Mayer Amschel Rothschild (1744-1812) - postum ab 1817
von Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
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Mayer
Amschel Rothschild aus Frankfurt am Main war der Begründer der Rothschild-Dynastie.
Sein Vater hatte in der Judengasse ein Geschäft für den Handel mit Kleinwaren
und Geldwechsel betrieben. 1789 gelang Mayer Amschel Rothschild erstmals ein bedeutender
Einstieg in das Bankgeschäft, als er mit Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel
ein Wechseldiskontgeschäft abschließen konnte. Wilhelm IX. war einer
der reichsten Fürsten im Deutschen Reich (Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation). Die Grundlage für dieses Vermögens gelegt hatte Landgraf Friedrich
II. von Hessen-Kassel, der Vater Wilhelms IX., mit dem Verkauf hessischer Soldaten
für den Kampf der englischen Krone gegen die nach Unabhängigkeit strebenden
Nordamerikaner. Der Umfang der Finanzgeschäfte mit dem Landgrafen wuchs zunächst
nur langsam an; doch mit der Beteiligung Rothschilds an dem Verkauf einer Geldanleihe
an den Landgrafen im Jahr 1800 begannen die Bankgeschäfte in erheblichem
Umfang zu wachsen. Die Ernennung Mayer Amschel Rothschilds 1801 zum Hoffaktor
von Hessen-Kassel unterstrich seine steigende Bedeutung für die Finanzgeschäfte
Wilhelms. 1804 konnte Rothschild erstmals alleine eine Staatsanleihe auflegen
und verkaufen - eine Anleihe des dänischen Staates, die Rothschild zur Gänze
an den 1803 zum Kurfürsten aufgestiegenen Wilhelm vermitteln konnte. Entscheidend
für den wachsenden Erfolg Mayer Amschel Rothschilds bei den Finanzgeschäften
mit dem Kurfürsten Wilhelm I. war dessen wichtigster Finanzberater und Vermögensverwalter
Carl Friedrich Buderus, mit dem Rothschild bereits in der Zeit als Hoffaktor in
Hanau enge Beziehungen geknüpft hatte. Beide Männer verband der Aufstieg
aus bescheidenen sozialen Verhältnissen. Je weiter Buderus am Hof Wilhelms
aufstieg, desto mehr sorgte er dafür, daß die etablierten Bankiers
des Kurfürsten (z.B. Bethmann) zugunsten Rothschilds verdrängt wurden.
Amschel Mayer Rothschild (17731855) - ab 1817 von
Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
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Amschel
Mayer Rothschild wurde nach dem Tod seines Vaters neues Familienoberhaupt und
übernahm die Leitung des Frankfurter Bankhauses M.A. Rothschild &
Söhne. Dieses war zugleich auch das Mutterhaus aller weiteren Banken
der Rothschilds, z.B. die in Wien, London, Neapel und Paris. Als der vorsichtigste
unter den fünf Söhnen Mayer Amschel Rothschilds war er stets um die
Liquidität der Bank besorgt, ging Risiken möglichst aus dem Weg und
bevorzugte eher kleinere Geschäfte. Außerdem versuchte er die europaweit
stark wachsenden Geschäfte der Familie Rothschild abzubremsen, was wiederholt
zu Streitigkeiten zwischen den Brüdern führte. Amschel Mayer Rothschild
konzentrierte sich auf die Fortsetzung der Tätigkeit als Hoffaktor verschiedener
deutscher Fürsten. Die von seinem Vater mit Hilfe von Carl Friedrich Buderus
aufgebauten Beziehungen zum Hof von Hessen-Kassel spielten dabei eine besonders
wichtige Rolle. Daneben war Amschel Mayer Rothschild auch Schatzmeister und Finanzier
des Deutschen Bundestages in Frankfurt. Seine guten Beziehungen zu fast allen
deutschen Mittel- und Kleinstaaten halfen M.A. Rothschild & Söhne zwischen
1820 und 1830 das Bankhaus Gebrüder Bethmann als im deutschsprachigen Raum
führenden Emittenten von Staatsanleihen zu verdrängen. Trotz dieses
Erfolges verlor das Mutterhaus in Frankfurt bereits unter der Leitung Amschel
Mayer Rothschilds im Vergleich mit den stark expandierenden Rothschildbanken in
London und Paris an Bedeutung. Dennoch blieben letztere offiziell nur Filialen
von M.A. Rothschild & Söhne. Solange Gutle Rothschild, geb. Schnapper
(1753-1849) die Mutter der fünf Brüder, noch lebte, blieb Frankfurt
auch der Hauptversammlungsort der stetig anwachsenden Familie Rothschild. Amschels
1816 erworbenes Gartenhaus an der Bockenheimer Landstraße 10, das er durch
Friedrich Rumpf zu einem klassizistischen Palais ausbauen ließ, sollte im
2. Weltkrieg durch Bomben der Alliierten zerstört werden - der zugehörige
Park ist als Rothschildpark bis heute erhalten. Sein Stadthaus Zeil 34 sollte
später zum Rothschildschen Altersheim und im 2. Weltkrieg ebenfalls durch
Bomben der Alliierten zertsört werden. Außerdem besaß Amschel
in Frankfrut seit 1837 die Grüneburg, die Stalburger Oede im Nordend und
den Kühhornshof.
