   
Will
man dieses Paradoxon deuten, sollte man erst einmal wissen, ob man die Demographie
als eigene Disziplin oder als Teildisziplin der Ökonomie betrachtet. Ein
Deutungsversuch aus einem speziellen Forschungsgebiet der Wirtschaftswissenschaften,
das als Bevölkerungsökonomie bezeichnet wird, argumentiert folgendermaßen:
Die Preise und Kosten der für die Erziehung von Kindern benötigten Dienstleistungen,
insbesondere für die Betreuung und Aufsicht durch Dienstpersonal, sind stärker
gestiegen als die Preise der industriell erzeugbaren materiellen Konsumgüter,
so daß heute mit einem gegebenen Einkommen ein höheres Maß an
Nutzen erzielt werden kann, wenn der für den Erwerb von industriell erzeugbaren
Gütern verwendete Anteil am verfügbaren Einkommen ausgeweitet und der
für Kinder aufgewendete entsprechend reduziert wird. Diese Erklärung
ist schlüssig, aber ihre Gültigkeit hängt davon ab, ob die dabei
unterstellte Regel immer anwendbar ist, daß bei einem gegebenen Einkommen
von jedem Konsumgut eine um so größere Menge nachgefragt wird, je niedriger
sein Preis ist. Wer diese Nachfrageregel auf den vorliegenden Fall anwendet, stellt
eine Analogie zwischen Kindern und ökonomischen Konsumgütern her. In
der Bevölkerungsökonomie ist dies üblich. Man spricht dort ausdrücklich
und ungeniert von Kindern als «Konsumgütern» und vom «Konsumnutzen
des Kindes» für die Eltern, der sich z.B. aus der emotionalen Befriedigung
ergibt, die die Eltern durch ihre Kinder gewinnen, während der «Versorge-
oder Investitionsnutzen des Kindes» aus den längerfristigen Vorteilen
erwächst, insbesondere aus der Sicherheit, die die Eltern in Notfällen
durch die Hilfe ihrer Kinder erwarten. Doch wer die Gleichsetzung von Kindern
mit Konsumgütern wie Perserteppichen und Staubsaugern oder mit Investitionsgütern
wie Immobilien und Aktien unpassend findet und als zu weit gehend ablehnt, dem
fehlt das gedankliche Hilfsmittel, mit dem sich aus der Sicht der Bevölkerungsökonomie
das demo-ökonomische Paradoxon auflösen läßt. Selbst wenn
man statt der Gleichheit nur eine Ähnlichkeit zwischen Kindern und ökonomischen
Gütern annimmt, muß zur Aufrechterhaltung der ökonomischen Sichtweise
doch eine Übereinstimmung in wesentlichen Merkmalen unterstellt werden. Aber
auch die Annahme einer weniger strengen Entsprechung wirft mehr Fragen auf als
sie beantwortet. Denn eines der entscheidenden Merkmale des ökonomischen
Begriffs des Konsumguts ist, daß das Gut vom Konsumenten «genutzt»
bzw. «verbraucht» wird, und daß der Konsument in beliebiger
Weise über das Gut verfügen kann, indem er es beispielsweise durch ein
anderes ersetzt, verkauft oder auf Grund seiner «Konsumentensouveränität»
einfach wegwirft. In unserer Kultur lassen sich Kinder jedoch nicht wie beliebige
Gebrauchsgüter wieder loswerden, wenn die Eltern nicht mehr mit ihnen zufrieden
sind. Ein Kind ist kein Bild, das sich einfach von der Wand nehmen läßt,
wenn es nicht mehr gefällt. Ein anderer Begriff aus der Bevölkerungsökonomie
stellt nicht auf die manifesten Kosten von Kindern im Sinne von tatsächlich
entstandenen Ausgaben ab, sondern auf die meist nur vorgestellten, entgangenen
Einkommen, mit denen zu rechnen wäre, wenn eine Frau, statt durch Erwerbsarbeit
Einkommen zu erzielen, unbezahlte Familienarbeit leisten und Kinder großziehen
würde. Diese als «Opportunitätskosten von Kindern» bezeichneten
entgangenen Einkommen, die nur in der Vorstellung existieren und deshalb eigentlich
nur dann als entgangen zu betrachten sind, wenn sie eine sichere Option gewesen
wären, wachsen seit Jahrzehnten im gleichen Maße wie die Realeinkommen
und der allgemeine Wohlstand. Die Folge ist, daß Kinder gemessen an den
Opportunitätskosten immer unerschwinglicher werden, so daß die Geburtenrate
seit Jahrzehnten abnimmt. (Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende,
2001, S. 42-44). Man kann das wohl nur historisch (kulturhistorisch
!) verstehen, denn: Zu welchen Hilfskonstruktionen man auch greift - ein
Rest von Paradoxie bleibt übrig, wenn man rational zu erklären versucht,
warum sich Menschen um so weniger Kinder leisten, je mehr sie sich aus rein ökonomischer
Sicht auf Grund des steigenden Realeinkommens eigentlich leisten könnten.
Bei diesem Sachverhalt handelt es sich um einen Aspekt der geschichtlichen Realität,
der sich gegen die üblichen theoretischen Erklärungsversuche der Sozialwissenschaften
sperrt, und der auch von der Geschichtswissenschaft noch wenig verstanden wird.
Dabei war die Wirtschaftsgeschichte als Teil des Zivilisationsprozesses im 20.
Jahrhundert in der Regel so paradox mit der Bevölkerungsgeschichte verbunden,
daß ökonomische Prosperität mit einer Abnahme und nicht mit einer
Zunahme der Geburtenrate einherging. Es ist nachweisbar, daß ähnliche
Zusammenhänge auch in früheren ... Kulturen wirksam gewesen sein müssen,
insbesondere in der griechisch-römischen Antike, wie dies durch literarische
Zeugnisse aus dieser Zeit belegt wird, so daß wir es hier vielleicht mit
einem allgemeinen Charakteristikum geschichtlicher Entwicklungsverläufe zu
tun haben. (Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S.
44-45). Richtig! Eine frühe Schilderung des Geburtenrückgangs in Griechenland
stammt aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., nämlich vom griechischen Historiker
Polybios:
Historien (um 150 v. Chr.).Wer die Vergangenheit - die Geschichte
- stets berücksichtigt, weil man nur aus ihr die Zukunft ableiten und schließlich
vorhersagen kann, darf wie Herwig Birg Prognosen wagen. Faßt man die
Befunde zusammen, so ergibt sich folgendes Fazit: Der Hauptgrund für die
niedrige Geburtenzahl pro Frau ist der hohe Anteil von rd. einem Drittel zeitlebens
kinderlos bleibender Frauen bei den jüngeren Jahrgängen ab 1965. Innerhalb
der Gruppe der Frauen mit Kindern hat die Geburtenrate jedoch den idealen Wert
von rd. 2 Kindern pro Frau. Die Polarisierung der Bevölkerung nach den beiden
Gruppen mit und ohne Kinder ist ... besonders hoch. .... Der Trend zur lebenslangen
Kinderlosigkeit wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Der
Anteil der Frauen an einem Jahrgang, die zeitlebens ein Kind haben, wird weiter
abnehmen, der Anteil der Frauen mit zwei Kindern relativ stabil bleiben und der
Anteil der Frauen mit drei Kindern wird stagnieren. Dagegen wird sich der Anteil
der Frauen mit vier und mehr Kindern - bedingt durch die große Zahl von
Zugewanderten mit höherer Geburtenrate - leicht erhöhen. Durch die Dynamik
ihrer Volkswirtschaften haben die westlichen Industrieländer eine beispiellose
Steigerung des Wohlstands erfahren. Parallel dazu hat sich das biographische Universum
der Individuen als Sinnbild für die Größe der biographischen Entscheidungsfreiheit
stark erweitert. Die Expansion des biographischen Entscheidungsraums beruhte sowohl
auf der Zunahme der Entscheidungsfreiheit durch das Auftreten neuer biographischer
Alternativen und Optionen als auch auf dem Wegfall von handlungsbegrenzenden Normen
und Tabus. An die Stelle der kulturellen und sozialen Überbestimmtheit der
Biographien früherer Zeiten trat die Unterbestimmtheit moderner Lebensläufe.
Der biographische Freiheitszuwachs bedeutete zugleich eine starke Erhöhung
des Risikos langfristiger biographischer Festlegungen. Ob und gegebenenfalls wie
viele Kinder jemand hat, bestimmt sich in modernen Gesellschaften nicht aus biologischen
Kausalitäten und ebenso wenig durch verbindliche gesellschaftliche Verhaltensmuster,
sondern durch die Rationalität und Logik biographischer Entwicklungsverläufe
und deren Festlegungsrisiken im Hinblick auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes.
Der Lebenslauf ist in der modernen Gesellschaft zum Projekt des Einzelnen geworden,
dessen Erfolg und Mißerfolg dem Individuum und nicht der Gesellschaft oder
der Herkunftsfamilie zugerechnet wird. Die hohen Anforderungen an die Flexibilität
und Mobilität der Individuen in modernen Wirtschaftsgesellschaften stehen
der Übernahme einer langfristigen Verantwortung für den Lebenspartner
und für Kinder diametral entgegen. Der wirtschaftliche Erfolg unserer Gesellschaft
wird in zunehmendem Maß durch die Instabilität der Familien, den Rückgang
der Geburtenrate und die damit verbundene demographische Alterung der Gesellschaft
erkauft. Die Alterung hat so gravierende Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit
der sozialen Sicherungssysteme und die von ihr abhängige internationale Wettbewerbsfähigkeit
der Wirtschaft, daß die bisher gewohnte ökonomische Prosperität
durch die demographische Entwicklung langfristig gefährdet erscheint.
(Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 80-82). Mit anderen
Worten: Die Wirtschaft gräbt sich ihr eigenes Grab! Selbst Wirtschaft
und Demographie sind wie Wirt
und Parasit
! Über die Vergangenheit ein Lob aussprechen muß auch die
Demographie, denn nur die Vergangenheit macht die Zukunft prognostizierbar. Um
eine hohe Treffsicherheit zu erreichen, muß bei der Festlegung der Annahmen
über die Verhaltensweisen der Menschen in der Zukunft, z.B. über das
Fortpflanzungsverhalten, immer die Entwicklung in der Vergangenheit berücksichtigt
werden. Insofern entsteht der substantielle Gehalt jeder Prognose stets aus einer
Analyse der tatsächlichen Entwicklung in der Vergangenheit. Die Prognoseaussagen
beschreiben zwar etwas prinzipiell Unbekanntes in der Zukunft und scheinen sich
daher von den Aussagen über die Vergangenheit grundlegend zu unterscheiden,
aber dieser Unterschied ist weniger gravierend, als es den Anschein hat, weil
die Prognoseaussagen, soweit sie inhaltlich bedeutsam sind, zur Gänze aus
den substantiellen Prämissen abgeleitet werden, die ihrerseits stets auf
Erkenntnissen über die faktische Entwicklung in der Vergangenheit beruhen.
Wenn die zugrunde gelegten Annahmen zutreffen oder nahe an der Realität liegen,
treffen auch die Prognosen exakt oder mit großer Genauigkeit ein. Die Qualität
einer Prognose ist daher stets identisch mit der Qualität ihrer Annahmen.
Ein Urteil über die künftige demographische Entwicklung sollte deshalb
ein Urteil über die Annahmen einschließen, auf denen die Prognose beruht.
(Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 85-86). Für
die Berechnung der Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwiklung, den Arbeits-
und Wohnungsmarkt, die Umwelt und andere Bereiche sind demographische Vorausberechnungen
unerläßlich. Diese Berechnungen sind die Grundlage für wissenschaftliche
Prognosen, die stets die Form von Wenn-Dann-Sätzen haben. Sie unterscheiden
sich von den als Vorhersagen und Prophetien bezeichneten nichtwissenschaftlichen
Aussagen über die Zukunft dadurch, daß die Bedingungen und Annahmen
explizit angegeben werden, von denen ihr Eintreffen abhängt. Eine nichtwissenschaftliche
Aussage über die Zukunft stellt lediglich fest, was der Fall sein wird, ohne
daß es möglich ist, zu beurteilen, auf Grund welcher Annahmen die Aussage
zustande kam und wie verläßlich sie ist. Alle Bevölkerungsvorausberechnungen
enthalten Annahmen über die künftige Entwicklung der Geburtenrate (gemessen
an der Zahl der Lebendgeborenen pro Frau), der Sterberate (abgestimmt mit den
Annahmen über die Entwicklung der Lebenserwartung) und der Migrationsrate
(Ein- und Auswanderungen bzw. Wanderungssaldo als Differenz zwischen beiden).
Werden mehrere unterschiedliche Annahmen formuliert, um das Intervall der künftigen
Entwicklung abzustecken, indem z.B. alternativ eine hohe, eine mittlere und eine
niedrige Geburtenrate zugrunde gelegt wird, spricht man von «Bevölkerungsprojektionen».
Als «Bevölkerungsprognose» wird eine Vorausberechnung bezeichnet,
bei der aus der Vielzahl möglicher Annahmen diejenige ausgewählt wird,
der man den höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit beimißt. Von einer
bloßen «Modellrechnung» spricht man, wenn die Annahmen beliebig
gesetzt werden, ohne sie nach ihrer Wahrscheinlichkeit zu bewerten. Ein Beispiel
solcher Modellrechnungen sind die ... «probabilistischen Bevölkerungsvorausberechnungen»,
bei denen die Auswahl der Annahmen für die Geburten-, Sterbe- und Migrationsrate
gleichsam blind vorgenommen wird, indem mittels des Computers eine Zufallsstichprobe
aus einem vorgegebenen Intervall für die Geburtenrate, die Sterberate und
die Migrationsrate gezogen wird. Aus Tausenden solcher mit Zufallsstichproben
gezogener Annahmen und den daraus abgeleiteten Bevölkerungsvorausberechnungen
läßt sich das Gesamtergebnis anschließend z.B. als Durchschnitt
ermitteln. Die entsprechenden Ergebnisse sind jedoch für die Politik weniger
relevant und dienen meist nur analytischen Zwecken. Bevölkerungsprognosen
und -projektionen haben sich in den letzten Jahrzehnten als erstaunlich genau
erwiesen. Im Jahr 1958 veröffentlichte z.B. die Bevölkerungsabteilung
der Vereinten Nationen eine Bevölkerungsprojektion für die Weltbevölkerung
bis zum Jahr 2000. Das Ergebnis war 6267 Mio. Zum Vergleich: Im Jahr 1950 betrug
die Weltbevölkerung 2521 Mio.. Die Differenz zwischen der vor mehr als vier
Jahrzehnten vorausberechneten und der tatsächlichen Zahl für 2000 (6,1
Mrd.) beträgt 3,5%. Der eigentliche Prognosefehler ist aber noch niedriger,
denn in den 1980er und 1990er Jahren hat die Bevölkerungsabteilung der UN
die Bevölkerungszahlen für die Entwicklungsländer ohne zuverlässige
demographische Statistiken für die Vergangenheit zurück bis 1950 mehrmals
revidiert. Dabei wurden die Geburtenraten in vielen Entwicklungsländern nach
unten gesetzt. Wäre die 1958 veröffentlichte UN-Projektion schon auf
der Grundlage der später nach unten revidierten Datenbasis erarbeitet worden,
läge die Prognose noch näher an der tatsächlichen Zahl, die Differenz
dürfte dann 2% oder weniger betragen. Auch für einzelne Länder
erwiesen sich die demographischen Vorausberechnungen als relativ zuverlässig.
Für die frühere Bundesrepublik beträgt z.B. die Differenz zwischen
dem auf der Basis der Volkszählung von 1970 für das Jahr 1985 vorausberechneten
Ergebnis und der tatsächlichen Zahl 1,2%. .... Die im Vergleich zu Wirtschaftsprognosen
hohe Treffsicherheit demographischer Vorausberechnungen beruht nicht auf irgendwelchen
besonderen Fähigkeiten der Demographen, mit denen sie sich z.B. von Wirtschaftswissenschaftlern
unterscheiden, zumal die meisten Demographen ohnehin spezialisierte Wirtschaftswissenschaftler
sind, sondern auf der hohen Trägheit der Bevölkerungsentwicklung, die
wiederum dadurch zu erklären ist, daß die beiden wichtigsten demographischen
Prozesse - der die Geburtenzahl bestimmende Fortpflanzungsprozeß und der
die Zahl der Sterbefälle bestimmende Mortalitätsprozeß - in entscheidender
Weise von der gut vorausberechenbaren Altersstruktur abhängen. (Herwig
Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 88-90).
Erklärung des Geburtenrückgangs mit Hilfe der
Gossenschen Gesetze
Geburtenrückgang
und Gossensche Gesetze gemäß Ludwig Josef Brentano (a.a.O., 1909) | Ludwig
Josef Brentano z.B. berief sich in seinem 1909 erschienen Buch auf das 2. Gossensche
Gesetz, das Gesetz vom Grenznutzenausgleich, das damals in der auf der
Grenznutzenanalyse aufbauenden Haushaltstheorie eine entscheidende Rolle spielte
und die Gültigkeit des 1. Gossenschen Gesetzes, des Gesetzes
vom abnehmenden Grenznutzen, voraussetzt, d.h.: wie in der Graphik (rechts) zu
sehen, sinken bei einem bestimmten Einkommen (E0) sowohl die Grenznutzen
des Bedarfs nach Kindern (GNK) als auch der damit konkurrierenden Bedürfnisse
(GNB) bei steigender Kinderzahl (XK) bzw. Menge der anderen
Bedürfnisse (XB). Von beiden Bedürfnissen wird jene Quantität
XK0 bzw. XB0 nachgefragt, bei der
ihre jeweiligen Grenznutzen gleich sind, also: GNK0 = GNB0.
Bei einem höheren Einkommen (E1 > E0) steigt der
Grenznutzen der mit dem Bedürfnis nach Kindern konkurrierenden
Bedürfnisse von GNB0 auf GNB1.
Unter der Annahme, daß der Grenznutzen für das Kinderbedürfnis
unverändert bleibt und keine größere Menge der konkurrierenden
Bedürfnisse nachgefragt wird (XB0 = XB1),
kann jetzt der höhere Grenznutzen der anderen Bedürfnisse mit demjenigen
nach Kindern nur ausgeglichen werden, wenn die Zahl der Kinder sich von XK0
auf XK1 vermindert.Mit zunehmendem Wohlstand
und zunehmender Kultur wächst die Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse der
Menschen, und mit dem Auftreten anderer Bedürfnisse macht sich auch hinsichtlich
der Befriedigung des Geschlechtstriebes das Gossensche Gesetz geltend, wonach
der nach der größten Summe des Wohlgefühls strebende Mensch mit
der Befriedigung eines Bedürfnisses da abbricht, wo ein Fortfahren in seiner
Befriedigung ihm geringeren Genuß bereiten würde, als die Befriedigung
eines anderen Bedürfnisses, auf das er sonst verzichten müßte.
Der Mensch bricht mit der Kindererzeugung da ab, wo die Mehrung der Kinderzahl
ihm geringere Befriedigung schafft, als andere Genüsse des Lebens, die ihm
sonst unzugänglich würden, oder als die Befriedigung, die es ihm gewährt,
daß seine Fr~u nicht dem Siechtum verfällt, daß er keine mit
Krankheit belastete Kinder auf die Welt setzt oder seinen Kindern eine bessere
Ausrüstung für den Kampf ums Dasein zu verschaffen vermag. (Ludwig
Josef Brentano, Die Malthussche Lehre und die Bevölkerungsbewegung der
letzten Dezennien, 1909, S. 606).
Erklärung des Geburtenrückgangs aus dem Investitionskalkül
Ein
in der Wissenschaft wegen seiner mit methodischen Mängeln behafteten Theorien
umstrittener Kollege ist Gunnar Heinsohn, der hier mit seinen Ko-Autoren Rolf
Knieper und Otto Steiger trotzdem zu Wort kommen soll, weil er mit seinen schillernden
Theorien immer wieder für neue Denkanstöße sorgt - trotz seiner
relativen Unwissenschaftlichkeit.Wir machen ... in unserer
Analyse die Voraussetzung von in jedem Falle vorhandenen Kindern nicht. Wir gehen
davon aus, daß Kinder keinen ökonomischen Nutzen haben können,
d.h. daß bereits ein erstes Kind nutzlos und statt dessen Kinderlosigkelt
das ökonomisch Gebotene ist. (Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto
Steiger, Menschenproduktion, 1979, S. 234).In unserer Darstellung
werden Kinder nicht wie ein beliebiges Konsumgut betrachtet, das einen - wie immer
definierten - Nutzen abwirft. Fortpflanzung betrachten wir statt dessen vom ökonomischen
Interesse potentieller Eltern her. Wir behaupten, daß es eine Indifferenzkurve,
in welche Kinder eingehen, nicht gibt. Kinder können sehr wohl ökonomische
Güter sein, fungieren dann aber nicht als Konsum, sondern als Investition.
Wir haben also direkt die Rentabilität der Kinderproduktion darzustellen.
(Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto Steiger, Menschenproduktion, 1979,
S. 234).Zu bestimmen ist also der Kapitalwert
von Kindern für eine bestimmte ökonomische Einheit (Familie als Produktionseinheit,
Lohnarbeiter, Haushalt, Kollektivproduzenten). Der Kapitalwert (V) entspricht
der Differenz zwischen der Summe der abdiskontierten Erträge (E/(1+i)n),
welche die Kinder in späterer Zeit für ihre Erzeuger erbringen, z. B.
Kinderlohn, Altersversicherung, Mitarbeit u.s.w., und der Summe der abdiskontierten
Kosten (C/(1+r)n) für die Kinderproduktion (K). Wir können
für die Zusammenhänge folgende Gleichungen aufstellen:
G0) Erklärung der Fortpflanzung aus dem Investitionskalkül | -
wobei i = Kalkulationszinssatz, r = interner Zinssatz, (der Zinssatz, der realisiert
wird, wenn E = C) und n = Anzahl der ökonomisch interessanten Lebensjahre
der Kinder. Es ist also solange rentabel, Kinder zu zeugen, wie E > C ist,
bzw. r > i, d.h. solange V einen positiven Wert hat. Mit wachsender Kinderzahl
steigen sowohl die Kosten als auch die Erträge. Die Kinderproduktion ist
so lange rentabel, wie die Erträge über den Kosten liegen, d.h. K <
Km (siehe Graphik G0).
Die optimale Kinderzahl ist dort erreicht, wo der Abstand zwischen Erträgen
und Kosten am größten ist, d.h. bei K0. Daß die Erträge
ab einer bestimmten Kinderzahl sinken, hängt mit der Annahme zusammen, daß
Kinder nur dann einen ökonomischen Ertrag bringen wenn sie mit anderen Investitionsgütern
kombiniert werden, die selbst nicht unbegrenzt vermehrbar sind, wie z.B. Grund
und Boden des bäuerlichen Produzenten. Wir sehen also auch in dieser formalen
Betrachtung, daß es notwendig ist, die besonderen ökonomischen Bedingungen
darzustellen. Wir können fünf idealtypische Fälle unterscheiden.(1) | G1)
Fortpflanzung selbständiger Produzenten mit vielen Expansionsmöglichkeiten | Für
den selbständigen Produzenten, wozu traditionell die Bauern ... gehören,
werden ökonomische Notwendigkeit und Expansionsgrenzen zum bestimmenden Faktor
für die Kinderzahl, wo dies in Graphik
G1 am Beispiel der jeweiligen Kapitalwert-, Ertrags- und Kostenfunktionen
eines Kleinbauern (KB) und eines Großbauern (GB) gezeigt wird. Für
einen Bauern, der expandieren kann, ist sowohl die Anzahl der rentablen Kinder
als auch die optimale Kinderzahl größer als für den fest begrenzten
Bauern. Damit ist sogleich gesagt, daß die Bauernstelle so klein sein kann,
daß sie direkte Mitarbeiter gar nicht benötigt, sondern einzig den
späteren Unterhalt gewährleistenden Erben, so daß hier die Kinderzahl
durchaus unter die volle Reproduktion fallen kann, d.h. nach Geburt eines männlichen
Kindes die Fortpflanzung eingestellt wird. Die überwiegend kleinbäuerlichen
Existenzen in Frankreich, wo Bodenteilung nicht einmal mehr die Reproduktion der
Eigentümer garantiert hätte, können als historisches Beispiel für
Geburtenrückgang in einer agrarischen Gesellschaft herangezogen werden. In
dem Augenblick, da die Bauern nur noch eine Minderheit der Gesamtbevölkerung
bilden, die sich in die Altersversicherungssysteme der Produzentenmehrheit der
Lohnabhängigen einkaufen kann, wird selbst der männliche Erbe überflüssig.
