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Soziale Systeme **
innerhalb der Systemtheorie **
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Niklas Luhmann wurde am 8. Dezember 1927 als Sohn
eines Brauereibesitzers in Lüneburg geboren. Später besuchte
er das altsprachliche Gymnasium Johanneum in Lüneburg.
Zur Luftwaffe des Deutschen Reiches kam er 1943. Gegen Ende des 2. Weltkrieges
kam Luhmann in us-amerikanische Kriegsgefangenschaft, wo er
gelinde gesagt nicht nach den Regeln der internationalen Konventionen
behandelt worden war. (Vgl. Detlef Horster, Niklas Luhmann, 1997,
S. 28.) Von 1946 bis 1949 studierte Luhmann Rechtswissenschaft an der
Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Dann folgte eine Referendarausbildung
in Lüneburg bis 1953 (schon 1951 hatte er mit dem Aufbau seiner Zettelkästen
begonnen) und das zweite Staatsexamen (1953). Von 1954 bis 1962 war er
Verwaltungsbeamter (Jurist) in Lüneburg, von 1954 bis 1955 am Oberverwaltungsgericht
Lüneburg Assistent des Präsidenten; 1955 wurde ins niedersächsische
Kultusministerium abgeordnet; 1960 erhielt er ein Stipendium für
eine Fortbildung an der Harvard-Universität in den USA, die er nach
seiner Beurlaubung realisierte und dabei in Kontakt mit Talcott Parsons
und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie kam. Luhmann war von 1962
bis 1965 Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften
Speyer, von 1965 bis 1968 Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle
an der Universität Münster, und seit 1968 der erste Professor
an der gerade gegründeten Universität Bielefeld, wo er bis zu
seiner Emeritierung 1993 lehrte. Niklas Luhmann starb am 6. November 1998
in Oerlinghausen.
1. Stadium
(Winter) |
2. Stadium
(Frühling) |
3. Stadium
(Sommer) |
4. Stadium
(Herbst) |
Vor-/Urdenken:
Luhmanns
Vor-/Urphilosophie |
Frühdenken:
Lumanns
Frühphilosophie |
Hochdenken:
Luhmanns
Hochphilosophie |
Spätdenken:
Luhmanns
Spätphilosophie |
(Dauer: 19
Jahre) |
(Dauer: 22
Jahre) |
(Dauer: 16
Jahre) |
(Dauer: 14
Jahre) |
1927 bis
1946 |
1946 bis
1968 |
1968 bis
1984 |
1984 bis
1998 |
Geburt
(08.12.) |
Berufung
an die
Universität Bielefeld |
Tod
(06.11. |
Übergang
Schule, Kriegsdienst, Gefangenschaft / Studium |
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Soziale
Systeme |
Frühe
Kindheit |
Grund-
schule |
Gymnasium,
Kriegsdienst,
Gefangenschaft |
1946
- 1949 |
1949
- 1960 |
1960
- 1968 |
1968
- 1973 |
1973
- 1979 |
1979
- 1984 |
1984
- 1988 |
1988
- 1993 |
1993
- 1998 |
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1988 bekam Luhmann den Hegel-Preis. Die Laudatio dazu hielt der zur
Ritter-Schule (**)
gehörende Philosoph Robert Spaemann und nannte diese Laudatio: Niklas
Luhmanns Herausforderung der Philosophie. Diese
Herausforderung beschreibt der Kölner Philosoph, Mathematiker, Physiker
und Künstler Günter Schulte wie folgt: Er will zum Beispiel
die Erkenntnistheorie mitbetreuen, oder er sagt, er will die Firma Vernunft
unter einer neuen Bezeichnung, nämlich Selbstreferenz, übernehmen.
Vernunft war sicherlich ein Thema der Philosophie, wenn nicht das
Thema. Das würde der Philosophie jetzt aus der Hand genommen. Da
fragt man sich natürlich: Woher dieser Anspruch? Wir hatten in der
Philosophie natürlich schon mal Leute, die rigoros aufgeräumt
haben, was die Philosophie der Vernunft betraf: das war Hegel, der meinte,
man müßte die subjektive Vernunft, also die Vernunft der individuellen
Subjekte, die frei handeln und entscheiden, umstellen auf eine göttliche,
absolute Systemvernunft. Und dieses System Hegels ist das, was Luhmann
zunächst mal am allermeisten beeindruckt, weshalb er auch zu recht
den Hegel-Preis bekommen hat. Dann kam nach Hegel Marx und stellte dieses
System des absoluten Geistes um auf Materie. Prima, sagt Luhmann, das
können wir auch benutzen, indem wir jetzt eine naturalisierte Erkenntnistheorie
machen ..., indem man nämlich meint: dieses Geistsystem (das er jetzt
Sinnsystem nennt) Hegels kann empirisch beobachtet werden. Damit hat er
also diese Marxsche Wendung mit drin. (Günter Schulte **).
Schulte sieht in Luhmanns Theorie eine umgestülpte Subjekttheorie,
eine schlichte Umstellung von Subjekt auf System (vgl. Günter Schulte,
Der blinde Fleck in Luhmanns Systemtheorie, 1993, S. 12 und 22)
und vermutet dabei auch einen neuen Gottesbeweis: Luhmanns Gottesbeweis
ist der Beweis eigener Göttlichkeit. Diese Systemtheorie ist das
Re-entry Gottes selbst in seine Schöpfung (ebd., S. 161). Schulte
muß gegen sich selbst gelten lassen, was er Luhmann unterstellt:
Wer meint, er hätte die Einheit gesehen, der irrt sich; denn
hätte er recht, könnte er das nicht mehr mitteilen ([ ]
ebd. S. 151). Luhmann hält philosophischerseits den Blick auf das
Ganze aufrecht (man nennt diese Vorgehensweise auch Holismus)
und soziologischerseits die Aufklärung für das angemessene Mittel,
Soziologie zu betreiben. Die Verleihung des Hegel-Preises an Luhmann war
absolut berechtigt. Der Unterschied zwischen
Luhmann und z.B. den Vertretern der Frankfurter Schule ist
der zwischen auf Vernunft basierender Gelassenheit oder Unschuldsunterstellung
auf der einen Seite (Luhmann) und Kritik oder Moral im Sinne von Schuldzuweisungen
auf der anderen Seite (Frankfurter Schüler mit ihrer angeblichen
Kritischen Theorie). Jedenfalls befinde ich mich in guter
Gesellschaft (!) auf der Seite der auf Vernunft basierenden Gelassenheit
oder Unschuldsunterstellung.
