Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter
unsere Gesellschaft restlos ruinieren wird. (2007) **
Im
Mai 2006 warf Eva Herman in einem vielbeachteten Essay »Die Emanzipation
- ein Irrtum?« die Frage auf, ob an der bevorstehenden Vergreisung
unserer Gesellschaft nicht auch die Emanzipation der Frauen eine Mitschuld tragen
könne.Peter Mersch beantwortet diese
Frage mit einem klaren »Ja«!Ein
Vorteil der in der Natur dominierenden geschlechtlichen Fortpflanzung mit ihrer
typischerweise sehr ungleichen Verteilung des elterlichen Aufwands ist, daß
dabei die Opportunitätskosten für weiteren Nachwuchs bei beiden Geschlechtern
sehr niedrig gehalten werden können. Ferner werden auf diese Weise Erfolgsmerkmale
besonders effizient an die nächste Generation weitergegeben.Eine
weitestgehende Angleichung der Geschlechter führt in menschlichen Gesellschaften
dagegen selbst bei optimaler Vereinbarkeit von Familie und Beruf dazu, daß
die Opportunitätskosten für Kinder sowohl bei Frauen als auch bei Männern
um so höher sind, je qualifizierter und beruflich engagierter die Eltern
sind. Das daraus resultierende Nachwuchsverhalten dürfte den betroffenen
Bevölkerungen sukzessive alle ihre Komponenten rauben. Oder anders gesagt:
Solche Gesellschaften verarmen und verdummen - und zwar aus biologischen Gründen.
(Ebd., Klappentext). |
1) Bevölkerungsschrumpfung
1.1) Der demographische Wandel
Die fortgeschrittenen Industrienationen
befinden sich auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften: Nicht mehr die Ressourcen
Arbeit, Kapital und Rohstoffe (Boden; HB) spielen
die entscheidende Rolle, sondern die geistigen Fähigkeiten und das tehoretische
Wissen ihrer Menschen. (Ebd., S. 1).Gleichzeitig entwickeln
diese Staaten ein demographisches Problem: Die Lebenserwartung steigt, während
die Geburtenrate sinkt. (Ebd., S. 1).Es werden zu wenige
Kinder geboren, ... wissenschaftlich ausgedrückt: die gesellschaftliche
Reproduktion ist insgesamt mengenmäßig nicht bestandserhaltend.
(Ebd., S. 1).In sozial schwachen beziehungsweise bildungsfernen
Schichten werden mehr Kinder geboren als in Schichten mit hohem sozioökonomischen
Status beziehungsweise Bildungsniveau. Anders gesagt: Es besteht ein negativer
Zusammenhang zwischen Kinderzahl und sozialer Position beziehungsweise Bildungsniveau.
Dieser Zusammenhang besteht in analoger Weise auch länderübergreifend.
In den entwickelten Industrienationen werden pro Frau meist viel weniger Kinder
geboren als in den Entwicklungsländern. Man nennt diese Phänomen das
demographisch-ökonomische
Paradoxon (vgl. Herwig Birg,
Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und
Europa [**],
in: Christian Leipert
[Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 30 [**]).
(Ebd., S. 1-2).
1.2) Fertiltitätstheorien
Demographen, Ökonomen
und Sozialwissenschaftler machen sich ... Gedanken darüber, wie das weltweit
und auch historisch sehr unterschiedliche Fortpflanzungsverhalten der Menschheit
zu erklären ist. (Ebd., S. 2).Die
ökonomische Theorie der Fertilität (vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp,
Familiensoziologie, 2002, S. 198ff.) von Harvey Leibenstein und Gary S.
Becker
gilt als eines der überzeugendsten theoretischen Modelle, um das global sehr
unterschiedliche Fertilitätsverhlaten von Bevölkerungen zu erklären.
Insbesondere die sehr niedrigen Fertilitätsraten in den entwickelten Staaten
ließen sich mit älteren Theorien nicht in Einklang bringen. (Ebd.,
S. 3).Gemäß der ökonomischen
Theorie lassen sich drei verschiedene Nutzenarten für Kinder unterscheiden
(vgl. Thomas Klein, Sozialstrukturanalyse, 2005, S. 81): | Konsumnutzen | | Einkommensnutzen | | Sicherheitsnutzen | Diesen
Nutzenarten stehen zwei Kostenarten gegenüber: | Opportunitätskosten | | Dierekte
Kosten | Wägt man die verschiedenen Nutzen-
und Kostenarten gegeneinander ab, dann läßt sich feststellen: -
Kinder haben einen Konsumnutzen (mehr
als früher! HB) ... -
Kinder haben einen vergleichsweise geringen Einkommensnutzen (geringer
als früher! HB) ... -
Kinder haben keinen Sicherheitsnutzen (sehr
viel anders als früher [denn früher war er sehr hoch]! HB)
... -
Kinder sind mit hohen Opportunitätskosten verbunden (höher
als früher! HB) ... -
Kinder kosten Geld (mehr als früher! HB)
... | Fazit: Einzig der Konsumnutzen kann heute Kinder
noch ausreichend rechtfertigen. Dieser reicht aber bei den meisten Personen nicht
aus, um große Familienstärken zu bewirken. (Ebd., S. 3-7).Die
sozialpsychologische Theorie der Fertilität benutzt zwar eine etwas andere
Terminologie als die ökonomische Fertilitätstheorie, ist aber konzeptionell
mit ihr weitestgehend deckungsgleich. Sie entspringt im Gegensatz zur ökonomischen
Theorie eher sozialpsychologsichen Forschungsarbeiten. Als Nutzen für Kinder
stellt sie heraus: | materieller
Nutzen | | psychologischer
Nutzen | | sozial-normativer
Nutzen (zum Beispiel Statusgewinn durch Kinder, Vererbunbg des Familienanmens).
(Ebd., S. 7-8). |
Bei
der biographischen Fertilitätstheorie (vgl. Herwig, Birg / Ernst-Jürgen
Flöthmann / Iris Reiter, Biographische Theorie der demographischen Reproduktion,
1991) handelt es sich um die demographische Entsprechung der Individualisierungsthese
(vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft, 1986). Sie argumentiert ökonomisch,
konzentriert sich aber kostenseitig auf die biographischen Opportunitätskosten
der Familiengründung und klammert Nutzenaspekte und dierekte Kosten weitestgehend
aus. ([**|**|**]).
(Ebd., S. 8).Kernausassagen der Theorie sind (vgl. Herwig, Birg
/ Ernst-Jürgen Flöthmann / Iris Reiter, Biographische Theorie der
demographischen Reproduktion, 1991): |
Die Größe
des biographischen Universums nimmt durch den Wegfall sozialer,
normativer und ökonomischer Beschränkungen permanent zu. |
| Je
größer das biographische Universum ist bzw. je vielfältiger die
Optionen für eine Biographie sind, desto größer ist die Zahl der
Alternativen, die mit einer biographischen Festlegung aus dem Möglichkeitsspielraum
ausscheiden. | | Bei
einer Expansion des biographischen Möglichkeitsspielraums steigt das Risiko
einer biographischen Festlegung. | | In
Gesellschaften mit Konkurrenzprinzip im Individualverhalten ist das Risiko biographischer
Festlegungen in der Familienbiographie größer als das Risiko von Festlegungen
in der Ausbildungs- und Erwerbsbiographie. | | Das
Risiko familialer Festlegungen läßt sich aufschieben oder vermeiden. | | Schlußfolgerung:
Die Wahrscheinlichkeit der demographisch relevanten biographischen Festlegungen
nimmt ab. |
Dies bedeutet: Durch die zunehmende Individualisierung (vgl. Ulrich Beck,
Risikogesellschaft, 1986) steigt die Anzahl der Lebenslaufalternativen
für eine konkrete Person. Bei einer Familiengründung erfolgt
aber eine sehr große biographische Festlegung für einen längeren
Zeitraum, und folglich scheiden sehr viele Lebenslaufalternativen aus
dem sogenannten biographischen Universum aus. Dies macht es wahrscheinlicher,
daß eine solche Festlegung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erfolgt,
zumal familiale Entscheidungen größere Risiken bergen können
als Ausbildungs- und Karriereentscheidungen. Die Konsequenz ist, daß
die Entscheidung für eine Familiengründung immer später
oder gegebenfalls gar nicht mehr getroffen wird. (Ebd., S. 8-9).
Die
biographische Fertilitätstheorie gilt allgemein als eine der schlüssigsten
Thesen für die Erklärung der niedrigen Fertilitätsraten in entwickelten
Gesellschaften. Denn immerhin konnten einzelne Folgerungen der Theorie empirisch
bestätigt werden. (Vgl. Herwig Birg,
Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und
Europa, 2003 [**],
in: Christian Leipert
[Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 27-56 [**]).
(Ebd., S. 9).
Einen zusätzlichen Gesichtspunkt liefert
die sogenannte verantwortete Elternschaft, die eine Familiengründung
davon abhängig macht, daß ein Wohlergehen des Kindes in vieler
Hinsicht verantwortet werden kann. Gesellschaftlich niedrige Fertilitätsraten
können deshalb paradoxerweise auch Ausdruck einer hohen Wertschätzung
von Kindern sein. (Ebd., S. 9).
Die Theorie ist bezüglich der
ökonomischen Aspekte kongruent mit der ökonomischen Theorie der Fertilität,
berücksichtigt darüber hinaus aber auch psychologische oder soziologische
Aspekte. (Ebd., S. 9).
2) Evolution
2.1) Die Evolutionstheorie
Die von Charles Darwin entwickelte
biologische Evolutionstheorie (im folgenden einfachheitshalber »Evolutionstheorie«
genannt) erklärt die Entwicklung des Lebens auf der Erde und die fortlaufende
Anpassung von Populationen an ihren Lebensraum. In ihr spielt der Fortpflanzungsmechanismus
eine entscheidende Rolle. Die Kernhypothesen der Evolutionstheorie sind: | ....
Variation .... | | ....
Selektion .... | | ....
Vererbung .... | Für die ursprüngliche
Darwinsche Evolutionstheorie spielt es keine Rolle, ob die Vererbung über
Gene oder etwa durch Erziehung (beziehungsweise Imitation der Eltern) erfolgt.
Für die moderne synthetische Evolutionstheorie steht aber die Genetik im
Vordergrund: Die Individuen einer Population unterscheiden sich durch erbliche
Zufallsveränderungen (Variation). Durch die natürliche Selektion
werden diejenigen Veränderungen, die ihren Träger besser an eine gegebene
Umwelt anpassen, häufiger an die nächste Generation weitergegeben (Vererbung).
(Ebd., S. 15-16).Die Kernaussage der Evolutionstheorie ist nun:
Wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion und Vererbung gegeben sind,
ist Evolution unvermeidlich die Folge. (Ebd., S. 16).Ich
möchte dies an einem visuellen Beispiel verdeutlichen: Nehmen Sie ein Blatt
Papier und markieren darauf einen roten Punkt, der den aktuellen Zustand der Umgebung
repräsentieren soll. Hierbei handelt es sich um eine starke Vereinfachung,
da Umgebung üblicherweise mehr als zwei Dimensionen hat. (Allerdings
sind solche Vereinfachungen in wissenschaftlichen Überlegungen üblich.
(Vgl. Lisa Randall, Verborgene Universien - Eine Reise in den extradimensionalen
Raum, 3. Auflage, 2006, S. 47ff.). Und nun markieren Sie rund um den Umgebungspunkt
einige weitere schwarze Punkte, die den Individuen einer Population entsprechen
sollen (Variation). Bildlich gesprochen: Ein Individuum ist um so besser an die
aktuelle Umgebung angepaßt, je geringer sein Abstand zum roten Punkt ist.
Stellen Sie sich nun vor, die Umgebung würde sich mit der Zeit verändern,
das heißt, auf dem Blatt bewegen. Wenn nun diejenigen Individuen, die dichter
am roten Umegebungspunkt sind, mehr Nachkommen durchbringen als andere (Selektion)
und die Nachkommen in der Regel ihren Eltern ähneln (Vererbung), dann wird
die gesamte Population der Bewegung des roten Umgebungspunktes folgen. Wenn sich
der rote Umgebungspunkt nur langsam bewegt, dann ist der Selektionsdruck
gering, und die gesamte Population wird sich kaum verändern. Bewegt sich
der Umgebungspunkt dagegen schnell, dann ist der Selektionsdruck groß,
so daß gegebenfalls nur noch deutlich veränderte Individuen ihm folgen
können. (Ebd., S. 16-17).Man könnte ... das Evolutionsprinzip
auch als Optimierungsalgorithmus verstehen, der die fortlaufende Anpassung von
Populationen an sich gleichfalls verändernde Umgebungen sicherstellt, ein
von jeder Absichtlichkeit oder höherer Zweckmäßigkeit freies Verfahren.
(Vgl. Franz M. Wuketits, Evolution - Die Entwicklung des Lebens, 2005,
S. 25). Erst die natürliche Selektion verleiht der Evolution so etwas wie
eine Richtung. (Vgl. Franz M. Wuketits, ebd., 2005, S. 25). (Ebd.,
S. 17).Die Evolutionstheorie erklärt, wie
auf der Erde aus Chaos zunehmende lokale Ordnung (das heißt, Evolution beziehungsweise
Entwicklung) in Form von Leben entstehen konnte, was aufgrund des 2.
Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiesatz),
der im Universum eine generelle Entwicklung von der Ordnung hin zum Chaos postuliert,
zunächst nicht erwartet werden konnte. (Ebd., S. 17).»Wenn
es Lebewesen gibt, die in ihrer Form untereinander variieren, und wenn es eine
Selektion dahingehend gibt, daß nur einige dieser Lebewesen überleben,
und wenn die Überlebenden all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen
beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt
besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein, in der die Selektion
stattfand. Es ist der zwingende Charakter dieses Prozesses, der die Evolution
zu einem derart mächtigen Erklärungswerkzeug gemacht hat: Wenn die drei
Voraussetzungen - Variation, Selektion und Vererbung - gegeben sind, ist Evolution
unvermeidlich die Folge.Wenn die drei Voraussetzungen - Variation, Selektion und
Vererbung - gegeben sind, ist ist ein von jeder Absichlichtkeit freies Verfahren
- ein Prinzip, wonach Gestaltung ohne Zutun eines Geistes aus dem Chaos
entstehen kann ....« (Susan Blackmore, Evolution und Meme, in:
Alexander Becker et al., Gene, Meme und Gehirne, 2003, S. 50). (Ebd.,
S. 17).Wird der Algorithmus der natürlichen Selektion in sein
Gegenteil verkehrt, das heißt, pflanzen sich in erster Linie die weniger
gut angepaßten Individuen fort, dann dürfte lokale Ordnung wieder sukzessive
in Chaos übergehen. (Ebd., S. 17).Die Natur implementiert
über die Prinzipien der Evolutionstheorie so etwas wie Generationengerechtigkeit.
Generationengerechtigkeit bedeutet, daß die heutige Generation der nächsten
Generation die Möglichkeit gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im
gleichen Ausmaß wie die heutige Generation zu erfüllen (Jörg Tremmel,
Bevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationenegerechtigkeit,
2005; S. 98). Oder anders ausgedrückt: Wenn Individuen gemäß der
natürlichen Selektion all das an ihre Nachkommen weiterreichen, was ihnen
beim Überleben behilflich war, dann müssen diese Nachkommen im Schnitt
gleich gut oder besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt angepaßt sein,
in der die Selektion stattfand. Hat sich diese Umwelt in der Zwischenzeit kaum
verändert, dann kann sich die Folgegeneration ihre Bedürfnisse gleich
gut oder besser erfüllen als die vorangegangene. Das Prinzip der Generationengerechtigkeit
ist also gewahrt. (Ebd., S. 18).Der Gegenstand der Evolutionstheorie
ist die Population inklusive deren reproduktives Verhalten (vgl. Ernst Mayr, Das
ist Evolution, 2005, S. 147ff.), was ihre unmittelbare Relevanz für demographische
Fragestellungen begründet. (Ebd., S. 18).Strenggenommen
ist die natürliche Selektion kein Auswahlverfahren, sondern ein Eliminierungsverfahren
in Hinblick auf die Fortpflanzung. (Vgl. Ernst Mayr, Das ist Evolution,
2005, S. 150). Denn es scheiden die am wenigsten gut angepaßten Individuen
aus, während besser angepaßte (tauglichere) Individuen eine größere
reproduktive Überlebenschance besitzen. (Ebd., S. 18).Die
Evolutionstheorie wird häufig mit einem »Kampf ums Dasein« in
Verbindung gebracht. Ein üblicher Einwand ist, einen solchen Überlebenskampf
gäbe es in modernen Gesellschaften nicht mehr (siehe die Diskussion in den
folgenden Abschnitten), weswegen die Theorie auf menschliche Gesellschaften nicht
anwendbar wäre. Allerdings kommt der Optimierungsalgorithmus der natürlichen
Selektion auch ohne die Nebenbedingung der Ressourcenverknappung und den damit
verbundenen gnadenlosen Kampf ums Überleben aus. Statt dessen reicht bereits
eine ganz normale Konkurrenz unter den Individuen. Auf diesem Mißverständnis
beruht ganz wesentlich die Kritik Joachim Bauers an Kernaussagen der Evolutionstheorie.
(Vgl. Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren,
2006). »Die Macht der natürlichen Auslese ist größer als
uns bloße Intuition zu erwarten erlaubt. .... Denken Sie an eine Herde von
tausend grauen Pferden und darunter ein paar Individuen mit leicht abweichenden
Grautönen sowie Mutationen, die dieses Merkmal beeinflussen können.
Besuchen Sie die Herde alle hundert Jahre einmal und entfernen Sie die Variante
mit der jeweils hellsten Farbe. Einfache Berechnungen können zeigen, daß
diese Vorgehensweise innerhalb von einer Million Jahren in einer Herde einheitlich
schwarzer Pferde resultieren könnte. Mit anderen Worten: Zufallsbedingte
Variation und eine sogar sehr mild wirkende Selektion können
Erstaunliches hervorbringen.« (Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?,
2002, S. 35f.). (Ebd., S. 18-19).
2.2) Paarungssysteme und sexuelle Selektion
Mit
Elterninvestment wird in der Soziobiologie die Gesamtheit der Maßnamhen
bezeichnet, die Lebewesen ergreifen, um Nachkommen zu zeugen und sie für
das Leben und ohne spätere eigene Fortpflanzung vorzubereiten und fit zu
machen. Dabei werden Brutpflege (= Gesamtheit der Verhaltensweisen, die
Lebewesen bei der Aufzucht ihrer Jungen entwickeln) und Brutfürsorge
(= alle Verhaltensweisen von Eltern, die ihrem Nachwuchs im voraus günstige
Entwicklungsmöglichkeiten bieten) unterscheiden. (Vgl. Franz M. Wuketits,
Was ist Soziobiologie?, 2002, S. 42f.) (Ebd., S. 19).Sexualpartner,
die den höheren elterlichen Aufwand treiben, stellen im allgemeinen für
das andere Geschlecht die knappere Ressource dar. Das Konzept des Elterninvestments
ist deshalb in der Lage, die Geschlechterrolle und die Intensität des Paarungswettbewerbs
vorherzusagen: | Das
Geschlecht, welches die geringeren Elterninvestments erbringt, konkurriert
untereinander um die Fortpflanzungspartner. | | Das
Geschlecht mit dem höheren elterlichen Aufwand wählt (selektiert)
die Fortpflanzungspartner unter den konkurrierenden Individuen nach bestimmten
Kriterien aus. | Bei vielen Tierarten und auch dem Menschen
belastet die Fortpflanzung die Weibchen ungleich stärker als die Männchen.
(Vgl. Franz M. Wuketits, Was ist Soziobiologie?, 2002, S. 45). Erstere
sind dann bei der Wahl der Sexualpartner selektiver, während letztere um
die Weibchen konkurrieren. Darwin entwickelte das Konzept der sexuellen Selektion
und versuchte damit zu verdeutlichen, daß die Auswahl der Männchen
seitens der Weibchen und die damit einhergehende Konkurrenz unter den Männchen
eine große Bedeutung in der Evolution hat. (Vgl. Franz M. Wuketits, ebd.,
S. 39). (Ebd., S. 19).Im
Rahmen der sexuellen Selektion wählen die Weibchen bevorzugt Männchen
mit bestimmten Merkmalen aus, die eine besonders große genetische Fitneß
des Sexualpartners erwarten lassen. Durch die Auswahl desjenigen Männchens
mit der besten genetischen Fitneß wird die Fitneß der Nachkommen erhalten
oder sogar erhöht. Bei manchen Arten selektiert nicht das Weibchen anhand
von Fitneßindikatoren, sondern es setzt sich ein Männchen aufgrund
überlegner Fitneß im Wettbewerb gegenüber anderen männlichen
Konkurrenten durch, woraufhin es vom (von den) Weibchen als Paarungspartner akzeptiert
wird. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Den Reproduktionserfolg
haben bevorzugt die Männchen mit der besten genetischen Fitneß. Daneben
existieren in der Natur zahlreiche andere Ausprägungen des Selektionsmechanismus.
Bei Wölfen etwa bestimmen sowohl Männchen als auch Weibchen das jeweilige
Leittier und nur diese beiden Individuen paaren sich miteinander. Beim Menschen
selektieren vor längerfristigen Bindungen üblicherweise beide Partner.
(Ebd., S. 19-20).Der Mensch hebt sich in der Natur durch besonders
ausgeprägte Elterninvestments hervor (vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie,
2003, S. 80), was eine direkte Folge der Entwicklung des menschlichen Gehirns
sein dürfte. Damit die Passage des im Laufe der Menschwerdung immer größer
werdenden Kopfes von Säuglingen während der Geburt durch den Muttermund
und die Beckenknochen der Frau noch möglich war, bedurfte es seitens der
Natur einer Doppelstrategie: Menschliche Säuglinge kommen als hilflose Frühgeburten
zur Welt, damit ihr Kopf nach der Geburt noch weiter wachsen kann (vgl. Paul B.
Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie, 2002, S. 27). Ein Kind muß
deshalb unbedingt durch Erwachsene aufgezogen, beschützt und über eine
längere Zeit sogar getragen werden (vgl. Jacques Neirynck, Der göttliche
Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994, S. 88; Ernst Mayr, Das ist
Evolution, 2005, S. 303ff.). (Ebd., S. 23).Damit verbunden
waren eine ganze Reihe weiterer Veränderungen (vgl. Thomas Junker, Die
Evolution des Menschen, 2006, S. 74ff.): | Herausbildung
der menschlichen Familienstruktur und die damit einhergehende Arbeitsteilung der
Geschlechter: Der Mann sorgt für Fleisch und Schutz, die Frau zieht die Kinder
auf. Diese grundlegende Familienorganisation entwickelte sich beim Menschen vermutlich
bereits vor zwei Millionen Jahren (vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen,
2006, S. 75). Unter Primaten kommen dauerhafte Kernfamilien nur beim Menschen
vor (vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie, 2003, S. 74). | | Angleichung
des Körpergewichts zwischen den Geschlechtern als Ausdruck relativer Monogamie. | | Ständige
sexuelle Empfänglichkeit der Frauen, möglicherweise um das Interesse
und die Loyalität des zugehörigen monogamen Mannes auf rechtzuerhalten. | | Körperliche
Verdeckung des Eisprungzeitpunktes bei den Frauen. | Einige
Anthropologen sind der Ansicht, die spezifische menschliche Arbeitsteilung zwischen
den Geschlechtern habe einen entscheidenden evolutionären Vorteil dargestellt,
da es dem Homo Sapiens (Homo Sapiens Sapiens; HB)
auf diese Weise gelungen sei, mehr Nachwuchs durchzubringen. Bei den Neandertalern
soll eine ähnlich strikte sexuelle Arbeitsteilung nicht bestanden haben,
was entscheidend zu deren Aussterben beigetragen habe (Steven L. Kuhn / Mary C.
