Ich beginne zu glauben, daß es wieder Krieg geben wird. Was
die Systemische Evolutionstheorie über unsere Zukunft verrät
(2011) **
Vorwort
Seit etlichen Jahren mehren sich
die schlechten Nachrichten, darunter die folgenden: | Die
Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. | | Ein
wachsender Anteil unter den Menschen kann seinen Lebensunterhalt durch Arbeit
nicht mehr sichern. | | In
unserer Gesellschaft werden zu wenige Kinder geboren, das gilt ganz besonders
für die gebildete Mittelschicht. | | Die
zukünftige Finanzierbarkeit der Renten, Pensionen und des Gesundheitssystems
ist mehr als fraglich. | | Anteilsmäßig
immer mehr Menschen sind chronisch krank. | | Das
Finanzsystem ist instabil und muß häufig staatlich gestützt werden. | | Viele
Staaten sind überschuldet, einige stehen unmittelbar vor dem Staatsbankrott. | | In
vielen unterentwickelten Ländern bekommen die Menschen zu viele Kinder, obwohl
gleichzeitig Hunger, Armut und Elend vorherrschen. | | Die
Gefahr des internationalen Terrorismus wächst. | | Das
Klima wandelt sich. | | Zahlreiche
wichtige Ressourcen, inklusive der fossilen Brennstoffe, neigen sich dem Ende
zu. | | Viele
biologische Arten sind durch das Wirken des Menschen entweder bereits ausgestorben
oder sterben bald aus. | | Der
Mensch entzieht sich sukzessive seine eigene Lebensgrundlage. | Man
fragt sich unwillkürlich: Was ist das und was treibt es an? Kann man es aufhalten,
oder müssen wir uns auf absehbare Zeit daran gewöhnen? Wird es noch
schlimmer werden? Wird die Menschheit vielleicht sogar ganz von unserem blauen
Planeten verschwinden? (Ebd., S. I).Angesichts der nicht
enden wollenden Finanzkrise bekannten einige, politisch eher als konservativ geltende
Autoren, sie begännen zu glauben, daß die Linke mit ihren Thesen und
Analysen recht hat. Die beiden Artikel von Charles Moore (**)
und Frank Schirrmacher (**) nahmen - wie
der Titel andeutet - einen wesentlichen Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung
des vorliegenden Buches, nicht jedoch auf dessen naturwissenschaftliche und systemanalytische
Herangehensweise. (Ebd., S. I-II).
Charles
Moore: »I'm starting to think that the Left might actually be right«,
in: The Daily Telegraph, 22.07.2011. (**).
(Ebd.). Frank Schirrmacher: »Ich
beginne zu glauben, daß die Linke recht hat« (**).
(Ebd.). |
Charakteristische
Merkmale unseres Universums sind dessen Expansion und der energetische Zerfall.
Sie definieren den kosmologischen und thermodynamischen Zeitpfeil, die Ausdruck
seines eigenen Strebens in Richtung Wärmetod sind. Der Kosmologe Stephen
Hawking argumentiert in seinem Buch »Die illustrierte kurze Geschichte
der Zeit« (2010), daß es intelligentes Leben nur geben kann, wenn
sich das Universum ausdehnt und der kosmologische, der thermodynamische und unser
eigener ... Zeitpfeil in dieselbe Richtung weisen. Oder in den Worten des Physikers
Peter W. Atkins: »Indes, mag sie auch noch so verborgen sein, die Triebfeder
aller Schöpfung ist der Zerfall, und jede Handlung ist die mehr oder weniger
unmittelbare Folge der natürlichen Auflösungstendenz.« (Ders.,
Schöpfung ohne Schöpfer, 1984, S. 39). (Ebd., S. II).Ich
stellte mir die Fragen: Angenommen, es stimmt, was die Physiker und Kosmologen
behaupten, daß nämlich unser Universum vor ca. 13,75 Milliarden Jahren
aus einer Art Singularität beziehungsweise einem Urknall heraus entstanden
ist, sich seitdem ausdehnt und zugleich thermodynamisch zerfällt und dabei
- ohne den Eingriff eines externen Schöpfers und ausschließlich auf
der Grundlage der in ihm geltenden Naturgesetze - die Materie, Milliarden Galaxien,
schwarze Löcher, unsere Sonne, die Erde, den Mond, Pflanzen, Tiere und sogar
uns Menschen hervorgebracht hat, wir also gewissermaßen nicht die Kinder
Gottes, sondern des Urknalls sind, wie konnte es darin dann zu Lehman Brothers
und zur Finanzkrise kommen? Oder zu konservativen und linken Gesinnungen? Und
was heißt in einer solchen Welt, angesichts von Milliarden Galaxien und
schwarzen Löchern, die Linke könnte recht haben? Und schließlich:
Was ist eigentlich Leben? (Ebd., S. II).In einem zerfallenden
Universum kann es keine dauerhaften passiven Systeme von beliebig großer
Komplexität geben, jedenfalls wäre ihr Auftreten extrem unwahrscheinlich.
Schon nach kurzer Zeit würden sie sich wieder in Bestandteile auflösen.
(Ebd., S. II).Lebewesen sind demgegenüber aktive, informationsverarbeitende
Systeme. Sie streben danach, dem universalen Streben nach Zerfall über einen
möglichst langen Zeitraum zu widerstehen. Da das Universum in Richtung Zerfall
strebt, müssen sie gewissermaßen in die entgegengesetzte Richtung nach
Erhalt streben. Hierdurch können sie im Laufe der Zeit zu praktisch beliebiger
Komplexität heranwachsen. (Ebd., S. II-III).Sie haben
es als sogenannte selbstreproduktive Systeme beziehungsweise als Evolutionsakteure
- durch welchen Mechanismus auch immer (**)
- geschafft, gegenüber ihrer Umwelt Kompetenzen zu entfalten, mit deren Hilfe
sie aus ihr Ressourcen erlangen können, um ihre Kompetenzen zu reproduzieren,
das heißt, zu erhalten und zu erneuern (**).
Ferner streben sie danach, genau das zu tun, denn nur so können sie ihre
komplexen Kompetenzen und die mit ihr verbundenen Ordnungszustände -auf Kosten
ihrer Umwelt - eine Zeitlang bewahren und gegebenenfalls sogar weiterentwickeln.
Anders gesagt: Lebende Systeme versuchen, Kompetenzverluste zu vermeiden. Sie
verhalten sich nachhaltig gegenüber ihren eigenen Kompetenzen und ausbeutend
gegenüber ihrer Umwelt. (Ebd., S. III).
Wie
es der Natur gelungen ist, in einer unbelebten Welt lebende beziehungsweise selbstreproduktive
Systeme hervorzubringen, ist ein noch ungelöstes wissenschaftliches Rätsel.
Als religiöser Mensch könnten Sie an der Stelle einen letzten Eingriff
Gottes vermuten. Allerdings wäre das eine trügerische Annahme. Ich bin
mir nämlich ziemlich sicher, daß auch dieses Rätsel irgendwann
einmal von den Wissenschaften gelöst wird. (Ebd.). In
einem metaphorischen Sinne könnte man deshalb von egoistischen Kompetenzensprechen,
denn sie sind es, die im Rahmen der Evolution auflange Sicht erhalten und Iausgebautwerden.
(Ebd.). |
Als das
Leben immer zahlreicher und die Ressourcen folglich knapper wurden, kam der Wettbewerb
unter den Lebewesen hinzu. Ab da ging es für die lebenden Systeme nicht mehr
nur darum, den Anschluß gegenüber dem Streben des thermodynamischen
Zeitpfeils nicht zu verlieren, sondern gegenüber dem Streben aller anderen
Lebewesen in derselben Umwelt auch. Wenn das Leben selbst einen Großteil
der Umwelt ausmacht, dann müssen sogar relative Kompetenzverluste - relativ
in bezug auf die Kompetenzen der anderen Lebewesen in derselben Umgebung - vermieden
werden, um weiterhin am Spiel der Evolution teilnehmen zu können. Unter solchen
Verhältnissen bildet sich dann ein auf dem sogenannten Red-Queen-Prinzip
beruhender Wettbewerbsmechanismus aus, der unter anderem für Phänomene
wie die Gier verantwortlich zeichnet, wie im Laufe des Buches noch erläutert
wird. (Ebd., S. III).Das Problem ist nun aber, daß
all dies nicht nur für uns Menschen beziehungsweise allgemeiner für
Lebewesen gilt, sondern für noch komplexere Systeme - sogenannte Superorganismen
-, wie zum Beispiel Honigbienenstaaten und menschliche Unternehmen, genauso. Auch
diese Systeme unterliegen dem thermodynamischen Zeitpfeil des Universums. Auch
sie sind im allgemeinen einem Wettbewerb um knappe Ressourcen ausgesetzt. Auch
sie würden schon bald zerfallen, wenn sie sich nicht beständig nachhaltig
gegenüber ihren Kompetenzen und ausbeutend gegenüber ihrer Umwelt verhielten.
Unser Universum - und natürlich auch der Wettbewerb um knappe Ressourcen
- zwingt sie zu ihren Verhaltensweisen. Ich rede an dieser Stelle von grundsätzlichen
Naturprinzipien unseres Universums und nicht von Sachverhalten, die in irgendeiner
Weise »umstritten« sind. (Ebd., S. III-IV).Insgesamt
ergibt sich das Bild einer belebten Welt aus lauter Evolutionsakteuren, die allesamt
bestrebt sind, Kompetenzverluste zu vermeiden. Statt des gnadenlosen Kampfes ums
Dasein steht in ihr das allseitige und fortwährende individuelle Bemühen,
sich nicht gegenüber der Vergangenheit und anderen zu verschlechtern, im
Vordergrund (**). (Ebd., S. IV).
Selbstverständlich
kann dieses Bemühen individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein
und beispielsweise stärker in Richtung Egoismus oder gar Aggression ausschlagen
als bei anderen, so daß der Erhalt eher wie eine gezielte Ausweitung wirkt.
Die Evolution bringt auch beim Streben nach Kompetenzerhalt kein einheitliches
Verhalten hervor. Aus diesem Grund unterscheidet die Systemische Evolutionstheorie
- anders als etwa die Theorie der egoistischen Gene - individuell unterschiedliche
Reproduktionsinteressen. Der Zusammenhang macht deutlich, daß in sozialen
Gemeinschaften Regeln oder gar Ethiken beziehungsweise »Werte« existieren
müssen, um sozial verträgliches Streben von unverträglichem unterscheiden
zu können. Im Laufe des Buches wird allerdings gezeigt, daß negative
Entwicklungen wie die Gier bereits aus dem Bemühen aller, sich nicht gegenüber
anderen und der Vergangenheit zu verschlechtern, entstehen können. Im Rahmen
einer Evolutionstheorie muß deshalb nicht zwingend von vornherein angenommen
werden, daß Individuen aus sich heraus »gierig« sind.
(Ebd.). |
Man
kann, wie im Buch gezeigt wird, praktisch alle eingangs angeführten aktuellen
Großprobleme der Menschheit auf der Grundlage dieser wenigen fundamentalen
Naturprinzipien erklären. Weitere, darüber hinausgehende Annahmen sind
nicht erforderlich, insbesondere keine politischen. Man braucht beispielsweise
keinen Karl Marx, um die zunehmende Verarmung unserer Gesellschaft prognostizieren
zu können. Physik, Evolutions- und Systemtheorie tun es bereits. Daß
ich damit indirekt auch behaupte, die Kultur- und Sozialwissenschaften seien eigentlich
ebenfalls Naturwissenschaften, versteht sich von selbst. Wenn Menschen keine Geschöpfe
Gottes, sondern lediglich Naturphänomene innerhalb unseres Universums sind,
bleibt im Grunde keine andere Alternative. (Ebd., S. IV).Eine
wesentliche Rolle bei der zunehmenden Ausbreitung von Armut in unserer Gesellschaft
spielt der Umstand, daß in Marktwirtschaften zwei unterschiedliche Systemklassen
an Evolutionsakteuren unmittelbar aufeinandertreffen, nämlich Menschen und
menschliche Superorganismen - sprich Unternehmen -, wobei erstere für letztere
primär Ressourcen (Humanressourcen und Geldbesitzer) darstellen. Weil moderne
menschliche Gesellschaften mit Geschlechtergleichberechtigung ihr Humanvermögen
jedoch gewissermaßen wie Gemeingut verwalten, kommt es unter den Verhältnisen
zwangsläufig zur Tragik der Allmende (**),
das heißt zum demographischen Wandel mit einer sich anschließenden
gesellschaftsweiten Verarmung beziehungsweise zu kollektiven Kompetenzverlusten
mit massenhaftem Leid. Leid ist in dem Sinne ein evolviertes Gefühl. Es hält
Lebewesen dazu in, die eigenen Kompetenzen zu bewahren und hierdurch Gefühle
des Leids ru vermeiden. (Ebd., S. IV).Das Problem wird nicht
einfach wieder verschwinden. Wir mögen die Finanzkrise lösen, die Staatsverschuldungsproblematik
beheben und vielleicht sogar den Klimawandel aufhalten können (**),
die beschriebene Entwicklung wird sich - ohne durchgreifende gesellschaftliche
Veränderungen - hingegen fortsetzen. Da ich jedoch längst der Illusion
entwachsen bin, Menschen könnten bei sich anbahnenden größeren
Katastrophen ein Stück weit von ihren persönlichen Kompetenzbewahrungsinteressen
zurücktreten, glaube ich, daß es erst wieder gehörig krachen muß,
bevor angemessen reagiert wird. Anders gesagt: Ich beginne zu glauben, daß
es wieder Krieg geben wird. (Ebd., S. IV-V).
Wovon
ich allerdings nicht ausgehe, denn im Grunde sind alle Probleme miteinander verwoben,
wie im Laufe des Buches noch näher erläutert wird. (Ebd.). |
Das
Buch steht letztlich für ein neues Weltbild, für ein konsequent evolutionär-systemisches
Denken und die bedingungslose Akzeptanz naturwissenschaftlicher Grundprinzipien.
Sein theoretisches Fundament ist jedoch nicht die Darwinsche, sondern die allgemeinere
und breiter anwendbare Systemische Evolutionstheorie. Dafür gibt es wesentliche
Gründe: | Die
Darwinsche Evolutionstheorie läßt sich nur auf die Wildnis anwenden.
Sie ist eine rein biologische Theorie, die für die komplexen evolutionären
Verhältnisse in menschlichen Zivilisationen prinzipiell ungeeignet ist. | | Sowohl
die Darwinsche Evolutionstheorie als auch ihre Variante, die Theorie der egoistischen
Gene, beruhen auf Voraussetzungen und Grundannahmen, die sich - anders als die
der Systemischen Evolutionstheorie - nicht auf grundsätzliche physikalische
Naturprinzipien zurückführen lassen (**). | | Bei
einer ausschließlichen Beschränkung auf genetisch vermittelte Kompetenzen
und der Annahme von populationsweit einheitlichen Reproduktionsinteressen, wovon
die biologischen Evolutionstheorien - anders als die Systemische Evolutionstheorie
- ausgehen, lassen sich die Darwinsche Evolutionstheorie und die Theorie der egoistischen
Gene aus der Systemischen Evolutionstheorie herleiten. Es handelt sich bei ihnen
folglich um enge Spezialfälle einer allgemeineren Theorie. | | Die
Systemische Evolutionstheorie besitzt ein viel größeres Anwendungsspektrum.
Auch kann sie die Verhältnisse in menschlichen Sozialstaaten verläßlicher
als die biologischen Evolutionstheorien beschreiben. | Ich
bin der festen Überzeugung, daß die Menschheit die vor ihr stehenden
Aufgaben - wenn überhaupt - nur dann auf halbwegs friedliche Weise wird bewältigen
können, wenn sie die Triebkräfte hinter den aktuellen irritierenden
Entwicklungen kennt, oder anders gesagt, wenn sie ein evolutionäres Modell
ihres eigenen Tuns besitzt. Wir stehen momentan nicht nur vor einer Vielzahl gewaltiger
Probleme, sondern wir haben auch konzeptionelle Defizite. Uns fehlen geeignete
Theorien, die uns durch die Wirren der Zukunft lenken könnten. Adam Smith,
Karl Marx oder John Maynard Keynes werden uns dabei mit Sicherheit nicht weiterhelfen
können. Das Buch dient deshalb auch dazu, das enorme Anwendungspotenzial
der Systemischen Evolutionstheorie zu demonstrieren. Im Grunde handelt es sich
bei ihr um ein unverzichtbares theoretisches Werkzeug zur halbwegs verläßlichen
Zukunftsforschung und generationenübergreifenden politischen Steuerung. Wenn
man weiß, wie Evolutionsakteure - und damit sowohl Menschen wie Untemehmen
- sich aufgrund der in unserem Universum geltenden Grundbedingungen verhalten,
ja verhalten müssen, kann man bei geplanten politischen Maßnahmen leichter
für eine Gewährleistung der Generationengerechtigkeit (**|**|**)
sorgen. (Ebd., S. V-VI).
Mir
ist sehr wohl bewußt, daß dies letztlich ein Killerargument ist.
(Ebd.). |
Obwohl
ich, was unsere nahe Zukunft angeht, eher skeptisch bin, endet das Buch dennoch
mit einer Handvoll, sich vorwiegend aus der Systemischen Evolutionstheorie ableitenden
Vorschlägen, die dazu beitragen könnten, einige der anstehenden Großprobleme
der Menschheit zu lösen oder doch zumindest abzumildem. Dabei stehen - ganz
evolutionstheoretisch gedacht - einerseits Fortpflanzungsaspekte im Vordergrund,
die die desaströsen Auswirkungen sowohl der maßgeblich auf unevolutionären
Ideologien wie dem Antibiologismus oder der Gendertheorie beruhenden angeblichen
Gleichberechtigung der Geschlechter als auch des Bevölkerungswachstums in
der Dritten Welt adressieren, andererseits die nach meinem Dafürhalten viel
zu starke Ausrichtung von Geldwirtschaften auf energetische Ressourcen statt auf
Wissen und Information. (Ebd., S. VI).Absolut unverzichtbar
scheint mir der Vorschlag »Mondprogramm« zu sein, einem umfangreichen
interdisziplinären Projekt, bei dem herausgefunden werden soll, mit welchen
Problemen wir es überhaupt zu tun haben, wie seriös sie sind, und wie
man sie lösen könnte. Daran schließen sich die eher pragmatischen
Vorschläge an: Besitzbeschränkungen bei energetischen Ressourcen,
stärkere Trennung von Information und Energie in der Ökonomie, Zügelung
der Superorganismen, evolutionär-systemisches Denken in der Politik, Beherrschung
der Bevölkerungsentwicklung und Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Humanvermögens.
(Ebd., S. VI).
1.) Die besorgten Konservativem
2) Das evolutionär-systemische Weltbild
Um
die Kernprobleme unserer Gesellschaft unter einer evolutionärsystemischen
Perspektive beschreiben und erklären zu können, muß ich zunächst
ein ganzes Stück ausholen, und zwar - Sie werden lachen - bis zum Urknall
und der Frage, was Leben eigentlich ist. Dies hat deshalb Sinn, da Evolution einerseits
ein durchgehender Prozeß ist, der seinen Anfang mit dem Entstehen des Universums
nahm, andererseits mit dem Auftauchen des Lebens aber auch eine ganz neue Qualität
gewann. Mit der gewählten Vorgehensweise dürfte bereits deutlich geworden
sein, daß ich aus einer primär naturwissenschaftlichen Position heraus
argumentiere (**), gemäß der
unser Universum vor ca. 13,75 Milliarden Jahren entstanden ist (**),
sich seitdem ausdehnt und dabei kontinuierlich an »Ordnung« (**)
verliert, das heißt »zerfällt«. Letzteres definiert den
sogenannten thermodynamischen Zeitpfeil. (Ebd., S. 5).
Und
gleichfalls aus einer agnostischen. Ich halte die Frage, ob es einen Gott gibt
oder nicht, für nicht klärbar. (Ebd.). Vielleicht
war das Universum aber auch unabhängig davon schon immer da .... Dies spielt
jedoch für die weiteren Überlegungen keine Rolle. Vereinfacht ausgedrückt
besteht der Unterschied der hier vertretenen Auffassung zu religiösen Schöpfungstheorien
vor allem darin, daß gewissermaßen ein einziger »Gesamtschöpfungsvorgang«
vor 13,75 Milliarden Jahren angenommen wird, in dessen Anschluß sich dann
alles auf der Grundlage physikalischer Gesetzmäßigen entwickelte. Weitere
Eingriffe seitens eines Gottes ... sind nicht erfolgt und waren auch nicht erforderlich.
In dem Sinne sind wir also Geschöpfe des Urknalls. (Ebd.). Dies
ist absichtlich sehr populärwissenschaftlich und damit ungenau formuliert,
da die meisten Menschen mit Begriffen wie »Entropie«
nichts anzufan~en wissen. (Ebd.). |
Leben
hat demnach etwas mit der kontinuierlichen Zunahme der Unordnung in unserem Universum
und dessen Expansion zu tun. Und in der Tat sind Lebewesen zunächst einmal
komplexe Ordnungszustände der Materie (beziehungsweise lebende »Systeme«),
die sich aufgrund der im Universum vorherrschenden Verhältnisse bei eigener
Inaktivität nicht lange behaupten könnten. Man erlebt das unmittelbar,
wenn Lebewesen sterben: Ihre Ordnung verliert sich dann binnen kurzer Zeit.
(Ebd., S. 5).Beim Leben handelt es sich also
gewissermaßen um den Versuch, dem thermodynamischen Zeitpfeil zu entrinnen.
Es ist bestrebt, am Leben zu bleiben. Anders gesagt: Lebewesen streben danach,
ihren Ordnungszustand aufrechtzuerhalten. Peter W. Atkins faßt die entsprechenden
Vorstellungen der Naturwissenschaften mit den folgenden knappen Worten zusammen:
»Wir kämpfen darum, minderwertige Energie an die Umgebung loszuwerden
und Energie von hoher Qualität aus ihr herauszuholen. In gewissem Sinne mindern
wir die Qualität der Außenwelt, um die unseres Innenlebens zu steigern.