In erster Linie war Luhmann kein Soziologe, sondern ein
Philosoph. Daß er nach seinem Jurastudium und seiner Berufstätigkei
als Jurist
auch noch Soziologe wurde, spricht sogar erst recht dafür,
daß er in erster Linie kein Soziologe, sondern ein Philosoph war,
ein bedeutender.
Auch dann, wenn Luhmanns Systemtheorie die Subjektheorie,
Luhmanns System das Subjekt, Luhmanns Systemvernunft
die Subjektvernunft, Luhmanns Sinnsystem das Geistsystem,
Luhmanns Sinn den Geist nur ersetzen und mit Empirie
(Beobachtung) aufladen sollen, so bedeutet das nicht, daß das
alles lediglich ein Blendwerk wäre, obwohl Luhmanns Selbstreferenz
als höchste Weltvernunft eines göttlich, absoluten
Sinns dies zunächst vermuten läßt, wie lange vor ihm
schon Hegels Selbstreferenz als höchste Weltvernunft
des göttlichen, absoluten Geistes. Also meinten beide vielleicht
doch auch sich selbst ( ).
Oder? Hatte Günter Schulte also doch recht: Luhmanns Gottesbeweis
ist der Beweis eigener Göttlichkeit. Diese Systemtheorie ist das
Re-entry Gottes selbst in seine Schöpfung (Günter Schulte,
Der blinde Fleck in Luhmanns Systemtheorie, 1993, S. 161)? Mit
der Antwort auf diese Frage sollte man vorsichtig sein. Derartige Holisten
bzw. Theorieriesen wie Hegel und Luhmann (Genie der Gesellschaftstheorie,
so Norbert Bolz [**],
der auch sagte: er war der letze Theorieriese, auf dessen Schultern
sich zu stehen lohnt [**])
sind geistesgeschichtlich bzw. sinngeschichtlich nahezu unsterblich und
deswegen tatsächlich fast wie Gott, natürlich nur fast.
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Meine Gesamttheorie (Philosophie),
die auch eine Systemtheorie ist. |
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2 zwischen Q.Et. und A.Et.) Systemtheoretische
Hypothesen (B., H., L., M.).
2 zwischen Q.Et. und Kt.) Geo-, bio-, öko-, morphologische Hypothesen.
2 zwischen A.Et. und H.D.) Systemtheoretische Hypothesen (B., H.,
L.).
2 zwischen Kt. und H.D.) Systemtheoretische Hypothesen (B.).
3 zwischen Q.Et. A.Et., Kt.) Geo-, bio-, öko-, morphologische
Hypothesen.
3 zwischen Q.Et., A.Et., H.D.) Systemtheoretische Hypothesen (B.,
H., L.).
3 zwischen Q.Et., Kt., H.D.) Systemtheoretische Hypothesen (B., H.,
S.).
3 zwischen A.Et., Kt., H.D.) Systemtheoretische Hypothesen (B., H.).
4) Naturwissenschaftliche Hypothesen und Kategorien (Kausalität
u.a.). |
Luhmanns Systemtheorie spielt auch in meiner Gesamttheorie
(Philosophie) mit ihren vier Einzeltheorien - meine quadralistische Erkenntnistheorie,
meine Allgemeine Entwicklungstheorie, meine Kulturtheorie und Hegels dialektische
Theorie - eine Rolle, weil sie einerseits an Hegels Theorie angelehnt
ist und andererseits an den neun Schnittmengen, die meine Einzeltheorien
insgesamt miteinander haben (siehe Abbildung und Erläuterung darunter),
beteiligt sein kann und dann auch ist, wenn es erforderlich geworden ist.
Erforderlich geworden ist es dann, wenn beispielsweise eine Übereinstimmung
zwischen meiner Quadrialistischen Erkenntnistheorie und meiner Allgemeinen Entwicklungstheorie von deren Schnittmenge (siehe 2 zwischen
Q.Et. und A.Et. in der Abbildung) geliefert wird,
etwa zur Beantwortung der Frage, warum Widerspruch (Negation, Antithese)
in der Erkenntnis so wichtig für ihre Entstehung überhaupt ist,
denn ohne jeden Widerspruch wäre Erkenntnis insgesamt sehr unwahrscheinlich
geblieben, und dies erkannt zu haben, ist ein Verdienst von Hegel, auf
den Luhmann sich bezogen hat. Dialektik, Systemtheorie bzw. systemtheoretische
Hypothesen finden sich also auch in meiner Gesamttheorie, um nicht zu
sagen, daß meine Gesamttheorie selbst eine Systemtheorie ist, die
sich größtenteils auf andere Systemtheorien berufen kann, aber
ansonsten mit ihnen nicht unbedingt zu 100% übereinstimmen muß.
Was bei Luhmann Kommunikation heißt, ist gemäß
meiner Gesamttheorie Sprache im weitesten Sinne (i.w.S.). Diejenigen
Wörter, die sich beispielsweise um das Soziale oder Gesellschaftliche
drehen und von Luhmann sehr häufig gebraucht wurden - aus verständlichen
Gründen -, werden in meiner Gesamttheorie möglichst gemieden
(**|**|**),
weil mit ihnen zuviel Unfug getrieben werden kann und auch wird (**|**),
das ist sicher. Ich gehe auch dann mehr von Semiotik, Linguistik, Logik
und Mathematik aus, wenn andere lediglich auf das Subjekt blicken und
all ihre Erkenntnisresultate nur von ihm ableiten. Natürlich komme
auch ich nicht ohne Subjekt aus, aber ich versuche, es möglichst
herauszuhalten, und zwar aus möglichst jedem Mittelpunkt. Der Mensch
ist nicht mehr Maß der Gesellschaft (**),
so Luhmann, und gehört aus der Sicht aller autopoietischen
Systeme zur Umwelt. Also gehört der Mensch auch sogar von seinem
Organismus her gesehen zur Umwelt. Denn mit dem Wort Mensch
ist ja mehr gemeint als nur ein Organismus. Und was das Wort sozial
angeht, so läßt sich mit absoluter Sicherheit sagen, daß
nicht alle und jede Kommunikation sozial im Sinne der semantischen
Verwendung dieses Wortes ist. Nicht nur für Luhmann geht es bei der
Kommunikation um Information, Mitteilung und Verstehen.