Stiner, What's a Mother to Do? The Division of Labor among Neandertals and
Modern Humans in Eurasia, in: Current Anthropology, 2006). (Ebd., S.
23-24).In diesem Zusammenhang sind auch die folgenden Fakten zu
bedenken: | Der
enorme Größenzuwachs des menschlichen Gehirns während der Altsteinzeit
läßt sich nur mit einer fleischbetonten Ernährung erklären
(Vgl. Josef H. Reichholf, Das Rätsel der Menschwerdung - Die Entstehung
des Menschen im Wechselspiel mit der Natur, 1990, S. 115ff.; L. C. Aiello
/ P. Wheeler, The Expensive-Tissue Hypothesis, 1995; Peter Mersch, Migräne,
2006, S. 40ff.). | | ADie
spezifische menschliche Nahrung in Verbindung mit der Hilflosigkeit menschlicher
Säuglinge machte die Frauen in der Altsteinzeit von der regelmäßigen
Nahrungsversorgung durch männliche Jäger abhängig. Auf sich allein
gestellte Frauen konnten als Sammlerinnen nur eine Notnahrung beschaffen. Dies
erklärt den reziproken Altruismus des menschlichen Familienmodells. | | Ohne
die Errungenschaften der Medizin und Hygiene und der damit verbundenen verringerten
Säuglings-, Kinder- und Müttersterblichkeit mußten Frauen für
eine bestandserhaltende Reproduktion stets eher durchschnittlich 5-6 Kinder in
die Welt setzen und aufziehen und nicht wie heute durchschnittlich 2,1. (Eine
Voraussetzung für die Gleichberechtigung der Geschlechter und insbesondere
die freie Berufswahl der Frauen war folglich der medizinische Fortschritt). Gleichzeitig
war ihre Lebenserwartung während der größten Zeit der Menschheit
deutlich geringer als heute. Frauen waren deshalb über weite Strecken ihres
Lebens mit dem Gebären und Aufziehen von Kindern beschäftigt und dabei
auf die männlichen Versorgungsleistungen angewiesen. (Ebd., S. 24). |
2.3) Nichtbiologische Evolutionen
Gemäß der Evolutionstheorie
ist Evolution dann unvermeidlich, wenn die drei Voraussetzungen Variation, Selektion
(als Ergebnis von Konkurrenz bzw. Kampf ums Dasein,
der aus der Überproduktion hervorgeht; HB) und Vererbung gegeben
sind. In meinem Buch »Hurra,
wir werden Unterschicht!« (2007) werden beispielhaft drei nichtbiologische
Bereiche näher beschrieben, für die die genannten Bedingungen ebenfalls
erfüllt sind:....
Die ... Eliminierung der Tauglichsten ist das genaue Gegenteil der natürlichen
Selektion. Sie entspricht dem aktuellen Reproduktionsverhalten moderner menschlicher
Gesellschaften. Die langfristigen Folgen dürften in beiden Fällen ähnlich
verheerend sein. (Ebd., S. 24-25, 27).
2.4) Evolutionstheorie und menschliche Gesellschaften
Der
Begriff Ressourcen der Evolutionstheorie übersetzt sich in modernen
Gesellschaften nahtlos in Geld: Wer Geld hat, hat den Zugriff auf Ressourcen
(zum Beispiel Energie) seiner Wahl. Gesellschaftlicher Erfolg läßt
sich folglich an einem entsprechenden Einkommen beziehungsweise Besitz oder auch
an einer mit entsprechenden Verfügungsrechten verbundenen gesellschaftlichen
(Macht-)Position ausmachen. Für menschliche Gesellschaften kann die natürliche
Selektion dann wie folgt vereinfacht formuliert werden: | Reproduktionserfolg
(= Zahl an Nachkommen, Familiengröße) korreliert mit sozialem (beruflichem)
Erfolg. | Oder noch einfacher: | Wer
mehr Geld verdient, kann mehr in die Zukunft investieren. | ...
In modernen Gesellschaften existiert allerdings noch ein ganz anderes Kriterium,
welches mit sozialem Erfolg assoziiert ist: Bildung. Bildung ist in entwickelten
und auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften befindlichen Ländern der Königsweg
zum Geld, das heißt, zum Zugriff auf die Ressourcen. Sie ist das beste Kriterium
für die Abschätzung eines späteren beruflichen und sozialen Erfolges.
(Ebd., S. 27-28).Bildung avancierte zum entscheidenden Erfolgskriterium
unserer Gesellschaft. »Bildung ist das höchste Gut, Bildung ist teuer,
in Bildung muß investiert werden sowohl von den Einzelnen als auch von Staat
und Wirtschaft.« (Ulrich Beck, Was zur Wahl steht, 2004, S. 103).
Die Sache hat leider nur einen Haken: Bildung steht der Reproduktion im Wege.
So läßt sich beispielsweise für die USA und Deutschland feststellen:
»Je mehr in die individuelle Bildung investiert wird, um so unwahrscheinlicher
ist die Entscheidung für Kinder, insbesondere für mehrere Kinder. ....
Bei genauerer Betrachtung der Kinderlosigkeit us-amerikanischer Frauen im Alter
zwischen 40 und 44 Jahren und dem Vergleich mit Deutschland sind die Ausbildung
und die erreichte Berufsposition die beiden zentralen Faktoren für die individuelle
Entscheidung, ohne Kinder zu leben.« (Hans Bertram / W. Rösler / N.
Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik, 2005, S. 14). Diese Ergebnisse gelten
bezüglich der vollständigen Fertilität ganz ähnlich auch für
schwedische (vgl. G. Neyer / G. Andersson / J. Hoem / M. Ronsen / A. Vikat, in:
Hans Bertram / H. Krüger / C. K. Spieß [Hrsg.], Wem gehört
die Familie der Zukunft?, 2006) und französische (Jan M. Hoem, Warum
bekommen die Schweden mehr Kindr als die Deutschen?, 2006) Frauen, obwohl
in vielen Studien und Medienberichten etwas anderes behauptet wird. Allerdings
zeigt die Analyse für Schweden, daß Frauen, die einen Bildungsabschluß
für den Unterrichts- oder den Gesundheitsbereich haben, unabhängig vom
Bildungsabschluß eine deutlich niedrigere Kinderlosigkeit und eine deutlich
höhere Zahl an Kindern (vollständige Fertilität) aufweisen, als
Frauen, die eine Ausbildung im Verwaltungsbereich, in den Sozialwissenschaften,
im Wirtschaftsbereich, aber auch in persönlichen Diensten haben. Man könnte
deshalb sagen: Je sicherer und kindorientierter die Beschäftigung, desto
mehr Kinder werden von den Frauen geboren. Grundschullehrerinnen weisen zum Beispiel
eine deutlich höhere Fertilität als Oberstufenlehrerinnen auf. Besonders
niedrig ist die Zahl der Kinder bei promovierten Geisteswissenschaftlerinnen.
(Ebd., S. 28-29).Eine bestandserhaltende gesellschaftliche Reproduktion
wird bei durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau erreicht. Eine solche Fertilitätsrate
ist aber primär unter den Erfolgreichen und Hochqualifizierten anzustreben,
denn das Selektionsprinzip reklamiert in erster Linie eine Bestandserhaltung unter
den am besten an die aktuellen Bedingungen engepaßten Individuen (Korrelation
zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg). .... Reproduziert sich eine
Bevölkerung ... nur mit einer Fertilitätsrate von 1,38, der Bevölkerungsteil
mit hoher Bildung sogar nur mit einer Rate von 1,14, dann ist folglich in erster
Linie der Wert für die hohe Bildung von Interesse, weil er das Ausmaß
der tatsächlichen Nichtbestandserhaltung realistischer widerspiegelt.
(Ebd., S. 29).Das empirisch nachgewiesene, mit Bildung negativ
assoziierte Fortpflanzungsverhalten moderner Gesellschaften wird auch als das
zentrale theoretische Problem der Soziobiologie bezeichnet, da es im offenkundigen
Widerspruch zu Grundprämissen der Evolutionstheorie steht. Erklären
läßt sich der weltweit bestehende negative Zusammenhang zwischen Bildung
und Kinderzahl durch die hohen Opportunitätskosten von Kindern für qualifizierte
und beruflich erfolgreiche Frauen: »Eine höhere Bildung und damit bessere
Erwerbschancen sollten ... für Frauen und Männer unterschiedliche Effekte
auf die Fertilitätsentscheidung haben. Während bei Männern ein
positiver Effekt erwartet wird, da sich mit einer höheren Bildung auch das
Einkommen erhöht, ist bei Frauen eher mit einem negativen Effekt einer höheren
Bildung auf die Fertilität aufgrund der gestiegenen Opportunitätskosten
zu rechnen.« (Johannes Kopp, Geburtenentwicklung und Fertilitätsverhalten,
2002, S. 92). (Ebd., S. 29).Grundsätzlich ist davon
auszugehen, daß sich mit einem Fortschreiten der weiblichen Emanzipation
und insbesondere einer weiteren Steigerung der Frauenerwerbsquote die Ergebnisse
für Frauen und Männer angleichen werden, da es dann selbst für
beruflich erfolgreiche Männer immer schwerer werden dürfte, eine adäquate
Lebensgefährtin zu finden (siehe Bildungshomogamie), die bereit ist, für
die Gründung einer größeren Familie für eine längere
Zeit auf ihren Beruf zu verzichten. Ferner übertragen sich die hohen Opportunitätskosten
von Kindern bei einer paritätischen Aufteilung der Familienarbeit unmittelbar
auf die Männer. (Ebd., S. 32).Auch wird bei einer geschlechtsneutralen
Besetzung von Führungspositionen der Anteil qualifizierter Männer, die
sich die Finanzierung einer größeren Familie leisten können, signifikant
zurückgehen. Die anstelle der Männer aufrückenden Frauen werden
dagegen häufig kinderlos sein und bleiben. Und die im öffentlichen Dienst
etablierte so genannte Frauenquote dürfte ebenso eine fertilitätssenkende
Wirkung haben, da das Geschlecht bei einer Auswahl von Bewerbern Vorrang vor dem
Familienstatus hat, und Frauen in verantwortungsvollen Positionen weniger Kinder
haben. (Ebd., S. 32).Wir können insgesamt die folgenden
Zusammenhänge festhalten: | In
modernen Gesellschaften mit Gleichberechtigung der Geschlechter und allgemeiner
Verfügbarkeit oraler Kontrazeptiva besteht ein negativer Zusammenhang zwischen
gesellschaftlichem Erfolg und der Zahl an Nachkommen. Denn die Frauen haben um
so höhere Opportunitätskosten pro Kind, je beruflich erfolgreicher sie
sind. Bei einer paritätischen Aufteilung der Familienarbeit gilt dies entsprechend
auch für Männer. In solchen Gesellschaften besteht folglich eine negative
Selektion, bei der die am besten angepaßten Individuen »eliminiert«
werden, während weniger gut angepaßte Individuen eine größere
evolutionäre Überlebenschance besitzen. Die reproduktive Selektion solcher
Gesellschaften ist gegenläufig zur natürlichen Selektion der Evolution
und könnte auch als Elimination of the Fittest bezeichnet werden. | | In
patriarchalischen Gesellschaften besteht ein positiver Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem
Erfolg und der Zahl an Nachkommen. Denn die Frauen haben dabei vernachlässigbare
Opportunitätskosten pro Kind, während sich die Männer um so mehr
Kinder »leisten« können, je beruflich erfolgreicher sie sind.
In solchen Gesellschaften besteht folglich eine positive Selektion, bei der die
am wenigsten gut angepaßten Individuen »eliminiert« werden,
während besser angepaßte Individuen eine größere evolutionäre
Überlebenschance besitzen. Die reproduktive Selektion solcher Gesellschaften
entspricht der natürlichen Selektion der Evolution (= Survival of the Fittest).
| Allerdings müssen hierbei noch die Wirkungen
des Wohlfahrtsstaates berücksichtigt werden. In der Natur kann ein Individuum
auch dann schon von der Selektion ausgeschlossen werden, wenn es im Überlebenskampf
frühzeitig stirbt, beziehungsweise wenn dies allen seinen Nachkommen passiert
(zum Beispiel bei hoher Säuglingssterblichkeit). Eine solche Möglichkeit
schließt aber bereits der Wohlfahrtsstaat aus. Erzielt ein Mensch kein ausreichendes
Einkommen, erhält er die notwendigen Ressourcen von staatlichen Einrichtungen.
Auch ist die Sterblichkeit in sozial schwachen Schichten bis zum Ende der Fortpflanzungsperiode
nicht wesentlich höher als in Schichten mit hohem sozioökonomischem
Status. Jedem Einzelnen stehen eine ausreichend gute medizinische Versorgung und
ein akzeptabler Wohnraum zu. Der von Darwin angenommene Konkurrenzkampf um die
begrenzten Ressourcen findet also nur bedingt statt, weil der Wohlfahrtsstaat
praktisch keine begrenzten Ressourcen kennt. (Dank der Erfindungen
ist die Grenze für Ressourcen immer weiter verschoben worden!HB).
Es kann jedoch festgehalten werden: Unter den Bedingungen des Patriarchats führt
der Wohlfahrtsstaat aufgrund der Norm der verantworteten Elternschaft und der
weiblichen Partnerwahl-Präferenzen (sexuelle Selektion) noch zu keiner Verletzung
des Prinzips der natürlichen Selektion. (Ebd., S. 32-33).Im
Rahmen einer Bekräftigung der Norm der verantworteten Elternschaft sollte
Familien, die schon die Mittel für ihre beiden vorhandenen Kinder nicht erwirtschaften
können, von einem dritten und weiteren Kindern (das heißt, einer Vermehrung
statt Ersetzung der vorhandenen Kopfzahl) abgeraten werden. Allerdings sollte
auf die Entscheidung der Eltern möglichst kein direkter staatlicher Zwang
ausgeübt werden. Denn wenn Eltern in ihrem aktuellen Lebensraum schon nicht
die Mittel für das eigene Überleben finden und stattdessen auf Ersatzleistungen
und Almosen der Gemeinschaft angewiesen sind, dann ist es um so wahrscheinlicher,
daß drei, vier oder mehr Nachkommen diese Mittel später einmal erst
recht nicht finden werden. Die Eltern würden auf diese Weise zwar ihr (egoistisches)
Bedürfnis nach Vermehrung befriedigen, allerdings auf Kosten der Bedürfnisbefriedigung
ihrer Nachkommen. Im Klartext heißt das: die Eltern ignorierten das Prinzip
der Generationengerechtigkeit
(Kein Wunder!Die Politiker tun es ja auch! HB).
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Hier soll nicht einer
staatlich verordneten Reduzierung der Geburtenzahlen in sozial schwachen Schichten
das Wort geredet werden. Stattdessen soll an Grundprinzipien der Solidargemeinschaft
und Generationengerechtigkeit erinnert werden: | In
Not geratenen Menschen sollte nach Möglichkeit so geholfen werden, daß
sie danach aus eigener Kraft für ihren Unterhalt und den ihrer Kinder sorgen
können: »Gerechtigkeit statt Geschenke! Es muß darum gehen, die
Familien in die Lage zu versetzen, ihre Kinder aus dem selbst erwirtschafteten
Einkommen zu unterhalten, statt dies aus einer Position eines Almosenempfängers
heraus zu tun.« (Jürgen Borchert, Der »Wiesbadener Entwurf«
einer familienpolitischen Strukturreform des Sozialstaats, 2002, S. 78). | | Ist
dies nicht möglich, dann sollten zusätzliche Sozialleistungen zwar für
ein ausreichendes Einkommen sorgen, nicht aber eine Reproduktion über das
Ersetzen der vorhandenen Kopfzahl hinaus fördern. Es sollte staatlicherseits
kommuniziert werden, daß eine Vermehrung (drei oder mehr Kinder pro Paar)
unter Sozialhilfebedingungen unerwünscht ist. (Ebd., S. 33-34).
|
2.5) Sozialdarwinismus
Die Anwendung der Evolutionstheorie
auf menschliche Gesellschaften wird häufig als Sozialdarwinismus bezeichnet
und diskreditiert. Meist steckt hinter einer solchen Kritik ein unzutreffendes
Verständnis der Evolutionstheorie. Eine Diskussion des Verhältnisses
von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus findet sich zum Beispiel in: Christian
Vogel, Anthropologische Spuren [Hrsg.: Volker Sommer], 2000, S. 179ff..
Der Brockhaus definiert Sozialdarwinismus wie folgt: Sammelbegriff für
alle sozialwissenschaftlichen Theorien, die Charles Darwins Lehre von der natürlichen
Auslese (Selektionstheorie) auf die Entwicklung von menschlichen Gesellschaften
übertragen. So wurde die wirtschaftliche und soziale Entwicklung als vom
Kampf der Individuen und Gruppen ums Dasein verursacht gedacht und als Grundgesetz
der Geschichte aufgefaßt (L. F. Ward, W G. Summer). Der Sozialdarwinismus
diente zeitweise als Rechtfertigung für bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten
und Ungerechtigkeiten sowie rassistische Theorien. (Vgl. Brockhaus in 18 Bänden,
2002, Band 13, S. 153). Man erkennt unmittelbar: Hier geht es in erster Linie
um den Kampf ums Dasein. Dieser spielt zwar auch in den ursprünglichen Darwinschen
Formulierungen eine Rolle (Antilopen kämpfen nun einmal gegenüber Löwen
ums Überleben), allerdings hat dieser Kampf für die Evolutionstheorie
tatsächlich nur eine untergeordnete Bedeutung, den sie kommt bereits mit
einfacher Konkurrenz aus. (Ebd., S. 34-35).Physikalische
Gesetze legen zum Beispiel fest, daß Satelliten in geostationärer Umlaufbahn
etwa in 42000 km Entfernung vom Erdmittelpunkt (beziehungsweise in 36000 km Höhe
über der Erdoberfläche) verankert werden müssen. Im Umkehrschluß
heißt das: Ein Satellit in 15000 km Höhe befindet sich nicht in geostationärer
Position. (Ebd., S. 35-36).Die Evolutionstheorie behauptet
nun aber, Variation, Vererbung (die Nachkommen sind ihren Vorfahren ähnlich)
und die Korrelation zwischen individuellem Erfolg und Reproduktionserfolg (Selektion)
erwirke die Evolution in der Natur. Dieser Mechanismus erlaube es Populationen,
sich fortlaufend und über einen möglichst langen Zeitraum an eine sich
gleichfalls verändernde Umwelt anzupassen. (Ebd., S. 36).Denn
auf diese Weise gelingt es der Natur ja auf sehr effiziente Weise, auf den Erfahrungen
der Vergangenheit aufzusetzen: Genetische Informationen, die sich in der letzten
Generation besonders bewährt haben und folglich im Rahmen der Fortpflanzung
überproportional häufig weitergegeben werden, haben eine besonders hohe
Wahrscheinlichkeit, sich in der nächsten Generation erneut zu bewähren.
(Ebd., S. 36).Eine zwangsläufige Folgerung daraus ist: Haben
die »Tüchtigen« einer Population niedrigere Reproduktionsraten
als deren Rest, ist eine fortgesetzte Evolution dieser Population wenig wahrscheinlich.
Eine solche Population verlöre schon sehr bald ihre Adaptionsfähigkeit
an sich verändernde Rahmenbedingungen, und zwar um so eher, je stärker
sich die Rahmenbedingungen verändern. Natürlich hat dann eine anschließende
Feststellung wie etwa: »Der Verlust der Adaptionsfähigkeit unserer
Gesellschaft an sich verändernde globale Rahmenbedingungen sollte unbedingt
vermieden werden.« einen normativen Charakter. Aber wer wollte ernsthaft
die Sinnhaftigkeit einer solchen Norm bezweifeln? (Ebd., S. 36).Betrachten
wir zur Verdeutlichung einmal zwei verschiedene Giraffenpopulationen mit völlig
unterschiedlichem Reproduktionsverhalten. Der Körperbau der Giraffe ist durch
deren hohe Statur, den sehr verlängerten Hals, Vorderbeine, Kopf und Zunge
für das Abweiden hoher Baumzweige angepaßt. Sie kann dadurch Nahrung
jenseits der Höhe, bis zu welcher andere Huftiere aus ihrem Lebensraum hinaufreichen
können, erlangen. Wenn nun die Bäume auf den Fraß der Tiere oder
aus anderen Gründen mit einem Anheben der unteren Baumzweige reagieren, dann
werden Giraffendividuen mit besonders langen Hälsen einen Vorteil haben.
Weil sie mehr Nahrung erhalten, können sie sich besser als ihre kurzhalsigen
Brüder und Schwestern vermehren. Auf diese Weise verlängert sich der
Hals der Giraffen mit der Zeit, und zwar ausschließlich aus evolutionären
Gründen. (Ebd., S. 36).Giraffen könnten aber auch
eine Strategie des demographischen Wandels verfolgen: Die Giraffen mit dem längsten
Hals fressen das hohe Laub nur zum Teil selbst, einen größeren Teil
(»Laub-Steuer«) brechen sie lediglich ab und lassen ihn zu Boden fallen.
Dort wird das Laub von ihren Brüdern und Schwestern mit kürzeren Hälsen
gierig aufgenommen und verzehrt. Weil die langhalsigen Giraffen nun den ganzen
Tag nicht nur für ihre eigene Nahrungsbeschaffung, sondern auch für
die der weniger gut angepaßten Individuen beschäftigt sind, und es
bei ihnen keine Aufgabenverteilung bezüglich der Nahrungsbeschaffung zwischen
den Geschlechtem gibt (mit anderen Worten: Giraffen-Weibchen sind emanzipiert),
haben sie kaum Zeit, sich um eigene Nachkommen zu bemühen. Das erledigen
dann für sie - sozusagen arbeitsteilig als Gegenleistung für die Nahrungsbeschaffung
- die kurzhalsigen Individuen, die deutlich mehr Jungen bekommen als langhalsige
Individuen. Mit der Zeit wird die gesamte Population auf diese Weise immer kurzhalsiger,
denn es werden entsprechende Anpassungsreize gesetzt. Der lange Hals stellt zwar
prinzipiell einen evolutionären Vorteil dar, allerdings führt er aufgrund
der Reproduktionsorganisation der Giraffenpopulation sehr bald zur genetischen
Elimination. Weil die kurzhalsigen Giraffen aber sich und ihre Nachkommen ohne
die Hilfe ihrer langhalsigen Brüder und Schwestern nicht mehr ausreichend
versorgen können, sterben sie kurze Zeit später ebenfalls aus, wobei
es zunächst eine längere Übergangszeit mit zunehmender Nahrungsverknappung
(Verarmung) geben dürfte. (Ebd., S. 37).Interpretiert
man die höheren Reproduktionschancen der »Tüchtigen« nicht
als das »angestrebte Ziel« der »natürlichen Auslese«,
sondern als deren zwangsläufiges Produkt, dann müßte aus dem zweiten
Giraffenbeispiel unmittelbar gefolgert werden: Die kurzhalsigen Giraffen sind
die »Tüchtigen«, denn sie haben die höchsten Reproduktionschancen.
(Oder auch: In modernen menschlichen Gesellschaften befinden sich die Tüchtigen
vorwiegend in sozial schwachen und bildungsfemen Schichten.). Leider hätte
man aber damit die Evolutionstheorie um eines ihrer wichtigsten Kriterien beraubt,
nämlich die Verknüpfung zwischen Ressourcenbeschaffung und Reproduktionserfolg.