Die Nahrungskette - Menschen essen Kühe, Kühe essen Gras, Gras isst
Berge und lebt von Sonne - ist im Laufe der Evolution als vielfältig verzahnter
Ausbreitungsmechanismus entstanden. Es besteht keine Notwendigkeit, nach einem
verborgenen Zweck Ausschau zu halten: Die Energie hat ihren Ausbreitungsprozess
fortgesetzt, und der hat zufällig Elefanten und erhabene Ideen hervorgebracht.«
(Ders., Schöpfung ohne Schöpfer, 1984, S. 55). Mit anderen Worten:
Der energetische Ausbreitungsprozeß hat Milliarden Galaxien entstehen lassen,
irgendwann auch unsere Sonne und die Erde, später Elefanten, erhabene Ideen,
Religionen, bürgerliche Werte, die Marktwirtschaft, den Marxismus und schließlich
- im Vergleich zu Galaxien, Sonnen und schwarzen Löchern fast vernachlässigbar
- linke und konservative Gesinnungen. Doch wie? (Ebd., S. 6).In
den Augen der Systemischen Evolutionstheorie sind Lebewesen selbstreproduktive
Systeme, die gegenüber ihrer Umwelt Kompetenzen (**)
besitzen, um aus ihr Ressourcen (Mittel) zu erlangen, mit deren Hilfe sie ihre
Kompetenzen (**) reproduzieren, das heißt
erhalten und erneuern können (**)
. Sie benötigen die Ressourcen, da die Kompetenzreproduktion - gemäß
den Gesetzen der Physik - mit Kosten verbunden ist. Zusätzlich sind sie bestrebt,
ihre Kompetenzen zu reproduzieren. Das ist im Grunde schon alles. (Ebd.,
S. 6-7).
Unter
Kompetenzen versteht man in letzter Annäherung das, was Darwin als
Anpassung bzw. Anpassungsfähigkeit bezeichnete. (Ebd.). Der
Begriff Kompetenzen schließt Strukturinformationen mit ein, dies
wird in der Darwinschen Evolutionstheorie im Grunde nicht anders gesehen. Dementsprechend
kann ein Schnabeltyp eines Vogels oder das Gebiß eines Raubtiers entweder
als Form oder als Anpassung verstanden werden. (Ebd.). Es
handelt sich folglich um eine rekursive Definition. (Ebd.). |
Für
energetische Ressourcen gilt der Energieerhaltungssatz. Wenn einer Geburtstagstorte
ein Stück Kuchen entnommen und auf den Teller des Geburtstagskinds gelegt
wird, ist es nicht länger Teil der Torte. Man kann es folglich nur einmal
verzehren. Informationen und Wissen können hingegen vervielfältigt und
repliziert werden. Beispielsweise lassen sich in menschlichen Populationen neue
Erkenntnisse meist relativ rasch an alle Interessenten verteilen, ohne daß
sie dabei auf der Quellenseite verloren gehen. Einen entsprechenden Wissenserhaltungssatz
gibt es demnach nicht. Dieser wesentliche Unterschied zwischen Energie und Information
wird im Laufe des Buches noch eine Rolle spielen. (Ebd., S. 10).Die
Systemische Evolutionstheorie bezeichnet das Streben, die eigenen Kompetenzen
zu reproduzieren, als Reproduktionsinteressen. Lebende Systeme verfolgen also
letztlich Eigeninteressen, nämlich das Interesse, die eigenen Kompetenzen
zu bewahren und gegebenenfalls zu entwickeln. Anders gesagt: Sie bemühen
sich, Kompetenzverluste zu vermeiden und hierdurch dem thermodynamischen Zeitpfeil
zu entrinnen. (Ebd., S. 10).Aufgrund ihrer Reproduktionsinteressen
verfügen selbstreproduktive Systeme über Akteurseigenschaften (andere
Autoren sprechen von Aktoren oder Agenten), weswegen sie synonym auch als Evolutionsakteure
bezeichnet werden. (Ebd., S. 10).Während für das
Universum der Zerfall charakteristisch ist, ist es für die Lebewesen die
Zerfalls- beziehungsweise Verlustvermeidung - und zwar auf Kosten ihrer Umwelt.
Womit wir der Frage nach dem Bezug zu unseren aktuellen sozialen Problemen indirekt
schon ein ganzes Stück näher gekommen wären. (Ebd., S. 10).Mancher
Vertreter der in den Naturwissenschaften dominierenden philosophischen Strömung
des Reduktionismus, nach dem jedes System durch seine Einzelbestandteile (Elemente)
bestimmt wird, mag an dieser Stelle einwenden, daß die Systemische Evolutionstheorie
aufgrund ihres zentralen Reproduktionsinteressen-Begriffs eine Spielart des Vitalismus
sei. Das Argument ist jedoch insoweit wenig stichhaltig, als das Universum - wie
dargelegt -selbst strebt. Es dehnt sich aus, und zwar seit ca. 7,5 Milliarden
Jahren sogar mit zunehmender Geschwindigkeit (**|**).
Und dabei zerfällt es gewissermaßen (**),
wodurch sich das strebende Wesen der Zeit erklärt. Leben ist demzufolge eine
emergente Eigenschaft von Systemen, gegen den Zerfall beziehungsweise den thermodynamischen
Zeitpfeil des Universums anzustreben und hierdurch »am Leben zu bleiben«.
Es handelt sich letztlich um ein lokales Streben, auf Kosten der jeweiligen Umwelt
dem universalen Streben nach Zerfall zu widerstehen. Es scheint mir deshalb nicht
möglich zu sein, die Evolution des Lebens in theoretischer Weise ohne direkten
oder indirekten Bezug auf das Phänomen des Zeitpfeils - und damit des Strebens
- zu beschreiben. Charles Darwin und Richard Dawkins ist dies mit ihren Evolutionstheorien
jedenfalls nicht gelungen. (Ebd., S. 10-11).
Vgl.
Wissenschaft.de, 17.04.2002: Astronomie. Erst bremsen, dann beschleunigen:
Vor 7,5 Milliarden Jahren drückte das Universum aufs Gaspedal (**).
(Ebd.). Dort ist allerdings auch zu lesen:
Dieses Ergebnis gilt aber nur unter der Annahme, daß die mysteriöse
»dunkle Energie«, die für die Beschleunigung verantwortlich ist,
mit der Energie des Vakuums identisch ist oder auch mit der kosmologischen Konstante,
wie Albert Einstein diese Energie ursprünglich genannt hatte. (**)Einstein
hatte diese von ihm eingeführte kosmologische Konstante später
als seine größte Eselei verworfen. Vgl. auch meinen Kommentar
zu den Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen für Merschs Theorie
(**). HB. Vgl.
FAZ, 04.10.2011: Supernova-Forschung - Physik-Nobelpreis für drei Astronomen
(**).
(Ebd.). Meinen Kommentar hierz erspare
ich mir, weil er inhaltlich dem obigen (**)
zu sehr ähnelt. Vgl. auch meinen Kommentar zu den Voraussetzungen bzw.
Rahmenbedingungen für Merschs Theorie (**).
HB. Vgl. Peter W. Atkins,
Schöpfung ohne Schöpfer. Was warvor dem Urknall? 1984, S. 39.
(Ebd.). |
Da
wir gerade von Richard Dawkins sprechen: Bei Reduzierung der Kompetenzen auf durch
Gene repräsentierte Fähigkeiten (das heißt auf genetische Kompetenzen,
die per Fortpflanzung reproduziert werden) und unter der zusätzlichen Annahme
identischer Reproduktionsinteressen für alle Individuen einer Population
ergibt sich unmittelbar die Theorie der egoistischen Gene (**|**).
Bei letzterer handelt es sich folglich um einen engen biologischen Spezialfall
der Systemischen Evolutionstheorie (**).
Das Gleiche läßt sich für die Darwinsche Selektionstheorie insgesamt
zeigen (**). Wenig Sinn hat hingegen
die von Dawkins gleichfalls vorgeschlagene Theorie der Meme (Memetik) zur Beschreibung
der kulturellen Evolution, denn auch Meme wären letztlich Ordnungszustände,
die aufgrund des thermodynamischen Zeitpfeils unseres Universums regelmäßig
unter Energieaufwand zu reproduzieren wären. Auf in gewissem Sinne egoistische
Weise könnten sie das nur tun, wenn sie eine einheitliche (replizierbare)
Repräsentation ihrer Infonnationen (beziehungsweise ihrer Ordnung) besäßen.
Sie müßten also tatsächlich auf Replikatoren beruhen. Nichts deutet
aktuell auf die Existenz entsprechender Objekte hin, zumal nicht einmal klar ist,
wo man in der Hinsicht suchen könnte. (Ebd., S. 11).
Richard
Dawkins, Das egoistische Gen, 2007. (Ebd.). Die
Reduktion ist vollständig, da die Theorie der egoistischen Gene keineswegs
behauptet, Gene seien tatsächlich egoistisch. Statt dessen wird angenommen,
die von den Genen geschaffenen Überlebensmaschinen (Evolutionsakteure im
Sinne der Systemischen Evolutionstheorie) verhielten sich so, als seien ihre Gene
egoistisch. Schränkt man die Systemische Evolutionstheorie wie beschrieben
ein, dann sind die beiden theoretischen Ansätze in der Tat identisch.
(Ebd.). Dies
bedeutet nun allerdings nicht, daß ich die Theorie der egoistischen Gene
für einen sinnvollen Spezialfall der Systemischen Evolutionstheorie halte.
Beispielsweise heißt es bei Richard Dawkins: »Erfolgreiche Büffel
vermehren nicht sich selbst, sondern sie vermehren ihre Gene. Von der wirklichen
Einheit der natürlichen Selektion muß man sagen können, daß
sie eine bestimmte Häufigkeit hat. Diese Häufigkeit nimmt zu, wenn der
Typus erfolgreich ist, und sie sinkt, wenn er versagt. Genau das kann man über
Gene in Genvorräten behaupten, nicht aber über einzelne Büffel.«
(Richard Dawkins, Der entzauberte Regenbogen - Wissenschaft, Aberglaube und
die Kraft der Phantasie, 1998, S. 283). Für erfolgreiche Unternehmen
(Superorganismen) - zum Beispiel Mobiltelefonhersteller- gilt jedoch weder das
eine noch das andere: Sie vermehren nämlich auf der Grundlage ihrer Kompetenzen
lediglich kleine Geräte, die sie in ihre Lebensräume - die Märkte
- hinausschicken, um Ressourcen (Geld) im Tausch gegen die Geräte zu erlangen,
damit sie ihre Kompetenzen reproduzieren können. Bei der Annahme, die evolutionstheoretische
»Einheit der Selektion« könne nur das sein, was eine bestimmte
Häufigkeit hat - in diesem Fall also die Mobiltelefone -, handelt es sich
um einen Denkfehler. (Ebd.). Vgl.
etwa Peter Mersch, Systemische Evolutionstheorie und Gefallen-wollen-Kommunikation,
in: Klaus Gilgenmann, Peter Mersch, Alfred K. Treml (Hrsg.), Kulturelle Vererbung
- Eniehung und Bildung in evolutionstheoretischer Sicht, 2010, S. 75ff..
(Ebd.). |
Für
den Physiker und Genetiker Carsten Bresch geht die - physikalische und biologische
- Evolution mit einem generellen Komplexitätszuwachs einher, jedenfalls auf
lange Sicht. (Vgl. Carsten Bresch, Carsten, Evolution. Was bleibt von Gott?,
2010.) Offenbar sind der Physik dabei jedoch Grenzen gesetzt, denn in einem zerfallenden
Universum benötigen komplexe Systeme fortwährend Energie - und je komplexer
sie sind, desto mehr -, um nicht gleichfalls zu zerfallen. Erst die Eigenart der
biologischen Systeme, ihre Kompetenzen (und damit ihre Strukturinformationen)
speichern und verarbeiten zu können und sich gleichzeitig nachhaltig gegenüber
sich selbst und ausbeutend gegenüber ihrer Umwelt zu verhalten, ermöglichte
das Entstehen immer komplexerer Systeme. Das Besondere an Lebewesen als komplexe
Systeme ist vor allem, daß sie einerseits wissen, wie sie die Energie zur
Aufrechterhaltung ihrer Komplexität und Ordnung (beziehungsweise ihrer Kompetenzen)
in ihrer Umwelt beschaffen können, und andererseits, wie sie dieses Wissen
tradieren und gegebenenfalls verändern können. (Ebd., S. 12).Die
beschriebene Grundaufgabe des Lebens - die Reproduktion der Kompetenzen - stellt
sich im übrigen bereits dann, wenn ein Individuum noch nicht von Konkurrenten
umgeben ist. (Eine gewisse Evolution ist deshalb bereits ganz ohne Konkurrenz
möglich. Ihre Triebfeder wäre das foftwährende Bestreben, dem thermodynamischen
Zeitpfeil zu entrinnen.) Stellen Sie sich beispielsweise Robinson auf seiner einsamen
Insel vor, wie er eine flache Bucht entdeckt, in der er nur ins Wasser greifen
muß, um einen schmackhaften Fisch an Land zu ziehen. Wird er sich damit
zufriedengeben? Vermutlich nicht, denn der nächste Taifun könnte der
idyllischen Bucht ein Ende bereiten und für eine unvermittelte Verknappung
lebenswichtiger Ressourcen sorgen. Also wird er einerseits täglich Fische
in seiner Bucht erbeuten, um seine unmittelbaren Kompetenzen (Kraft, Intelligenz
u.s.w.) zu reproduzieren, andererseits aber auch versuchen, seine generellen Fischfangkompetenzen
zu verbessern, zum Beispiel durch die Entwicklung von Fangnetzen oder Wurfspeeren.
Reproduktionsinteressen können nämlich völlig unterschiedliche
Zeitpräferenzen besitzen. Eine besonders hohe Zeitpräferenz hat üblicherweise
die Reproduktion der täglich verbrauchten Energie und Stoffe: Man muß
atmen, essen und trinken, um am Leben und lebensfähig zu bleiben. Bei der
Verbesserung der Fischfangtechnik geht es dagegen um den langfristigen Erhalt
von Kompetenzen im Rahmen eines sich verändernden Lebensraums. Dabei wird
im allgemeinen keine zeitnahe Amortisation von Investitionen erwartet, sondern
eher auf lange Sicht. Die zugehörigen Reproduktionsinteressen besitzen deshalb
eine vergleichsweise niedrige Zeitpräferenz, wie Ökonomen sich auszudrücken
pflegen. Eine noch niedrigere Zeitpräferenz haben Reproduktionsinteressen,
die über das eigene Leben hinaus reichen. Dazu gehören die Fortpflanzung
- das heißt, die Reproduktion genetisch vennittelter Kompetenzen - und die
sich anschließende Weitergabe von kulturellen Kenntnissen, Fertigkeiten
und Mitteln an die Nachkommen. Menschen können sich aber - je nach Ausprägung
ihrer individuellen Reproduktionsinteressen beziehungsweise ihrer persönlichen
Präferenzen - auch entschließen, auf eine eigene Fortpflanzung teilweise
oder ganz zu verzichten und der Nachwelt statt dessen primär kulturelles
Wissen zu hinterlassen. Robinson stünden auf seiner einsamen Inselohnehin
keine anderen Optionen zur Verfügung, es sei denn, ihm würde irgendwann
Arielle die Meerjungfrau ins Netz gehen. Deshalb würde er vennutlich Tagebuch
führen. (Ebd., S. 12-13).Bei regelmäßig sterbenden
selbstreproduktiven Systemen (Lebewesen) ist also zwischen der Reproduktion der
Kompetenzen zu Lebzeiten und derjenigen über das eigene Leben hinaus zu unterscheiden.
Wie ich bereits schrieb, sprechen Ökonomen hierbei von Reproduktionen mit
hoher (zu Lebzeiten) beziehungsweise niedriger (über das Leben hinaus) Zeitpräferenzen.
Den ersten Fall nennt die Biologie Selbsterhalt, den zweiten Fortpflanzung, beziehungsweise
auch - im vorliegenden Kontext leicht mißverständlich - Reproduktion.
Für beide Reproduktionsarten sind Energie und weitere Ressourcen (Mittel)
erforderlich, die regelmäßig aus der Umwelt beschafft werden müssen.
Im allgemeinen dürfte dies nur gelingen, wenn ausreichende Kompetenzen gegenüber
der Umwelt bestehen. (Ebd., S. 13).Tiere müssen folglich
regelmäßig auf Nahrungssuche (energetische Ressourcenbeschaffung) gehen,
um sich selbsterhalten und fortpflanzen zu können. Bei der sexuellen Fortpflanzung
werden zusätzlich noch Fortpflanzungspartner benötigt, bei denen es
sich aus evolutionstheoretischer Sicht gleichfalls um Ressourcen handelt, die
in der Umwelt zu »beschaffen« sind. (Ebd., S. 13).Im
Rahmen der menschlichen Fortpflanzung entsprechen die nicht spezifisch kulturellen
Reproduktionsinteressen mit sehr niedriger Zeitpräferenz (das heißt,
die über das eigene Leben hinausreichenden Reproduktionsinteressen) in erster
Annäherung dem Kinderwunsch. (Ebd., S. 13).Alles
Leben ist letztlich Kompetenzverlustvermeidung. (Ebd., S. 15).In
zahlreichen zeitgenössischen Büchern wird der Eindruck vermittelt, Konkurrenz
sei primär schlecht, Kooperation hingegen gut. Dem ist jedoch nicht so. Oftmals
ist Kooperation lediglich eine höhere Form der Konkurrenz: Wenn zwei kooperieren,
leidet ein Dritter. (Oder noch banaler: Wenn zehn Steinzeitmenschen kooperieren,
leiden die Mammuts.) Häufig wird sich nämlich primär deshalb zusammengetan,
um gegenüber Dritten - zum Beispiel bezüglich der Bewahrung der eigenen
Kompetenzen - im Vorteil bzw. nicht im Nachteil zu sein. Aus diesem Grund sind
in Marktwirtschaften Preisabsprachen - eine Form der Kooperation - unter Konkurrenten
üblicherweise verboten: Sie würden zu Lasten der Kunden gehen. Aus demselben
Grund gilt organisiertes (kooperierendes) Verbrechen als besonders gefährlich
und verwerflich. Man könnte ohnehin sagen, daß ein Großteil unserer
aktuellen sozialen Probleme wesentlich auf unserer enormen Kooperationsfähigkeit
beruht, wie Ergebnisse des vorliegenden Buches nahelegen. (Ebd., S. 17).Ist
das Zusammenwirken verschiedener Evolutionsakteure besonders eng (mittels Kommunikation,
Konkurrenz, Kooperation, Altruismus, Arbeitsteilung, Kompetenztransfer u.s.w.),
kann sich per Selbstorganisation eine neue, höhere Systemebene ausbilden,
deren Mitglieder nun ebenfalls wieder selbstreproduktive Systeme (Evolutionsakteure)
sein können. (Ebd., S. 27).Gemäß der Systemischen
Evolutionstheorie haben sich in der Natur bislang drei Ebenen selbstreproduktiver
Systeme ausgebildet: | Einzellige
Organismen (Einzeller). | | Vielzellige
Organismen (Vielzeller: Pflanzen und Tiere). Vielzeller
sind (zusammenhängende) selbstreproduktive Systeme, die sich aus mehreren,
arbeitsteilig zusammenwirkenden Zellen (einzelligen Orgamsmen) - ihren Elementen
- zusammensetzen. Zwischen ihren Elementen beziehungsweise Gruppen von Elementen
(Subsystemen) besteht folglich eine mehr oder weniger ausgeprägte reproduktive
Aufgabenteilung (bis hin zu einer Form der »Eusozialität«, bei
der nur die Geschlechtszellen für die Fortpflanzung verwendet werden). | | Superorganismen
(Organisationssysteme, Unternehmen, Insektensozialstaaten u.s.w.). Superorganismen
sind selbstreproduktive Systeme, die sich aus mehreren, arbeitsteilig zusammenwirkenden
Vielzellern (vielzelligen Organismen) und Vielzellergruppen - ihren Elementen
- zusammensetzen. Letztere können selbst wieder Superorganismen sein. Zwischen
den Elementen beziehungsweise Gruppen von Elementen (Subsystemen) eines Superorganismus
besteht folglich eine mehr oder weniger ausgeprägte reproduktive Aufgabenteilung. | Viren
gehören gleichfalls zu den selbstreproduktiven Systemen, obwohl sie nicht
als Lebewesen gelten. Aufgrund ihrer nichtzellulären Konstruktion fallen
sie jedoch in keine der genannten Systemebenen. (Ebd., S. 27).Einfache
Populationen, Interaktionssysteme, Herden oder Schwärme sind aus Sicht der
Systemischen Evolutionstheorie - anders als Insektensozialstaaten - noch keine
selbstreproduktiven Systeme beziehungsweise Superorganismen, da sie über
keine eigenständigen Reproduktionsinteressen verfügen. Bei Gruppierungen
aus Evolutionsakteuren, die selbst keine Evolutionsakteure sind (Interaktionssysteme,
Herden etc.), werden eventuell beobachtbare Weiterentwicklungen nicht von den
übergeordneten Gruppen, sondern im Zusammenwirken von deren Elementen hervorgebracht.
(Ebd., S. 27).Ähnlich wie die Darwimsche
Evolutionstheorie kennt die Systemische Evolutionstheorie drei Evolutionsprinzipien.
Sie lauten: | Eine
Population besteht aus lauter selbsterhaltenden Systemen (Individuen), die sich
allesamt voneinander unterscheiden, und die unterschiedliche informative und energetische
Kompetenzen in bezug auf ihre Umwelt besitzen. Dieses
Prinzip heißt Variation. ** | | Die
Individuen der Population besitzen (eventuell) unterschiedlich starke) Reproduktionsinteressen.
Die - poulationsweit ausreichend stark ausgeprägten - Reproduktionsinteressen
korrelieren für alle Zeitpräferenzen nicht negativ mit den informativen
Kompetenzen der Individuen in bezug auf ihre Umwelt. Auf Grund ihrer Reproduktionsinteressen
konkurrieren die Individuen um den Zugriff auf die Ressourcen der Umwelt. Die
Verteilung der Ressourcen unter den Individuen erfolgt dabei mittels des Rechts
des Stärkeren und/oder des Rechts des Besitzenden. Dieses
Prinzip heißt Reproduktionsinteresse. ** | | Es
existieren variationserhaltende Reproduktionsprozesse, die die Kompetenzen der
Individuen in bezug auf ihre Umwelt aufbauen, modifizieren oder replizieren können,
wobei das Ergebnis von Modifikation oder Replikation gegenüber dem Ausgangszustand
zwar verändert ist, in der Regel aber auch erkennbare Ähnlichkeiten
aufweist (**|**).
Für die Reproduktion werden Ressourcen aus der Umwelt benötigt. Dieses
Prinzip heißt Reproduktion. ** | Die
Kernaussage der Systemischen Evolutionstheorie ist nun: Wenn die drei Prinzipien
Variation, Reproduktionsinteresse und Reproduktion gegeben
sind, dann ist deren Evolution die Folge. (Ebd., S. 29-30).