8 Disziplinen mit z.B. 2 Unterdisziplinen
gemäß Quadrialistischer Erkenntnistheorie. |
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Kommunikation ist Sprache im Sinne einer sowohl semiotisch-linguistischen
als auch logisch-mathematischen Sprache. Wörter wie
z.B. Mensch, sozial, psychisch sind
wissenschaftlich und also auch erkenntnistheoretisch Hindernisse. Denn
sie deuten bereits an, wohin die Semantikreise gehen soll. Mit ihnen ist
etwas ganz anderes bezweckt, als der erste Eindruck vermitteln soll. Das
Wort Mensch ist immer mehr zu einer rhetorischen Waffe geworden,
diejenigen Wörter, die mit dem Begriff des Sozialen zu
tun haben, sind sogar schon seit ihrem erstmaligen Gebrauch rhetorische
Waffen (sie sind ja eben moderne Wörter), und
genauso verhält es sich mit denjenigen Wörtern, die mit dem
Begriff des Psychischen zu tun haben. Soziologie und Psychologie
sind keine Naturwissenschaften und auch keine Geisteswissenschaften, sondern
etwas dazwischen (oft Sozialwissenschaften, selten Seelenwissenschaften
genannt); ihnen fehlt das wissenschaftliche Objekt; nicht zuletzt deshalb
sind sie gemäß meinem Modell keine wissenschaftlichen Disziplinen,
sondern Unterdisziplinen. Da sie also ohnehin einen niedrigen Wissenschaftswert
und eine um so höhere Mißbrauchsrate haben, sollten sie im
Status der Unterdisziplinarität bleiben oder/und wieder mehr dem
Formalen untergeordnet werden. Wenn es um Formen geht, die von anderen
Formen bewiesen oder widerlegt werden, also nicht oder kaum (je weniger,
desto besser) auf etwas anderes als Formen sich beziehen müssen,
dann ist die Mißbrauchsrate niedriger. Das ist evident.
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4 Bereiche, 8 Disziplinen und viele Unterdisziplinen gemäß
meiner quadrialistichen Erkenntnistheorie.
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Bereiche (1. Ebene), Disziplinen (2.
Ebene), Unterdisziplinen (3. Ebene) gemäß
meinem quadrialistischen Modell. |
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Das Modell ist nicht komplett dargestellt,
die 3. Ebene besteht aus viel mehr Unterdisziplinen
als hier dargestellt. |
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1) |
Natur |
Natur-Kultur |
Kultur |
Kultur-Natur |
2) |
Physik |
Chemie |
Biologie |
Ökonomie |
Semiotik |
Linguistik |
Philosophie |
Mathematik |
3) |
Geologie |
Ökologie |
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Jurisprudenz |
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Genetik Demographie |
Pädagogik |
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Soziologie Psychologie |
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Es gibt zwei Gründe dafür, daß die Unterdisziplinen
nicht auf der zweiten, sondern auf der dritten Ebene zu finden sind:
(I) Die Zuordnung ist zu problematisch. Beispiele: Geologie, Genetik,
Ökologie, Demographie, Pädagogik, Jurisprudenz.
(II) Der Bedeutungsgrad ist zu gering. Beispiele: Soziologie und
Psychologie.
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Aber Beweise
durch Statistik, also Fälschung? Nein, danke! Es geht ja um die Menschen,
wenn von Sozialem und Psychischem die Rede ist,
also wird dann am meisten gelogen, denn die Machthaber wollen nicht irgendwelche,
sondern ihre Menschen, wollen also Menschen, die in
ihrem Sinne funktionieren. Ich aber sage, daß
wir den Formen und also auch der Wissenschaft als Vernunft wieder so viel
Macht zukommen lassen sollten, wie es das Zeitalter der Vernunft
so vehement gefordert hat; die Vernunft als unsere Zweitreligion wird
entweder den Endsieg über unsere Erstreligion davontragen, oder wir
werden sowohl auf natürliche als auch auf kulturelle Art aussterben.
Die Vernunft ist für das Abendland das, was für das Morgenland
der Islam ist. Ich finde, daß Luhmann sich für die Vernunft
sehr, sehr stark gemacht hat (wie Hegel es viel früher schon getan
hatte) und einen hohen Beitrag dazu geleistet hat, jene Mißbrauchsrate
zu senken. Aber er hätte einen noch höheren Beitrag dazu geleistet,
wenn er auf leider mittlerweile typsich gewordene soziologische und psychologische
Begriffe bzw. das, was heute als typisch für Psychologie
und Soziologie zu gelten hat, nicht nur teilweise, sondern
ganz verzichtet hätte - vorausgesetzt, die Machthaber hätten
das geduldet (hätten sie aber nicht!). Auch im Funktionssystem
Wissenschaft gibt es Diktatur, z.B. durch politische Korrektheit,
also Zwangskonsensualismus, oder durch scheinbare und in Wirklichkeit
ebenfalls gelenkte Revolte. Auch eine Abweichung von Luhmanns
Systemdenken ist wahrscheinlich schon zur Wirklichkeit geworden: Wenn
Luhmann wirklich, wie manchmal behauptet wird, der Hegel des 20. Jahrhunderts
gewesen ist, dann wird sich das nicht zuletzt durch das Auftreten von
Jungluhmannianern bewahrheiten, die sich mit einer erneuten existentialistischen
Abweichung vom Systemdenken bemerkbar machen. (Peter Sloterdijk,
Nicht gerettet - Versuche nach Heidegger, 2001, S. 140-141 **).
Wenn diese Analogie ganz genau zutrifft, dann dürften die ersten
Jungluhmannianer ab 1960 geboren worden sein.
Meine auch wie eine Systemtheorie zu deutende Gesamttheorie deckt sich
also in vielerlei Hinsicht mit Luhmanns Systemtheorie - und das liegt
vor allem an Hegel (!) -, hat aber auch Unterschiede aufzuweisen, wie
ich eben zu verdeutlichen versucht habe (**).