Das Prinzip der natürlichen Selektion degenerierte auf diese Weise zur bloßen
Tautologie. Fehlt die Verbindung zwischen sozialem Erfolg und Reproduktionserfolg,
dann können Individuen Erfolgsmerkmale nicht ausreichend an ihre Nachkommen
weitergeben. Eine Generationengerechtigkeit
kann unter diesen Umständen nicht gegeben sein. Und das obige Beispiel zeigt
dann auch unmißverständlich: Die zweite Giraffenpopulation hat eine
ungünstige Fortpflanzungsstrategie gewählt und stirbt in der Folge als
Ganzes aus. Natürlich könnte man auch den letzten Satz als wertend abtun.
Dies macht aber keinen Sinn, denn letztendlich geht es in der Evolution darum,
die Überlebensfähigkeit von Individuen und Populationen zu verbessern.
In diesem Sinne ist eine frühzeitige Elimination aus Sicht der Population
dann tatsächlich ein unerwünschtes Ereignis. (Ebd., S. 37-38).In
den entwickelten Gesellschaften kann man nun ein ganz ähnliches Reproduktionsverhalten
wie das der zweiten Giraffenpopulationen beobachten, man muß dazu lediglich
»langen Hals« durch »großen Kopf« ersetzen. Die
sich verändernde Umweltbedingung heißt gesellschaftliche Weiterentwicklung
hin zur Wissensgesellschaft im Rahmen der Globalisierung. Wissen und kognitive
Fähigkeiten avancieren zu den Kompetenzen, die in modernen und sich im globalen
Wettbewerb befindlichen Gesellschaften die höchsten ökonomischen Vorteile
(= Erfolg, Geld, Ressourcen) versprechen. Tatsächlich führen sie aber
bevorzugt zur evolutionären Elimination. (Ebd., S. 38).
3) Sexualität
3.1) Genetische Rekombination
Der Vorteil der sexuellen
Reproduktion besteht höchstwahrscheinlich darin, daß das genetische
Material durch die zufällige Verteilung väterlicher beziehungsweise
mütterlicher Chromosomen auf die Nachkommen sowie durch den genetischen Austausch
zwischen (homologen) Chromosomen durchmischt wird. dadurch haben die Nachkommen
jeweils neue, einzigartige Mischungen von Genen. Sexualität ist wie eine
genetische Lotterie, die in jeder Generation Gewinner und Verlierer produziert,
da durh die Rekombination gute von schlechten genen getrennt werden. manche Individuen
haben deshalb geringere Überlebens- und Reproduktionschancen, wodurch schädliche
Mutationen entfernt werden. Andere gen-Kombinationen weisen eine höhere Fitneß
auf und verbreiten sich. Und schließlich bringt die Durchmischung eine höhere
Flexibilität mit sich, wodurch die Anpassung an neue Umweltbedingungen, Krankheitserreger
und Parasiten erleichtert wird. Bei asexueller Reproduktion erben die Nachkommen
dagegen alle - gute wie schlechte - Gene, zu Veränderungen kommt es nur durch
Mutationen. (Vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen, 2006,
S. 67). (Ebd., S. 39-40).Insgesamt stellt sich die sexuelle
Selektion wie folgt dar: | Männchen
erbringen im Allgemeinen die deutlich geringeren Elteminvestments als Weibchen,
dafür betreiben sie mehr Partnerwerbung. Hierdurch können sie die Zahl
ihrer Nachkommen fast beliebig steigern, während die Weibchen stets auf die
eigene maximale Fertilität (Fekundität) beschränkt bleiben. Beim
Menschen könnten einzelne Männer theoretisch mehrere tausend leibliche
Kinder haben, während bei Frauen das Maximum nicht deutlich über zehn
liegt. | | Durch
die bevorzugte Selektion von Männchen mit besonders positiven Fitneßindikatoren
setzen sich verstärkt Gene mit einer besonders guten Anpassung an den Lebensraum
und nur wenigen schädlichen Mutationen durch, und zwar selbst dann, wenn
alle Weibchen die gleiche Zahl an Nachkommen haben. | | Bei
der sexuellen Selektion handelt es sich um eine direkte Rückkopplung zwischen
den Geschlechtern: Weibchen wählen bevorzugt Männchen mit bestimmten
Eigenschaften, woraufhin besonders viele Nachkommen gezeugt werden, bei denen
die Männchen ebenfalls diese Eigenschaften besitzen und die Weibchen die
gleichen Partnerwahl-Präferenzen haben. Dies ermöglicht beschleunigte
Selbstläuferprozesse, obwohl vielleicht gar kein hoher Selektionsdruck
seitens des Lebensraums besteht. | Die sexuelle Selektion
erlaubt also deutlich schnellere Anpassungsprozesse, in deren Rahmen die Männchen
eine herausragende Rolle spielen. Es sollte an dieser Stelle aber noch einmal
betont werden, daß all dies nur bei asymmetrischer Verteilung der Elterninvestments
funktioniert. Teilte man die Elterninvestments paritätisch zwischen den Geschlechtern
auf - wie das unsere Gesellschaft ganz offiziell vorhat -, dann entledigte man
sich damit auch der sexuellen Selektion und vielen Vorteilen der sexuellen Fortpflanzung
insgesamt. (**). Eine solche Population
wäre reproduktiv sogar lesitungsschwächer als eine Population aus lauter
Hermaphroditen. Männchen machten dann keinen Sinn mehr. Sie blieben zurück.
(Ebd., S. 44-45).
Die
Entwicklung des menschlichen Großhirns scheint ohne den machtvollen Mechanismus
der sexuellen Selektion kaum vorstellbar zu sein. Gemäß Thomas Junker
bildet sich Intelligenz vor allem in der sozialen Interaktion aus: »Die
Hauptaufgabe der Intelligenz besteht in der Lösung sozialer Probleme. Eine
besondere Dynamik erhält dieser Prozeß, da er vom Wettlrüsten
innerhalb der Gruppe vorangetrieben wird.« (Thomas Junker, Die Evolution
des Menschen, 2006, S. 59). Geoffrey F. Miller ist der Auffassung, der Wettstreit
um die Fortpflanzung (»sexuelle Selektion«) habe bei der Intelligenzbildung
-speziell bei vielen kreativen Funktionen wie etwa Musikalität -eine ganz
entscheidende Rolle gespielt. (Vgl. Geoffrey F. Miller, Sexulle Evolution,
2001). Bei Ausbleiben der sexuellen Selektion dürfte sich das menschliche
Gehirn wieder langsam zurückbilden (siehe die Ausführungen im Abschnitt
»Sexuelle
Arbeitsteilung« ab Seite 47). (Ebd.). |
Wir
können also festhalten: Die sexuelle Fortpflanzung macht aus evolutionären
gründen ganz besonders dann Sinn, wenn die beiden geschlechter unterschiedliche
Fortpflanzungsaufwände haben, und es somit zur sexuellen Selektion kommen
kann. (Ebd., S. 45).
3.3) Sexuelle Arbeitsteilung
Und
an dieser Stelle kommt nun die sexuelle Arbeitsteilung ins Spiel: Bei Säugetieren
hat die Differenzierung zwischen Ei. und Samenzelle zur weitgehenden Arbeitsteilung
zwischen Männchen und Weibchen geführt. Dabei stellen die Weibchen nicht
nur die nährstoffreichere Eizelle zur Verfügung, sondern ernähren
und schützen den Embryo zudem während der Schwangerschaft. Das Weibchen
muß also einen vergleichsweise großen Aufwand an Zeit und Kalorien
in das Junge tätigen, während das Männchen mit der minimalen Investition
von wenigen Minuten und einem einzigen Ejakulat erfolgreich sein kann. Zudem ist
die Zahl der Jungen für ein Weibchen begrenzt, während es bei Männchen
ein Vielfaches sein kann. (Vgl. Thomas Junker, Die Evolution des Menschen,
2006, S. 67). (Ebd., S. 47-48).Einen wesentlichen Vorteil
dieser Arbeitsteilung zwischen den Geschlern haben wir bereits kennengelernt:
sie ermöglicht die sexuelle Selektion, die in vieler Hinsicht leistungsfähiger
ist als die rein auf den Lebensraum bezogene natürliche Selektion. Ein weiterer
Grund dürfte die Verbesserung des Schutzes gegenüber natürlichen
Feinden sein, denn in diesem Fall kann es von Vorteil sein, wenn ein Geschlecht
(das Männchen) mit keinerlei Fortpflanzungsaufgaben belastet ist und sich
bei Bedarf ganz der Gefahrenabwehr widmen kann. Beim Menschen hat nun aber die
sexuelle Arbeitsteilung eine ganz neue Dimension erhalten: Frauen waren in ursprünglichen
Jäger- und Sammlerkulturen - in unmittellrer Folge der besonderen Schutzbedürftigkeit
des menschlichen Säuglings - auf den männlichen Schutz und Jagderfolg
angewiesen. Dies hatte unter anderem die Entwicklung der menschlichen Kernfamilie
zur Folge, deren Bestand sowohl durch biologische Veränderungen als auch
kulturelle Verbindlichkeiten gefestigt wurde: »Für die Evolution einer
großköpfigen Spezies ist es unumgänglich, daß die Geschlechter
sich die Arbeit teilen: Den Männern kommt die Jagd zu, den Frauen das Aufziehen
der Kinder und das Sammeln von Pflanzen zur Egänzung der Nahrung. Die Logik
der Evolution hat die Männer muskulöser ausgestattet als die Frauen
... Man versteht nun auch die Besonderheit der Fortpflanzung und der Sexualität
im Menschengeschlecht besser: Einerseits ist die Geburt für die Frauen ganz
besonders schmerzhaft und gefährlich, verglichen mit dem, was sich bei den
anderen Säugetieren abspielt. Diese Anomalie ist allein durch den evolutorischen
Vorteil zu erklären, Kinder mit großen Schädeln in die Welt zu
setzen, die die Fähigkeit besitzen, Techniken zu entwickeln, die die Überlebenschancen
verbessern. Andererseits ist das Sexualleben des Menschen anhaltend, wogegen die
Paarung der Tiere streng auf eine zur Fortpflanzung günstige Jahreszeit begrenzt
ist. Diese Besonderheit ermöglicht eine festere Bindung zwischen Mann und
Frau und verhindert, daß letztere mit ihren Kindern verlassen wird, wenn
diese noch unfähig sind, selbständig zu überleben. Kurz, es gibt
keine noch so primitive Gruppe von Menschen, in der die familiären Beziehungen
nicht durch bestimmte Riten und Vorschriften geregelt wären, ergänzt
durch Tabus und Sanktionen. Sobald eine Frau niedergekommen ist, ist es verbindlich,
daß sie ernährt wird, ebenso wie ihre Kinder. Die männlichen Jäger
haben kein Recht, ihren Sexualtrieb rücksichtslos auszuleben.« (Jacques
Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 6.
Auflage, 2006, S. 88ff.). (Ebd., S. 48-49).Beim
Menschen erreichten die elterlichen Aufwände aufgrund der zunehmenden Intelligenzentwicklung
schon bald eine solche Größenordnung, daß eine Selbstversorgung
der Frauen kaum mehr möglich war, und eine klare Aufgabenaufteilung zwischen
den Geschlechtern ratsam erschien. Ein wesentlicher Vorteil einer solchen Vorgehensweise
dürfte die gemäß Ricardos Theorem mögliche Senkung der Opportunitätskosten
sowohl für produktive als auch reproduktive Tätigkeiten sein. Die Art
der Arbeitsaufteilung ergibt sich unmittelbar aus den unterschiedlichen Körperfunktionen
der beiden Geschlechter: Die Frauen sind für Fortpflanzungsarbeiten (Reproduktion)
optimiert und haben für solche Tätigkeiten komparative Kostenvorteilebei
den Männern gilt dies entsprechend für produktive Tätigkeiten (Produktion),
wie zum Beispiel Nahrungssuche oder Schutz. Wie die Ausführungen im Abschnitt
»Ricardos Theorem« ab Seite 45 gezeigt haben, kann bei einer arbeitsteiligen
Vorgehensweise die Gesamtleistung der beiden kooperierenden Partner höher
sein als die Summe der Einzelleistungen bei fehlender Kooperation. Für die
Frau kann sich die sexuelle Arbeitsteilung selbst dann lohnen, wenn sie ein besserer
Jäger als ihr Mann ist. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.
Stellen wir uns für einen Moment vor, alle Menschen wären Hermaphroditen,
die sich gelegentlich miteinander paarten. Ferner sei angenommen, die Individuen
unserer fiktiven Population müßten pro Kind drei Stunden an Familienarbeit
leisten. Um die Nahrung für sich und ihre Kinder zu beschaffen, benötigten
sie weitere zwei Stunden pro Person, insgesamt also vier Stunden pro Individuum
und Kind. Der tägliche Aufwand eines Individuums sähe dann wie folgt
aus:
| Mutter + 1 Kind | Mutter
+ 2 Kinder | Nahrungsbeschaffung | 4
Stunden | 6
Stunden | Reproduktionsaufwand | 3
Stunden | 6
Stunden | Summe | 7
Stunden | 12
Stunden |
Abbildung
5) Arbeitsaufwand einer Hermaphroditen-Population (**)
(**) | Ein
Individuum könnte also zu einer Zeit jeweils nur ein Kind durchbringen, denn
bei zwei Kindern erhöhte sich sein täglicher Arbeitsaufwand um weitere
fünf Stunden, das heißt, auf insgesamt zwölf, und das könnte
bereits eine Überforderung darstellen. Selbst wenn ihm eine Verdopplung der
Effizienz bei der Nahrungsbeschaffung gelänge, bestünde dann immer noch
ein täglicher Gesamtaufwand von neun Stunden. Eine Arbeitsteilung mit anderen
Individuen käme in der Praxis wohl kaum in Betracht, da jede für andere
erbrachte Nahrungsbeschaffung ja den eigenen Fortpflanzungsaktivitäten im
Wege stehen würde. (Ebd., S. 49-50).Das Selektionsprinzip
der Evolutionstheorie erklärt die Evolution des Lebens auf der Erde damit,
daß besser angepaßte Individuen einer Population durchschnittlich
mehr Nachwuchs bekommen als andere. Konkret hieße das in unserer Situation:
Sozial erfolgreichere Hermaphroditen würden durchschnittlich mehr Kinder
haben als andere. Wir befänden uns also sofort in dem bekannten Dilemma der
modernen, gleichberechtigten Frau: Wie kann ich im Beruf »meinen Mann stehen«
und daneben noch eine Familie gründen? Oder anders gesagt: Wie kann ich beide
Aufgaben miteinander vereinbaren? Aber nicht nur das: Das Selektionsprinzip der
Evolutionstheorie verlangt ja noch viel mehr, und zwar das scheinbar Unmögliche:
Ein beruflich ganz besonders erfolgreicher Hermaphrodit sollte in der Regel auch
ganz besonders viele Kinder haben (»Reproduktionserfolg korreliert mit sozialem
/ beruflichem Erfolg«), denn dann würde er seine Erfolgsmerkmale ganz
besonders häufig an die nächste Generation weitergeben. Auf diese Weise
würden sich Kompetenzen, die der Elterngeneration bei der Erfüllung
ihrer Bedürfnisse geholfen haben, verstärkt in die nächste Generation
fortpflanzen, weshalb diese nun in der Lage wäre, sich ihre Bedürfnisse
in mindestens dem gleichen Maße wie die Elterngeneration zu erfüllen.
Das Prinzip der Generationengerechtigkeit wäre also gewahrt. (Ebd.,
S. 50-51).Wir stellen somit fest: Das Selektionsprinzip der
Evolutionstheorie beinhaltet einen Konflikt, der darin besteht, zwei völlig
unterschiedliche und gegeneinander um die gleichen (zeitlichen) Ressourcen konkurrierende
Aufgaben gleichzeitig optimieren zu wollen. Das Selektionsprinzip fordert nicht
nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sondern vielmehr deren gleichzeitige
Optimierung: Wenn der Beruf gegen ein Optimum strebt, dann sollte Familie das
- statistisch gesehen - auch tun! (Ebd., S. 51).Sind
die beiden Aufgabenbereiche Produktion und Reproduktion (übersetzt:
Beruf und Familie) wie beim Menschen gleichermaßen mit hohen Aufwänden
verbunden, so dürfte sich ein einziges Individuum damit schwer tun, beiden
in gleicher Weise gerecht zu werden. Es handelt sich hierbei letztendlich um einen
Balanceakt zwischen zwei völlig unterschiedlichen, zeitaufwändigen Aufgaben.
Aus diesem Grund wird in familienpolitischen Stellungnahmen auch häufig von
einer Balance zwischen Familie und Beruf (beziehungsweise im Englischen von einer
Work-Life-Balance) gesprochen, siehe zum Beispiel: BMFSFJ (Bundeministerium für
Frauen, Senioren, Familie, Jugend), Familie und Arbeitswelt, 2007. Gemäß
dem Selektionsprinzip der Evolutionstheorie ist hier jedoch keine Balance. sondern
die gleichzeitige Optimierung beider Bereiche anzustreben, jedenfalls im statistischen
Mittel und aus Sicht der gesamten Population. (Ebd., S. 51).Die
Kernaussage des Selektionsprinzips beschreibt möglicherweise genau das, wovon
viele moderne, emanzipierte Frauen heimlich träumen: Im Beruf mit den Männern
konkurrieren und sie dabei übertrumpfen, und daneben noch eine größere
Familie gründen. In der Praxis stellt sich das aber meist ganz schnell als
eine Überforderung heraus. Und dann wird üblicherweise die berufliche
Tätigkeit reduziert und nur noch in Teilzeit gearbeitet. Die Schuld für
dieses scheinbare Versagen wird anschließend der immer noch unzureichenden
Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der fehlenden Familienorientierung von
Männern gegeben, völlig übersehend, daß hier etwas angestrebt
wird, was überhaupt nicht funktionieren kann. (Ebd., S. 51).Doch
betrachten wir demgegenüber nun einmal die Situation bei der sexuellen Fortpflanzung
mit unterschiedlichen Geschlechtern. Dazu stellen wir uns zunächst eine fiktive
Population vor, bei der sich die Männer und Frauen die Reproduktionsarbeit
paritätisch teilen und zu einer Zeit üblicherweise bis zu zwei Kinder
haben. Pro Kind müßten sie pro Tag drei Stunden an Familienarbeit leisten,
insgesamt also sechs Stunden. Um die Nahrung für sich und ihre Kinder zu
beschaffen, benötigten sie weitere zwei Stunden pro Person, das heißt,
insgesamt acht Stunden. Andere Aspekte, wie der bessere Schutz, bei der der geschlechtlichen
Fortpflanzung eine große Rolle spielen kann, sollen in unseren Überlegungen
einfachheitshalber ignoriert werden. Insgesamt würde die beiden Partner doe
folgenden täglichen Arbeitsaufwände haben: | Mann | Frau | Nahrungsbeschaffung | 4
Stunden | 4
Stunden | Reproduktionsaufwand | 3
Stunden | 3
Stunden | Summe | 7
Stunden | 7
Stunden |
Abbildung
6) Arbeitsaufwand bei Gleichberechtigungsmodell (sexuelle Fortpflanzung) (**)
(**) | Betrachtet
man in erster Linie den Arbeitsaufwand, dann hat sich im vergleich zur Hermaphroditen-Population
(**)
für die Frau noch nichts getan. Allerdings könnte sie nun zusammen mit
ihrem Mann gleichzeitig zwei leibliche Kinder aufziehen. (Ebd., S. 51-52).Eine
etwas andere Zeitauftelung ergäbe sich bei einer sexuellen Arbeitsteilung
zwischen den Geschlechtern: | Mann | Frau | Nahrungsbeschaffung | 8
Stunden | | Reproduktionsaufwand | | 6
Stunden | Summe | 8
Stunden | 6
Stunden |
Abbildung
7) Arbeitsaufwand bei sexueller Arbeitsteilung (sexuelle Fortpflanzung) (**)
(**)
| Auf den ersten Blick
könnte man vermuten, der Mann hätte bei diesem Handel den Kürzeren
gezogen. Sein Vorteil liegt aber in möglichen Produktivitätsgewinnen,
die auf Seiten der Frau in gleicher Weise nicht gegeben sind. Bei der Arbeit
am Menschen geht es nicht um Produktivität, sondern um mitmenschliche Zuwendung.
(Vgl. Götz W. Werner, Einkommen für alle, 2007, S. 87).
(Ebd., S. 52).Gelänge es dem Mann - durch welches Mittel auch
immer -, den Aufwand für die Nahrungsbeschaffung auf eine Stunde pro Person
und Tag zu reduzieren, dann könnte er die gewonnene Zeit entweder in die
Fitneß des Nachwuchses investieren oder für insgesamt mehr eigene Nachkommen
sorgen. Beispielsweise könnte er alternativ eine Frau mit drei Kindern (sie
hätte dann einen täglichen Arbeitsaufwand von neun Stunden) oder zwei
Frauen mit jeweils zwei Kindern versorgen. Seine Erfolgsgene würden dann
besonders häufig an die nächste Generation weitergegeben. Die Möglichkeiten
der Frau blieben dagegen immer auf die eigene maximale Fertilität beschränkt
(die so genannte Fekundität). Und da haben die obigen Ausführungen ja
schon gezeigt: Je mehr die Frau ebenfalls mit anderen Aufgaben wie zum Beispiel
Nahrungsbeschaffung oder Schutz beschäftigt ist, desto weniger Zeit wird
ihr für das Aufziehen der Kinder bleiben. Aus Sicht des egoistischen Gens
(vgl. Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976) macht es folglich auch
für die Frau Sinn, sich auf eine sexuelle Arbeitsteilung einzulassen.
(Ebd., S. 53). Die sexuelle Arbeitsteilung macht es möglich,
den im Selektionsprinzip innewohnenden Optimierungskonflikt zwischen produktiven
und reproduktiven Aufgaben aufzuheben, und zwar ganz besonders dann, wenn beide
Aufgaben mit hohen Aufwänden verbunden sind, wie es beim Menschen der Fall
ist. Weil sich nun jedes Geschlecht ungestört auf die Optimierung genau eines
dieser beiden Bereiche konzentrieren kann, können die Opportunitätskosten
für zusätzliche Kinder sowohl bei den Männern als auch bei den
Frauen niedrig gehalten werden. (Ebd., S. 53).In menschlichen
Gesellschaften bestehen aber im Vergleich zu anderen biologischen Populationen
noch einige wesentliche Unterschiede, die sich im vorliegenden Kontext geradezu
unheilvoll auswirken können. Denn ein besonders effizienter Hermaphrodit
könnte ja in einer natürlichen Umgebung mehr Nahrung erlangen und dann
auch mehr Nachkommen durchbringen. Auf Dauer würde sich dabei ein Gleichgewichtszustand
einstellen: Bekommt er zuviel Nachwuchs, kann er diesen nicht mehr ausreichend
ernähren, so daß es einige oder alle Jungen nicht bis ins Fortpflanzungsalter
schaffen. Seine Gene würden folglich nicht ausreichend an die nächste
Generation weitergegeben werden. Bekommt er zu wenige Jungen, nutzt er sein Fortpflanzungspotential
nicht aus, und das Ergebnis wäre ebenfalls suboptimal. (Vgl. Richard Dawkins,
Das egoistische Gen, 1976, S. 216). Grundsätzlich gilt aber unter
solchen Verhältnissen: Wer mehr Nahrung beschafft, kann mehr Nachwuchs ernähren.
