefeller
von der Chase Manhattan Bank, damals der anerkannte »Vorstandsvorsitzende
des us-amerikanischen Establishments«; Robert O. Anderson von der Atlantic
Richfield Oil Company, ein enger Rockefeller-Verbündeter; Lord Greenhill,
Direktor von British Petroleum; Sir Eric Roll von der Bank S. G. Warburg, Mitbegründer
der Eurobonds; George Ball von der Investmentbank Lehman Brothers, der zehn Jahre
zuvor als stellvertretender US-Außenminister seinem Bankiersfreund Siegmund
Warburg von der Londoner Bank S. G. Warburg & Co. geraten hatte, den Eurodollarmarkt
in London aufzubauen; Zbigniew Brzezinski, der gerade Direktor von David Rockefellers
privater Trilateraler Kommission (**|**)
geworden war und später Präsident Carters Nationaler Sicherheitsberater
werden sollte; Gianni Agnelli, der Fiat-Chef aus Italien; sowie Otto Wolff von
Amerongen, einer der einflußreichsten Repräsentanten der deutschen
Nachkriegswirtschaft und der erste Deutsche, der zu einem der Direktoren von Rockefellers
Exxon Oil Company ernannt wurde. Auch Henry Kissinger war zu dem Treffen eingeladen!
(Ebd., S. 299).Seit Mai 1954 fanden die jährlichen
Treffen der Bilderberger (**)
statt, und zwar immer unter strengster Geheimhaltung. Anfänglich waren die
Bilderberger eine kleine elitäre Gruppe von »Atlantikern«, zu
der vor allem David Rockefeller, George Ball, Dr. Joseph Retinger, Prinz Bernhard
der Niederlande und George C. McGhee, damals us-amerikanischer Diplomat und später
Direktor von Rockefellers Mobil Oil, gehörten. Zu den Treffen der Bilderberger
- ihren Namen erhielten sie von dem Ort ihres ersten Treffens, dem Hotel De Bilderberg
in der Nähe von Amheim in den Niederlanden - fanden sich dann alljährlich
die führenden Eliten aus Europa und US-Amerika ein, um vertrauliche politische
Gespräche zu führen und geheime Entscheidungen zu treffen. Ein Konsens
wurde »geformt« und in anschließenden Pressekommentaren und
Medienberichten sorgfaltig propagiert, ohne jedoch jemals dabei die geheimen Bilderberger-Gespräche
zu erwähnen. Der Bilderberger-Prozeß gehörte zu den effektivsten
Instrumenten der Gestaltung der anglo-us-amerikanischen Politik nach dem Zweiten
Weltkrieg. (**). (Ebd.,
S. 299-300). Anonym, Saltsjoebaden
Conference, Bilderberg-Treffen, 11.-13. Mai 1973. Der Autor ist im Besitz
einer Originalkopie der offiziellen Diskussion bei diesem Treffen. Das eigentlich
vertrauliche Dokument wurde in einer Pariser Buchhandlung gekauft. Es trägt
die Unterschrift des Bilderberger-Insiders (**|**)
Shepard Stone. Die Tagesordnung für das Bilderberger-Treffen 1973 war von
Robert D. Murphy vorbereitet worden, der 1922 als US-Konsul in München stationiert
gewesen war. Dort hatte er sich um ein Treffen mit dem damals unbekannten Adolf
Hitler bemüht und anschließend eine positive Empfehlung an seine Vorgesetzten
in Washington geschickt. Später war Murphy als politischer Berater an der
Gestaltung der US-Besatzungspolitik in Nachkriegsdeutschland beteiligt. Walter
Levy, der den Energiebericht in Saltsjöbaden vortrug, war mit den Interessen
von »Big Oil« eng verbunden. 1948 diente Levy als ÖI-Experte
bei der Economic Cooperation Administration des Marshall-Plans, wobei er versucht
hatte, eine Untersuchung der Regierung zu verhindern, die den Vorwürfen nachgehen
wollte, die Ölgesellschaften erhöben zu hohe Preise. (Ebd., Anmerkung
4).
Die Mächtigen, die sich im besagten Mai 1973 bei ihrer
BilderbergerTagung (**)
in Schweden trafen, hatten dabei offenbar entschieden, einen enormen Angriff auf
das industrielle Wachstum zu führen und damit die Machtbalance wieder zugunsten
der us-amerikanischen Finanzinteressen und des Dollars zu verschieben. Zu diesem
Zweck beschlossen sie, ihre wertvollste strategische Waffe einzusetzen: die Kontrolle
über die weltweite Verteilung des Erdöls. (Ebd., S. 300).Die
Politik der Bilderberger (**)
sah vor, die us-amerikanische Diplomatie einzusetzen, um knapp ein halbes Jahr
später, im Oktober 1973, ein weltweites Ölembargo auszulösen und
damit - welch ein Schock! - einen dramatischen Anstieg des Ölpreises zu bewirken.
Seit 1945 hatte es sich international eingebürgert, daß der weltweite
Ölhandel in US-Dollars abgewickelt wurde, da nach dem 2. Weltkrieg us-amerikanische
Ölgesellschaften den Markt beherrschten. Ein plötzlicher steiler Anstieg
des Ölpreises weltweit bedeutete deshalb auch einen gleichermaßen steilen
Anstieg der weltweiten Nachfrage nach US-Dollars, um damit das benötigte
Öl zu bezahlen. Der Anstieg würde also nicht nur Exxon, Mobil Oil und
die anderen Rockefeller-Ölgesellschaften zu den größten Unternehmen
der Welt machen, sondern gleichzeitig auch ihre Banken - Chase Manhattan, Citibank
und einige wenige andere - zu den größten Geldhäusern der Welt.
(Ebd., S. 300).Das von den Rockefellers beherrschte us-amerikanische
Finanz-Establishment war entschlossen, seine Macht über das Öl in einer
Weise einzusetzen, die damals niemand für möglich gehalten hätte.
Genau das Ungeheuerliche ihres Plans diente ihrem Vorteil. Niemand konnte sich
vorstellen, daß so etwas bewußt getan würde. Aber genau so geschah
es. (Ebd., S. 300).
Kissingers Ölschock von Jom Kippur
Am 6.
Oktober 1973 - auf diesen Tag fiel in diesem Jahr der jüdische Versöhnungstag
(»Jom Kippur«), der höchste israelische Feiertag - marschierten
ägyptische und syrische Truppen in Israel ein und lösten damit den »Jom-Kippur-Krieg«
aus. Dieser Krieg war nicht das simple Ergebnis von Fehleinschätzungen und
Fehlern oder der Entscheidung der arabischen Staaten, einen Militärschlag
gegen Israel zu führen. Die Umstände im Vorfeld des Ausbruchs dieses
Krieges im Oktober 1973 wurden insgeheim in Washington und London inszeniert,
die sich dabei der einflußreichen diplomatischen Geheimkanäle bedienten,
die das Weiße Haus unter Nixons Nationalem Sicherheitsberater Henry Kissinger
entwickelt hatte. (Ebd., S. 300-301).Durch seine engen Verbindungen
zu Simcha Dinitz, dem damaligen Botschafter Israels in Washington, konnte Kissinger
praktisch die politische Reaktion Israels bestimmen. Darüber hinaus pflegte
Kissinger auch seine Verbindungen zur ägyptischen und syrischen Seite. Seine
Methode war einfach: Er präsentierte der einen Seite die kritischen Elemente
der anderen Seite falsch und stellte damit sicher, daß es zum Krieg und
zu dem nachfolgenden Ölembargo der Araber kommen würde. Vorher hatte
Saudi-Arabiens König Faisal wiederholt Kissinger und Washington gegenüber
klargestellt, daß die OPEC-Länder mit einem Ölembargo antworten
würden, wenn die USA weiterhin einseitig Israel mit Militärgütern
belieferten. (Ebd., S. 301).Kissinger, damals Nixons Geheimdienst-»Zar«,
unterdrückte gezielt us-amerikanische Geheimdienstberichte, darunter auch
abgefangene Kommunikationen zwischen arabischen Vertretern, die die Kriegsvorbereitungen
bestätigten. Der Krieg und die Zeit danach - Kissingers berüchtigte
»Pendeldiplomatie« - wurden in Washington entworfen, und zwar genau
entsprechend der Entschlüsse der Bilderberger (**|**)
vom vergangenen Mai auf Saltsjöbaden, knapp sechs Monate vor Ausbruch des
Krieges. Die arabischen ölproduzierenden Länder sollten zum Sündenbock
für die kommende weltweite Empörung gemacht werden, während sich
die wirklich verantwortlichen anglo-us-amerikanischen Interessen still im Hintergrund
hielten! (Ebd., S. 301).Mitte Oktober 1973 erklärte
die Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt dem damaligen US-Botschafter
in Bonn, daß sich Deutschland im Nahostkonflikt neutral verhalte und den
USA nicht gestatten werde, von deutschen NATO-Basen aus Nachschub an Israel zu
liefern. Am 30. Oktober 1973 sandte Nixon eine scharf formulierte Protestnote,
die dem Vernehmen nach Henry Kissinger formuliert hatte, an Bundeskanzler Brandt
- eine merkwürdige Vorwegnahme ähnlicher Ereignisse ungefähr 17
Jahre später. (Ebd., S. 301).Nixons Antwort an die Bundesregierung
war ebenso kurz wie direkt: »Wir erkennen an, daß die Europäer
stärker vom arabischen Öl abhängig sind als wir, aber wir sind
nicht der Ansicht, daß Ihre Verletztlichkeit sinkt, wenn sie sich in einer
solch bedeutenden Angelegenheit von uns distanzieren .... Sie schreiben, diese
Krise sei kein Fall gemeinsamer Verantwortung für die Allianz und die militärischen
Lieferungen an Israel geschähen zu Zwecken, die nicht zum Verantwortungsbereich
der Allianz gehören. Ich glaube nicht, daß wir solch eine feine Unterscheidung
machen können ....« (Ebd., S. 302).Washington
wollte Deutschland einfach nicht erlauben, sich im Nahostkonflikt für neutral
zu erklären. Dagegen durfte England jedoch ungestraft seine Neutralität
klar erklären, damit das Land die Auswirkungen des Ölembargos nicht
zu spüren bekam. London hatte sich selbst geschickt um eine internationale
Krise herummanövriert, die England selbst mit inszeniert hatte. (Ebd.,
S. 302).Eine außerordentlich wichtige Konsequenz des anschließenden
Anstiegs der OPEC-Ölpreise um rund 400 Prozent war unter anderem die, daß
sich jetzt die vielen hundert Millionen Dollar, die British Petroleum, Royal Dutch
Shell und andere anglo-us-amerikanische Ölkonzerne in die riskante Förderung
des Nordseeöls investiert hatten, jetzt auszahlten. Es war schon ein sehr
merkwürdiges zeitliches Zusammentreffen, daß die Nordsee-Ölfelder
erst nach Kissingers Ölschock profitabel wurden. Aber natürlich könnte
das auch nur ein glücklicher Zufall gewesen sein. (Ebd., S. 302-303).Am
16. Oktober 1973 hatte die Organisation der erdölexportierenden Länder
(OPEC) zum Abschluß eines Treffens in Wien zur Beratung über die Höhe
des Ölpreises diesen Preis um für damalige Verhältnisse atemberaubende
70 Prozent angehoben, nämlich von 3,01 auf 5,11 Dollar pro Barrel. Gleichzeitig
erklärten die arabischen Erdölländer an diesem 16. Oktober unter
Hinweis auf die Unterstützung Israels durch die USA ein Embargo auf alle
Ölverkäufe an die USA und die Niederlande, das mit Rotterdam den wichtigsten
Ölhafen Westeuropas stellte. (Ebd., S. 303).Saudi-Arabien,
Kuwait, der Irak, Libyen, Abu Dhabi, Qatar und Algerien erklärten am 17.
Oktober 1973, sie würden ihre Produktion für den Oktober gegenüber
dem September-Niveau um fünf Prozent kürzen und jeden Monat um weitere
fünf Prozent, »bis der Abzug der Israelis aus den im Juni 1967 besetzten
arabischen Gebieten abgeschlossen ist und die Rechte des palästinensischen
Volkes wiederhergestellt sind«. Der erste »Öl-Schock« der
Welt - die Japaner nannten ihn »Oil Shokku« - war perfekt. (Ebd.,
S. 303).Es ist bedeutsam, daß die Ölkrise genau in dem
Moment voll zum Tragen kam, als der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich
in den sogenannten »Watergate-Skandal« hineingezogen wurde. Henry
Kissinger konnte damit de facto als US-Präsident agieren; er bestimmte
während der Krise Ende 1973 den Kurs der us-amerikanischen Außenpolitik.
(Ebd., S. 303).Als das Weiße Haus von Präsident Nixon
1974 einen führenden Vertreter zum US-Finanzministerium schickte, um dort
einen Plan zu entwickeln, wie man die OPEC zur Senkung des Ölpreises zwingen
könnte, wurde er brüsk abgewiesen. In einem Memorandum erklärte
Nixons Vertreter: »Die führenden Bankiers lehnten diesen Rat rundweg
ab und setzten sich für ein Recycling-Programm ein, um mit dem
höheren Ölpreis fertigzuwerden. Dies war eine fatale Entscheidung ....«
Zu den führenden Bankiers gehörten damals ohne Zweifel David Rockefeller
und die Chefs der großen New Yorker Banken mit ihren Verbindungen zur Ölindustrie.
(Ebd., S. 303).Das US-Finanzministerium unter Jack Bennett, dem
Mann, der 1971 daran beteiligt gewesen war, Nixons verhängnisvolle Dollar-Politik
zu steuern (**|**),
hatte mit der saudi-arabischen Währungsbehörde SAMA eine geheime Vereinbarung
geschlossen, die in einem Memorandum von Finanzminister Jack F. Bennett an Außenminister
Kissinger vom Februar 1975 festgehalten wurde. Nach dieser Vereinbarung sollten
die riesigen unerwarteten Profite (»windfalls«) dieser neuen Öleinkünfte
Saudi-Arabiens in erheblichem Maße zur Finanzierung des US-Haushaltsdefizits
eingesetzt werden. David Mulford, ein junger Wall-Street-Investmentbanker von
der führenden Eurobond-Firma White Weid & Co., wurde als Haupt-»Investmentberater«
der SAMA nach Saudi-Arabien entsandt, um die saudischen Petrodollar-Investments
in die richtigen Banken zu schleusen - natürlich vornehmlich in us-amerikanische
Banken in London und New York. Alles verlief wie von den Bilderbergern (**|**)
gepant. Auch der in den Jahren zuvor aufgebaute Eurodollar-Markt sollte beim »Recycling«
der Offshore-Petrodollars eine entscheidende Rolle spielen. Später schätzte
Rockefellers Chase Manhattan Bank, daß zwischen 1974 und Ende 1978 die Länder
der OPEC bei ihren Ölexporten einen Überschuß von 185 Milliarden
Dollar erzielt hatten. Von diesem Geldern wurden mehr als drei Viertel durch westliche
Finanzinstitute geschleust, wobei der Löwenanteil an die Chase und mit ihr
alliierte Banken in New York und London gelangte, die diese »Petrodollars«
dann in Form von Krediten an die Dritte Welt weitergaben. Das war damals eine
ganz gewaltige Summe. (Ebd., S. 303-304).Kissinger, der als
Präsident Nixons mächtiger Nationaler Sicherheitsberater bereits wichtige
Lageeinschätzungen der US-Geheimdienste unter seiner Kontrolle hatte, sicherte
sich auch die Kontrolle über die US-Außenpolitik, als er in den Wochen
vor dem Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 Nixon überredete, ihn auch zum Außenminister
zu ernennen und damit eine Machtposition in der US-Politik einzunehmen, die weder
vor noch nach ihm je ein anderer Politiker innegehabt hat. In den letzten Monaten
der Regierung Nixon verfügte niemand übel so viel absolute Macht wie
Henry Kissinger. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wurde Kissinger 1973 der
»Friedensnobelpreis« (Anführungsstriche
von mir [HB]) verliehen. (Ebd., S. 304).Nach einem
Treffen am 1. Januar 1974 in Teheran wurden noch eine zweite Preiserhöhung
um mehr als 100 Prozent verfügt und der Richtpreis der OPEC auf 11,65 Dollar
pro Barrel festgelegt. Das geschah auf die überraschende Forderung des Schahs
von Persien hin, dem Henry Kissinger insgeheim diesen Schritt befohlen hatte.
Der Schah wußte, das er seine Rückkehr zur Macht im Jahr 1953 der CIA
und der Unterstützung Washingtons zu verdanken hatte. (**).
(Ebd., S. 304). Bei einem
persönlichen Gespräch in seinem außerhalb von London gelegenen
Haus berichtete S. E. Scheich Saki Jamani, saudi-arabischer Ölminister und
OPEC-Sprecher in der Zeit des Embargos, dem Autor im September 2000 von seinem
Gespräch mit dem Schah von Persien Anfang 1974. Als Jamani auf Anweisung
des saudichen Königs den Schah fragte, warum der Iran einen so starken Anstieg
des Olpreises forderte, entgegnete dieser: »Um eine Antwort auf Ihre Frage
zu erhalten, fahren Sie am besten nach Washington und fragen Sie Henry Kissinger.«
(Ebd., Anmerkung 11).
Schah Reza Pahlavi hatte sich noch wenige
Monate zuvor einer Erhöhung des Ölpreises durch die OPEC auf 3,01 Dollar
widersetzt, weil er befürchtet hatte, dies würde die Exporteure im Westen
dazu zwingen, die Preise der Industrieanlagen, die der Schah für Persiens
ehrgeiziges Industrialisierungsprogramm importieren wollte, zu erhöhen. Die
Unterstützung Washingtons und der westlichen Länder für Israel
im Oktoberkrieg hatte die Wut der OPEC bei den Treffen geschürt. Und nicht
einmal Kissingers eigenes Außenministerium war über dessen geheime
Absprachen mit dem Schah informiert. (Ebd., S. 304-305).Von
1949 bis Ende 1970 hatten die Preise für Rohöl aus dem Nahen Osten im
Durchschnitt bei etwa 1,90 Dollar pro Barrel gelegen. Anfang 1973, zum Zeitpunkt
des verhängnisvollen Bilderberger-Treffens (**|**)
auf Saltsjöbaden, bei dem über einen unmittelbar bevorstehenden Preisanstieg
der OPEC um 400 Prozent gesprochen worden war, waren sie auf 3,01 Dollar gestiegen.
Anfang Januar 1974 war dieser anvisierte Preisanstieg von 400 Prozent dann Wirklichkeit
geworden. (Ebd., S. 305).
Heißes Geld die Geburtsstunde der Offshore-Eurodollars
Schon
bevor Nixon gezwungen war, das Abkommen von Bretton Woods aufzukündigen und
die Konvertierbarkeit des Dollars gegen Gold aufzuheben, hatten die New Yorker
Banken unter Führung von David Rockefellers Chase Manhattan Bank und der
Citibank bereits damit begonnen, eine Nutzung für die vielen Milliarden Dollars
zu entwickeln, die sich in Übersee, das heißt vor allem in Banken in
London und auf dem europäischen Kontinent, ansammelten. Aufgrund der klugen
Lobbyarbeit der New Yorker Banken waren Bankkredite, die ausländische Zweigstellen
der US-Banken an Ausländer vergeben hatten, von der neuen, 1964 verhängten
»US-Interest Equalization Tax« ausgenommen. Mit dieser Zinsausgleichsteuer
sollten die Kreditvergabe us-amerikanischer Banken ins Ausland erschwert und damit
der Abfluß von Dollars gestoppt werden. (Ebd., S. 305).Infolgedessen
hatten die us-amerikanischen Banken nichts Eiligeres zu tun, als Zweigstellen
in London und anderen geeigneten Finanzplätzen zu eröffnen. Wieder einmal
hatte es die Londoner City trotz der Schwäche der englischen Wirtschaft geschafft,
zum weltweiten Finanz- und Bankenzentrum zu werden, und zwar durch die Entwicklung
des großen neuen »Eurodollar«-Bank- und Kreditmarkts mit London
als seinem Zentrum. (Ebd., S. 305).Ab Ende der 1950er Jahre
hatten die großen New Yorker Banken ihre Macht und ihren Einfluß durch
eine Reihe von Bankfusionen enorm gesteigert. Rockefellers Chase National Bank
hatte sich mit der Bank of Manhattan zur Chase Manhattan Bank zusammengeschlossen.
Deren Direktor wurde Rockefellers Anwalt und Treuhänder der Rockefeller-Stiftung,
John J. McCloy, damals Vorsitzender des New Yorker Council on Foreign Relations,
der erst kurz zuvor von seinem Posten als Hoher Kommissar der USA in Deutschland
nach New York zurückgekehrt war. Die National City Bank of New York übernahm
die First National Bank of New York und bildete unter Vorsitz von James Stillman
Rockefeller die City Bank of New York, die spätere Citibank.