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Unterschied ist, daß
meine Gesamttheorie (Philosophie) aus vier verschiedenen Einzeltheorien,
die miteinander Schnittmengen haben, besteht und sich darum nicht immer
nur um systemtheoretische Aspekte dreht. Ich setze Systeme da voraus,
wo diese Voraussetzung aus Erkenntnisgründen weiterhilft. Ansonsten
kann ich mich auf das konzentrieren, um das es gerade geht. Ich muß
also beispielsweise für die Erklärung oder das Verständnis
meiner Einzeltheorien nicht immer gleich Systemgründe anführen,
sondern nur dann, wenn es um eben genau diese Gründe geht. Will ich
z.B. den Unterschied von Natur und Kultur verständlich machen, so
kann, aber muß ich das nicht auf systemtheoretische, sondern kann
das auf eben jene einzeltheoretische, in diesem Fall kann ich es sogar
auf dreifache, nämlich auf erkenntnis-, entwicklungs- und kulturtheoretische
Weise tun. Will ich aber diese drei Weisen im Zusammenhang und/oder jenen
Unterschied auf diese drei Weisen im Zusammenhang verständlich machen,
so ist mir meine Gesamttheorie als Systemtheorie eine sehr große
Hilfe. Der Unterschied von Natur und Kultur hat sich herauskristalliesiert
durch eine Abweichung, eine Distanzierung, einen Widerspruch, eine Negation,
eine Antithese seitens eines Phänomens gegenüber der Natur als
These, wobei die Natur all das ist, wovon dieses Phänomen sich von
da an unterscheidet: als Kultur. Das ist eine systemtheoretische Deutung,
in der die Kultur durch Unterscheidung zum System geworden ist, sich also
ausdifferenziert hat. Luhmann hätte jetzt nicht Kultur,
sondern System, nicht Natur, sondern Umwelt
gesagt. Aber das ist in dem Zusammenhang ziemlich irrelevant.
Zum Vergleich eine Übersicht:
Luhmanns Systeme |
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Meine Systeme |
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|
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Das, was ich eine Kultur nenne, ist ein sinnhaftes System,
ein Sinnsystem, im Gegensatz zu den lebenden Systemen (siehe Abbildung
[Ebene 5]). Sowohl lebende Systeme als auch sinnhafte Systeme sind gemäß
meiner Systemtheorie und auch gemäß Luhmanns Systemtheorie
autopoietische Systeme. In unseren Theorien (wie übrigens auch in
Spenglers Kulturtheorie) steckt eben die Aussage, daß das Leben
selbst keinen Sinn hat, daß aber einige andere Systeme Sinn haben,
nämlich die Sinnsysteme, zu denen auch - jedenfalls gemäß
Spenglers und eben auch meiner Kulturtheorie - jede Kultur gehört.
(**|**|**).
Und das, woran sich das am deutlichsten zeigt, ist das, was Luhmann Kommunikation
bzw. kommunikative Systeme (siehe Abbildung) nennt und ich
Sprache bzw. sprachliche Systeme (siehe Abbildung)
nenne. Gemäß Luhmann ist Sprache kein System, sondern nur ein
Medium. Das ist mir zu wenig. Für mich ist Sprache eindeutig
ein System und sogar die Superordination für sprachliche Systeme,
die umfangreichsten Systeme innerhalb der sinnhaften Systeme.
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Gemäß
Luhmanns Theorie:
Autopoiesis der Gesellschaft. |
/ |
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\ |
Kommunikation |
Evolution |
Differenzierung |
| |
| |
| |
SOZIAL |
ZETLICH |
SACHLICH |
\ |
| |
/ |
Selbstbeschreibung
der Gesellschaft |
Vgl. Niklas Luhmann, ebd, 1997, S. 1138.
**
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Gemäß
meiner Theorie:
Autopoiesis des Sprachsystems |
/ |
| |
\ |
Sprache (i.u.S.) |
Evolution/Geschichte |
Differenzierung |
| |
| |
| |
SPRACHLICH |
ZETLICH |
SACH-/RÄUMLICH |
\ |
| |
/ |
Selbstbeschreibung
eines Sprachsystems |
** |
|
Luhmann zufolge ist Sprache ein Medium, aber kein System.
Für mich ist Sprache auch ein System.
|
Luhmanns Systemtheorie zufolge wird in der
Selbstbeschreibung des Gesellschaftssystems ... das Medium Sinn selbst
zur Form, wird Sinn selbst reflexiv. Und eben deshalb mußten wir
Sinndimensionen als Unterscheidungen unterscheiden. (Niklas Luhmann,
Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 1137 [**].)
Es geht dabei um drei Sinndimensionen: (I)
Sozialdimension (betrifft die Kommunikation), (II)
Zeitdimension (betrifft die Evolution), (III)
Sachdimension (betrifft die Differenzierung). Gemäß meiner
Theorie sind diese drei Sinndimensionen: (I) Sprachdimension (betrifft
die Sprache im umfassendsten Sinne), (II) Zeitdimension (betrifft die
Evolution [wie bei Luhmann] und speziell die Geschichte [**|**|**]),
(III) Sach-/Raumdimension (betrifft die Differenzierung im sachlichen
Sinne [wie bei Luhmann] und speziell im räumlichen Sinne). Die menschliche
- sprich: sprachliche - Erkenntnisfähigkeit ist trotz alledem eine
eingeschränkte (**).
Diese Einschränkung haben - jedenfalls gemäß meiner Deutung
- auch Hegel und Luhmann zumindest indirekt zugegeben, denn: wer will
bestreiten, daß das göttliche, absolute Wissen des göttlichen,
absoluten Geistes bei Hegel oder des göttlichen, absoluten Sinnes
bei Luhmann nur Göttern vorbehalten ist? Trotzdem kann man dieses
Wissen aber anstreben und es als die höchste Weltvernunft heiligen.
Wir Abendländer haben keine Religion, keine Theologie, keinen Gott
im Sinne des alten, nicht mehr funktionierenden Glaubenssystems mehr und
sind dabei, uns ein neues, funktionierendes Glaubenssystem zu konstruieren.
Ein solches neues, funktionierendes Glaubenssystem kann - nach meinem
Dafürhalten - nur auf Vernunft, und zwar auf höchster Weltvernunft,
wie sie ganz besonders von Hegel und Luhmann geheiligt wurde, gegründet
sein. Ansonsten werden wir in relativ naher Zukunft verloren sein.
Zu
I (Sozialdimension bei Luhmann, Sprachdimension bei mir).
- Wir wissen gar nicht wirklich, was das Soziale ist oder
sein soll. Man kann in es alles hineinpacken, wenn man es nur will.
Für mich ist das Soziale ein Konzept des Nihilismus.