Exakt so lautet ja auch das Selektionsprinzip der Evolutionstheorie. (Ebd.,
S. 53).Moderne, arbeitsteilig organisierte menschliche Gesellschaften
kennen aber einen entsprechenden Effizienzbegriff nicht. Wer über besondere
Kompetenzen verfügt und bestimmte komplexe Aufgabenstellungen ganz besonders
schnell und präzise erledigen kann, der wird in der Folge nicht weniger,
sondern mehr arbeiten, denn seine Kompetenzen sind nun besonders gefragt. Arbeitsteilung
heißt Spezialisierung, und Spezialisierung setzt spezifische Kompetenzen
voraus, die üblicherweise in langwierigen Ausbildungsprozessen erworben werden
müssen. Selbstverständlich besteht dann ein erhöhtes Interesse
daran, solche Kompetenzen auch einzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Fähigkeit
etwa, ein bestimmtes Computerprogramm in einer vergleichsweise kurzen Zeit fehlerfrei
schreiben zu können, bedeutet in modernen, arbeitsteiligen Gesellschaften
keineswegs, daß man nun deshalb zwei Stunden früher nach Hause gehen
kann. Im Gegenteil: Nun wird ein solcher Mitarbeiter noch mehr gefordert werden,
während sich das Unternehmen gegebenenfalls von anderen, weniger effizienten
Arbeitnehmern trennt. Aus diesem System kann auch nicht leicht ausgestiegen werden,
zumal es international völlig einheitlich implementiert ist. Wer es dennoch
versucht, der dürfte sich schon bald mit einer weniger qualifizierten und
dann auch schlechter bezahlten Tätigkeit zufriedengeben müssen.
(Ebd., S. 54).Wenn sowohl die berufliche Karriere als auch die
Familienarbeit mit hohen zeitlichen Aufwänden (und damit mit jeweils hohen
Opportunitätskosten) verbunden sind, und beide Geschlechter beide Aufgaben
anteilsmäßig gleich erfüllen sollen, dann wird im statistischen
Mittel eine bessere Ausbildung und darauf aufbauend eine größere berufliche
Verantwortung immer mit einer geringeren Kinderzahl korrelieren. Daran werden
Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nichts
Entscheidendes ändern können. Und dies hat dann zwangsläufig zur
Folge, daß genetisch vermittelte Merkmale, die einen sozialen Erfolg üblicherweise
eher begünstigen (zum Beispiel hohe Intelligenz), sukzessive aus dem Spiel
der Evolution ausscheiden. (Ebd., S. 54).All dies macht deutlich,
daß Lebewesen, deren Lebenserfolg maßgeblich auf dem zeitlich intensiven
Einsatz sozial nutzbarer geistiger Kompetenzen beruht, sich nur dann gemäß
den eigenen Erfolgskriterien weiterentwickeln können, wenn ein nennenswerter
Teil des Geschlechts, das den deutlich höheren Fortpflanzungsaufwand trägt,
aus der Auseinandersetzung um soziale Positionen herausgehalten wird. Dies liegt
eigentlich auf der Hand. Denn damit ein hochqualifizierter Forscher in einem Pharmakonzern
möglichst herausragende Forschungsergebnisse liefern kann, sollte er aus
dem Konkurrenzkampf um Posten und Personal so weit wie es geht herausgehalten
werden. Viele Unternehmen eröffnen deshalb Wissensarbeitern alternative Karrierewege.
(Ebd., S. 54-55).Die Ergebnisse der letzten
Abschnitte lassen sich insgesamt wie folgt zusammenfassen: | Bei
der natürlichen Selektion geht es um die Anpassung an einen Lebensraum oder,
etwas martialischer ausgedrückt, um den »Kampf ums Dasein«. Diesen
Überlebenskampf gibt es aber in modernen menschlichen Gesellschaften dank
Medizin und Wohlfahrtsstaat nicht mehr. Würde man in unserer Gesellschaft
ein bedingungsloses Grundeinkommen (**|**|**|**|**|**)
einführen, dann müßten Menschen nicht einmal mehr versuchen, die
für ihr Überleben erforderlichen Ressourcen zu beschaffen. | | Bei
der sexuellen Selektion geht es um die Anpassung an die Partnerwahl-Präferenzen
des anderen Geschlechts. Sexualpartner selektieren maßgeblich auf Basis
diverser Fitneßindikatoren, die Aufschluß über den Grad der Anpassung
eines potentiellen Fortpflanzungspartners an den Lebensraum geben (natürliche
Selektion). Die sexuelle Selektion ermöglicht folglich auch dann eine Selektion
innerhalb einer Population, wenn der äußere Selektionsdruck gering
ist und es keinen »Kampf ums Dasein« gibt. | | Das
Fundament der sexuellen Selektion sind die unterschiedlichen elterlichen Aufwände
(Elterninvestments) der beiden Geschlechter. Schaffte man diese Unterschiede gesellschaftsweit
ab - wie es unsere Gesellschaft vorhat - dann verlören sich auch die Wirkungen
der sexuellen Selektion. Eventuell noch existierende Partnerwahl-Präferenzen
könnten dann von keinem Geschlecht mehr in erhöhte Fertilitäten
umgemünzt werden. | | Der
Mensch zeichnet sich in der Natur durch besonders hohe elterliche Investments
aus. Gleichzeitig ist eine erhöhte Fitneß (sozialer beziehungsweise
beruflicher Erfolg) üblicherweise mit erhöhten Arbeitsaufwänden
verbunden. Durch die sexuelle Arbeitsteilung gelang es dem Menschen dennoch, die
beiden zentralen Aufgabenbereiche Produktion (Beruf) und Reproduktion (Familie)
gleichzeitig zu optimieren, was seitens des Prinzips der natürlichen Selektion
auch gefordert ist. | | In
menschlichen Gesellschaften, in denen beide Geschlechter üblicherweise die
gleichen Lebensentwürfe besitzen und sich eventuelle elterliche Aufwände
paritätisch teilen, stellt sich sofort das Problem der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. In solchen Gesellschaften dürften dann Menschen mit besonders
hoher Fitneß (sozialer beziehungsweise beruflicher Erfolg) besonders wenige
Nachkommen haben. | | Wollte
sich die Menschheit unter diesen Bedingungen noch genetisch weiterentwickeln,
wäre das auf natürliche Weise (natürliche / sexuelle Selektion)
nun nicht mehr möglich. Alternativ müßte auf Verfahren zurückgegriffen
werden, die auch in der Landwirtschaft angewendet werden: Künstliche Zuchtwahl
und Gentechnologie. | Die Natur hat die beiden Geschlechter
in Bezug auf die Fortpflanzungsfunktionen völlig unterschiedlich gestaltet,
und zwar - wie wir gesehen haben - aus gutem Grund. In der Folge sind nur die
Frauen in der Lage, Kinder in die Welt zu setzen. Wenn wir möchten, daß
sie das weiterhin tun, dürfen wir sie nicht allesamt daran hindern, indem
wir sie dazu zwingen, beruflich mit Männern zu konkurrieren, denen nennenswerte
Fortpflanzungsaufwände unbekannt sind, und die in der Natur und in historischen
Gesellschaften schon immer ganz andere Aufgaben hatten. Stattdessen müssen
wir ihnen Alternativen anbieten, wie sie ungestört und in Würde dieser
zentralen gesellschaftlichen Aufgabe nachkommen können. Ich werde auf diesen
Punkt im Abschnitt »Was
tun?« ab Seite 105 noch einmal zurückkommen. (Ebd.,
S. 55-56).
4) Intelligenz
4.1) Erblichkeit
Es kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen,
daß ein nennenswerter Teil des menschlichen Denkens, Fühlens und Verhaltens
eine biologische Basis besitzt, die im Überlebenskampf während der Menschwerdung
entstanden ist (vgl. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Die Biologie des menschlichen
Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, 1984), Auch bei der Intelligenz
kann von einer erheblichen erblichen Komponente ausgegangen werden, wie die Zwillings-
und Adoptionsforschung belegt (**).
Was Intelligenz genau ist, ist umstritten. Meist wird jedoch darunter verstanden,
daß es sich zum einen um eine allgemeine Lern-, Denk-, Vorstellungs-, Erinnerungs-,
und Problemlösefähigkeit handelt, und zum anderen um den Besitz von
Kenntnissen aus bestimmten Gebieten (Expertenwissen). (Vgl. Gerhard Roth, Aus
Sicht des Gehirns, 2003, S. 109). (Ebd., S. 57).
Vgl.
Birgitta Vom Lehm, Kindeswohl ade! Gesndheitsverhütung im Wohlstandsland,
2004; Peter Borkenau, Anlage und Umwelt - Eine Einführung in die Verhaltensgenetik,
1993; Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit,
in: Jürgen Hennig / Petra Netter (Hrsg.), Biopsychologische Grundlagen
der Persönlichkeit, 2005; David Shaffer / Katherine Kipp, Developmental
Psychology, 7. Auflage, 2006, S. 105ff.; Volkmar Weiss, Die IQ-Falle,
2000; Jochen Paulus, Gene oder Umwelt? Falsch, Gene mal Umwelt, 2001;
Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 110ff.. |
Die
einschlägige Forschung nennt eine Zahl von 117 Paaren eineiiger Zwillinge,
die zwischen 1937 und 1990 identifiziert wurden und entsprechenden Tests zur Verfügung
standen, Gefunden wurde, daß die Intelligenz von getrennt aufgewachsenen
eineiigen Zwillingen mit einem Koeffizienten zwischen 0,67 und 0,78 korreliert.
Dies bedeutet, daß ihre Intelligenz zwar nicht völlig gleich ist, aber
doch eine beträchtliche Ähnlichkeit aufweist. Man muß dabei berücksichtigen,
daß bei gemeinsam aufgewachsenen eineiigen Zwillingen der Korrelationskoeffizient
keineswegs 1 ist, wie man meinen könnte, sondern 0,86. Bei Tests an genetisch
nichtverwandten adoptierten Kindern und ihren Adoptiveltern fand man hinsichtlich
der Intelligenz eine sehr schwache Korrelation von 0,1 oder darunter, während
die Intelligenz von Eltern und ihren leiblichen Kindem, die von ihnen zur Adoption
freigegeben und also nicht von ihnen erzogen wurden, eine mittelstarke Korrelation
von 0,4 aufwies. (Ebd., S. 57).Was bedeuten diese
vielfach bestätigten Resultate? Sie lassen erst einmal den Schluß zu,
daß dasjenige, was man unter Intelligenz versteht, in einem erheblichen
Maße angeboren ist, und daß die Umwelteinflüsse dabei eine relativ
geringe Rolle spielen - wie anders kann man sonst erklären, daß
es kaum eine Korrelation zwischen der Intelligenz von Adoptiveltern und der ihrer
Adoptivkinder gibt! (Ebd., S. 57-58).Was Erziehung
nach Ansicht von Experten hinzufügt, macht aus der Sicht der IQ-Statistik
fünfzehn bis zwanzig Prozent der Gesamtintelligenz aus. Dies mag gering erscheinen,
bedeutet aber, daß zum Beispiel eine Person, die ohne jegliche geistige
Förderung einen IQ von 90 aufweist und damit leicht »minderbemittelt«
wirken kann, bei intensivster Förderung auf einen IQ von 105 oder gar 110
kommen könnte und damit einen überdurchschnittlich intelligenten, wenngleich
im Normbereich liegenden Eindruck macht. Wir müssen dabei berücksichtigen,
daß zwei Drittel aller Personen im IQ-Intervall zwischen 85 und 115 liegen
und sich hier relativ kleine Veränderungen im Intelligenzquotienten deutlich
bemerkbar machen. (Ebd., S. 58).Die
Größenordnung der erblichen Komponente an der Intelligenz ist nicht
leicht abzuschätzen. Die verschiedenen Adoptions- und Zwillingsstudien legen
aber nahe, daß der genetisch bedingte Anteil in jedem Fall oberhalb 50 Prozent
und möglicherweise sogar jenseits 70 Prozent liegt (**).
Mit zunehmendem Alter scheint die Bedeutung des genetischen Anteils an der Intelligenz
zuzunehmen. Scarr und McCartney erklären dies damit, daß Individuen
im Laufe ihres Lebens immer mehr die Kontrolle über ihre Umwelt gewinnen
und selbstbestimmter werden. Hierdurch würden sich genetische Faktoren sukzessive
stärker durchsetzen. (Vgl. S. Scarr / K. McCartney, How People make their
own Environments, 1983). Diese These wird durch empirische Daten sehr gut
gestützt. Genetische Scans lassen ebenfalls eine Verbindung von Genen mit
der Intelligenz vermuten. (**).
(Ebd., S. 58).
Vgl.
Peter Borkenau, Anlage und Umwelt - Eine Einführung in die Verhaltensgenetik,
1993; Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit,
in: Jürgen Hennig / Petra Netter (Hrsg.), Biopsychologische Grundlagen
der Persönlichkeit, 2005; David Shaffer / Katherine Kipp, Developmental
Psychology, 7. Auflage, 2006, S. 105ff.; Nicole Singler, Zwillings- und
Adoptionsstudien, 2005 (**);
T. J. Bouchard / M. McGue, Genetic and Environmental Influences on Adult Personality,
1990. Vgl. Danielle Posthuma et. al.,
A Genomewide Scan for Intelligence Identifies Quantitrative Trait Loci on 2q
and 6p, 2005; D. M. Dick et. al., Association of CHRM2 with IQ - Converging
Evidence for a Gene Infuencing Intelligence, 2007. |
Insgesamt
ist die Erblichkeit allgemeiner Intelligenz so weit belegt, daß Riemann
und Spinath kurz und prägnant zusammenfassen: Wie diese Studie den Beginn
der verhaltensgenetischen Untersuchung von Intelligenz markiert, beendet die heute
als klassisch anzusehende Metaanalyse von Bouchard und McGue (1981) die empirische
Suche nach der Antwort auf die Frage, ob allgemeine Intelligenz erblich ist, mit
einem eindeutigen »ja«. (**).
(Ebd., S. 58).
Vgl.
Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit,
in: Jürgen Hennig / Petra Netter [Hrsg.], Biopsychologische Grundlagen
der Persönlichkeit, 2005, S. 617. |
Die
grundsätzliche Erblichkeit der Intelligenz läßt sich aber auch
unmittelbar evolutionstheoretisch plausibilisieren. (Ebd., S. 58-59).In
der Evolutionsbiologie wurde lange darüber gestritten, ob erworbene Eigenschaften
vererbt werden können (Lamarckismus). Die Frage war etwa: Kann das tägliche
Strecken von Elterntieren bei der Nahrungsaufnahme über viele Generationen
hinweg bei der Verlängerung von Giraffenhälsen eine Rolle gespielt haben?
Diese Frage wird heute von den meisten Evolutionsbiologen verneint. (Vgl. Ernst
Mayr, Das ist Evolution, 2005, S. 197). (**).
(Ebd., S. 59).
Die
als Weismann-Barriere bezeichnete Regel, daß Erfahrungen, die ein Individuum
mit der Umwelt macht, nicht in den Erbgang einfließen können, wird
heute wieder von einigen wenigen Experten in Frage gestellt. (Vgl. Hans-Helmut
Niller, a.a.O., 2005; Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von
Natur aus kooperieren, 2006, S. 13). Die Weismann-Barriere ist nach dem deutschen
Biologen August Weismann (1834-1914) benannt und besagt, daß Erbinformationen
nur in Richtung Körperzellen wirken können, aber niemals umgekehrt.
Dieses Dogma wurde von August Weismann 1893 formuliert und unterstützt Darwins
Evolutionstheoerie. Individuell erworbene Eigenschaften werden durch die Weismann-Barriere
gehindert, ins Erbgut aufgenommen zu werden. Eine Vererbung individuellen Verhaltens
ist so nicht möglich. Durch die Barriere wird die DNS geschützt. Die
DNS kann höchstens durch zufällige oder toxische Mutationen verändert
werden, so die Darwinisten. Lamarcks Thesen zur Evolution verschwanden aus Lehrbüchern.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts gibt es Zweifel am Weismann-Dogma. Das Enzym Rücktranscriptase
und andere Mechanismen ermöglichen gezielte Veränderungen der Erbinformationen.
Lamarcks Gedanken werden wieder diskutiert. Trotzdem konnte bis heute die Weismann-Barriere
nicht falsifiziert werden. |
Mit
anderen Worten: Giraffenhälse sind über Generationen hinweg deshalb
gewachsen, weil: | Elterntiere
mit besonders langen Hälsen einen evolutionären Vorteil hatten (mehr
Nahrung fanden und folglich mehr Nachwuchs bekamen) und | | die
Halslänge von Giraffen erblich ist, das heißt, zwischen Eltern und
Kindern korreliert. | Das herausragende Merkmal des Menschen
ist aber dessen Gehirnleistung beziehungsweise Intelligenz. (Vgl. Ernst Mayr,
Das ist Evolution, 2005, S. 308ff.; Thomas Junker, Die Evolution des
Menschen, 2006, S. 52ff.). So nahm die Größe des menschlichen Gehirns
binnen 3 Millionen Jahren von 450 ccm auf nun ca. 1350 ccm zu. Dies ist analog
zum Wachsen der Giraffenhälse nur erklärbar, wenn: | eine
erhöhte Gehirnleistung im Laufe der Geschichte der Menschheit leinen evolutionären
Vorteil darstellte, der sich in einer vermehrten Zahl an Nachkommen ausdrückte
und | | Intelligenz
beziehungsweise Gehirnleistung erblich ist, das heißt zwischen Eltern und
Kindern korreliert. | Denn nehmen wir einmal an, ein Frühmensch
hat ein Gehirn von 800 ccm wie alle anderen Männer in seinem Stamm. Allerdings
ist er ganz besonders lernbegierig, so daß er den anderen Männern in
der Jagd bald überlegen ist. Die daraus resultierende soziale Anerkennung
drückt sich schließlich in einer erhöhten Zahl an Nachkommen aus.
Die Annahme, ein Teil seiner Kinder könnte nun ein größeres Gehirn
von zum Beispiel 850 ccm entwickeln, entspräche aber der allgemein als widerlegt
geltenden Vermutung von der Erblichkeit erworbener Eigenschaften. (Ebd.,
S. 59).Evolutionstheoretisch ließe sich die Entwicklung dagegen
wie folgt erklären: Alle Mitglieder eines Frühmenschenstammes haben
ein Gehirn von ca. 800 ccm Größe. Ein Kind wird aufgrund einer Mutation
oder durch eine Vererbung mütterlicherseits mit einem Gehirn geboren, welches
zu einer Größe von 850 ccm ausreift. Im Erwachsenenalter zeigt sich:
Dieser Jäger ist geistig flexibler als seine Stammesbrüder, so daß
er bald die Führung bei der Jagd übernimmt. Die hohe soziale Stellung
drückt sich schließlich in einer erhöhten Zahl an Nachkommen aus,
von denen ein erheblicher Anteil aus Vererbungsgründen ebenfalls ein Gehirn
mit einer Größe von 850 ccm oder mehr hat. (Ebd., S. 59-60).Ein
Einwand könnte sein, daß Gehirngröße und Intelligenz nicht
korrelieren müssen. Abgesehen davon, daß eine solche Korrelation im
Rahmen der Menschwerdung auf jeden Fall vorhanden gewesen sein muß, scheinen
auch Untersuchungen beim heutigen Menschen einen statistischen Zusammenhang zwischen
Gehirngröße und Intelligenz zu bestätigen. (Vgl. Mens Health,
Es kommt also doch auf die Größe an, 2005). Allerdings ist die
Tatsache umstritten, zumal sich das Gehirngewicht bei Lebenden nicht sicher ermitteln
läßt (die genannte Untersuchung erzielte ihre Ergebnisse mit Todkranken,
deren Gehirn nach dem Ableben vermessen wurde). Wesentlich bedeutender für
die Intelligenz scheint aber die allgemeine Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns
zu sein. (Vgl. Gerhard Roth, Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 112; Siegfried
Lehrl / Bernd Fischer, a.a.O., 1990). Auch für diese werden genetische Ursachen
vermutet. (Ebd., S. 60).Ohne eine erhebliche erbliche Komponente
bei der Intelligenzbildung dürfte sich die gesamte menschliche Gehirnentwicklung
kaum erklären lassen. (Ebd., S. 60).Unter der Annahme
einer starken Korrelation der Intelligenz von Eltern und Kindern (**)
ist ... die beobachtete Entwicklung in einem durchlässigen Bildungssystem
exakt zu erwarten. Sie ist ... Ausdruck der Erblichkeit von Intelligenz.
(Ebd., S. 62).
Vgl.
Rainer Riemann / Frank M. Spinath, Genetik und Persönlichkeit,
in: Jürgen Hennig / Petra Netter [Hrsg.], Biopsychologische Grundlagen
der Persönlichkeit, 2005, S. 617; Volkmar Weiss, a.a.O, 2007. |
4.2) IQ-Entwicklung
Richard Lynn behauptet, die deutsche
Bevölkerung sei mit einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 107
das intelligenteste Volk. (Vgl. Der Spiegel, Britische Studie, 27.03.2006
[**]).
(Ebd., S. 63).
Der
Spiegel, 27. März 2006: Ein britischer Forscher hält die Deutschen
... für das Volk mit dem höchsten Intelligenzquotienten .... Der Psychologe
hat eine ungewöhnliche Erklärung für die Ergebnisse. .... Mit einem
durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 107 liegen die Deutschen laut der
Untersuchung ... vor ... den Schweden (104) und den Italienern (102), wie die
Londoner »Times« in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Mit einem Durchschnitts-IQ
von 100 liegen die Briten zwar hinter der Spitzengruppe, aber immerhin sind sie
der Untersuchung zufolge noch klüger als die Franzosen (94). Die letzten
Plätze nehmen Rumänen, Türken und Serben ein. Als normal gilt ein
IQ von 85 bis 115; besonders intelligente Menschen können jedoch durchaus
Intelligenzquotienten von 145 erreichen. (**). |
Der
Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, daß die Ergebnisse von IQ-Tests bis
in die 1990er Jahre jährlich besser wurden, die Intellignez also offenbar
zunahm (dieser Satz ist so nicht ganz richtig formuliert,
denn: der Flynn-Effekt bedeutet die jährlich besser werdenden Ergebnisse der IQ-Tests; HB). Heute ist der Flynn-Effekt zwar in den Entwicklungsländern,
allerdings nur noch in wenigen Industrienationen zu beobachten, wenngleich ein
unterschiedliches Tempo festgestellt wird. (**).
(Ebd., S. 63).
Ob
es sich beim Flynn-Effekt um ein zeitlich begrenztes Phänomen handelt, ist
nicht bekannt. Wenn es sich aber nicht um ein zeitlich begrenztes Phänomen
handeln sollte, würde dies wahrscheinlich bedeuten, daß die Menschen
im allgemeinen intelligenter würden. Flynn selbst glaubt allerdings nicht, daß dies der Fall ist. (Vgl. James Flynn / William Dickens, Heritability Estimates
Versus Large Environmental Effects, 2001). |
Neure
Untersuchungen zeigen ..., daß der Flynn-Effekt in den meisten Industrienationen
mittlerweile seine Wirkung verloren hat, und sich nun gegenläufige Effekte
einstellen. So stagniert der mittlere IQ in vielen Ländern ab etwa 1990 und
seit dem Ende der 1990er Jahre nimmt er sogar wieder ab. (**).
(Ebd., S. 64).