(Ebd., S. 306).Andere große New Yorker Banken, darunter die
Chemical Bank, Manufacturers Hanover und Bankers Trust durchliefen ähnliche
Fusionen und Zusammenschlüsse, bis schließlich - wie es in einem Bericht
des US-Justizministeriums von 1961 formuliert wurde - die fünf größten
Banken von New York unter Führung der beiden Banken der Rockefeller-Interessen
75 Prozent aller Einlagen in der größten Stadt der USA kontrollierten,
die gleichzeitig das Finanzzentrum der Welt war. Die erstaunliche Konzentration
der Finanzmacht in der Hand dieser wenigen New Yorker Banken in den 1960er Jahren
war für die politischen und finanziellen Entwicklungen in den folgenden 40
Jahren bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung. Die US-Regierung
nahm die Banken von den Bestimmungen der us-amerikanischen AntiKartell-Gesetze
aus, die eine unangemessene Konzentration oder Kartellisierung verboten.
(Ebd., S. 306).In den 1960er Jahren machten sich diese neu fusionierten
und enorm einflußreichen New Yorker Banken daran, einen neuen Offshore-Markt
für Dollars außerhalb der Vereinigten Staaten zu gründen: den
Eurodollar-Markt. Washingtons gesteigertes Bemühen, Besitzer von Dollars
in Übersee davon zu überzeugen, diese Dollar-Bestände nicht gegen
Gold einzutauschen, führte dazu, daß sich in Übersee eine ständig
wachsende Menge Dollars ansammelte - das meiste davon auf dem westeuropäischen
Kontinent oder in London. Das Schicksal Londons hellte sich langsam wieder auf,
da sich die Londoner City - so wird der Bankenbezirk gemeinhin genannt - daran
machte, den Markt für die US-Dollars im Ausland zu monopolisieren. Die Bank
von England und der Londoner Bankier Sir Siegmund Warburg, der Gründer der
einflußreichen Handelsbank der City, der S. G. Warburg & Co., hatte
mit der Hilfe seiner Freunde in Washington, insbesondere des stellvertretenden
US-Außenministers George Ball, geschickt die Dollars angelockt, so daß
in London die größte Konzentration von US-Dollars außerhalb der
USA selbst entstand. (Ebd., S. 306-307).Der daraus resultierende
Londoner Eurodollar-Markt war »offshore«, das heißt, er unterlag
nicht der Kontrolle durch ein Gesetz eines Landes oder der Aufsicht durch eine
Zentralbank. New Yorker Banken und Brokerhäuser eröffneten Büros
in London, um das blühende neue Eurodollar-Kasino zu dirigieren, außer
Reichweite der neugierigen Blicke der us-amerikanischen Steuerbehörden. Die
internationalen New Yorker Banken bekamen billige Gelder vom Eurodollar-Markt,
genauso wie die großen multinationalen Konzerne. (Ebd., S. 307).Washington
ließ Anfang der 1960er Jahre bereitwillig zu, daß sich die Schleusen
weit öffneten, durch die enorme Mengen an US-Dollars aus US-Amerika auf den
Eurodollar-Markt mit seinem »heißen Geld« flossen. (Ebd.,
S. 307).Käufer dieser neuen Eurodollar-Anleihen namens Eurobonds
waren anonyme Personen, die von den Londoner, New Yorker und schweizerischen Bankiers,
die dies neue Spiel betrieben, zynisch »belgische Zahnärzte«
genannt wurden. Diese Eurobonds waren »Inhaber«-Obligationen bzw.
-Pfandbriefe, d.h. kein Name eines Käufers tauchte irgendwo auf, und deshalb
waren sie bei Investoren, die nach Wegen zur Steuerersparnis suchten, genauso
beliebt wie bei Drogenpaten und anderen zwielichtigen Figuren, die ihre illegalen
Profite waschen wollten. Was gab es Besseres, als Einkünfte aus Schwarzarbeit
in Eurodollar-Anleihen anzulegen, wenn die Zinsen von General Motors oder der
italienischen Autostrada-Betriebsgesellschaft bezahlt wurden? Ein kluger Analyst
des Eurodollar-Prozesses schrieb: »Der Eurodollar-Markt war das wichtigste
Finanz-Phänomen der 1960er Jahre, denn hier hatte das Finanz-Erdbeben vom
Anfang der 1970er Jahre seinen Ursprung.« (Ebd., S. 307).Ein
wichtiger Wendepunkt in den Beziehungen der großen New Yorker Banken zu
der schnell zunehmenden Akkumulation von Dollars im Ausland, den Eurodollars,
kam 1966. Wie die meisten Wendungen in der us-amerikanischen Finanzpolitik nach
dem Krieg, begann diese neue Entwicklung mit Rockefellers Chase Manhattan Bank.
(Ebd., S. 307).In dieser Bank zirkulierte damals ein vertrauliches
internes Memorandum darüber, daß die us-amerikanischen - sprich New
Yorker - Banken bei dem Geschäft auf dem lukrativen internationalen Markt
für das »Fluchtkapital« benachteiligt waren. In dem Memorandum
wurde auf die Vorteile hingewiesen, die schweizerische Banken daraus erwuchsen,
daß sie den Markt für die geheimen Vermögen von Diktatoren, wie
zum Beispiel Marcos von den Philippinen, oder vielen saudischen Prinzen, Drogenbaronen
und ähnlichen illustren Personen dominierten. (Ebd., S. 307-308).Chase
Manhattans Vorstoß in das Offshore-Geschäft mit dem »heißen
Geld« im Libanon war der Beginn einer wesentlichen Verlagerung der mächtigen
New Yorker Banken auf das Offshore-Geschäft, das weit entfernt von jeglichen
gesetzlichen Bestimmungen und Steuerverpflichtungen abgewickelt wurde. Die Profite
waren atemberaubend und, da sie ja offshore erwirtschaftet wurden, von den us-amerikanischen
Behörden »erlaubt«. Die Geschäfte verliefen ohne jede Kontrolle.
(Ebd., S. 309).Daß sich die New Yorker Banken auf den Offshore-Markt
vorwagten, bedeutete eine echte Wende in deren Bankenpraxis, die in den nächsten
30 Jahren enorm an Bedeutung gewinnen sollte. Die Chase Manhattan Bank, die Citibank
und andere große Banken in New York und in den USA allgemein sollten ohne
zu fragen viele hundert Milliarden Dollar an illegalem »heißen Geld«
für Diktatoren wie den philippinischen Präsident Ferdinand Marcos oder
den Mexikaner Raúl Salinas des Gortari, waschen oder die Gelder des Drogenkartells
von Juárez nach Uruguay und Argentinien verschieben sowie zahllose andere
Geschäfte abwickeln. (**).
(Ebd., S. 309). Raúl
Salinas (Bruder des ehenaligen mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas de
Gotari) war während der Amtszeit seines Bruders angeblich daran beteiligt,
Drogengelder in Höhe von 130 Millionen Dollar über die Citibank und
verschiedene schweizerische Banken zu waschen. Raúl Salinas wurde später
wegen Mordes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. (Ebd., Anmerkung
19).
Nachdem Nixon im August 1971 (**|**)
den Mechanismus für den Goldumtausch außer Kraft gesetzt hatte, explodierte
der Offshore-EurodollarMarkt plötzlich und erreichte einen Umfang, der den
heimischen US-Bankenmaikt geradezu winzig erscheinen ließ. Im Zuge der 400-prozentigen
Ölpreiserhöhung der OPEC Mitte der 1970er Jahre umfaßte der Eurodollar-Markt
geschätzte 1,3 Billionen Dollar an »heißem Geld«. Ende
der 1980er Jahre überstiegen allein die Einkünfte aus dem internationalen
Drogenhandel, die in solchen Offshore-»Heißgeld«-Banken gewaschen
wurden, den Wert von einer Billion Dollar pro Jahr. Die großen Banken in
New York und London hatten sichergestellt, daß sie davon den Löwenanteil
einstrichen. (Ebd., S. 309).
Der Money Trust lanciert eine Konterrevolution
Anfang der 1970er
Jahre lief die US-Wirtschaft alles andere als rund. Die Entscheidung vom August
1971 (**|**),
einseitig das Abkommen von Bretton Woods aufzukündigen und die Dollar-Gold-Konvertibilität
aufzuheben, war de facto der Anfang vom Ende des US-Amerikanischen Jahrhunderts;
denn dieses System hatte 1944 auf der (zu dieser Zeit!)
weltweit stärksten Volkswirtschaft - den USA - und der gesündesten Währung
der Welt - dem US-Dollar - beruht. (Ebd., S. 310).In seiner
neuen Inkarnation als Geld- oder Fiat-Währung durchlief das Dollar-System
vom August 1971 (**|**)
an mehrere Phasen. Die erste Phase könnte man als die der »Petrodollar-Währung«
bezeichnen, wobei die Stärke des Dollars auf dem 400-prozentigen Anstieg
des Ölpreises, der auf dem Weltmarkt in Dollar berechnet wurde, beruhte sowie
auf dem höchst profitablen Recycling dieser Petrodollars durch die us-amerikanischen
und englischen wie auch einer Handvoll ausgewählter anderer internationaler
Banken in der Londoner City, der Offshore-Zufluchtstätte der Petrodollars.
Diese Phase dauerte bis Ende der 1970er Jahre. (Ebd., S. 310).Die
zweite Phase des Dollar-Systems nach 1971 (**|**)
begann mit Volckers Zinsraten-Putsch vom Oktober 1979 und dauerte bis etwa 1989,
als sich mit dem Fall der Berliner Mauer für die Banken an der Wall Street
eine völlig neue Dimension für die Dollarisierung und den Raub von Vermögenswerten
eröffnete. Das enorme Wirtschaftswachstum Chinas, das inzwischen Mitglied
der Welthandelsorganisation WTO geworden war, und diese neue Marktöffnung
erlaubten eine drastische Senkung des allgemeinen Lohnniveaus in der Weltwirtschaft,
die am deutlichsten in den Industrieländern ausfiel. (Ebd., S. 310).1997
begann noch eine neue Phase des Post-1971-Dollar-Systems (**|**),
und zwar mit einer politisch motivierten Attacke von Hedgefonds auf die verwundbaren
Währungen der schnell wachsenden »Tigerstaaten« in Ostasien,
angefangen mit Thailand, den Philippinen, Indonesien und schließlich Südkorea.
Diese Phase war mit dafür verantwortlich, daß jetzt Dollars aus asiatischen
Zentralbanken im großen Umfang in die USA flossen. Durch den massiven Erwerb
von US-Staatsanleihen stockten diese asiatischen Länder ihre Devisenreserven
auf mit dem Ziel, sich in Zukunft gegen mögliche erneute spekulative Attacken
besser bzw. überhaupt verteidigen zu können. Dieser Zufluß asiatischen
Kapitals in Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar in die USA trug in
den Jahren 1999 bis 2002 auch zur Entwicklung der IT-Blase an den us-amerikanischen
Börsen bei. (Ebd., S. 310-311).Die Endphase des Dollar-Systems
nach 1971 (**|**)
war dann die Alan-Greenspan-»Finanzrevolution«. Greenspan unterstützte
in den Jahren 2001 und 2002 nach dem Platzen der IT-Aktienblase die sogenannte
»Revolution«, bei der Finanz-, Hypotheken- und sonstige Vermögenswerte
als Sicherheiten für die Ausgabe neuer Kredite genutzt wurden. Diese »Verbriefungs-Revolution«
(**) endete 2007
mit dem Zusammenbruch der Verbriefungsblase. (Ebd., S. 311).
David Rockefellers Trilateraler Plan **
Im
Rückblick war aber das Jahr 1973 der entscheidende Wendepunkt in der Strategie
des mächtigen US-Establishments um David Rockefeller und seine Brüder.
(Ebd., S. 311).Die Entscheidung der mächtigen Kreise im Umfeld
der Rockefeller-Gruppe und des anglo-us-amerikanischen Ölkartells sowie der
damit verbundenen Banken, während des Jom-Kippur-Krieges im Oktober 1973
eine schockartige Erhöhung des Ölpreises zu inszenieren, sicherte dem
US-Dollar zwar noch für einige weitere Jahre das Überleben als Grundlage
des weltweiten Handels- und Wirtschaftssystems, aber die Lage war prekär.
Noch dreistere Maßnahmen waren erforderlich, um die finanzielle Dominanz
der Großbanken und multinationalen Konzerne im Umfeld des Cduncil on Foreign
Relations und der Rockefeller-Familie zu sichern. (Ebd., S. 311). |  | | Nordamerika,
Europa, Japan: die Trilaterale Kommission |
1973
hielt es David Rockefeller, der damalige Vorsitzende des einflußreichen
New Yorker Council on Foreign Relations und Direktor der hauseigenen Chase Manhattan
Bank, für geboten, den politischen Einfluß US-Amerikas durch eine neue
internationale Organisation zusätzlich abzusichern. Wie die Bilderberger-Gruppe
(**|**),
so sollte auch diese neue Organisation privat strukturiert sein und nur ausgewählten
Mitgliedern offenstehen. Aber anders als bei der Bilderberger-Gruppe, der nur
US-Amerikaner und Europäer angehörten, sollten dieser neuen Organisation
Entscheidungsträger aus US-Amerika, Japan und Europa angehören. Die
Rede ist von der 1973 von David Rockefeller gegründeten Trilateralen Kommission
(**|**),
die - wie der Name schon sagt - drei Pole umfassen sollte: Nordamerika, Europa
und Japan. (Ebd., S. 311-312).Da Japan sich zum Wirtschaftswunder
Asiens entwickelte, war man der Meinung, man müsse das Land enger in die
strategischen Ziele der New Yorker Machtelite einbinden. Die Mitglieder dieser
elitären Trilateralen Kommission rekrutierten sich mehr oder weniger aus
den Personen, die auf David Rockefellers »Rolodex-Liste« standen.
Zu den Gründungsmitgliedern zählten höchst einflußreiche
Wirtschaftspartner der weitverzweigten internationalen Rockefeller-Interessen
oder ihnen nahestehende Politiker, wie beispielsweise aus Frankreich Baron Edmond
de Rothschild, aus Belgien der Bankier Baron Leon Lambert, der britische Bankier
und Vater des Eurodollars Lord Roll of Ipsden, Fiat-Chef Gianni Agnelli aus Italien
und John Loudon von Royal Dutch Shell. Rockefeller machte seinen engen Freund,
den Strategen der Geopolitik Zbigniew Brzezinski, zum ersten Vorsitzenden. Weitere
Mitglieder auf us-amerikanischer Seite waren führende Wall-Street-Bankiers
sowie Alan Greenspan und Paul Volcker von der Chase Manhattan Bank - und ein damals
noch völlig unbekannter Gouverneur aus dem US-Bundesstaat Georgia namens
Jimmy Carter. (Ebd., S. 312).Was den Verein umtrieb, geht
aus einem Bericht einer Arbeitsgruppe der Trilateralen Kornmission hervor, der
1975 bei dem Treffen der Trilateralen im japanischen Kyoto vorgestellt wurde.
Der Bericht war überschrieben: Grundzüge einer Neuordnung von Welthandel
und -finanzen. Darin hieß es: »Eine enge trilaterale Zusammenarbeit
zur Friedenssicherung, zur Lenkung der Weltwirtschaft und zur Förderung der
wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Linderung des Welthungers erhöht die
Chancen auf eine reibungslose und friedliche Entwicklung des globalen Systems.«
In einem anderen Dokument der Kommission war zu lesen: »Das vorrangige Ziel
besteht darin, in dieser Welt die gegenseitige Abhängigkeit zu verstärken,
deren Nutzen darin liegt, daß jedes einzelne Land (Anführungsstriche
von mir [HB]) gegen Bedrohungen von innen und außen geschützt
wird. Diese Bedrohungen wird es ständig durch Kräfte geben, die bereit
sind, einen hohen Preis für eine verstärkte Autonomie zu zahlen. Dadurch
kann sich das Tempo der Entwicklung der gegenseitigen Abhängigkeit manchmal
verlangsamen .... Häufiger jedoch wird es geboten sein, dem Eindringen einer
nationalen Regierung in den internationalen Austausch wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher
Güter Einhalt zu gebieten.« (Ebd., S. 312).Der
Plan der Trilateralen war identisch mit dem der Rockefellers und des US-Establishments,
und den hatte David Rockefellers Bruder John just in diesem Jahr bekanntgegeben.
(Ebd., S. 313).Denn in diesem Jahr 1973 rief die Money-Trust-Elite
die »Zweite Amerikanische Revolution« aus. John D. Rockefeller
III veröffentlichte eine wegweisende politische Erklärung in Form eines
Buches, das exakt diesen Titel trug und zur Vorbereitung auf die bevorstehende
Zweihundertjahrfeier der USA im Jahre 1976 dienen sollte. Herausgegeben wurde
dieses Buch passenderweise vom Verlag des Council on Foreign Relations, und dessen
Vorsitzender war ebenso passenderweise Johns Bruder David Rockefeller. (Ebd.,
S. 313).In seinem Buch forderte John D. Rockefeller zunächst
eine radikale Einschränkung der Macht der Regierungen und mehr Privatisierung;
oder, in seinen Worten, »so viele Regierungsfunktionen und -befugnisse wie
möglich auf den Privatsektor zu übertragen« - Funktionen, die
schon seit langer Zeit vom Staat wahrgenommen wurden. Das Buch war ein eindeutiger
Aufruf, den Keynesianismus des »New Deal« fallen zu lassen, das heißt,
das Eingreifen des Staates bei der Korrektur von Ungleichgewichten bei der gesellschaftlichen
Verteilung von Arbeit und Einkommen, das seit den 1930er Jahren üblich war,
zu beenden. (Ebd., S. 313).Rockefellers Aufruf von 1973 war
der Startschuß für eine landesweite Medienkampagne gegen Ineffizienz,
Inkompetenz und Obstruktion der Regierung, wobei man sorgsam ausgewählte
Einzelfälle anführte, die jeder Bürger nachvollziehen konnte. Diese
Kampagne sollte dazu dienen, die ordnungsgemäße und notwendige Rolle
des Staates bei der Regulierung von Wirtschaft und Handel sowie der Aufrechterhaltung
des Gemeinwohls auszuhebeln, und zwar zugunsten der Profitmaximierung privater
Unternehmen und der Banken, die diese Unternehmen finanzierten. (Ebd., S.
313).Im November 1976 erhielt Rockefellers Plan für eine Zweite
US-Amerikanische Revolution gewaltigen Auftrieb, als David Rockefellers Schützling
Jimmy Carter, ein Erdnußfarmer aus Georgia, überraschend die Präsidentschaftswahl
gegen den Amtsinhaber Gerald Ford gewann. Ford war Nixon im Amt gefolgt, nachdem
dieser wegen des Watergate-Skandals im August 1974 zurücktreten mußte.
Die wichtigsten Kabinettsposten der Regierung Carter waren alle mit Vertretern
von Rockefellers Trilateraler Kommission besetzt. Zbigniew Brzezinski wurde Nationaler
Sicherheitsberater des Präsidenten, Cyrus Vance US-Außenminister. Insgesamt
waren 26 führende Positionen der Carter-Regierung mit Mitgliedem der Trilateralen
Kommission besetzt - einige US-Medien sprachen deshalb von der »Trilateralen
Präsidentschaft«. Noch treffender hätte man sie als Präsidentschaft
David Rockefellers bezeichnen können. Unter Carter begann der langwierige
Prozeß der Deregulierung von Regierungsfunktionen mit anschließender
Privatisierung, die sein Nachfolger Ronald Reagan zur zentralen Aufgabe seiner
Regierung machen sollte. (Ebd., S. 313-314).Bezeichnenderweise
stellte David Rockefeller seinen Freunden in der Trilateralen Kommission bei ihrer
ersten Jahresversammlung im Mai 1975 im japanischen Kyoto den »Demokraten«
(Anführungsstriche von mir [HB]) Jimmy Carter
als »nächsten Präsidenten« der USA vor - nachdem der amtierende
Präsident Gerald Ford, ein »Republikaner« (Anführungsstriche
von mir [HB]), auf Anraten seines jungen Stabschefs Donald Rumsfeld die
Entscheidung getroffen hatte, nicht mit Nelson Rockefeller als Vize-Präsidentschaftskandidaten
in die Wahlen von 1976 zu ziehen. (Ebd., S. 314).
Die Reaktion der Neoliberalen: Rücknahme der Zugeständnisse des New
Deals
Der Grund dafür, daß die Rockefellers
und andere Führungskreise des US-Establishments Anfang der 1970er Jahre so
ungewöhnlich aktiv waren und neue, radikale Strategien entwickelten, lag
in der sich verschärfenden Krise. Deutlich sichtbar war eine Stagnation oder
sogar ein Rückgang des Wachstums am Markt mit entsprechend geringeren Profiten,
und zwar sowohl auf der ganzen Welt als auch in den Vereinigten Staaten selbst,
die ja damals noch der weltgrößte Markt für Waren und Dienstleistungen
waren. 1975 war der Anteil des Gesamtreichtums der USA, den deren reichste Familien
(die obersten ein Prozent) in der Hand hielten - gemessen an Immobilien-, Aktien-,
Anleihen-, Bar- und sonstigen Vermögen -, auf den niedrigsten Stand seit
1922 gesunken. (Ebd., S. 314).Die dreiste Manipulation der
Weltmarktpreise für Erdöl hatte die bis dahin schwerste globale Rezession
nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. 1975 war klar, daß die Weltwirtschaft
im Zuge der Verringerung der Profitrate in eine »Strukturkrise« -
so der Fachausdruck der Wirtschaftswissenschaftler - eingetreten war. Das hieß
konkret: fallende Wachstumsraten, eine sinkende Pro-Kopf-Produktivität, zunehmende
Massenarbeitslosigkeit und insgesamt eine hohe Inflationsrate. (Ebd., S.