Nicht alle und jede Kommunikation ist wirklich sozial im
Sinne der semantischen Verwendung dieses Wortes, es sei denn, man verwendet
das Wort so, daß es im Sinne des Nihilismus ist, also auf den
Wertezerfall abzielt. Ähnliches gilt auch für das Psychische,
wie schon gesagt (**). Da Luhmanns
Sozialdimension das betrifft, was er die kommunikativen Systeme
nennt (**), so ist es fast nur
noch eine begriffliche Angelegenheit, die seine kommunikativen
Systeme und meine sprachlichen Systeme voneinander
trennt. Aber eben nur fast. Denn gemäß meiner Theorie
ist das Sprachliche auch das den sprachlichen Teilsystemen übergeordnete
sprachliche System, also das, was bei Luhmann die Gesellschaft ist,
nämlich Gesellschaftssystem als kommunikatives System mit vielen
ihm untergeordneten Teilsystemen, die ebenfalls kommunikative Systeme
sind. Mein ökonomisches System jedoch ist dem Sprachsystem weder
unter- noch übergeordnet (obwohl Verhaltensweisen wie das Kaufen,
das Verkaufen u.v.a. eindeutig dem Sprachsystem untergeordnet sind),
sondern mit ihm strukturell gekoppelt - im Gegensatz zu Luhmanns Wirtschaftssystem,
das in Gänze ein dem Gesellschaftssystem untergeordnetes Funktionssystem
(Teilsystem) ist. Dieser Unterschied hat aber bezüglich des Komunikativen
bzw. Sprachlichen keine große Bedeutung, weil ja gemäß
Luhmanns Systemtheorie die Gesellschaft Kommunikation bedeutet, ihre
Autopoiesis darin besteht, Kommunikation mittels Kommunikation zu konstruieren
- und das ist bei der Sprache nicht anders, wenn man sie in ihrem umfassendsten
Sinne und natürlich als autopoietisch versteht, weil dann Sprache
mittels Sprache konstruiert wird.
Zu
II (Zeitdimension bei Luhmann und bei mir). - Auch hier liegen
die Unterschiede in der Begrifflichkeit. Luhmanns Konzept von Zeit und
Veränderung ist zumindest im Hinblick auf das Zufällige, auf
das Kontingente in etwa deckungsgleich mit dem der Evolutionsbiologen.
Jedoch nenne ich die Sinndimension dahinter nicht einfach nur Evolution,
sondern Evolution/Geschichte im Sinne meiner Allgemeinen Entwicklungstheorie, die begrifflich von einer allgemeinen Entwicklung
ausgeht, in der Kosmogenese, Evolution und Geschichte in dieser chronologischen
und darum auch hierarchiegemäßen Reihenfolge enthalten sind
(**|**|**|**).
Im Falle der Sprache ist aber die Kosmogenese - trotz der Tatsache,
daß sie eine Voraussetzung auch der Sprache ist, sie entwicklungsmäßig
dominiert - vernachlässigbar, denn die der Kosmogenese zwar hierarchisch
untergeordnete Sprache ist an sich (an sich!) frei von ihr und
darum ein Phänomen nur von Evolution und Geschichte. Luhmann ging
es auch bei dieser Sinndimension um Kontingenz, um Selektion, um Komplexität
und deren Temporalisierung. Deshalb kam ihm der evolutionsbiologische
Begriff der Evolution entgegen. Nach meinem Dafürhalten
reicht dieser Begriff allein nicht aus, weil jedes dem Sprachsystem
untergeordnete und sehr komplexe Teilsystem - z.B. die Schrift - nicht
nur von der Evolution, sondern auch von der Geschichte her verständlich
gemacht werden muß, und einer der Unterschiede zwischen Evolution
und Geschichte ist der des Grades an Kontingenz, Selektion und Komplexität.
Die Geschichte ist gegenüber der Evolution (und mit dieser übrigens
auch gegenüber der Kosmogenese) freier, obwohl bzw. weil sie ihr
(und mit dieser auch der Kosmogenese) ansonsten untergeordnet bleibt.
Zu
III (Sachdimension bei Luhmann, Sach-/Raumdimension bei mir).
- Was diese Sinndimension im Luhmannschen Sinne angeht, so habe ich
ihr gegenüber nur einen speziellen Aspekt hinzuzufügen: den
räumlichen. Systeme differenzieren sich aus - da sind Luhmann und
ich uns natürlich einig. In Luhmanns Theorie kommt aber dabei der
Raum kaum zur Sprache. Das liegt an dem sehr hohen Abstraktheitsgrad,
den Luhmann offenbar liebte, der es ihm aber auch erlaubte, bestimmte
Beziehungen außen vor zu lassen. In der Tat reicht es ja auch
aus, die Differenzierung nur in theoretischen Idealbeziehungen zu sehen,
wenn praktische, faktische Realbeziehungen unberücksichtigt bleiben
können. Das war bei Luhmann insofern der Fall, als er von nur einer
Gesellschaft - der Weltgesellschaft (**)
- ausging, in der es andere Gesellschaften nicht mehr gibt. Doch die
Weltgesellschaft ist in Wirklichkeit nicht die eine, alleinige,
einzige Gesellschaft, von der man beruhigt ausgehen könnte, sondern
ein abendländisches Konstrukt, eher eine Idee als eine Realität,
die vom Abendland auf den Rest der Welt projiziert worden ist. Von wo?
Die Antwort liefert die Sach-/Raumdimension, genauer gesagt: der abendländische
Raum (**|**|**|**).
Warum vom Abendland? Die Antwort liefert ebenfalls, aber nicht nur die
Sach-/Raumdimension, sondern auch und besonders die Zeitdimension, genauer
gesagt: die abendländische Geschichte (**).
Luhmanns Systeme errichten Sinngrenzen, die festlegen, was innerhalb
des Systems von Bedeutung ist. Jedes System funktioniert, weil es sich
angesichts der unerschöpflichen Komplexität der Welt
nur auf einen begrenzten Ausschnitt (nämlich seinen Gegenstandsbereich:
Umwelt) der Welt bezieht und daraus auswählt, was es intern verarbeiten
kann. Weil die Umwelt immer viel komplexer ist als das System, bildet
das System seinerseits komplexe Auswahl- und Ordnungsverfahren heraus,
um die unüberschaubare Vielfalt der Möglichkeiten einzuschränken.