Salomon Mayer Rothschild (17741855) - ab 1817 von
Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
Salomon
Mayer Rothschild war der Begründer der österreichischen Linie. Erste
geschäftliche Erfolge erzielte er 1815, ab 1820 (Beteiligung an einer Anleihe
des Bankhauses Parish) wuchs er in die Rolle des größten Finanziers
des Metternich-Regimes und des Deutschen Bundes, dessen Kanzler Metternich war
(der jüngeren Leserschaft muß man das ja heutzutage erklären!),
und 1821 eröffenete er eine Bank in Wien. Salomon Rothschild, dem zu Beginn
seiner Karriere noch der Besitz von Grund und Boden verboten war, wurde 1822 zum
Freiherrn geadelt und in der Folge zu einem der größten Grundbesitzer
des Landes. 1835 erhielt er die Konzession für die Errichtung der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn
und baute im Zusammenhang auch die Witkowitzer Eisenwerke auf. Die aus Salomons
Bankhaus 1855 entstandene Creditanstalt stand bis in die 1930er Jahre unter dem
Einfluß der Rothschilds.
Nathan Mayer Rothschild (17771836) - ab 1817 von
Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
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Nathan
Mayer Rothschild spielte eine zentrale Rolle im Aufstieg der Rothschilds zur wichtigsten
europäischen Finanzinstitution. Er wanderete 1799 nach England aus. Die ersten
zehn Jahre dort verbrachte er überwiegend im gerade industrialisierten Norden
Englands, wo er Textilien aufkaufte und nach Deutschland exportierte. Der Einstieg
ins Bankgeschäft erfolgte erst 1811, und zwar deshalb, weil der größte
Teil des kurfürstlichen Vermögens aus englischen Staatsanleihen bestand,
die jährlichen Zinsen hierfür in London ausgezahlt wurden und infolge
von Napoleons Krieg und Kontinentalsperre nur mit großen Schwierigkeiten
an den Kurfürsten transferiert werden konnten. Die Kontinentalsperre war
eine von Napoleon am 21. November 1806 in Berlin verfügte und bis 1814 in
Kraft gebliebene Wirtschaftsblockade über die britischen Inseln. Nathan erhielt
wegen der eingeschränkten Transfermöglichkeiten ab 1809 den Auftrag
für die Dauer des Krieges die anfallenden Zinszahlungen neu anzulegen. Somit
verfügte er für einige Jahre über erhebliche Geldsummen, deren
Verwendung der Kurfürst kaum kontrollieren konnte. Nathan Rothschild spielte
darüber hinaus eine große Rolle in der Versorgung der englischen Truppen
mit Gold. Die englische Regierung verfügte zwar durch den Verkauf von Anleihen
über hinreichend finanzielle Mittel; in den Ländern, in denen sich deren
Truppen aufhielten, wurden jedoch englische Banknoten nicht als Zahlungsmittel
akzeptiert, so daß sich die englische Regierung gezwungen sah, ihren Truppenführer
Wellington mit Goldmünzen zu versorgen. Der Auftrag zur Beschaffung der entsprechenden
Münzen ging im Januar 1814 an Nathan Rothschild. Die Firma Mayer Amschel
Rothschild und Söhne verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits über
ein enges europaweites Netzwerk, um diese Aufgabe zu lösen. Die Beschaffung
des Goldes war für die Rothschilds mit großem finanziellen Risiko verbunden,
die an die Rothschilds zu zahlende Kommission betrug zwischen 2 und 6 Prozent
der besorgten Mittel. Durch die Versorgung Wellingtons mit Gold, dessen Versand
nach Portugal (um es Wellington zu ermöglichen, seinen Soldaten ihren Sold
auszuzahlen) sowie den Goldschmuggel während der Kontinentalsperre, dessen
Auswirkungen von den Franzosen unterschätzt und daher toleriert wurde, erwirtschaftete
Nathan ein Vermögen und wurde zum einflußreichsten Finanzier der englischen
Regierung. Er ließ Gold über den Ärmelkanal schmuggeln, um Wellingtons
Streitkräfte gegen Napoleon zu finanzieren. Da die meisten Anleger damals
eine Niederlage der Engländer fürchteten (und ohne die Preußem
hätten sie diese auch erlitten!), konnte Nathan billig englische Staatsanleihen
kaufen und wurde nach Napoleons Niederlage bei Waterloo zum reichsten Mann der
Welt. Dazu bemerkte nach Nathans Tod der Dichter Heinrich Heine nicht ohne Spott:
Geld ist der Gott unserer Zeit, und Rothschild ist sein Prophet (**).