Zur Frage des Grades der Ähnlichkeit
führt Karl Olsberg (Karl-Ludwig Freiherrr von Wendt) aus: »Man
kann den Zusammenhang zwischen Mutationsrate und Evolutionsfortschritt
mathematisch analysieren. Dies haben Ingo Rechenberg ... und seine
Mitarbeiter schon in den 1970er Jahren getan .... In vielen Fällen
ist die Mutationsrate optimal, wenn 20 Prozent der Nachkommen besser
an die Umwelt angepaßt sind als ihre Eltern, 80 Prozent jedoch
schlechter .... Der Grund liegt darin, daß es einen mathematischen
Zusammenhang zwischen der Schrittweite der Mutationen und dem Anteil
schlechter Mutationen gibt. Man kann also die Schrittweite
nur vergrößern, wenn man einen höheren Anteil nachteiliger
Mutationen in Kauf nimmt« (Karl-Ludwig Freiherrr von Wendt
alias Karl Olsberg, Schöpfung außer Kontrolle,
2010, S. 56f.). Eine optimierte Lösung in der Hinsicht stellt
offenkundig die Getrenntgeschlechtlichkeit dar: Männlich =
hohe Mutationsschrittweite + Selektion; weiblich = niedrige Schrittweite.
(Ebd.).
Generell stellt sich in diesem
Zusammenhang und in Verbindung mit dem Prinzip Variation die Frage
nach den Mechanismen für das Entstehen neuer Variation. Diese
Frage kann jedoch im Rahmen einer allgemeinen Evolutionstheorie
nicht beantwortet werden, sondern nur durch die zuständigen
Fachdisziplinen, Ganz entsprechend schrei ben Bunge und Mahner zu
den möglichen Emergenzmechanismen. »Welches sind die
Emergenzmechanismen? Hierauf gibt es keine allgemeine Antwort: Die
Antwort hängt von der Natur der Dinge ab, d.h. es gibt unzählige
Emergenzmechanismen, die außer dem Auftreten neuer Eigenschaften
kaum etwas gemeinsam haben. .... Emergenzprozesse können daher
nur allgemein als Prozesse der Selbstzusammensetzung und der Selbstorganisation
beschrieben werden, als Prozesse der inneren Restrukturierung, als
Interaktionsprozesse mit Dingen aus der Umgebung oder eine Kombination
dieser Prozesse.« (Mario Bunge / Martin Mahner, Über
die Natur der Dinge, 2004, S. 81). Man vergleiche dazu aber
auch: Mario Bunge / Martin Mahner, Philosophische Grundlagen
der Biologie, 2000, S. 301ff..' (Ebd.).
|
Die Prinzipien Variation (**)
und Reproduktion (**)
der systemischen Evolutionstheorie sind im Grunde lediglich systemtheoretische
Verallgemeinerungen der namensgleichen Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie
(**).
(Ebd., S. 30).
Man
vergleiche jedoch dazu die Verwendung des Fitneßbegriffs innerhalb der moder
nen Evolutionsbiologie. Ferner ist zu beachten, daß es sich bei den Prinzipien
Variation, Reproduktionsinteresse und Reproduktion der Systemischen
Evolutionstheorie lediglich um hinreichende Bedingungen für Evolution handelt.
Es sind nämlich Populationen vorstellbar, die selbst unter geringfügig
schwächeren Bedingungen evolvieren können (zum Beispiel wenn das Reproduktionsinteresse
zwarmit zunehmender Fitneß sinkt, jedoch nicht so schnell wie die Fitneß
dabei ansteigt, oder wenn es zu einem regelmäßigen ungehinderten horizontalen
Kompetenztransfer zwischen den Evolutionsakteuren - per Imitation, Bildung, Mitarbeiterwechsel
u.s.w. - kommt). Die genannten Bedingungen sind deshalb nicht unbedingt notwendig
für Evolution. Es ist fraglich, ob jemals allgemeine hinreichende und notwendige
Kriterien für Evolution formuliert werden können. (Ebd.). |
Die
Systemische Evolutionstheorie abstrahiert diese relativ allgemeine Formulierung
der natürlichen Auslese zu:: | Der
unterschiedliche Erfolg der Evolutionsakteure bei der Reproduktion ihrer Kompetenzen
(in bezug auf die Umwelt) bewirkt schließlich Evolution. | Zu
beachten ist: Die Darwinsche Evolutionstheorie basiert (wie die Theorie der
egoistischen Gene) auf der Bevölkerungslehre von Malthus. Sie nimmt an,
daß alle Individuen einer Population darum bestrebt sind, sich (beziehungsweise
ihre Gene) möglichst oft zu reproduzieren. Davon geht die Systemische Evolutionstheorie
nicht aus. Statt dessen führt sie als zusätzliche Variable die individuellen
Reproduktionsinteressen ein. Sie genügt damit auch moderneren demographischen
Fertilitätstheorien. Individuen können sich also von vornherein oder
entsprechend der ihnen zugewiesenen sozialen Rolle in bezug auf die Fortpflanzung
unterschiedlich altruistisch verhalten und dementsprechend unterschiedlich stark
ausgebildete Reproduktionsinteressen besitzen. (Ebd., S. 31).Für
biologische Populationen, deren Individuen alle ein vergleichbar starkes beziehungsweise
maximales Reproduktionsinteresse aufweisen (wovon die Darwinsche Evolutionstheorie
gemäß Malthus ausgeht), läßt sich die Darwinsche Evolutionstheorie
mit ihren Selektionsprinzipien aus der Systemischen Evolutionstheorie ableiten.
Mit anderen Worten: Die Darwinsche Evolutionstheorie ist ein Spezialfall der Systemischen
Evolutionstheorie (**),
Da die Systemische Evolutionstheorie entsprechend der Darwinschen Evolutionstheorie
algorithmisch formuliert ist (ihre Prinzipien begründen einen Algorithmus),
können auf ihrer Grundlage computergestützte Evolutionssimulationen
durchgeführt werden. (Ebd., S. 31).Daneben besitzt die
Theorie zahlreiche Überschneidungen mit der Evolutionsökonomik
und den kulturellen Evolutionsvorstellungen Friedrich August von Hayeks.
(Ebd., S. 31).Mit den soeben dargelegten Prinzipien lassen sich
auf einheitliche Weise sowohl die Evolutionen von biologischen Phänomenen,
Gesellschaften, Kulturen, ökonomischen Systemen als auch Technologien beschreiben.
Dabei werden alle evolutionären Prozesse letztlich auf grundsätzliche
Naturgesetze zurückgeführt, weswegen das zugrundeliegende Evolutionsmodell
auch mit den naturwissenschaftlichen Vorstellungen zur menschlichen Willensfreiheit
als Illusion kompatibel ist. Eine Sonderstellung des Menschen wird im Modell an
keiner Stelle vorausgesetzt. Auch läßt sich auf diese Weise beschreiben,
wie Menschenrechte per Evolution entstehen und welchen evolutionären Sinn
sie haben. (Ebd., S. 33-34).»Nichts hat Sinn, außer
im Lichte der Evolution.« (Ebd., S. 34).
3) Evolution und Ökonomie
Unternehmen besitzen
gegenüber ihrer Umwelt (den Märkten) Kompetenzen, um aus ihr Ressourcen
(Mittel, Geld, Humanressourcen u.s.w.) zu erlangen, mit deren Hilfe sie ihre Kompetenzen
reproduzieren können. (Ebd., S. 41).Unternehmen entfalten
eigenständige Kompetenzen, die über das Wissen und die Fähigkeiten
ihrer Mitarbeiter hinausgehen. In dieser Hinsicht entsprechen sie den Bienenvölkern.
(Ebd., S. 41).Es ist wichig, zu begreifen, daß moderne Unternehmen
weder Menschen noch Menschengruppen, sondern Superorganismen sind. Aus diesem
Grund wird Wirtschaft auch längst nicht mehr von Menschen für Menschen,
sondern von Superorganismen gemacht. Selbst gegenüber ihren eigenen Mitarbeitern
bringen solche Systeme oftmals kaum mehr Mitgefühl auf als ein vor einer
Meute Raubtiere fliehender barfüßiger Steinzeitmensch gegenüber
den Zellen seiner Fußsohlen. In beiden Fällen steht nämlich das
Überleben des Gesamtssystems im Vordergrund. (Ebd., S. 41-42).In
einigen ökonomischen Theorien (z.B. der Österreichischen Schule der
Ökonomie) wird der Begriff des Kapitals in einem recht ähnlichen
Sinne verwendet, das heißt als Vermögen (Fähigkeiten) bzw. Potential.
Was die Bedeutung der Wissensentwicklung angeht, bestehen ohnehin sehr viele Übereinstimmungen
zwischen der Österreichischen Schule der Ökonomie und der Systemischen
Evolutionstheorie. Allerdings mangelt es ersterer an einem grundlegenden systemtheoretischen
Fundament. Dementsprechend sind für sie Unternehmen keine eigenständigen
Akteure, sondern nur die Menschen, die sie leiten bzw. für sie tätig
sind. Diese Beschränkung dürfte dieUrsache einiger Fehlschlüsse
und Fehleinschätzungen sein, wie ich noch zeigen werde. (Ebd., S. 42).
4) Nischenbildung
5) Gier
Information und Wissen lassen sich im
Prinzip beliebig vervielfältigen, Energie und Stoffe dagegen nicht. Nur energetische
Ressourcen können ernsthaft verknappen. (Ebd., S. 54).Und
daraus erwächst in Geldwirtschaften ein kleines Problem. Da Geld ein universelles
Tauschmittel ist, und zwar sowohl für energetische als auch für informative
Ressourcen, wird es leicht möglich, aus der vervielfältigbaren Ressource
Information nicht nur die nicht vervielfältigbare Ressourcer Energie zu schöpfen
- was prinzipiell noch kein Problem darstellt -, sondern sie gleichfalls zu vervielfältigen.
In Geldwirtschaften kann man also gewissermaßen den Energieerhaltungssatz
umgehen. (Ebd., S. 54).Selbst Kinderreichtum könnte
als eine Form der Gier interpretiert werden, und zwar als ein beonders starkes
Streben nach dem Erhalt (der Reproduktion) der eignen genetischen Kompetenzen.
Sie gehört neben der Neugier und der Gier nach energetischen Ressourcehn
beziehungsweise nach Geld zur dritten Gierform .... (Ebd., S. 58).
6) Das antibiologistische Weltbild
Auf die in
besonderem Maße hinterlistigen Tarnumhänge der Linken, »Gutmenschen«,
»politisch Korrekten« und Feministinnen werde ich noch zu sprechen
kommen, denn sie haben sich regelrcht Tarn-Komplexe zusammengestrickt. (Ebd.,
S. 66).Auch ist es nicht zu treffend. daß die aktuelle Wirtschaftskrise
einzig eine Ausgeburt der gierigen Reichen und ihrer ... Interessenvertrter ist.
Ein Großteil der Finanzkrise ab 2007 und de späteren Schuldenkrise
wurde durch eine Politik verursacht, die man eher dem linken Lager zurechnen kann.
(Ebd., S. 67).Die Mehrzahl der Menschen (Ausnahmen bestätigen
die Regel) sind ..., wenn sie in einem Intelligenzbereich sehr gut abschneiden,
auch in allen anderen Bereichen mindestens gut. Ähnliches gilt für schlechte
Resultate. Dies deutet darauf hin, daß eine hohe Intelligenz unter anderem
etwas mit einer bestimmten »Hardware«-Ausstattung zu tun hat, die
für eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit der Neuronen sorgt., Auch die
physische Struktur des Gehirns scheint einen großen Einfluß auf die
Intelligenz und die verschiedenen Intelligenzbereiche zu haben, wie MRT-Aufnahmen
von den Gehirnen eineiiger und zweieiiger Zwillinge nahelegen. (Ebd., S.
69-70).Der selbstverordnete angebliche Antibiologismus, bei dem
es sich in Wirklichkeit um eine antibilogische Ideologie handelt, führt selbst
bei relativ einfachen Untersuchungsgegenständen in aller regelmäßigkeit
zu geradezu kapitalen Fehlschlüssen. (Ebd., S. 71).Was
gesellschaftlich machbar und wandelbar ist, darüber haben nicht nur diejenigen
mitzureden, deren Meinungen auf Vorstellungen beruhen, von denen sich auch Pol
Pot leiten ließ. (Ebd., S. ).Daß es nicht sinnvoll
sein kann, wenn ausgerechnte diejenigen Gesellschaftsmitgliederdie meisten Kinder
bekommen, die im Sozialstaat weder sich noch ihre eigenen Nachkommen auf eigenständige
Weise ernähren können, dürfte selbst den einfachsten Gemütern
einleuchten, da uf diese Weise ja vor allem Armut reproduziert und die Generationengerechtigkeit
(**|**|**)
verletzt wird. Die gesellschaftlichen Entwicklungen in den Industrienationen belegen
dies seit mehreren Jahrzehnten auf eindrucksvolle Weise. Auch werden durch solche
Verhältnisse Begriffe wie Nächtsenliebe und Altruismus regelrecht pervertiert.
Hilfe kann auf lange Sicht stets nur Huilfe zur Slebsthilfe sein. Alles andere
stellt eine Entwürdigung von Menschen und eine Menschrenrechtsverletzung
dar. (Ebd., S. 86).Daß man das in den Sozialwissenschaften
und in linken Kreisen mehrheitlich ganz anders sieht, hat einen einfachen Grund,
und der lautet einmal mehr: Kompetenzerhalt. So wie Ärzte die Kranken brauchen,
um überleben zu können, so benötigen Soziologen und die linke Politik
die sozial Schwachen, denen gegenüber man sich in einer Position der Stärke
beziehungsweise Dominanz (Kompetenzerhalt) präsentiert, was ganz nebenbei
fürchterlich gut fürs eigene Ego ist. Die einfache Rechnung lautet:
Je mehr soziale Brennpunkte es gibt und je ärmer die Gesellschaft wird, desto
mehr Soziologen (einschließlich Sozialpädagogen
und v.a. Sozialarbeiter, Sozial...(hier Wortelement einsetzen!)... - versteht
sich; HB) werden benötigt und desto bedeutsamer wird die Disziplin
und damit man selbst natürlich auch. Und die linke Politik erhofft sich davon
mehr linke Wähler, die mit der eigenen Lebenswirklichkeit unzufrieden sind
(Linke und Links-Soziologisten müssen also die Lebensverhältnisse
immer mehr verschlechtern, um für sich eine Anhänger- bzw. Wählerschaft
zu ködern, denen sie die »Verbesserung« der Lebensverhältnisse
versprechen, aber das Gegenteil tun, um noch mehr Anhänger und Wähler
zu ködern u.s.w. - ein Teufelskreis! HB). Tatsächlich ... gestalten
Soziologie und linke Politik die immer unhatbarer werdenden sozialen Zustände
maßgeblich mit, zum Teil auf demographische Weise, zum teil durch eine Überforderung
des Sozialstaates .... Es ist ein Geschäft mit dem Leid anderer. (Ebd.,
S.86-87 ).Antibiologismus und Tabula-rasa-Hypothese sind für
die Sozialwissenschaften letztlich Lizenzen zum Gelddrucken. (Ebd., S. 87).Auf
diese Weise kommt es zu einer schweren Verletzung der Generationengerechtigkeit
bzw. zur Ausbeutung der kommenden Generationen (**|**|**).
(Ebd., S. 87).Und es kommt zu einer Entwürdigung von Menschen,
diedem abgehängten Prkariat zugerechnet werden. (Ebd., S. 87).
7) Geschelchterverhältnis
Ein
weiterer allgemein verbreiteter Denkfehler ist die Vorstellung, das Nachwuchsverhalten
(gemeint ist das Fortpflanzungsverhalten; HB) in
modernen menschlichen Gesellschaften sei natürlich. (Überhaupt:
Linke und Links-Soziologisten pervertieren alles Natürliche, werten also
auch die Natur um; für sie ist »natürlich«, was unnatürlich
bzw. krank ist, und »unnatürlich« oder »krank«, was
natürlich ist; sie denken und beurteilen falsch, weil sie selbst falsch
herum [= links] sind; HB). .... In Wohlfahrtsstaaten wird dr Reproduktionserfolg
nicht mehr durch die genetische Fitneß bestimmt, sondern durch die ... Reproduktionsinteressen
(den ... Kinderwunsch). Welche Gene die nächste Generation erreichen, ist
demgemäß in erster Linie eine Frage des ... Kinderwunsches (Reproduktionsinteresses)
.... Der ... Reproduktionserfolg in moderenen menschlichen Gesellschaften beruht
nicht - wie in der Natur - in erster Linie auf einer günstigen oder weniger
günstigen genetischen Ausstattung, sondern auf menschengemachten Rahmenbedingungen,
die linderbar sind. (Ebd., S. 93).Wenn sich von Transferleistungen
lebende Frauen aktuell häufiger für mehrere Kinder entscheiden als etwa
Akademikerinnen, dann heißt dies zunächst nichts anderes, als daß
in unserer Gesellschaft akademisch ausgebildete Frauen bezogen auf ihre jeeilige
persönliche Situation im MIttel ungünstigere Fortpflanzungsbedingungen
vorfinden als Sozialhilfeempfängerinnen (und eine solche
»Gesellschaft« mit einem solchen »Staat« kann nicht
natürlich, sondern nur links, also falsch, unnatürlich bzw. krank, dement
oder kurz vor ihrem Tod sein; HB). Anders gesagt: Sie (die
Nicht-Sozialhilfeempfänger) werden in der Fortpflanzungsfrage
benachteiligt (das nennt man auch: Negative Selektion,
soziale Selektion, Dysgenik oder Survival of the Unfittest; HB).
(Ebd., S. 94).Die häufig gemachte Anmerkung, daß alle
Kinder gleich seien und folglich die gleichen staatlichen Zuwendungen erhalten
sollten, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich, da sich ja nicht die Kinder,
sondern deren Eltern für oder gegen Nachwuchs zu entscheiden haben. Und die
leben gegebenenfalls in völlig unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten.
(Ebd., S. 94).Eine wesentliche Ursache der Verletzung der Generationengerechtigkeit
(**|**|**)
und vieler anderer sozialer Probleme unserer Gesellschaft stellt die mißlungene
Gleichberechtigung der Geschlechter dar .... Wie ich noch darlegen werde, dürfte
es sich in ihrer jetzigen Forma dabei um die wohl größte Plünderung
und Vernichtung von Humanvermögen in der Geschichte der Menschheit handeln.
(Ebd., S. 98).Wenn Menschen als selbstreproduktive Systeme schließlich
begreifen, daß sie ihre Kompetenzen im Lebensraum Sozialstaat auch
im Alter besser bewahren können, wenn sie keine Kinder haben, dann wird sich
ein Großteil von ihnen für genau diesen Lebensstil entscheiden.
(Ebd., S. 99-100).Um Machbarkeit oder gar Logik ging es in der
Politik noch nie. (Ebd., S. 100).Tatsächlich werden
auf diese Weise sowohl das eigene Humanvermögen - gewissermaßen durch
reproduktiven Aotogenozid - als auch das des abgebenden Landes geplündert.
(Ebd., S. 103).Der evolutionäre Sinn der Geschlechtertrennung
ergibt sich eben gerade erst aus der Ungleichheit der Geschlechter .... Entsprechendes
kann im Grunde für die gesamte Natur behauptet werden: In einem Universum
ohne unterschiedliche Energieverteilungen - das heißt ohne »Ungleichbehandlungen
und Ungerechtigkeiten« - könnte sich überhaupt nichts entwickeln.
Es wäre dann den Wärmetod gestorben, wie Physiker zu sagen pflegen.
(Ebd., S. 108).Nun könnte man die Gendertheorie und die in
ihrem Zusammenhang aufgestellten Thesen ihrer Protagonisten als eine weitere Absurdität
des Lebens abtun, über die sich nicht weiter aufzuregen lohnte, resultierte
daraus nicht eine substanzielle Verletzung des Prinzips der Generationengerechtigkeit
(**|**|**).
Wie noch dargelegt wird, fehlt der Gendertheorie - wie dem Antibiologismus generell
- die Nachhaltigkeit. Ihre Grundannahmen führen zu einer Plünderung
vorhandener, gesellschaftlich nutzbarer Humanressourcen im Interesse der aktuellen
und zum Nachteil der kommenden Generationen. Es handelt sich letztlich um die
gleiche Geisteshaltung, die den nachfolgenden Generationen bedenkenlos immer weitere
Schulden aufbürdet, indem man die Gegenwart mit den Mitteln der Zukunft finanziert.
(Ebd., S. 108-109).
Wie
ich in verschiedenen Aufsätzen und Büchern darzulegen verucht
habe, kann man die Begriffe »Evolutionsprinzipien« und »Prinzip
der Gnerationengerechtigkeit« gewissermaßen als Synonyme verstehen.
(Ebd.). |
Gemäß
den Ausführungen des Kapitels »Das evolutionär-systemische
Weltbild« (**)
ist Evolution in erster Linie ein Kompetenz bewahrender beziehungsweise entwickelnder
Prozeß. Dies läßt dann aber erwarten, daß Populationen
evolutionär um so erfolgreicher sind, je leichter und schneller sich in ihnen
neue, überlegene Kompetenzen ausbreiten können. Dies erklärt unmittelbar
die überragende Bedeutung kultureller Kompetenzen, denn diese können
sich - anders als Gene - gegebenenfalls noch in der aktuellen Generation horizontal
in der gesamten Population ausbreiten. Beispielsweise kann heute eine geeignete
Therapie für eine irgendwo auf der Welt ausgebrochene Seuche (zum Beispiel
EHEC) binnen Stunden allen behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellt
werden, wodurch sich deren medizinische Kompetenzen praktisch zeitgleich global
verbessern. Das setzt allerdings voraus, daß der horizontalen Distribution
keine unnötigen künstlichen Barrieren im Wege stehen. Zu nennen wären
hier vor allem Nationen-, Sprach-, Kultur-, Klassen- und Schichtgrenzen und andere
soziale Undurchlässigkeiten, aber auch religiöse Vorgaben, Dogmen, Ideologien,
Denkverbote u.s.w.. (Ebd., S. 109).Umgekehrt sollten aber
auch die Populationsmitglieder ausreichend bestrebt sein, für eine Verbreitung
ihrer Kompetenzen zu sorgen. Anders gesagt: Sie sollten über ein ausreichendes
Reproduktionsinteresse verfügen. Man stelle sich beispielsweise vor, ein
auf die Erde zurasender Komet würde allen Berechnungen zufolge in ca. 50
Jahren auf unserem Planeten einschlagen und dann vermutlich alles Leben auslöschen.
Gemäß den Aussagen der Wissenschaften kann das Ereignis nicht mehr
verhindert werden. Allerdings ist ein 60-jähriger Physiker davon überzeugt,
daß man den Kometen mit einer von ihm vor vielen Jahren erdachten Technologie,
die er aus Angst vor Mißbrauch bislang für sich behalten hat, doch
noch rechtzeitig zerstören könnte. Würde er sein Wissen (seine
Kompetenzen) mit ins Grab nehmen, dann würde mit ihm das Leben - und damit
alle Kompetenzen gleich welcher Art - von diesem Planeten verschwinden. Sein fortgesetztes
Schweigen wäre gewissermaßen inhuman, denn Leben bedeutet Evolution
und Evolution wiederum Kompetenzerhalt, und genau den würde er mit seiner
Haltung verhindem. Die zu erwartende normale menschliche Reaktion wäre dagegen,
alles daran zu setzen, um andere von der eigenen Entdeckung zu überzeugen,
d.h. dafür zu sorgen, daß die eigenen Kompetenzen bewahrt bleiben.