Komplexität bedeutet ja, daß alles Mögliche möglich
ist, und die Operationen im System sind immer als Reduktion der Umweltkomplexität
gedacht. Um aber diese Verringerung der Umweltkomplexität zu erreichen,
muß das System selbst immer komplexer werden. Daraus folgt der Widerspruch,
daß Komplexitätsreduktion nur durch Komplexitätssteigerung
gelingt.
Widersprüche sind für Luhmann kein Problem und keine Ausnahmen
einer Regel, sondern eine Regel, die Ausnahmen zuläßt, so,
wie in der Evolution Abweichungen notwendig sind, Unwahrscheinlichkeiten
zu Wahrscheinlichkeiten werden können.
Evolution
ist die Umformung von Entstehungsunwahrscheinlichkeit in Erhaltenswahrscheinlichkeit.
** |
Das, was entsteht, nämlich zufällig entsteht und zufällig
auf eine bestimmte Art entsteht, hätte auch gar nicht oder zufällig
auf eine andere Art, also kontingent entstehen können.
Die Evolutionstheorie
.... Ihre Grundaussage ist: daß Evolution geringe Entstehenswahrscheinlichkeit
in hohe Erhaltungsswahrscheinlichkeit transformiert.
Dies ist nur eine andere Formulierung der geläufigeren Frage,
wie aus Entropie (trotz des Entropiesatzes) Negentropie entstehen
kann.
Es geht, mit nochmals anderen Worten, um die Morphogenese von Komplexität.
** |
Würde ein System die Komplexität seiner Umwelt nicht mehr
verringern bzw. seine eigene Komplexität nicht mehr steigern können,
so würde es wieder zurück in seine Unwahrscheinlichkeit geschickt
werden und sich im Zufall auflösen.
Vermutungen. - Vielleicht steckt ja auch Schopenhauers Wille
(**|**)
als Kants Ding an sich (**|**)
im System. Vielleicht hat es Nietzsches Willen zur Macht (**|**).
Denn offenbar will ein System sich ausdehnen, größer,
mächtiger werden, und das geht nur durch Komplexität, und zwar
auf Kosten der Umwelt, also durch Verringerung der Umweltkomplexität.
Will das System seine Komplexität steigern, dann muß es die
Komplexität in der Umwelt verringern. Oder will es gar nicht seine
Komplexität steigern, sondern nur die Komplexität in
der Umwelt verringern? Und wenn ja: Sind hier Mittel (Systemkomplexitätssteigerung)
und Zweck (Umweltkomplexitätsverringerung) nicht austauschbar? Wir
erinnern uns, daß die Operationen im System immer als Reduktion
der Umweltkomplexität gedacht sind, die Reduktion der Umweltkomplexität
nur durch die Steigerung der Systemkomplexität erreicht werden kann
und daraus der Widerspruch folgt, daß Komplexitätsreduktion
nur durch Komplexitätssteigerung gelingt. Gilt das auch für
den Widerspruch im umgekehrten Fall: daß Komplexitätssteigerung
nur durch Komplexitätsreduktion gelingt? Dies müßte so
sein, vor allem dann, wenn die Gesamtkomplexität, also die Weltkomplexität
unverändert bleibt. Man darf vermuten, daß die Weltkomplexität
entweder unverändert bleibt oder, was wahrscheinlicher ist, zunimmt.
Ist es Zufall, daß mich jetzt Komplexität an Entropie
(**|**|**|**|**|**|**|**)
erinnert? Dabei soll doch die Negentropie (**|**|**|**|**|**)
eine evolutorisch laufende Umwandlung der Unwahrscheinlichkeit des
Entstehens in Wahrscheinlichkeit der Erhaltung von Differenzen (**)
sein. Detlef Krause: Entropie wäre analog der physikalischen
Formel vom Zerfall aller Energieformen in ungeformte Zustände der
Energielosigkeit als Auflösung von Differenzen in Differenzlosigkeit
zu verstehen. Negentropie wäre entsprechend eine evolutorisch
laufende Umwandlung der Unwahrscheinlichkeit des Entstehens in Wahrscheinlichkeit
der Erhaltung von Differenzen (**).
Systeme können mit der paradoxen Einheit der Differenz Entropie/Negentropie
umgehen. In ihnen gibt es einen Dauerzerfall gleichwahrscheinlicher Ereignisse.
Das System vergißt. Die Kehrseite ist eine dem Dauerzerfall stets
entgegenwirkende kontingent-selektive Relationierung oder Ordnung von
Ereignissen. (Detlef Krause, Luhmann-Lexikon, 1996, S. 93).
Es sind also die Differenzen (Systeme sind ja Differenzen - jedenfalls
Luhmann zufolge [**]),
die den Evolutionsobjekte vergleichbar sind, und die Ordnung, die wie
ein Evolutionsprinzip gegen den Zerfall ankämpft.
Ein deutsches Sprichwort sagt ja auch: Ordnung
ist das halbe Leben. Gemäß Luhmanns Theorie ist Ordnung
das ganze Leben. Wenn man nämlich beide auf die Evolution
bezieht, läßt sich sagen, daß die Ordnung auf ähnliche,
gleiche oder sogar selbige Weise wie das Leben gegen die Entropie ankämpft.
Differenzen (Systeme, wie gesagt) sind wie Lebewesen, anders gesagt: Lebewesen
(Organismen) sind selbst ja ebenfalls Differenzen (Systeme). Systemtheorie
ist Differenztheorie, sie wird von Differenzen her und auf Differenzem
hin entfaltet, vielleicht auf bessere Differenzen hin, die mehr sichtbar
machen, aber nicht in Richtung auf Aufhebung des Differenten in Einheit.
(Detlef Krause, Luhmann-Lexikon, 1996, S. 88). So wie klar ist,
daß ohne Umwelt gar kein Lebewesen existieren kann, so ist auch
klar, daß ohne Umwelt gar kein System existieren kann; es
würde in die Entropie laufen bzw. von vorneherein gar nicht zustandekommen,
weil es immer gleich wieder zerfällt in einen differenzlosen Gleichgewichtszustand.
(**).
Das System braucht die Umwelt, um sich von ihm unterscheiden
zu können, denn ansonsten gäbe es das System nicht. Das System
braucht die Differenz und ist die Differenz.
Ein System
ist die Differenz zwischen System und Umwelt. ** |
Ich gehe also davon aus, daß ein System
die Differenz ist - die Differenz zwischen System und Umwelt. Das
System kommt in der Formulierung zweimal vor. (**).