314).Damals tauchte eine neue Gesellschaftsordnung auf, der »Neoliberalismus«,
wie er später genannt werden sollte, und zwar zunächst im anglo-us-amerikanischen
Zentrum - England und USA - und danach schrittweise im weiteren Umkreis. Dieser
Neoliberalismus hatte mit der »liberalen« Wirtschaft von Keynes wenig
zu tun. Denn der ab Mitte der 1970er Jahre verbreitete Neoliberalismus war ein
Projekt des US-Establishments und seiner britischen Kollegen, namentlich der Rockefeller-Brüder,
die das radikale Dogma eines freien Marktes von Milton Friedman von der Universität
Chikago verfochten. Dieser Milton Friedman war Mitglied der erzkonservativen Mont-Pelerin-Gesellschaft
und damals Ökonomie-Professor an der us-amerikanischen Universität,
die Jahrzehnte zuvor mit Geldern von Rockefellers Standard Oil gegründet
worden war. Korrekterweise sollte der Neoliberalismus eigentlich Neofeudalismus
heißen. (Ebd., S. 314-315).Wie in einem Nachhall zu
John D. Rockefellers Manifest von 1973 forderte Friedmans Neoliberalismus - dargelegt
in seinem Buch Free ta Chaase (dt.: Chancen, die ich meine) -unbeschränkt
freie Märkte und einen ebenso völlig unbeschränkten Freihandel;
außerdem attackierte er die Gewerkschaften als »Rückkehr in die
vorindustrielle Zeit«. Die Internationale Handelskammer von Paris, die weltweit
zu den stärksten Verfechtern dieser neuen neoliberalen Revolution zählte,
die ja im wesentlichen eine globalisierte Version von John D. Rockefellers Zweiter
US-Amerikanischen Revolution war -, definierte das neoliberale Mandat so:
»Die Barrieren für internationalen Handel und Investitionen einreißen,
so daß alle Länder vom höheren Lebensstandard durch gesteigerten
Handel und höheren Investitionsfluß profitieren können«.
Es war die Frühphase dessen, was man 20 Jahre später »Globalisierung«
nennen sollte. (Ebd., S. 315).Diese mächtigen Kreise
im Umfeld der Rockefeller-Familie im US-Finanzestablishment forderten eine »neue
Disziplin von Arbeiterschaft und Management zugunsten der Kapitalgeber und Aktionäre;
weniger Eingreifen des Staates bei Wachstum und Allgemeinwohl; ein dramatisches
Wachstum der Finanzinstitute; die Etablierung neuer Beziehungen zwischen dem Finanz-
und dem Nichtfinanz-Sektor zugunsten des Ersteren; neue Gesetze, die Fusionen
und Übernahmen erleichtern; Stärkung der Position der Zentralbanken
sowie eine stärkere Konzentration ihrer Arbeit in Richtung Preisstabilität;
und die Entschlossenheit, die Mittel der Peripherie ins Zentrum zu schleusen«.
(Ebd., S. 315).Darüber hinaus entstanden mit diesem Neoliberalismus
auch neue Aspekte der Globalisierung. Beispielsweise die nicht mehr zu tragende
Schuldenlast der peripheren Entwicklungsländer, die sich nach 1973 viele
Milliarden an recycelten Petrodollars geliehen hatten, um ihre Öl- und sonstigen
Importe bezahlen zu können; oder die Schäden, die die freie internationale
Mobilität des Kapitals angerichtet hatte. Das hervorstechendste Merkmal dieser
neuen Form von »Neoliberalismus« war jedoch seine schrittweise Ausdehnung
über den ganzen Erdball - das heißt: seine Globalisierung. Dieses Krebsgeschwür
breitete sich mit verheerender Geschwindigkeit und Effizienz auf der ganzen Welt
aus, und diese Ausbreitung wurde noch zusätzlich erleichtert durch die Schaffung
neuer multinationaler Institutionen wie der Welthandelsorganisation (WTO) sowie
durch den massiven Druck, den Washington und seine Verbündeten der »freien
Marktwirtschaft«, allen voran Großbritannien, zur Verstärkung
des »Freihandels« ausübten. (Ebd., S. 315-316).Milton
Friedmans Dogma des »Monetarismus« war der theoretische Ausdruck dieser
neuen Revolution. 1979 war das entscheidende Jahr in dieser Hinsicht, denn in
diesem Jahr bewog David Rockefeller Präsident Carter dazu, seinen Schützling
Paul Volcker zum Chef der Federal Reserve zu berufen. Dieser Fed-Chef verhängte
im Oktober 1979 die radikalste monetaristische Politik in der gesamten Geschichte
der Federal Reserve: Die US-Leitzinsen wurden um über 300 Prozent auf Werte
um die 20 Prozent angehoben! Anschließend hielt Paul Volcker die Leitzinsen
auf einem extrem hohen Niveau, bis ihn die daraus resultierende Schuldenkrise
der Dritten Welt - zu der es unweigerlich im August 1982 auch kam - dann zwang,
von seiner Hochzinspolitik wieder abzurücken. (Ebd., S. 316).
| Paul
Volcker, Rockefellers Kandidat für das Amt des Federal-Reserve- Chefs,
sollte ab 1979 den Putsch des Money Trusts vorbereiten. |
Man hat das Jahr 1979 auch als »Jahr des neoliberalen
Putsches« bezeichnet. Mit dem Argument »Die Inflation ist außer
Kontrolle« hatten die Rockefeller-Familie, Paul Volcker und ihre mächtigen
Verbündeten im Money Trust eine monetäre »Schocktherapie«
gerechtfertigt, die angeblich »die Inflation aus dem System vertreiben«
würde, wie es Volcker gerne formulierte. Doch die eigentliche Ursache dieser
Inflation war die Entscheidung auf dem Treffen der Bilderberger (**|**)
im Frühjahr 1973, den Ölpreis drastisch zu erhöhen. (Ebd.,
S. 316).In Wirklichkeit hatte das US-Finanz-Establishment die Hochzinspolitik
im Zuge ihrer langfristigen Strategie eingeführt, um die Zugeständnisse
abzuschütteln, die ihnen während der Großen Depression
aufgezwungen worden waren. (Ebd., S. 316).Damals waren mit
dem New Deal in den USA ein keynesianischer Wohlfahrtsstaat und die erste Sozialversicherung
geschaffen worden. Außerdem stärkte die damalige US-Regierung die Rechte
der Arbeiterschaft, vor allem die der Gewerkschaften. Konfrontiert mit einem stagnierenden
Binnenmarkt, sinkenden Profiten und dringend benötigten umfangreichen Investitionen
(wenn sie ihre heimische Industrie wieder dem Weltniveau anpassen wollten), gingen
die Rockefeller-Kreise lieber ihren eigenen Weg: Anstatt die us-amerikanische
Industrie zu modernisieren, ließ man die USA zu einer »nachindustriellen
Gesellschaft« - so nannten es die neoliberalen Denkfabriken - verkommen.
(Ebd., S. 317).Volckers Zinspolitik führte zu »realen«,
das heißt inflationsbereinigten Renditen von sechs bis acht Prozent, ein
wahrer Segen an »Windfall«-Profiten für die ohnehin schon wohlhabenden
Besitzer von Anleihen, die das eigentliche Rückgrat des Finanzsystems bildeten.
Diese Hochzinspolitik hatte für das anglo-us-amerikanische Establishment
aber noch einen weiteren Vorteil: Sie führte zu einer starken Rezession und
damit verbunden zu steigender Arbeitslosigkeit in Europa und den Vereinigten Staaten
und schuf damit die Voraussetzung dafür, daß man die Arbeiterschaft
wieder disziplinieren und den Einfluß der Gewerkschaften auf die Lohnpolitik
drastisch verringern konnte. Genau das geschah Anfang der 1980er Jahre, sowohl
unter Reagan in den USA als auch unter Thatcher in England. (Ebd., S. 317).Die
1970er Jahre bedeuteten für die Entwicklung des US-Amerikanischen Jahrhunderts
eine Übergangszeit. Wie bereits erwähnt, kam es Ende der 1960er Jahre
aufgrund der damaligen wirtschaftlichen Erholung der europäischen Staaten
und Japans zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in den USA wieder zu dauerhaften
Handelsbilanzdefiziten. Überschuß-Dollars sammelten sich in der übrigen
Welt an, und damit stieg für Washington die Gefahr, daß diese Auslandsdollars
in Gold umgetauscht werden könnten. Der Dollar mußte im Verhältnis
zum Gold und zu anderen wichtigen Währungen abgewertet werden. Im August
1971 (**|**)
setzten die Vereinigten Staaten die Konvertibilität des Dollars aus und führten
flexible Wechselkurse ein. (Ebd., S. 317).Als sich im Jahre
1973 das System der flexiblen Wechselkurse fest etabliert hatte, entschieden sich
Washington und die Verbündeten in London - vor allem durch die Konferenz
der Bilderberger (**|**)
im Mai 1973 - für eine dramatische Inflation des Ölpreises, um den fallenden
Dollar zu stützen. Sechs Jahre später, 1979, also zum Zeitpunkt des
Putsches von Volckers Federal Reserve, konnten diese Kreise bei einem steigenden
Dollar enonne Profite für ihre Obligationen und anderen Vennögenswerte
einstreichen. (Ebd., S. 317-318).Als der Republikaner Ronald
Reagan 1981 sein Amt als Präsident antrat, setzten die USA diese bewußte
Defizit-Politik energisch um. Daher kam es während Reagans Amtszeit zu den
größten Handels- und Haushaltsdefiziten der us-amerikanischen Geschichte.
Das war der wirkliche Beginn der »größten Abzocke, die es je
gegeben hat«, wie es der Gründer des Hudson-lnstitutes, der us-amerikanische
Futurologe Hennan Kahn, mit offensichtlicher Genugtuung formulierte. (Ebd.,
S. 318).Nachdem Washington 1973 bei den multinationalen Verhandlungen
über die dauerhafte Einführung flexibler Wechselkurse seine Position
durchgesetzt hatte, ließ man keinen Zweifel daran, daß man die militärische
Dominanz in der NATO und in Asien nutzen würde, um die Handelspartner zu
größtmöglichen Zugeständnissen zu zwingen. Bei den bilateralen
Verhandlungen mit Südkorea im Jahre 1973 stellten die USA die Bedingung,
daß »sich südkoreanische Exporteure, die den us-amerikanischen
Markt beliefern, verpflichten müssen, eine bestimmte Menge Rohstoffe aus
den Vereinigten Staaten zu importieren« (Ebd., S. 318).1973
nahm die Handelsposition der USA den wichtigsten Verbündeten in Europa und
Japan gegenüber Gestalt an. Die Bedingungen des »großen Geschäfts«
sollten so aussehen, daß die USA ihre Grenzen für fast unlimitierte
Importe europäischer oder japanischer Produkte wie Autos, Stahl und später
auch Elektronik öffnen würden. Als Gegenleistung würden sich die
entsprechenden Länder bereit erklären, us-amerikanische Rüstungsgüter,
landwirtschaftliche Produkte und Flugzeuge für die jeweiligen nationalen
Fluggesellschaften zu kaufen. (Ebd., S. 318).Der weitreichendste
Aspekt der nach 1973 von Washington eingeführten neuen Regeln im internationalen
Handel, an die sich bis heute alle US-Regierungen gehalten haben, war allerdings
der folgende: Weil der US-Dollar als Weltreservewährung in einem System flexibler
Wechselkurse eine ganz besondere Rolle spielte und weil er nicht mehr gegen Gold
eingetauscht werden konnte, waren die ausländischen Regierungen, die durch
ihre Exporte in die USA hohe Dollar-Überschüsse angehäuft hatten
- also insbesondere Deutschland und Japan -, gezwungen, diese erwirtschafteten
Dollar-Überschüsse in US-Staatsanleihen anzulegen, um dadurch Zinseinkünfte
kassieren und ihre Dollars sicher anlegen zu können. (Ebd., S. 318).Da
Washington nichts dem Zufall überließ, wurde bei bilateralen Handelsverträgen
mit Ländern wie Deutschland oder Japan festgeschrieben, daß diese ihre
Dollar-Überschüsse in Schatzbriefen des US-Finanzministeriums investierten.
(Ebd., S. 318-319).Damit begann die ungesunde Abhängigkeit
der Exportnationen dieser Welt von den USA als »Importeur der letzten Instanz«.
Unter Führung der Wall-Street-Banken, die das Monopol auf den Kauf und Verkauf
von Schatzbriefen des US-Finanzministeriums hielten, sollten sich die Vereinigten
Staaten in den 1980er Jahren zum größten Kapitalmarkt der Welt entwickeln,
da die US-Defizite sprunghaft anstiegen und die Entwicklung der us-amerikanischen
Industrie aufgrund dieser Entscheidung in böswilliger Absicht vernachlässigt
wurde. Die Aktienhändler an der Wall Street strichen die Profite ein. Das
US-Establishment hatte die Präsidentschaft Ronald Reagan zu ihrem Instrument
gewählt, diese »größte Abzocke« durchzuführen.
(Ebd., S. 319).
Volcker zündet die Schuldenbombe
Ein direktes Ergebnis
des Volcker-Schocks (**)
war die Schuldenblase in Lateinamerika - ein unheimlicher Vorgeschmack auf die
Subprime-Krise von 2007. (Ebd., S. 326).Nach sieben
Jahren unvermindert hoher Zinssätze der Federal Reserve unter Volcker, die
der leichtgläubigen Öffentlichkeit als Maßnahme verkauft wurde,
»die Inflation aus der US-Wirtschaft herauszupressen«, war der innere
Zustand der US-Wirtschaft 1986 entsetzlich. (Ebd., S. 326).Weite
Gebiete der Vereinigten Staaten gleichen einem Land der Dritten Welt: Die Slums
vor den Großstädten breiteten sich aus, die Arbeitslosigkeit war im
zweistelligen Prozentbereich, Verbrechen und Drogenabhängigkeit nahmen besorgniserregende
Ausmaße an. Eine damalige Studie der Federal Reserve ergab, daß 55
Prozent aller us-amerikanischen Familien verschuldet waren. Das Haushaltsdefizit
des Bundes lag im Schnitt bei über 200 Milliarden Dollar pro Jahr, ein damals
unerhörter Wert. (Ebd., S. 326-327).In Wirklichkeit
war Volcker, ein persönlicher Schützling David Rockefellers von der
Chase Manhattan Bank, mit einem bestimmten Auftrag nach Washington geschickt worden
- den Dollar vor dem freien Fall zu bewahren, was seine Rolle als Weltreservewährung
gefährdet hätte. Außerdem sollte Volcker damit auch den Anleihenmarkt
für die reiche Oberschicht der us-amerikanischen Gesellschaft retten. Volckers
Politik war die Konterrevolution der Oligarchen gegen die Zugeständnisse,
die sie während und nach der Großen Depression gegenüber
der »Unterschicht« hatten machen müssen. (Ebd., S. 327).Diese
Rolle des Dollars als Reservewährung war der verborgene Schlüssel zu
US-Amerikas Finanzmacht. (Ebd., S. 327).Da die Zinsraten
in den USA in die Höhe schossen, strömten ausländische Investoren
ins Land, um beim Kauf von US-Regierungsanleihen Profite einzufahren. Anleihen
waren und sind das Herzstück des Finanzsystems. Volckers Schocktherapie für
die Wirtschaft bedeutete riesige Gewinne für die New Yorker Finanzelite.
(Ebd., S. 327).Volcker erledigte seine Aufgabe mit Bravour.
(Ebd., S. 327).Von 1979 bis Ende 1985 stieg der Dollar auf Rekordhöhen
im Vergleich zu den Währungen in Deutschland, Japan, Kanada und anderen Ländern.
Der überbewertete US-Dollar machte die us-amerikanischen Waren auf den Weltmärkten
unerschwinglich teuer und führte zu einem dramatischen Einbruch der Exporte
der us-amerikanischen Industrie mit entsprechenden Folgen. (Ebd., S. 327).Schon
die hohen Zinsraten der Fed unter Volcker ab Oktober 1979 hatten zu einem deutlichen
Rückgang der heimischen Bauwirtschaft, dem endgültigen Ruin der us-amerikanischen
Automobilindustrie und damit auch der Stahlproduktion geführt, da die us-amerikanischen
Hersteller zunehmend ihre Produktion ins Ausland verlagerten, wo die Kosten erheblich
niedriger waren. (Ebd., S. 327).In bezug auf Paul Volcker
und seine Freimarkt-Unterstützer im Weißen Haus unter Reagan klagte
der Republikaner Robert O. Anderson, damals Direktor der Atlantic Richfield
Oil Company: »Sie haben mehr dafür getan, die amerikanische Industrie
zu demontieren als irgendwer sonst in unserer Geschichte. Und trotzdem erzählten
sie überall, alles sei wunderbar. Es ist wie beim Zauberer von Oz.«
(Ebd., S. 327-328).
Der IWF hilft bei der Plünderung der Dritten Welt
Ohne
die radikale monetaristische Schocktherapie von Maggie Thatcher und Paul Volcker
hätte es in den 1980er Jahren keine Schuldenkrise der Dritten Welt gegeben.
(Ebd., S. 328).Die Thatcher-Regierung hatte im Juni 1979 erstmals
den monetaristischen Schock der Hochzinspolitik eingesetzt, im Oktober desselben
Jahres folgte ihr Volckers Fed. Dies führte dazu, daß praktisch über
Nacht die Zinslast auf die Schulden der Dritten Welt in astronomische Höhen
stieg, denn die LIBOR-Zinsen in London kletterten von durchschnittlich sieben
Prozent Anfang 1978 auf fast 20 Prozent Anfang 1980. (Ebd., S. 328).Während
bei den Schuldnerländern der Dritten Welt die Zinslast für ihre Auslandschulden
ab 1980 in astronomische Höhen schnellte, brachen gleichzeitig die Märkte
für ihre Exportgüter in den Industrieländern zusammen, denn auch
die Industrieländer erlebten infolge der Schock-»Behandlung«
durch Thatcher und Volcker den schlimmsten wirtschaftlichen Abschwung seit der
Großen Depression in den 1930er Jahren. (Ebd., S. 328).Die
Schuldnerländer in der Dritten Welt gerieten unter die Räder der sich
verschlechternden »terms of trade« (Austauschverhältnisse) für
ihre Warenexporte mit fallenden Exporteinnahmen und einem rapide steigenden Anteil
der Schuldendienste. In Washington und London sprach man von der »Schuldenkrise
der Dritten Welt«. Doch die Krise war in London, New York und Washington
gemacht worden und nicht in Mexiko City, Brasilia, Buenos Aires, Lagos oder Warschau.
(Ebd., S. 328).Die Schuldnerländer haben ein Mehrfaches ihrer
Schulden bezahlt und das buchstäblich mit dem sprichwörtlichen »Pfund
Fleisch« an die heutigen Shylocks in New York und London. Den großen
Schuldnerländern in der Dritten Welt wurde unter Druck des IWF »die
Pistole an die Schläfe« gehalten; sie wurden gezwungen, mit führenden
internationalen Privatbanken »Umschuldungsabkommen« zu unterzeichnen,
wie es im Bankenjargon beschönigend hieß. Auf der Bankenseite stand
dabei zumeist die Citibank oder die Chase Manhattan Bank aus New York. (Ebd.,
S. 328).Nach einem Treffen hinter verschlossenen
Türen im Herbst 1982 im englischen Ditchley Park taten sich die mächtigen
Privatbank-Strukturen zusammen und schufen unter Führung der New Yorker und
Londoner Banken ein Gläubigerkartell, das sie Institute for International
Finance oder infonnell »Ditchley-Gruppe« nannten. Ein Beobachter meinte,
sie hätten einen »Banker-Sozialismus« (**)
erzwungen, bei dem die Bankiers der Mehrheit der Steuerzahler ihre eigenen Kreditrisiken
übertrugen (oder »sozialisierten«), während sie für
sich selbst alle Gewinne privatisierten, also eine ähnliche Politik betrieben,
wie das später im Jahre 2008 die US-Regierung von George W. Bush tun sollte.
(Ebd., S. 328-329).Nachdem die Bankiers und ihre Verbündeten
in der Reagan-Regierung, darunter Finanzminister Donald Regan, dem Präsidenten
genügend Angst über die Lage eingeflößt hatten, forderte
das Weiße Haus Paul Volcker, die Banken und den IWF auf, jedem Schuldnerland
ein Programm strikter »Konditionalitäten« aufzuerlegen.
(Ebd., S. 329).Die Idee, den IWF und seine strikten Konditionalitäten
in den Mittelpunkt der Schuldenverhandlungen zu stellen, stammte aus US-Amerika.