Ob
überhaupt und - wenn ja - bis zu welchem Ausmaß die Intelligenztests
bzw. IQ-Tests als wissenschaftlich bezeichnet werden dürfen, bleibt fraglich. |
4.3) Intelligenz und Wohlstand
In ihrem Buch IQ and the
Wealth of Nations (2002) stellen die Autoren Lynn und Vanhanen die These auf,
der Wohlsstand eines Landes korreliere mit dem durchschnittlichen Intelligenzquotienten
(IQ) der Bevölkerung. Auf Basis von Daten aus 81 Ländern eine Korrelation
von 0,82 zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes und dem durchschnittlichen
IQ der Bevölkerung und eine Korrelation von 0,64 zwischen dem Wirtschaftswachstum
und dem IQ. Sie äußern die Vermutung, der durchschnittliche IQ der
Bevölkerung beruhe sowohl auf genetischen als auch Umweltfaktoren. So könne
einerseits ein niedriger durchschnittlicher IQ ein niedriges Bruttoszialprodukt
bewirken, als auch umgekehrt ein niedriges Bruttoszialprodukt einen niedrigen
durchschnittlichen IQ. Wie nicht anders zu erwarten war, wurden die Autoren für
die Vorlage ihrer Resultate zum Teil recht hart kritisiert, denn sie hatten ein
Tabuthema berührt. Dabei sind ihre Resultate durchaus naheliegend: | Das
demographisch-ökonomische
Paradoxon behauptet einen weltweiten negativen Zusammenhang zwischen der ökonomischen
Leistungsfähigkeit eines Landes (seines Pro-Kopf-Einkommens) und der Fertilitätsrate. | | Gleichfalls
ist in vielen Ländern ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungsniveau
und Kinderzahl zu beobachten. Das Bildungsniveau einer Person dürfte eng
mit ihrem IQ korrelieren. | Aufgrund dieser beiden Relationen
läßt sich ein Zusammenhang zwischen dem durchschnittliche IQ der Bevölkerung
und dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes vermuten. Die folgende Tabelle
zeigt ausgewählte Länder mit ihren durchschnittlichen IQs und Fertilitätsraten.
Offenkundig besteht auch ein negativer Zusammenhang zwischen IQ und Fertilitätsrate,
was ebenfalls nicht überraschend ist. .... In jedem Fall sollten die ...
vorgetragenen Ergebnisse ernst genommen werden, denn sie legen nahe, daß
eine dauerhaft ausgeführte negative Selektion zu einem Abfall des durchschnittlichen
IQs der Bevölkerung führen kann und damit natürlich auch zu erheblichen
Wohlstandsverlusten. Es ist nicht auszuschließen, daß dabei langfristig
ein Gleichgewichtszustand auf niedrigerem Niveau erreicht wird. Denn mit dem Absinken
des IQs und den Qualifikationen der Bevölkerung dürfte deren Fertilitätsrate
gemäß dem demographisch-ökonomische
Paradoxon sukzessive wieder ansteigen. (Ebd., S. 64-65).Korrelation
von Intelligenz und Fertilität (am Beispiel ausgewählter Länder;
Stand: 2007) |
Stand: 2007 | Intelligenz- Quotient
(IQ) | Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate (TFR) | Südkorea | 106 | 1,27 | Japan | 105 | 1,40 | Deutschland | 103
(108) | 1,39 | Italien | 102 | 1,28 | Niederlande | 102 | 1,66 | Schweden | 101 | 1,66 | China | 100 | 1,73 | Großbritannien | 100 | 1,66 | Spanien |
99 | 1,28 | Australien |
98 | 1,76 | Frankreich |
98 | 1,84 | USA |
98 | 2,09 | Argentinien |
96 | 2,16 | Rußland |
96 | 1,28 | Israel |
94 | 2,41 | Irland |
93 | 1,86 |
| |
Stand:
2007 | Intelligenz- Quotient
(IQ) | Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate (TFR) | | Thailand |
91 | 1,64 | Türkei |
90 | 1,92 | Indonesien |
89 | 2,40 | Brasilien |
87 | 1,91 | Irak |
87 | 4,18 | Mexiko |
87 | 2,42 | Philippinen |
86 | 3,11 | Afghanistan |
83 | 6,69 | Ägypten |
83 | 2,83 | Bangladesh |
81 | 3,11 | Indien |
81 | 2,73 | Pakistan |
81 | 4,00 | Sudan |
72 | 4,72 | Ghana |
71 | 3,99 | Nigeria |
67 | 5,49 | DR
Kongo | 65 | 6,54 | |
Abbildung
8) IQs und Fertilitätsraten ausgewählter Länder |
5) Roms Untergang
Eckart Knaul leitet viele demographische Prozesse aus einem von
ihm selbst aufgestellten biologischen Massenwirkungsgesetz ab. (Eckart
Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz - Ursache vom Aufstieg
und Untergang der Kulturen, 1985). Demzufolge könnte bereits
eine zu hohe Bevölkerungsdichte zu gesellschaftlichen und demographischen
Umstimmungsprozessen führen. Frauen und Männer wurden sich
im überfüllten Rom immer ähnlicher. Diese weitgehende Angleichung
der Geschlechter ist vor allem ein natürliches Moment zur Minderung
einer unerwünschten, überschießenden Vermehrung. ....
Dieses Phänomen zunehmender Ähnlichkeit zwischen den Geschlechtern
finden wir auch in den großen Städten anderer Völker auf
dem Höhepunkt ihrer Kultur. .... Die Männer gaben sich weitgehend
feminin und trugen der damaligen Mode entsprechend lange Frauenkleider,
während umgekehrt die Frauen in männliche Bereiche vordrangen.
(Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977,
S. 87 f.). (Ebd., S. 67).
Gemäß der Theorie Eckart Knauls handelte es sich
also bei der Emanzipation der römischen Frauen um keine kulturelle Weiterentwicklung,
sondern um einen biologisch bedingten Prozeß zur Reduzierung der Geburtenrate
in einem bereits völlig überbevölkerten Rom. (Ebd., S. 67).Durch
die Enge in der menschenüberfüllten Stadt, in welcher jeder Zuwachs
eine unerträpliche Belastung sowohl für den Einzelnen wie auch für
die Gemeinschaft darstellte, verlor die Frau ihre eigentliche Lebensaufgabe als
Mutter und Erzieherin der Nachkommen. Sie war also gezwungen, sich eine neue Aufgabe
zu suchen, einen neuen Wirkungskreis zu schaffen, der außerhalb von Haus
und Familie lag. Dazu mußte sie sich erst einmal aus der manus-Ehe, die
eine völlige Abhängigkeit vom Mann bedeutete, lösen. Neben der
sexuellen und wirtschaftlichen Emanzipation entwickelte sich auch die Rechtsprechung
für die Frau immer günstiger, bis schließlich die völlige
Gleichberechtigung der Geschlechter hergestellt und die Frau auf allen Gebieten
ganz mündig, frei und ungebunden geworden war und sich noch darüber
hinaus politisch betätigte. Bei Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) wie Sueton
(70-140) lesen wir von Frauenvereinen als selbständige Einrichtungen zur
Vertretung gemeinsamer Interessen. Auf dem Quirinal wurde sogar ein Sitzungssaalfür
den Frauensenat eingerichtet. .... Das neue Eherecht hatte die Natur der altrömischen
Ehe gänzlich geändert. Durch die gesetzliche Gütertrennung (sine
manu) war die Frau der Bevormundung des Mannes weitgehend entzogen. Diese Minderung
der Autorität des Ehemannes schwächte natürlich auch seine Stellung
gegenüber den Kindern. Väter konnten ihre Töchter nicht mehr zu
einer Heirat zwingen. Die freie Zustimmung und Willenserklärung des Mädchens
war jetzt zu ihrem Vollzug unbedingt erforderlich. Das Mädchen trat frei
in die Ehe und lebte gleichberechtigt mit ihrem Gatten. Die römische Frau
war ebenbürtig und unabhängig. Zwischen beiden Geschlechtern bestand
eine geistige, wirtschaftliche und moralische Gleichberechtigung.(Vgl. Eckart
Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 90 ff.). (Ebd.,
S. 67-68).Diese Beschreibung allein dürfte aber das spezifische
Fertilitätsverhalten der römischen Oberschicht kaum erklären können,
denn es waren ja gerade die über deutlich mehr Wohnraum verfügenden
Eliten, die ihre Nachwuchszahlen reduzierten und nicht das ganz besonders eng
wohnende »einfache Volk«. Gleiches ist heute in vielen großen
Metropolen zu beobachten: Während die gebildeten Schichten häufig nur
eine sehr geringe Zahl an Nachkommen haben, sind die Geburtenraten in den dichtbesiedelten
Armutsvierteln dagegen vergleichsweise hoch. (Ebd., S. 68).Daneben
scheint es im alten Rom bereits zu den auch in modemen Gesellschaften bekannten
Individualisierungsprozessen gekommen zu sein. (Ebd., S. 68).Mit
den Schlagworten »Sein Leben leben« und »Auch ich bin ein Mensch«
wurden damals zahlreiche Forderungen begründet sowie gleichzeitig die vielen
Verfehlungen und Unkorrektheiten entschuldigt. (Vgl. Eckart Knaul, Rom
- Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 95). (Ebd., S. 68).Ferner
gab es damals wohl so etwas wie einen Wohlfahrtsstaat, der für das materielle
Wohl aller sorgte. Eckart Knaul sieht hierin unter anderem den Grund für
den fehlenden Ehrgeiz der nachwachsenden Generationen und insbesondere der Armen,
die aufgrund des Nachwuchsmangels der Eliten entstehenden personellen Defizite
mittels eigener Anstrengungen auszugleichen. Auch sei es hierdurch zu einer starken
Vermehrung bei den Armen und einem erheblichen Zuzug von ausländischen Arbeitnehmern
gekommen. (Ebd., S. 69).Als nun sehr viele Familien reich
geworden waren, wurde Rom zu einem Wohlfahrtsstaat, der sich verpflichtet fühlte,
für seine weniger vom Glück begünstigten Bürger zu sorgen.
Doch diese staatliche Wohlfahrt verhindert das Training und die Entwicklung nachwachsender
Intelligenzen, verhindert die Erneuerung der Eliten, dieser für das Wohl
eines jeden Staatsgefüges ausschlaggebenden Führungsschicht. In dem
römischen Wohlfahrtsstaat brauchte sich der Arme ebenso wenig für sein
tägliches Brot, für seine Vergnügungen und seine Freizeitunterhaltungen
zu plagen wie der Reiche. .... Doch einen dauerhaften Verlust geistiger Eliten
kann sich kein Volk leisten, auch wenn es anfangs für einige Zeit noch wenig
auffällt, daß die befähigten Führungskräfte immer mehr
durch bequeme Schönredner und Phantasten ersetzt werden. So grub sich der
römische Wohlstands- und Wohlfahrtsstaat selbst sein Grab, wobei der Niedergang
gleichzeitig noch durch die negativen Auswirkungen einer enormen Vermehrung potenziert
und durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte beschleunigt wurde.
(Vgl. Eckart Knaul, Rom - Weltmacht biologisch gesteuert, 1977, S. 140f.).
(Ebd., S. 69).Es geht hier nicht darum, den stellenweise etwas
moralisch-pessimistischen Argumentationen Eckart Knauls zu folgen, sondern in
erster Linie darum, die wesentlichen Ereignisse zu registrieren, die für
den Untergang Roms mitverantwortlich gemacht werden können, als da sind: | Gleichberechtigung
der Geschlechter | | Geringe
Nachwuchszahlen bei den Eliten | | Hohe
(im Vergleich zu den Reichen! HB) Geburtenraten
bei den Armen | | Zuzug
von ausländischen Arbeitnehmern | | Wohlfahrtsstaat | | Individualisierungstendenzen | Ähnliches
weiß auch Ralph Bollmann zu berichten, obwohl er aus den gleichen Fakten
dann ganz andere Schlüsse zieht. (Ebd., S. 69).
»Mit Bedacht hatte der römische Geschichtsschreiber
Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr.) diese Episode überliefert. Zu seinen
Lebzeiten war die demographische Frage eines der großen Themen der
Politik. Ihren praktisch-politischen Niederschlag fand diese Debatte in
der Ehegesetzgebung des Augustus. Der erste Princeps erließ bereits
im Jahr 18 v. Chr. ein ganzes Bündel einschlägiger Gesetze.
Besonders bekannt wurde die Lex Papia Poppaea nuptialis aus dem Jahr 9
n. Chr. Die Vorschriften, die nicht wörtlich überliefert sind,
setzten im Kern auf den in der heutigen Familienpolitik geläufigen
Mix von Anreiz und Sanktionen - wenn auch mit brachialeren Methoden. Väter
von mindestens drei Kindern sollten bei der Vergabe öffentlicher
Ämter bevorzugt, die Mütter im Falle ihrer Verwitwung von der
sonst üblichen Unterstellung unter einen Vormund befreit werden.
Auf der anderen Seite wurde für die 25- bis 60-jährigen Männer
wie für die 20- bis 50-jährigen Frauen eine Ehepflicht dekretiert.
Unverheiratete und Kinderlose durften ihr Vermögen nicht mehr frei
vererben, sondern mußten es zu beträchtlichen Teilen an die
Staatskasse abführen. Daß Augustus mit Staatsämtern lockte
und mit Vermögensstrafen drohte, deutet bereits darauf hin, an welche
gesellschaftliche Gruppe sich die Gesetze in erster Linie richteten. Nicht
Kinderlosigkeit im allgemeinen war das Ärgernis, sondern die mangelnde
Zeugungs- und Gebärfreudigkeit der römischen Oberschicht. Ehe-
und Kinderlosigkeit, klagte Mommsen, griffen vornehmlich in
den höheren Ständen immer weiter um sich. Die Verantwortung
für den schimmernden Verfall dieser Zeit schob er in
erster Linie auf die Emanzipation der Frauenwelt. .... Mit
ähnlicher Tendenz wird im Deutschland der Gegenwart die Kinderlosigkeit
von Akademikerinnen und Akademikern beklagt - und gleichzeitig die vermeintlich
ungehemmte Vermehrungsfreude der Unterschicht verurteilt. Diesem Mißstand
soll in jüngster Zeit ein neues Familiengeld abhelfen,
das besonders Besserverdienenden zugute kommt. Dabei haben Altertumsforscher
mit Blick auf Rom zutreffend bemerkt, daß eine bloße Selbstrekrutierung
der Oberschicht gar nicht wünschenswert ist. Erst die geringe Kinderzahl
altrömischer Senatoren oder moderner Akademiker gibt dem Nachwuchs
aus unteren Gesellschaftsschichten Raum für die eigene Karriere.
So betont der Berliner Historiker Alexander Demandt, daß Regeneration
gewöhnlich über den sozialen Aufstieg erfolgt, der durch die
Kinderarmut in den gehobenen Kreisen begünstigt wird. Klagen über
Nachwuchsmangel kommen gewöhnlich aus der Oberschicht, die fürchtet,
ihre Privilegien an Nachrücker abtreten zu müssen. So
führt die Demographie-Debatte letztendlich zur Pisa-Debatte zurück:
Nicht um eine Steigerung der Geburtenrate geht es in erster Linie, sondern
um die Gewährleistung sozialer Aufstiegschancen. (Ralph
Bollmann, Lob des Imperiums - Der Untergang Roms und die Zukunft des
Westens, 2006, S. 81ff.). (Ebd., S. 70-71).
Den Rückgang der Geburtenraten in den gebildeten
Schichten hält Bollmann für eine zwangsläufige Folge eines zunehmenden
Wohlstandes und der damit einhergehenden rückläufigen Sterblichkeit,
auf die höhere Schichten eher reagieren als sozial schwache Bevölkerungskreise.
(Ebd., S. 71).Die niedrige Geburtenrate in großen Teilen
der westlichen Wohlstandszone ist historisch keineswegs so einzigartig, wie es
die erregte Debatte unserer Tage nahe legt. Schon der Historiker Julius Beloch
(1854-1929) stellte in seinem grundlegenden Werk über die »Bevölkerung
der griechisch-römischen Welt« 1886 fest, daß sich eine Abnahme
der Geburtenzahl« heute wie im Altertum mehr oder weniger in allen Kulturstaaten«
zeige. Sie sei »zum großen Teil ein Korrelat der abnehmenden Sterblichkeit«
- und damit »eine Erscheinung, die mit Notwendigkeit eintreten muß,
sobald ein Volk eine gewisse Stufe des Wohlstandes und der Bildung erreicht«.
Darum trete sie »unter den höheren Schichten der Bevölkerung eher
ein als unter denen, die eben wegen des Mangels an dieser Vorsorge Proletarier
heißen.« (Vgl. Ralph Bollmann, Lob des Imperiums - Der Untergang
Roms und die Zukunft des Westens, 2006, S. 84f.). (Ebd., S. 71).
Ralph Bollmann argumentiert an entscheidenden Stellen aus einem
völlig veralteten Weltbild heraus, denn er tut so, als wären
moderne Gesellschaften immer noch ständisch organisiert, so daß
es einzig und allein darauf ankomme, in welcher Schicht man geboren sei.
Es ist sicherlich ungünstig, wenn sich Eliten ausschließlich
aus sich selbst heraus rekrutieren. Dies gilt aber für moderne, individualistische
und bildungsdurchlässige Gesellschaften, in denen sich der Einzelne
»immer stärker aus übergeordneten Vorgaben bezüglich
Geschlecht, Alter beziehungsweise sozialer oder regionaler Herkunft löst«
(Matthias Junge, Individualisierung, 2002, S. 7), nur noch sehr
bedingt. Ein größeres modernes Unternehmen wie zum Beispiel
die »Deutsche Bank« wird sich heute in aller Regel kaum mehr
dafür interessieren, welche Nationalität, Rasse, Geschlecht
oder soziale Herkunft ein Bewerber hat. Entscheidend dürften dagegen
eher Teamfähigkeit, Qualifikationen und Leistungsbereitschaft sein.
(Ebd., S. 71).
Auch
Kinder von Akademikern müssen zunächst den Bildungsprozeß erfolgreich
durchlaufen, bevor sie sich an den Aufbau einer Karriere machen können. Dabei
konkurrieren sie dann mit vielen anderen Menschen mit gleichen oder ähnlichen
Qualifikationen. (Ebd., S. 71).
6) Emanzipation
Die
weibliche Emanzipation ist ganz eng mit einer Loslösung der Frauen aus tradierten
Rollenvorgaben - insbesondere »Hausfrau und Mutter« - verbunden. Es
geht also hierbei letztendlich um Individualisierungsprozesse auf Seiten der Frauen.
Das vorliegende Kapitel soll deshalb mit einem Überblick über die so
genannte Individualisierungsthese beginnen. Einführend dazu wird aber zunächst
ein volkswirtschaftliches Dilemma mit dem Namen »Tragik der Allmende«
erläutert, denn es ist für das Verständnis der weiteren Ausführungen
von entscheidender Bedeutung. (Ebd., S. 73).
6.1) Die Tragik der Allmende
Unter der Tragik der Allmende versteht man in der Volkswirtschaftslehre
die Beobachtung, daß Menschen unter bestimmten Bedingungen bei einer
gemeinschaftlichen Tätigkeit, bei der der individuelle Ertrag den
Personen nicht zurechenbar ist, weniger leisten. Dieses Problem tritt
häufig bei Gemeinschaftseigentum, so genannten Allmenden, auf. Dies
sei an einem Beispiel erläutert:
Angenommen, eine Gruppe von 80 Personen
bewirtschaftet gemeinsam ein Feld. Alle Gruppenmitglieder haben
bei voller Arbeitsleistung einen Aufwand von 50 Einheiten, ziehen
jedoch dann einen Ertrag von 100 Einheiten aus der Ernte, die sie
ja in gleichen Teilen erwirtschaften. Die Tragik der Allmende besteht
nun darin, daß bei genügend großer Gruppengröße
die Faulheit eines einzelnen Mitglieds die Ernte pro Gruppenmitglied
nur unwesentlich verringert, der Aufwand für das faule Gruppenmitglied
aber stark abnimmt, wodurch sein Nutzen insgesamt steigt.
Wenn alle 80 Gruppenmitglieder voll arbeiten, dann erwirtschaften
sie gemeinsam einen Ertrag von 80 100 = 8000 Einheiten. Jedem
Gruppenmitglied steht am Ende ein Ertragsanteil von 100 Einheiten
zu. Zieht er davon seinen Aufwand von 50 Einheiten ab, dann hat
er einen eigenen Nutzen von 50 Einheiten erwirtschaftet.
Angenommen, ein Mitglied arbeitet nur halb so viel wie die anderen
Gruppenangehörigen. Dann hat es nur noch einen Aufwand von
25 Einheiten. Für die Gesamtgruppe ergibt sich nun ein Ertrag
von 79 100 + 100 1/2 = 7950 Einheiten. Jedem Gruppenmitglied
steht unter diesen Umständen ein individueller Ertrag von 99,375
Einheiten zu. Für die voll arbeitenden Mitglieder ergibt dies
einen Nutzen von 99,375 - 50 = 49,375 Einheiten.
Günstiger sieht der Ertrag für das etwas faulere Gruppenmitglied
aus, denn dieses erwirtschaftet einen Nutzen von 99,375 - 25 = 74,375
Einheiten.
Obwohl ein Gruppenmitglied also nur die Hälfte geleistet hat,
erzielt es mit 74,375 Einheiten einen deutlich größeren
Nutzen als vorher (50 Einheiten) beziehungsweise als die anderen
Gruppenmitglieder aktuell erzielen (49,375 Einheiten). |
Es lohnt sich also in einer Allmende, faul zu sein, sofern eine gewisse
Anzahl an Mitgliedern es nicht ist. Es ist nun aber zu erwarten, daß
sich immer mehr Gruppenmitglieder faul verhalten werden und der Gruppenertrag
noch weiter sinken wird, denn eine typisch menschliche Handlungsmaxime
ist: »Es geht - moralisch gesprochen - gar nicht um die Maximierung
des eigenen Vorteils, sondern darum, nicht selbst in eine schlechte Position
zu geraten.« (Frank Schirrmacher, Minimum - Vom Vergehen und
Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006, S. 67). (Ebd., S. 73-74).
Die Tragik der Allmende
schaukelt sich dann weiter hoch, und die gesamte Gruppe gerät in eine Rationalitätenfalle,
bei welcher Kollektivrationalität und Individualrationalität im Konflikt
miteinander stehen. (Ebd., S. 74).Neben der hier beschriebenen
Rationalitätenfalle gibt es auch den umgekehrten, von Garrit Hardin (vgl.
a.a.O. 1968) beschriebenen Fall, bei dem gemeinsame Ressourcen immer weiter erschöpft
werden. Auf diese Weise lassen sich nicht nur viele Umweltprobleme, sondern interessanterweise
auch die Bevölkerungsexplosion in vielen Ländern der Erde erklären.
Hardin vertritt die Ansicht, daß ein freiheitlicher Zugriff auf Gemeinschaftsgüter
am Ende alle ruinieren wird. Deshalb fordert er entsprechende Einschränkungen.
(Ebd., S. 74).
6.2) Individualisierung
Die in der Soziologie sehr weit akzeptierte
Individualisierungsthese besagt nun, daß sich der Einzelne in modernen Gesellschaften
immer stärker aus übergeordneten Vorgaben bezüglich Geschlecht,
Alter beziehungsweise sozialer oder regionaler Herkunft löst, so daß
es zu einer drastischen Zunahme der individuellen Entscheidungsspielräume
und einer Reduzierung des Grads der Außensteuerung kommt. Das Individuum
wird zentraler Bezugspunkt für sich selbst und die Gesellschaft. (Vgl. Matthias
Junge, Individualisierung, 2002, S. 7). (Ebd., S. 74).Individualisierung
bewirkt nicht nur eine stärkere Abhängigkeit des Einzelnen von Leistungen
Dritter und dabei zum Teil auch von (wohlfahrts)staatlichen Funktionen (Bildungseinrichtungen,
innere Sicherheit, Rechtsprechung, Altersversorgung u.s.w.; vgl. Ulrich Beck,
Risikogesellschaft, 1986, S. 109f.), sondern setzt diese geradezu voraus.