(Ebd., S. 109-110).Offenbar existieren in der Wissenschaft längst
Parallelwelten. (Ebd., S. 117).Während die Natur also
dem weiblichen Teil den Hauptteil der Fortpflanzungsarbeit zugewiesen hat, ist
eine Hauptaufgabe des männlichen Geschlechts, die Evolution zu beschleunigen
und für eine möglichst rasche Anpassung an den Lebensraum zu sorgen,
das heißt, die Evolutionsfähigkeit zu verbessern (**).
Es ist folglich von Vorteil, wenn das männliche Geschlecht stärker von
Mutationen betroffen ist, denn dann können ungünstige Mutationen leichter
»eliminiert« und günstige gefördert werden, und zwar alles
auf ganz natürliche Weise (**|**).
Möglicherweise ist sogar ein Großteil des menschlichen Intellekts auf
genau diese Weise entstanden. Insgesamt ist das männliche Geschlecht so etwas
wie ein »Turbolader« der Evolution, denn es unterliegt aufgrund der
aus seiner Sicht knappen weiblichen Ressourcen einem erhöhten Selektionsdruck,
und zwar selbst dann, wenn der Lebensraum nicht begrenzt ist. (Ebd., S.
121).
Vgl.
Christoph von der Malsburg, Ist die Evolution blind?, in: Bernd-Olaf Küppers
(Hrsg.), Ordnung aus dem Chaos - Prinzipien der Selbstorganisation und Evolution
des Lebens, 1987, S. 269-279. (Ebd.). Karl
Olsberg (Karl-Ludwig Freiherrr von Wendt) führt dazu aus: »Man kann
den Zusammenhang zwischen Mutationsrate und Evolutionsfortschritt mathematisch
analysieren. Dies haben Ingo Rechenberg ... und seine Mitarbeiter schon in den
siebziger Jahren getan. .... In vielen Fällen ist die Mutationsrate optimal,
wenn 20 Prozent der Nachkommen besser an die Umwelt angepaßt sind als ihre
Eltem, 80 Prozent jedoch schlechter. .... Der Grund liegt darin, daß es
einen mathematischen Zusammenhang zwischen der Schrittweite der Mutationen und
dem Antei-l schlechter Mutationen gibt. Man kann also die Schrittweite
nur vergrößern, wenn man einen höheren Anteil nachteiliger Mutationen
in Kaufnimmt.« (Karl Olsberg, Schöpfung außer Kontrolle, 2010,
S. 56f.) Eine optimierte Lösung in der Hinsicht stellt offenkundig die Getrenntge- schlechtlichkeit
dar: Männlich = hohe Mutationsschrittweite + Selektion, weiblich = niedrige
Schrittweite. (Ebd.). Mithilfe
eines separaten männlichen Geschlechts kann somit das Mutationsfenster der
Art (innerhalb derer die Art lebensfähig bleibt) weiter ausgeschöpft
werden, allerdings auch nur dann, wenn die Männchen stärker von Mutationen
betroffen sind als die Weibchen und sie den deutlich höheren potenziellen
Fortpflanzungserfolg besitzen. (Ebd.). |
Man
versteht nun also, warum Männer nur ein X-Chromosom besitzen, Frauen aber
deren zwei. Ihr fehlendes zweites X-Chromosom und ihr angeblich verkrüppeltes
Y-Chromosom machen Männer nicht genetisch minderwertiger, wie es gelegentlich
behauptet wurde (**), sondern variabler,
wozu möglicherweise auch das kurze Y-Chromosom noch zusätzlich beigetragen
haben könnte, wie Untersuchungen gezeigt haben wollen. (Ebd., S. 121).
Vgl.
Valerie Solanas, S.C.U.M. - Manifest der Gesellschaft zur Abschaffung der Männer:
Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer, 2010. (Ebd.).
Ja, Sie haben richtig gelesen: ABSCHAFFUNG DER MÄNNER:
... VERNICHTUNG DER MÄNNER! |
Es
stellt also einen evolutionären Vorteil dar, wenn die Fortpflanzungsaufgaben
in einer Population nicht von allen Individuen in gleichem Maße getragen
werden (wie etwa beim Hermaphroditismus), sondern sich in unterschiedlicher Gewichtung
und Fokussierung auf verschiedene soziale Rollen verteilen. Die Honigbienen haben
es in besonderem Maße exemplarisch vorgeführt: Bei ihnen gibt es Königinnen,
die die eigentlichen Reproduktionsaufgaben erledigen, Arbeiterinnen, denen die
sozialen Aufgaben zufallen, und Drohnen (Männchen), die für Variation
und Selektion sorgen. Wie beim Menschen zeichnen sich bei den Bienen die männlichen
Geschlechtstiere durch eine stärkere Variabilität (Variation) und eine
wesentlich größere Varianz beim individuellen Fortpflanzungserfolg
(Selektion) aus. Dies macht letztlich das Wesen des männlichen Geschlechts
aus: Seine primäre Aufgabe ist es, den Evolutionsprozeß zu beschleunigen.
In ihm entstehen nicht nur die meisten neuen genetisch bedingten Kompetenzen (Variation),
sondern es kann aufgrund der viel größeren Varianz beim Fortpflanzungserfolg
(beziehungsweise der potenziellen Fruchtbarkeit) zudem maßgeblich dafür
sorgen, daß sich die Kompetenzen - sofern vom weiblichen Geschlecht als
wünschenswert erachtet - relativ rasch bedingt »horizontal« in
der gesamten Population ausbreiten können. Obwohl der Hennaphroditismus -quantitativ
betrachtet - reproduktiv leistungsfähiger als die Getrenntgeschlechtlichkeit
ist, produziert die heterosexuelle Fortpflanzung die weitaus kompetenteren Nachkommen.
Komplexe Lebewesen wie der Mensch konnten in der Natur nur getrenntgeschlechtlich
entstehen. (Ebd., S. 121-122).Gibt es eine Alternative zu
Gender? .... Eine solche Alternative gibt es in der Tat. Die Honigbienen haben
sie gefunden. (Ebd., S. 126-127).Die Evolutionsbiologie definiert
Altruismus als ein Verhältnis, welches den Reproduktionserfolg anderer auf
Kosten des eigenen Reproduktionserfolges erhöht. In der Terminologie der
Systemischen Evolutionstheorie übersetzt sich das in: Altruismus ist ein
Verhalten, welches das Reproduktionsinteresse anderer auf Kosten des eigenen Reproduktionsinteresses
erhöht. (Ebd., S. 127).Die von den Honigbienen gefundene
Lösung läßt sich - verkürzt - wie folgt zusammenfassen: Werden
in einem Sozialstaat alle sozialen Aufgaben von den Weibchen wahrgenommen, dann
müssen sie sich arbeitsteilig in berufsätige Weibchen und Hausfrauen
aufspalten, andernfalls löste sich der Sozialstaat mit der Zeit wieder auf.
Ich wüßte nun allerdings nicht, wie Gendertheoretiker und Gleichheitsfeministinnen
den Frauen ausgerechnet diesen Zusammenhang plausibel machen wollten. Mit dem
Familienmanager-Modell (**)
habe ich versucht, eine auf solch grundlegenden Überlegungen und Konzepten
aufbauende tragfähige und zwangfreie Lösung für das globale Bevölkerungsproblem
unter der Rahmenbedingung der Gleichberechtigung der Geschlechter vorzuschlagen.
Eingehend theoretisch und praktisch begründet wird es in meinem Artikel »Familienarbeit
in gleichberechtigten Gesellschaften« (**)
und in meinen Büchern zum Thema (**).
.... Allerdings merke ich ... sogleich an, daß ich dafür auf absehbare
Zeit keine Umsetzungschancen sehe, da die Vertreter des Antibiologismus, der Tabula-rasa-Hypothese
und der Gendertheorie dies mit ihrem Einfluß nicht zulassen werden.
(Ebd., S. 129-130).
8) Die Rolle der Medien
In wettbewerbsorientierten
Marktwirtschaften kann man den Tag nur in »viel Beruf (beziehungsweise Karriere)
und wenig Familie« oder umgekehrt in »wenig Beruf und viel Familie«
aufteilen, aber eben nicht in »beides viel«. Letzteres wäre für
die Darwinsche Evolutionstheorie jedoch eine Grundvoraussetzung für Evolution,
denn gemäß ihr findet Evolution deshalb statt, weil diejenigen, die
sich in ihrer Umwelt leichter tun und dort mehr Ressourcen erlangen, auch mehr
Nachkommen hinterlassen. Patriarchalische Gesellschaften sind mit ihrer rigorosen
sexuellen Arbeitsteilung exakt so orgarnsiert, daß diese Grundbedingung
für Evolution erfüllt wird, und aus diesem Grund haben sie sich auch
evolutionär durchgesetzt. Modeme gleichberechtigte Gesellschaften genügen
der Bedingung hingegen nicht, da sie lediglich die »Vereinbarkeit«
von Familie und Beruf (das heißt »viel Beruf und wenig Familie«
oder »wenig Beruf und viel Familie«) zum wünschenswerten Prinzip
erhoben haben. Im Grunde demonstriert das Konzept von der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf als Lösungsansatz für die prekäre Nachwuchssituation
gleichberechtigter Gesellschaften bereits, wie wenig die antibiologistischen Sozial-
und Kulturwissenschaften von der Evolutionstheorie verstehen, nämlich buchstäblich
nichts. (Ebd., S. 143).Für das, was Eva Herman damals
tatsächlich sagte, interessierten sich die medialen Wortführerinnen
in Wirklichkeit nicht. Deshalb laufen auch heute noch alle inhaltlich argumentierenden
Fallanalysen praktisch vollständig ins Leere. In Kompetenzbewahrungsspiralen
geht es schließlich nicht um Inhalte, sondern um den Erhalt von Kompetenzen,
etwa um die Stellung in der Gruppe oder um das gesellschaftliche Prestige, das
heißt letztlich um Selbstanpassung. Im konkreten Fall hätte aber eine
frühzeitige Unterstützung für Eva Herman, beispielsweise durch
die öffentliche Bekundung, daß sie das ihr Unterstellte ja gar nicht
gesagt hat, möglicherweise den Verlust der Zugehörigkeit zur Gruppe
der gesellschaftlich relevanten Stimmen zur Folge gehabt. Also unterbliebeni entsprechende
Stellungnahmen. Man versteht nun, wie politische Korrektheit entsteht und aufrechterhalten
(reproduziert) wird und was sie bedeutet. Nennen wir sie einfachheitshalber Selbstanpassung.
Gutmenschen und Politisch-Korrekte sind in diesem Sinne besonders gut Selbstangepaßte.
(Ebd., S. 146). Ein wenig erinnert mich der Fall an ein Erlebnis,
das ich während meines Mathematikstudiums als poitisch links stehender Zuhörer
in einem wissenschaftstheoretischen Seminar an der Philosophischen Fakultät
hatte. Als man dort - für links stehende Personen politisch korrekt - Karl
Poppers Falsifikationsprinzip substantiell kritisierte, erlaubte ich mir - gestützt
auf mein Fachwissen in mathematischer Logik - anzumerken, daß Popper aufgrund
der Asymmetrien in den logischen Regeln in dem Punkt absolut recht habe, woraufhin
ich von etlichen - ebenfalls linken - Seminarbesuchern fast schon inquisitorisch
gefragt wurde, ob ich etwa neuerdings ein Anhänger Poppers sei. Meine damalige
Antwort war: »Bislang nicht, jetzt schon.« Der Vorfall begründete
übrigens mein tiefes Mißtrauen, welches ich noch heute gegenüber
solcherart Wissenschaft hege. (Ebd., S. 146). (Ebd., S. 146).Der
Fall Eva Hennan führte auf exemplarische Weise vor, welche Eigendynamik Kompetenzbewahrungsspiralen
entfalten können. Nachdem sich einige prominente Personen einheitlich und
in eindeutiger Weise gegen Eva Hennan ausgesprochen hatten, stellte eine sinngemäß
ähnliche öffentliche Verlautbarung kein persönliches Risiko mehr
dar. Mit einer Bekräftigung der Erststimmenmeinungen konnten sogar gleich
zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Erstens bekundete man hierdurch
seine Zugehllrigkeit zur Gruppe derjenigen, die in unserer Gesellschaft das Sagen
haben und für modernes, »vorwärts« gerichtetes Denken stehen,
und zweitens brachte man sich einmal mehr ins Gespräch und damit in Erinnerung.
Es ging schließlich um den Erhalt der eigenen sozialen Kompetenzen. Eine
unmittelbare Auseinandersetzung mit dem, was Eva Herman tatsächlich gesagt
hatte, war dafür an keiner Stelle erforderlich. Es reichte, sich auf das
zu beziehen, was die Erststimmen bereits von sich gegeben hatten. Diese konnten
aber ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr falsch gelegen haben, weil sich
sonst alle anderen ebenfalls geirrt hätten. Auf diese Weise war eine neue,
unverrückbare Wahrheit entstanden, frei nach dem Motto: »Es ist nicht
das wahr, was ist, sondern was darüber in den Mainstreammedien steht.«
Einer solchen Auffassung hat sich im übrigen auch längst das Internet-Lexikon
Wikipedia angeschlossen: Fakt ist nur das, was sich durch Artikel der Mainstreammedien
belegen läßt. Dieser kollektiven Gewißheit konnte sich dann schließlich
auch der Bundesgerichtshof nicht mehr entziehen. In einem Urteil zum Fall behauptete
er, Eva Hermans ursprüngliche Aussage könne sinngemäß nur
so interpretiert werden, wie es Barbara Möller vom Hamburger Abendblatt seinerzeit
getan hatte (vgl. dazu meinen Artikel »Eva Herman, der BGH und die deutsche
Sprache« [**|**]).
(Ebd., S. 146). In den Medien nahm man das BGH-Urteil so gelassen
zur Kenntnis, als habe Angela Merkel einmal mehr an die »Bedeutung«
des Euros für Deutschland und ganz Europa erinnert. Lediglich weniger prominente
Autoren, wie ich selbst, versuchten darauf aufmerksam zu machen, daß es
sich bei dem BGH-Urteil, welches ja nichts weniger behauptete, als daß Eva
Hermans ursprüngliche Äußerung ausschließlich im Sinne der
Wiedergabe des Hamburger Abendblattes interpretiert werden könne, um ein
krasses Fehlurteil handelte. Von seiten der Mainstreammedien hingegen kein Wort,
nichts, niemand, um in der Wortwahl Frank Schirrrmachers zu bleiben. (Ebd.,
S. 147).Im Grunde hat der Fall auf eindrucksvolle Weise demonstriert,
wie durch das Wirken der Medien kollektiver Schwachsinn erzeugt werden kann. Schließlich
sind dann nicht einmal mehr die einfachsten Sachverhalte klärbar und verhandelbar.
Denn Eva Herman hatte lediglich das Folgende öffentlich und in freier Rede
gesagt: »Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch
wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf
folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch
alles das - alles, was wir an Werten hatten - es war 'ne grausame Zeit, das war
ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das Deutsche
Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch
das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter,
das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts
mehr stehenbleiben.« (Ebd., S. 147-148).In den letzten
Jahren haben sich genau prominente »bürgerliche« Personen auf
sehr eingehende Weise und dabei ihre gesellschaftliche Reputation riskierend zum
demographischen Wandel und zu dessen Begleiterscheinungen geäußert.
Die eine Person war Eva Hennan, die andere Thilo Sarrazin. Beide Personen sind
- trotz großer Zustimmung in der Bevölkerung zu ihren Kernaussagen
- von den Medien in einer Art konzertierter Aktion regelrecht niedergeknüppelt
und anschließend ausgegrenzt worden. Dabei gelang es - wie beschrieben -,
aus Eva Herman - bei grober Sinnentstellung einer ihrer Äußerungen
- eine Sympathisantin der Nazi-Familienpolitik zu machen. Ähnlich irritierend
war der mediale Umgang mit Thilo Sarrazin, zu dessen Buch und Thesen sich Frank
Schirrmacher selbst bereits frühzeitig äußerte, zum Beispiel mit
den folgenden denkwürdigen Formulierungen:»Denn
im Innersten dieses Buches steckt eine vulgärdarwinistische Gesellschaftstheorie,
die mit einer Unbefangenheit dargelegt wird, als hätte es alle Erfahrungen
des zwanzigsten Jahrhunderts nicht gegeben. Ein Kernsatz des Buches lautet: Das
Muster des generativen Verhaltens in Deutschland seit Mitte der sechziger Jahre
ist nicht nur keine Darwinsche, natürliche Zuchtwahl im Sinne von survival
of the fittest, sondern eine kulturell bedingte, vom Menschen selbst gesteuerte
negative Selektion, die den einzigen nachwachsenden Rohstoff, den Deutschland
hat, nämlich Intelligenz, relativ und absolut in hohem Tempo vermindert.
Das sind unerhörte Sätze. (Nein, das ist die Wahrheit!
Schhirmmacher kann die Wahrheit nicht vertragen, also ist er bereits ein Linker!
HB). Und Sarrazin weiß das.« | Offenbar
gab es da doch tatsächlich einen Politiker - und dies hätte ich nie
und nimmer für möglich gehalten -, dem ein tiefer Einblick in die Evolutionstheorie
und die mit ihr zusammenhängenden Probleme unserer Gesellschaft gelungen
war. Thilo Sarrazins Kernsatz ist aus Sicht der Systemischen Evolutionstheorie
richtig, wie er richtiger kaum sein könnte. (Ebd., S. 150).Noch
verblüffier war ich darüber, daß er sich dabei Formulierungen
bediente, die vom Inhalt her praktisch identisch mit den entsprechenden Forrnulierungen
der Systemischen Evolutionstheorie waren, zum Beispiel den folgenden«:Bei
der natürlichen Selektion ist die Natur der »Züchter«, bei
der sexuellen Selektion sind es die Weibchen und in Sozialstaaten der Sozialstaat
selbst. Man könnte in diesem Zusammenhang von einer sozialen Selektion sprechen,
bei der die entscheidenden Selektionsfaktoren von Menschen beziehungsweise menschlichen
Organisationen geschaffene sozioökonomische Faktoren sind. Anders gesagt:
In menschlichen Sozialstaaten gestalten Menschen Selektionsfaktoren, die - über
die Selektion - wiederum Menschen gestalten. Wohlfahrtsstaaten müssen sich
also auf eine bestimmte Weise organisieren, um ihre humanen Kompetenzen bewahren
zu können. Nicht jede Organisation ist in diesem Sinne kompetenzerhaltend.
Im ungünstigen Fall können ihre bestimmenden sozioökonomischen
Faktoren (die wesentlichen Selektionsfaktoren) so gesetzt sein, daß sich
ein negativer Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Reproduktionserfolg realisiert. | Nichts
anderes behauptet Thilo Sarrazin in seinem Satz. Und dafür ist er kritisiert,
als Sozialdarwinist beschimpft und regelrecht öffentlich fertiggemacht worden,
unter anderem von Frank Schirrmacher selbst. Dabei steckt in seinem Satz letztlich
eine tiefgründige Distanzierung vom Darwinismus. Seine Kernaussage lautet
nämlich - in die Terminologie der Evolutionstheorie übersetzt -, daß
das Fortpflanzungsverhalten in unserer Gesellschaft weniger von natürlichen
(von der Natur gesetzten) Selektionsfaktoren beeinflußt wird -es darin also
gewissermaßen nicht mehr zur natürlichen Selektion kommt -, sondern
primär durch vom Menschen selbst geschaffene kulturelle Faktoren. Anders
gesagt: Wenn man in einer Gesellschaft vorgibt, daß nur diejenigen Männer
heiraten dürfen, die eine Ausbildung und ein ausreichendes Einkommen nachweisen
können - wie es vor wenigen Jahrhunderten tatsächlich noch der Fall
war -, dann wird die Verteilung der Kinder in der Bevölkerung eine ganz andere
sein, als wenn ein Sozialstaat grundsätzlich alle (ohne zahlenmäßiges
Limit) Kinder von mittellosen Eltern ernährt. Und genauso würde sich
die Kinderverteilung in der Bevölkerung beträchtlich voneinander unterscheiden,
wenn für gewöhnlich nur Männer arbeiten gehen und Frauen statt
dessen mehrheitlich Mutter und Hausfrau werden, oder wenn im allgemeinen sowohl
Frauen als auch Männer einem Job nachgehen und nach beruflichem Erfolg streben.
(Ebd., S. 150-151).Das aktuelle Geburtenverhalten in unserer Gesellschaft
dürften nur diejenigen als problemlos ansehen, die glauben - bzw. uns glauben
machen möchten -, Menschen kämen als sozial beliebig formbare Biomassen
zur Welt, konkret: die Anhänger des Antibiologismus, der Tabula-rasa-Hypothese
und der Gendertheorie. Folgte man deren Vorstellungen, könnte man das Geburtenverhalten
einer Bevölkerung auf eine einzige Zahl reduzieren, nämlich die Fertilitätsrate.
Bei einer Zahl von 1,3 hieße es dann beispielsweise »nicht ausreichend«,
bei 1,9 hingegen »gut«. Weitere Faktoren seien nicht zu berücksichtigen,
zumal ein großer Teil der Antibiologisten ohnehin indirekt der Auffassung
ist, daß zwar das Geschlecht eines Menschen eine soziale Kategorie ist,
sein Geburtenverhalten hingegen primär »natürlich«. Aus
diesem Grund könne man daran angeblich auch nichts wirklich ändern.
Wer es dennoch versuchte - wie beispielsweise Thilo Sarrazin -, der würde
sogleich als Eugeniker, Sozialdarwinist oder Sozialingenieur beschimpft.
(Ebd., S. 151).Kritik an den vorhandenen sozialen Verhältnissen
darf immer nur dann geäußert werden, wenn sie der eigenen Sache dient.
Aus diesem Grund stellt für die Vertreter des Antibiologismus und der Gender-Theorie
der hohe Anteil von Akademikerkindern unter den Studierenden eine substanzielle
Bildungsbenachteiligung von Nichtakademikerkindern und damit eine Diskriminierung
dar, die deutlich geringere Geburtenrate von Akademikerinnen hingegen nicht. Ihnen
ist es nämlich im Grunde recht, wenn gebildete Menschen nur wenige Kinder
bekommen, ich erwähnte es bereits. Feministinnen möchten in erster Linie
arbeiten gehen, während für Soziologen, Linke und »Gutmenschen«
der Bedürftige das Kerngeschäft darstellt. Kompetenzerhalt lautet das
Spiel. Daß es unter dieser unheilvollen Allianz ganz nebenbei zu einer substanziellen
Verletzung der Generationengerechtigkeit (**|**|**)
kommt, scheint niemanden ernsthaft zu irritieren. Jedenfalls bislang. (Ebd.,
S. 152).Doch zurück zu Frank Schirrmacher: Woher soll er denn
kommen, der verantwortungsvolle Umgang mit dem demographischen Wandel, wenn all
diejenigen, die die auf uns zurollende Entwicklung nicht einfach hinnehmen möchten,
sogleich mit vereinten medialen Kräften um Beruf und persönliche Ehre
gebracht werden? Und was heißt an dieser Stelle »Ein Bürgertum
... muß in sich selbst die Fähigkeit zu bürgerlicher Gesellschaftskritik
wiederfinden«? Bereits 2006 schrieb Eva Herman im Cicero:»Immer
lauter wird nun das Geschrei bei der Suche nach den Ursachen und nach den Schuldigen.