Dies erklärt die willentlich kinderlosen Bauern in den hochentwickelten Ländern
der Gegenwart. | (2) | G2)
Fortpflanzung der Lohnarbeiter bis zum Ende der Kinderarbeit | Für
Lohnarbeiter, die es als freie Bürger massenhaft erst in der Neuzeit
gibt, gilt - systematisch gesprochen ebenso wie für Sklaven oder Gesinde
-, daß Ertrag aus Kindern nicht gewonnen werden kann. Lediglich in der Epoche
der Kinderarbeit, die etwa ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts (in
Deutschland schon eher, z.B. in Preußen ab 1839 [Preußisches Regulativ]!
HB) wegen der Verwahrlosung des Nachwuchses in Europa unterbunden
wird, bietet sich die Möglichkeit, durch Kinderlohn Aufzuchtskosten zu kompensieren,
ohne daß Kinderhaben allerdings rentabel wird, da der Betrag der Kinder
zur Alterssicherung höchst unsicher ist. Zum elterlichen Kalkül der
Kostensenkung wird der Kinderlohn jedoch erst dadurch, daß mit Hilfe der
... Gewaltmaßnahmen die Lohnarbeiterfamilie in der Neuzeit staatlich geschaffen
wurde. Dieses Kalkülläßt sich ... graphisch darstellen (siehe
Graphik G2). Die Kinderzahl liegt
also stets an der Rentabilitätsgrenze; es läßt sich keine optimale
Kinderzahl bestimmen. Es wird aber auch deutlich, daß durch die bekannten
Gesetze nach Abschluß der Hexenverfolgungen die hohen Kinderzahlen der Arbeiterschaft
leichter abgepreßt werden konnten, solange die Kinder nach dem fünften
oder sechsten Jahr erwerbstätig wurden, d.h. ihre Kosten bis dahin wieder
einbrachten. | (3) | G3)
Fortpflanzung der Lohnarbeiter seit dem Kinderarbeitsverbot | Nach
dem Verbot der Kinderarbeit und der Beschränkung von Frauenarbeit
ist die Fortpflanzung des Arbeiters nur noch mit Unkosten verbunden - die Alterssicherung
muß kollektiv erspart werden, da sie von den eigenen Kindern nicht garantiert
werden kann. Schon das erste Kind verursacht nun lediglich Unkosten. Graphisch
läßt sich zeigen, daß der Kapitalwert von Kindern immer negativ
ist. Zu den Kosten für die Kinder sind jetzt noch Kosten für entgangenes
Einkommen hinzuzufügen, was zu einer Verschiebung der Kostenkurve nach oben
(und einer zusätzlichen Verschiebung der Kapitalwertkurve nach unten) führen
muß (siehe Graphik G3). | (4) | In
den entwickelten Gesellschaften mit fortgeschrittener Verallgemeinerung der
Lohnarbeit existieren Angebote an die Frauen, welche die Mutterschaft selbst
zur Einkommensquelle für sie machen sollen. Je höher dieses Unterhaltsangebot
für Mutterschaft an dem für die einzelne Frau real zu erwartenden Einkommen
in der Lohnarbeit liegt, desto interessanter wird es für sie, die Mutterschaft
zur Einkommensquelle zu machen. Die Angebote kommen noch überwiegend von
männlichen Privatpersonen, doch auch der Staat erprobt Mutterschaftsentlohnung
und bietet ungefähr eine Summe um 1000 DM pro Monat für eine Frau mit
einem Kind. Für die in diesem Nettoverdienstbereich rangierenden Frauen ergibt
sich der Vorteil, nicht in die sexuelle Loyalität an einen einzigen Mann
gebunden zu sein. Allerdings ist das Schicksal der Lohnarbeit so nur zeitlich
begrenzt durchbrechbar. Für beide Unterhaltsangebote - also aus sexuell-emotionalen
oder direkt bevölkerungspolitischen Motiven - gilt aber, daß die Wahrscheinlichkeit
eines Kindes - Verhütungsfähigkeit unterstellt - um so größer
wird, je näher das Angebot an die Summe aus Kinderkosten plus entgangenem
Einkommen heranrückt. Gesamtgesellschaftlich betrachtet würden demzufolge
die Geburtenzahlen in dem Maße steigen, wie das staatliche Unterhaltsangebot
an die höchsten Frauenlöhne plus Kinderkosten heranreicht. Sollte wiederum
tendenziell jede Frau sich voll reproduzieren, also mindestens zwei Kinder haben,
so ließen sich dafür bei einem durchschnittlichen Geburtsabstand von
drei bis vier Jahren etwa 10 Jahre entgangener Arbeitslohnbis zur Schulpflicht
beider Kinder plus Kindeskosten von ca. 18 bis 27 Jahren kalkulieren - bis zu
deren Mündigkeit bzw. Ausbildungsende -, so daß sich pro Kind etwa
140000 DM staatlicher Kostenerstattung ohne staatliche Erziehungskosten errechnete,
für zwei Kinder also 280000 DM plus 10 Jahre entgangenes Einkommen von ca.
120000 DM, was staatliche Kosten von insgesamt 400000 DM pro Frau ergäben.
Um die zuletzt ca. 600000 Neugeborenen wieder zu »ersetzen«, müßten
für 300000 Frauen jährlich diese Beträge veranschlagt werden. Das
bedeutete bei Versorgung voller 23 Jahrgänge jährliche Kosten von 120
Milliarden DM. Die Summe ist freilich noch höher anzusetzen, da das auszugleichende
Fraueneinkommen hundertprozentig nur dann bevölkerungspolitisch wirksam würde,
wenn nicht das weibliche Durchschnittseinkommen, sondern die oberen Einkommensgrenzen
für Frauen die Bemessungsgrundlage bildeten. So gewaltig diese Summen auch
anmuten mögen, bilden sie doch mehr als nur eine Gedankenspielerei. Da auch
in Zukunft ein ausreichendes Angebot an Arbeitsplätzen für Frauen und
Männer, das obendrein attraktiver als Kindererziehung ist, nicht erwartet
werden kann, vielmehr die Rationalisierung die Arbeitslosen - etwa für die
Bundsrepublik Deutschland - zu einem beträchtlichen Millionenheer anschwellen
lassen wird und dieses dann zu unterhalten ist, könnte dem Staat durchaus
einfallen, die Arbeitslosen in bezahlte Eltern zu verwandeln und so Geburtenrückgang
und ihm nicht genehme soziale Unruhen mit derselben Waffe zu bekämpfen. Er
könnte dies sogar in liberaler Manier besorgen, indem ein lebenslanger Versorgungsanspruch
für Frauen angeboten wird, welchen diese gleichwohl abtreten können,
um selbst statt eines Mannes in die Konkurrenz der Lohnarbeit zu treten. Es würde
sich also nicht um gewöhnliche polizeystaatliche Maßnahmen zur Menschenproduktion
handeln, sondern um das Kalkulieren auf das Interesse von Frauen, die nicht in
die Lohnarbeit und nicht an einen männlichen Versorger gebunden sein wollen.
Eine große Schwierigkeit besteht aber in dem vom Geldangebot ganz unabhängigen
Problem der Zuwendung für die geborenen Kinder. Ihre existentielle Frage
nach den Gründen, warum sie denn in der Welt sind, wie sie also der ihnen
gegenüber jetzt schon vorherrschenden Gleichgültigkeit entkommen können,
ist trotz aller staatlicher Bemühungen bisher ohne zureichende Ant wort geblieben. | (5) | Die
einzige uns bekannte ... Gesellschaft, die ebenfalls keine traditionelle Familienstruktur
mehr aufweist, aber ihre Industrie und Landwirtschaft statt durch Lohnarbeit durch
gleichberechtigte Genossen mit identischen Einkünften betreibt, ist der israelsiche
Kibbutz. .... | Der Kapitalwert von Kindern im
Kibbutz gleicht ... dem für die traditionellen Bauern (vgl. Graphik
G1) .... Allerdings ... kann auch der Kibbutz nicht als allgemeine Problemlösung
für die Menschenproduktion in einer technisch hochentwickelten Gesellschaft
gelten. (Gunnar Heinsohn / Rolf Knieper / Otto Steiger, Menschenproduktion,
1979, S. 234-244). Heinsohn, Knieper und Steiger geben aber auch nicht wenig Anlaß
zur Kritik
bzw. Skepsis!
Notwendige demographische Vorüberlegungen zur Erforschung wirtschaftlicher
Auswirkungen
 | | b
= Eltern(generation)-Unterstützung (in Geldeinheiten pro Kopf) a
= Kinder(generation)-Unterstützung (in Geldeinheiten pro Kopf) | Die
demographisch Entwicklung ist für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die
Politik so bedeutend, daß sie auch im übergeordneten Sinne, z.B. kulturell,
also im Rahmen der gesamten Kulturgeschichte zu berücksichtigen ist. Hier
auf dieser Seite betrachten wir lediglich einen der für die Wirtschaft besonders
wichtigen prinzpiellen Bereiche bzw. Probleme. Was ist das wichtigste prinzipielle
Problem? Auf diese Frage läßt sich eine klare Antwort geben.
Um sie zu begründen, muß auf ein Ergebnis der theoretischen Demographie
eingegangen werden, das sich mit den Mitteln der Schulmathematik ableiten läßt.
Es läßt sich mathematisch beweisen, daß unter den unzähligen
denkbaren demographischen Entwicklungsverläufen eine Variante mit besonderen
Eigenschaften existiert, die für eine Beurteilung der Auswirkungen aus ökonomischer
Sicht besonders wichtig ist. Bei dieser Variante ist die Summe aus den ökonomischen
Belastungen der mittleren Generation durch die Unterstützung der noch nicht
erwerbstätigen Kindergeneration und durch die Leistungen für die nicht
mehr erwerbstätige, ältere Generation am geringsten. Der
mathematische Beweis stützt sich auf ein Drei-Generationen-Modell, das für
alle Gesellschaften relevant ist, unabhängig davon, wie sie politisch und
rechtlich verfaßt sind. Die Voraussetzungen des Modells sind einfach: Die
mittlere Generation leistet Unterstützungszahlungen an die Generation ihrer
Kinder in Höhe von a Geldeinheiten pro
Kopf der Kindergeneration sowie Unterstützungszahlungen in Höhe von
b Geldeinheiten pro Kopf ihrer Elterngeneration.
Umgekehrt empfängt die Generation während ihrer Jugendphase Unterstützungszahlungen
von ihrer Elterngeneration und während ihrer Altersphase von ihrer Kindergeneration.