Es war im Kern eine fast identische Kopie dessen, was die New Yorker Bankiers
1919 Deutschland ... mit dem verhängnisvollen Dawes-Plan auferlegt und später
mit dem Young-Plan noch einmal versucht hatten. (Ebd., S. 329).Die
Konditionalitäten des IWF und die Einwilligung eines Landes, den Vertrag
mit dem IWF zu unterschreiben, gehörten zu einem Programm, das ein damaliger
us-amerikanischer Vertreter beim IWF, Irving Friedman, entwickelt hatte, der dafür
später mit einem hohen Posten bei der Citicorp belohnt wurde. Der IWF, der
1944 in Bretton Woods geschaffen worden war, um die Währungen und Handelsbeziehungen
zwischen den Industrieländern zu stabilisieren, erhielt nun eine völlig
neue Aufgabe: Der IWF wurde zur Schuldenpolizei für die New Yorker Banken.
(Ebd., S. 329).Die »Konditionalitäten«-Medizin,
die der IWF verordnete, war immer dieselbe. Dem betreffenden Schuldnerland wurde
erklärt, wenn es je wieder einen Penny Kredit von ausländischen Banken
sehen möchte, dann müßte es die heimischen Importe bis auf das
absolute Minimum einschränken, den eigenen Haushalt brutal kürzen -
was meistens bedeutete, daß Subventionen für Nahrungsmittel und andere
Grundbedürfnisse gestrichen werden mußten - und ihre Währung abwerten.
Nur so würden ihre Exporte für die Industrieländer »attraktiv«,
während natürlich gleichzeitig importierte hochentwickelte Industriegüter
unerschwinglich teuer wurden. Die alles sei nötig, um harte Währung
zu verdienen, mit der man die Schulden bezahlen könne. (Ebd., S. 329).Dieses
»Strukturanpassungsprogramm« des IWF war allerdings nur die »Stufe
eins«, mit dem der »Kandidat« das Anrecht auf »Stufe zwei«
erwarb - eine Vereinbarung mit den Gläubigerbanken über die Umschuldung,
die »Restrukturierung« des Rückzahlungsplans für die Auslandsschulden
oder zumindest einen großen Teil davon. Auf dieser zweiten Stufe sicherten
sich die Banken für die Zukunft weitgehende Rechte über die Schuldnerländer,
denn sie fügten die ausstehenden Zinsrückstände dem Nennwert der
Gesamtschulden hinzu. Die Banker nannten das Zinskapitalisierung. (Ebd.,
S. 329-330).Infolge der zahllosen Umschuldungen nach diesem Restrukturierungsmuster
nach 1982 stiegen die Schulden an die Gläubigerbanken in ungeahntem Maße.
Nach Angaben der führenden schweizerischen Versicherungsfirma Swiss Re stieg
die Gesamt-Auslandverschuldung der Entwicklungsländer - und zwar sowohl die
kurz- wie auch die mittelfristige Verschuldung - nach 1982 beständig an,
von damals etwa 839 Milliarden Dollar auf fast 1300 Milliarden Dollar im Jahre
1987. Das meiste davon waren nicht etwa neue Kredite, sondern vielmehr die zusätzlichen
Lasten der »Refinanzierung« der unbezahlbaren Altschulden, die nun
die wirtschaftliche Zukunft belasteten. (Ebd., S. 330).Der
IWF war zum globalen »Polizisten« geworden, der die Zahlung von Wucherschulden
durchsetzen sollte, indem er die drakonischsten Sparmaßnahmen der Geschichte
verhängte. Da die Stimmenmehrheit beim IWF fest in der Hand der us-amerikanisch-britischen
Achse lag, wurde diese internationale Währungsinstitution zum Vollstrecker
einer de facto anglo-us-amerikanischen neokolonialistischen Währungs-
und Wirtschaftspolitik. In der Tat erpreßten die us-amerikanischen Banken,
die bei weitem größte Gruppe der Gläubiger Lateinamerikas, die
Banken in Westeuropa und Japan mit dem Argument, sie müßten sich »solidarisieren«
oder es drohe sonst der Zusammenbruch des gesamten internationalen Bankensystems.
(Ebd., S. 330). | Die
Petrodollar-Kredite der New Yorker Banken an die Dritte Welt führten
zu einer Schuldenblase, die Volcker 1979 zum Platzen brachte, um die Entwicklungsländer
den Konditionalitäten des IWF zu unter- werfen, die den Industrieländern
im Norden billige Rohstoffe verschafften eine Wiederholung des britischen
Finanzimperialismus' der 1880er Jahre in Ägypten und dem Osmanischen Reich.. |
Als
nun ein Schuldnerland nach dem anderen gezwungen wurde, sich mit dem IWF und den
Gläubigerbanken zu einigen, führte dies zu einer Umkehr der Kapitalflüsse
in ungeheurem Ausmaß. Nach Angaben der Weltbank beliefen sich zwischen 1980
und 1986 allein für eine Gruppe von 109 Schuldnerländern die Zinsen
auf die Auslandsschulden an die Gläubiger auf den Betrag von 326 Milliarden
Dollar. Die Tilgung der Kreditsumme für diese Schulden betrug weitere 332
Milliarden - insgesamt standen Gesamtschuldenzahlungen von 658 Milliarden Dollar
zu Buche, und zwar für Schulden, die ursprünglich 430 Milliarden Dollar
betragen hatten. Alles in allem schuldeten diese 109 Länder im Jahre 1986
ihren Gläubigern noch immer den Gesamtbetrag von 882 Milliarden Dollar. Es
war eine ausweglose Schuldenspirale. So wirkten die Wunder von Zinseszins und
flexiblen Wechselkursen. (Ebd., S. 330-331).Die Schuldnerländer
waren in die Schuldenfalle getappt, und der einzige Ausweg, den ihnen die Gläubigerbanken
in New York und London in Aussicht stellten, bestand darin, ihre souveräne
Kontrolle über ihre Wirtschaft, insbesondere die wertvollen Rohstoffe, aufzugeben.
(Ebd., S. 331).In einer Studie der dänischen UNICEF hat Hans
K. Rasmussen darauf hingewiesen, daß seit Anfang der 1980er Jahre ein Transfer
von Reichtum aus der Dritten Welt, die nach Kapital lechzte, in die Industrieländer
stattgefunden hat, und zwar vornehmlich zur Finanzierung der Defizite in den USA.
Seinen Schätzungen zufolge haben die Länder des Entwicklungssektors
in den 1980er Jahren insgesamt 400 Milliarden Dollar allein in die Vereinigten
Staaten von Amerika transferiert. Damit konnte die Reagan-Regierung ihre größten
Haushaltsdefizite in Friedenszeiten decken - und gleichzeitig fälschlich
für sich beanspruchen, »den größten Aufschwung der Welt
in Friedenszeiten« geschafft zu haben. (Ebd., S. 331-332).Aber
nicht einmal die Ausplünderung des schuldengeschütteltenl Entwicklungssektors
reichte aus. Aufgrund der hohen Zinsen in denUSA, des steigenden Dollars und der
zugesicherten Unterstützung durch die us-amerikanische Regierung wurden 43
Prozent des Rekord-Haushaltsdefizits der USA in den 1980er Jahren dadurch »finanziert«,
daß den Schuldnerländern des ehemaligen »Entwicklungs«-Sektors
Kapital abgepreßt wurde. Genauso wie bei den Verhandlungen mit den anglo-us-amerikanischen
Bankiers über die Reparationsschulden nach dem Ersten WeItkrieg in Versailles
waren auch diese Schulden nur das Vehikel, mit dem de facto eine umfassende
Wirtschaftskontrolle über souveräne Länder verhängt wurde.
(Ebd., S. 332).Die Schuldenstrategie der Reagan-Regierung, Volckers
und der New Yorker Banken forderte allerdings auch ihren Tribut von der us-amerikanischen
Wirtschaft. In einer im Mai 1986 für den Gemeinsamen Wirtschaftsausschuß
des US-Kongresses erstellten Studie über die »Auswirkungen der lateinamerikanischen
Schuldenkrise auf die US-Wirtschaft« wurden die verheerenden Verluste us-amerikanischer
Arbeitsplätze und Exporte aufgezeigt, die entstanden, weil die vom IWF verordneten
Sparmaßnahmen die Länder Lateinamerikas gezwungen hatten, zur Bedienung
ihrer Schulden ihre Importe, vor allem die Importe von Industriegütern, fast
vollkommen einzustellen. In dem Bericht hieß es: »Es wird jetzt deutlich,
daß die Politik der (US-)Regierung über das Ziel hinausgegangen ist,
die Banken in den Finanzzentren vor der Insolvenz zu bewahren ..., der Umgang
mit der Schuldenkrise durch die Regierung Reagan hat tatsächlich die Institutionen
belohnt, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß die Krise überhaupt
entstanden ist, und gleichzeitig die Sektoren der US- Wirtschaft bestraft, die
keine Verantwortung für die Schuldenkrise tragen.« Die Institutionen,
die diese Krise verursacht hatten, waren natürlich Volckers Federal Reserve
und die New Yorker Banken. Die Studie verschwand prompt in der Versenkung.
(Ebd., S. 332).Afrika erging es im Gefolge der us-amerikanischen
Schuldenkrise noch viel schlechter. Die Ölschocks und die folgende Zinserhöhung
auf 20 Prozent sowie der weltweite Einbruch des Wirtschaftswachstums in den 1980er
Jahren versetzten fast dem gesamten afrikanischen Kontinent den Todesstoß.
Bis in die 1980er Jahre hinein waren die Länder Schwarzafrikas bei der Finanzierung
ihrer Entwicklung zu 90 Prozent von Rohstoffexporten abhängig. Anfang der
1980er Jahre setzte ein fast ununterbrochener Verfall der Dollar-Weltmarktpreise
für diese Rohstoffe ein - d.h. praktisch alles von Baumwolle über Kaffee
und Kupfer bis hin zu Eisenerz und Zucker. 1987 waren die Preise dieser Rohstoffe
auf den tiefsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg gefallen, genauer gesagt auf
den Stand von 1932, einem Jahr schwerster weltweiter Depression. Dieser Kollaps
der Rohstoffpreise, der fast 20 Jahre andauerte, bis der Wirtschaftsboom in China
am Anfang des neuen Jahrhunderts eine Wende brachte, war das Ergebnis einer bewußten
Politik der us-amerikanischen Finanzinteressen, in einer »globalisierten«
Wirtschaft ein Wirtschaftswachstum anzuheizen, das auf spottbilligen Rohstoffen
basierte. (Ebd., S. 332-333).Wären die Preise für
diese Rohstoffe nur auf dem Niveau der 1980er Jahre geblieben, dann hätten
die Länder Schwarzafrikas in den 1980er Jahren zusätzlich 150 Milliarden
Dollar verdient. Zu Beginn der »Schuldenkrise« 1982 schuldeten die
afrikanischen Länder den Gläubigerbanken in den Vereinigten Staaten,
Europa und Japan etwa 73 Milliarden Dollar. Gegen Ende des Jahrzehnts hatte sich
diese Summer aufgrund der »Umschuldungen« und verschiedener IWF-Interventionen
in ihre Wirtschaft mehr als verdoppelt - auf genau 160 Milliarden Dollar -, was
etwa der Summe entspricht, die diese Länder bei stabilen Exportpreisen verdient
hätten. (Ebd., S. 333).
Die bösen Taten fallen auf den Urheber zurück
Die
Auswirkungen der Ölschocks und die durch die Hochzinspolitik ausgelösten
währungspolitischen Schocks der 1970er Jahre glichen den 1920er Jahren bis
in die Einzelheiten. Anstelle der Versailler Reparationen, die auf den produktiven
Investitionen lasteten, mußte die Welt jetzt den »Strukturanpassungsprozeß«
des IWF für die Schulden der Dritten Welt verkraften. Die unglaublichen Inflationsraten
zu Anfang der 1980er Jahre - meist zwischen 12 und 17 Prozent - diktierten die
Bedingungen für die Rentabilität von Investitionen. Man brauchte schnelle
und riesige Gewinne. (Ebd., S. 333).Zwar bescherte die nach
Oktober 1982 betriebene Politik, viele Milliarden Dollars von Ländern der
Dritten Welt einzutreiben, dem us-amerikanischen Bankensystem einen warmen Regen
an finanzieller Liquidität, doch der fortgesetzte Druck der Wall Street und
der Eifer des damaligen US-Finanzministers Donald Regan, die Finanzmärkte
von den staatlichen »Fesseln« zu befreien, führte zu großen
Finazexzessen. Als sich der Staub am Ende jenes Jahrzehnts gelegt hatte, wurde
einigen Personen klar, daß der us-amerikanische Präsident Ronald Reagan
es mit seiner Politik des »freien Marktes« geschafft hatte, eine gesamte
Volkswirtschaft zu zerstören. (Ebd., S. 323-324).Reagans
»Wirtschaftsaufschwung« tat wenig, um Investitionen in die Verbesserung
der Technologie und Produktivität der Industrie anzulocken, von einer handvoll
militärischer Luftfahrtunternehmen, die staatliche Rüstungsverträge
in Rekordhöhe ergattern konnten, einmal abgesehen. Das meiste Geld wanderte
statt dessen in die Immobilien- und Aktienspekulation sowie in Ölquellen
in Texas oder Colorado, allesamt »Steueroasen«. (Ebd., S. 324).
Aufhebung der Beschränkungen des Glass-Steagall
Acts
Kaum hatte Greenspan sein Amt als Fed-Chef angetreten,
da verlangte er die Aufhebung des »Glass-Steagall Acts«. Vehement
hatten das auch schon seine alten Freunde bei J. P. Morgan und der Citibank getan.
Der (nach zwei US-Kongreßabgeordneten benannte) »Glass-Steagall Act«
- der den offiziellen Namen »Banking Act of 1933« trägt - schrieb
die gesetzliche Trennung von Geschäftsbanken einerseits sowie den Wall-Street-Investmenthäusern
und -versicherungen andererseits vor. Dies Gesetz war ursprünglich dazu gedacht,
drei größere Probleme zu verringern, die in den 1930er Jahren zu einer
Welle von Bankenpleiten und der Großen Depression geführt hatten:
Banken hatten die ihnen anvertrauten Einlagen - »ihr« Vermögen
- in Wertpapiere investiert, wobei im Falle eines Börsenkrachs die kommerziellen
Investoren und Sparer das Risiko tragen mußten. Außerdem vergaben
die Banken unsichere Kredite, damit sie die Preise für bestimmte Wertpapiere
oder die finanzielle Position von Unternehmen, in die eine Bank ihr Vermögen
investiert hatte, künstlich in die Höhe drücken konnten. Die finanzielle
Beteiligung einer Bank am Besitz, Preis oder an der Streuung von Wertpapieren
verleitete die Banken unweigerlich dazu, ihre Bankkunden zu drängen, in Wertpapiere
zu investieren, die die Bank selbst dringend verkaufen mußte. Das war natürlich
ein enormer Interessenkonflikt - und eine Einladung zu Betrug und Mißbrauch.
(Ebd., S. 352).Geschäftsbanken, die auch Dienstleistungen
beim Investmentbanking und offene Investmentfonds anboten, gerieten in einen Interessenkonflikt,
der dazu führte, daß ihre Kunden, einschließlich der Kreditnehmer,
Einleger und Korrespondenzbanken, geschädigt wurden. Da es seit 1999 in den
USA keine Einschränkungen durch den »Glass-Steagall Act« mehr
gibt, wurden Banken, die verbriefte Hypothekenobligationen und ähnliche Produkte
durch eigene Zweckgesellschaften anboten - die sie selbst gründeten, um das
Risiko »aus den Bankbüchern« zu entfemen -, Komplizen bei dem,
was wahrscheinlich als der größte Finanzschwindel aller Zeiten in die
Geschichte eingehen wird - dem Subprime-Verbriefungs-Betrug. (**).
(Ebd., S. 352-353).In seiner Geschichte über den Großen
Bankenkrach (Great Crash) schrieb der us-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler
John Kenneth Galbraith: »Der Kongreß war besorgt, daß beide,
die Geschäftsbanken im allgemeinen und auch die Mitgliederbanken des Federal
Reserve System im besonderen, den Niedergang der Börsen verschlimmert haben
und von ihm auch gleichzeitig geschädigt wurden; und zwar zum Teil aufgrund
ihrer direkten und indirekten Beteiligung am Handel und Besitz von spekulativen
Wertpapieren.« (Ebd., S. 353).»Die legislative
Geschichte des »Glass-Steagall Acts«, fuhr Galbraith fort, »zeigt,
daß der Kongreß auch die subtileren Gefahren im Auge hatte und sich
wiederholt auf sie konzentrierte. Diese Gefahren treten auf, wenn eine Geschäftsbank
ihre Befugnis als Treuhänder oder Bevollmächtigter überschreitet
und entweder direkt ins Investmentbankgeschäft einsteigt oder eine Zweiggesellschaft
gründet, die bestimmte Investments verwaltet und verkauft.« Galbraith
betonte: »Im Laufe des Jahres 1929 verwaltete und verkaufte ein Investmenthaus,
Goldman Sachs & Company, Wertpapiere in Höhe von fast einer Milliarde
Dollar über drei miteinander verbundene Investmenttrusts - Goldman Sachs
Trading Corporation, Shenandoah Corporation und Blue Ridge Corporation. Alle verloren
praktisch ihren gesamten Wert.« (Ebd., S. 353).Die
großen New Yorker Banken hatten schon lange eine Rücknahme dieses 1933
vom Kongreß beschlossenen einschränkenden Gesetzes gefordert, und Alan
Greenspan war als Vosrtandvorsitzender der Fed für sie genau der richtige
Mann dafür. US-Amerikas Großbanken, mit Rockefellers einflußreicher
Chase Manhattan Bank und Sanford Weills Citicorp an der Spitze gaben über
100 Milliarden Dollar für die Beeinflussung von Kongreßabageordneten
und für Wahlkampfspenden aus, um die Abschaffung der während der Großen
Depression beschlossenen Beschränkungen von Bankgeschäften und Aktienemissionen
zu erreichen. (Für die Rockellers bedeutete das quasi
die Rücknahme dessen, was ihnen den Aufstieg un den Morgans den Abstieg gebracht
hatte [**]
- ein Omen? [HB]). (Ebd., S. 353-354).Die Außerkraftsezung
des »Glass-Steagall Acts« öffnete 1999 die Schleusen für
die Verbriefungs-Revolution (**)
.... (Ebd., S. 354).
Deregulierung, TBTF und Gigantomanie
Zwischen 1980 und 1994
wurden in den USA mehr als 1600 Banken, die durch die Bundeseinlagenversicherung
(Federal Deposit Insurance Corporation) versichert waren, geschlossen oder erhielten
Finanzhilfen durch diese FDIC. Das war weit mehr als in irgendeiner anderen Periode,
seit die FDIC in den 1930er Jahren im Zuge des New Deals gegründet worden
war. Diese Entwicklung führte zur Konzentration der Banken in gigantischen
Bankengruppen und sollte bis in das neue Jahrhundert andauern. (Ebd., S.