Man hat schon griffige Erklärungen bereit: Es seien halt Fehler im System
- nicht ausreichende Ganztags-Betreuungsplätze für Kleinstkinder und
Vorschulkinder, fehlende Teilzeitangebote für Frauen und Männer, starre
Tarifverträge, laue Männer, die ihren Job nicht für eine »Elternzeit«
unterbrechen wollen, und natürlich die fehlende Anerkennung jener berufstätigen
Frauen, die sich am Spagat zwischen Job und Familie versuchen. Doch nicht das
»System« muß überprüft werden. Wir Frauen kommen nicht
drum herum: Jetzt müssen wir uns selbst einmal kritisch betrachten und nach
unserem Handeln als Frau in all unserer Verantwortung fragen.« | Was
sonst als bürgerliche Selbstkritik könnte das gewesen sein? (Ebd.,
S. 152).
9) Die Rolle der Wissenschaften
Offenbar ist
man in weiten Teilen der Bildungsforschung noch immer der Meinung, Bildung funktioniere
im Stile des Nürnberger Trichters: Wenn man den Kindern und Jugendlichen
nur ausreichend viel und gut aufgearbeitetes und vermitteltes Bildungsmaterial
zur Verfügung stelle, dann würden sie anschließend gebildet sein.
Ich möchte das bezweifeln, denn lernen muß jeder noch immer selbst.
(Ebd., S. 157).Ich bin gewissermaßen selbst ein Gegenbeispiel
der Mehrheitsauffassung der Soziologen. (Ebd., S. 157).In
Intelligenztests viel ... auf, daß der genetische Einfluß auf die
Intelligenz mit zunehmendem Alter nicht ab-, sondern zunimmt. Beispielsweise soll
er im Alter von 74 Jahren bei 82% liegen. (Ebd., S. 158).Unbewußt
würde man vielleicht das exakt Umgekehrte erwarten, daß man etwa im
Laufe seines Lebens eine Menge Erfahrungen sammelt und auch ganz fürchterlich
viel lernt, so daß die Bedeutung der Gene gegenüber den Umwelteinflüssen
mehr und mehr schwindet. Es ist aber andersherum, und zwar weil sich ... ihre
Umgebung entsprechend ihren eigenen genetsichen Ausstattungen gestalten.
(Ebd., S. 158-159).Die (falsche! HB)
Annahme, alle Menschen seien von Ihrem inneren Potential her gleich, führt
auf direkte Weise in ein soziales Klima des Neids und der Mi´gunst. Herausragende
persönliche Leistungen werden dann nicht mehr bewundert, sondern mißgönnt.
Sie stehen im Verdacht, Ausdruck einer sozialen Privilegierung - gleich welcher
Art - zu sein. Eine denkbare Konsequenz daraus ist die gezielte Egalisierung,
im schlimmsten Fall dann so, wie es unter den Roten Khmer geschah. (Ebd.,
S. 160).Bei Wissenschaften - oder auch Wissenschaftsdisziplinen
- handelt es sich um soziale Systeme, in denen die Ergebnisse des jeweilige Arbietsgebietes
auf der Grundlage der Wettbewerbskommunikation des Rechts des Besitzenden unter
den zugehörigen Personen (den Wissenschaftlern) verhandelt werden. Wir können
uns eine Wissenschaftsdiziplin also gewissermaßen wie eine Population aus
lauter männlichen Pfauen vorstellen, die sich gegenseitig ihr Gefieder zeigen,
um sie nach Schönheit zu ordnen, ohne dabie von ... Dritten - wie den Weibchen
- unterstützt zu werden. Daß dies in der Praxis nicht immer ganz einfach
sein dürfte, versteht sich von selbst. (Ebd., S. 162).In
Wissenschaftsdisziplinen, in denen die empirische Beobachtung erschwert ist oder
die gleichen Daten auf recht unterschiedliche Weise interpretiert werden können,
sind die Forschungsergebnisse dann jedoch nicht mehr vorhersehbar. Sie richten
sich primär an den Reproduktionsinteressen der Wissenschaftler und Wissenschaftsinstitute
und nicht an den realen Gegebenheiten aus. Dies macht es möglich, daß
pseudowissenschaftliche Konzepte wie Tabula-rasa-Hypothese, Antibiologismus und
Gender-Theorie regelrechten Wissenschaftsstatus erlangen. Ferner werden die Disziplinen
hierdurch anfällig für externe wirtschaftliche Interessen oder politische
Ideologien, die mitunter einen unmittelbaren Einfluß auf die Forschungsschwerpunkte
und Ergebnisse nehmen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Analyse Hans-Walter
Leonhards: »... hatten damit die linken, gesellschaftskritischen, nach mehr
oder weniger weitgehenden Veränderungen strebenden Kräfte die zu ihren
politischen Absichten passenden Theorien« (ders., Recht und Grenzen evolutionsbiologischer
Betrachtungen im Bereich des Humanen, a.a.O., 2001, S. 145f.). Anders gesagt:
Man brauchte die Theorien zur Verwirklichung der eigenen politischen Absichten
(bzw. der eigenen Interessen) und nicht umgekehrt. (Ebd., S. 165-166).Auch
können in solchen Disziplinen unliebsame Konzepte ganz leicht abgelehnt oder
ignoriert werden. Das simple Einstreuen des Wortes »umstrittenl« an
der richtigen Stelle genügt oft schon. Die gegenseitige Selbstanpassung der
Wissenschaftler, angetrieben vom Wunsch, veröffentlichen zu können und
soziale Anerkennung in den eigenen Reihen und gegebenenfalls der Öffentlichkeit
zu finden, trägt dann ein übriges dazu bei. (Ebd., S. 166).Mitunter
sind die Ergebnisse dermaßen grotesk, daß es manchmal schwerfällt,
außer dem allseitigen Streben nach Kompetenzerhalt noch irgendwelche weiteren
Kriterien für Wissenschaftlichkeit als relevant anzusehen. Beispielsweise
ist die Neurologie davon überzeugt, daß Epilepsie und Migräne
in höchstem Maße verwandte Krankheiten sind, einige Neurologen vermuten
gar, es könne sich dabei um zwei Formen des gleichen Leidens handeln. Und
tatsächlich sind die leistungsfähigsten Medikamente zur vorbeugenden
Behandlung von Migräne überwiegend Antiepileptika. Für die Behandlung
der Epilepsie existiert jedoch neben der medikamentösen Therapie auch noch
eine anerkannte diätische Maßnahme mit mindestens gleich guten Erfolgschancen,
nämlich die extrem kohlenhydratarme ketogene Diät. Migränepatienten
wiederum wird seitens der Neurologie empfohlen, sich kohlenhydratreich zu ernähren.
Als ehemaliger Migränebetroffener mit häufig bis zu 100 schweren Attacken
pro Jahr und einer im Alter von 40 Jahren in Aussicht gestellten Frühverrentung
konnte ich das vorliegende Buch - und meine anderen Bücher - jedoch nur schreiben,
weil ich mich vor Jahren zu einer der ketogenen Diät sehr ähnlichen
Ernährungsweise (im weitesten Sinne: Paläo-Diät) entschied (vgl.
Peter Mersch, Migräne - Heilung ist mölich, 2006). Hätte
ich mich weiterhin an die Diätvorschläge der Neurologie gehalten, wäre
ich möglicherweise längst tot. (Ebd., S. 166).Zusammenfassend
läßt sich sagen, daß wissenschaftliche Theorien in ihren jeweiligen
Disziplinen nicht bewiesen, sondern kooperativ verhandelt werden. Ganz häufig
setzen sie sich vor allem deshalb durch, weil sie den (Reproduktions-)Interessen
der beteiligten Wissenschaftler oder anderer gesellschaftlicher Gruppen in besonderem
Maße genügen. (Ebd., S. 166).
10) Der Vorteil des evolutionär-systemischen Ansatzes
10.1) Evolutionär-systemische Zukunftsforschung
Evolution
verläuft zwar letztlich zufällig und unbestimmt, jedoch nur bedingt.
Und genau hier liegen die Chancen (für die Guten und
leider auch für die Bösen; HB). (Ebd., S. 169).Ich
bin davon überzeugt, daß wir Menschen nur dann über längere
Zeit in Frieden miteinander auf der Erde leben können, wenn wir verstanden
haben, welche Grundintentionen das Leben besitzt und wie Evolution auch außerhalb
der Biologie und insbesonders in unserem unmittelbaren Lebenszusammenhängen
vorangeht (vgl dazu auch meinen Artikel »Bevölkerungsplanung«
**).
(Ebd., S. 170).
10.2) Analysebeispiel: Demographischer WandelFür die
menschlichen Superorganismen (Unternehmen) sind wir Menschen in erster Linie Ressourcenlieferanten,
entweder als Mitarbeiter für Humanressourcen (hauptsächlich Wissen)
oder als Kunden für Geld (Energie). (Ebd., S. 170).Das,
was Pol Pot nit brachialen Mitteln und dem Recht des Stärkeren zu realiseren
versuchte, erledigen wir - viel eleganter und zivilisatorischer - per verhinderter
Fortpflanzug und dem Recht des Besitzenden. Das Ergebnis ist in beiden Fällen
das gleiche, nämlich der Autogenozid. (Ebd., S. 172).Heute
scheint man die Erfolgsrezepte des frühen Menschen vollständig vergessen
zu haben. Als man den Superorganismen die Möglichkeit gab, sich auch unter
den weiblichen Humanressourcen nach Belieben zu bedienen, griffen diese zu. Würde
man ihnen zusätzlich die Kinder geben, nähmen sie auch die. Es ist der
allseitige Kompetenzerhalt, der sie dazu zwingt, zumal die Sicherstellung der
Nachhaltigkeit des gesellschaftlichen Humanvermögens nicht ihre Aufgabe ist,
sondern die der Gesellschaft. Für sie ist das Humanvermögen praktisch
ein Gemeingut (Commons) und damit Teil der Umwelt, wie ich bereits schrieb. Solange
niemand eine schützende Hand über wertvolle Ressourcen wie Regenwälder,
Ölvorräte oder Humanvermögen hält, werden die Superorganismen
sie - sofern sich aus ihrer Nutzung Vorteile generieren lassen - plündern.
Und zwar restlos. (Ebd., S. 173).Daß die sexuelle Arbeitsteilung
früherer Tage und in ihrer ursprünglichen Form und Rigorosität
in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr hat, liegt auf der Hand: Bei der aktuell
üblichen niedrigen Sterblichkeit (zahlenmäßige Bestandserhaltung
wird bereits bei einer Fertilitätsrate von unter 2,1 erreicht) hätten
die Frauen dann entweder zu wenig zu tun, oder es käme zu einem gewaltigen
Bevölkerungszuwachs - mit allen damit verbundenen Gefahren und Problemen.
Definitiv keine Lösung ist aber die vollständige Aufgabe der sexuellen
Arbeitsteilung, wie sie vom Gleichheitsfeminismus und den Gendertheoretikern propagiert
wird. (Ebd., S. 173).Frank Schirrmacher kommt in seinem Artikel
zu dem Schluß, daß Ludwig Erhard plus AIG (einer der größten
Versicherungskonzerne der Welt) plus Lehman plus bürgerliche Werte wahrhaft
eine Killerapplikation gewesen sei. Ich möchte ihm in dem Punkt widersprechen:
Im Wettbewerb stehende Superorganismen plus Humanvermögen ohne Nachhaltigkeitskonzeption,
das heißt, freie Marktwirtschaft plus Antibiologismus plus Gendertheorie
beziehungsweise die Kombination aus dem freien Markt ... und der linken Gleichmacherei
ist die Killerapplikation. Die eine Ideologie vertritt die Interessen eines Teils
der aktuellen Generation, die andere eines anderen, niemand der kommenden Generationen.
(Ebd., S. 173-174).Sollte den Gen-Technikern irgendwann einmal
das Klonen von Menschen in Brutkästen auf verläßliche Weise gelingen,
dann dürften sich viele Unternehmen - so meine Prognose - von den unzuverlässigen
Humanressourcen-Lieferanten »Gesellschaften« weitestgehend abkoppeln
und in die eigene Menschenproduktion einsteigen. Sie würden hierdurch ein
ganzes Stück »autopoietischer« werden. Auf diese Weise bildete
sich neben der Forschung & Entwicklung eine weitere unternehmerische Reproduktion
mit niedriger Zeitpräferenz aus. Personen vom Schlage eines Steve Jobs, Bill
Gates oder Craig Venter würde es dann möglicherweise öfter geben.
Sie glauben das nicht? Nun, die obige Killerapplikation dürfte genau das
hervorbringen, schließlich ringen die Unternehmen um ihren Kompetenzerhalt
beziehungsweise ihr Fortbestehen auf kompetitiven Märkten. Sie wollen das
nicht? Dann beginnen Sie schon jetzt, sich Gedanken darüber zu machen.
(Ebd., S. 174).Anhänger der freien Marktwirtschaft, der österreichischen
Schule der Ökonomie und insbesondere des Libertarismus vertreten häufig
die Auffassung, daß der freie Markt alles von selbst auf optimale Weise
reguliere. Der Staat sollte sich deshalb möglichst zurückhalten und
- wenn überhaupt - auf wenige Kernaufgaben beschränken. Sollten sich
beispielsweise die heute in Ausbeutung befindlichen Erdölvorräte langsam
dem Ende zuneigen, dann würde sich Rohöl weiter verknappen, wodurch
es zu einem Anstieg der Preise käme. In der Folge lohnte es sich mehr und
mehr, weitere Vorkornmen in Ölsanden und -schiefern auszubeuten, deren Abbau
heute teilweise noch zu teuer ist. Ferner würde hierdurch auch der Einsatz
erneuerbarer Energiequellen immer rentabler werden. Genau diese Argumentation
geht aber bei einem überlebenswichtigen Gemeingut wie dem Humanvermögen
vollständig ins Leere. Um es kurz zu machen: Unregulierte freie Märkte
funktionieren nicht überall. Sie mögen eine sinnvolle Einrichtung sein,
wenn es um Äpfel oder Birnen geht, nicht jedoch, wenn dabei auf kritische,
überlebenswichtige Ressourcen zugegriffen wird. Dann können Allmendenproblematiken
zum Tragen kommen, die von den Akteuren selbst nicht mehr beherrscht werden. Erschwerend
kommt hinzu, daß es sich bei der Plünderung des Humanvermögens
um im Wettbewerb stehende Superorganismen handelt, die keine Menschen sind, so
daß man nicht einmal an deren Humanität und Verständigkeit appellieren
könnte. Anders gesagt: Man kann die Situation nicht durch den Hinweis auf
ein angeblich negatives Menschenbild, welches mir im Rahmen der Darlegung des
Problems vielleicht durch den Kopf geschwirrt sein könnte, aus der Welt schaffen.
(Ebd., S. 174-175).Gegen die Utopie des absolut freien Marktes
lassen sich - aus meiner Sicht -unter anderem die folgenden Einwände vorbringen:
| Märkte
sind niemals wirklich frei. Beispielsweise gilt auf ihnen bereits die Einschränkung,
daß als Wettbewerbskommunikation nur das Recht des Besitzenden zur Anwendung
kommen darf und Eigentum somit zu respektieren ist. Ohne eine solche Einschränkung
glichen Märkte der Wildnis. Märkte müssen deshalb reguliert sein. | | Zu
Beginn ihres Aufkommens beschränkten sich Märkte im allgemeinen auf
regionale oder nationale Gebiete. Sie konnten deshalb von einer Stelle aus überwacht
und reguliert werden. Ganz entsprechend beschränkten Unternehmen (Superorganismen)
ihre Geschäftstätigkeiten zunächst auf das Hoheitsgebiet eines
Staates oder einer Region innerhalb eines Staates. Seit der Globalisierung (der
globalen Öffnung aller Märkte) haben sich die Machtverhältnisse
zwischen Staaten und Unternehmen jedoch fundamental verändert und geradezu
umgekehrt. Global operierende Unternehmen sind nun in der Lage, ihre Ressourcen
exakt dort zu beziehen, wo sie die günstigsten Bedingungen erhalten. Dies
macht Staaten regelrecht erpreßbar. | | Auf
den Märkten treffen Teilnehmer aufeinander, die über völlig unterschiedliche
Ressourcen verfügen. Das hierdurch verursachte Machtgefälle hat bei
vielen Menschen ein Gefühl der Ohnmacht hinterlassen. Hinzu kommt, daß
die Politik die Interessen der ressourcenreichen Großkonzerne aufgrund von
Eigeninteressen längst mit viel größerer Priorität bedient
(»too big to fail«) als die von Bürgern oder von kleinen und
mittelständischen Betrieben. | | Der
ungezügelte Wettbewerb auf den freien Märkten würde letztlich zu
einer Plünderung aller verfügbaren Ressourcen führen. Das gilt
insbesondere für solche Ressourcen, die Gemeingut sind oder als solches (das
heißt ohne eigenständiges Nachhaltigkeitskonzept) verwaltet werden.
Wie ungehindert dies in den Industrienationen insbesondere gegenüber der
Ressource »Humanvermögen« - aber auch gegenüber vielen anderen
kritischen Ressourcen - bereits geschieht und wie problematisch dies letztlich
ist, wurde erläutert. | | Freie
Märkte könnten dafür sorgen, daß schließlich alle erwerbbaren
Ressourcen der Erde einigen wenigen Personen oder Unternehmen gehören, während
die restliche Menschheit buchstäblich nichts (außer vielleicht Schulden)
besitzt. | Doch zurück
zur Bevölkerungsproblematik. Natürlich könnte die Menschheit auf
Dauer mit wesentlich weniger Individuen auskommen. Das wäre sogar äußerst
wünschenswert, wie ich in meinem Artikel Bevölkerungsplanung (**)
in aller Deutlichkeit dargelegt habe. Doch darum geht es aktuell nicht. Wir haben
es in unserem Land (und in vielen anderen Industrienationen ebenso) weniger mit
einer Bevölkerungsschrumpfung, sondern in erster Linie mit einer Plünderung
des Humanvermögens zu tun. Um dazu einmal einen drastischen Vergleich zu
verwenden: Zunächst beuten die Superorganismen das Erdöl aus, dann den
Ölsand, schließlich den Ölschiefer. Schafe würden es nicht
anders machen: Stellte man sie vor zwei alternative Felder, eines davon öde
und karg, das andere vollständig mit saftigem Gras bewachsen, liefen sie
alle auf das letztere. Es handelt sich um ein Grundprinzip des Lebendigen und
der Evolution (Streben nach Kompetenzerhalt), das man kennen sollte, wenn man
ernsthafte und langfristig ausgerichtete Politik machen möchte, die auch
die Interessen der nächsten Generationen im Blickfeld hat. (Ebd., S.
175-176).Aus den genannten Gründen ist übrigens auch
zu erwarten, daß sich in der Sozialhilfe auf lange Sicht primär diejenigen
Menschen wiederfinden werden, die den Anforderungen der Wirtschaft (der Superorganismen)
am wenigsten genügen. Ausnahmen wird es selbstverständlich immer geben.
Selbst die Schafe werden das eine oder andere Büschel saftiges Gras übersehen.
Und Fehler können natürlich auch gemacht werden. Von der Tendenz her
aber werden die im Wettbewerb stehenden Superorganismen die auf dem Arbeitsmarkt
angebotenen Kompetenzen in der gleichen Weise ausbeuten, wie es beim Öl erläutert
wurde: zunächst Erdöl, dann Ölsand, schließlich Ölschiefer.
Hierdurch separieren die Unternehmen Erwerbspersonen gewissermaßen in »nützliche«
und »wenig nützliche« Personen. Womit ich zu einer Frage komme,
die Frank Schirrrmacher in einem seiner Leitartikel mit kritischem Blick auf Sarrazins
Aussagen gestellt hatte: »Wer legt in der menschlichen Zivilisation die
Nützlichkeit eigentlich fest?« Die simple und möglicherweise
ernüchternde Antwort darauf lautet: Es sind die Unternehmen, die heute primär
darüber entscheiden, wer im Lebensraum Zivilisation als »nützlich«
gilt und einen Arbeitsplatz zum Geldverdienen erhält. Es ist die FAZ, die
den kaum Deutsch sprechenden türkischen Migranten als ungeeignet für
die ausgeschriebene Stelle des Redakteurs zurückweist. Es sei denn, Frank
Schirrmacher möchte neben der deutschen nun auch noch eine türkische
Ausgabe seiner Zeitung herausbringen, um sich frühzeitig auf die sich verändernde
demographische Lage Deutschlands einzustellen, wofür er händeringend
qualifizierte »native Speaker« benötigt. Es ist unter solchen
Rahmenbedingungen dann aber nicht möglich, bei der Fortpflanzung ganz andere
»Nützlichkeitskriterien« anzulegen, es sei denn, man hätte
ohnehin vor, die Marktwirtschaft abzuschaffen, und zwar durch sukzessive Verarmung
der Bevölkerung. (Ebd., S. 176-177).Betrachten wir zum
Vergleich einmal die Situation im Tierreich. Bei vielen Arten versammeln sich
die Männchen zu bestimmten Zeiten auf sogenannten Arenabalzplätzen,
um sich mit den von ihnen herangelockten Weibchen zu paaren. Dabei soll es immer
wieder zu extrem ungleichen Kopulationshäufigkeiten auf seiten der Männchen
kommen, was zwangsläufig zur Folge hat, daß ein großer Teil der
Männchen leer ausgeht. Diese könnten frustriert fragen: »Wer legt
eigentlich unsere Nützlichkeit fest und in wessen Interesse?« Richard
Dawkins Antwort darauf ist: im Interesse der egoistischen Gene; die der Systemischen
Evolutionstheorie: im Interesse des Erhalts der Kompetenzen, mit anderen Worten:
im Interesse der nächsten Generation. (Ebd., S. 177).Beispielsweise
wird die nächste Generation einer Paradiesvogel-Population, bei der sich
die Weibchen der aktuellen Generation bevorzugt mit besonders ausgeprägt
gefiederten männlichen Exemplaren (den »Nützlichen«) paaren,
aller Wahrscheinlichkeit nach besser an ihren Lebensraum angepaßt sein,
als wenn die Weibchen der aktuellen Generation ihre Partner willkürlich wählen.