Diese Drei-Generationen-Verflechtung, die sich als Drei-Generationen-Vertrag interpretieren
läßt, soll für jede Generation gelten. Dann läßt sich
folgendes Ergebnis ableiten: Der Quotient aus den von einer Generation geleisteten
zu den von ihr empfangenen Unterstützungszahlungen, für den ich den
Begriff «intergenerationaler Transferquotient» vorgeschlagen habe,
ist dann am geringsten, wenn so viele Kinder geboren werden, daß die sogenannte
Nettoreproduktionsrate gleich der Wurzel des Quotienten aus b
und a ist. Dabei läßt sich der Begriff
der Nettoreproduktionsrate in Gesellschaften mit niedriger Sterblichkeit, insbesondere
in Deutschland, auf einfache Weise aus der Geburtenzahl pro Frau herleiten, er
ist als Zahl der weiblichen Nachkommen pro Frau definiert, entspricht also etwa
der Hälfte der Geburtenzahl pro Frau:
 | Für
den Sonderfall, daß die Unterstützungszahlen pro Kopf der älteren
und der jüngeren Generation gleich sind, hat die Nettoreproduktionsrate,
die den Transferquotienten minimiert, den Wert 1, d.h die demographischen Belastungen
sind in diesem Fall genau dann minimal, wenn pro Frau zwei Kinqer geboren werden.
Da sich auch aus Befragungen immer wieder ergibt, daß in der Bevölkerung
zwei Kinder als ideal gelten, stimmt das Ergebnis der mathematischen Analyse mit
den subjektiven Vorstellungen über die ideale Kinderzahl überein. Diese
Übereinstimmung hat eine große politische Bedeutung, denn sie führt
zu der Frage, warum der demographische Zustand der modernen Wirtschaftsdemokratien
so stark vom mathematischen Optimum und von den Idealvorstellungen der Gesellschaftsmitglieder
abweicht, deren große Mehrheit eine Kinderzahl von zwei für ideal hält
? Man sollte also erwarten, daß wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftliche
Analysen über die Auswirkungen der demographischen Entwicklung nicht nur
die faktische demographische Veränderung in der Vergangenheit bzw. die prognostizierte,
wahrscheinliche Entwicklung in der Zukunft zum Gegenstand haben, sondern auch
die Frage einbeziehen, wie weit und warum die faktische bzw. die prognostizierte
Entwicklung und die oben definierte «optimale» Entwicklung voneinander
abweichen, um über Maßnahmen nachzusinnen, mit denen sich die absehbare
Entwicklung so weit wie möglich an die optimale annähern läßt.
Daß diese Frage bisher fast vollständig aus den Auswirkungsanalysen
ausgeklammert wurde, liegt an der verständlichen Scheu vor ihren weitreichenden
politischen Folgen. Eine Bevölkerungspolitik, die eine Nettoreproduktionsrate
von 1,0 anstrebt, wird von keiner im Deutschen Bundestag vertretenen Partei vorgeschlagen.
.... Die Scheu vor dieser Thematik ist nicht nur in der Politik, sondern auch
in der Wissenschaft verbreitet. Aber wenn die Frage nach der optimalen Entwicklung
mit mehr oder weniger guten oder auch fragwürdigen Gründen aus der politischen
Diskussion ausgeklammert wird, rechtfertigt das nicht, sie auch in den wissenschaftlichen
Analysen zu vernachläsigen. Trotzdem wird gerade in der Wissenschaft der
wachstumsdämpfende Effekt einer niedrigen Geburtenrate häufig mit dem
Hinweis darauf verharmlost, daß schon eine jähriche Wachstumsrate des
realen Bruttoinlandsprodukts von z.B. 1,7% ausreichen würde, um das heutige
Volkseinkommen bis zum Jahr 2040 real - also nach Abzug von Preissteigerungen
- zu verdoppeln. Damit soll ausgedrückt werden, daß die Leistungsfähigkeit
moderner Volkswirtschaften so groß ist, daß die demographisch bedingten
Wachstumseinbußen nicht ins Gewicht fallen. Die Aussage, daß sich
das Volkseinkommen schon bei einer mäßigen Wachstumsrate von 1,7% pro
Jahr bis 2040 verdoppelt, ist zwar mathematisch richtig, aber sie bleibt unvollständig,
wenn nicht mit betrachtet wird, welches Wachstum mit einer höheren Geburtenrate
verbunden wäre. Hält man bei einer demographischen Entwicklung mit höherer
Geburtenrate, wie sie z.B. in den USA mit rd. zwei Kindern pro Frau vorliegt,
eine Wachstumsrate des Volkseinkommens von z.B. 2,5% für möglich und
bei niedrigerer Geburtenrate nur eine mäßigere von z.B. 1,7%, so stehen
die Niveaus der beiden Volkseinkommen nach 40 Jahren, also z.B. vom Jahr 2000
aus betrachtet im Jahr 2040, zueinander im Verhältnis von 270 zu 200, wobei
das anfängliche Volkseinkommen gleich 100 gesetzt ist. Es ergibt sich also
ein beträchtlicher Unterschied, der klar für eine positive demographische
Entwicklung als Faktor des Wirtschaftswachstums spricht oder - vorsichtiger formuliert
- zu sprechen scheint, denn die Rechnung läßt sich auch anders aufmachen
und führt dann zu einem gänzlich anderen Resultat, was sich an Hand
des gleichen Beispiels zeigen läßt. Das eindeutig scheinende Ergebnis
des Sozialproduktvergleichs erweist sich als zweifelhaft, wenn man als Vergleichsmaßstab
das Pro-Kopf-Einkommen statt des Volkseinkommens wählt. Die Wachstumsrate
des Pro-Kopf-Einkommens läßt sich mathematisch als Differenz aus den
Wachstumsraten des Volkseinkommens und der Bevölkerungszahl berechnen ( ).
Wendet man diese Erkenntnis an, indem man in dem obigen Beispiel unterstellt,
daß die Bevölkerung bei hoher Geburtenrate z.B. um 0,7% p.a. wächst
und bei niedriger um 0,7% p.a. schrumpft, kehrt sich das Ergebnis um: Das Pro-Kopf-Einkommen
nimmt dann im Fall der ungünstigen demographischen Entwicklung mit einer
jährlichen Wachstumsrate von 2,4% zu (= 1,7 -(-0,7)) und im Fall der günstigen
demographischen Entwicklung nur mit 1,8% (= 2,5-0,7). Die Bevölkerungsschrumpfung
ist also für das Pro-Kopf-Einkommen günstiger als das Bevölkerungswachstum,
d.h. das Ergebnis der vorstehenden Betrachtung verkehrt sich ins Gegenteil. Die
beiden Beispiele zeigen, wie wichtig es für die Auswirkungsforschung ist,
die prinzipielle Frage nach dem geeigneten Vergleichsmaßstab zu klären,
bevor Empfehlungen für die Politik abgegeben werden. Diese naheliegende Einsicht
wird jedoch allzu oft vernachlässigt. Dabei ist die Maximierung des Pro-Kopf-Einkommens
nur aus kurzfristiger Sicht ein so plausibles Ziel, um über andere Ziele
nicht weiter nachzudenken. Denn langfristig hat die Geburtenrate stets gegenläufig
auf eine Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens reagiert: Wie oben bereits dargestellt,
ist dieses Demo-ökonomische
Paradoxon sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern
zu beobachten, und es wird in der Zukunft ebenso wie in der Vergangenheit wirksam
bleiben, weil die kausalen Ursachen des generativen Verhaltens weiterwirken, so
daß mit permanenten Bevölkerungsschrumpfung zu rechnen ist, wenn man
die Maximierung des Pro-Kopf-Einkommens als langfristiges Ziel verfolgt - eine
in sich widersprüchliche Strategie, weil ein hohes Pro-Kopf-Einkommen ohne
Köpfe sinnlos wäre. (Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende,
2001, S. 160-164).Je höher das Pro-Kopf-Einkommen in
einem Land ist, desto größer ist unter sonst gleichen Umständen
- diese Bedingung gilt unausgesprochen immer - das entgangene Lebenseinkommen,
wenn eine Frau auf ein eigenen Einkommen durch Erwerbsarbeit verzichtet, um Kinder
großzuziehen. Wir bezeichnen diese nur in der Vorstellung existierende entgangene
Einkommen als ökonomische Opportunitätskosten, wobei der Begriff
»Kosten« im Sinne von »unter anderen Bedingungen möglich
erscheinendes Einkommen« verwendet wird, also nicht i.S. von realen Ausgaben
verstanden werden darf. An diesem Punkt beziehen wir die neuere Entwicklung der
bevölkerungswissenschaftlichen Theorie mit ein, die den bisher ausschließlich
im ökonomischen Sinn gebrauchten Begriff der Opportunitätskosten durch
die biographischen Opportunitätskosten erweitert: ... die nur in der
Vorstellung der Individuen existierenden, theoretisch möglichen Lebenswege
und Lebensinhalte ..., die im Spektrum der biographischen Möglichkeiten nicht
mehr enthalten sind, wenn bestimmte Lebenslaufalternativen durch langfristige
Festlegungen in Form von Partnerbindungen oder Kindern aus dem biographischen
Universum des einzelnen ausscheiden. Die ausgeschiedenen Alternativen bilden die
biographischen Opportunitätskosten. (Herwig Birg, Die Weltbevölkerung
- Dynamik und Gefahren, 1996, S. 75-76). Die Opportunitätskosten und
deren Rückkoppelung auf das Pro-Kopf-Einkommen dürfen nicht unterschätzt
werden, schon gar nicht darf ihr Wechselzusammenhang nicht ausgeklammert werden
( ),
doch gerade das tun z.B. die Poltitiker wegen ihrer Arbeitsteilung und Aufsplitterung
(angeblich: Spezialisierung) zwischen den Ressorts und
z.B. die Wissenschaftler wegen ihrer mangelnden Kommunikation zwischen
den Disziplinen. Sie wissen es einfach nicht!Die biographische
Fertilitätstheorie besagt, daß die Vielheit biographischer Entwicklungsmöglichkeiten
im langfristigen Trend zunimmt und damit die biographischen Opportunitätskosten
und Festlegungsrisiken steigen. Das hat zur Folge, daß langfristige Festlegungen
aufgeschoben oder ganz vermieden werden. Die durchschnittliche Geburtenzahl pro
Frau sinkt, weil der Anteil der lebenslang kinderlosen Frauen zunimmt und die Häufigkeit
der Familien mit drei oder mehr Kindern abnimmt. Dabei ist wichtig, daß
die biographischen Opportunitätskosten gerade in der Anfangsphase der beruflichen
Entwicklung, also in dem für die Familiengründung wichtigen Altersbereich
von 20 bis 30 Jahren, größer sind als in höherem Alter und von
Jahrgang zu Jahrgang weiter zunehmen, so daß sich der Konflikt zwischen
der beruflichen und der familialen Entwicklung der Frauen von Jahrgang zu Jahrgang
verschärft. .... Der Wandel des generativen Verhaltens ist das ungeplante,
ungewollte und unvermeidliche Ergebnis des sozio-ökonomischen Entwicklungsprozesses.
Je weiter ein Land in seiner Entwicklung fortgeschritten ist, desto stärker
wirken sich die ... kollektiv finanzierten wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen
wie die Alters- und Krankenversicherung und die Arbeitslosenversicherung (neuerdings
auch die Pflegeversicherung) als zusätzlicher Faktor zu den biographisch-inndividuellen
Faktoren aus. Im Ergebnis weicht dann die Geburtenrate um so mehr von dem für
die Bestandserhaltung der Bevölkerung erforderlichen Niveau ab, je größer
der individuelle Wohlstand und die kollektive Wohlfahrt sind. (Herwig Birg,
Die Weltbevölkerung - Dynamik und Gefahren, 1996, S. 76-77). Merke
also, daß der in Medien und Politik überbewertete Wertewandel
nicht die kausale Ursache für den demographischen Wandel ist,
sondern umgekehrt: der Wertewandel wird verursacht vom demographischen Wandel,
und zwar in Abhängikeit vom Kulturwandel.  Umbau
der Gesellschaft (?!). In den Industrieländern, auf die es demographisch
gesehen in Zukunft immer weniger ankommt, ist eine demographische Stabilitätspolitik
noch nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Die Förderung der Familienbildung
mit fiskalischen und anderen staatlichen Instrumenten müßte entscheidend
verbessert werden, aber Erfahrungen ... zeigen, daß die Wirksamkeit der
Instrumente der Familienpolitik allein nicht ausreicht, um die Geburtenrate auf
rd. 2 Kinder je Frau zu erhöhen. Was nötig wäre, ist ein vollständiger
Umbau der gesammten Gesellschaft. Wie aber soll diese gigantische Aufgabe je durchgeführt
werden, so lange es üblich ist, Geburtendefizite einfach durch Wanderungen
zu kompensieren oder sogar überzukompensieren? (Herwig Birg,
Die Weltbevölkerung - Dynamik und Gefahren, 1996, S. 80). Birg hält
es - wie übrigens alle anderen Demographen - für völlig absurd,
die sich aus der Bevölkerungsschrumpfung ergebenden Probleme durch Einwanderung
mildern zu wollen. Durch die Einwanderung werden diese Probleme nur noch viel
größer.     Auch
die Einwanderung Jüngerer in einer integrierbaren Größenordnung
reicht als Ersatzmaßname nicht aus, zumal die Eingewanderten meist keine
ausreichenden Schulabschlüsse haben und häufig erwerbslos sind.
(Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 183). Die
Einwanderung bringt nur Nachteile, besonders auch z.B. für den Standort,
denn die Einwanderung benachteiligt die Qualität, die Bildung. Und weil Qualität
primär durch Bildung bestimmt wird, die es zu fördern oder zumindest
zu halten gilt, die aber die Einwanderer nicht haben und die durch die - trotzdem
(!) - erfolgende Einwanderung zusätzlich belastet wird, sinkt auch noch das
(einst sehr hohe) Bildungsniveau der Einheimischen, denn sie müssen wegen
ihrer Pflicht zur Solidarität Rücksicht auf das (sehr niedrige) Bildungsniveau
der Einwanderer nehmen und schon allein deshalb bereit sein, ihnen auch hier zu
begegnen - dieses Wort für Christen, Marxisten und andere Internationalsozialisten
(Internazis) mit ihrer Multi-Kulti-Propaganda -, d.h. freiwillig (Zyniker sagen:
aus Liebe) zu verdummen, zu verblöden. Es gibt nur sehr, sehr
wenige qualifizierte Einwanderer, und diese sehr, sehr wenigen qualifizierten
Einwanderer gehen jedoch zumeist in die angelächsischen Länder, denn
in allen Industrieländern (es gibt wirklich keine einzige Ausnahme!) herrscht
der Bevölkerungsrückgang. Alle wollen Qualifizierte, Gebidete (Ausgebildete,
nicht Eingebildete), und die sind eben sehr knapp.   Mag
sein, daß sich die Menge wissenschaftlicher Kenntnisse in der Informationsgesellschaft
etwa alle 4 bis 5 Jahre verdoppelt, also bei Fortsetzung der heutigen Wachstumsraten
der Wissenszunahme bis zum Jahr 2040 um den Faktor 256 (!) zunimmt, so daß
es auf die Zahl der Arbeitskräfte kaum noch ankommt. Was nützt aber
das Wissen, wenn es nicht in die Köpfe der Arbeitskräfte gelangt?
In Deutschland verläßt ein Fünftel bis ein Viertel der Zugewanderten
und ihrer Nachkommen das Ausbildungssystem ohne jeden Abschluß!
(Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 167). Und dies betrifft
auch nur diejenigen Ausländer, die eine Ausbildung machen, denn die weitaus
meisten Ausländer beginnen ja noch nicht einmal mit einer Ausbildung!   Obwohl
die Ledigen und die Ehepaare ohne Kinder über ein Vielfaches an Einkommen
gegenüber den Familien mit Kindern verfügen (vgl. Tabelle),
hat der zunehmende Anteil der Kinderlosen zu einer Verringerung statt zu einer
Erhöhung der volkswirtschaftlichen Sparquote geführt. (Extrem
kriminelle Kinderfeindlichkeit! HB*).
Die durch den Geburtenrückgang verringerten Ausgaben für Kinder wurden
nicht für Ersparnisse, sondern für den Konsum verwendet. Das Deutsche
Institut für Altersvorsorge hat diesen Effekt bei der Berechnung der gesamtwirtschaftlichen
Sparquote berücksichtigt und festgestellt, daß die Sparquote seit Beginn
der 1970er Jahre parallel zum Geburtenrückgang stark abnahm. »Nach
Abzug (der für Kinder eingesparten Kosten; Einschub:
Herwig Birg) ergibt sich für das Jahr 1998 eine ... Gesamtsparquote
von nur noch 6%, während die reine Finanzsparquote einen Wert von 10% angibt
... Dieser Rückgang der gesamten Sparquote blieb über ... 30 Jahre hinweg
ohne Konsequenzen, weil die positiven Rahmenbedingungen der Umlagerente den direkten
Zusammenhang zwischen Kindern und individueller Altersvorsorge vernebelten und
eine ständige Verscheibung der intergenerationalen Lastenverteilung erlaubten.
Dies wird für eine breite Öffentlichkeit erst jetzt mit einer erheblichen
zeitlichen Verzögerung spürbar.« (Deutsches
Institut für Altersvorsorge [Hrsg.], Vermögensbildung unter neuen
Rahmenbedingungen, 2000, S. 27). - Dem ist nichts hinzuzufügen.
Man darf gespannt sein, wie lange es noch dauert, bis die Politik eingesteht,
daß die von ihr genährten Illusionen haltlos sind und zugibt, daß
sie der Bevölkerung etwas vorgemacht hat. Für Menschen gibt es keinen
Ersatz. (Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 178-181).
Vorausberechnung
des Jugend- und Altenquotienten von 1998 bis 2100 | | Jugendquotient (Unter-20-Jährige
auf 100 20-bis-60-Jährige) | Altenquotient (Über-60-Jährige
auf 100 20-bis-60-Jährige) | Gesamtquotient* (Unterstützungsquotient) | 1998 | 0,380
<=> 38,0% | 0,386 <=> 38,6% | 0,766
<=> 76,6% | 2000 | 0,381
<=> 38,1% | 0,428 <=> 42,8% | 0,809
<=> 80,9% | 2010 | 0,332
<=> 33,2% | 0,483 <=> 48,3% | 0,815
<=> 81,5% | 2020 | 0,313
<=> 31,3% | 0,599 <=> 59,9% | 0,912
<=> 91,2% | 2030 | 0,331
<=> 33,1% | 0,813 <=> 81,3% | 1,114
<=> 114,4% | 2040 | 0,321
<=> 32,1% | 0,859 <=> 85,9% | 1,180
<=> 118,0% | 2050 | 0,319
<=> 31,9% | 0,914 <=> 91,4% | 1,233
<=> 123,3% | 2060 | 0,327
<=> 32,7% | 0,926 <=> 92,6% | 1,253
<=> 125,3% | 2070 | 0,331
<=> 33,1% | 0,930 <=> 93,0% | 1,261
<=> 126,1% | 2080 | 0,332
<=> 33,2% | 0,922 <=> 92,2% | 1,254
<=> 125,4% | 2090 | 0,340
<=> 34,0% | 0,909 <=> 90,9% | 1,249
<=> 124,9% | 2100 | 0,345
<=> 34,5% | 0,887 <=> 88,7% | 1,232
<=> 123,2% |
*
Unterstützungsquotient = Summe aus Jugendquotient und Altenquotient = Die-unter-20-und-über-60-Jährigen
auf 100 20-bis-60-Jährige. Frei
verfügbares Einkommen von Haushalten mit und ohne Kinder | Einkommen
/ Abzüge | Ledig ohne Kinder | Ehepaar
ohne Kinder | Ehepaar mit 1 Kind | Ehepar
mit 2 Kindern | Ehepaar mit 3 Kindern | Brutto | 60000 | 60000 | 60000 | 60000 | 60000 | Lohnsteuer | 12255 |
5840 | 5840 |
5840 | 5840 | Solidaritätszuschlag* |
674 | 321 |
49 |
0 | 0 | Kirchensteuer |
1103 | 525 |
352 | 184 |
25 | Sozialversicherung AN* | 12580 | 12580 | 12580 | 12580 | 12580 | Kindergeld |
0 |
0 | 3000 |
6000 | 9600 | Netto | 33388 | 40734 | 44179 | 47396 | 51155 | Offizielles
Existenzminimum* für
Erwachsene (je 13067 DM) | 13067 | 26135 | 26135 | 26135 | 26135 | Offizielles
Existenzminimum* für
Kinder (je 6912 DM) |
0 | 0 |
6912 | 13824 | 20736 | Gesamt | 13067 | 26135 | 26135 | 26135 | 26135 | Frei
verfügbares Einkommen | 20321 für 1 Person
! | 14599 für 2 Personen! | 11132 für
3 Personen! | 7437 für 4 Personen ! |
4284 für 5 Personen! |
Quelle:
Jürgen Borchert, Arme Kinderreiche! Nur eine Reform des Steuer- und Beitragssystems
kann die Familienarmut beseitigen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Nr. 243, 19. Oktober 1999, S. 9. Die Konsequenz ist, daß
die auf dem Umlageverfahren beruhende Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) reformiert
werden muß. Um sowohl eine übermäßige Erhöhung des
Beitragsatzes als auch eine untragbare Verringerung des Rentenniveaus zu vermeiden,
sollte eine zusätzliche, auf Eigenvorsorge durch private Ersparnis beruhende
Altersvorsorge eingeführt werden, die von der demographischen Alterung wesentlich
unabhängier ist als das Umlageverfahren der Gesetzlichen Rentenversicherung.
(Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende, 2001, S. 183). Die deutsche
Rentenversicherung wurde ja von Bismarck
für eine damals junge Alterstruktur konzipiert. Der danach erst begonnene
Rückgang der Geburtenrate in Deutschland wird, so Herwig Birg, im 21. Jahrhundert
das Verhältnis der älteren Bevölkerung zur Zahl der Erwerbsbevölkerung
etwa um den Faktor 2,4 erhöhen. (Vgl. ebd., S. 183). Wenn Bismarck heute
noch leben würde, hätte er dieses Problem längst gelöst. Dann
hätten wir längst, nämlich seit 1970/'71, die für eine alte
Alterstruktur konzpierte deutsche Rentenversicherung.
Es geht auch oder vor allem um die Erhaltung des Gesamtvolumens des Humankapitals
(   ).
Wir müssen uns das jetzt wie eine Humankapitalrechnung vorstellen, das ist
genauso wie beim Sachkapital. Wenn ich hier gleich eine Anmerkung machen darf:
Schätzungen zeigen, daß das Humankapital für die Zukunft der Wirtschaft
genauso wichtig ist wie das Sachkapital. Beides ist in der Bundesrepublik etwa
gleich groß. Aber vom Humankapital spricht eben keiner. Wenn dieses Humankapital
schrumpft, und es schrumpft insofern, als zunehmend weniger Kinder geboren werden,
als das für die Ersetzung der erwerbstätigen Bevölkerung notwenig
wäre, dann ist das wie eine Desinvestition zu behandeln. .... Ich glaube,
wir müssen erst irgendeine Katastrophe erleben, bevor sich in Deutschland
etwas bewegt. .... Wir müssen uns nämlich klar machen, daß es
eigentlich nur zwei Formen gibt, für die Zukunft vorzusorgen: entweder man
zieht Kinder groß oder man investiert wirtschaftlich. In beiderlei Hinsicht
hat Deutschland in den letzten 35 Jahren weniger getan als die meisten anderen
Länder. Man kann z.B. die Schätzung aufstellen, daß die Geburtenausfälle,
die wir zwischen 1972 und 2000 hatten, ein Humanvermögen ( )
von ungefähr 2,5 Billionen Euro ausmachen, die nicht investiert worden sind.
( ).
Man muß dabei sehen, daß das gesamte Sachvermögen in der Bundesrepublik
irgendwo in der Gegend von 10 Billionen Euro liegen dürfte. (Franz-Xaver
Kaufmann im Gespräch mit Eberhard Büssem, Alpha Forum, 11.04.2006).