Kalman Mayer bzw. Carl Mayer Rothschild (17881855)
- ab 1817 von Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
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Kalman
Mayer bzw. Carl Mayer Rothschild ging im Auftrag seines Bruders Salomon 1821 nach
Neapel. Dort hatte er die Finanzen der österreichischen Truppen zu überwachen.
Er eröffnete die sizilianische Rothschild-Dependance, welche jedoch nur bis
1863 existierte. Kalman nannte sich später Carl Mayer von Rothschild. Er
lebte einen Teil des Jahres in Frankfurt und den anderen Teil in Neapel. 1818
erwarb er eine klassizistische Villa in der Neuen Mainzer Straße 31/33 (in
Frankfurt), 1837 die Günthersburg in Bornheim, deren Garten er durch Sebastian
Rinz zu einem Englischen Landschaftsgarten gestalten ließ. Seit 1829 war
er Generalkonsul des Königreiches beider Sizilien in Frankfurt, wo sich der
Bundestag bzw. die Bundesversammlung des deutschen Bundes befand (der jüngeren
Leserschaft muß man das ja heutzutage erklären!). Sein 1841 in
Neapel erworbenes Haus, die Villa Pignatelli, war eines der angesehensten Häuser
der Stadt und zog Besucher aus ganz Europa an. Carl Mayers vier Söhne lebten
nach ihrer Ausbildung überwiegend in Frankfurt.
Jakob Mayer Rothschild (17921868)- ab 1817 von
Rothschild, ab 1822 Freiherr von Rothschild.
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Jakob
Mayer Rothschild, der jüngste der Brüder, ging 1812 nach Paris und etablierte
dort Rothschild Frères zu einer der ersten Bankadressen und nannte sich
fortan James de Rothschild. Seit 1814 lebte Jakob ständig in Paris und gründete
dort 1817 die Rothschild-Filiale Rothschild Frères. Er war
dabei mit den übrigen Brüdern über Partnerschaftsverträge
verbunden. Als jüngster Teilhaber kontrollierte er zunächst nur einen
kleinen Teil des Familienkapitals, erhielt aber 1818 den gleichen Anteil wie seine
Brüder. Er wurde als Berater von zwei französischen Königen der
einflußreichste Bankier Frankreichs. In den Kriegen Napoleons III. spielte
er eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Eisenbahnbaus und dem Bau von
Bergwerken, was Frankreich dabei half, den wirtschaftlichen Rückschlag nach
dem verlorenen Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu überwinden
und zu einer Industriemacht zu werden. (Übrigens wurde die Bank zusammen
mit anderen Banken durch die Regierung François Mitterrands 1982 verstaatlicht.
Das Nachfolgeinstitut Rothschild & Cie Banque ist eine Neugründung der
Rothschilds und stellt heute den französischen Teil der Rothschild-Bankgruppe.)
Jakob unterhielt in seinem Stadthaus in der Pariser Rue Laffitte einen bedeutenden
Salon - er war Treffpunkt zahlreicher Persönlichkeiten des politischen, unternehmerischen,
gesellschaftlichen und künstlerischen Lebens.
Verwandtschaftsheiraten
Als sich aus den Niederlassungen der fünf
Söhne Mayer Amschel Rothschilds eigenständige Familienzweige herauszubilden
begannen, stieg in der Familie Rothschild das Bedürfnis, den Zusammenhalt
auch für die Zukunft zu sichern. Enge Familienbande wurden als Voraussetzung
für den Erhalt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spitzenposition
der Familie betrachtet. Man übernahm daher den in der europäischen Oberschicht
bis in das 19. Jahrhundert üblichen Brauch, Vettern und Basen (Kusinen) des
ersten und zweiten Grades gezielt miteinander zu verheiraten (vgl. Parallelkusinenheirat
und Kreuzkusinenheirat). Den Anfang machte Jakob Mayer Rothschild am 11. Juli
1824, als er die Tochter seines Bruders Salomon, Betty von Rothschild, in Frankfurt
heiratete. In der Generation der Kinder und Enkel der fünf Brüder wurde
die Verwandtschaftsheirat fast zur Regel. Von 21 Ehen, die zwischen 1824 und 1877
von Nachfahren von Mayer Amschel Rothschild abgeschlossen wurden, waren bei nicht
weniger als 15 beide Ehepartner direkte Nachkommen von ihm. So blieb nicht nur
der Zusammenhalt gewahrt, auch die beträchtlichen Mitgiften blieben in der
Familie. Zudem konnte der Einfluß Fremder auf das Familiengeschäft
verhindert und die Beibehaltung des jüdischen Glaubens gesichert werden. |