Und aus denselben Gründen dürfte die nächste Generation einer menschlichen
Population, bei der in der aktuellen Generation eine positive Korrelation zwischen
sozialem Erfolg respektive Bildung und Zahl an Nachkommen besteht, mehr Wohlstand
erlangen - und weniger Leid aufgrund von Kompetenzverlusten erdulden müssen
-, als wenn das Fortpflanzungsverhalten der aktuellen Generation genau umgekehrt
korrelierte. Man könnte deshalb sagen, daß es Frank Schirrmachers Frage
vor allem an einem evolutionär-systemischen, generationenübergreifenden
Denken mangelt. (Ebd., S. 177).Vielleicht lohnt es sich,
noch einmal für einen Moment zu den Voraussetzungen und Annahmen der obigen
Argumentation zur Plünderung des Humanvermögens zurückzukehren,
denn sie sind wahrlich minimal. Es beginnt mit der Annahme, daß Menschen
und Unternehmen komplexe Systeme sind. Das ist trivial. Für solche Systeme
wissen wir aber, daß sie aufgrund des thermodynamischen Zeitpfeils - ihren
Ordnungszustand (beziehungsweise ihre Kompetenzen) binnen kurzer Zeit wieder verlieren
würden. Um dies zu verhindern, benötigen sie fortwährend Ressourcen
aus ihrer Umwelt. Dahin streben sie auch mit ihren Reproduktionsinteressen, denn
sonst gäbe es sie schon bald nicht mehr. Sie verhalten sich also gewissermaßen
nachhaltig (»gut«) gegenüber sich selbst und ausbeutend (»schlecht«)
gegenüber ihrer Umwelt, denn die Evolution hat sie so geschaffen. Bis hierhin
ist die Argumentation pure Physik, Evolutions- und Systemtheorie. Da Gene und
weitere biologische Begriffe darin nicht vorkommen, ist sie nicht biologistisch
(beziehungsweise biologisch), sondern allerhöchstens »systemisch«.
(Ebd., S. 177-178).Aufgrund der Endlichkeit der Erde und der hierdurch
bedingten Verknappung vieler Ressourcen geraten die Systeme jedoch irgendwann
in einen Wettbewerb untereinander. Wesentlich für das weitere Verständnis
ist, daß Unternehmen (Superorganismen) vor allem an den Ressourcen Wissen
und Kapital interessiert sind. Damit hoffen sie, ihre Wissens- und Kapitalkompetenzen
reproduzieren und an den Märkten bestehen zu können. Zu den Wissenskompetenzen
gehören ganz wesentlich ihre Humanressourcen. Das sind die ihnen zur Verfügung
stehenden menschlichen Kompetenzen. (Ebd., S. 178).Menschliche
Kompetenzen werden von den Unternehmen jedoch im wesentlichen nicht selbst aufgebaut,
sondern über den Arbeitsmarkt von außen zugekauft. Die Reproduktion
menschlicher Kompetenzen beziehungsweise des Humanvermögens einer Gesellschaft
unterliegt stattdessen der Gesellschaft. Diese hatte den größten Teil
der Aufgabe jedoch stets ihren Bürgern beziehungsweise den von den Bürgern
privat gebildeten Reproduktionseinheiten »Familien« überlassen,
frei nach dem Motto: »Kinder kriegen die Leute immer«. Dies funktionierte
im Grunde so lange, wie Frauen durch gesellschaftliche Normen und Vorgaben (Rollenvorgabe
Mutter und Hausfrau) beziehungsweise den ihnen gegenüber geltenden Hoheitsrechten
der Ehemänner vor dem ungehinderten Zugriff der humanressourcen-hungrigen
Superorganismen geschützt waren. Vereinfacht ausgedrückt könnte
man sagen, daß die Ehemänner (jeder für sich) ihre Frauen vor
den Superorganismen zurückhielten. Für sie war es in früheren Zeiten
wohl wichtiger, daß ihre Frauen ihre beiderseitigen Humanressourcen (ihre
Gene) reproduzierten, statt weitere Mittel zum Leben zu beschaffen. Zur Humanressourcen-Allmende
gehörten deshalb damals im wesentlichen nur männliche Hurnanressourcen.
Die weiblichen Humanressourcen befanden sich hingegen unter der Zugriffskontrolle
ihrer Ehemänner und waren folglich kein Gemeingut. Aus diesem Grund standen
sie auf den Arbeitsmärkten nicht frei zur Verfügung. (Ebd., S.
178-179).Mit der Aufhebung der männlichen Verfügungsgewalt
über ihre Ehefrauen, der Gleichberechtigung der Geschlechter, der Einführung
verläßlicher Empfängnisverhütungsmittel und der Öffnung
des Arbeitsmarktes für alle Frauen, änderte sich dies jedoch. In der
Folge umfaßte die Humanressourcen-Allmende auch die weiblichen Humanressourcen.
(Ebd., S. 179).Ich möchte Sie bitten, an der Stelle einmal
die üblichen politischen Argumente der Sozial- und Kulturwissenschaften beiseitezulegen
und stattdessen anzunehmen, daß es sich bei unserer Gesellschaft um eine
sozial in höchstem Maße durchlässige Gesellschaft handelt. Mit
anderen Worten: All das, was sich die Soziologen in der Hinsicht erträumt
haben, wäre längst Realität geworden. Für solche Gesellschaften
wissen wir aber, daß sozialer Erfolg wesentlich stärker auf der individuellen
genetischen Ausstattung beruht, als dies vielleicht heute noch der Fall ist. ....
Mit anderen Worten: In der von mir beschriebenen sozial durchlässigen Gesellschaft
wäre ein Arzt nicht deshalb Arzt geworden, weil seine Eltern viel Geld verdienen,
sondern weil er sich für den Beruf interessiert und das Zeug dazu hat.
(Ebd., S. 179).Des weiteren ist bekannt, daß sich die Gene
von Eltern und Kindern ähneln. Spätestens seit der allgemeinen Medienpräsenz
von Vaterschaftstests und kriminalistischen DNA-Analysen gehört dies zur
Allgemeinbildung. Und schließlich wissen wir noch, daß gemäß
der in der Biologie allgemein akzeptierten Weismann-Barriere, Lebenserfahrungen
bzw. erworbene Kompetenzen keinen Eingang in den Erbgang, das heißt, in
die genetische Ausstattung fmden. (Ebd., S. 179).Die simple
Annahme, daß Unternehmen und Menschen von der Evolution geschaffene selbstreproduktive
Systeme (Evolutionsakteure) sind, deren beständigess Bestreben es ist, ihre
Kompetenzen zu bewahren (beziehungsweise kernen Kompetenzverlust zu erleiden),
läßt dann aber die folgenden unmittelbaren Schlußfolgerungen
zu: | Ganz
so wie Schafe sich für die saftigsten Weiden interessieren, werden sich die
Unternehmen aus der Humanressourcen-Allmende die für sie geeignetsten Kompetenzen
- ganz gleich welchen Geschlechts - heraussuchen. | | Umgekehrt
werden sich Menschen, die besonders viel in ihre Kompetenzen investiert haben
(zum Beispiel durch eine lange Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium) primär
um einen interessanten und gut bezahlten Job bemühen, weil sie ihre Kompetenzen
auf diese Weise besonders gut und leicht reproduzieren können. | | Das
Zusammenspiel der beiden Kompetenzverlustvermeidungsstrategien (der Unternehmen
und der Menschen) wird eine negative Korrelation zwischen Humankompetenzen beziehungsweise
sozialem Erfolg auf der einen Seite und Fortpflanzungserfolg (Kinderzahl) auf
der anderen Seite hervorbringen. Sollte daneben noch ein leistungsfähiger
Sozialstaat exis. tieren ( eventuell sogar in der Form eines bedingungslosen Grundein.
kommens) und eine Rentenversicherung, bei der die Ansprüche maßgeh.
lich auf der beruflich erbrachten Leistung beruhen, dann dürften sich die
Effekte verstärken. | Bei
dem, was Sie gerade lesen konnten, handelt es sich keineswegs um eine Fiktion,
sondern um die Beschreibung einer real ablaufenden Katastrophe biblischen Ausmaßes.
Es ist ein wenig so, als raste ein schwerer Meteor auf die Erde zu, der uns irgendwann
alle treffen wird. (Ebd., S. 179-180).Das Verblüffende
daran aber ist, und das wiederum demonstriert die Stärke der evolutionär-systemischen
Analyse, daß sich all das aus minimalsten Voraussetzungen herleiten läßt.
Im Grunde wird lediglich angenommen, daß die Evolution nur solche dauerhaften
komplexen Systeme hervorbringt, die permanent bestrebt sind, dem ... thermodynamischen
Zeitpfeil unseres Universums durch Selbstreproduktivität zu entrinnen, da
alles andere sich sowieso schon bald wieder auflösen und aus der Evolution
verabschieden würde. Ferner wird davon ausgegangen, daß viele individuelle
Kompetenzen von Menschen eine genetische und damit erbliche Komponente besitzen.
Das ist im Grunde schon alles. Und damit läßt sich dann zeigen, daß
unregulierte Märkte im Zusammenhang mit Gemeingütern nicht funktionieren
können, und die Kombination aus freier Marktwirtschaft, Unternehmertum und
Antibiologismus beziehungsweise Gendertheorie in den Autogenozid und zur Verarmung
der Gesellschaft und letztlich auch der Menschheit führt. Und in der Folge
dann möglicherweise zu Bürgerkriegen, Diktaturen und vielen weiteren
schrecklichen Dingen auch. Immerhin wurde in der Zwischenzeit damit begonnen,
unsere Atomreaktoren sukzessive abzuschalten, denn die würden den kommenden
Generationen sonst - mangels geeigneter Kompetenzen - um die Ohren fliegen.
(Ebd., S. 180-181).lch persönlich glaube nicht, daß
man den Prozeß jetzt noch wird stoppen können. Dafür müßte
er zunächst einmal von der Politik, der Wirtschaft, den Wissenschaften und
den Medien verstanden und ernst genommen werden, und ich bezweifle, daß
dies noch rechtzeitig und in ausreichendem Maße geschehen wird. Auch wird
das Bestreben um den eigenen Kompetenzerhalt nicht unbedingt dazu beitragen, sich
ernsthaft mit den von mir vorgetragenen Theorien und deren Konsequenzen auseinanderzusetzen.
.... Die menschliche Eigenart - und wohl des Lebens generell -, die Bewahrung
der eigenen relativen Kompetenzen notfalls über schwerste drohende Katastrophen
zu stellen, könnte man in dem Sinne fast schon zum Allgemeinwissen zählen.
Vielleicht ist vielen auch meine Argumentation zu abstrakt. Nicht jeder versteht,
daß Eigenschaften, die auf alle Lebewesen zutreffen, zwangsläufig auch
für Menschen gelten. Und nicht jeder ist bereit, Menschen und Unternehmen
ganz allgemein als selbstreproduktive Systeme zu betrachten. Aber dennoch müßte
es eigentlich noch immer genügend Denker geben, die das verstehen, was ich
beschreibe, zumal das Modell letztlich so einfach ist, daß man auf seiner
Grundlage Simulationen durchführen könnte (**).
(Ebd., S. 181).
Mit
geeigneten Simulationsmodellen könnte man eventuell manche ungünstigen
Seiteneffekte bereits vor der Einführung von geplanten »sozialen Maßnahmen«
entdecken. (Ebd.). |
Andere
werden alles von sich weisen und stattdessen mit üblichen politischen Erklärungen
aufwarten. Den nachweisbaren Rückgang der mittleren Intelligenz ... und das
unbefriedigende Abschneiden der Schüler bei Bildungsvergleichen werden sie
auf den schlechten Status des ... Bildungssystems zurückführen. Die
an Schwere zunehmenden Finanzkrisen und die sich sich seit Jahrzehnten immer weiter
öffnende Schere zwischen Arm und Reich werden sie je nach politischem Standpunkt
als eine Folge der Gier der Reichen oder der zu starken staatlichen Eingriffe
in die angeblich alles gütlich regelnden freien Märkte erläutern.
Doch wo sollen solche Ursachen denn - bitteschön - herkommen? Ich darf daran
erinnern: Vor 13,75 Milliarden Jahren ereignete sich ein Urknall, und der hat
unsere Galaxie, unser Sonnensystem und schließlich auch uns hervorge bracht.
Welche Mechanismen haben schließlich genau das entstehen lassen, was in
der jeweils eigenen Theorie als ursächlich angenommen wird? Die Systemische
Evolutionstheorie kann es für sich erklären, doch können es die
alternativen Theorien ebenso? (Ebd., S. 181).
10.3) Vergleich mit dem evolutionären HumanismusMancher
wird sich vielleicht auch fragen, warum ich nicht auf der Grundlage des evolutionären
Humanismus (vgl. Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolutionären Himanismus,
2005) der Giordano-Bruno-Stiftung argumentiere, deren Ethik bekanntlich gleichfalls
auf der Evolutionstheorie beruht. Dies ist jedoch nicht möglich, da bereits
das evolutionstheoretische Fundament der evolutionär-humanistischen Ethik
für die Breite der hier diskutierten Themen nicht tragfähig genug ist.
Außerdem überzeugt mich die dort vertretene, stark soziobiologisch
orientierte Vorstellung vom Leben nicht:»Leben«
läßt sich definieren als ein auf dem »Prinzip Eigennutz«
basierender Prozeß der Selbstorganisation. Alle Organismen, die heute auf
dem blauen Planet leben, verdanken ihre Existenz dem eigennützigen Streben
ihrer Vorfahren nach Vorteilen im Kampf um Ressourcen und genetischen Fortpflanzungserfolg.
Evolutionäre Humanisten geben freimütig zu, daß sich die stolzen
Mitglieder der Spezies Homo sapiens in ihren Grundzielen nicht von der gemeinen
Spitzmaus unterscheiden. Wie diese werden auch wir mit der tief verankerten Veranlagung
geboren, eigene Lust zu steigern und eigenes Leid zu minimieren.« (Michael
Schmidt-Salomon, Manifest des evolutionären Himanismus, 2005, S. 17). | Auf
einer solchen Basis läßt sich all das, was weiter oben besprochen wurde,
nicht einmal ansatzweise diskutieren. Daneben scheinen mir einige Grundannahmen
recht fraglich zu sein. Beispielsweise dürfte die angebliche Veranlagung,
eigene Lust zu steigern und eigenes Leid zu minimieren, nur der Mechanismus sein,
der dafür sorgt, daß Lebewesen ihre Ziele verfolgen, nämlich insbesondere
ihre Kompetenzen zu reproduzieren und Kompetenzverluste zu vermeiden. Bedeutsame
Verluste verursachen bei uns ein Gefühl des Leids, wie ich im Vorwort bereits
schrieb. (Ebd., S. 182).Auf bloße Mechanismen läßt
sich jedoch keine Ethik gründen. Es ist in der Hinsicht wie beim Verhältnis
von Sex und Fortpflanzung. Damit letztere oft genug stattfindet, hat die Evolution
den Sex für uns Menschen lustvoll gestaltet. Die möglichen Folgen werden
jedoch heute von vielen eher als vermeidbares Leid empfunden, da sie nicht selten
mit Armut und Kompetenzverlusten einhergehen. Entsprechend findet bei vielen Paaren
der Sex ; häufig und regelmäßig, die Fortpflanzung hingegen selten
oder gar nicht statt, wodurch es zu einer Verletzung des Prinzips der Generationengerechtigkeit
(**|**|**),
das heißt, zu einem gesellschaftsweit unethischen Verhalten kommt.
(Ebd., S. 182).Hinzu kommt das Problem des angeblich eigennützigen
Strebens nach Vorteilen im Kampf um genetischen Fortpflanzungserfolg. Ein solches
Streben ist beim modernen Menschen im Grunde nur noch schwach ausgeprägt,
wie auch Richard Dawkins konstatiert. Seine Begründung des Phänomens
in »Das egoistische Gen« ist jedoch in höchstem Maße
problematisch:»Wir
haben die Macht, den egoistischen Genen unserer Geburt und, wenn nötig, auch
den egoistischen Memen unserer Erziehung zu trotzen. Wir können sogar erörtern,
auf welche Weise sich bewußt ein reiner selbstloser Altruismus kultivieren
und pflegen läßt -etwas, für das es in der Natur keinen Raum gibt,
etwas, das es in der gesamten Geschichte der Welt nie zuvor gegeben hat. Wir sind
als Genmaschinen gebaut und werden als Memmaschinen erzogen, aber wir haben die
Macht, uns unseren Schöpfern entgegenzustellen. Als einzige Lebewesen auf
der Erde können wir uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren
auflehnen.« (Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 334). | Und
an anderer Stelle:»Wir,
das heißt unser Gehirn, sind ausreichend getrennt und unabhängig von
unseren Genen, um gegen sie rebellieren zu können. Wie ich bereits sagte,
tun wir dies immer dann im kleinen, wenn wir Empfängnisverhütung betreiben.
Nichts spricht dagegen, uns auch im großen gegen unsere Gene aufzulehnen.«
(Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 334). | Die
Aussagen brachten ihm unter anderem den Spott des Londoner Biologen Brian Goodwin
ein, der sie als stark religiös motiviert abkanzelte. In jedem Fall stellt
insbesondere die Behauptung, wir Menschen könnten uns als einzige Lebewesen
auf der Erde« »gegen die Tyrannei der egoistischen Replikataren auflehnen«,
eine wissenschaftstheoretisch in höchstem Maße bedenkliche Formulierung
dar. (Ebd., S. 182-183).Im »Manifest des evolutionären
Humanismus« wird konsequenterweise vorgeschlagen, die soziobiologische
Fassung des »Prinzips Eigennutz« um kulturelle Variablen zu erweitern
(vgl. Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolutionären Himanismus,
2005, S. 18). Doch einmal mehr ist dann zu fragen: Wo sind diese Prinzipien hergekommen?
Welchen natürlichen Mechanismus darf man sich hinter dem angeblichen Gen-Egoismus
vorstellen? Und was um alles in der Welt kann dafür gesorgt haben, daß
wir Menschen neuerjdings nicht mehr nur den genetischen, sondern nun sogar bevorzugt
auch noch den kulturellen Eigennutz - was immer das sein mag - anstreben? Es mag
ja durchaus sein, daß der Gen/Mem-Egoismus letztlich die einzig sinnvolle
Kompetenzbewahrungsstrategie für Lebewesen ist, was ich allerdings bezweifeln
möchte. Nur sollte man dies dann auch begründen können. Und selbst
wenn, es würde dennoch nichts wirklich erklären, da es sich um nichts
mehr als um eine evolutionäre Strategie handelt. (Ebd., S. 183-184).Oder
nehmen wir die Theorie der egoistischen Gene. In »Das egoistische Gen«
schreibt Dawkins dazu:»Ich
werde zeigen, daß die fundamentale Einheit für die Selektion und damit
für das Eigeninteresse nicht die Art, nicht die Gruppe und- streng genommen
-nicht einmal das Individuum ist. Es ist das Gen, die Erbeinheit.« (Richard
Dawkins, Das egoistische Gen, 1976, S. 50 f.). | Und
an anderer Stelle:»Die
These dieses Buches ist, daß wir und alle anderen Tiere Maschinen sind,
die durch Gene geschaffen wurden.« (Richard Dawkins, Das egoistische
Gen, 1976, S. 37). | Daß
die ursprünglichsten und einfachsten Lebensformen einmal ganz wesentlich
auf der DNA beziehungsweise auf Replikatoren beruhten, ist durchaus vorstellbar.
Mit irgendetwas muß das Leben schließlich angefangen haben, warum
nicht ausgerechnet mit einem Speicher- und Vervielfältigungsmechanismus?
Doch warum und auf der Grundlage welcher physikalischen Gesetzmäßigkeiten
unseres Universums sollen Gene die fundamentale Einheit für die Selektion
und das Eigeninteresse sein? Die Standardantwort der Sozio- und Evolutionsbiologien
auf solche Fragen lautet im allgemeinen: »Das ist alles nur metaphorisch
gemeint«. Womit wir jedoch kein Stück weiter sind, denn auch metaphorische
Antriebe sollten auf reale Mechanismen zurückführbar sein, speziell
dann, wenn sie einer Weltanschauung wie dem evolution ären Humanismus als
Grundlage dienen. Metaphorisch könnte ich mich im Rahmen der Systemischen
Evolutionstheorie ebenfalls ausdrücken, zum Beispiel wie folgt: »Wir
und alle anderen Tiere sind Maschinen, die Kompetenzen gegenüber ihrer Umwelt
besitzen, mit denen aus ihr Ressourcen erlangt werden können, um die Kompetenzen
zu reproduzieren«. Und im Anschluß daran würde ich noch etwas
über »egoistische Kompetenzen« philosophieren. Woraufhin Sie,
als Leser, zu Recht bemängeln könnten, daß sich dafür nun
garantiert kein einziges stützendes Naturgesetz finden ließe. Doch
so argumentiert die Systemische Evolutionstheorie eben gerade nicht. Ich darf
noch einmal an den entscheidenden Punkt erinnern: Das Wesen unseres Universums,
sein fortwährender Zerfall beziehungsweise der ihm entsprechende thermodynamische
Zeitpfeil, lassen die Existenz dauerhafter Systeme von sehr hoher Komplexität
äußerst unwahrscheinlich werden, jedenfalls auf der Grundlage rein
physikalischer Gegebenheiten. Der entscheidende Leistungssprung des Lebens war
es, diese grundsätzliche Limitation unseres Kosmos lokal auf unserer Erde
und unter den dort vorherrschenden günstigen Bedingungen überwunden
zu haben, und zwar durch Informationsverarbeitung, das heißt auf ziemlich
genau die Weise, wie ich es wenige Zeilen zuvor bereits formuliert hatte: durch
den Besitz von Kompetenzen gegenüber der Umwelt, mit denen Ressourcen erlangt
werden können, um die Kompetenzen zu reproduzieren, und zusätzlich durch
den inneren Antrieb, dies fortwährend zu versuchen. Vereinfacht gesagt: Für
passive Systeme bestehen in unserem Universum Komplexitätsgrenzen, für
aktive (Akteure) hingegen nicht. Dies hat weitreichende Konsequenzen, denn selbstverständlich
ist bei einer solchen Weltsicht der eigentliche Evolutionsantrieb in den Systemen
(in den Akteuren) und nicht in den Genen. Standen bei der reduktionistischen Theorie
der egoistischen Gene noch die kleinsten Evolutionseinheiten (die Gene) im Fokus
des Geschehens, so dominieren in der Systemischen Evolutionstheorie die größten
und ressourcenreichsten Systeme. Profan gesagt: Der Zusammenbruch von Lehman Brothers
hat gemäß der Systemischen Evolutionstheorie für die weitere Entwicklung
der Menschheit eine größere Bedeutung, als der Tod von Susanne Mustermann
oder der genetische Reproduktionserfolg von Hans Müller. (Ebd., S.