Der
von den Familien mit der quantitativen und qualitativen Nachwuchssicherung erbrachte
elementare Beitrag zur Humanvermögensbildung in unserer Gesellschaft
ist schon im Fünften Familienbericht der Bundesregierung ... unter dem Titel
»Familien und Familienpolitik im geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens«
(1993) sehr eindrucksvoll herausgearbeitet worden, wird freilich nur allzu oft
immer noch verkannt. Vor nicht allzu langer Zeit ist dieser Beitrag der Familien
von der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft für internationalen Dialog vorgelegten
Studie (Wieviel Bildung brauchen wir? Humankapital
in Deutschland und seine Erträge. Ein Forum der Deutschen Bank.
April 2000) nochmals nachdrücklich in das richtige Licht gerückt
worden. Humankapital | | Sachkapital |
12 400 000 000 000 € | | 7
500 000 000 000 € | Nach den Ergebnissen dieser
Studie hat das in Deutschland im Jahre 2000 ansässige Humankapital mit 12,4
Bill. Euro einen deutlich höheren Wert als das installierte Sachkapital (7,5
Bill. Euro); was aber nun besonders hervorhebenswert erscheint, ist die Tatsache,
daß der größte Anteil disese Humankapitals in der Volkswirtschaft
mit 42% auf das Konto der Elternerziehung geht. Sie steht am Anfang und dient
bis zum Lebensende als Grundstock. (Max Wingen, Die Geburtenkrise
ist überwindbar - Wider die Anreize zum Verzicht auf Nachkommenschaft,
2004, S. 22).
Korrelation von Intelligenz, Wohlstand, Fruchtbarkeit
Wissenschaftler
behaupten eine Korrelation zwischen dem durchschnittlichen Intelligenzquotient
(IQ) einer Bevölkerung (z.B. eines Landes), ihrem Wohlstand (BSP
als Indikator für Wirtschaftswachstum) und ihrer zusammengefaßten Fertilitätsrate
(TFR).
Sie errechnteten z.B. auf Basis von Daten aus 81 Ländern eine Korrelation
von 0,82 zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes und dem durchschnittlichen
IQ der Bevölkerung und eine Korrelation von 0,64 zwischen dem Wirtschaftswachstum
und dem IQ. Sie äußern die Vermutung, der durchschnittliche IQ der
Bevölkerung beruhe sowohl auf genetischen als auch Umweltfaktoren. So könne
einerseits ein niedriger durchschnittlicher IQ ein niedriges Bruttoszialprodukt
bewirken, als auch umgekehrt ein niedriges Bruttoszialprodukt einen niedrigen
durchschnittlichen IQ. .... | Das
demographisch-ökonomische
Paradoxon behauptet einen weltweiten negativen Zusammenhang zwischen der ökonomischen
Leistungsfähigkeit eines Landes (seines Pro-Kopf-Einkommens) und der Fertilitätsrate. | | Gleichfalls
ist in vielen Ländern ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungsniveau
und Kinderzahl zu beobachten. Das Bildungsniveau einer Person dürfte eng
mit ihrem IQ korrelieren. | Aufgrund dieser beiden Relationen
läßt sich ein Zusammenhang zwischen dem durchschnittliche IQ der Bevölkerung
und dem Pro-Kopf-Einkommen des Landes vermuten. Die folgende Tabelle
zeigt ausgewählte Länder mit ihren durchschnittlichen IQs und Fertilitätsraten.
Offenkundig besteht auch ein negativer Zusammenhang zwischen IQ und Fertilitätsrate,
was ebenfalls nicht überraschend ist. (Peter Mersch, Die Emanzipation
- ein Irrtum!Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft restlos
ruinieren wird, 2007, S. 64-65). Jedenfalls sollten die vorgetragenen
Ergebnisse ernst genommen werden, denn sie legen nahe, daß eine dauerhaft
ausgeführte negative Selektion zu einem Abfall des durchschnittlichen IQs
der Bevölkerung führen kann und damit natürlich auch zu erheblichen
Wohlstandsverlusten. Es ist nicht auszuschließen, daß dabei langfristig
ein Gleichgewichtszustand auf niedrigerem Niveau erreicht wird. Denn mit dem Absinken
des IQs und den Qualifikationen der Bevölkerung dürfte deren Fertilitätsrate
gemäß demographisch-ökonomischem
Paradoxon sukzessive wieder ansteigen. (Ebd., S. 65).Korrelation
von Intelligenz und Fertilität (am Beispiel ausgewählter Länder;
Stand: 2007) |
Stand: 2007 | Intelligenz- Quotient
(IQ) | Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate (TFR) | Südkorea | 106 | 1,27 | Japan | 105 | 1,40 | Deutschland | 103
(108) | 1,39 | Italien | 102 | 1,28 | Niederlande | 102 | 1,66 | Schweden | 101 | 1,66 | China | 100 | 1,73 | Großbritannien | 100 | 1,66 | Spanien |
99 | 1,28 | Australien |
98 | 1,76 | Frankreich |
98 | 1,84 | USA |
98 | 2,09 | Argentinien |
96 | 2,16 | Rußland |
96 | 1,28 | Israel |
94 | 2,41 | Irland |
93 | 1,86 |
| |
Stand:
2007 | Intelligenz- Quotient
(IQ) | Zusammengefaßte
Fruchtbarkeitsrate (TFR) | | Thailand |
91 | 1,64 | Türkei |
90 | 1,92 | Indonesien |
89 | 2,40 | Brasilien |
87 | 1,91 | Irak |
87 | 4,18 | Mexiko |
87 | 2,42 | Philippinen |
86 | 3,11 | Afghanistan |
83 | 6,69 | Ägypten |
83 | 2,83 | Bangladesh |
81 | 3,11 | Indien |
81 | 2,73 | Pakistan |
81 | 4,00 | Sudan |
72 | 4,72 | Ghana |
71 | 3,99 | Nigeria |
67 | 5,49 | DR
Kongo | 65 | 6,54 | |
Quelle:
Peter Mersch, Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter
unsere Gesellschaft restlos ruinieren wird, 2007, S. 66 | Intelligenz
ist größtenteils genetisch bedingt - so viel ist klar. Früher
nahm man an, der Anteil der vererbten Intelligenz läge bei 90-94%. Doch seit
Ende des 20. Jahrhunderts ist auch gerade diesbezüglich immer mehr Bescheidenheit
in Wissenschaft und Forschung eingekehrt - nicht zuletzt deshalb, weil die linke
Politik ihr immer mehr diktiert. Aber dennoch verteidigt z.B. James J. Lee
von der Harvard Universität die Position, daß die Intelligenz mittelschichtig
erzogener weißer Kinder zu 75 Prozent vererbt ist (**).
Diesen Befund präsentiert 1997 als Altmeister der Zwillingsforschung Thomas
J. Bouchard ... (**).
.... Überdies zeigt die größte Untersuchung an eineiigen (74)
und zweieiigen (52) Zwillingspaaren, die ähnliche wie auch extrem unterschiedlich
pädagogische Umwelten einschließt, daß die Betroffenen in g
(generelle Intelligenz) zu 77 Prozent übereinstimmen, obwohl die zweieiigen
Paare von vornherein unterschiedliche biologische Ausstattungen mitbringen (**).
(Gunnar Heinsohn, Gabriel und die Gene, 13.09.2010 **).
ZUWANDERUNG IST ZU TEUER!Wie
die vom Ifo-Institut und vom Max-Plack-Institut für ausländisches und
internationales Sozialrecht im Auftrag des Bundesarbeitsministers durchgeführten
Forschungsarbeiten zeigen, übersteigen die vom Staat für die Zugewanderten
erbrachten fiskalischen Leistungen im Rahmen der Sozialversicherung (Gesetzliche
Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung) sowie die steuerfinanzierten Transfers
und die Zahlungen der Gebietskörperschaften für die Bereitstellung der
öffentlichen Güter (Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser,
Verkehrsinfrastruktur, Verwaltung etc.), die vom Staat von den Zugewanderten empfangenen
Leistungen pro Kopf und Jahr um mehrere Tausend DM. (Vgl. Tabelle).
Dieser Befund widerspricht den landläufigen Vorstellungen (also:
der Propaganda und ihrer Wirkung; HB), daß Deutschland fiskalisch
von der Zuwanderung profitiere. Nach dieser Untersuchung (und
mit Sicherheit nicht nur nach ihr; HB) war und ist die Zuwanderung
nach Deutschland seit langem eine »Zuwanderung in die Sozialsysteme«,
die eine »Umverteilung von den Deutschen zu den Zugewanderten« bewirkt,
wie es in dem Forschungsbericht heißt. (Herwig Birg, Strategische
Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa, in:
Christian Leipert, Demographie und Wohlstand, 2003, S. 51). Man darf einfach
nicht übersehen, daß die Einwanderer ... dem Staat ... zur Last
fallen. Einwanderer profitieren von der Umverteilung zugunsten ärmerer Beitragszahler
in der Krankenversicherung und von staatlichen Leristungen wie der Sozialhilfe,
dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe, die sie überdurchschnittlich
in Anspruch zu nehmen pflegen. Außerdem steht ihnen, und das ist ein ganz
erheblicher Effekt, die breite Palette unentgeltlich angebotener, aber kostenträchtiger
staatlicher Leistungen zur Verfügung, die von der Benutzung von Straßen,
Brücken, Parks und anderen Elementen der öffentlichen Infrastruktur
bis hin zum Schutz des Rechtsstaates durch seine Richter und Polizisten u.v.m.
reichen. Dafür zahlen sie zwar Steuern, doch reichen diese nicht aus, die
verursachten fiskalischen Kosten zu tragen. Zuwanderer haben ein unterdurchschnittliches
Einkommen und gehören deshalb zu denjenigen Bevölkerungsgruppen, die
im Sozialstaat deutscher Prägung mehr Ressourcen vom Staat erhalten, als
sie an ihn in Form von Steuern und Beiträgen abgeben müssen. Nach Berechnungen,
die das Ifo-Institut im Jahre 2001 auf der Basis des sozioökonomischen Panels
für die bisher nach Deutschland Zugewanderten angestellt hat, lag die fiskalische
Nettolast, die Zuwanderer für den Staat verursachen, pro Kopf und Jahr im
Durchschnitt der ersten zehn Jahre bei 2300 Euro. Dabei sind auch die Vorteile
für die Rentenversicherung barwertmäßig bereits berücksichtigt
worden. So gesehen verändert sich das Bild, das ein alleiniger Blick auf
die Rentenversicherung liefert, erheblich. .... Die Zuwanderung ist ... kein Beitrag
zur Lösung, sondern ein Beitrag zur Vergrößerung der Probleme
.... Daß die Zuwanderung keine Lösung des Rentenproblems bietet, wird
auch klar, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Menschen zuwandern müßten.
.... Das sind astronomisch hohe Zahlen, die so natürlich niemals realisiert
werden und auch keinesfalls als Empfehlungen interpretierbar sind. Gerade die
Größe der Zahlen zeigt in aller Deutlichkeit, wie gering der Beitrag
zur Lösung der demographischen Problems Deutschlands ist, den man von der
Zuwanderung erwarten kann. Das Thema wird in der öffentlichen Diskussion
total überschätzt, und es wird mißbraucht, um heute schon aus
ganz anderen Gründen billige Arbeitskräfte ins Land zu holen. Dabei
braucht der Arbeitsmark selbst ... keine Einwanderungen ..., leidet Deutschland
unter einer Massenarbeitslosigkeit, also einem Mangel an Stellen, und nicht einem
Mangel an Menschen. (Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit,
in: Christian Leipert, Demographie und Wohlstand, 2003, S. 79-82).