372).1984 drohte die größte Bankinsolvenz in der Geschichte
der USA, die Pleite der Chikagoer Continental Illinois National Bank, der damals
siebtgrößten Bank der Vereinigten Staaten und einer der größten
Banken weltweit. Um diesen großen Kollaps zu verhindern, griff die US-Regierung
mithilfe der Bundeseinlagenversicherung FDIC ein und sagte der Continental Illinois
eine 100-prozentige Einlagengarantie zu, die an die Stelle der begrenzten Garantie
trat, die normalerweise die FDIC-Banken bietet. Diese Stützungsmaßnahme
wurde dann zu der Doktrin: »Zu groß, um bankrott zu gehen« (»Too
Big to Fail« -TBTF). Das Argument lautete, man dürfe es nicht zulassen,
daß bestimmte, sehr große Banken untergehen, weil sie einfach zu groß
seien. Denn der Zusammenbruch einer solchen Bank werde zu einer Kettenreaktion
führen, die arge Konsequenzen für die gesamte Volkswirtschaft haben
könne. Es dauerte nicht lange, bis die großen Banken merkten, daß
sie sich, je größer sie durch Fusionen und Übernahmen wurden,
immer mehr für diese »TBTF-Behandlung« qualifizierten. Das sogenannte
»subjektive Risiko« (moral hazard) wurde zum wichtigsten Merkmal der
US-Großbanken. (Ebd., S. 372).Während Greenspans
Amtszeit als Fed-Chef wurde diese TBTF-Doktrin auf sehr große Hedgefonds
(zum Beispiel LTCM **),
sehr große Börsen (die New Yorker Börse) und praktisch alle großen
us-amerikanischen Finanzinstitute ausgedehnt, an denen die USA ein strategisches
Interesse hatten. Die Folgen davon waren verheerend. Nur wenigen Personen außerhalb
der elitären Insiderkreise der sehr großen Institutionen der Finanzwelt
war überhaupt bewußt, daß diese Doktrin eingeführt worden
war. (Ebd., S. 372-373).Sobald das TBTF-Prinzip einmal festgelegt
war, bemühten sich US-Amerikas größte Banken, noch größer
zu werden. Die traditionelle Trennung der Banken in örtliche Spar- und Darlehenskassen
einerseits und große internationale Geschäftsbanken wie die Citibank,
J. P. Morgan oder die Bank of America andererseits sowie das Verbot, Bankgeschäfte
in mehr als einem US-Bundesstaat zu betreiben - all diese Punkte wurden einer
nach dem anderen abgeschafft. Gewissermaßen wurden »gleiche Spielregeln«
für alle geschaffen - aber eben nur für die größten Banken,
die jetzt die kleineren Banken niederwalzen und schlucken konnten, um Finanzkartelle
von schier unvorstellbarer Größe zu schaffen. (Ebd., S. 373).1996
war die Zahl der unabhängigen Banken gegenüber dem Ende der 1970er Jahre
bereits um mehr als ein Drittel geschrumpft - ein Rückgang von mehr als 12000
auf weniger als 8000. Der prozentuale Anteil der Einlagen, die von den Banken
gehalten wurden, die über Vermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar
verfügten, verdoppelte sich auf ein Fünftel aller Bankvermögen
in den USA. Und das war erst der Anfang dieses Trends. Diese Konsolidierung der
Banken war eine direkte Folge davon, daß die US-Bundesstaaten alle geographischen
Einschränkungen für Bankniederlassungen und den Erwerb von Holdinggesellschaften
abgeschafft hatten, die in einem 1994 erlassenen länderübergreifenden
Gesetz, dem »Interstate Banking and Branch Efficiency Act«, festgeschrieben
waren. Unter dem Vorwand eines »effizienteren Bankenwesens« folgte
ein darwinistischer Kampf ums Uberleben der Größten, die keineswegs
immer die Besten waren. Diese Konsolidierung sollte ungefahr ein Jahrzehnt später
schwere Folgen haben, als die Verbriefung (**)
auf eine Art und Weise explodierte, die sogar die wildesten Phantasien der Banken
überstiegen. (Ebd., S. 373). | »Verbriefungs-Revolution«:
die Errichtuung einer Neuen Finanzwelt, in der das Risiko den Banken abgenommen
und über die ganze Welt verteilt wird, und zwar so diffus, daß schließlich
keiner mehr erkennen konnte, wo das wirkliche Risiko lag. |
Verbriefung - der unreelle Handel
Weil
das Thema Verbriefung so ungemein komplex ist, kann niemand - noch nicht einmal
ihre Initiatoren - die Verteilung der damit verbundenen Risiken voll verstehen,
geschweige denn die gleichzeitige Konzentration systemischer Risiken. (Ebd.,
S. 378).Die Verbriefung war ein Prozeß, bei dem Aktiva durch
eine »Zweck gesellschaft« erworben werden, die entweder als »Special
Purpose Vehicle« (SPV) oder als »Special Investment Vehicle«
(SIV) bezeichnet wird. (Ebd., S. 378).Bei diesen Zweckgesellschaften,
zum Beispiel bei einer SIV, wurden die diversen Wohnungshypotheken in sogenannten
Pools oder Bündeln zusammengefaßt. Ein bestimmter Pool, beispielsweise
von Wohnungshypotheken-Außenständen, entstand jetzt in der neuen Form
einer Anleihe, einer forderungsbesicherten Anleihe, in diesem Fall eines hypothekenbesicherten
Wertpapiers. Die verbriefte Anleihe wurde durch den Bargeldfluß oder den
Wert der zugrunde liegenden Aktiva gesichert. (Ebd., S. 378).Zu
dem Verständnis dieses kleinen Schrittes gehörte ein komplexer Vertrauensvorschuß.
Die Sache basierte auf einer illusorischen Absicherung, deren wahrer Wert, wie
jetzt allen Banken auf der Welt auf geradezu dramatische Weise klar geworden ist,
unbekannt und unerkennbar war. Bereits in diesem Stadium des Prozesses ist der
rechtliche Besitzanspruch an der Hypothek eines bestimmten Hauses im Pool juristisch
umstritten. Wer in der ganzen Kette besitzt tatsächlich die ordnungsgemäß
unterzeichnete Hypothekenurkunde für Hunderte oder Tausende von besicherten
Häusern? Jetzt haben die Anwälte jahrelang zu tun, um die brillanten
Vernebelungsaktionen der Wall Street zu klären. (Ebd., S. 378).Die
Verbriefung bezieht sich normalerweise auf Aktiva, die illiquide, also nicht so
leicht zu verkaufen sind. Sie wurde bei Immobilien zu einem allgemein angewandten
Mittel. Und der heutige Immobilienmarkt in den USA ist einer der illiquidesten
Märkte der Welt. Jeder will dort aussteigen, und nur wenige wollen einsteigen,
jedenfalls nicht zu diesen Preisen. (Ebd., S. 378).Die Verbriefung
wurde bei Pools von gepachteten Immobilien angewandt, ebenso wie für Wohnungshypotheken,
Eigenheimkrediten bezogen auf Höhe des Eigenkapitals, Studentenkrediten sowie
Kreditkartenund sonstigen Schulden. In der Theorie konnten alle Aktiva verbrieft
werden, solange ein ständiger und absehbarer Cashflow vorlag. So weit die
Theorie. In der Praxis konnten die US-Banken mit dieser Verbriefung jedoch die
neuen strengeren Baseler Kapitalunterlegungs-Richtlinien (»Basel II«)
umgehen, die zum Teil in der Absicht aufgestellt wurden, die Schlupflöcher
in Basel I schließen zu können (**).
Aufgrund dieser Lücken in Basel I konnten us-amerikanische und andere Banken
im großen Stil Kredite aus ihren Bilanzen herausnehmen und sie den obengenannten
»Zweckgesellschaften«, den SIVs oder SPVs, zuschanzen. (Ebd.,
S. 378-379).
Finanz-Alchemie: Wo das Haar in die Suppe fällt
Die
Verbriefung (**)
wandelte somit illiquide (unverkäufliche) Aktiva in liquide (verkäufliche)
Aktiva um. Theoretisch geschah das durch die Bündelung, Zeichnung und den
Verkauf von Eigentumsansprüchen auf die Zahlungsflüsse in Form besicherter
Wertpapiere (»Asset-backed Securities«, ABS). Hypothekenbesicherte
Wertpapiere waren eine Form dieser ABS, und zwar die bei Weitem größte
seit 2001. (Ebd., S. 379).An dieser Stelle fiel das Haar
in die Suppe. (Ebd., S. 379).Im Jahre 2006 erlebte der us-amerikanische
Häusermarkt einen steilen Abschwung, und die Zinsen der zinsvariablen Hypotheken
(ARM) stiegen in den gesamten USA stark an. Hunderttausende von Hausbesitzern
konnten ihre jetzt drastisch gestiegenen Hypothekenraten einfach nicht mehr aufbringen
oder wurden von der einen oder anderen Partei in der komplexen Verbriefungskette
(**)
zur Zwangsvollstreckung gezwungen, und das sehr häufig illegal, wie ein Richter
in Ohio kürzlich entschied. Die Zwangsvollstreckungen von Eigenheimen waren
2007 um 75 Prozent höher als 2006, und der Prozeß fängt gerade
erst an. Dies könnte sich zu einer Immobilienkatastrophe auswachsen, die
ebenso schlimm oder noch schlimmer ist als die während der Großen
Depression. In Kalifornien stieg die Zahl der Zwangsvollstreckungen um erschreckende
421 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (Ebd., S. 379).Dieser
wachsende Prozeß der Hypothekenausfälle hinterließ wiederum Riesenlöcher
im Cashflow, der die neu in Umlauf gebrachten hypothekenbesicherten Wertpapiere
stützen sollte. Da das gesamte System total undurchsichtig war, wußte
niemand, am allerwenigsten die Banken, bei denen diese Wertpapiere deponiert waren,
was wirklich »Sache« war: welche besicherten Wertpapiere gut und welche
schlecht waren. Ebenso wie die Natur ein Vakuum verabscheut, verabscheuen Banker
und Investoren, besonders globale Investoren, eine Unsicherheit in ihren finanziellen
Aktiva. Also behandelten sie diese wie Giftmüll. (Ebd., S. 379).
Ausgerechnet Wirtschaftsnobelpreisträger waren an
allem schuld ...
Der
wichtigste Punkt bie dieser LTCM-Krise (LTCM = Long Term Capital Management),
die das Fundament des globalen Finanzssystems ins Wanken brachte, war die Frage,
wer an diesem Spekulationsfonds beteiligt war und welche wirtschaftlichen Annahmen
zugrunde gelegt wurden - eben genau dieselben fundamentalen Annahmen, die bei
der Konstruktion der grundfalschen Risikomodelle verwendet wurden und die zu dem
Debakel bei der Verbriefung (**)
geführt hatten. (Ebd., S. 398-399).Anfang 1998 verfügte
LTCM über ein Kapital von 4,8 Milliarden Dollar und ein Portfolio von 200
Milliarden Dollar, das aus seiner Kreditkapazität bzw. den Krediten stammte,
die so ziemlich alle größeren us-amerikanischen und europäischen
Banken gewährt hatten, da sie auf sagenhafte Gewinne dieses erfolgreichen
Fonds hofften. LTCM besaß Derivate mit einem Nennwert von 1250 Milliarden
Dollar; das heißt, daß ein nicht regulierter Hedgefonds ein Portfolio
an Optionen und anderen Finanzderivaten im Nennwert von eineinviertel Billionen
Dollar hatte! Von einer solchen Größenordnung hätte bis dahin
niemand auch nur zu träumen gewagt. Doch der Traum verwandelte sich sehr
schnell in einen Albtraum. (Ebd., S. 399).Im Slang der Wall
Street war LTCM ein »highly geared fund«, d.h. ein Fonds mit einem
unglaublich hohen Anteil an Fremdkapital. Einer seiner Investoren war die italienische
Zentralbank, so beeindruckend war der Ruf dieses Fonds. (Ebd., S. 399).Zu
den größeren globalen Banken, die Geld in diesen LTCM gepumpt hatten,
weil sie hofften, am Erfolg und an den unglaublichen Profiten teilzuhaben, gehörten:
Bankers Trust, Barclays, Chase, Deutsche Bank, Union Bank of Switzerland, Salomon
Smith Barney, J. P. Morgan, Goldman Sachs, Merrill Lynch, Crédit Suisse,
First Boston, Morgan Stanley Dean Witter, Societé Générale,
Crédit Agricole, Paribas und Lehman Brothers. Das waren dieselben Banken,
die knapp ein Jahrzehnt später im Zentrum der Verbriefungskrise von 2007
auftauchen sollten (**).
(Ebd., S. 399).Bei einer Pressekonferenz zu jener Zeit versuchte
US-Finanzminister Rubin eine Krise kleinzureden, die sich als fundamentaler Makel
des gesamten Risikomodells erwies. Er erklärte: »LTCM war ein isolierter
Einzelfall, bei dem es nach Einschätzung der New Yorker Federal Reserve mögliche
systemische Implikationen eines Versagens gab. Sie [die NY-Fed] organisierte dann
ein Treffen einer Gruppe von Institutionen des privaten Sektors, die dann entschieden,
was in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse lag.« (Ebd., S. 399).Eine
Ursache für die Ehrfurcht gegenüber dem LTCM war das »Dreamteam«,
das diesen Fonds leitete. Der Vorstandsvorsitzende und Gründer des Fonds
war John Meriwether, ein legendärer Händler an der Wall Street, der
nach einem Skandal wegen des Kaufs von US-Schatzbriefen die Firma Salomon Brothers
verließ. Doch dieser Skandal hatte sein Selbstbewußtsein nicht im
Geringsten angekratzt. Als er gefragt wurde, ob er an effiziente Märkte glaube,
antwortete er in aller Bescheidenheit: »Ich werde sie effizient machen.«
Zu den wichtigsten Aktionären des Fonds gehörten die beiden herausragendena
»Experten« (Anführungsstriche von mir [HB])
der » Wissenschaft vom Risiko«, Myron Scholes und Robert Merton, die
1997 von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften den »Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften« (Anführungsstriche
von mir [HB]) erhalten hatten, und zwar für ihre Arbeit über
Derivate. Außerdem verfügte der LTCM über eine beeindruckende
Zahl von Finanzprofessoren, Doktoren der Mathematik und Physik sowie anderen »Raketenwissenschaftlern«,
die in der Lage waren, extrem komplexe, kühne und profitable Finanzszenarien
zu erstellen. (Ebd., S. 399-400).
Fundamental falsche Annahmen und Risikomodelle
Die
Sache hatte nur einen Schönheitsfehler. Scholes' und Mertons grundlegende
Axiome des Risikos, also die Theorien, auf denen ihre Modelle aufgebaut waren,
waren falsch (!!! [HB]). Sie waren auf Sand gebaut
(!!! [HB]). Sie waren grundsätzlich und katastrophal
falsch (!!! [HB]). In ihrem mathematischen Optionspreismodell
gingen sie davon aus, daß es »perfekte Märkte« gebe, Märkte,
die so extrem tief gestaffelt seien, daß die Aktionen der Händler die
Preise nicht beeinträchtigen könnten. Scholes und Merton gingen davon
aus, die Märkte und ihre Teilnehmer verhielten sich rational. Doch die Realität
sieht ganz anders aus - Märkte sind langfristi rundsätzlich irrational
(!!! [HB]). Aber aufgrund der Risikopreismodelle,
die Fischer Black, Myron Scholes und andere Wirtschaftswissenschaftler in den
vergangenen zwei oder mehr Jahrzehnten entwickelt haben, konnten die Banken und
Kreditinstitute behaupten, die traditionelle Vorsicht bei der Vergabe von Krediten
se »altmodisch« (Anführungsstriche von
mir [HB]). Mit der entsprechenden Optionsversicherung sei das Risiko kein
Problem mehr. Man konnte die Feste also feiern, wie sie fielen. (Ebd., S.
400).Damit ignorierte man natürlich die tatsächlichen
Marktbedingungen bei jeder größeren Marktpanik seit 1975, als das »Black-Scholes-Modell«
bei der Chicago Board Options Exchange - einer der weltgrößten Optionsbörsen
der Welt - eingeführt wurde: Man ignorierte die fundamentale Rolle der Optionen
und der »Portfolio-Versicherung« beim Börsenkrach von 1987; man
ignorierte die Panik, die 1998 LTCM zu Fall brachte - an dem sowohl Scholes als
auch Merton beteiligt waren. Eine auf Wolke sieben schwebende Wall Street
ignorierte zusammen mit den Ökonomen und Direktoren von Greenspans Federal
Reserve das offensichtliche. (Ebd., S. 400-401).Im Gegensatz
zu dem fast schon religiösen Dogma, das seit Jahrzehnten an allen Wirtschaftsfakultäten
gelehrt wird, handelt es sich bei Finanzmärkten nicht um einfache und problemlose
Modelle, die sich nach der Gaußschen Normalverteilungskurve (**)
richten, so, als ob diese ein Naturgesetz wären. Die Tatsache, daß
die Hauptarchitekten der modernen Theorien der Finanzierungstechnik - die inzwischen
den seriös klingenden Namen »Finanzwirtschaftswissenschaft« erhielt
- allesamt mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, verlieh diesen fehlerhaften
Modellen die Aura päpstlicher Unfehlbarkeit. Nur drei Jahre nach dem Crash
von 1987 verlieh das Nobel-Komitee in Schweden Harry Markowitz und Merton Miller
den Preis für Wirtschaftswissenschaften. Ende 1997, und zwar mitten in der
Asienkrise, erhielten auch Robert Merton und Myron Scholes den Nobelpreis.
(Ebd., S. 401).Das Seltsame an den fehlerhaften Risikomodellen,
die seit den Ursprüngen der Finanzderivate in den 1980er Jahren bis zum explosiven
Wachstum der Verbriefung (**)
von Kreditforderungen im vorigen Jahrzehnt verwendet wurden, war, daß sie
kaum in Frage gestellt wurden. (Ebd., S. 401).Der Hedgefonds
LTCM verfügte über hochbezahlte Wall-Street-Investmentbanker sowie zwei
Ökonomen, die nicht nur den Nobelpreis gewonnen, sondern auch die Theorie
zur Preisbildung von Finanzderivaten vorgegeben hatten, und zwar für all
deren Produkte, von Aktien bis zu Währungen. Um die Liste der LTCM-Prominenten
zu vervollständigen, gab David Mullins 1994 seinen Job als stellvertretender
Fed-Chef unter Alan Greenspan auf und wurde Partner bei LTCM. (Ebd., S.
401).Trotz alledem konnten sich die Händler bei LTCM sowie
alle diejenigen, die ihnen im August 1998 bis an den Rand des finanziellen Abgrunds
folgten, nicht davor schützen, was ihnen jetzt drohte - das systemische Risiko.
Und dieses Systemrisiko trat ein, als sich das theoretisch »unmögliche
Ereignis«, der russische Staatsbankrott, in der Realität als möglich
herausstellte. (Ebd., S. 401).Trotz der eindeutigen Lektion
aus dem katastrophalen LTCM-Debakel - daß es nämlich kein Derivat gab
oder gibt, das gegen das systemische Risiko absichert - machten Greenspan, Rubin
und die New Yorker Banken weiter wie bisher. Sie bastelten an ihren Risikomodellen,
als ob absolut nichts geschehen wäre. Der russische Staatsbankrott wurde
als ein Ereignis abgetan, »das sich höchstens einmal in 100 Jahren
ereignet«. Die Banker der Wall Street blähten weiter ihre Dot.com-Blase
auf und anschließend sogar die größte Finanzblase in der Geschichte
der Menschheit - die Verbriefungs-Blase von 2002 bis 2007 (**).
(Ebd., S. 401-402).
Das Leben ist keine Normalverteilungskurve
Risiko
und Preisbildung verhalten sich nicht gemäß einer Normalverteilungskurve,
weder auf den Finanzmärkten noch bei der Erschließung von Ölfeldern.
Im Jahre 1900 behauptete ein obskurer französischer Mathematiker und Finanzspekulant
namens Louis Bachelier, Preisänderungen von Anleihen oder Aktien folgten
der glockenförmigen Kurve, die der deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß
als Arbeitsmodell konzipiert hatte (Gaußsche Normalverteilungskurve bzw.
Glockenkurve« **)
, um statistische Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Ereignisse darzustellen.
Zur Darstellung von Preisschwankungen anhand dieser Normalverteilungskurve gehörte
eine milde Form der Willkür; ähnlich wie bei dem üblichen Intelligenztest,
bei dem der Wert 100 als »Durchschnitt« angenommen wird, weil er sich
im Zentrum einer Normalverteilungskurve befindet. Das Ganze war eine Art »nützlicher
Alchemie«, aber eben nur Alchemie. (Ebd., S. 402).Unter
der Annahme, daß sich Schwankungen bei Finanzpreisen grundsätzlich
wie diese Gaußsche Normalverteilungskurve (**)
verhalten, konnten die »Raketenspezialisten« der Wall Street einen
unendlichen Strom neuer Finanzprodukte herausbringen, von dem eines obskurer und
komplexer war als das vorherige. Die Theorien wurden modifiziert. So wurde zum
Beipsiel das »Gesetz der großen Zahlen« hinzugefügt, um
zu beweisen, daß dann, wenn die Zahl der einzelnen Ereignisse groß
genug wird -wie beim Werfen einer Münze oder beim Würfeln -, der gemessene
Wert langfristig den (theoretisch) stabilen Wert erreicht. Dieses Gesetz der großen
Zahlen, bei dem es sich nun wirklich nicht um ein wissenschaftliches Naturgesetz
handelt, erlaubte es Banken wie der Citigroup oder Chase, viele hundert Millionen
Visakarten auszustellen, ohne eine Kreditprüfung vorzunehmen, und das aufgrund
von Daten, die zeigten, daß in »normalen« Zeiten bei Kreditkarten
eine Zahlungsunfdhigkeit so selten auftritt, daß sie angeblich überhaupt
nicht ins Gewicht fällt. (Ebd., S. 402).Die Probleme
mit Wahrscheinlichkeitsmodellen, die auf Normalverteilungskurven (**)
oder dem Gesetz der großen Zahlen beruhen, zeigten sich, als die Zeiten
nicht normal waren - zum Beispiel bei einer starken Rezession, wie sie die US-
Wirtschaft zurzeit durchmacht und die vielleicht nur mit der von 1931 bis 1939
vergleichbar ist. (Ebd., S. 402-403).Es war schon höchst
bemerkenswert, daß US-Amerikas akademisch gebildete Ökonomen und Investmentbanker,
die Direktoren der Federal Reserve und Finanzminister sowie Schwedens Preisrichter,
die den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften vergeben, Englands Finanzminister
und Banker der Londoner City sowie die Bank von England, um nur einige der wichtigsten
Namen zu nennen - daß all diese Finanz- und Wirtschaftsexperten die simple
Tatsache ignorierten, daß alle ökonomischen Theorien sowie die Theorien
über das Marktverhalten und die Theorien zur Risikoeinschätzung bei
Derivaten nicht in der Lage sind, nichtlineare Überraschungen vorauszusagen,
geschweige denn, sie zu verhinden.(**).
(Ebd., S. 403). Vgl. Donald MacKenzie,
An Engine, Not a Camera: How financial Models Shape Markets, 2008. MacKenzie
beschreibt den Prozeß, wie der Gründer der Börse in Chikago (Chicago
Mercantile Exchange) den US-Ökonomen Milton Friedman von der Universität
Chikago damit beauftragte, eine Rechtfertigung dafür zu liefern, daß
man Anfang der 1970er Jahre den Handel mit Devisentermingeschäften und Optionen
zuließ, und wie die Entwicklung der Preisbildungstheorie für Optionen
von Black und Scholes nach einer Weile den Chefs an der Wall Street die Sicherheit
gab, ihr Handel mit Derivaten sei »wissenschaftlich fundiert«. Das
stimmte natürlich nicht, wie sich im Jahre 2007 bei dem weltweiten Kollaps
der Verbriefung (**)
zeigte. (Ebd., Anmerkung 19).