Dies hat aber umgekehrt zur Konsequenz, daß der Wohlfahrtsstaat immer mehr
Funktionen übernehmen und garantieren muß, die gemeinhin dem Kollektivverhalten
zuzurechnen sind. (Vgl. Stefan Lange / Dietmar Braun, Politische Steuerung
zwischen System und Akteur, 2000, S. 20). (Ebd., S. 75).Wird
dem Individuum also zugestanden, sich zeitlich möglichst vollständig
auf eine am Arbeitsmarkt angeforderte Leistung zu konzentrieren und seinen individuellen
Lebenslauf frei zu wählen, dann müssen bei sich einstellenden Defiziten
alle anderen Leistungen, die üblicherweise Teil seiner zu erbringenden Kollektivleistung
sind (zum Beispiel Herstellen von Sicherheit, Weitergabe von Wissen, Aufziehen
von Nachwuchs, Versorgung Älterer, Unterstützung von Notleidenden) von
Dritten und damit unter Umständen vom Wohlfahrtsstaat übernommen werden.
Dieser wird sich dabei häufig selbst des Arbeitsmarktes bedienen, beispielsweise
um dort geeignete Lehrer für das Unterrichten von Kindern zu rekrutieren.
(Ebd., S. 76).Zusammenfassend könnte man sagen: | In
traditionellen Gesellschaften hatten die Menschen neben ihren individuellen Aufgaben
auch kollektive Pflichten zu erfüllen. Zur Sicherstellung der Erfüllung
der Gemeinschaftsaufgaben dienten gesellschaftliche Rollenvorgaben. | | Im
Rahmen der Individualisierung verselbständigt sich der Einzelne nun
immer mehr gegenüber der Gemeinschaft. Dabei löst er sich von den traditionalen
Rollenvorgaben. Als Handelnder sucht er seinen individuellen Erfolg zum Beispiel
bei einer Erwerbsarbeit, wo er um so mehr Einkommen erzielen kann, je geringer
seine Aufwände (inklusive Opportunitätskosten) bei den Gemeinschaftsaufgaben
sind, denn er hat ja dann mehr Zeit für die Erwerbsarbeit. Für ihn lohnt
es sich also ganz besonders, bei den »sozialistischen« Gemeinschaftsaufgaben
»faul« zu sein, weswegen es dort zwangsläufig zur Tragik der
Allmende kommen wird. | | Die
verbindliche Ausführung von notwendigen Gemeinschaftsaufgaben muß nun
also auf andere Weise gewährleistet werden. Dazu dient die Institutionalisierung.
Statt die Kollektivaufgaben weiterhin dem Einzelnen anteilsmäßig aufzubürden,
werden sie an Dritte ausgelagert, und zwar ganz häufig an den Wohlfahrtsstaat.
Dieser erwartet dann aber von seinen Bürgern einen Obolus, üblicherweise
in Form von Steuern oder eines so genannten Parafiskus. Diese Steuern müssen
wiederum verpflichtend erhoben werden, andernfalls dürfte es bei der Steuerzahlung
selbst zur Tragik der Allmende kommen. Steuern stellen somit ein Äquivalent
für die Summe aller Kollektivaufgaben des Individuums dar. Wenigstens dieser
Punkt muß verpflichtend bleiben. (Neuerdings versucht man mit dem bedingungslosen
Grundeinkommen (**|**|**|**|**|**)
auch diesen letzten Rest an verbindlichen Kollektivaufgaben in Frage zu stellen
[vgl. Götz W. Werner, Einkommen für alle, 2007], was aber aus
den bereits genannten Gründen nicht möglich sein dürfte [vgl. Peter
Mersch, Irrweg
Bürgergeld, 2007].). | | Der
Wohlfahrtsstaat wird dann neue Institutionen schaffen, die die freigesetzten Gemeinschaftsaufgaben
in seinem Sinne und Auftrag erfüllen. | | Finanziert
werden die Institutionen durch die Steuerzahlungen der Bürger. Die Mitarbeiter
der neu erschaffenen Organe rekrutiert der Staat wie jedes andere Unternehmen
über den Arbeitsmarkt, so daß auch diese von den Vorteilen der Individualisierung
profitieren können. | Heute gehört die Gewährleistung
der inneren Sicherheit (Schutz) als vormals männliche Kollektivaufgabe zu
den wichtigsten Aufgaben des Nationalstaates und dieser besitzt das Gewaltmonopol.
Der Beruf des Polizisten ist uns eine Selbstverständlichkeit geworden. Die
Herausbildung der Territorialstaaten ist ganz wesentlich auf den ersten, und vorrangig
die Männer betreffenden Individualisierungsschub ... zurückzuführen.
»Unter den vier allgemeinen Zielen des Regierens, die sich im demokratischen
Wohlfahrtsstaat herausgebildet haben, nimmt Sicherheit zweifellos eine herausragende
Stellung ein. Bereits der Ursprung des Territorialstaates ist ganz wesentlich
daraufzurückzziführen. .... Wird Sicherheit , durch den Staat nicht
mehr hinreichend gewährleistet, so erübrigt sich selbst gemäß
des Staatstheoretikers des Absolutismus, Thomas Hobbes, für die Bevölkerung
die Gehorsamspflicht: »Die Verpflichtung des Untertanen gegenüber dem
Souverän dauert nur so lange, wie er sie aufgrund seiner Macht schützen
kann, und nicht länger«. (Michael Zürn, Regieren jenseits des
Nationalstaates, 2. Auflage, 2005, S. 95) (Ebd., S. 77).Die
Individualisierung auf Seiten der Männer hatte also gravierende gesellschaftliche
Organisationsänderungen zur Folge. Das dürfte bei der Individualisierung
auf Seiten der Frauen auf Dauer nicht viel anders aussehen. Leider wird darüber
bislang aber auch nicht ansatzweise diskutiert. (Ebd., S. 77).Die
Individualisierungsthese geht unter anderem von einer zunehmenden gesellschaftlichen
Arbeitsteilung aus. Es darf deshalb ein wenig verwundern, daß man bei der
Individualisierung auf Seiten der Frauen hartnäckig und unwidersprochen die
umgekehrte Richtung (Zusammenführung der allerersten menschlichen Arbeitsteilung)
propagiert. Daraus kann eigentlich nur gefolgert werden: Entweder ist die Individualisierungsthese
falsch (beziehungsweise auf Frauen nicht anwendbar), oder die Individualisierung
der Frauen wird nicht korrekt ausgeführt.
Ich überlasse es dem Leser, die geeigneten Schlüsse zu ziehen.
(Ebd., S. 78).Leider hat sich in der öffentlichen Debatte
längst durchgesetzt, was für nüchtern denkende Zeitgenossen jegliches
Maß an Zumutbarkeit überschritten hat: | Die
Evolutionstheorie gilt zwar für alle biologischen Populationen, für
menschliche aber angeblich nicht. Da handele es sich dann um Sozialdarwinismus. | | Die
Individualisierungsthese postuliert eine zunehmende soziale Arbeitsteilung. Die
Individualisierung der Frauen erfordere nun aber angeblich, daß vormals
bereits arbeitsteilig verrichtete Tätigkeiten (Beruf und Familie) wieder
zusammengeführt werden. | | Die
Tragik der Allmende behauptet, bei Gemeinschaftsaufgaben, bei der der Ertrag individuell
nicht zuordbar ist, entstünden immer mehr »Faule«. Trotzdem wird
allgemein angenommen, man könne (in einer vollständig übertragbaren
Situation) erfolgreiche Familienpolitik auch ohne nennenswerte Lastenbeteiligung
von Kinderlosen betreiben. | | Der
Wohlfahrtsstaat wird dann neue Institutionen schaffen, die die freigesetzten Gemeinschaftsaufgaben
in seinem Sinne und Auftrag erfüllen. | | Intelligenz
hat ganz eindeutig eine erhebliche erbliche Komponente. Dennoch wird behauptet,
jeder Mensch komme als unbeschriebenes Blatt auf die Welt und könne sozusagen
beliebig geformt werden. Es sei deshalb letztendlich egal, wer in unserer Gesellschaft
Kinder bekommt. | Was darf es sonst noch sein? Vielleicht
2 + 2 = 5 ? (Ebd., S. 78).In meinen Büchern
»Land
ohne Kinder« (2006), »Die
Familienmanagerin« (2006) und »Hurra,
wir werden Unterschicht!« (2007) wurde ein Vorschlag für
eine die Individualisierung der Frauen begleitende Institutionalisierung der gesellschaftlichen
Reproduktion, die sich im Einklang mit grundsätzlichen Normen freiheitlich-demokratischer
Gesellschaften befindet, unterbreitet. Ich werde im Abschnitt »Was
tun?« ab Seite 105 noch kurz darauf zu sprechen kommen. (Ebd.,
S. 78-79).
6.3) Feministische Theorien
Der Feminismus gliedert sich
gemäß Alice Schwarzer in zwei grundsätzliche Lager: »Seit
es Frauenrechtlerinnen bzw. Feministinnen gibt, zerfallen sie in zwei Hauptströmungen.
Die eine Strömung, das sind die Antibiologistinnen, genannt die Radikalen
bzw. Universalistinnen bzw. Gleichheitsfeministinnen. Sie gehen von einer grundsätzlichen
Gleichheit der Menschen und damit auch der Geschlechter aus. Nicht der biologische
Unterschied, sondern die sozialen, ökonomischen und politischen Unterschiede
sind für sie die Ursache der heutigen Differenz zwischen den Geschlechtern.
In dieser Tradition stehen ... alle Autorinnen dieses Buches. .... Die andere
Strömung beruft sich auf den Unterschied der Geschlechter, auf die Differenz.
Die Differenzialistinnen halten den Unterschied zwischen Frauen und Männern
für unabänderlich; sei es, daß er naturgegeben oder aber, daß
er irreversibel geprägt, also quasi genetisch verankert sei. Sie sind für
»Gleichberechtigung«, aber gegen »Gleichheit« und wollen
den bestehenden Unterschied nicht aufheben, sondern umwerten.« (Alice
Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 13). Wenn im folgenden vom »Feminismus«
oder der »Emanzipation der Frauen« die Rede ist, dann ist stark verkürzend
immer der von Alice Schwarzer hervorgehobene und auf dem Behaviorismus fußende
antibiologistische Feminismus gemeint, der biologische Gründe als Ursache
für vorhandene Rollenunterschiede zwischen den Geschlechtern negiert. Im
vorliegenden Buch wird der antibiologistische Feminismus vollständig widerlegt.
(Ebd., S. 79).Eines der wichtigsten Anliegen des Feminismus ist
die weibliche Berufstätigkeit, denn: »trotz Doppelbelastung und auch
bei schlechter Qualifikation fördert absolut jede Berufstätigkeit die
Unabhängigkeit der Frau.« (Alice Schwarzer, a.a.O.,
2002, S. 279). Angeblich emanzipieren sich Frauen nur im Beruf. Demgegenüber
ist die Hausfrauentätigkeit von minderem Wert, was auch eine Bezahlung von
Familienarbeiten ausschließt, denn: »Die Hausfrauenlohnforderung basiert
auf einer Mißachtung der emanzipatorischen Elemente in JEDER Frauenberufstätigkeit.«
(Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 279). Doch folgen wir den Worten Alice
Schwarzers weiter: »icher, die viel geschmähte Neue Frauenbewegung
hat im Westen eine wahre Kulturrevolution ausgelöst .... Sie hat damit nicht
nur die Verhältnisse tief greifend verändert - sie hat auch das Denken
und Fühlen von Frauen wie Männern beeinflußt. Erstmals in der
neueren Geschichte sind Frauen rechtlich ganz gleichberechtigt und haben zumindest
formal einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Beruf. Und heutzutage
planen Mädchen, auch wenn sie später einen Mann und Kinder wollen, eine
- zumindest relativ - eigenständige berufliche Zukunft. Und Mütter streben,
trotz aller Hindernisse, in den Beruf ... - Europäerinnen heiraten immer
weniger und bekommen immer weniger Kinder. Letzteres hat zwei Gründe: Zum
einen ist eine Frau nicht mehr gezwungen, Mutter zu werden, um als Frau ernst
genommen zu werden; zum zweiten ist für diejenigen, die Kinder wollen, die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch immer eine hohle Phrase.
Darum war im Jahr 2000 jede dritte Fünfunddreißigjährige in Deutschland
kinderlos .... Und in manchen Nachbarländern ist die Entwicklung ähnlich.
Die Frauen im Westen sind ohne Aufhebens in den Kinderstreik getreten.«
(Alice Schwarzer, a.a.O., 2002, S. 9f.). Gemäß Alice Schwarzer
sind die Frauen in den westlichen Industrienationen in einen Gebärstreik
getreten, und der Hauptgrund dafür sei die fehlende Vereinbarkeit von Beruf
und Familie (in dieser Reihenfolge). Die Ausführungen des vorliegenden Buches
zeigen jedoch unmißverständlich, daß es sich hierbei um eine
Fehleinschätzung handelt, die maßgeblich mitverantwortlich für
die in Deutschland nun (2007) schon fast 40 Jahre
währende prekäre Nachwuchssituation sein dürfte. (Ebd., S.
79-80).Ausschlaggebend bei einer Entscheidung für oder gegen
einen eigenen Nachwuchs sind in der Regel ganz andere Gründe, und zwar insbesondere
die ökonomischen beziehungsweise biographischen Opportunitätskosten
von Kindern. (Ebd., S. 80-81).
6.4) Gender Mainstreaming
Aber die feministischen Langzeitziele
sind ja noch viel weitreichender. Im Prinzip sollen alle Geschlechterunterschiede
- von denen die meisten angeblich nur anerzogen sind - aufgehoben werden, so daß
ein »neuer Mensch« entstehen kann: »Was nun den seit Jahrhunderten
währenden Streit um angeboren oder anerzogen? angeht, so
scheint er mir schlicht müßig. Befreien wir die Frauen wie Männer
von den Rollenzwängen und geben wir ihnen gleiche Rechte wie Pflichten sowie
real gleiche Chancen - und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ja, es stimmt,
die schlimmsten Albträume der Fundamentalisten und Biologisten müßten
wahr werden: Das werden nicht mehr die gewohnten Frauen und Männer
sein - die sind es schon heute nicht mehr -, sondern herauskommen wird ein neuer
Mensch. Ein Mensch, bei dem die individuellen Unterschiede größer
sein werden als der Geschlechtsunterschied. Ein Mensch, der sich nicht mehr mit
der Reduktion auf die Hälfte begnügt, sondern der nach der ihm geraubten
anderen Hälfte greift. Ein Mensch der weder nur weiblich noch
männlich ist, sondern vollständig. Ich bin überzeugt,
daß dies letztendlich für beide Geschlechter eine große Erleichterung
wäre.« (Alice Schwarzer, a.a.O., 2007, S. 168). Damit dies
auch gelingen kann, soll mit der dafür notwendigen Umerziehung bereits im
Kindheitsalter begonnen werden: »Eine wirklich emanzipatorische Jungenarbeit
aber müßte konsequent Schluß machen mit der Teilung von Kindern
in Jungen und Mädchen. Damit die Fremdheit der Geschlechter ein Ende findet,
sollten Jungen im Gegenteil die Frauenwelten kennenlernen - und Mädchen die
Männerwelten. Nur so werden ganze Menschen daraus.« (Alice Schwarzer,
a.a.O., 2007, S. 162). Thematisch läuft das Ganze unter dem Begriff Gender
Mainstreaming, welches mittlerweile zur regierungsamtlichen Gleichstellungsstrategie
erhoben wurde: Gender Mainstreaming ist eine Strategie, um durchgängig
sicherzustellen, daß Gleichstellung als Staatsaufgabe (Art. 3 Abs. 2 GG)
insbesondere von allen Akteurinnen und Akteuren der öffentlichen Verwaltung
verwirklicht wird. (Vgl. Bundeministerium für Frauen, Senioren, Familie,
Jugend, a.a.O.). (Ebd., S. 84).Im Prinzip wird hier
eine staatlich verordnete Angleichung der Geschlechter betrieben. Insbesondere
sollen »tradierte« Rollenzuweisungen nicht weiter verfestigt werden,
selbst dort nicht, wo sie gesamtgesellschaftlich unbedingt Sinn machen. In den
Abschnitten »Sexuelle
Arbeitsteilung« ab Seite 47 und »Die
Angleichung der Geschlechter macht dumm« ab Seite 94 des vorliegenden
Buches wird dagegen nachgewiesen, daß diese Strategie grundsätzlichen
biologischen Gegebenheiten widerspricht (oder anders ausgedrückt: sie steht
im Widerspruch zu fundamentalen Naturgesetzen) und auf diese Weise zu einer Verletzung
der Generationengerechtigkeit
führen dürfte. Um es auf eine Kurzformel zu bringen: Die Natur hat den
beiden Geschlechtem nicht deshalb so völlig unterschiedliche Fortpflanzungsaufwände
zugewiesen, damit der Mensch dies bei Bedarf mal eben so aufheben kann. Stattdessen
handelt es sich bei den Unterschieden um eine biologische Notwendigkeit.
(Ebd., S. 86).
6.5) Alles besser durch Vereinbarkeit?
Daneben wird immer
wieder die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemängelt, worunter
speziell beruflich qualifizierte und engagierte Menschen zu leiden hätten.
Auch Alice Schwarzer wies in ihrer Anmerkung weiter oben auf diesen Umstand hin.
Im Abschnitt »Sexuelle
Arbeitsteilung« ab Seite 47 konnte längst nachgewiesen werden,
daß eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf die demographischen
Probleme der entwickelten Länder nicht lösen wird. Dennoch soll an dieser
Stelle noch einmal unter einem etwas anderen Blickwinkel auf die Vereinbarkeitsproblematik
eingegangen werden. (Ebd., S. 86).Tatsächlich scheinen
... ganz andere Gründe ausschlaggebend zu sein. (Ebd., S. 86).Wenn
sowohl die Arbeit an der Karriere als auch die Kindererziehung den ganzen Einsatz
der Person erfordern, dann ist Gleichheit im Geschlechterverhältnis funktional
gesehen eine instabile Lösung, weil es schwierig ist, so komplex gewordene
Aufgaben wie kompetente und verantwortungsbewusste Kindererziehung und das Verfolgen
zweier Karrieren unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen so zu meistern, daß
dabei auch noch die Ansprüche an partnerschaftliche Gleichheit und Gerechtigkeit
erfüllt werden können. (Vgl. Günter Burkhart, Zaudernde
Männer, zweifelnde Frauen, zögernde Paare, in: Peter A. Berger /
Heike Kahlert [Hrsg.], Der demographische Wandel, 2006, S. 128f.).
(Ebd., S. 87).Mit anderen Worten: Selbst bei optimaler Vereinbarkeitsinfrastruktur
werden gerade gebildete und beruflich engagierte Paare zu hoher Kinderlosigkeit
und geringen Kinderzahlen neigen. Und Günter Burkhart weist dabei auf den
springenden Punkt hin, der im vorliegenden Buch im Rahmen der Analyse des Selektionsprinzips
der Evolutionstheorie mit seinen beiden Optimierungspfaden bezüglich Produktion
und Reproduktion auch schon herausgestellt wurde: die Schwierigkeit nämlich,
sowohl »so komplex gewordene Aufgaben wie kompetente und verantwortungsbewusste
Kindererziehung und das Verfolgen zweier Karrieren unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen«
gleichzeitig zu meistem und zu optimieren. (Ebd., S. 87).Aber
auch harte ökonomische Faktoren können gerade bei gutverdienenden Paaren
eine wesentliche Rolle bei einer Entscheidung gegen Kinder spielen. Dies soll
an einem Beispiel verdeutlicht werden: Betrachten wir den Fall eines beruflich
erfolgreichen Paares, welches zum Beispiel 4000 Euro Netto pro Person und Monat
verdient. Die Geburt eines Kindes würde auf jeden Fall zu einer Unterbrechung
der Erwerbstätigkeit fuhren. In dieser Zeit hat die Familie höhere Kosten,
aber ein deutlich geringeres Einkommen (1800 Euro Elterngeld statt 4000 Euro Gehalt).
Ob die Berufstätigkeit danach in vollem Umfang wieder aufgenommen werden
kann, läßt sich im Vorfeld nicht sagen. Auch müssen möglicherweise
Karriereeinbußen hingenommen werden. Spätestens ab dem dritten oder
vierten Kind muß eine Person (üblicherweise die Mutter) über einen
längeren Zeitraum ganz auf eine Berufstätigkeit verzichten (Phasenmodell).
Während der Familienphase reduziert sich das Familieneinkommen auf fast die
Hälfte, während die Kosten steil in die Höhe steigen. Auch erhöht
sich das ökonomische Risiko gegenüber einem vergleichbaren kinderlosen
Ehepaar beträchtlich, weil jetzt das gesamte Familieneinkommen von einer
Person erwirtschaftet werden muß. Wenn diese Person arbeitslos oder krank
wird, dann könnte die gesamte Familie zu Sozialhilfeempfängern werden.
All dies würde nicht passieren, wenn man kinderlos geblieben wäre. Für
ein Ehepaar, bei dem beide Elternteile arbeitslos sind und von der Sozialhilfe
leben, verschlechtert sich die ökonomische Situation durch Kinder dagegen
nicht, unter Umständen bessert sie sich sogar. Das Beispiel zeigt, daß
es für Paare mit hoher Bildung kein vernünftiges ökonomisches Modell
für eine Familiengründung gibt. Es weist aber auch noch auf einen anderen
bedeutsamen Umstand hin: Gebildete Paare mit Kindern vergleichen sich ökonomisch
mit ähnlich ausgebildeten Singles oder Paaren ohne Kinder. Sie vergleichen
sich nicht mit Eltern ohne Berufs- und Ausbildungsabschluß. Betrachtet man
die Sache von dieser Warte aus, dann werden Paare mit hoher Bildung durch eine
Familiengründung massiv gegenüber entsprechenden Singles oder kinderlosen
Paaren benachteiligt, berufslose Paare ohne Bildungsabschluss dagegen nicht.
(Ebd., S. 87-88).In der öffentlichen Debatte werden Familien
meist untereinander verglichen, was sehr problematisch ist. (Ebd., S. 88).