Bilanz pro Zuwanderer (1997) | Direkte
fiskalische Auswirkungen der Zuwanderung pro Zuwanderer | Einnahmen | | Ausgaben |
GKV | 1817,-
DM | | GKV | 2970,-
DM | GRV | 4053,-
DM | | GRV | 1362,-
DM | SPV | 252,-
DM | | SPV | 67,-
DM | Arbeitslosenversicherung | 701,-
DM | | Arbeitslosenversicherung | 452,-
DM | Steuern | 6044,-
DM | | Steuerfinanzierte
Transfers und Leistungen | 12646,-
DM | Einnahmen
insgesamt | 12867,- DM | | Ausgaben
insgesamt | 17498,- DM |
| Gesamtbilanz
pro Zuwanderer (1997) | | | | Ausgaben
| 4631,- DM |
Quelle:
SOEP; Ifo-Institut; Hans-Werner Sinn, EU-Erweiterung und Arbeitskräftemigration,
2001. |
Die Qualifikationsdefizite sind der entscheidende
Grund dafür, daß die Arbeitslosenquote und die Quote der Sozilhilfeempfänger
bei den Zugewanderten aus Nicht-EU-Ländern um den Faktor 5 und mehr höher
sind als bei den Einheimischen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in
nahezu allen 15er-EU-Ländern ( ).
Die Qualifikationsdefizite sind dabei um so größer, je höher der
Anteil der Zugewanderten an der Bevölkerung ist. Aufgrund dieser Fakten ist
auch in Zukunft nicht damit zu rechnen, daß die Qualifikationsunterschiede
im erhofften Umfang abgebaut werden können. Durch die Strategie einer kompensatorischen
Zuwanderungspolitik würde das für die Produktivität und das Pro-Kopf-Einkommen
wichtige, im Humankapital der jüngeren Erwerbspersonen enthaltene Bildungs-
und Ausbildungskapital beeinträchtigt .... Bei ... Zuwanderungen verringert
sich das Qualifikationsniveau der Bevölkerung, und es kommt zu Einbußen
beim Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens, während gleichzeitig die Integrationskosten
steigen. (Herwig Birg, Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik
in Deutschland und Europa, in: Christian Leipert, Demographie und Wohlstand,
2003, S. 51-54). Es
kommt auf das Pro-Kopf-Einkommen an. Das Pro-Kopf-Einkommen sinkt z.B. durch Zuwanderungen.
Es handelt sich also um Propaganda, wenn in der öffentlichen Debatte über
die Zuwanderungen der positive Effekt der Zuwanderungen auf die Höhe des
Bruttosozialprodukts erwähnt wird, denn bei dieser Lüge wird absichtlich
verschwiegen, daß nicht das Bruttosozialprodukt, sondern das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt
bzw. (weil Einkommensseite) Pro-Kopf-Einkommen das Maß für den Wohlstand
bzw. Lebensstandard ist.Wachstumsrate
des Bruttosozialprodukts | | Wachstumsrate
der Bevölkerung | = | Wachstumsrate
des Pro-Kopf-Einkommens | 2,4 % | | 0,8
%
| = | 1,6 % | 2,4
% | | 0,8
% | = | 3,2 % |
 | | Die
Abbildung zeigt u.a. den rückläufigen Trend des Wirtschaftswachstums,
der deutlich mit der Beschäftigung korreliert. Quelle: Institut
der Deutschen Wirtschaft, 30. Jg., Nr. 18, 20.04.2004. Wenn
man Bruttoinlandsprodukt durch die Bevölkerungszahl teilt, erhält man
das Pro-Kopf-Einkommen. Und die Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens ergibt sich
aus der Differenz zwischen der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts und der
Wachstumsrate der Bevölkerung. Hier noch einmal als Formel: |
 |
Steigert
der Bevölkerungsrückgang das Pro-Kopf-Einkommen? Kurzfristig ja,
langfristig nein! Es ist zwar im Rahmen empirischer Untersuchungen sehr schwierig,
die Wirksamkeit des demographischen Faktors zu isolieren, doch wird behauptet,
daß in kurzfristiger Perspektive (z.B. 2 Generationen) die ökonomischen
Vorteile eines Geburtenrückgangs überwiegen, während in langfristiger
Perspektive (z.B. eines säkularen Trends) die negativen Folgen
einer Bevölkerungsstagnation oder Bevölkerungsschrämpfung dominieren.
(Vgl. z.B. Bernhard Felderer und Michael Sauga, Bevölkerung und Wirtschaftsentwicklung,
1988, S. 210ff.). Der erste Teil dieser These wurde durch die Empirie bestätigt:
bekanntlich hat die Bundesrepublik seit dem Beginn des Geburtenrückgangs
um 1965 bis zur Wiedervereinigung (1990) eine historisch einmalige Wohlstandssteigerung
erlebt: Das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung hat erheblich zugenommen,
während die volkswirtschaftlichen Wachstumsraten im Vergleich zur Nachkriegszeit
zurückgingen. Vom Wirtschaftswachstum profitiert haben breite Bevölkerungskreise,
und ein erheblicher Teil des Wachstums floß in öffentliche Investitionen,
vor allem in den 1970er Jahren. Die außerhäusliche Erwerbsbeteiligung
der Frauen nahm stark zu und ermöglichte den Frauen eine bis dahin nie dagewesene
Unabhängigkeit, die sich familiensoziologisch in zunehmenden Scheidungsraten
und sinkender Heiratsneigung manifestierte. Die starke Zunahme der Kinderlosigkeit,
welche für Männer nicht weniger zutrifft als für Frauen, ist ebenfalls
Ausdruck der gestiegenen Unabhängigkeit. Mit Felderer und Sauga steht zu
befürchten, daß in den kommenden Jahrzehnten dagegen die Nachteile
des andauernden Geburtenrückgangs dominieren werden. (Franz-Xaver
Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 68-69).
Relevanz von Humankapital
bzw. Humanvermögen für die Produktivitätsentwicklung
Friedrich List (1789-1846) hatte in seiner Auseinandersetzung mit Adam Smith
(1723-1790) darauf hingewiesen, daß dieser zwar die Ursachen des Volkswohlstandes
zu Recht in der Produktivität der Arbeit sehe, daß er aber die Produktivität
der Arbeit selbst nicht zu erklären vermöge. »Die Kraft, Reichtümer
zu schaffen, ist ... unendlich wichtiger als der Reichtum selbst.« (Friedrich
List, Das nationale System der politischen Ökonomie, 1841, S. 173).
Arbeitsproduktivität ist für List keine natürliche Gegebenheit,
sondern das Zentralproblem der Entwicklung eines Landes, und er nennt in seiner
»Theorie der produktiven Kräfte« hierfür im wesentlichen
vier Faktoren, nämlich (1) natürliche Gegebenheiten wie Klima oder Bodenschätze,
(2) institutionelle Bedingungen im Sinne der kulturellen, rechtlichen und organisatorischen
Bedingungen eines Landes, (3) die Summe aller individuellen Kräfte, welche
in Form von Erziehung, Bildung und Erfahrung der Bevölkerung als »Nationalproduktivkraft«
ihren Begriff finden, und schließlich (4) die »Agrikulturkraft«
und »Manufakturkraft«, worunter er den Entwicklungsstand von Landwirtschaft
und Industrie verstand, also moderner gesprochen: den erreichten Stand an Technologie
und Wissen. Anscheinend ohne Kenntnis des Werkes von List wurden die zwei letzten
Sachverhalte in der neueren Humankapitaltheorie (für den Faktor 3) und in
der aktuellen soziologischen Theorie der Wissensgesellschaft (für den Faktor
4) erneut entdeckt. Schon für List gehörte es zu den Einseitigkeiten
der ökonomischen Theorie, daß sie sich ausschließlich mit marktvermittelten
Prozessen der Produktion auseinandersetzt und den gesamten Bereich der Haushaltsproduktion
aus dem ökonomischen Geschehen ausklammert: »Ein Vater, der seine Ersparnisse
opfert, um seinen Kindern eine ausgezeichnete Erziehung zu geben, opfert Werte;
aber er vermehrt beträchtlich die produktiven Kräfte der nächsten
Generation. Dagegen ein Vater, der seine Ersparnisse auf Zinsen legt unter Vernachlässigung
der Erziehung seiner Kinder, vermehrt um ebensoviel seine Tauschwerte, aber auf
Kosten der produktiven Kräfte der Nation.« (Friedrich
List, Das natürliche System der politischen Ökonomie, 1837, S.
193) Hier wird das Dilemma zwischen individueller und volkswirtschaftlicher
Rationalität bereits klar angesprochen, das heute den Kern des Problems der
Nachwuchssicherung ausmacht. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft,
2005, S. 73). Im vorliegenden Zusammenhang interessiert vor allem
die »Humankapitaltheorie«, welche Theodore W. Schultz 1979 den Nobelpreis
für Wirtschaftswissenschaften eingebracht hat (wenigstens
erwähnt sei ein längst vergessener Vorläufer der Humankapitaltheorie:
Rudolf Goldscheid [1870-1931]; vgl. insbesondere Rudolf Goldscheid, Entwicklungswerttheorie,
Entwicklungsökonomie, Menschenökonomie - Eine Programmschrift, 1908).
Das zusammenfassende Werk von Schultz trägt den sprechenden Titel: »In
Menschen investieren. Die Ökonomik der Bevölkerungsqualität«.
Versteht man unter Humankapital mit Friedrich List die Gesamtheit der in einer
Volkswirtschaft eingesetzten Kompetenzen der Arbeitskräfte, so folgt daraus,
daß Humankapital »von endlicher Lebensdauer und an Menschen gebunden«
ist, so daß die Zahl der Erwerbstätigen als erster Bestimmungsfaktor
für die Größe des Humankapitals einer Volkswirtschaft gelten kann.
Die zweite Bestimmungsgröße betrifft die Qualifikation, Gesundheit
und Motivation der Arbeitskräfte, wie sie durch familiale und außerfamiliale
Sozialisation, durch Schul-, Berufs- und Weiterbildung, durch Berufserfahrung
sowie die zahlreichen Maßnamhen des betrieblichen, privaten und öffentlichen
Gesundheitswesen beeinflußt werden. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende
Gesellschaft, 2005, S. 73-74).Die
Rede vom »Humankapital«, das durch »Investitionen« in
die Quantität und Qualität der Bevölkerung, insbesondere des Bevölkerungsnachwuchses,
entsteht, ist ein kognitiver Durchbruch im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften,
um sowohl den technischen Fortschritt zu entmystifizieren als auch der Bevölkerungsentwicklung
den ihr zukommenden Platz in der Theorie zu ermöglichen. Ein entscheidender
Grund, weshalb die bisher vorherrschenden wirtschaftspolitischen Auffassungen
die Rolle der Familie für die Volkswirtschaft unterschätzen, ist in
der Auffassung zu suchen, daß die Aufwendungen für Kinder eine Frage
des privaten Konsums seien. Wenn man ... vorschlägt, die Aufwendungen
der Eltern für ihrer Kinder wie auch die staatlichen Familienbeihilfen und
die Aufwendungen für die Bildungspolitik nicht mehr als Konsumausgaben, sondern
als Investitionen, als Bildung von Humankapital begreift, wird die enorme
Investitionslücke sichtbar, die sich die Bundesrepublik durch ihre
niedrige Fertilität in den letzten ... Jahrzehnten geleistet hat. .... Das
Wachstum des Humankapitals ist ... gerade in fortgeschritten modernisierten Gesellschaften
der Schlüsselfaktor auch für weiteren technischen Fortschritt. ....