Es war unmöglich, anhand
der Theorie, auf deren Grundannahmen letztendlich viele Billionen Dollars an weltweiten
Kreditverbindlichkeiten beruhten, das Platzen von Spekulationsblasen vorherzusagen,
weder im Oktober 1987 noch im Februar 1994 oder im März 2002 - und mit Sicherheit
nicht seit Juni 2007. Das war deshalb nicht möglich, weil vor allem das benutzte
Modell selbst die Bedingungen schuf, die zu den immer größeren und
destruktiveren Finanzblasen führten. Finanzökonomie war nur ein anderes
Wort für ungezügelte spekulative Exzesse, also für einen Prozeß,
der seit der ersten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte - dem sogenannten
»Tulpenwahn« in Holland im 17. Jahrhundert - unweigerlich Finanzblasen,
und damit das Platzen dieser Blasen, verursacht hatte. (Ebd., S. 403).Eine
Theorie, die nicht in der Lage war, solche großen und definitionsgemäß
»nichtlinearen« überraschenden Ereignisse vorauszusagen, war
trotz aller Nobelpreise nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde.
Dennoch setzten sich die Direktoren der Federal Reserve - allen voran Alan Greenspan
- sowie die US-Finanzminister, vor allem Robert Rubin, Lawrence Summers und Henry
Paulson, durch und sorgten dafür, daß der Kongreß diesen exotischen
Finanzinstrumenten, die auf der Basis einer Theorie entstanden waren, die in der
Realität vollkommen irrelevant war, niemals gesetzliche Einschränkungen
auferlegte bzw. sie regulierte. (Ebd., S. 403).Am 29. September
1998 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, daß »selbst nach dem
Zusammenbruch - und der Rettung - von LTCM jeder Vorstoß zur Regulierung
von Derivaten erfolglos geblieben war. Der CFTC (US-Regierungsbehörde, die
nominell den Handel mit Derivaten überwacht - W. E.) wurde untersagt, die
Regulierung von Derivaten zu verschärfen, und zwar mit einer Formulierung,
die am Montagabend von den Verhandlungsführern des Repräsentantenhauses
und des Senats gebilligt worden war. Anfang September hatten die republikanischen
Vorsitzenden der Landwirtschaftausschüsse beider Kammern um diese Fonnulierung
- die auch die Bedenken der Industrie berücksichtigte - gebeten, mit der
die Aufsichtsbefugnis der CFTC über den außerbörslichen Handel
mit Derivaten begrenzt werden soll, womit sie die Sorgen der Industrie zum Ausdruck
brachte.« Mit dieser »Industrie« waren natürlich die Großbanken
gemeint. (Ebd., S. 403-404).Weiter hieß es in dieser
Meldung von Reufers: »Als die CFTC das Thema Regulierung anschnitt, verteidigten
sowohl Fed-Chef Alan Greenspan als auch Finanzminister Rubin die (Finanz-)Industrie
und behaupteten, daß die Industrie keine Regulierung benötige und daß
die Einführung der Regulierung (us-amerikanische) Unternehmen ins Ausland
treiben würde.« (Ebd., S. 404).Die Kombination
dieser unerbittlichen Ablehnung, keinerlei Regulierung der explosiven neuen Finanzinstrumente
- die von Credit Default Swaps (CDS) zu hypothekenbesicherten Wertpapieren reichten
- sowie einer Unzahl ähnlicher exotischer »risikostreuender«
finanzieller Innovationen zuzulassen, bahnte zusammen mit der 1999 erfolgten endgültigen
Außerkraftsetzung des »Glass-Steagall Acts« (**),
der seit 1933 strikt das Investmentgeschäft und die nonnalen Bankgeschäfte
getrennt hatte, den Weg für das, was im Juni 2007 einsetzte: die zweite Große
Depression in weniger als einem Jahrhundert. Damit aber begann, was künftige
Historiker zweifellos als den Untergang der Vereinigten Staaten als dominierende
globale Finanzmacht beschreiben werden. (Ebd., S. 404).
Lügenkredite und NINA-Banken in einer
Orgie des Betruges
Die Lektionen aus dem Staatsbankrott Rußlands
im August 1998 und die kurz danach einsetzende systemische LTCM-Krise verdrängte
die Elite des New Yorker Finanz-Establishments in wenigen Wochen. Unterstützt
durch die akademisch gebildeten »Raketenwissenschaftler«, Normalverteilungskurven
und grundfalschen Risikomodellen setzten die Finanzgiganten der US-Banken eine
Welle von Megafusionen in Gang und entwickelten einfallsreiche Methoden, um ihr
Kreditrisiko aus den Büchern zu entfernen. Das öffnete Tür und
Tor für den größten Firmen- und Finanzbetrug in der Weltgeschichte
-»Asset Securitization«, die Verbriefung (**)
von Kreditforderungen. (Ebd., S. 404-405).Da der »Glass-Steagall
Act« Ende 1999 auf Drängen von Greenspan und Rubin endgültig außer
Kraft gesetzt worden war (**),
stand es den Banken jetzt frei, Rivalen aus sämtlichen Bereichen wie Versicherungen,
Verbraucherkreditanstalten oder Finanzierungsgesellschaften aufzukaufen. Die Bankenlandschaft
US-Amerikas veränderte sich radikal und dramatisch. Die » Verbriefungs-Revolution«
(**) konnte beginnen.
(Ebd., S. 405).Nach Außerkraftsetzung des »Glass-Steagall
Acts« (**)
überwachte die Federal Reserve direkt nur noch die Bankholdinggesellschaften
und untergeordnete reine kreditgebende Banken. In der Praxis hieß das: Jetzt
konnte die Citigroup ihre (staatlich regulierte) Zweigstelle in einer typischen
»Subprime-Gegend« schließen und statt dessen ihre Geschäfte
in dieser (ärmeren) Gegend durch eine (nicht regulierte) 100-prozentige Tochterfirma
namens Citi Financial abwickeln. Der Vorteil für die Citigroup lag darin,
daß diese Citi Financial, die ein Spezialist für Subprime-Kredite war,
ihre Geschäfte jetzt unter ganz anderen - lascheren - Regulierungsbestimmungen
abwickeln konnte. (Ebd., S. 405).Die Citi Financial stellte
unabhängig von der Citigroup Hypotheken aus. Verbrauchergruppen warfen der
Citi Financial vor, Spezialist für »Raubtierkredite« zu sein,
deren Vergabe so vor sich ging, daß skrupellose Hypothekenmakler oder Verkäufer
einer Person oder Familie einen Kredit aufdrängten, der weit über ihren
Möglichkeiten lag oder deren Verständnis in bezug auf die eingegangenen
Risiken überstieg. Außerdem waren diese Darlehensnehmer oft auch gar
nicht in der Lage, diese Kredite zurückzuzahlen. Dabei war die Citigroup
nur ein typisches Beispiel für die meisten großen US-Banken und Hypothekengeber.
(Ebd., S. 405).Am 8. Januar 2008 verkündete die Citigroup
mit großem Pomp die Veröffentlichung ihres Berichts über ihr konsolidiertes
»US-Eigenheimhypothekengeschäft«, inklusive der Gewährung
von Hypotheken, Bedienung der Zinsen und Verbriefung (**).
Seltsamerweise tauchte in dieser Erklärung die Citi Financial gar nicht auf,
also genau die Tochterfirma mit den meisten Risiken in ihren Büchern.
(Ebd., S. 405).
Schlupflöcher in Basel I
Das,
was die Banken in die Verbriefung (**)
und die Verbreitung bilanzunwirksamer Risiken, inklusive stark fremdfinanzierter
Derivate, trieb, war der »Basler Akkord« aus dem Jahre 1987 - die
Eigenkapitalvereinbarung der Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
(BIZ), inzwischen bekannt als »Basel I«. Diese Vereinbarung der Zentralbanken
der größten Industrienationen der Welt verpflichtete die Banken, acht
Prozent eines normalen Geschäftskredits als Reserve für einen möglichen
künftigen Kreditausfall zurückzulegen. Die damalige Innovation der Finanzderivate
wurde auf Drängen der Federal Reserve bei dieser Vereinbarung Basel I nicht
erwähnt. (Ebd., S. 406).Die Vereinbarung war ursprünglich
auf Ersuchen der ultrakonservativen Deutschen Bundesbank und anderer europäischer
Zentralbanken getroffen worden, um die eher spekulative Kreditvergabe der us-amerikanischen
und japanischen Banken zu zügeln, die zu der schlimmsten Bankenkrise seit
den 1930er Jahren geführt hatte. Ursprünglich verfolgte man mit Basel
I die Absicht, die Banken zu zwingen, das Kreditrisiko zu reduzieren, also vorsichtiger
und Konservativer zu sein. Doch auf die Arbeit der us-amerikanischen Banken hatte
Basel I genau den gegenteiligen Effekt. Die US-Banken entdeckten ziemlich bald
ein riesiges Schlupfloch - die bilanzunwirksamen Transaktionen, vor allem Derivate
und Verbriefung (**).
Da diese Produkte in Basel I nicht berücksichtigt wurden, mußten die
Banken kein Kapital beiseitelegen, um potenzielle Verluste auf diesem Gebiet auszugleichen.
(Ebd., S. 406).Der Vorteil der Verbriefung (**)
von Kreditforderungen, zum Beispiel Wohnungsbaukrediten, für die ausstellende
Bank war, daß sie den Kredit oder die Hypothek unverzüglich an einen
Verbriefer oder Versicherer verkaufen konnte, der Hunderte oder Tausende solcher
Kredite zu einem neuen vermögensbesicherten Wertpapier (ABS) bündelte.
Diese scheinbar geniale Innovation war viel gefährlicher, als es zunächst
den Anschein hatte. Die kreditgebenden Banken mußten einen Hypothekenkredit
nicht mehr wie bisher 20 bis 30 Jahre in ihren Büchern führen. Vielmehr
verkauften sie diesen Kredit mit einem Abschlag und verwendeten den dabei erzielten
Erlös, um eine nächste Runde der Kreditgewährung einzuläuten.
(Ebd., S. 406).Das bedeutete aber auch, daß sich die kreditgebende
Bank keine Sorgen mehr darüber machen mußte, ob der Kredit jemals zurückgezahlt
werden würde. (Ebd., S. 406).
Betrug ist in
Es dauerte nicht
lange, bis die kreditgebenden Banken in den ganzen USA merkten, daß sie
auf einer riesigen Goldmine saßen, größer als die beim legendären
Goldrausch in Kalifornien. Sie machen sich überhaupt keine Gedanken darüber,
ob eine Person, die einen Eigenheimkredit aufnahm, überhaupt in der Lage
war, die Schulden in den nächsten Jahrzehnten zurückzuzahlen. Die Banken
machten eine Menge Geld durch das reine Kreditvolumen und den Weiterverkauf der
Kredite an die Verbriefer. (Ebd., S. 407).Bald wurde es normal,
daß die Banken ihre Hypothekenkreditvergabe freiberuflichen Maklern übertrugen.
Anstatt die Kreditnehmer auf ihre Kreditwürdigkeit zu überprüfen,
verließen sich die Makler meist ausschließlich auf verschiedene Online-Kreditfragebögen,
ähnlich wie bei Anträgen für eine Visa-Karte, bei der keine Nachprüfung
erfolgt. Es wurde zu einer üblichen Praxis, daß Hypothekenkreditgeber
Maklern Bonusanreize gewährten, damit diese eine größere Menge
von unterzeichneten Kreditverträgen abschlossen - eine weitere Möglichkeit
für massiven Betrug. Die Banken machten mehr Profit mit hohen Kreditvolumina,
die sie anschließend zur Verbriefung (**)
an Wall-Street-Häuser verkauften. Die Welt des traditionellen Bankwesens
wurde völlig auf den Kopf gestellt. (Ebd., S. 407).Da
eine Bank jetzt nicht mehr den Anreiz hatte, auf die Solidität eines Kreditnehmers
zu achten, zum Beispiel durch Minimal-Anzahlungen und eine gründliche Untersuchung
der Kreditwürdigkeit, gewährten viele US-Banken sogenannte »Lügenkredite«,
einfach um das Kreditvolumen und die Umsätze zu erhöhen. Diese Zyniker
wußten, daß der Darlehensnehmer bei der Frage nach seiner Kreditwürdigkeit
und seinem Einkommen log, um sein Traumhaus zu bekommen. Aber das war ihnen völlig
egal. Sie verkauften das Hypothekenrisiko einfach weiter, kaum daß die Tinte
auf dem Kreditvertrag trocken war. (Ebd., S. 407).Nach 2002
kam eine neue Terminologie für solche Kredite auf: »NINA«-Hypotheken
- »No Income, No Assets« (kein Einkommen, kein Vermögen). »
Kein Problem, Mr. Jones! Hier sind die 400000 Oollar für Ihr neues Haus.
Alles Gute.« (Ebd., S. 407).Da »Glass-Steagall«
(**)
jetzt kein Hindernis mehr war, konnten die Banken eine Vielzahl hundertprozentiger
Tochterfirmen gründen, um das boomende Geschäft mit den Wohnungsbauhypotheken
in Gang zu halten. Der Gigant in diesem ganzen Prozeß war die Citigroup,
die größte us-amerikanische Bankengruppe mit einem Vermögen von
über 2,4 Billionen Dollar. (Ebd., S. 407-408).Zur Citigroup
gehörte unter anderem die Travelers Insurance, eine bundesstaatlich regulierte
Kreditbank. Außerdem die alte Citibank, eine riesige Kreditbank, sowie die
Investmentbank Smith Barney. Zudem war die Citigroup auch Eigentümerin des
aggressiven Subprime-Kreditgebers Citi Financial, der nach Aussagen zahlreicher
Verbraucherberichte einer der skrupellosesten Raubtier-Kreditgeber war und die
Subprime-Hypotheken häufig an völlig unbedarfte oder insolvente Kreditgeber,
meist Schwarze oder Latinos, vergab. Darüber hinaus gehört zur Citigroup
auch die Universal Financial Corporation, einer der größten Aussteller
von Kreditkarten in den USA, die das sogenannte »Gesetz der großen
Zahlen« anwandte, um ihren Kundenkreis bei unzuverlässigen Darlehensnehmern
(und entsprechend höheren Risiken) zu vergrößern. (Ebd.,
S. 408). | Im
Oktober 2008 intervenierte die US-Regierung mit einer Finanzspritze, um der
in Schwierigkeiten steckenden Citigroup aus der Patsche zu helfen. Citigroup
ist die größte Bank der Welt und der aggressivste Vermarkter von
Subprime-Krediten. |
Zur Citigroup gehörten auch Banamex, die zweitgrößte
Bank Mexikos, und die Banco Cuscatlan, die größte Bank von EI Salvador.
Banamex war eine der großen mexikanischen Banken, die wegen Geldwäscherei
angeklagt wurden. Doch das war nichts Neues für die Citigroup. Im Jahre 1999
untersuchten der US-Kongreß und der US-Bundesrechnungshof (GAO) die Citigroup
wegen der Wäsche von Drogengeldern in Höhe von 100 Millionen Dollar
für Raúl Salinas de Gortari, den Bruder des damaligen mexikanischen
Präsidenten. Bei dieser Untersuchung kam ebenfalls heraus, daß die
Citibank Geld für korrupte Beamte von Pakistan über Gabun bis Nigeria
gewaschen hatte. (Ebd., S. 408-409).Doch die Citigroup, der
finanzielle Moloch, war nur ein typisches Beispiel dafür, was mit US-Amerikas
Bankwesen nach 1999 geschah. Es war eine ganz andere Welt, vielleicht mit Ausnahme
der Exzesse der » Wilden 20er Jahre« im vorigen Jahrhundert. Das Ausmaß,
das der Betrug und der Mißbrauch im Kreditgeschäft in der neuen Ära
der Verbriefung (**)
annahmen, überstieg sämtliche Vorstellungen. (Ebd., S. 409).
Die Raubtiere hatten ihre große Zeit
Eine
us-amerikanische Verbraucherorganisation, die diese »Kredithaie« kritisch
beobachtete, dokumentierte einige der üblichsten kriminellen Kreditpraktiken
während des Immobilienbooms und berichtete: »In den Vereinigten Staaten
gibt es im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts viele dubiose Firmen, die solche
Kredite anbieten. Einige sind sehr alt - zum Beispiel Household Finance und ihre
Schwesterfirma Beneficial - und andere etwas neue, wie Citi Financial. Beide bieten
Kredite zu Sätzen von über 30 Prozent an. Das Geschäft boomt: Die
Gewinnspannen, so die Wall Street, sind zu groß, um darauf zu verzichten.
Die Citibank zahlt unter fünf Prozent Zinsen auf die erhaltenen Einlagen.
Die mit ihr verbundenen Kredithaie verrechnen einen vier Mal so hohen Satz, selbst
für Kredite, die durch das Eigenheim des Kreditnehmers abgesichert sind.
Für einen Banker ist das ein Geschäft, das er einfach nicht ablehnen
kann. Selbst wenn es mit der Wirtschaft bergab geht - sie können die hinterlegte
Sicherheit behalten und weiterverkaufen.« (Ebd.). (Ebd., S. 409).Das
Geschäft ist global; Die Hong Kong & Shanghai Banking Corporation, jetzt
HSBC, will es in mehr als 80 Länder exportieren, in denen sie bis jetzt nur
schwach vertreten ist. Institutionelle Investoren lieben dieses Geschäftsmodell,
und die Investmentbanken verbriefen die Kredite .... Die Wurzel jedoch, das »Futter«,
auf dem diese ganze Pyramide steht, ist der einzelne Kunde am sogenannten Ort
des Verkaufs .... Punkte und Gebühren können dem verliehenen Geld hinzugefügt
werden. Citi Financial und Household Finance schlagen ihren Kunden vor, eine Versicherung
abzuschließen. Diesen Vorschlag machen sie ihnen auf unterschiedliche Art
und Weise schmackhaft - Kreditlautzeit und »Kreditanfälligkeit«
sowie »Kreditarbeitslosigkeit« und Sachversicherung -, aber in fast
allen Fällen werden diese Leistungen dem Kredit zugeschlagen, und es werden
Zinsen dafür berechnet. Es nennt sich »einmalige Prämie«
- anstatt jeden Monat für die Deckung zu zahlen, zahlen Sie im voraus mit
Geld, auf das Sie Zinsen zahlen. Wenn Sie später refinanzieren wollen, dann
bekommen Sie keine Rückerstattung. Das Geld ist futsch, aber am »Ort
des Verkaufs« merkt man davon häufig nichts.« (Ebd.). (Ebd.,
S. 409-410).»Nehmen wir zum Beispiel den Kauf von Möbeln.
Eine Schlafzimmerausstattung könnte 2000 Dollar kosten. Auf dem Schild steht:
»Easy Credit« .... Das Möbelhaus verwaltet diese Konten nicht.
Dafür wendet es sich an Banken wie Citi Financial, HFC oder vielleicht Wells
Fargo. Während die Federal Reserve Geld an Banken unter fünf Prozent
verleiht, berechnen diese Bank-Töchter 20, 30 oder 40 Prozent. Sie haben
ihre Möbel - kostenpflichtig - versichert: um Sie zu schützen, behauptet
der Möbelhändler, damit die Möbel nicht wieder abtransportiert
werden, wenn Sie sterben oder arbeitslos werden. Doch bevor die ganzen Schulden
abgetragen sind, werden Sie, ob Sie nun tot oder noch lebendig sind, mehr als
den Listenpreis eines Luxuswagens oder eine Villa samt Butler bezahlt haben.«
(Ebd.). (Ebd., S. 410).»Irgendwann macht man Ihnen
ein toll klingendes Angebot: Wenn Sie Ihr Haus als Sicherheit bieten, kann Ihre
Kreditrate gesenkt und die Laufzeit verlängert werden. Eine 20-jährige
Hypothek, mit festem oder variablem Zinssatz. Der Satz wird hoch sein, und die
einzelnen Bedingungen werden Ihnen nicht mitgeteilt. Wenn Sie zum Beispiel den
Kredit zu schnell zurückzahlen, brummt man Ihnen ein Strafgeld wegen Zahlung
vor Fälligkeit auf. Oder Sie zahlen zu langsam: Die dafür verhängte
Geldstrafe ist der sogenannte Ballon, also eine Blase. Wenn Sie diese
Summe nicht zahlen können, dann macht das nichts, denn das wußte die
Bank ja schon vorher. Das Ziel besteht darin, Ihren Kredit zu refinanzieren und
Ihnen noch mehr Strafpunkte und Gebühren aufzuerlegen. In früheren Jahrhunderten
nannte man so etwas Schuldsklaverei. Heutzutage ist dies das Schicksal der sogenannten
Subprime-Sklaven. Nicht weniger als 20 Prozent der us-amerikanischen Haushalte
werden als Subprime eingestuft. Aber nach Angaben des (staatlichen Hypothekenfinanzierers)
Fannie Mae hätte die Hälfte der Leute, die Subprime-Kredite bekommen,
normale Ratenkredite abzahlen können. Draußen herrscht das Gesetz des
Dschungels. Die einzige Regel ist: Käufer, Vorsicht!« (Ebd.).