Das System ist mit den semiotisch-linguistischen Zeichen vergleichbar,
denn gemäß dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts aufgekommenen
sprachwissenschaftlichen Strukturalismus (**)
gibt es die Differenz zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten,
und in der Informationstheorie gibt es die auf Gregory Bateson (1904-1980)
zurückgehende differenztheoretische Behauptung, daß Information
eine Differenz, die eine Differenz macht, sei. Gemeint ist also
ein Unterschied nicht nur als vorhandener Unterschied, sondern wenn ein
System ... den eigenen Zustand ändert, also ... einen Unterschied
im System erzeugt. .... Das ganze Geschehen der Informationsverarbeitung
ist aufgehängt zwischen einer Ausgangsdifferenz und einer Differenz,
die dadurch entsteht, und diese entstandene Differenz kann wieder die
Differenz sein, die weitere Informationen in Gang seztzt. Der Prozeß
geht also nicht von unbestimmter Einheit zu bestimmter Einheit - wenn
man Hegel so paraphrasieren darf -, sondern von einer Differenz zu einer
Differenz. (**).
Begonnen wird mit der Selbstreferenz, und zwar auch deshalb, weil es eigentlich
keinen Unterschied zwischen Selbstreferenz und Differenz und auch keinen
Unterschied zwischen Selbstreferenz und Beobachtung gibt. »Mache
eine Unterscheidung! Sonst geht gar nichts. Wenn du nicht bereit bist
zu unterscheiden, passiert eben gar nichts.« (**).
Luhmann hat hier George Spencer-Brown zitiert, dem zufolge eine Entscheidung
immer nur gebraucht werde, um eine Seite und nicht die andere zu bezeichnen.
Auf eine Unterscheidung folgt also eine Bezeichnung. Die Unterscheidung
führt ja zu zwei Seiten, und eine dieser Seiten wird dann bezeichnet,
die andere nicht.
Würde man beide Seiten für
eine Bezeichnung benutzen, wäre die Unterscheidung ja sinnlos.
Unterscheidet man z.B. Menschen in Männer
und Weiber und bezeichnet eine der beiden Seiten,
dann kann man über sie sprechen oder denken; würde man
beide für eine Bezeichnung benutzen - z.B. Gender
-, dann könnte man über sie nicht, dafür aber eben
über Gender sprechen oder denken - vorausgesetzt
man hat auch Gender wieder untterschieden, z.B. in Gender/Nicht-Gender
... u.s.w. .... Hier sei an Orwells Roman 1984
erinnert, in dem es u.a. um die Folgen des Verbots solcher Unterscheidungen
und Bezeichnungen geht: die der Zensur ausgesetzten Menschen konnten
bestimmte Unterscheidungen nicht mehr treffen oder nur noch falsch
(links) treffen, weil sie nicht mehr bezeichnen oder nur noch falsch
(links) bezeichnen durften. Heutige - nur scheinbar verharmlosende
- Ausdrücke wie z.B. Gender, Klimakiller,
erneuerbare Energien, soziale Gerechtigkeit,
Nazideutschland Politkorrektheit u.v.a.
(**) sind eben
genau die Sprachmittel für Zensur, die Orwell meinte. |
|
 |
|
P u p p e n l e i c h t e
U n t e r s c h e i d u n g e n . |
Spencer-Brown notierte für die Unterscheidung einen vertikalen
Strich ( | ) und für die Bezeichnung einen waagrechten
Strich ( ). Das Besondere aber ist, daß die Unterscheidung
eine Unterscheidung und eine Bezeichnung enthält, also Unterscheidung
und Bezeichnung unterscheidet! Somit setzt die Unterscheidung, wenn sie
als Einheit in Operation gesetzt werden soll, immer schon eine Unterscheidung
in der Unterscheidung voraus. Folglich müßte man auch - umgekehrt
formuliert - aus jeder nicht-ersten Unterscheidung eine Unterscheidung
herausziehen können, weil ja in jeder nicht-ersten Unterscheidung
immer schon mindestens eine Unterscheidung steckt.
Wer aber traf die erste Unterscheidung?
Das Paradox der Unterscheidung in der Unterscheidung kann ja nicht
wirklich von Anfang an dagewesen sein - oder doch? Ist in Wirklichkeit
auch der Anfang des Universums eher mit einem Paradox zu erklären?
Ist der Anfang vielleicht doch nur theologisch? War am Anfang wirklich
nur Gott und dann der (sein) Widerspruch? |
Die Weisung an den Systemtheoretiker lautet also: Treffe
eine Unterscheidung, nämlich die Unterscheidung von System und Umwelt,
und bezeichne das System und nicht die Umwelt!. Das System ist dann
auf der einen, der bezeichneten Seite, und die Umwelt auf der anderen
Seite, die unbezeichnet bleibt. Eine Form hat zwei Seiten (vgl. oben,
wo ich es schon mit dem Hinweis auf den sprachwissenschaftlichen Strukturalismus
angedeutet habe [**]). Auch in Spencer-Browns
Theorie hat eine Form zwei Seiten. So gilt Form als eine prinzipiell
zweiseitige Sache - und in unserem Fall eben System und Umwelt.
(**).
Wir sind hier also im Grunde wieder bei dem oben schon angesprochenen
sprachwissenschaftlichen Strukturalismus angelangt (**).
Wir hätten auf der einen Seite der Form das Zeichen, also das, was
bezeichnet, für die Bezeichnung gebraucht wird, und auf der anderen
Seite das Bezeichnete. Man kann dann auf die Dreierfigur kommen. Das
Zeichen ist eigentlich dann, genauer formuliert, die Differenz zwischen
Bezeichnendem und Bezeichnetem. (**).
Das Zeichen ist also eine Form mit zwei Seiten. Es gilt zu berücksichtigen,
daß von der Formanalyse her man sehen muß, daß
das Zeichen eine Form mit zwei Seiten ist, und daß, wenn man es
gebraucht, als Zeichen gebraucht, man immer auf die innere Seite der Form,
also auf die Seite des Bezeichnenden - ... gehen muß und dort operiert,
also etwa Sprache benutzt in der Annahme, daß die Wörter irgend
etwas, was wir nicht so genau wissen, bezeichnen. (**).
Systemtheoretiker sollten jedoch wenigstens einigermaßen wissen,
was die Wörter bezeichnen.