185-186).Daß solche Großsysteme ähnlich agieren
wie Lebewesen, liegt auf der Hand: Die weiter oben beschriebenen Naturgesetze
lassen nichts anderes zu. Als Systeme von sehr hoher Komplexität können
sie nur dann über einen längeren Zeitraum bestehen, wenn »sie
Kompetenzen gegenüber ihrer Umwelt besitzen, mit denen sie aus ihr Ressourcen
erlangen, um die Kampetenzen zu reproduzieren, und sie dies zusätzlich fortwährend
versuchen«. Die Triftigkeit der Argumentation bekam die Welt beim Zusammenbruch
der Lehman Brothers Bank vorgeführt: Wenige Stunden, nachdem sie ihre Marktkompetenzen
verloren und ihre Tore geschlossen hatte, löste sie sich in ihre Bestandteile
auf, ganz so, wie es bei einem verstorbenen Individuum geschieht. (Ebd.,
S. 186).Manch einer wird einwenden, daß Menschen zwar etwas
»wollten«, Unternehmen wie die Deutsche Bank hingegen nicht. Dort
beschränkte sich das Wollen auf die Investoren, Anteilseigner, Manager, Mitarbeiter
u.s.w.. (Ebd., S. 186).Ich halte den Einwand für wenig
stichhaltig, denn auch in menschlichen Gehirnen kommen Entscheidungen durch das
Zusammenwirken vieler Neuronen (Zellen) zustande. Nach außen hin mag dann
dennoch der Eindruck entstehen, als wollte der Mensch in seiner Gesamtheit beziehungsweise
als Person (als System) etwas. (Ebd., S. 187).Gegenstand
der Erörterungen an dieser Stelle ist einmal mehr die Frage nach der »Ebene
der Selektion«, für die Richard Dawkins in dem weiter oben zitierten
Satz aus seinem Buch »Das egoistische Gen« eine spezifische
Antwort gab: Sind evolutionäre Prozesse primär aus der Sicht von Gruppen,
von Individuen oder der Gene - beziehungsweise allgemeiner: der Replikatoren -
zu betrachten? Oder etwas konkreter: Erfolgt die technische Evolution auf der
Ebene der Produkte (zum Beispiel der Mobiltelefone) oder der Unternehmen (zum
Beispiel der Mobiltelefonhersteller)? Ich bin der festen Überzeugung, daß
man an den hier vorgetragenen Gründen für ein Evolutionsmodell, welches
den eigentlichen evolutionären Antrieb in den Evolutionsakteuren (das heißt,
in den sich selbst reproduzierenden komplexen Systemen, die sich dem universalen
Zerfall zu widersetzen versuchen) annimmt, letztlich nicht vorbeikommt. Wer eine
andere Weltsicht präferiert, bei der etwa die Gene im Zentrum der Evolution
stehen, der sollte dies meiner Meinung nach genauso begründen können,
wie ich es beim Evolutionsmodell der Systemischen Evolutionstheorie versucht habe,
nämlich über einen Rückgriff auf grundsätzliche physikalische
Gesetzmäßigkeiten. (Ebd., S. 187).Es geht mir
nicht darum, mit Darwin oder Dawkins ins Gericht zu gehen oder mich gar über
sie zu erheben. Das steht mir nicht zu. Charles Darwin wußte noch nichts
über ein expandierendes Universum und dessen sukzessiven energetischen Zerfall.
Und Richard Dawkins Weltsicht ist die des Reduktionismus. Systeme oder gar unterschiedliche
Systemhierarchien haben darin keinen Platz, da alles Geschehen auf angeblich ursächliche
kleinste Einheiten zurückgeführt wird. (Ebd., S. 187).Allerdings
behaupte ich, daß sowohl die Darwinsche Evolutionstheorie als auch deren
Variation in der Form der Theorie der egoistischen Gene heute nicht mehr
zeitgemäß sind. Sie sind nicht leistungsfahig genug, um die uns umgebenden
raschen Evolutionsprozesse beschreiben zu können. Ein hartnäckiges Beharren
auf deren Gültigkeit über das enge Anwendungsgebiet der »Wildnis«
hinaus würde der wissenschaftlichen Erkenntnis schaden. Das gilt auch für
ethische Überlegungen. Es ist beispielsweise ein himmelweiter Unterschied,
ob man seine ethischen Grundsätze auf der Annahme beruhen läßt,
daß »alle Organismen, die heute auf dem blauen Planeten leben,
ihre Existenz dem eigennützigen Streben ihrer Vorfahren nach Vorteilen im
Kampf um Ressourcen und genetischen Fortpflanzungserfolg verdanken«,
oder ob man statt dessen - wie im vorliegenden Buch - annimmt, daß alle
Lebewesen und sonstigen Evolutionsakteure bestrebt sind, ihre Lebensraumkompetenzen
zu reproduzieren, so etwa Wissenschaftler im Wissenschaftsbetrieb, Politiker gegenüber
den Wählern und die Deutsche Bank oder Volkswagen auf den Märkten. Es
handelt sich hierbei letztlich um einen Paradigmenwechsel. Und dieser hat Auswirkungen
bis in das konkrete politische Handeln hinein. Wenn man nämlich davon ausgeht,
daß Banken im Wettbewerb stehende selbstreproduktive Systeme sind, wird
man nicht ernsthaft annehmen können, daß sie nach Beendigung einer
Finanzkrise, ein paar frommen Worten, der Ermahnung, in Zukunft doch bitte weniger
gierig zu sein und der Bereitstellung von sehr viel Steuergeld sich plötzlich
tatsächlich weniger gierig verhalten. (Ebd., S. 187-188).Unabhängig
davon überzeugt mich der dem evolutionären Humanismus zugrunde liegende
replikatorenbasierte Ansatz der Theorie der egoistischen Gene insgesamt
nicht. Genauso könnte man behaupten, der Firma Microsoft ginge es in erster
Linie um die möglichst starke Verbreitung von Windows-Programmen oder gar
um den Erhalt irgendwelcher egoistischen, in C++ verfaßten Programmmodule.
C++ ist jedoch nur eine Programmiersprache. Und ganz entsprechend ist die DNA
letztlich nur das Speichermittel, mit dem Lebewesen ihre Kompetenzen vorhalten
und reproduzieren. Mehr sollte man daraus nicht machen. (Ebd., S. 188).Und
schließlich halte ich den evolutionären Humanismus für nicht wirklich
evolutionär. Dabei wird zwar versucht, den Menschen und viele seiner Eigenschaften
und Eigenarten aus der Evolution heraus zu erklären, das reicht aber bei
weitem nicht, da dies nur ein Bezug auf die evolutionäre Vergangenheit des
Menschen ist. Mindestens gleich wichtig ist jedoch dessen evolutionäre Zukunft.
Anders gesagt: Es fehlt die generationenübergreifende Betrachtung mit besonderer
Berücksichtigung des Themas Generationengerechtigkeit (dazu gleich mehr [**|**|**]).
(Ebd., S. 188).Ich möchte das an einem Beispiel erläutern:
Stellen Sie sich eine autarke moderne Gesellschaft mit 10 Millionen Einwohnern
vor, die eine riesengroße Fabrik zur Herstellung aller benötigten Konsumprodukte
betreibt. Von den ca. 7 Millionen Erwerbspersonen arbeiten 1 Million in der Fabrik,
1 Million für die Infrastruktur, 1 Million im Dienstleistungsgewerbe, 1 Million
in der Investitionsgüterindustrie, 1 Million für Bildung und Information,
1 Million in der Landwirtschaft und 1 Million in der Verwaltung. Alle Menschen
leben im Sinne der Leitkultur des evolutionären Humanismus, infolgedessen
existieren weder Religion noch Kirche. Da man sich an die Maxime hält, die
eigene Lust zu steigern und das eigene Leid zu minimieren, kommen seit der Erfindung
der Pille pro Jahr nur noch zehntausend Kinder zur Welt. Im Erwachsenenalter sind
sie zahlenmäßig nicht mehr in der Lage, die Fabrikproduktion aufrechtzuerhalten,
genügend Lebensmittel anzubauen und die komplexe Infrastruktur zu betreiben.
Die Gesellschaft fällt deshalb zunächst in eine Agrargesellschaft zurück,
eine Generation später ist sie ausgestorben. (Ebd., S. 188-189).Das
Problem der Gesellschaft beziehungsweise ihrer evolutionär-humanistischen
Ethik war, daß in ihr keine Entsprechung zum biblischen »Seid fruchtbar
und mehret euch« existierte. Ökonomisch ausgedrückt könnte
man sagen, daß sie zu sehr im Diesseits verhaftet war und ihrem Denken generell
eine zu hohe Zeitpräferenz anhaftete, oder in den Worten Rahim Taghizadegans:»Während
die Sorge vor der Endlichkeit der eigenen Existenz zu höherer Zeitpräferenz
drängt, verringern transzendentale Motive die Überbewertung der Gegenwart.
Das sind etwa religiöse Vorstellungen, die über die eigene Existenz
hinausreichen. fm Schnitt kann man auch davon ausgehen, daß Menschen mit
Kindern eine etwas niedrigere Zeitpräferenz besitzen. wenn sie ihren Kindern
etwas hinterlassen möchten. Die Überalterung einer Gesellschaft und
mangelnder Nachwuchs lassen also eher einen Anstieg der Zeitpräferenz erwarten.«
(Rahim Taghizadegan, Wirtschaft wirklich verstehen, 2011, S. 123). | Hier
könnte man noch anfügen, daß umgekehrt die Überalterung einer
Gesellschaft und mangelnder Nachwuchs Hinweise auf eine generell zu hohe Zeitpräferenz
in der Population sind. Gestützt wird eine solche These durch Untersuchungen
zum unterschiedlichen Fertilitätsverhalten religiöser und nichtreligiöser
Menschen. (Ebd., S. 189).Beim Aufziehen von Kindern handelt
es sich um eine langfristige Investition zur Bewahrung der eigenen genetischen
und kulturellen Kompetenzen. Sie besitzt eine sehr niedrige Zeitpräferenz,
da ihre Amortisation erst in der nächsten Generation erfolgt, und das auch
noch zum Nutzen anderer (den Nachkommen beziehungsweise der nächsten Generation).
lm lnvestitionszeitraum ist hingegen ein Verzicht auf Ressourcen erforderlich.
Genau dieser Verzicht wird heute jedoch nicht mehr in ausreichendem Maße
geleistet, im Gegenteil. Statt der nächsten Generation Vermögenswerte
zu hinterlassen, werden ihr Schulden aufgehalst. (Ebd., S. 189).Natürlich
könnte unsere fiktive Gesellschaft ihr generationenübergreifendes Problem
auch anders als mit religiösen Normen lösen. Mit dem Familienmanager-Konzept
(**)
habe ich selbst einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Ohne eine entsprechende
Komponente, die beschreibt, wie gesellschaftliche Kompetenzen generationenübergreifend
bewahrt werden können, ist eine evolutionär-humanistische Ethik substantiell
unvollständig. Sie wäre gegenüber religiösen Ethiken nicht
dauerhaft konkurrenzfähig. (Ebd., S. 190).Die aktuelle
Nachwuchssituation unserer Gesellschaft ist allerdings mittlerweile bereits dermaßen
verfahren und bedrohlich, daß religiöse und nichtreligiöse Kräfte
in dieser Frage nun sinnvollerweise nicht weiter gegeneinander arbeiten, sondern
statt dessen miteinander kooperieren sollten. Ohne eine nennenswerte Unterstützung
durch die Religionen wird man das aufkommende Problem meiner Meinung nach nicht
mehr in den Griff bekommen. Darauf wiesen auch andere Autoren hin. (Ebd.,
S. 190).
10.4) Ethische Forderung: GenerationengerechtigkeitWie bei
allen nichtreligiösen Welterklärungsansätzen stellt sich auch bei
der Systemischen Evolutionstheorie die Frage, ob sich bereits aus der Theorie,
das heißt ohne Rückgriff auf sonstige religiöse oder weltanschauliche
Gesichtspunkte, irgendwelche ethischen beziehungsweise politischen Konsequenzen
herleiten lassen. Entsprechende Bemühungen hat es auf der Grundlage der Darwinschen
Evolutionstheorie ebenfalls gegeben, doch haben sie sich im nachhinein als äußerst
problematisch herausgestellt (siehe die Ausführungen zum Sozialdarwinismus).
(Ebd., S. 190).In der Vorstellung der Systemischen Evolutionstheorie
ist Evolution ein kompetenzerhaltender - und damit auch kompetenzentfaltender
- Prozeß. Populationen aus Evolutionsakteuren, denen die Bewahrung ihrer
Kompetenzen gegenüber einem sich ständig verändernden Lebensraum
nicht gelingt, scheiden sukzessive aus dem Evolutionsgeschehen aus. (Ebd.,
S. 190).Da alle Generationen aus dem Bemühen
ihrer Vorgängergenerationen, ihre Kompetenzen fortwährend zu bewahren,
zu entwickeln und weiterzugeben, entstanden sind, könnte man ein solches
Bestreben gleichsam als Verhaltensnorm für die aktuelle Generation erheben.
Sie entspricht dem Prinzip der Generationengerechtigkeit: Generationengerechtigkeit
bedeutet, daß die heutige Generation der nächsten Generation die Möglichkeit
gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen Ausmaß wie die heutige
Generation zu erfüllen. Auf diese Weise ließe sich durchaus evolutionstheoretisch
begründen, warum eine Generation nicht alle Meere verseuchen, alle kritischen
Ressourcen verbrauchen, beliebig viele Schulden anhäufen oder das Klima unwiderruflich
verändern darf. **
**
| Eine große Verwandtschaft
mit dem Prinzip der Generationengerechtigkeit besitzt der Begriff der evolutionär
stabilen Strategie (ESS), bei der jedoch spieltheoretische Aspekte im Vordergrund
stehen. Aus evolutionstheoretischer Sicht können die Konzepte der fortwährenden
Kompetenzbewahrung, der Generationengerechtigkeit und der evolutionär stabilen
Strategie als weitestgehend synonym betrachtet werden. (Ebd., S. 191).Im
Rahmen des Buches konnte gezeigt werden, daß das Prinzip der natürlichen
Selektion in menschlichen Wohlfahrtsstaaten nur noch von untergeordneter Bedeutung
ist, statt dessen kommt es darin vorrangig zur sozialen Selektion aufgrund menschengemachter
sozialer Selektionsfaktoren. Wohlfahrtsstaaten müssen sich folglich auf eine
bestimmte Weise organisieren, um ihre humanen Kompetenzen fortwährend bewahren
zu können. Nicht jede beliebige Organisationsform ist dazu in der Lage. Man
könnte aus evolutionstheoretischer Sicht somit die politische Forderung erheben,
menschliche Sozialstaaten seien so zu organisieren, daß in ihnen das Prinzip
der Generationengerechtigkeit gewahrt bleiben kann. Dementsprechend wäre
im Rahmen der Einführung neuer sozialer Maßnahmen grundsätzlich
der Nachweis zu führen, daß das Vorhaben evolutionär stabil beziehungsweise
generationengerecht ist, denn nur dann kann angenommen werden, daß mit ihm
keine langfristigen Verschlechterungen der Lebensumstände für die kommenden
Generationen einhergehen. Beispielsweise läßt sich recht leicht zeigen,
daß die genannten Kriterien weder vom bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)
noch der Gleichberechtigung der Geschlechter bei Beibehaltung der Wirtschaftsfunktion
der Familie erfüllt werden. (Ebd., S. 191).
11) Was tun?
Mit dem abschließenden Kapitel
habe ich mich ganz besonders schwergetan, da ich im Grunde der Auffassung bin,
daß alle erst jetzt begonnenen Maßnahmen sowieso zu spät kommen,
und man eigentlich nichts mehr tun kann. Auch bin ich äußerst skeptisch,
was die Natur des Menschen angeht. Ich befürchte, daß es erst wieder
gehörig krachen muß, bevor man schließlich ernsthaft reagiert.
Die Aussage ..., daß der nahe der Stadt emporragende Vulkan aller Wahrscheinlichkeit
nach explodieren wird, reicht den Menschen im allgemeinen nicht, jedenfalls, wenn
ein Befolgen der empfohlenen Maßnahmen für sie mit erheblichen Kompetenzverlusten
verbunden ist. Es darf also nicht verwundern, wenn der warnende Vulkanologe zu
ganz anderen Empfehlungen kommt, als die Menschen, an die er sich mit seinen Warnungen
wendet. (Ebd., S. 195).Auf der anderen Seite möchte
auch ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, zumal sie bekanntlich immer erst
zuletzt stirbt. Ich wäre auch durchaus zu mancherlei Zusammenarbeit bereit,
allerdings zu keiner politischen. Politik ist in meinen Augen reine Interessenvertretung,
und zwar einerseits für die aktuelle Generation, andererseits für die
menschlichen Superorganismen, das heißt für die Wirtschaft. Sie wird
die ernsthaften Probleme nicht lösen können, mit denen wir es zu tun
haben. (Ebd., S. 195).Finanziert werden könnte ein solches
Projekt übrigens ganz einfach: ES müßten lediglich Mittel für
die im Grunde unsinnige und zum heutigen Zeitpunkt irrelevante Forschungsvorhaben
(etwa aus dem Bereich der Gendertheorie) abgezogen und dorthin umgelenkt werden.
(Ebd., S. 199).In einer Welt voller Superorganismen ist der unternehmerische
Ressourcenreichtum jedoch gleichfalls einer kritischen Bewertung zu unterziehen.
(Ebd., S. 200).Persönlicher Besitz an Dingen
hat mir noch nie viel bedeutet. Beispielsweise besaß ich in meinem Leben
nur 2 Jahre lang ein eigenes Auto. Ein uralter hellblauer VW-Käfer, der die
Fahrzeit zwischen meiner damaligen Wohnung in Bremen-Mitte und meinem Arbeitsplatz
in Bremen-Nord von 90 auf 30 Minuten herunterdrückte - eine Leistung, für
die ich ihm noch heute dankbar bin -, und der seine letzten beiden Jahre mit mir
verbringen durfte, bevor der TÜV uns schied. Ich verdiente damals als IT-Experte
ausreichend viel Geld, um mir ohne weiteres einen »dicken Schlitten«
leisten zu können. Allein: Ich wollte es nicht. Das heißt nun nicht,
daß ich Autos nicht mag. Im Gegenteil; Wann immer ich mir aus zwingenden
beruflichen Gründen für ein oder zwei Tage einen Wagen geliehen habe,
entschied ich mich für Modelle, mit denen man auf freien Autobahnstrecken
auch mal seinen Spaß haben konnte. (Ebd., S. 201-202).Demgegenüber
bin ich regelrecht süchtig nach Wissen und Information. Internet, Bücher,
Musik, all das ist im Grunde für mich völlig unverzichtbar. Und genau
deshalb folgt nun der passende Vorschlag dazu. .... In einer auf Informations-Geld
beruhenden Informationsgesellschaft könnten sich ganz neue anstrebenswerte,
auf Information und Wissen basierende soziale Status etablieren .... (Ebd.,
S. 202).Unsere Welt ist begrenzt, und deshalb können wir nicht
beliebig energetisch/materiell weiterwachsen. .... Das gilt aber ... nicht für
Information und Wissen. Bei letzterem könnte ein weiteres Wachstum toleriert
werden. (Ebd., S. 203).Auch scheint mir aktuell Wissensarbeit
mit niedriger Zeitpräferenz tendenziell eher unterbewertet zu sein. Gerade
die Anreicherung des Wissens der Menschheit (ihrer Kompetenzen) ist aber für
deren langfristige Evolutions- und Überlebensfähigkeit von großer
Bedeutung. Besonders viel vedient wird dabei nicht. Das birgt die Gefahr eoner
übertriebenen Kommerzialisierung von Forschung und Entwicklung. (Ebd.,
S. 203).Der Mensch ist längst nicht mehr die Krone der Schöpfung,
sondern die menschlichen Superorganismen - insbesondere die globalen Konzerne
sind es jetzt. Superorganismen streben als selbstreproduktive Systeme danach,
ihre eigenen Kompetenzen zu reproduzieren. Sie arbeiten folglich nicht primär
für die Menschen, sondern in erster Linie für sich. Dabei nehmen sie
auch direkten Einfluß auf das Verhalten und die Präferenzen von Menschen.
Wenn es für sie wirtschaftlich (das heißt reproduktiv) von Vorteil
ist, daß sich die Menschen weltweit in zunehmendem Maße von zuckerhaltigen
Industrieprodukten ernähren, dann wird sich eine entsprechende, sowohl von
den Medien als auch den zuständigen wissenschaftlichen Fachdisziplinen geförderte
Entwicklung ereignen. Die Gesellschaften haben die Folgen anschließend auszubaden.
(Ebd., S. 210).Menschliche Superorganismen arbeiten nicht für
Menschen, sondern Menschen für Superorganismen. Sollte sich die augenblickliche
Entwicklung ungesteuert fortsetzen, werden wir Menschen möglicherweise zu
austauschbaren Zellen der Superorganismen degradiert. Im Grunde werden wir schon
heute benutzt. (Ebd., S. 210).In einigen Bereichen - zum
Beispiel der Finanzindustrie - haben die Superorganismen längst Interdependenzen
geschaffen, die von Menschen offenkundig nicht mehr durchschaut werden. Kommt
es in diesem Zusammenhang zu gravierenden Störungen (»drohende Kernschmelze
des Finanzsystems«), erhalten die Reproduktionsinteressen (das Überleben)
der Superorganismen Vorrang vor den Reproduktionsinteressen der Menschen, und
zwar selbst bei den von den Menschen gewählten Staatsregierungen. (Ebd.,
S. 210).Einen unmittelbaren Lösungsvorschlag für die
verfahrene Situation habe ich nicht, speziell unter den heutigen Verhältnissen,
bei denen die Superorganismen global operieren, die Regierungen aber nur lokale
Verantwortung tragen. Möglicherweise lassen sich hierdurch viele sinnvolle
Lösungen ohnehin nur noch global abgestimmt durchsetzen, was jedoch ein aktuell
wenig realistisches Szenario ist. (Ebd., S. 210).Karl Marx
hatte das Problem gewissermaßen erahnt. Er schlug vor, daß Superorganismen
(so nannte man sie damals allerdings nicht! HB) ihre
Produktionsmittel nicht selbst besitzen dürfen. Mit einer solchen Einschränkung
hätten sie im Grunde nicht als eigenständige selbstreproduktive Systeme
entstehen und miteinander in den Wettbewerb treten können. Damit wäre
aber unter anderem eine reduzierte Innovationsfähigkeit einhergegangen, wie
es sich auch in der Praxis später erwies. (Ebd., S. 210).Ich
möchte ... anmerken, daß man die anstehenden Probleme ohne eine evolutionäre
Perspektive nicht in den Griff bekommen wird. Aus evolutionärer Sicht öffnete
der Mensch mit dem Aufkommen der Superorganismen gewissermaßen Pandoras
Büchse, denn mit ihnen gehen eigendynamische Entwicklungen einher, die sich
der Kontrolle der Menschheit weitestgehend entzogen haben. Ob man die Steuerungskompetenz
noch einmal zurückgewinnen kann und vor allem auch wie, ist für mich
eine völlig offene Frage. (Ebd., S. 211).Roboter könnten
sich entwicklungsseitig vom Menschen abkoppeln und gewissermaßen eigenständig
evolvieren und hierdurch schließlich die Weltherrschaft erlangen. .... In
dem Augenblick, in dem Systeme ihre eigene Evolutionsfähigkeit erlangen,
werden sie praktisch evolutionär autonom. (Ebd., S. 211).Jeder
Versuch einer Neugstaltung der Wirtschaftswelt hat unter einer evolutionär-systemischen
Perspektivezu erfolgen. (Ebd., S. 212).In der Sprache der
Systemischen Evolutionstheorie könnte man sagen, daß in einer Diktatur
der Herrscher seine Reproduktionsinteressen einseitig gegen die aller anderen
Populationsmitglieder durchsetzt. Eventuell verspricht er jedoch, bei seinen Entscheidungen
stets auf die Interessen seiner Untertanen zu achten. Tut er dies tatsächlich,
und zwar auch noch in ausgeprägter Weise, ist er möglicherweise ein
weiser König, dem es in erster Linie um das Wohl seines Volkes geht. In einer
Demokratie behaupten die sich einer Wahl stellenden Politiker hingegen, es ginge
ihnen in erster Linie um die Wahrung der Reproduktionsinteressen aller Bürger
oder bestimmter Teilgruppen innerhalb der Bevölkerung. Die Lauterkeit solcher
Aussagen darf jedoch stark angezweifelt werden, wie noch gezeigt wird. (Ebd.,
S. 214).Allerdings existieren in der Praxis zahlreiche Mischformen
zwischen Demokratie und Diktatur und auch recht unterschiedliche Demokratieformen.