(Ebd., S. 410-411).In den 1980er Jahren habe ich einen führenden
Wall-Street-Banker interviewt, der sich zu dieser Zeit von einer Art Burnout-Syndrom
erholte. Ich befragte ihn über die Geschäfte seiner Bank in Cali (Kolumbien),
während der Glanzzeit des Cali-Kokainkartells. Er vertraute mir inoffiziell
an: »Ich war früher in Cali. Es war buchstäblich so, daß
Männer mit Sonnenbrillen in die Bank kamen und Koffer auf den Tisch stellten,
die mit Hundert-Dollar-Scheinen vollgestopft waren. Die Banken gingen sogar über
Leichen, um ein Stück von diesem Kuchen abzubekommen, so lukrativ waren die
Geschäfte.« Dieselben Banken stürzten sich später auf das
Subprime-Kreditgeschäft, wobei sie ähnliche Ziele verfolgten. Die Gewinne
waren jedenfalls so hoch wie bei der Wäsche von Drogengeldern. (Ebd.,
S. 411).Und wiederum war es Alan Greenspan, der energisch die Ausweitung
der Kreditvergabe unterstützte - auch auf die ärmsten Getto-Bewohner.
Edward M. Gramlich, ein Direktor der Federal Reserve, der im September 2007 starb,
warnte bereits vor fast sieben Jahren, eine schnell wachsende, ganz neue Art von
Kreditgebern verleitete viele Menschen dazu, riskante Hypotheken aufzunehmen,
die sich diese Menschen überhaupt nicht leisten konnten. Als Gramlich privat
Fed-Revisoren drängte, Hypotheken-Kreditgeber, die mit staatlichen Banken
in Verbindung standen, zu überprüfen, erhielt er von Alan Greenspan
eine Abfuhr. Nach Berichten von Fed-Insidern leitete Greenspan die Federal Reserve
fast wie ein absoluter Herrscher. (Ebd., S. 411).Das FBI,
das mit Sicherheit nur die Spitze eines sehr großen Eisberges von Betrug
entlarvt hat, gab kürzlich bekannt, daß es derzeit gegen 14 Finanzinstitute
wegen möglichen Bilanzbetrugs, Insiderhandels und anderer Vergehen im Zusammenhang
mit Eigenheimkrediten an prekäre Kreditnehmer ermittelt. Laut dem Federal
Bureau of Investigation betreffen diese Ermittlungen Firmen aus der gesamten Finanzdienstleistungsbranche,
von Hypothekenkreditgebern bis zu Investmentbanken, die Eigenheimkredite zu Wertpapieren
bündeln, die dann an Investoren verkauft werden. (Ebd., S. 411).Zur
gleichen Zeit untersuchten Behörden in New York und Connecticut, ob Wall-Street-Banken
wichtige Informationen über hochriskante Kredite zurückgehalten hatten,
die zu Wertpapierpaketen gebündelt und dann an Investoren verkauft wurden.
Der Justizminister von Connecticut, Richard Blumenthal, erklärte damals,
er und der Justizminister des Staates New York, Andrew Cuomo, überprüften
gerade, ob Banken ordnungsgemäß auf das hohe Ausfallrisiko der sogenannten
»exception loans« (Ausnahmekredite) - die für noch riskanter
gehalten werden als Subprime-Kredite - hingewiesen hätten, als sie diese
Wertpapiere an Investoren verkauften. Im November 2007 erließ Cuomo gerichtliche
Vorladungen an die halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie
Mac im Zusammenhang mit seinen Ermittlungen von »Interessenkonflikten innerhalb
der Hypothekenindustrie«. Er sagte, er wolle Immobilienkredite im Wert von
vielen Milliarden Dollar überprüfen, die us-amerikanische Häuslebauer
von US-Finanzinstituten bekommen hatten, zum Beispiel von der größten
us-amerikanischen Spar- und Darlehenskasse Washington Mutual Inc. Außerdem
wollte Cuomo wissen, ob und wie bei diesen Hypothekenkrediten eine Leistungsbeurteilung
vorgenommen wurde. (Ebd., S. 411-412).Auch das FBI war in
dieser Sache aktiv; zusätzlich zu dem oben Gesagten teilte die US-Bundespolizei
zu dieser Zeit mit, daß sie die Praktiken von Subprime-Kreditgebern überprüfe
und wegen potenziellen Bilanzbetrugs gegen Finanzinstitute ermittle, die derartige
Kredite in ihren Büchern führten oder sie verbrieften und dann an andere
Investoren weiterverkauften. Die Investmenthäuser Morgan Stanley, Goldman
Sachs und Bear Stearns erklärten damals laut offizieller Aktenlage, daß
sie mit verschiedenen, nicht genannten Regulierungsstellen und Regierungsbehörden
kooperierten, die von ihnen Informationen über diese Geschäfte verlangten.
(Ebd., S. 412).Ein ehemaliger Immobilienmakler aus dem pazifischen
Nordwesten, der sein Geschäft aufgab, weil es ihn anwiderte, ungeeigneten
Kreditnehmern Hypotheken aufzuschwatzen, beschrieb einige der typischen Praktiken
der skrupellosen Makler in einem Memorandum über die Gewährung von Hypotheken
mit variablem Zinssatz (ARMs), das er mir zur Verfügung stellte: »Das
Subprime-Fiasko ist ein wahrer Albtraum. Aber die erstklassigen zinsvariablen
Hypotheken (ARMs) haben das Potenzial für eine unglaubliche Katastrophe.
Der erste Schluckauf eifolgte im Juli/August 2007- das war das erste
Subprime-Fiasko, aber im November 2007 war es mehr als nur ein Schluckauf.
Im November 2007 wurden die erstklassigen zinsvariablen Hypotheken nach oben korrigiert.«
(Ebd.). (Ebd., S. 412).»Das bedeutet, daß die
zinsvariablen Hypotheken am Jahrestag des Kredites an einen höheren
Satz angepaßt werden. Dies geschieht deshalb, weil diese Hypotheken zu einem
Locksatz erworben wurden, der üblicherweise einen oder anderthalb Prozent
beträgt. Ratenzahlungen zu diesem Zinssatz sind zwar sehr attraktiv, tragen
jedoch nicht dazu bei, die Darlehenssumme zu reduzieren, und erzeugen sogar unbezahlte
Zinsen, die dem Kredit zugeschlagen werden. Den Kreditnehmern wird die Möglichkeit
geboten, die Zahlungen der Locksätze für das gesamte erste Jahr zu leisten,
obwohl der Satz eigentlich nur für den ersten Monat gilt.« (Ebd.).
(Ebd., S. 412-413).»Sorgen über eine negative
Amortisierung, bei der die Kreditschuld höher ist als der Marktwert
des Eigentums, wurden zerstreut durch den Hinweis auf das Wachstum des Immobilienwertes
aufgrund der von den Banken erzeugten Blase, die als normal bezeichnet wurde.
Außerdem könne man sich darauf verlassen, so die Behauptung, daß
alles so weitergehe. Das alles wurde von den Kreditgebern gefördert, die
ganze Armeen von Kundenberatern, d.h. Verkäufern, zu den Hypothekenmaklern
schickten, um zu erklären, wie das funktionieren würde.« (Ebd.).
(Ebd., S. 412).»Ihre größten Gewinnanteile - die
Marge - machten die Banken mit variablen Zinssätzen bei Immobilienkrediten
und einem gewissermaßen objektiven Indikator für die Kosten der geborgten
Gelder - dem sogenannten Index. Diese Indizes wurden anhand unterschiedlicher
Wirtschaftsaktivitäten ermittelt - zum Beispiel was die US-Banken für
90-tägige Einlagezertifikate zahlten oder welche Raten beim Londoner Interbankenhandel
(LIBOR) für US-Dollars galten. Marge plus Index ergibt den wahren Zinssatzfür
den Kredit. Das ist der Satz, zu dem der Kredit nach 30 Jahren komplett abbezahlt
(amortisiert) ist - der voll indizierte Satz.« (Ebd.).
(Ebd., S. 413).»Nehmen wir einen Satz von sechs Prozent als
realen oder inflationsjustierten Zinssatz an (drei Prozent Marge plus
drei Prozent Inflationsindex). Bei einem Kreditbetrag von 250000 Dollar würde
die monatliche Ratenzahlung bei einem Zinssatz von einem Prozent bei 804,10 Dollar
liegen. Das ist das Lockzinsangebot, exklusive Steuern und Versicherung.
Dieser Betrag würde sich an die Veränderungen beim Index anpassen. Aber
die Marge bleibt gleich für die gesamte Kreditlaufzeit. Dieser Kredit ist
so strukturiert, daß Zahlungsanpassungen nur einmal pro Jahr vorgenommen
und auf 7,5 Prozent der Zahlung des vorangegangenen Jahres begrenzt werden. Das
kann stufenweise für einen Zeitraum von fünf Jahren (oder im Falle eines
einzigen Kreditgebers auch zehn Jahren) so weitergehen, ungeachtet dessen, was
in der realen Welt so vor sich geht. Dann, am Ende der fünf Jahre, fallen
die Begrenzungen weg, und alle Zahlungen werden dem »voll indizierten Satz«
angepaßt.« (Ebd.). (Ebd., S. 413).»Hat
der Kreditnehmer die ganze Zeit nur die erforderlichen Mindestzahlungen geleistet,
kann dies zu einem Zahlungsschock führen, der in die Tausende geht. Hat sich
der Wert des Hauses aber um 25 Prozent verringert, dann wird der Kreditnehmer,
dieses Mal jemand mit ausgezeichneter Kreditwürdigkeit, aufgefordert, sein
Haus der Bank zurückzugeben, was den Wert dieses Hauses mindestens um weitere
25 Prozent herabdrückt - und das wirkt sich dann auch auf die umliegenden
Häuser aus.« (Ebd.). (Ebd., S. 414).Nach Aussagen
eines Bankeninsiders aus Chikago wurden die Banker in den USA in den ersten Wochen
des Februars 2008 ausdrücklich auf folgendes aufmerksam gemacht: »Die
Chase Manhattan Bank (CMB) hat unzählige Mitteilungen über ihre Kreditvergabe
an ihre Kunden gesandt. Die Bedingungen ihrer Kreditlinien (LCO), die einst sehr
populär waren, haben sich so geändert, daß die Werte der Aktiva,
die diese Kredite sichern, einseitig nach unten korrigiert werden, manchmal um
bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, daß Hauseigentümer jetzt Zahlungen
für einen Kredit leisten, mit dem sie Eigentum erwerben, das jetzt aber offenbar
nur noch die Hälfte des Darlehenskapitals wert ist, und für diese ganze
Summe müssen sie auch noch Zinsen bezahlen. Die einzig vernünftige Lösung
in vielen Fällen besteht darin, einfach auszusteigen und das Haus aufzugeben.
Das aber führt zu einem noch größeren Wertverlust, drückt
auch den Wert der umliegenden Eigenheime herab und löst eine Lawine von Zwangsvollstreckungen
aus.« (Ebd.). (Ebd., S. 414).»Besonders verheerend
war das bei Kreditlinien mit »kreativer Finanzierung«, also den Kreditlinien,
die entweder den vollen Wert des Eigenheims - oder mindestens 90 bis 100 Prozent
davon - ausmachten, bevor die Blase platzte ....« (Ebd.). (Ebd., S.
414).»Die CMB hat jetzt automatisch Kreditlinien mit einem
»offenen« Kredit abgeschafft. Bei diesen Krediten ließ der Kreditnehmer
in der LCO einen bestimmten Geldbetrag für die Zukunft offen - ein Betrag,
der über den 80 Prozent des Verhältnisses Kredit/Eigenheimwert (LTV)
lag. Dies erfolgte im großen Stil und ohne die »Eigenheimbesitzer«
einzubeziehen.« (Ebd.). (Ebd., S. 414).Beschränkungen
beim Verhältnis Kredit/Eigenheimwert (LTV) bedeuten, daß der Geldbetrag,
den der Kreditgeber bereit ist zu leihen, nicht den festgelegten Prozentsatz des
Grundstückswertes überschreiten darf. Allgemein ist es üblich,
daß ein Gutachter damit beauftragt wird, den Wert des Eigenheims zu schätzen.
Die Schätzung wird anhand vergleichbarer Verkäufe anderer umliegenden
Häuser durchgeführt, die mit wenigen Ausnahmen - nicht mehr als eine
Meile von dem betreffenden Eigenheim entfernt sein dürfen. Diese Geschäfte
waren jedoch nur ein winziger Teil des Hypothekenschwindels, der dem jetzt akuten
Finanz-Tsunami vorausging. (Ebd., S. 414-415).
Der Tsunami fängt gerade erst an
Der fatale Fehler aller
Risikomodelle, die von der Wall Street, von Moody's, von den Monoline-Versicherern
und den Ökonomen der US-Regierung und der Federal Reserve verwendet wurden,
war, daß sie auf der Annahme beruhten, Rezessionen seien nicht mehr möglich,
weil man das Risiko unendlich streuen und über den gesamten Globus verteilen
könnte. (Ebd., S. 415).Die Preise all dieser verbrieften
Aktiva, die nominell viele Billionen Dollar wert waren, wurden aufgrund dieser
falschen Annahmen bewertet. All die vielen Billionen Dollar an Credit Default
Swaps - die auf der Illusion beruhten, daß man sich mit Derivaten preisgünstig
gegen Kreditausfälle versichern könnte - sollten sich schon bald in
einer ganzen Welle katastrophaler Krisen in Luft auflösen, als der Häusermarkt
in den USA kollabierte. (Ebd., S. 415).Es war eine schier
endlose Spirale nach unten: Die Häuserpreise fielen in den Keller, die Eigenheimhypotheken
wurden mit immer höheren Zinssätzen belastet, und die Arbeitslosigkeit
stieg rasant in den ganzen USA - von Ohio bis Michigan, von Kalifornien bis Pennsylvania,
von Colorado bis Arizona. Je mehr Arbeiter aber arbeitslos oder unterbeschäftigt
wurden, desto dramatischer wurden die Ausfalle bei Autokredit- und Kreditkartenzahlungen.
Dieser Prozeß setzte eine Abwärtsspirale bei den Preisen für Wirtschaftsgüter
in Gang; zuerst in den USA, dann aber auch in vielen Teilen der ganzen Welt. In
den ersten Wochen von 2008 zeigte sich allmählich, wie häßlich
die ganze Sache noch werden konnte. (Ebd., S. 415).Der Kollaps
im Subprime-Sektor war nur der erste Hinweis darauf, was noch folgen sollte, und
es wird Jahre dauern, bis dieser Prozeß nachläßt. Die beschädigten
Produkte der vermögensbesicherten Wertpapiere wurden wiederum als Sicherheiten
für weitere Bankkredite benutzt sowie für fremdfinanzierte Firmenübernahmen
- und zwar nicht nur durch die oft berüchtigten Beteiligungsgesellschaften,
sondern auch durch andere Unternehmen, ja sogar Städte und Gemeinden. Die
Schuldenpyramide, die lediglich auf dem windigen »Fundament« verbriefter
Wertpapiere stand, wurde durch eine radikale Umkehrung der fremdfinanzierten Hebelwirkung
drastisch reduziert, als man sich auf den globalen Märkten der Realität
stellen mußte, daß niemand den wahren Wert der verbrieften Papiere
kannte, die sich in den diversen Portfolios befanden. (Ebd., S. 415-416).Wenn
die Folgen ihrer kriminellen Nachlässigkeit für Millionen US-Amerikaner
und Menschen in der ganzen Welt nicht so tragisch wären, dann könnte
man das Geständnis von Standard & Poor's als geradezu lächerlich
bezeichnen. Im Oktober 2007 räumte diese Ratingagentur, damals die zweitgrößte
Kreditbewertungsagentur der Welt, ein, sie habe »das Ausmaß des Betruges
in der us-amerikanischen Hypothekenindustrie unterschätzt«. Alan Greenspan
machte einen schwachen Versuch, sich selbst zu entlasten, indem er behauptete,
nicht die Kreditvergabe an Subprime-Kreditnehmer sei falsch gewesen, sondern nur
die spätere Verbriefung (**)
dieser Hypothekenkredite. Die Realität sah anders aus: Das ganze System,
das die Finanzelite in jahrzehntelanger Arbeit errichtet hatte, beruhte ausschließlich
auf Lug und Betrug sowie Nichttransparenz. Aber man kann nicht davon ausgehen,
daß die dafür Verantwortlichen wirklich so naiv sind, das nicht zu
wissen. (Ebd., S. 416).
Als nächstes: die Derivatekrise mit Credit Default
Swaps (Kreditausfallversicherungen)
Inzwischen rollt bereits
die nächste Welle des us-amerikanischen Finanz-Tsunamis an: der Kollaps der
Monoliner, über die bereits weiter oben berichtet wurde. Angesichts des ungeheuren
Ausmaßes der unbekannten Risiken dieser hoch spezialisierten us-amerikanischen
Versicherungsgesellschaften war bei ihnen außer einer Verstaatlichung durch
die US-Regierung keine andere Lösung denkbar. (Ebd., S. 416).Der
Markt, der höchstwahrscheinlich als nächster kollabieren wird, ist der
außerbörslich abgewickelte und hochspekulative Derivatehandel mit Kreditausfallversicherungen,
genannt Credit Default Swaps (CDS). Dieser Markt, eine Erfindung von J. P. Morgan,
umfaßt schätzungsweise 45 Billionen Dollar. (Ebd., S. 416).Alan
Greenspan hatte dafür gesorgt, daß der CDS-Markt unreguliert und undurchsichtig
blieb, so daß sich niemand über den Umfang der damit verbundenen Risiken
in einer Wirtschaftsflaute im klaren war. Da dieser Markt nicht reguliert wird,
kommt es häufig vor, daß eine Partei des abgeschlossenen Geschäfts
das CDS-Papier an ein drittes Finanzinstitut weiterverkauft, ohne die andere Partei
darüber zu informieren. Das bedeutet aber, daß sich in dem Fall, in
dem ein Investor sein CDS-Papier zu Geld machen will, der Zahlungspflichtige dieses
Anspruchs gar nicht mehr feststellen läßt und der Investor aus seinem
Papier sitzen bleibt. Der CDS-Markt konzentrierte sich zum allergrößten
Teil in den New Yorker Banken, die Ende 2007 auf CDS-Papieren im Nennwert von
14 Billionen Dollar saßen. Die bekanntesten dieser Finanzinstitute waren
J. P. Morgan Chase mit 7,8 Billionen Dollar an CDS-Papieren sowie Citigroup und
Bank of America mit jeweils 3 Billionen Dollar. (Ebd., S. 416-417).Das
Problem wurde dadurch verschärft, daß von den 45 Billionen Dollar an
CDS etwa 16 Prozent oder 7,2 Billionen Dollar ausgestellt wurden, um die Besitzer
von besicherten Schuldtiteln ausgerechnet dort zu schützen, wo die Probleme
mit den Sicherheiten für Hypotheken am größten waren. Der CDS-Markt
war eine tickende Zeitbombe, wobei diese einen Kernsprengkopf hatte. Wenn sich
die Kreditkrise in den kommenden Monaten ausbreitet, müssen die Banken zwangsläufig
größere Ausfalle verkraften und die Zeichner von CDS- Versicherungen
explodierende Forderungen und nicht transparente Bestimmungen. (Ebd., S.
417).Wenn Hunderttausende US-Amerikaner in den kommenden Monaten
feststellen werden, daß ihre Hypothekenraten entsprechend den Bedingungen
der zinsvariablen Hypotheken neu festgesetzt wurden, werden voraussichtlich weitere
690 Milliarden Dollar an Eigenheimhypotheken in Verzug geraten. Das wird wiederum
zu einem Schneeballeffekt in bezug auf Arbeitsplatzverluste und Kreditkartenausfalle
führen und eine weitere große Verbriefungskrise im riesigen Markt für
verbriefte Kreditkartenschulden auslösen (**)
. Das Bemerkenswerte an dieser Krise ist, daß ein derart großer Teil
des gesamten us-amerikanischen Finanzsystems darin verwickelt ist. In der der
ganzen us-amerikanischen Geschichte hat es neimals eine Krise dieses Ausmaßes
gegeben. (Ebd., S. 417).Ende Februar 2008 enthüllte
die Londoner Financial Times, daß sich US-Banken »in aller Stille«
50 Milliarden Dollar von einer speziellen neuen Kreditfazilität der Federal
Reserve geliehen hatten, um ihre Liquiditätskrise zu mildern. Die Verluste
aller US-Großbanken von der Citigroup bis zu J. P. Morgan Chase und den
meisten anderen großen us-amerikanischen Banken wurden immer größer,
während die Wirtschaft immer tiefer in einer Rezession versank, die sich
in den kommenden Monaten mit Sicherheit in eine echte Depression verwandeln dürfte.