6.6) Warum Mutti doch die Beste ist
Das Feindbild Nummer
1 des Feminismus ist seit einiger Zeit nicht mehr der Mann, sondern die Hausfrau
(»Mutti«), die all das repräsentiert, was man hinter sich gelassen
zu haben glaubte. (Ebd., S. 89).Stellen Sie sich einen Staat
vor, der normalerweise aus drei Generationen zu jeweils 8 Personen besteht, insgesamt
also 24 Menschen, wobei jeweils 50 Prozent der Mitglieder männlich beziehungsweise
weiblich sind. Jeweils 30 Jahre lang wäre man zunächst Kind beziehungsweise
Auszubildender, dann Erwerbstätiger, und schließlich Rentner. Stellen
Sie sich bitte weiter vor, in dieser Gesellschaft seien alle Erwerbstätigen
Akademiker (deshalb auch die lange Ausbildungszeit). Und von Akademikern wissen
wir ja nun, daß sie besonders wenige Kinder haben. Konkret: Die Frauen brächten
durchschnittlich jeweils ein Kind zur Welt und wären dann auch nicht gezwungen,
ihre Arbeit nennenswert zu unterbrechen. Desweiteren hätte jeder Erwerbstätige
30 Jahre lang jeden Monat 2000 Euro an Steuern zu zahlen und einen Rentner mit
1000 Euro und ein halbes Kind mit 400 Euro (pro ganzes Kind also 800 Euro) zu
versorgen. Wir erinnern uns: Jede Familie hat in unserer fiktiven Gesellschaft
nur ein Kind, das heißt, ein halbes Kind pro Person. Sozialleistungen | Pro
Erwerbsperson und Monat in € | Pro
Erwerbsperson insgesamt in € | Steuern | 2000 |
720000 | Rentenbeitrag | 1000 |
360000 | Kind |
400 |
144000 | Summe | 3400 | 1224000 |
Abbildung
9) Sozialleistungen der aktuellen Generation (**)
(**) | Doch
betrachten wir jetzt einmal die Situation in der nächsten Generation. Nun
gäbe es nur noch 4 Erwerbstätige, die insgesamt zwei Kinder und acht
Rentner zu versorgen hätten. In der Folge ürden die monatlichen Rentenbeitragszahlungen
auf 2000 Euro anwachsen. Sozialleistungen | Pro
Erwerbsperson und Monat in € | Pro
Erwerbsperson insgesamt in € | Steuern | 2000 |
720000 | Rentenbeitrag | 2000 |
720000 | Kind |
400 |
144000 | Summe | 4400 | 1584000 |
Abbildung
10) Sozialleistungen der nächsten Generation (**)
(**) | Die
nächste Generation hätte also pro Kopf deutlich mehr Sozialleistungen
als die vorangegangene abzuführen.Daneben
ist aber noch folgendes zu beachten: Die erste Generation würde im Laufe
ihres Lebens 5760000 (= 8 720000) Euro Steuern an den Staat abführen,
die nächste dagegen nur noch 2880000 (= 4 720000) Euro. Aus Sicht
des Staates dürfte das alles andere als wünschenswert sein, denn er
verlöre ja dabei die Hälfte seiner gesamten Einnahmen. (Ebd.,
S. 91-92).Betrachten wir nun eine Alternative:
Eine Frau (in meinem Buch »Die
Familienmangerin« [2006] heißen solche Mütter »Familienmanagerin«
- im folgenden sollen sie aber »Mutti« genannt werden) hätte
sich dazu bereit erklärt, nicht nur ein Kind, sondern gleich fünf in
die Welt zu setzen und liebevoll und gewissenhaft aufzuziehen. Allerdings wollte
sie dafür angemessen entlohnt werden und nicht noch gleichzeitig einer Erwerbsarbeit
nachgehen müssen. Konkret: Mutti forderte ein Gehalt in Höhe von 2000
Euro monatlich und zusätzlich 800 Euro Kostenerstattung für jedes ihrer
Kinder (denn Mutti ist emanzipiert). Diese Zahlung von insgesamt 6000 Euro monatlich
erhielte sie rein Netto, Steuern und Rentenbeiträge müßte sie
dagegen nicht abführen. Indirekt forderte sie also noch weitere 1000 Euro
an Rentenbeitragszahlungen pro Monat, die von den anderen sieben Erwerbstätigen
aufzubringen wären. Insgesamt kosteten Mutti und ihre fünf Kinder also
7000 Euro monatlich, das heißt, jeder der sieben verbliebenen Erwerbstätigen
hätte für sie 1000 Euro monatlich zu zahlen. Die drei anderen Frauen
würden natürlich - wie schon bisher - jeweils ein Kind haben und gemeinsam
mit ihren Ehemännern aufziehen. Gleichzeitig würden sie - wie die Männer
- einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf diese Weise reduzierte sich die Zahl
der Erwerbstätigen von acht auf sieben und dem Staat entgingen im Laufe einer
Generation immerhin 720000 Euro an Steuereinnahmen. Insgesamt nähme er dann
nämlich nicht mehr 5760000 Euro an Steuern ein, wie im ersten Beispiel, sondern
nur noch 5040000 Euro. .... Für die Erwerbstätigen würde sich die
Situation nun wie folgt darstellen: Sozialleistungen | Pro
Erwerbsperson und Monat in € | Pro
Erwerbsperson insgesamt in € | Steuern | 2000 |
720000 | Rentenbeitrag | 1000 |
360000 | Kind |
400 |
144000 | Mutti
mit Kindern | 1000 |
360000 | Summe | 4400 | 1584000 |
Abbildung
11) Sozialleistungen der aktuellen Generation MIT MUTTI (**)
(**) | Die
Erwerbstätigen der aktuellen Generation müßten also genauso viele
Sozialleistungen abführen wie im ersten Beispiel (ohne Mutti) die nächste
Generation. Denn die 360000 Euro Differenz würden sie ja nicht länger
in teure Flugreisen und schicke Autos, sondern in die nächste Generation
investieren. Ich glaube, so etwas nennt man Generationengerechtigkeit.Doch
kommen wir nun zur nächsten Generation »mit Mutti«. Die obige
Abbildung bliebe völlig unverändert, denn die aktuelle Generation hätte
sich ja nachhaltig fortgepflanzt. (Vorausgesetzt natürlich, auch in der nächsten
Generation rande sich wieder eine »Mutti«, die entsprechend zu finanzieren
wäre). Auch würde der Staat wieder genau die gleichen Steuereinnahmen
haben, nämlich insgesamt 5040000 Euro für die gesamte Generation. Und
hier entstünde nun eine bemerkenswerte Differenz: Denn ohne die Leistung
Muttis würde der Staat in der nächsten Generation lediglich insgesamt
2880000 Euro einnehmen. (Ebd., S. 93-94).Wir können
also festhalten: Durch Muttis fehlende Erwerbstätigkeit gehen dem Staat in
der aktuellen Generation 720000 Euro an Steuereinnahmen verloren, dafür nähme
er in der nächsten Generation dank Mutti 2160000 Euro mehr ein. (Damit ließe
sich dann sicherlich auch noch Muttis akademische Ausbildung rechtfertigen, oder?).
Oder anders ausgedrückt: Mutti ist die Beste! (Ebd., S. 94).Betrachtet
man die Sache aus Sicht des Staates und der Solidargemeinschaft und weniger aus
Sicht der Wirtschaft, dann rechnet sich nichts so sehr wie eine ausreichende Zahl
an wohlerzogenen und kompetenten Kindern. Und damit natürlich erst recht
»Mutti«. (Ebd., S. 94).
6.7) Die Angleichung der Geschlechter macht dumm
Nun sind
alle Vorarbeiten abgeschlossen, und ich möchte zu einer Kernaussage des vorliegenden
Buches kommen: Die
weitestgehende Angleichung der Geschlechter macht moderne Gesellschaften zunehmend
ärmer und dümmer! | Dazu
sollen zunächst noch einmal die wesentlichen, im Laufe des Buches nachgewiesenen
Fakten in Erinnerung gerufen werden: | Allgemeine
Intelligenz ist zu ganz erheblichen Anteilen erblich. | | Es
besteht eine enge Korrelation zwischen dem Wohlstand eines Landes und dem durchschnittlichen
IQ seiner Bevölkerung | | In
modemen, »gleichberechtigten« Gesellschaften besteht ein negativer
Zusammenhang zwischen Bildungs- beziehungsweise Intelligenzniveau und der Zahl
an Nachkommen. | | Diese
Relation wird unmittelbar durch die Angleichung der Geschlechter und die Auflösung
geschlechtsspezifischer Rollen bewirkt. | | Maßnahmen
zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können die negative
Korrelation weder umkehren noch aufheben. | In klassischen
patriarchalischen Gesellschaften strebten ausschließlich die Männer
nach gesellschaftlichen Positionen oder beruflichem Erfolg. Hatte ein Mann schließlich
eine gute und sichere berufliche Stellung erreicht, begann er meist bald an eine
Familiengründung zu denken. Allerdings war er nun möglicherweise bereits
ein wenig älter. (Ebd., S. 94-95).Ohne die in den letzten
200 Jahren erzielten Fortschritte in der Medizin und Hygiene mußten Frauen
in der Vergangenheit stets eher vier bis sechs Kinder zur Welt bringen, damit
der Fortbestand einer Familie gesichert war. Ein beruflich erfolgreicher, nun
aber möglicherweise schon etwas reiferer Mann interessierte sich folglich
bevorzugt für sehr junge Frauen, da diese ihm noch besonders viele Kinder
schenken konnten. (Ebd., S. 95).Frauen wiederum bevorzugten
in erster Linie wohlhabende beziehungsweise gutsituierte Männer, denn in
einer solchen Verbindung waren ihre ökonomische Versorgung und die ihrer
Kinder möglichst gut gesichert. (Vgl. Thoams P. Weber, Soziobiologie,
2003, S. 77; Satoshi Kanazawa, Can Evolutionary Psychology explain Reproductive
Behaviour in the Contempory United States?, 2003). Aus gesellschaftlicher
Sicht machte deshalb eine Ehe zwischen einem etwa 35-jährigen, beruflich
erfolgreichen Mann und einer 15-jährigen Frau in höchstem Maße
Sinn, denn hierdurch konnten besonders viele Erfolgsmerkmale an die nächste
Generation weitergegeben werden. (Die Verbindung einer reiferen Frau mit einem
jüngeren Mann machte aus gesellschaftlicher Sicht dagegen überhaupt
keinen Sinn, weswegen solche Beziehungen dann auch meist diskreditiert wurden).
Auch erklärt sich hierdurch der biologische Sinn der oftmals bis ins hohe
Alter reichenden Zeugungsfähigkeit von Männern. Es ist nicht auszuschließen,
daß ein hohes Alter eines Mannes bei gleichzeitig gutem Gesundheitszustand
in historischen Gesellschaften ebenfalls als ein Indikator für eine hohe
genetische Fitneß gewertet wurde, welches ihn als möglichen Fortpflanzungspartner
interessant machte. (Ebd., S. 95).Da Frauen aus der Konkurrenz
um soziale und berufliche Positionen vollständig herausgehalten wurden, gab
es für sie - anders als bei Männern - kaum objektiv bewertbare Erfolgsmerkmale,
zumal sie im heiratsfähigen Alter meist auch noch zu jung waren, als daß
sie sich im Leben bereits bewährt haben konnten. Männer wählten
ihre Frauen deshalb ganz häufig nach Herkunft (Elternhaus) und/oder optischen
Gesichtspunkten aus, zumal das Aussehen der Partnerin sie ein wenig auf deren
genetische Fitneß schließen ließ. Geoffrey F. Miller behauptet
allerdings, der menschliche Geist sei selbst ein Bündel von Fitneßindikatoren,
die im Rahmen der Partnerwerbung validiert werden könnten (Vgl. Geoffrey
F., Die sexuelle Evolution, 2001, S. 124 ff.). (Ebd., S. 96).Natürlich
waren intelligente Männer gleichzeitig vor allem an intelligenten Frauen
interessiert, denn aus den Nachkommen sollte ja mal etwas werden. (**).
Auch mußte die Ehefrau gegebenenfalls einen größeren Haushalt
führen und managen. Allerdings werden die folgenden Seiten zeigen, daß
die geistige Weiterentwicklung einer patriarchalisch organisierten Population
selbst dann möglich ist, wenn die Intelligenz der Frauen nicht mit der ihrer
Partner korreliert. (Ebd., S. 96).
Bei
verheirateten Paaren läßt sich eine deutliche selektive Partnerwahl
bezüglich der Intelligenz feststellen. (Vgl. T. J. Bouchard / M. McGue, Familial
Studies of Intelligence, 1981). Bei kurzfristigen Beziehungen stellen allerdings
Männer im Gegensatz zu Frauen geringere Anforderungen an die Intelligenz
des Sexualpartners (D. T. Kenrick / E. K. Sadalla / G. Groth / M. R. Trost, Evolution,
Traits and the Stages of Human Courtship,1990), was aus biologischen Gründen
auch zu erwarten ist. |
Stellen
wir uns dazu eine Population vor, deren Menschen über drei verschiedene Intelligenzniveaus
verfügen: Hoch, mittel und niedrig, wobei jeweils genau ein Drittel (= 33,33
Prozent) der Männer und Frauen hoch, mittel oder niedrig intelligent sind.
Hohe Intelligenz entspräche einem Intelligenzquotienten (IQ) von 130, mittlere
einem IQ von 100 und niedrige einem von 70. Ferner sei angenommen, ein Kind erbe
mit einer jeweils 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit entweder die Intelligenz des
Vaters oder der Mutter. Mit einer 40-prozentigen Wahrscheinlichkeit erlange das
Kind seine Intelligenz dagegen durch eine zufällige Mutation. Es habe dann
anteilsmäßig eine beliebige sonstige Intelligenz. Mit anderen Worten:
Mit einer weiteren 13,33-prozentigen Wahrscheinlichkeit sei das Kind aufgrund
einer Mutation hoch-, mittel- oder niedrigintelligent. Für unsere fiktive
patriarchalische Gesellschaft stellen wir uns nun weiter vor, Männer wählten
aus der Gesamtheit der Frauen eine Partnerin aus, ohne deren geistige Kompetenzen
vorher zu kennen. Da sich in unserem Modell die individuelle Fertilität einer
Frau ausschließlich an den ökonomischen Möglichkeiten ihres Ehemannes
orientiert, der berufliche Erfolg von Männern aber in keinem Zusammenhang
zu den geistigen Kompetenzen ihrer Ehefrauen steht, würden folglich Frauen
mit hoher, mittlerer und niedriger Intelligenz durchschnittlich gleich viele Kinder
pro Person in die Welt setzen, beispielsweise genau zwei. Bei den Männern
sähe das etwas anders aus. Intelligente und damit häufig beruflich erfolgreiche
Männer könnten sich mehr Kinder als andere Männer leisten. Sie
würden durchschnittlich 2,2 Kinder pro Person haben. Männer mit mittlerer
Intelligenz kämen durchschnittlich auf zwei Kinder pro Kopf und Männer
mit niedriger Intelligenz lediglich auf 1,8. Entsprechende Fertilitätsunterschiede
lassen sich für die gesamte Geschichte der Menschheit nachweisen. (Vgl. Laura
Betzig, a.a.O., 1986; Eckart Voland, Grundriß der Soziobiologie,
2000, S. 89 f.; Rosemary L. Hopcroft, Sex, Status and Reproductive Success,
2006, S. 105). (Ebd., S. 96-97).Die nächste Generation
hätte dann die folgende Intelligenzverteilung:Intelligenz | Verteilung
bei Kindern | Hoch | 34,33
Prozent | Mittel | 33,33
Prozent | Niedrig | 32,33
Prozent |
Abbildung
12) Intelligenzverteilung nächste Generation: Patriarchalische Gesellschaft
(**) (**)
| Mit anderen Worten:
Die nächste Generation wäre durchschnittlich intelligenter als die vorangegangene.
Hatte die Elterngeneration noch einen durchschnittlichen IQ von 100, so ist dieser
bei der Folgegeneration bereits auf 100,6 angestiegen. (Ebd., S. 97).In
modernen, der Gleichberechtigung der Geschlechter unterliegenden Gesellschaften
streben sowohl Männer als auch Frauen nach gesellschaftlichen Positionen
oder beruflichem Erfolg. Haben sie schließlich eine gute und sichere berufliche
Stellung erreicht, können sie an eine Familiengründung denken. Meist
sind beide Partner dann aber schon ein wenig älter. Für den sehr kurzen
Zeitraum, der unter solchen Verhältnissen für den Aufbau einer beruflichen
Karriere und die Gründung einer Familie bleibt, wurde in der Fachliteratur
der Begriff »Rushhour des Lebens« geprägt (siehe zum Beispiel:
Hans Bertram / W. Rösler / N. Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik,
2005). In patriarchalischen Gesellschaften besteht - wie beschrieben - eine vergleichbare
»Rushhour« nicht, da Männer praktisch bis ins hohe Alter zeugungsf!ihig
sind, ihnen also sehr viel mehr Zeit zum Aufbau einer beruflichen Karriere bleibt.
Auch dieser Umstand zeigt, daß mit der gesellschaftlich angestrebten Angleichung
der Geschlechterrollen massiv in die menschliche Biologie eingegriffen wird. Hierdurch
werden Probleme geschaffen, die dann ins Visier der Familien- und Geschlechterforschung
geraten, obwohl sie eigentlich gar nicht sein müßten. (Ebd.,
S. 98).Aufgrund der hohen Opportunitätskosten von Kindern
bekommen Frauen dann um so weniger Kinder, je beruflich qualifizierter sie sind,
denn für sie steht ja bei einer Familiengründung beruflich und finanziell
am meisten auf dem Spiel. Außerdem haben sie dann meist besonders wenig
Zeit für Familienarbeit. Denn gerade karriereorientierte Frauen müssen
in qualifizierten Berufen gleich viel in ihre Ausbildung und ihre Arbeit investieren
wie kinderlose Frauen oder Männer. Sie konkurrieren also direkt mit anderen,
die durch keinerlei Familienarbeit in der Ausübung ihres Berufes eingeschränkt
sind. Dies gilt selbst dann, wenn sich beide Elternteile die Familienarbeit paritätisch
teilen, und eine optimale Betreuungsinfrastruktur vorhanden ist. In diesem Fall
würden sich auch für die beteiligten Männer nennenswerte Opportunitätskosten
für weitere Kinder einstellen, da die Familienarbeit sie genauso wie ihre
Frauen am Ausbau ihrer Karriere hindern würde (Ebd., S. 98).All
diese Zusammenhänge sind empirisch und theoretisch sehr gut abgesichert.
Ein Überblick über die dazugehörigen Fertilitätstheorien und
ihre Begründungen findet sich im Abschnitt »Fertilitätstheorien«
ab Seite 2. (Ebd., S. 98).Stellen wir uns nun als Alternative
zu unserer obigen patriarchalischen Population eine »gleichberechtigte«
Gesellschaft vor, bei der die Frauen um so weniger Kinder bekommen, je qualifizierter
sie sind. Wir nehmen also zum Beispiel an, Frauen mit hoher Intelligenz würden
durchschnittlich 1,8 Kinder pro Person haben, Frauen mit mittlerer Intelligenz
zwei, und Frauen mit niedriger Intelligenz immerhin 2,2. (Ebd., S. 99).Das
generative Verhalten der Bevölkerung orientierte sich nun also sehr stark
am sozialen Erfolg der Frauen. In patriarchalischen Gesellschaften war das - wie
wir gesehen haben - genau umgekehrt. Für die Männer kämen unter
solchen Bedingungen zwei unterschiedliche generative Verhaltensweisen in Betracht.
In einem ersten Modell würden sie sich unabhängig von ihrer Intelligenz
mit einer beliebig intelligenten Partnerin verbinden und dann im Durchschnitt
zwei Kinder pro Person haben. Und in einem zweiten Modell würden sie sich
bevorzugt mit gleichqualifizierten Frauen verbinden und dann natürlich genauso
viele Kinder wie ihre Partnerinnen haben . Das zweite Modell dürfte aufgrund
der festgestellten Bildungshomogarnie bei Paaren (vgl Bernd Eggen / Marina Rupp,
Kinderreiche Familien, 2006, S. 56) oder der Korrelation der IQs bei Ehepaaren
(vgl. T. J. Bouchard / M. McGue, a.a.O., 1981) das aktuelle Paarungsverhalten
in modemen Gesellschaften realistischer widerspiegeln. Aber auch ganz unabhängig
davon, wären bei einer sehr starken Geschlechterangleichung Männer ganz
ähnlich zu betrachten wie Frauen. Konkret hieße das: Männer mit
hoher Intelligenz hätten dann 1,8 Kinder pro Person, Männer mit mittlerer
Intelligenz zwei und Männer mit niedriger Intelligenz 2,2. (Ebd., S.
99).In der nächsten Generation stellten sich dann die beiden
folgenden Intelligenzverteilungen:Intelligenz | Verteilung
bei Kindern | Hoch | 32,33
Prozent | Mittel | 33,33
Prozent | Niedrig | 34,33
Prozent |
Abbildung
13) Intelligenzverteilung nächste Generation: Gleichberechtigung der Geschlechter
(**) (**) |
Intelligenz | Verteilung
bei Kindern | Hoch | 31,33
Prozent | Mittel | 33,33
Prozent | Niedrig | 35,33
Prozent |
Abbildung
14) Intelligenzverteilung nächste Generation: Gleichberechtigung + Bildungshomogamie
(**) (**) | Der
Anteil der Personen mit niedriger Intelligenz nähme in beiden Modellvarianten
mit Gleichberechtigung der Geschlechter von Generation zu Generation zu, während
immer weniger Menschen über eine hohe Intelligenz verfügten. Bei einer
angenommenen Bildungshomogarnie bei Paaren oder IQ-Korrelation unter Ehepaaren,
aber auch einer starken Angleichung der Geschlechter, wäre diese Entwicklung
ganz besonders markant. Umgerechnet in IQs ergäbe sich das folgende Bild:
In der ersten Modellvariante hätte die nächste Generation einen durchschnittlichen
IQ von 99,4, bei der zweiten (realistischeren) Modellvariante sogar nur noch einen
von 98,8. (Ebd., S. 99-100). Ein typischer Einwand könnte
lauten: Die Intelligenz eines Menschen ist vielleicht durchschnittlich nur zu
60 Prozent erblich. Mit entsprechenden Fördermaßnahmen könnte
der durchschnittliche IQ der Bevölkerung also ganz leicht wieder angehoben
werden. Dagegen sprechen jedoch die folgenden Sachverhalte: | Die
Fördermaßnahmen müßten von Bürgern mit hoher Intelligenz
erbracht werden, denn nur diese besitzen ja die entsprechenden Kompetenzen. Deren
Zahl nimmt aber ab. | | Die
Fördermaßnahmen übersetzten sich in zusätzliche gesellschaftliche
Kosten. Einerseits müßten die zusätzlichen Lehrer von den restlichen
Erwerbstätigen finanziert werden, andererseits fehlten sie als hochqualifizierte
Arbeitnehmer an anderen Stellen. | | Gemäß
der in der Biologie allgemein akzeptierten und als Weismann-Barriere (**)
bezeichneten Regel, nach der Erfahrungen, die ein Individuum mit der Umwelt macht,
nicht in den Erbgang einfließen können, würden die zusätzlichen
Bildungsmaßnahmen keinen Einfluß auf den erblichen Teil der Intelligenz
nehmen. In der übernächsten Generation wäre der durchschnittliche
IQ der Population bei Modellvariante 2 schon auf 97,8 gesunken. Von Generation
zu Generation müßte folglich immer mehr in zusätzliche Bildungsmaßnahmen
bei gleichzeitig schwindendem Lehrerpotential investiert werden. | Wir
können also zusammenfassen: In patriarchalischen Gesellschaften korreliert
die Zahl an Nachkommen mit dem sozialen Erfolg und der Intelligenz der Männer,
wodurch die Bevölkerung von Generation zu Generation sukzessive an Intelligenz
gewinnt. In modernen »gleichberechtigten« Gesellschaften besteht dagegen
üblicherweise eine negative Korrelation zwischen der Zahl an Nachkommen und
der Intelligenz der Männer und Frauen, wodurch die Bevölkerung von Generation
zu Generation sukzessive an Intelligenz verliert. Die These eines sukzessiven
genotypischen Intelligenzverlustes (und damit indirekt eines Kulturverlustes)
moderner Gesellschaften ist insgesamt nicht neu, werden solche Entwicklungen doch
von verschiedenen Autoren zumindest für die USA seit einiger Zeit vermutet
(zum Beispiel (Daniel R. Vining, a.a.O., 1982; Daniel R. Vining, a.a.O., 1995;
Richard Lynn / Marilyn Van Court, a.a.O., 2004; Richard Lynn, a.a.O., 1998; Richard
Lynn, a.a.O., 1996). Im vorliegenden Buch wird allerdings zusätzlich noch
behauptet, hierbei handele es sich um eine zwangsläufige Folge einer zu starken
Angleichung der Geschlechter mit ähnlichen bis identischen Lebensentwürfen
für Frauen und Männer. Eine solche zunehmende Angleichung scheint auch
in anderen historischen menschlichen Hochkulturen stattgefunden zu haben. Möglicherweise
hat sie zu deren Untergang beigetragen. (Ebd., S. 100-101).Da
der durchschnittliche IQ einer Bevölkerung auch mit dem Wohlstand des Landes
korreliert, dürfte sich in solchen Gesellschaften zunehmend Armut ausbreiten.