Beispielsweise könnte eine Demokratie darin bestehen, daß das Volk
alle fünf Jahre einen neuen Herrscher mit fast uneingeschränkten Entscheidungsbefugnissen
wählt. Wenn in den weiteren Ausführungen also von Demokratie die Rede
ist, dann soll darunter vor allem die repräsentative Demokratie heutiger
Ausprägung verstanden werden, bei der politische Sachentscheidungen im Allgemeinen
nicht vom Volk direkt, sondern von gewählten Volksvertretern (den Politikern)
getroffen werden. (Ebd., S. 214).Unternehmen besitzen im
allgemeinen kaum demokratische Strukturen. Wer der nächste Vorgesetzte wird
und welche Entscheidungen in den oberen Leitungsebenen gefällt werden, darauf
haben die unteren Hierarchien praktisch keinen Einfluß. Aus Sicht eines
Unternehmens, dem es wesentlich um den eigenen Kompetenzerhalt (des Unternehmens)
geht, liegen die Vorteile einer solchen Vorgehensweise auf der Hand: Es kann wesentlich
schneller entschieden werden. Es können auch unliebsame Entscheidungen zum
Wohle des Gesamtunternehmens und zum Nachteil einer Teilgruppe oder sogar der
gesamten Belegschaft gefällt werden. Die Entscheidungsprozesse sind weniger
verschwenderisch. Die angeführten Vorteile machen im Umkehrschluß einen
Großteil der Nachteile von demokratischen Entscheidungsprozessen aus. Daß
die Demokratie verschwenderischer ist, liegt zum Teil bereits am zugrunde liegenden
Recht des Besitzenden, bei welchem im Allgemeinen deutlich mehr Ressourcen verbraucht
werden als beim dominanten Recht des Stärkeren. (Ebd., S. 214-215).Ich
möchte die Nachteile heutiger demokratischer Entscheidungsprozesse an zwei
Fallbeispielen verdeutlichen, nämlich an der gesetzlichen Rentenversicherung
und den Staatsschulden. (Ebd., S. 215).Mit der Einführung
der gesetzlichen Rentenversicherung wurden Verhältnisse geschaffen, die bei
Lichte betrachtet dermaßen absurd sind, daß man geneigt sein könnte,
Politikern jegliche Kompetenz abzusprechen, außer der Fähigkeit, für
den eigenen Kompetenzerhalt per Wiederwahl zu sorgen. Dies soll an einem Beispiel
erläutert werden: Stellen wir uns vor, die beiden Ehepaare Schulze und Meier
seien gleich gut ausgebildet. Bei den kinderlosen Schulzes sind beide Partner
berufstätig und in leitenden Positionen tätig. Die Meiers hingegen haben
vier Kinder. Bei ihnen ist nur der Ehemann berufstätig, und zwar in einer
vergleichbaren Position wie Herr Schulze. Wenn man so will, könnte man die
Gemeinschaft aus den beiden Paaren Schulze und Meier als eine kleine Gesellschaft
auffassen, die sich bestandserhaltend reproduziert: Die vier Erwachsenen haben
zusammen exakt vier Nachkommen. Schaut man sich die Einkommenssituation der beiden
Paare an, dann fällt allerdings auf, daß die Schulzes zwei Einkommen
besitzen, mit denen lediglich zwei Erwachsene zu versorgen sind, während
die Meiers mit einem Einkommen zwei Erwachsene und vier Kinder zu ernähren
haben. Die Schulzes sind folglich recht wohlhabend, weswegen sie unter anderem
dreimal im Jahr in den Urlaub fliegen können, während man bei den Meiers
jeden Pfennig dreimal umdrehen muß. Bis hierhin könnte man noch sagen,
es war die freie Entscheidung der Meiers, vier Kinder in die Welt zu setzen, ihnen
war die Freude an ihren Kindern offenbar wichtiger als der materielle Wohlstand.
Wirklich bizarr wird es allerdings unter der Rahmenbedingung der gesetzlichen
Rentenversicherung dann im Alter: Obwohl die Meiers alle späteren Rentenzahler
in die Welt gesetzt und großgezogen haben, bekommen sie deutlich weniger
Rente als die Schulzes. Exakt so wie im Beispiel beschrieben funktioniert heute
die gesetzliche Rentenversicherung. Man könnte sie deshalb als eine Form
der Ausbeutung oder gar Enteignung von Familien durch Kinderlose bezeichnen. Die
Frage ist: Wie konnte es dazu kommen? Sind Kinderlose eventuell gierig?
(Ebd., S. 215-216).Die ursprüngliche Verabschiedung der Regelung
läßt sich vergleichsweise leicht erklären, nämlich durch
Konrad Adenauers »Kinder kriegen die Leute immer.« Als er seinen Satz
sagte, mag er vielleicht sogar recht gehabt haben, denn die Frauen hatten sich
noch nicht emanzipiert, die Pille war noch nicht auf dem Markt und Alice Schwarzer
hatte ihre, sich später gewissemaßen als Bluff herausstellende »Wir
haben abgetrieben!«-Kampagne auch noch nicht gestartet. Als es dann jedoch
zum sogenannten Pillenknick kam, hätte die Politik eigentlich reagieren müssen.
Daß sie es nicht tat, und zwar keine einzige Partei, läßt erahnen,
was die eigentliche Sorge der Politiker stets war: Nicht die Zukunftsfähigkeit
der Bundesrepublik Deutschland, sondern ihre eigene Wiederwahl, das heißt
der Erhalt der eigenen Kompetenzen. (Ebd., S. 216).Man könnte
dies sicherlich noch alles so hinnehmen, wenn es sich dabei nicht um einen handfesten
Politikskandal handelte: Mit der Verabschiedung der gesetzlichen Rentenversicherung
im Umlageverfahren (Rentenreform von 1957[**|**|**|**])
hatte der Gesetzgeber der Bevölkerung signalisiert, daß die Altersversorgung
ab sofort nicht mehr ihre Sache beziehungsweise die ihrer direkten Nachkommen,
sondern der Gesellschaft, das heißt letztlich des Staates sei. Es war für
die Bürger demnach nicht mehr zwingend erforderlich, eigene Kinder zu haben,
um im Alter gut versorgt zu sein, da man die gesamte nächste Generation für
die Altersversorgung der aktuellen Generation in die Pflicht nahm. Daß diese
bei der Entscheidung kein Stimmrecht besaß, versteht sich von selbst.
(Ebd., S. 216).Spätestens ab hier bestand dann aber seitens
des Staates auch die Verpflichtung, alles dafür zu tun, damit sich die Voraussetzungen
des Umlageverfahrens erfüllen. Und diese Voraussetzungen lauten unter anderem:
Es müssen ausreichend viele Kinder geboren werden. Die gesellschaftliche
Fertilitätsrate muß angesichts zu erwartender Produktivitätssteigerungen
vielleicht nicht unbedingt exakt bestandserhaltend sein, auf jeden Fall aber annähernd.
Nun hätte sich die Politik vielleicht noch mit dem Hinweis herausreden können,
daß sie ja alles versucht habe, Kinder für die Menschen wieder attraktiver
zu machen, doch hätten diese leider nicht auf ihre zahlreichen Anreize reagiert.
In einem solchen Fall seien dem Staat dann bedauerlicherweise die Hände gebunden.
(Ebd., S. 216-217).Diese Ausrede trifft jedoch in keiner Weise
zu. Für gut ausgebildete, am Erhalt ihrer Kompetenzen interessierte Paare
ist es heute besonders günstig, keine Kinder zu haben. Damit können
sie sowohl während ihrer beruflich aktiven Zeit als auch im Alter deutlich
mehr Ressourcen erlangen (Geld verdienen), als wenn sie eigene Kinder hätten.
Ferner können sie sich viel ausgiebiger dem Ausbau der beruflichen Kompetenzen
(Weiterbildung u.s.w.) oder dem Aufbau der eigenen Karriere widmen, da weniger
sonstige zeitliche Verpflichtungen bestehen. Es ist dann beispielsweise ohne weiteres
möglich, für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen, um weitere
Erfahrungen (beziehungsweise Kompetenzen) zu sammeln. Zum großen Teil beruhen
die genannten Vorteile jedoch nicht auf natürlichen Gegebenheiten, sondern
auf Verhältnissen, die vom Staat explizit selbst geschaffen wurden. Die gravierende
Altersarmut der kommenden Jahrzehnte hat die Politik somit in erster Linie selbst
zu verantworten. (Ebd., S. 217).Man kann an solchen Fällen
übrigens sehr gut erkennen, daß die Politik in ihrem Wirken implizit
vom gleichen Menschenbild ausgeht, wie die Systemische Evoutionstheorie beziehungsweise
das vorliegende Buch. Sie scheint nämlich anzunehmen, daß man Wählern
- ich ennnere: vom Urknall erschaffene, Kompetenzverlust vermeidende Systeme -
nichts wegnehmen, sondern höchstens etwas hinzugeben kann (das
funktioniertabwer nur, wenn man anderen Wählern, nämlich denen der konkurrierenden
Partei[en], etwas wegnimmt! HB). Aus diesem Grund mag man Familien vielleicht
Steuererleichterungen, Elterngelder, eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie
und Beruf und jede Menge Krippen versprechen, aber man darf nicht die Steuern
einseitig erhöhen, um auf diese Weise für mehr Familiengerechtigkeit
zu sorgen (zum Beispiel, indem man die Steuern generell anhebt, sie aber für
Familien wieder auf die ursprüngliche Höhe absenkt). So etwas würden
die Wähler nämlich bei der nächsten Wahl abstrafen. (Ebd.,
S. 217).Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, welches meiner
Meinung nach auf demokratische Weise nicht mehr lösbar ist, zumal die Politik
nicht evolutionär-systemisch und generationenübergreifend denkt, sondern
primär bewahrend gegenüber den eigenen Kompetenzen, mit anderen Worten:
wahlergebnisbezogen. (Ebd., S. 217-218).Damit ist die zweite
der weiter oben genannten Schwächen von repräsentativen Demokratien
durch das Fallbeispiel »gesetzliche Rentenversicherung« belegt: In
Normalzeiten lassen sich in Demokratien keine notwendigen Maßnahmen zum
Nachteil einer größeren Teilgruppe oder sogar der gesamten Bevölkerung
durchsetzen. (Ebd., S. 218).Doch nun zum zweiten Fallbeispiel,
der Staatsverschuldung. Für deren Entwicklung in den letzten 40 Jahren nannte
ich bereits einen sachlichen Grund, ich wiederhole die Kernargumente einfachheitshalber
noch einmal: Aufgrund der Emanzipation der Frauen und der hierdurch bedingten
stärkeren weiblichen Erwerbsbeteiligung kam es zu einer steten Zunahme der
Zahl an Erwerbspersonen. Gleichzeitig sank durch die niedrigen Geburtenraten der
Binnenbedarf. In der Folge blieb ein nennenswerter Teil der Erwerbswilligen arbeitslos.
Diese Menschen waren dann vom Staat zu ernähren, was - sofern sie Kinder
hatten - auch für deren Familien galt. Davon betroffen waren in erster Linie
Personen mit geringer Ausbildung und jüngere und ältere Erwerbspersonen.
Für den Staat waren die vielen Arbeitslosen ein Hinweis auf eine Rezension,
gegen die er entsprechende Konjunkturprogramme startete - auf Pump. Da Menschen
mit geringen Berufsaussichten überproportional viele Kinder bekamen, hatte
der Staat entsprechend viele Kinder und Jugendliche zu versorgen. Der wesentliche
Punkt dabei ist, daß in der Bundesrepublik Deutschland bis ungefähr
Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre Vollbeschäftigung bestand. Erst
ab da stieg die Arbeitslosigkeit nennenswert an - während gleichzeitig die
Geburtenrate einbrach - und mit ihr auch die Schuldenaufnahme, denn die Politik
sah es damals als ihre Aufgabe an, die Auswirkungen der Krise, die sie zu sehen
glaubte, möglichst gering zu halten, und die Menschen wieder rasch an die
Arbeitsplätze zurückzubringen. Allerdings ging die Arbeitslosigkeit
- anders als in den Konjunkturflauten zuvor - diesmal nicht wieder zurück.
So mußte Konjunkturprogramm auf Konjunkturprogramm gestartet werden, beziehungsweise
den Wählern eine solche Vorgehensweise versprochen werden (mit
anderen Worten: mit dem Ende der 1960er Jahre war im Grunde auch die BRD schon
am Ende! HB). (Ebd., S. 218).Allerdings stellt sich
die Frage, ob demokratische Politiker auch ohne sachliche Gründe (Arbeitslosigkeit,
Wiedervereinigung, Finanzkrise u.s.w.) zur Verschwendung und zur Anhäufung
von Staatsschulden neigen würden. Mit anderen Worten: Handelt es sich bei
der dritten der oben angefuhrten Schwächen der repräsentativen Demokratien
möglicherweise tatsächlich um ein Systemproblem? (Ebd., S. 218-219).Die
Menschheit wird auf Dauer nur überleben und in Frieden miteinander auskommen
können, wenn ihr die Beherrschung der Bevölkerungsentwicklung gelingt
(vgl. dazu meinen Artikel »Bevölkerungsplanung« **).
(Ebd., S. 222).Ist das zu viel verlangt? Nun, wir waren auf dem
Mond, wir haben Atomkraftwerke, der genetische Code ist auch entschlüsselt.
Familienplanung und Abtreibung sind längst selbstverständlich geworden.
Irgendwann wird man in der Lage sein, Menschen zu klonen und das Wetter zu beeinflussen
(zu beidem ist man doch schon in der Lage! HB). Und
unter diesen Bedingungen soll es nicht möglich sein, über Maßnahmen
zur zielgenauen Bestimmung zukünftiger Bevölkerungsgrößen
nachzudenken, zumal man mit kaum etwas anderem die Welt nachhaltiger befrieden
könnte? (Ebd., S. 222).Dauerhaft überbestandserhaltende
Fertilitätsraten führen zu exponentiellem Bevölkerungswachstum,
nichtbestandserhaltende Werte zu exponentieller Bevölkerungsschrumpfung,
in beiden Fällen also langfristig zur Katastrophe. Entwicklungsländer
haben ohne die allgemeine Verfügbarkeit von leistungsfähigen Kontrazeptiva
und ohne eine relative Gleichstellung der Frauen meist deutlich überbestandserhaltende
Fertilitätsraten, entwickelte Länder dagegen deutlich nichtbestandserhaltende.
(Ebd., S. 222).Die große Frage ist jedoch, wie man Bevölkerungen
international abgestimmt und ohne Anwendung von Zwangsmaßnahmen im demographischen
Gleichgewicht halten beziehungsweise zu einem sachten, kontrollierten Schrumpfen
bringen kann. Das von mir vorgeschlagene Familienmanager-Konzept (**)
könnte ein erster Ansatz dazu sein .... (Ebd., S. 222-223).Bedauerlicherweise
besteht gerade in feministischen und soziologischen Kreisen kaum ein ernsthaftes
Problembewußtsein in der Sache. Dies erschwert den Diskurs ungemein. Evolutionstheoretische
Argumente werden in den betreffenden Disziplinen und Zirkeln meist von vornherein
abgelehnt, für Generationengerechtigkeit (**|**|**)
scheint kein Interesse zu bestehen, und daß es sich bei der Teilverlagerung
der Fortpflanzungs- und Erziehungsarbeit in Drittländer um Kolonialismus
handelt, will man offenkundig erst gar nicht wahrhaben. (Ebd., S. 223).Ein
in dieser Hinsicht besonders erschreckendes - aber keineswegs untypisches - Beispiel
liefert Bettina Rainer mit ihren Arbeiten . So schreibt sie an einer Stelle: »Geburtenschwund
und Überbevölkerung werden einander gegenübergestellt.
Auf den ersten Blick ist dies paradox und widersprüchlich. Bei näherer
Betrachtung wird allerdings deutlich, daß sich der Diskurs über das
Thema Bevölkerung in zwei Stränge gliedert. In dem einen wird das Aussterben
und ein Zuwenig an Menschen problematisiert, in dem anderen stehen
hingegen Überbevölkerung und ein Zuviel an Menschen
im Mittelpunkt. Entscheidend ist dabei, wer die Menschen sind, die zuwenig.
oder aber zuviel sind. Solche ideologischen und letztlich auch völlig
unethischen Abwägungen haben meiner Meinung nach in wissenschaftlichen Kontexten
nichts zu suchen. Wenn beispielsweise in Somalia - einem der ärmsten Länder
der Erde - im Jahr 2011 durchschnittlich 6,35 Kinder pro Frau geboren werden (der
vierthöchste Wert weltweit), gleichzeitig aber während einer schweren
Hungersnot Zehntausende Kinder sterben, dann verbieten sich Debatten darüber,
ob die Sorge über die Bevölkerungsentwicklung in Afrika möglicherweise
einen rassistischen Hintergrund hat (»unerwünschte Menschen«),
von selbst. Die hohen Geburtenraten in Ländern wie Somalia sind nicht natürlicher
Art, sondern Ausdruck der dort vorherrschenden sozialen Verhältnisse, insbesondere
der Armut, und sie reproduzieren genau diese Verhältnisse immer und immer
wieder. (Ebd., S. 223).Im übrigen wird die europäische
Geburtenschwäche aller Wahrscheinlichkeit nach auch negative Auswirkungen
auf die geburtenreichen armen Länder haben, denn zum einen werden sich die
europäischen Konzerne auch dort nach geeigneten Fachkräften umschauen
- die dann nicht mehr zum Aufbau ihrer Heimatländer zur Verfügung stehen
-, zum anderen dürften bei zukünftigen Hungersnöten von der Größenordnung
Somalia-2011 europäische Hilfen aufgrund der dann fehlenden eigenen Mitteln
weitestgehend ausbleiben. Man wird die Menschen einfach sich selbst überlassen.
Anders gesagt: Man wird sie verhungern lassen. (Ebd., S. 224).Die
bislang noch fehlende Beherrschbarkeit der Bevölkerungsentwicklung ist das
vermutlich wichtigste offene globale Problem überhaupt (**).
(Ebd., S. 224).
Vgl.
dazu etwa Manfred Eigen / Ruthild Winkler, Das Spiel - Naturgesetze steuern
den Zufall, 1975. Die globale Populationskontrolle enthält gemäß
den beiden Autoren »den Schlüssel zur Lösung all der anderen Probleme.
Das sollten wir klar erkennen.« (Ebd.). |
Das
... Familienmanager-Modell (**)
könnte ein solches Verfahren zur Steuerung der Bevölkerungsentwicklung
sein. Es leistet aber noch erheblich mehr. (Ebd., S. 224).Verschiedene
Autoren - unter anderem der Biologe Richard Dawkins - haben deutlich gemacht,
daß Lebewesen ihre Fortpflanzungsentscheidungen primär auf der Grundlage
ihrer eigenen individuellen Lebenssituationen fällen. Anders gesagt: Sie
fragen sich nicht, was in der Hinsicht gut für die Gesamtpopulation wäre,
sondern was gut für sich beziehungsweise ihre Gene ist. Es geht dabei um-die
Debatte Individualselektion versus Gruppenselektion. (Ebd., S. 224).Die
genannten Kernargumente gelten im wesentlichen auch für Menschen. Die Systemische
Evolutionstheorie sieht die Sache lediglich ein wenig differenzierter: Die meisten
Lebewesen besitzen kaum weitere Kompetenzen als die in ihren Genen gespeicherten,
folglich steht bei ihnen die genetische Reproduktion (Fortpflanzung) im Vordergrund,
und man könnte ihnen oftmals gar ein genegoistisches Verhalten unterstellen.
Die Situation beim Menschen ist jedoch erheblich komplexer. Er besitzt eine Vielfalt
an sehr unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, bei denen es sich
mehrheitlich um kulturelle Kompetenzen mit einem gewissen genetischen Fundament
handelt. Aber auch Menschen sind selbstreproduktive Systeme. Sie verhalten sich
nachhaltig gegenüber ihren Kompetenzen und ausbeutend gegenüber ihrer
Umwelt. Anders gesagt: Auch sie lassen sich vor allem von ihren Individualinteressen
(Reproduktion ihrer Kompetenzen) leiten. Es ist deshalb nicht zu erwarten, daß
sie von sich aus und ausschließlich auf der Grundlage von Individualbedingungen
zu einem gruppenweit opimalen Fortpflanzungsverhalten finden. (Ebd., S.
224-225).Ich bin davon überzeugt, daß das individuelle
Streben der Individuen nach Kompetenzerhalt auf demokratische Weise keine langfristigen
gesellschaftsweiten Maßnahmen zuläßt, die mit substantiellen
persönlichen Nachteilen (mit persönliche Kompetenzverlusten) verbunden
sind. Und damit wissen Sie dann auch, warum das vorliegende Buch einen solch pessimistischen
Titel trägt. Wenngleich es für mich selbst vermutlich nicht ganz so
fürchterlich ausgehen wird, da ich Jahrgang 1949 bin. Als Mann hat man im
allgemeinen eine geringere Lebenserwartung. (Ebd., S. 236). |