Keiner der Präsidentschaftskandidaten hatte es im Wahlkampf gewagt, einen
ernsthaften Vorschlag zu unterbreiten, wie man die größte Finanz- und
Wirtschaftskrise in der us-amerikanischen Geschichte lösen könnte.
(Ebd., S. 417-418).In den ersten Tagen des Jahres 2008 wurde allmählich
klar, daß die Verbriefung (**)
für die USA der letzte Tango sein würde, den sie als globale Finanz-Supermacht
aufs Parkett legen konnte. (Ebd., S. 418).Inmitten einer
wachsenden Panik im Weißen Haus unter George W. Bush und vor allem in Henry
Paulsons (Wall-Street-)Finanzministerium traf die US-Regierung am 15. September
2008 mehrere Entscheidungen darüber, welche Finanzinstitute gerettet werden
sollten und welche man bankrott gehen ließ - wie sich herausstellen sollte,
war die Entscheidung über die letzte Maßnahme verhängnisvoll.
Die große Versicherungsgesellschaft AIG, deren Gründer Hank Greenberg
einige Jahre zuvor angeklagt worden war, die Bücher des Unternehmens grob
manipuliert zu haben, rettete die Regierung mit vielen Dutzend Milliarden Dollar.
Außerdem intervenierte die US-Regierung und verstaatlichte de facto
die beiden riesigen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac. Doch mit
Einwilligung von Fed-Chef Ben Bernanke und dem Präsidenten der New Yorker
Federal Reserve, Tim Geithner, der später von Präsident Obama zum neuen
US-Finanzminister ernannt werden sollte, wurde entschieden, die viertgrößte
Investmentbank der Welt, die seit 153 Jahren existierende Bank Lehman Brothers,
bankrott gehen zu lassen. (Ebd., S. 418).Innerhalb von Stunden
stürzten die Märkte auf der ganzen Welt in den Keller, als sich diese
Nachricht verbreitete. Was bis dahin nur eine große Krise in einem kleineren
Segment des us-amerikanischen Subprime-Hypotheken-Verbriefungsmarktes gewesen
war (**),
der vielleicht 800 Milliarden Dollar umfaßte, wurde plötzlich zu einer
globalen Systemkrise, in der die Banken jedes Papier, das sie von einer anderen
Bank akzeptieren sollten, anzweifelten. Eine weltweite Vertrauenskrise hatte eingesetzt,
weil mitten in einer großen Krise die Verantwortlichen mangelnde Entschlossenheit
gezeigt hatten. Ihre Entscheidungen darüber, welche Banken gerettet werden
mußten und warum, waren nicht nachvollziehbar. Diese Unsicherheit erschütterte
auch weltweit das Vertrauen der Banken untereinander, auch auf internationaler
Ebene. Es bedeutete de facto das Ende des Dollar-Systems von Bretton Woods.
(Ebd., S. 418).Jetzt stellt sich die Frage: Welches neue Zentrum
oder welche neuen Zentren finanzieller Macht könnten New York als globales
Verbindungszentrum ersetzen? (Ebd., S. 418).
Nachwort: Die Macht des Geldes - die Folgen
Unsere
Geschichte endet mit demselben Satz, mit dem sie auch begonnen hat. Wie wir bei
unserer geschichtlichen Betrachtung des Aufstiegs eines us-amerikanischen Dollar-Imperiums
nach 1865 gesehen haben, beruht die Macht des Geldes nicht auf einer gesunden
und stabilen Wirtschaftspolitik. Sie beruht auch nicht auf Frieden und Wohlergehen
der großen Mehrheit einer Nation. Notwendigerweise beruht die Macht des
Geldes auf den Institutionen, die die Mittel der Macht kontrollieren -das sind
letzten Endes die Militär- und Polizeikräfte eines Staates samt allen
damit zusammenhängenden Institutionen. Diese Macht lag bis zum August 2007
fest in der Hand der Finanzstrukturen, der relativ kleinen Gruppe von Banken und
Finanzinstituten im Kern des Dollar-Systems. (Ebd., S. 421).Die
Geldmacht nutzt ihre Überredungskunst sowie Propaganda, verlogene Appelle
an den Patriotismus, Verlockungen der Gier und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft,
um ihre zerstörerische Macht zu festigen. Die Geldmacht schreckt vor nichts
zurück, um das Geheimnis ihrer Macht zu verbergen. Sie will vor allen Dingen
von der Tatsache ablenken, daß das Geld - sei es nun gestützt durch
Gold, durch Öl oder durch Schwadronen von F-16-Kampfflugzeugen oder Atombomben
- letztendlich ein Geschöpf des Gesetzes ist. Mayer Amschel Rothschild ...
erklärte 1790: »Erlauben Sie mir, das Geld eines Landes zu kontrollieren
und in Umlauf zu bringen, dann ist mir gleichgültig, wer die Gesetze macht.«
Diese Kontrolle überließ ein schwacher US-Kongreß im Jahre 1913
einem Kartell privater internationaler Banken, als er den »Federal Reserve
Act« verabschiedete. (Ebd., S. 421).Anfang 2009 tobte
weltweit ein gigantischer Machtkampf. Nur wenige verstanden, worum es dabei ging,
und die Mainstream-Medien sagten darüber kein Sterbenswort. In diesem Kampf
standen auf der einen Seite diejenigen, die Arbeitsplätze retten und die
Industrie, die Fabriken und Maschinen intakt halten wollten. Im Vergleich zu dieser
überwältigenden Mehrheit stand auf der anderen Seite eine winzige, oligarchisch-elitäre
Minderheit: die im Zentrum von Alan Greenspans »Finanzrevolution«
stehenden Geldinteressen der Wall Street mit ihren engsten Verbündeten, zu
denen hauptsächlich die Londoner City gehörte sowie etwa drei Dutzend
weltweit agierende Banken. (Ebd., S. 421).Im Herbst 2008
war der us-amerikanische Kongreß derart unter Druck gesetzt worden, daß
er dem »Public Law 110-343« zustimmte; einem Gesetz, das US-Präsident
George W. Bush am 3. Oktober 2008 unterzeichnet hat. Dieses Gesetz mit einem Umfang
von insgesamt 169 Seiten - die US-Amerikas Kongreßabgeordnete vor der Abstimmung
kaum alle gelesen, geschweige denn sorgfältig studiert haben dürften
- machte den Weg frei für ein 700 Milliarden Dollar schweres Rettungspaket
(Troubled Assel Relief Program, TARP). Dieses Kürzel wurde auch schon bald
zum Spitznamen dieses Gesetzes auserkoren, wobei man wissen muß, daß
TARP zufällig auch die englische Kurzfonn für »tarpaulin«
ist, was man sowohl mit Ölzeug als auch mit Abdeckplane übersetzen kann
- auf jeden Fall beschreibt der Spitzname eine dicke, völlig undurchsichtige
Decke. (Ebd., S. 422).Unter dieser dicken, undurchdringlichen
Decke von TARP konnte der damalige US-Finanzminister, der frühere Wall-Street-Banker
Henry Paulson, ohne Prüfung oder externe Aufsicht mehrere hundert Milliarden
Dollar an ausgewählte Kumpane unter den Investmentbanken an der Wall Street
und an große internationale Banken, ja sogar an Versicherungen und Hypothekenfinanzierer
wie Fannie Mae und Freddie Mac verteilen. Auf Anordnung Paulsons sollte die US-Regierung
die Banken als Gegenleistung für diese massive Kapitalspritze nicht kontrollieren.
Hier wurden also dreist Steuergelder an dieselben Männer und Finanzinstitute
verteilt, die gerade die gesamte Welt an den Rand einer Katastrophe gebracht hatten.
(Ebd., S. 422).Trotz, oder besser wegen der Natur des 700 Milliarden
schweren TARP-Rettungspakets für die US-Banken ging die Vernichtung von Reichtum
in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt weiter. Ende Februar 2009,
vier Monate nach Beginn der Bankenrettung durch TARP, hatte der vielbeachtete
us-amerikanische Dow Jones Industrial Index die Hälfte seines Wertes (verglichen
mit seinem Höchststand vor gerade einmal einem Jahr) verloren. Ein Ende der
Talfahrt war nicht absehbar. Der Wert der Immobilien, des wichtigsten Vermögenswertes
von 70 Prozent aller us-amerikanischen Familien, die sich in der Zeit der Greenspan-Blase
hatten überreden lassen, ihre ganze Zukunft auf eine Eigenheimhypothek zu
setzen, verfiel in einem Maße, das es seit den 1930er Jahren nicht mehr
gegeben hatte. (Ebd., S. 422-423).Während sich der Abwärtstrend
der Finanzmärkte auf der ganzen Welt fortsetzte, wurden auch Fälle von
Betrug, Bestechung und Manipulation ruchbar. Einer der auffälligsten war
im Dezember das Eingeständnis des ehemaligen Chefs der New Yorker NASDAQ-Börse,
Bernard Madoff, er habe ein 50 Milliarden Dollar schweres Schneeballsystem entwickelt
- ein finanzielles Betrugssystem, das heute allgemein als »Ponzi-Schema«
bezeichnet wird. Der Betrag, um den es dabei ging, war zwar nicht gerade »Peanuts«,
aber er war doch nichts im Vergleich zu den vielen Billionen Dollar, die plötzlich
dahin waren, als die Verbriefungsblase platzte (**).
Bemerkenswert war jedoch, daß die regierungseigene US-Börsenaufsicht
SEC deutlich und wiederholt von Außenstehenden sowie von eigenen Mitarbeitern
gewarnt worden war, daß Madoffs angebliche Riesengewinne purer Schwindel
seien. (Ebd., S. 423).Diese Korruption hatte das gesamte
internationale Finanzsystem erfaßt. Das sollte niemanden überraschen,
der sich mit der Geschichte beschäftigt hat. Zum endgültigen Abstieg
des Römischen Reiches in den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt
kam es, weil die Patriarchen im Alten Rom die Staatsmacht den Geldstrukturen überlassen
hatten - und sich selbst dabei ungeheuer bereicherten. Aufgrund dieser Korruption
und Verkommenheit verfiel das Imperium von innen. (Ebd., S. 423).Die
Wahl eines neuen US-Präsidenten der nominellen Oppositionspartei, der Demokraten,
nach acht Jahren der Laissez-faire-Politik von Korruption und Vetternwirtschaft
unter dem Republikaner Bush versprach keinen wirklich grundlegenden Wandel in
den Vereinigten Staaten. Mit seinem Beliebtheitsgrad, der anfänglich buchstäblich
höher war als der von Jesus Christus, bot sich für Präsident Barack
Obama die einmalige Chance, das Schicksal der Nation zu wenden und die Bevölkerung
für ein Programm der radikalen Reorganisation des finanziellen Machtkalküls
zu gewinnen. (Ebd., S. 423).Barack Obama hatte das Mandat
der Öffentlichkeit, wenn er es nur richtig anstellte, »die Geldwechsler
aus dem Tempel zu jagen« und die Verstaatlichung der privaten Federal Reserve
anzuordnen - sowie die von den Banken, die das Federal Reserve System stützen,
gleich mit und dadurch die Kontrolle über die Geldmacht des Landes zugunsten
des Gemeinwohls zu gewinnen und nicht länger der privaten Gier zu Überlassen.
Obama hätte das Mandat der us-amerikanischen Öffentlichkeit dafür
gehabt, die relative Macht der Finanz- und Geldstrukturen der Wall Street über
die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu verringern und im Interesse des Gemeinwohls
die Banken zu verstaatlichen, die für das Debakel verantwortlich sind.
(Ebd., S. 423-424).Anstatt diese Chance zu nutzen, besetzte er
sein »wirtschaftspolitisches Dreamteam« mit all den schrecklichen
alten Gesichtern, die selbst bis zur Halskrause in die Verbrechen und den Mißbrauch
der Geldinteressen verstrickt waren, von Paul Volcker bis zu Lawrence Summers.
Zum US-Finanzminister ernannte der neue Präsident Timothy Geithner, einen
ehemaligen Direktor der mächtigen New Yorker Federal Reserve, der noch fünf
Monate zuvor zusammen mit Henry Paulson und Ben Bernanke, dem Chef der Federal
Reserve, entschieden hatte, die viertgrößte Investmentbank der Welt,
das seit 153 Jahren bestehende New Yorker Bankhaus Lehman Brothers, bankrott gehen
zu lassen, während kleinere Finanzinstitute gerettet wurden. Falls es sich
bei der Entscheidung für einen Bankrott von Lehman Bros. um den böswilligen
Versuch Paulsons und seiner Genossen gehandelt haben sollte, die Krise auf das
gesamte globale Finanzsystem auszuweiten und damit die ganze Welt so in Angst
und Schrecken zu versetzen, daß sie einem Rettungspaket für die Wall
Street zustimmte - dann war Anfang 2009 deutlich, daß dies sicher nicht
passieren würde. (Ebd., S. 424).Die Öffentlichkeit
wurde durch bewußt verwirrende Argumente getäuscht, die alle darauf
hinausliefen, die Fragestellung unbeantwortet zu lassen, warum die großen
Banken wie die Citibank oder die Bank of America nicht verstaatlicht werden sollten.
In den Finanzmedien wurde das Bild eines schleichenden Kommunismus - oder noch
weit größerer Schrecken (gibt es denn noch größere
Schrecken als den Kommunismus? [HB]) - gemalt. In Wirklichkeit ging es
einzig und allein um die Frage, wer in den USA die Macht über das Geld kontrollieren
sollte: das private Kartell der Finanzinteressen hinter den Eigentümerbanken
der Federal Reserve oder die gewählten Vertreter des Volkes, deren Renten
verzockt, deren Häuser von den Banken beschlagnahmt und deren Arbeitsplätze
abgebaut wurden. (Ebd., S. 424).Es ging schlicht um die Zukunft
des monetaristischen Putsches von 1979, bei dem die während der Großen
Depression gewährten sozialen Zugeständnisse einkassiert worden
waren. In Großbritannien, dem Heimatland von Thatchers Monetarismus, kämpfte
eine Labour-Regierung für die Verteidigung der privaten Macht der Banken
auf Kosten der Wähler. Labour verwirklichte den »bankers'
socialism« (Banker-Sozialismus **):
die Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste. (Ebd., S.
424-425).In Deutschland zeigte sich eine konservative Bundeskanzlerin,
assistiert von einem sozialdemokratischen Finanzminister, ebenfalls unwillig,
die Macht der Banken herauszufordern. Kenntnisreiche Finanzinsider in Deutschland
meinten, das Problem liege in der politischen Ignoranz, die Berlin angesichts
der oft verwirrenden finanziellen Verstrickungen der deutschen Banken an den Tag
lege. In Wirklichkeit war die Frage hier genauso einfach zu lösen wie anderswo
auch. In Deutschland hatte man in der Krise von 1931 zugelassen, daß die
internationalen Banken über das Schicksal des Landes entschieden, mit den
bekannten fürchterlichen Folgen. Würden die Politiker des Jahres 2009
eine Wiederholung der tragischen Sparpolitik von Reichskanzler Brüning wiederholen
- und zwar diesmal mit noch schrecklicheren Folgen -, nur weil sie allein auf
die Weisheit ihrer führenden Banker, nicht aber auf die ihrer eigenen Bevölkerung
vertrauten? (Ebd., S. 425).Die Anfang der 1980er Jahre einsetzende
neoliberale Revolution unter Thatcher und Reagan hatte, wie beabsichtigt, zu einer
weltweiten Zentralisierung des Kapitals in einer neuen Dimension geführt.
| | | Das
von der Citigroup kontrollierte Vermögen, das
von der Geldwäsche erwirtschaftete
Vermögen und die BIPs der 10 größten
Volkswirtschaften (2008) | Volkswirtschaft | BIP
in US-$ | | Unternehmen | Vermögen
in US-$ | USA | 13,840 Bio. | | | | Japan |
4,384 Bio. | | | | Deutschland |
3,667 Bio. | | | | China |
3,251 Bio. | | | | Großbritannien |
2,474 Bio. | | | | Frankreich |
2,395 Bio. | | | | | | | Citigroup |
2,200 Bio. | Italien |
2,105 Bio. | | | | | | | Geldwäsche |
2,000 Bio. | Kanada |
1,432 Bio. | | | | Brasilien |
1,314 Bio. | | | |
| Die
finanziellen Aktivitäten und die damit verbundene Macht wurden in den Händen
riesiger Finanzholdings wie der Citigroup konzentriert. Allein diese Bank, die
ursprünglich die Bank der Rockefeller-Interessen gewesen war, bestand aus
über 3000 Unternehmen in vielen Ländern, die von ihr kontrollierten
Vermögenswerte beliefen sich 2008 auf insgesamt 2,2 Billionen Dollar, weit
mehr als das BIP der meisten Nationen dieser Welt. 1995 hatte Rockefellers Chase
Manhattan Bank mit der Chemical Bank funsioniert, die ihrerseits Manufacturers
Hanover übenommen jhatte. Wenige Jahre später fusionierte die Chase
mit J. P. Morgen zur J. P. Morgan Chase. Die Konzentrierung der Geldmacht war
unglaublich. Die US-Regierung blieb untätig und beförderte all dies
sogar noch, weil die Gesetze und Bestimmungen aus der Zeit der Großen
Depression, die damals die Ausweitung dieser Geldmacht eingedämmt hatten,
inzwischen außer Kraft gesetzt worden waren. Riesige neue Bank- konzerne
verknüpften das traditionelle Bank- und Versicherungsgeschäft mit neuen
Funktionen wie der Vermögensverwaltung, und das in unglaublichen Dimensionen.
In den USA wurde der Handel mit Wertpapieren vor allem von einigen speziellen
Finanzinstituten wie den Investment- und Pensionsfonds abgewickelt. (Ebd.,
S. 425-426).Die Geldmacht - und zwar die Macht
über das Geld, das sich auf den US-Dollar stützte - machte sich auf,
die ganze Welt zu kontrollieren. Das Mittel dazu sollte die finanzielle Globalisierung
sein, ihr eigenes Geschöpf, bei dem sich die Vertreter der Geldmacht die
von den Bankern kontrollierten Instrumente und Institutionen zunutze machen wollten,
vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank bis hin zur Baseler
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Zentralbank der Zentralbanken.
(Ebd., S. 426).
Im Jahre 1910 betrugen
die Schulden der Vereinigten Staaten auf Bundesebene eine Milliarde Dollar - oder
12,40 Dollar pro Kopf. Die Verschuldung auf Landes- oder kommunaler Ebene war
gering bzw. nicht existent. 1920, nur sieben Jahre nach Gründung der Federal
Reserve, belief sich die Verschuldung der US-Regierung nach dem Ersten Weltkrieg,
dem sogenannten »Großen Krieg«, bereits auf 24 Milliarden Dollar,
das waren 228 Dollar für jeden einzelnen US-Bürger. Im Jahre 1960 betrugen
die Schulden 284 Milliarden Dollar oder 1575 Dollar pro Kopf, und 1981 überschritt
die Verschuldung gar die Billionengrenze. 2009 lag sie bei über elf Billionen
Dollar oder 35 000 Dollar für jeden US-Amerikaner - vom Säugling bis
zum Greis. Allein die Zinsen an die Banken und Gläubiger dieser Schulden
beliefen sich auf über 450 Milliarden Dollar pro Jahr. Übergäbe
man die gesamten Vereinigten Staaten den Bankern zur Rückzahlung der Schulden,
dann betrügen die Schulden noch immer zwei, drei US-Amerikas. Thomas Jefferson,
einer der Gründungsväter der USA, sagte nicht ohne Grund: »Wenn
das amerikanische Volk je zuläßt, daß Privatbanken den Umlauf
ihres Geldes kontrollieren, zuerst durch Inflation und dann durch Deflation, dann
werden die Banken und Unternehmen, die (im Umfeld der Banken) entstehen ..., den
Menschen ihren Besitz rauben, bis ihre Kinder schließlich auf dem Kontinent,
den ihre Väter erobert haben, ohne ein Dach über dem Kopf aufwachen.«
(Ebd., S. 426).Anfang 2009 wurde allerdings auch deutlich, daß
sich die allmächtigen New Yorker Banker arg verrechnet hatten. Denn selbst
in der schlimmsten Krise seit den 1930er Jahren eilte der Rest der Welt dem Dollar-System
nicht zu Hilfe. Nach acht Jahren Präsidentschaft Bush, die das Vertrauen
der ganzen Welt arg mißbraucht hatte, ist weltweit der Wille, die Vereinigten
Staaten als wohlwollenden Gebieter über ein Weltsystem anzusehen, weitestgehend
erschöpft. Von Peking bis Moskau, von Dubai bis Buenos Aires denkt man jetzt
über die Beziehungen zu US-Amerika und zur Macht US-Amerikas neu nach.
(Ebd., S. 426-427).Zum ersten Mal seit 1945 hat die restliche Welt
jetzt die Chance, einen eigenen Weg nationaler und regionaler Stabilität
einzuschlagen, der nicht mehr nennenswert vom Dollar dominiert wird. Es ist noch
nicht klar, ob diese Freiheit genutzt wird. Es ist vor allem eine politische,
keine finanzielle Entscheidung. Die restliche Welt steht am Scheideweg.
Es ist an ihr, die Lage entweder als neue Chance zu betrachten oder mit dem Dollar-System
unterzugehen. (Ebd., S. 427). |