System ist eine Form. Folglich bezeichnet eine systemtheoretische Form
die Differenz von System und Umwelt. Denn ein System ist die Differenz
von System und Umwelt (**). Ein System
hat zwei Seiten (**). Eine Form hat
zwei Seiten (**). Ein System ist
eine Form mit zwei Seiten. Eine Operation, die anschlußfähig
ist, also eine weitere Operation nach sich ziehen kann, erzeugt mit ihr
ein System, denn wenn man eine Operation an eine Operation anschließt,
geschieht das selektiv, etwas anderes geschieht dann nicht ....
(**).
Die Umwelt bleibt dann außen vor, immer, also auch dann, wenn es
bereits eine riesenlange Kette von Operationen in dem System gibt. Also
ist mit dem System auch die Differenz von System und Umwelt entstanden
- und das kann ja auch gar nicht anders gewesen sein, wenn das System
die Differenz von System und Umwelt bedeutet. Dies gilt auch für
jedes Lebewesen, weil es ebenfalls ein System ist (**),
das sich von seiner Umwelt unterscheidet und gleichzeitig diese Unterscheidung
ist, seit es durch eine bestimmte chemische und eine weitere (anschließende)
chemische Operation entstanden ist und diese sowie alle weiteren auf das
Leben bezogenen chemischen Operationen biochemische Operationen
geworden sind. Leben ist einmalig, zu einer bestimmten Zeit durch die
eben kurz beschriebene zirkuläre Operationsweise in Gang gekommen
und aus Gründen der Evolution vervielfältigt und komplexer geworden.
Von der Operation her gesehen, ist also die Einheit von Leben in einem
ziemlich strengen Sinne garantiert - es sei denn, es vergeht sofort wieder
und kann sich nicht mehr selbst produzieren und reproduzieren, also nicht
mehr autopoietisch tätig sein. Auch für das Leben muß
die Selbstreferenz vorausgesetzt sein. All dies läßt sich auch
auf die Luhmannschen Systeme übertragen. Die Operation, die dafür
in Frage kommt, ist gemäß Luhmanns Systemtheorie die Kommunikation,
gemäß meiner Gesamttheorie Sprache im weitesten Sinne
(i.w.S.). Beide kann man begrifflich gleichsetzen, wenn man sich auf die
entsprechenden Definitionen einigt. Die Auswirkungen sind jedoch nicht
gleich.
Die Operation als Operation erzeugt die Differenz. .... Ein System
muß ... die eigene Anschlußfähigkeit kontrollieren können.
.... Entscheidend ist, daß die Kommunikation (Sprache
i.w.S.) selbst diese Unterscheidung machen kann zwischen Kommumikation
(Sprache i.w.S.) und Nicht-Kommnuikation
(Nicht-Sprache i.w.S.), daß man also
z.B. mit sprachlichen Mitteln darauf reagieren kann, daß gesprochen
worden ist und man normalerweise nicht damit rechnen muß, daß
bestritten wird, daß überhaupt gesprochen worden ist. ....
Kommunikation (Sprache i.w.S.) kommt ja nur
zustande, wenn etwas mitgeteilt wird, wenn also irgend eine Information
mitgeteilt wird. Das ist schon zweiteilig. Verstanden werden muß
es außerdem noch. Aber zunächst einmal kann man sagen: es wird
über etwas gesprochen; ein Thema wird behandelt. (**).
Es gibt zwei Hauptgrünnde dafür, daß Luhmann das Wort
Kommunikation so favorisierte, und diese beiden Hauptgründe
bedingen sich gegenseitig:
I) |
Luhmann wußte,
daß Sprache, die ja Kommunikation beinhaltet, nicht nur im
Kommunikationssystem, sondern auch im Bewußtseinssystem
vorkommt: man kann gedankliche Selbstgespräche führen,
und es ist (jedenfalls für mich) sicher, daß das Denken
und das Sprechen sehr eng verwandt sind. Luhmann hätte also
auf die Weise, die ich favorisiere, die Soziologie nicht voranbringen
können (siehe 2) |
II) |
Luhmann wollte
die Soziologie voranbringen. Um aber das zu tun, war es hinderlich,
sein System als System der Sprache i.w.S. statt als System der Komunikation
vorzustellen, weil Sprache bereits Gegenstand der Sprachwissenschaft
ist und das von ihm als Bewußtseinssystem bezeichnete
System ebenfalls beherrscht (siehe 1.). Diese Tatsache hätte
ihn daran gehindert, Kommunikationssystem und Bewußtseinssystem
voneinander getrennt zu halten. Daß man sie ohnehin nur unscharf
voneinander trennen kann, beweist auch das Sinnsystem-Konzept (**).
Beide - Kommunikationssystem und Bewußtseinssystem
- sind Sinnsysteme, gehören also zu dem nur ihnen übergeordneten
System namens Sinnsystem. Dies läßt vermuten, daß
man beide wiedervereinigen und sie nur noch ein einziges
Sinnsystem sein lassen könnte. |
Gemäß meiner Theorie ist die Trennung von Kommunikation und
Bewußtsein nicht nötig, weil sie von der beide beherrschenden
Sprache i.w.S. ausgeht. Auch bin ich in der glücklichen Lage, die
Soziologie nicht vorantreiben zu wollen. Sie ist eh keine Wissenschaftsdiziplin
und gehört zu den Erscheinungen des Nihilismus, was nicht heißt,
daß sie keine Rolle mehr spielen wird, sondern im Gegenteil: sie
wird in eine Neu-Religion münden, die sie als Soziologismus sowieso
schon ist, genauso wie die Psychologie, die als Psychologismus ebenfalls
schon eine Neu-Religion ist und mit dem Soziolgismus um die Religionsmacht
konkurriert. Eine Religion ist aber keine Wissenschaft. Ich will die Wissenschaft
vorantreiben, aber nicht die Religion, die schon genug und fast wie von
selbst vorangetrieben wird - in Richtung ihrer neue Form, wie gesagt.
Die Wissenschaft aber muß vorangetrieben werden, weil sie sonst
ebenfalls in der Neu-Religion untergehen wird. Das wird zwar sowieso geschehen.
Aber solange der Untergang der Wissenschaft noch nicht vollendet sein
wird, solange lohnt sich nach meinem Dafürhalten der Kampf gegen
ihre Zerstörung. Die Wissenschaft hat ihre Spaltung schon viel zu
lange betrieben; es ist an der Zeit, ihre Wiedervereinigung zu fordern
und zu fördern!
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