Kurz: Eine solche Gesellschaft brasilianisiert und entwickelt sich zurück
in ein Entwicklungsland. (Ebd., S. 101).Ferner zeigen die
obigen Resultate: Die enorme menschliche Gehirnentwicklung während der Altsteinzeit
dürfte maßgeblich auf die sexuelle Arbeitsteilung unserer Vorfahren
zurückzuführen sein. Diese hatte folglich einen Sinn und stellte einen
evolutionären Vorteil dar, und man darf nun nicht erwarten, man könnte
in solche Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens mal eben so eingreifen, ohne
daß dies Konsequenzen haben wird. (Ebd., S. 101).Man
versteht nun auch den eigentlichen Sinn der menschlichen Reproduktionseinheit
»Familie« besser. Diese dient nicht nur der Sicherung der Generationenfolge
durch Weitergabe des Lebens, sondern offenbar auch dazu, eine gesellschaftliche
Weiterentwicklung zu unterstützen. Dies scheint aber nur bei sexueller Arbeitsteilung
möglich zu sein. Mit der Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter
dürfte die Familie somit einen großen Teil ihres ursprünglichen
Sinns verlieren. Im Prinzip wäre das menschliche Familiensystem damit zerstört.
(Ebd., S. 101).
6.8) Reproduktionsorganisation
Ich fasse noch einmal
kurz zusammen: Das unterschiedliche Fortpflanzungsverhalten in patriarchalischen
und modernen, gleichberechtigten Gesellschaften läßt sich grob angenähert
wie folgt beschreiben: | In
patriarchalischen Gesellschaften konkurrieren die Männer um berufliche Positionen.
Je größer ihr Erfolg dabei ist, desto besser sind ihre Chancen bei
besonders attraktiven und gutgestellten (»aus gutem Elternhaus«) Frauen.
Entscheidend für die Fertilität einer Familie sind die ökonomischen
Möglichkeiten des Mannes. Die sexuelle Selektion richtet sich somit insgesamt
am Erfolg aus und genügt damit dem Selektionsprinzip der Evolutionstheorie.
Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Frauen aus dem Spiel um
Macht und berufliche Positionen herausgehalten werden und zwischen Männern
und Frauen eine sexuelle Arbeitsteilung besteht. | | In
modernen, gleichberechtigten Gesellschaften konkurrieren sowohl Männer als
auch Frauen um berufliche Positionen innerhalb einer marktwirtschaftlich organisierten
Wirtschaft. Entscheidend für die Fertilität einer Familie sind die beruflichen
Freiräume der Frau, bei paritätischer Aufteilung der Familienarbeit
auch die des Mannes. Die gesellschaftliche Reproduktion ist üblicherweise
sozialistisch organisiert, weshalb es dort zur Tragik der Allmende kommen dürfte
(siehe Abschnitt »Die
Tragik der Allmende« ab Seite 73). In der Reproduktion hat also der
»Faule« den größten Erfolg beziehungsweise die geringsten
Kosten. Gesellschaftlicher Erfolg ist deshalb verknüpft mit beruflichem Erfolg
und reproduktiver »Faulheit«, gesellschaftlicher Misserfolg dagegen
mit beruflichem Scheitern und reproduktivem Erfolg. In »Die
Familienmanagerin« (2006) wurde das demographisch-ökonomische
Paradoxon entsprechend aus der Konkurrenz von produktiven und reproduktiven
Aufgaben heraus erklärt: Menschen, die sich aus irgendeinem Grund produktiv
nicht entfalten können, werden bei ausreichender Nahrungsversorgung versuchen,
sich reproduktiv zu entfalten. (Vgl. Peter Mersch, Die
Familienmanagerin, 2006, S. 81 [**]).
| In meinem Buch »Hurra,
wir werden Unterschicht!« (2007, S. 103 ff.) konnten für moderne,
gleichberechtigte Gesellschaften schwerwiegende Organisationsmängel im Verhältnis
von Wirtschaft und gesellschaftlicher Reproduktion nachgewiesen werden, die für
viele demographische und gesellschaftliche Probleme in den Industrienationen maßgeblich
verantwortlich sein dürften (siehe die kursiv markierten Bereiche in der
folgenden Abbildung, in der Deutschlands Bundesrepublik mit dem Pharmaunternehmen
Pfizer verglichen wird. Deutschland bietet in erster Linie »menschliche
Kompetenzen«, das heißt, Humankapital an. [Vgl. Peter Mersch, Hurra,
wir werden Unterschicht!, 2007, S. 103ff.[**]). | Pfizer | Bundesrepublik
Deutschland | | Reproduktion | Produktion | Reproduktion | Produktion | Name | Forschung
und Entwicklung | Produktion, Marketing
u.s.w. | Familien- und Erziehungsarbeit | Wirtschaft | Organisation | Marktwirtschaft | Marktwirtschaft | Sozialistisch | Marktwirtschaft | Finanzierung | Durch
Produktion | Produktverkauf | Privat | Produktverkauf | Produkte | Neue
Medikamente | Relpax, Viagra u.s.w. | Neue
menschliche Kompetenzen | Menschliche
Kompetenzen |
Abbildung
15) Vergleichder internen Organisationen von Unternehmen und Gesellschaften | Auffällig
ist, daß in modernen Gesellschaften - im Gegensatz zu kompetitiven Unternehmen
- die Wirtschaft (Produktion) üblicherweise marktwirtschaftlich organisiert
ist, die Reproduktion dagegen sozialistisch. Denn
bei der Nachwuchsarbeit muß die Erziehung privat
geleistet werden, der Nutzen daraus (Mitbürger, Steuerzahler, Rentenbeitragszahler
u.s.w.) steht dann aber allen Bürgern - Eltern wie Kinderlosen - in gleicher
Weise zu. Nun verfügt aber gerade Deutschland in dieser Frage über sehr
viel Expertise, denn jahrzehntelang grenzten die sozialistische DDR und die marktwirtschaftliche
BRD unmittelbar aneinander. Damit die qualifiziertesten Bürger der DDR nicht
in den benachbarten Westen abwanderten, sah sich die DDR zu einem Mauerbau gezwungen.
Im Patriarchat gab es - bildlich gesprochen - für die Frauen eine ganz ähnliche
Mauer, und diese hieß »Rollenvorgabe als Mutter und Hausfrau«.
Die Frauenbewegung hat die Mauer zum Einstürzen gebracht, und seit dem können
die Frauen zwischen produktiven und reproduktiven Tätigkeiten frei wählen.
Die qualifiziertesten unter ihnen suchen nun ihr Glück in der marktwirtschaftlichen
Produktion (Wirtschaft) und vernachlässigen dafür die sozialistische
Reproduktion. (Ebd., S. 101-104).Die gerade beschriebene
Problematik besteht in erster Linie für Paare mit einem beiderseitig regelmäßigen
Einkommen (beziehungsweise für berufstätige Alleinerziehende ebenso),
und zwar um so mehr, je höher das Einkommen beider Partner ist. Auch aus
diesem Grund setzen gerade beruflich erfolgreiche Paare beziehungsweise Paare
mit hohen beruflichen Potentialen (zum Beispiel hoher Bildung) besonders wenige
Kinder in die Welt. Paare, deren Eltern beide berufslos sind, verschlechtem ihre
ökonomische Situation durch zusätzliche Kinder dagegen nicht (siehe
dazu auch die Ausführungen im Abschnitt »Alles
besser durch Vereinbarkeit?« ab Seite 86). (Ebd., S. 104).
Ulrich Beck führt die zunehmenden sozialen Probleme moderner
Gesellschaften wie Prekarisierung der Arbeit, Sockelarbeitslosigkeit,
Herausbildung einer neuen Unterschicht oder die Armut an und unter Kindern
vor allem auf globale ökonomische Entwicklungen zurück. Die
ungewollte Folge der neoliberalen Utopie des freien Marktes ist die Brasüianisierung
des Westens. .... Das Herausragende ist die neue Ähnlichkeit von
Entwicklungsprofilen der Erwerbsarbeit in der sogenannten ersten und der
sogenannten dritten Welt. .... Damit breitet sich im Zentrum des Westens
der sozialstrukturelle Flickenteppich aus, will sagen: die Vielfalt, Unübersichtlichkeit
und Unsicherheit von Arbeits-, Biographie- und Lebensformen des Südens.
(Vgl. Ulrich Beck, Schöne neue Arbeitswelt , 1998, S. 7f.).
Ferner vermutet er, die Erwerbsgesellschaft neige sich aufgrund des verstärkten
Einsatzes intelligenter Technologien insgesamt ihrem Ende zu. (Vgl. Ulrich
Beck, ebd., S. 9). In der Folge entstehe ein Heer an Dienstboten
und Arbeitsnomaden, die zwischen verschiedenen Beschäftigungsformen
und Ausbildungen hin- und herpendeln (vgl. Ulrich Beck, ebd., S.
8), und die einer kleineren Schicht an privilegierten Wissensarbeitern
gegenüberstehe. Empirische Daten (zum Beispiel die im Kapitel »Intelligenz«
ab Seite 57 angeführten Belege) scheinen aber eher die These zu stützen,
die »Brasilianisierung«
des Westens werde in erster Linie durch das spezifische generative Verhalten
der Industrienationen verursacht (vgl. Peter Mersch, Hurra,
wir werden Unterschicht!, 2007), das heißt, sie dürfte
primär reproduktiv und nicht ökonomisch bedingt sein.
(Ebd., S. 104).
Wenn
also die zunehmenden sozialen Probleme in den entwickelten Ländern ganz wesentlich
auf deren Reproduktionsverhalten zurückzuflihren sind, dann sollten auch
die Gegenmaßnahmen dort ansetzen. (Ebd., S. 104).
6.9) Was tun?
Die im Abschnitt »Die
Angleichung der Geschlechter macht dumm« beschriebene Entwicklung...
ist real und findet statt. Die durchschnittlichen Intelligenzquotienten der Bevölkerungen
in den westlichen Industrienationen nehmen nämlich tatsächlich seit
Ende der 1990er Jahre kontinuierlich ab. (Vgl. Wissenschaft.de,
Forscher schlagen Alarm - In den Industrieländern ist der IQ auf Talfahrt
!, 16.05.2005 [**]).
Gleichzeitig breitet sich eine neue Armut aus. Und ganz nebenbei geht es ja dabei
auch um Einiges. Steigen die Preise oder die Arbeitslosenzahlen oder sinkt das
Bruttosozialprodukt, dann herrscht sehr schnell große Aufregung, wenngleich
alles sehr bald wieder ganz anders aussehen kann. Wir sprechen aber hier über
ein Abfallen der durchschnittlichen IQs ganzer Bevölkerungen. Ein solcher
Schaden dürfte nicht nur gravierende Langzeitauswirkungen für die betroffenen
Volkswirtschaften haben, sondern obendrein auch noch irreparabel sein. (Ebd.,
S. 105).Doch wie läßt sich ein solcher Trend aufhalten?
Eine theoretische Option stellt sicherlich die Rückkehr zum Patriarchat dar,
wie es auch bereits von verschiedenen Autoren vorhergesagt wurde (zum Beispiel
Phillip Longman, The Empty Cradle, 2006). Sollten die modernen Industrienationen
in eine substanzielle Krise geraten, die ihre Überlebensfähigkeit unmittelbar
gefährdet, dann werden sich zwangsläufig entsprechende patriarchalische
Strukturen zurückbilden, denn diese haben sich in mehreren Millionen Jahren
und insbesondere während schwerer Krisenzeiten bewährt. Wenn die entwickelten
Staaten ihre demographischen Probleme nicht in den Griffbekommen, dann werden
sie in eine substanzielle Krise geraten. (Ebd., S. 105).Allerdings
gehört die Gleichberechtigung der Geschlechter in modernen Gesellschaften
zu den allgemeinen Menschenrechten, an denen in Normalzeiten niemand wird rütteln
können. Auch haben wir es hier mit einer kulturellen Errungenschaft zu tun,
die Teil des Selbstverständnisses westlicher Gesellschaften geworden ist,
und der auch sehr viel Positives abzugewinnen ist. Wir benötigen also eine
Lösung für das obige Problem unter der Rahmenbedingung der Gleichberechtigung
der Geschlechter. Bevor ich eine solche skizziere, möchte ich aber zunächst
noch einige weitere Rahmenbedingungen benennen, die ebenfalls in diesem Kontext
von Bedeutung sind. | Menschen
sollten sich in Zukunft nach Möglichkeit nicht mehr vermehren, sondern sich
bestenfalls in ihrer vorhandenen Kopfzahl ersetzen. Dies gilt insbesondere für
alle Menschen, die ganz wesentlich von staatlichen Transferleistungen leben, und
zur Zeit noch nicht einmal ein ausreichendes Einkommen für die bereits vorhandene
Familiengröße erwirtschaften können. Es ist nicht auszuschließen,
daß irgendwann einmal die Gründung einer Mehrkindfamilie mit drei oder
mehr Kindern - zum Beispiel aus ökologischen Gründen - von staatlichen
Behörden genehmigt werden muß. | | Jeder
Mensch hat das Recht, lebenslänglich kinderlos zu bleiben. Allerdings sollte
er sich dann ersatzweise finanziell angemessen an der Nachwuchsarbeit beteiligen. | | Eine
bestandserhaltende Reproduktion ist nur mit einem nennenswerten Anteil an Mehrkindfamilien
(drei oder mehr Kinder) erreichbar. Wie aber im ersten Punkt bereits herausgestellt
wurde, sollten sich Familien ... nicht mehr unabgestimmt vermehren. In größeren
Familien avanciert die Erziehungsarbeit sehr schnell zum Vollzeitjob. Da die erziehende
Person dann sehr viel Verantwortung für eine größere Zahl an schutzbedürftigen
Personen trägt, bestehen hier gleichzeitig hohe Ausbildungsanforderungen. | | Alleinerziehung
ist eine Realität. Jedes zukünftige Familienkonzept muß auch Alleinerziehung
berücksichtigen. | | Die
niedrige Bestandserhaltungsgrenze von 2,1 Kindern pro Frau erlaubt eine Arbeitsteilung
unter Frauen. In historischen menschlichen Gesellschaften mußten Frauen
aufgrund der hohen Sterblichkeit meist noch eher fünf oder sechs Kinder in
die Welt setzen, um den Bestand ihrer Familie beziehungsweise der gesamten Population
zu sichern. Heute reichen dafür bereits durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau.
Berücksichtigt man zusätzlich noch die deutlich gestiegenen Lebenserwartungen,
dann wird deutlich, daß Frauen unter solchen Verhältnissen mit einer
reinen Mutter-und-Hausfrau-Tätigkeit nicht mehr ausgelastet sein können.
Als möglicher Ausweg aus dem Dilemma bietet sich eine »sexuelle Arbeitsteilung«
unter Frauen an: Ein Teil der Frauen wählt den typischen Lebensentwurf heutiger
moderner, emanzipierter Frauen und Männer, geht einem Beruf nach und hat
daneben eventuell noch eine kleinere Familie, während sich ein anderer Teil
fur ein Leben als Familienfrau entscheidet und eine größere Familie
gründet, dann aber für diese Arbeit auch bezahlt wird. Solche Familienfrauen
müßten aber über eine qualifizierte Ausbildung verfügen,
da sie eine hohe Verantwortung für eine größere Zahl an schutzbedürftigen
Personen tragen. Da die Familienfrauen ausschließlich mit reproduktiven
Aufgaben beschäftigt wären, würde sich in ihrem Fall wieder die
aus natürlichen Gründen überlegene sexuelle Arbeitsteilung zwischen
Männern und Frauen herausbilden. | | Bei
der Nachwuchsarbeit handelt es sich um eine Kollektivaufgabe. An der Aufgabe hat
sich jeder Bürger anteilsmäßig (direkt oder finanziell) zu beteiligen,
weil es sonst zur Tragik der Allmende kommt. | |
Der Staat muß die Bevölkerungsentwicklung weitestgehend »planen
» können. Aufgrund der weit ausgebauten sozialen Sicherungssysteme,
zur Abwendung unkaIkulierbarer Risiken für die nächste Generation und
aus ökologischen Gründen benötigen Regierungen in Zukunft Verfahren,
mit denen sie die Bevölkerungsentwicklung - gegebenenfalls in Abstimmung
mit anderen Regierungen - in engen Grenzen halten können. | | Die
Gleichstellung der Geschlechter verlangt die Gleichwertigkeit produktiver und
reproduktiver Tätigkeiten. In historischen menschlichen Gesellschaften kamen
den Männern in erster Linie die produktiven, Frauen die eher reproduktiven
Aufgaben zu. Im Patriarchat »ernährte« der Mann mit seinem Einkommen
Frau und Kinder, während die Frauen ihre reproduktiven Leistungen kostenfrei
erbrachten. Eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter ist nur möglich,
wenn es gelingt, reproduktive und produktive Aufgaben gleichzustellen. | Von
einer modernen Familienpolitik wird also deutlich mehr verlangt als ein Krippenausbau
oder weitere finanzielle Anreize für Kinder. Tatsächlich ist die gesamte
gesellschaftliche Reproduktion neu zu konzipieren. Dabei wären auch weitere
globale und ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. (Ebd.,
S. 105-108).Möchte man erreichen, daß auch für
beruflich qualifizierte Frauen das Aufziehen von vielen eigenen Kindern wieder
attraktiv wird, dann muß man ihnen gezielt Alternativen im reproduktiven
Bereich anbieten, so wie das jedes Unternehmen in seinem reproduktiven Bereich
ebenfalls tut. Dies dürfte dann die Professionalisierbarkeit von Erziehungsarbeit
mit eigenen Kindern zur Folge haben. (Ebd., S. 108).Dazu
müßte aber zunächst die Nachwuchsarbeit als gesellschaftliche
Kollektivaufgabe verstanden werden, die prinzipiell von allen Bürgern anteilsmäßig
in direkter oder indirekter Form zu erbringen ist. Grundlage dafür könnte
die folgende Maxime sein: | Jedem
steht es in unserer Gesellschaft frei, Kinder in die Welt zu setzen. Doch bitte
beachten Sie: .... Ein unkontrollierter Bevölkerungszuwachs sollte ... unbedingt
vermieden werden. Beschränken Sie sich nach Möglichkeit auf maximal
zwei Kinder pro Paar. Der Staat wird Maßnahmen ergreifen und fördern,
die für eine möglichst optimale Vereinbarkeit einer kleineren Familie
mit bis zu zwei Kindern mit einem Beruf und für einen relativ fairen Familienlastenausgleich
sorgen werden. | | Allerdings
ist die Gesellschaft auf eine insgesamt bestandserhaltende Reproduktion angewiesen.
Wenn viele Menschen kinderlos bleiben, kann eine solche nicht gewährleistet
werden. Deshalb ist es in unserer Gesellschaft zusätzlich Ihre Aufgabe, als
Paar zwei Kinder aufzuziehen, als Einzelperson ein Kind. Damit leisten Sie Ihren
Beitrag zu einer bestandserhaltenden gesellschaftlichen Reproduktion. Sie müssen
das aber nicht selbst tun, sondern Sie können die Aufgabe zum Teil oder in
Gänze anderen Fachleuten überlassen. Dafür müssen Sie dann
aber regelmäßig einen bestimmten Betrag abführen, damit diese
das auch in der entsprechenden Qualität für Sie tun können. | Im
Klartext heißt das: Jeder Bürger müßte für ein Kind
Unterhalt zahlen. Allerdings könnte er sich von dieser Verpflichtung durch
das Aufziehen eines eigenen Kindes befreien. (Ebd., S. 108).Der
eingenommene Unterhalt könnte wie folgt verwendet werden: Wenn viele Menschen
kinderlos bleiben, kommen insgesamt zu wenige Kinder auf die Welt. Die Differenz
zu einer bestandserhaltenden Geburtenrate könnte dann von staatlich beschäftigten
»Familienmanagerinnen« abgedeckt werden, die in aller Regel größere
Familien mit drei oder mehr Kindern gründen. Da die Familienarbeit dabei
zum Vollzeitjob generiert, würden solche Familienfrauen (oder auch -männer)
vom Staat bezahlt. Allerdings benötigten sie entsprechende Qualifikationen,
da sie einen Beruf mit sehr hoher Verantwortung ausüben. Auch müßten
sie sich regelmäßig fortbilden. Ergänzende Ausführungen dazu
finden sich in meinen Büchern »Land
ohne Kinder« (2006), »Die
Familienmanagerin« (2006) und »Hurra,
wir werden Unterschicht!« (2007). (Ebd., S. 109).
6.2) Fazit
Das Prinzip der natürlichen Selektion ist
ein Verfahren, mit der es der Natur gelingt, auf günstigen Erfahrungen aus
der Vergangenheit aufzusetzen, ohne bei ihrem genetischen Lotterie-Spiel jedes
Mal wieder bei Null anfangen zu müssen. Damit das möglichst gut gelingen
kann, haben sich mit der Zeit auf evolutionäre Weise verschiedene unterstützende
biologische Muster durchgesetzt, wobei insbesondere die geschlechtliche Fortpflanzung,
die sie begleitende sexuelle Selektion und die sexuelle Arbeitsteilung zu nennen
sind. Auf Basis dieser Mechanismen ist auch das menschliche Familiensystem entstanden,
welches unter anderem die gleichzeitige »Optimierung von Familie und Beruf'
(und nicht nur deren Vereinbarkeit) im Sinne des Selektionsprinzips zum Ziel hat.
(Ebd., S. 109).Das vorliegende Buch konnte zeigen, daß die
in unserer Gesellschaft angestrebte Angleichung der Geschlechter mit im Regelfall
ähnlichen Lebensentwürfen und einer paritätischen Aufteilung von
Familienarbeit im Widerspruch zu grundsätzlichen biologischen Gegebenheiten
steht. Die Emanzipation der Frauen kann folglich nicht so umgesetzt werden, wie
dies bislang geschehen ist. Wird an der bisherigen Strategie nichts geändert,
dürften sich die betroffenen Gesellschaften restlos ruinieren. Zu den ersten
Symptomen können ein schleichender gesellschaftlicher Intelligenzverlust
und das Entstehen einer neuen Armut gezählt werden. (Ebd., S. 109).Die
Ausführungen konnten deutlich machen, daß die gesellschaftliche Nachwuchsarbeit
unter der Gleichberechtigung der Geschlechter vollständig neu zu konzipieren
ist. Dabei wären in Zukunft allerdings auch noch weitere globale und ökologische
Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. (Ebd., S. 110).Auf
Basis solcher Überlegungen wurde ein erster Vorschlag für eine Neuorganisation
der gesellschaftlichen Reproduktion gemacht. Ich persönlich glaube nicht,
daß man unter freiheitlich-demokratischen Rahmenbedingungen sehr viele Alternativen
haben wird. (Ebd., S. 110).Ich bin davon überzeugt,
daß die großen aktuellen sozialen Probleme in den entwickelten Ländern
ganz entscheidend durch Organisationsmängel im reproduktiven Bereich verursacht
werden. (Ebd., S. 110). |