Der Zusammenhang zur Bevölkerungsentwicklung ist ... durch die Humankapitalbildung
vermittelt. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft,
2005, S. 74-75).Statt
Humankapital solle man Humanvermögen sagen, so Kaufmann, um
auf die Leistungen der Familien und des Bildungswesens aufmerksam zu machen. Damit
sind gegenüber dem Kapitalbegriff drei Umakzentuierungen verbunden. Erstens:
In der Sprache wirtschaftlicher Bilanzen fällt »Vermögen«
in den Bereich der Aktiva, »Kapital« dagegen in den Bereich der Passiva,
also der Verbindlichkeiten eines Unternehmens; die Handlungskompetenzen der Mitarbeiter
gehören jedoch wie die Sachinvestitionen auf die Seite der Aktiva, der Ressourcen
einer Unternehmung bzw. einer Volkswirtschaft .... Zum zweiten läßt
sich statt von Handlungskompetenzen auch im Sinne von »Handlungsvermögen«
eines Menschen sprechen, so daß der Vermögensbegriff sich sowohl für
die mikrotheoretische Bezeichnung der individuellen Kompetenzen als auch für
die makrotheoretische Bezeichnung der Summe aller Kompetenzen eignet. Schließlich
und vor allem soll mit dieser Umbenennung der ökonomische Reduktionismus
vermeiden werden, welcher mit der Humankapitaltheorie verbunden ist. Denn der
gesellschaftliche Fortschritt braucht nicht nur Arbeitskräfte, sondern ebenso
kompetente Konsumenten, verantwortliche Eltern, partizipationsfähige Bürger
und aktive Mitglieder einer Zivilgesellschaft. Zu berücksichtigen sind also
nicht nur die Fachkompetenzen (Arbeitsvermögen) einer Bevölkerung, sondern
ebenso deren Daseinskompetenzen (Vitalvermögen). (Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 76).Wissenskapital
ist ... nur durch hochqualifizierte Arbeitskräfte zu entwickeln, ja selbst
seine Nutzung setzt spezifische Qualifikationen voraus. (Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 77).  Neben
ihrem wachstumstheoretischen Aspekt ist die Humankapitaltheorie in unserem Zusammenhang
in zweierlei Hinsicht von Belang: Sie erklärt zum einen die Tendenz zu einer
immer deutlicheren Kinderarmut: Eltern interessieren sich stärker für
die Qualität als für die Quantität ihrer Kinder, und zwar um so
eher, je höher ihr eigenes Humankapital ist. Kulturell läßt sich
dies mit der aufkommenden Norm »verantworteter Elternschaft« in Zusammenhang
bringen. Zugleich steigt mit dem individuellen Humankapital der Wert der eigenen
Zeit. Da das Erziehen sehr zeitintensiv ist, steigen die Opportunitätskosten
des Kinderhabens, d.h. der Wert des Verzichtes auf andere Möglichkeiten.
Ob und inwieweit der gesteigerte Aufwand für Erziehung und Bildung die Reduktion
der Geburtenzahlen mit Bezug auf die Humankapitalbildung in Vergangenheit und
Zukunft kompensiert, läßt sich mangels einschlägiger Modelle nur
für einzelne Zeitpunkte schätzen. (Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 77).
Geburtenrückgang
als Investitionslücke
 |
Die
Geburtenlücke (vgl. Abbildung rechts) bedeutet, daß die
Geburten niedriger als das Geburtengleichgewicht sind, das durch die
Nettoreproduktionsziffer von 1,0 bzw. das Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Geburten
pro Frau oder aber durch einen Standardwert - in der Abbildung z.B. 2,0 (TFR)
- repräsentiert wird. Aus der Abbildung rechts wird ersichtlich, daß
die Geburten von 1971 bis 2000 unterhalb des Geburtengleichgewichts geblieben
sind. Addiert man die Jahreswerte, so gelangt man zu einer Geburtenlücke
von insgesamt 9,6 Mio. Geburten. Im Jahresdurchschnitt entspricht dies einer Geburtenlücke
von 28,8%; betrachtet man dagegen nur das Jahrzehnt 1991-2000, so beträgt
die Geburtenlücke 33,8%, also ein Drittel. Diese 9,6 Mio. nicht geborenen
und nicht qualifizierten Menschen fehlen uns in den kommenden Jahren nicht nur
als Arbeitskräfte, sondern auch als potentielle Mütter und Väter.
(Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 81).Eine
Bevölkerung, der für die nächsten Jahre fast 10 Millionen Menschen
als potentielle Mütter und Väter fehlen, hat zu der Zeit, als diese
Menschen hätten geboren werden müssen, über ihre Verhältnisse
gelebt und wird wohl auch in Zukunft über ihre Verhältnisse leben (wollen).
Diese Geburtenlücke (der fast 10 Millionen Geburten) entspricht einer Investitionslücke
von ungfähr 5 Billionen DM (bzw. 2,5 Billionen Euro). Und alle verfügbaren
Daten weisen darauf hin, daß auch die Investitionsquote mit Bezug auf auf
das Sachkapital seit Beginn der 1970er Jahre einem rückläufigen Trend
folgt (erstmals war die staatliche Sachvermögensbildung im Jahre 2003 sogar
negativ; vgl. FAZ, 23.06.2004), weshalb auch Kaufmann die These wagen muß,
daß die deutsche Bevölkerung spätestens seit Beginn der 1970er
Jahre über ihre Verhältnisse lebt. In der deutschen Volkswirtschaft
wurde zu viel konsumiert und zu wenig gespart und investiert. Die Arbeitszeiten
wurden stärker gekürzt, als für eine nachhaltige Entwicklung tunlich
ist. Ebenso wurde von einem erheblichen Anteil der Bevölkerung auf Zeit für
das Aufbringen von Kindern verzichtet - vorzugsweise zugunsten von Freizeit. Es
liegt nahe, hier philosophische oder kulturkritische Gedanken bezüglich der
Neigung der menschlichen Gattung zum Luxurieren und zum Verdrängen anzuschließen,
doch sei dies anderen (z.B. Meinhard Miegel, Die deformierte
Gesellschaft - Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen, 2002)
überlassen. Es liegt auf der Hand, daß das Stagnieren der Investitionen
auch dem Wirtschaftswachstum und der Beschäftigung abträglich ist. -
Man könnte einwenden, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik im
gleichen Zeitraum um ca. 4 Millionen Einwohner zu gut 40% kompensiert worden ist.
Mag das in Köpfen gerechnet auch stimmen, so stimmt es nicht mehr in der
Perspektive des Humankapitalansatzes. Wie Untersuchungen des Ifo-Instituts München
zeigen, ist die Bilanz der bisherigen Zuwanderung sehr ambivalent, insbesondere
infolge der sehr geringen Durchschnittsqualifikation und der wesentlich höheren
Arbeitslosigkeit. Diese beiden Faktoren erklären, weshalb die Bilanz der
Zuwanderung für die öffentlichen Haushalte ... negativ ist.
(Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 82-83). Die
Zuwanderung bringt sowieso nur Negatives - in jeder Hinsicht, also auch
wirtschaftlich. Was Europa und vor allem Europas Herz (Motor) - Deutschland -
dabei wirtschaftlich zu befürchten haben, muß eigentlich nicht erwähnt
werden. Ist z.B. die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts niedriger als die
der Bevölkerung, ist die des Pro-Kopf-Einkommens negativ!
 |
Bevölkerungsvorausberechnungen sind wesentlich zuverlässiger als
Wirtschaftsprognosen. Sie sind keine Prophezeiungen, sondern »Wenn-Dann-Aussagen«
über die künftige Entwicklung, und da die Annahmen über das generative
Verhalten der Menschen in der Zukunft sowie die Annahmen über die erwartete
Zunahme der Lebenserwartung - das sind die »Wenn-Voraussetzungen«
der Projektionsrechnungen - relativ realistisch getroffen werden können,
sind die daraus abgeleiteten »Dann-Schlußfolgerungen« bezüglich
der künftigen Bevölkerungsentwiscklung ebenso realistisch wie diese
Annahmen, denn reine Rechenfehler beim Ableiten der Ergebnisse aus den Annahmen
lassen sich trotz des immensen Umfangs der (heute von Computern erledigten) Berechnungen
praktisch ausschließen. Der entscheidende Punkt ist, daß die Zuverlässigkeit
einer Projektionsrechnung nicht nur und nicht einmal in erster Linie vom exakten
Eintreffen der Annanehmen über das Verhalten der Bevölkerung (Fertilität
und Mortalität) abhängt, sondern vor allem von der Altersstruktur,
die relativ sicher vorausberechnet werden kann, weil ein Großteil der Bevölkerung,
die beispielsweise in fünfzig Jahren lebt, schon geboren ist. (Herwig
Birg, Die Weltbevölkerung - Dynamik und Gefahren, 1996, S. 82).
Ein Fazit zu Birgs Theorie: In meiner Biographischen
Theorie der Fertilität sind ökonomische, soziologische und entwicklungspsychologische
Erklärungsansätze des generativen Verhaltens zu einer Theorie vereinigt.
Abgesehen von ihrer Zielsetzung im Rahmen der wissenschaftlichen Grundlagenforschung
hat sich die Theorie als ein brauchbares Instrument für die Erarbeitung realistischer
Weltbevölkerungsprojektionen erwiesen .... Die Kernthese der biographischen
Fertilitätstheorie ist, daß das Risiko irreversibler langfristiger
Festlegungen im Lebenslauf unter den Bedingungen eines permanenten Wandels der
ökonomischen, sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen
zugenommen hat und weiter zunehmen muß. In einer instabilen, von einer permanenten
Veränderungsdynamik geprägten Welt ist es rational, irreversible langfristige
Festlegungen im Lebenslauf zu vermeiden, um die biographische Entscheidungsfreiheit
nicht zu verlieren. Deshalb wurden und werden die familialen langfristigen Festlegungen
im Lebenslauf wie die Bindung an einen Partner und die Geburt eines Kindes in
eine spätere Lebenslaufphase aufgeschoben oder ganz vermieden. Die Vermeidung
langfristiger Festlegungen im Lebenslauf dient insbesondere dazu, berufliche Optionen
offen zu halten und die Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen der Arbeitsmärkte
funktionsfähig zu halten, die Arbeitslosigkeit zu minimieren und die für
ein möglichst hohes Pro-Kopf-Einkommen notwendige Produktivität zu maximieren.
 |
Die ungewollte demographische Konsequenz dieser Entwicklungstrends ist
die permanente Zunahme des Anteils der Frauen an einem Jahrgang, der zeitlebens
kinderlos bleibt. Die niedrige Geburtenrate ist ... in erster Linie eine Folge
des Anstiegs des Anteils der lebenslang kinderlosen Frauen, nicht etwa, wie fälschlicherweise
immer wieder behauptet wird, ein Anstieg der Häufigkeit der Ein-Kind-Familie.
Wenn Menschen trotz der damit verbundenen biographischen Festlegungsrisiken die
Entscheidung für die Gründung einer Familie treffen, dann haben sie
wesentlich häufiger zwei Kinder als eins. Die Zwei-Kinder-Familie und nicht
die Ein-Kind-Familie ist die typische und häufigste Familienform. Das in
solchen demographischen Kennziffern zum Ausdruck kommende generative Verhalten
erscheint im Hinblick auf die biographische Entscheidungslogik durchaus als rational:
Die biographische Entscheidungsfreiheit wird durch das erste Kind so gravierend
eingeschränkt, daß man sagen könnte, daß die Eltern fortan in einer anderen Welt leben. Diese Welt ändert sich durch ein zusätzliches
zweites Kind bei weitem nicht so dramatisch wie dies beim Übergang von einem
Leben ohne Kinder zum Leben in Elternschaft geschieht. Ein-Kind-Familien sind
im Vergleich zu einem Leben ohne Kinder eine grundsätzliche, lebenslaufbestimmende
Alternative, während sie im Vergleich zur Familie mit zwei Kindern eher als
eine Vorstufe anzusehen sind, die durch das zweite Kind mehr vollendet als ein
weiteres Mal entscheidend verändert wird. (Herwig Birg, Die Weltbevölkerung
- Dynamik und Gefahren, 1996, S. 65-67).Aber: Entscheidungen, die
zwar physikalisch-chemisch bzw. physiologosch in einem einzelnen Gehirn
getroffen werden (denn betroffen sind ja z.B. die Synapsen des einzelnen Menschen,
das Nervensystem des einzelnen Menschen, der Körper des einzelnen
Menschen, der genetische Code des einzelnen Menschen u.s.w. - eben die
Einzigartigkeit), sind trotzdem keine unteilbaren, keine ungeteilten,
also keine individuellen Entscheidungen (denn betroffen sind ja z.B. auch
der Partner, der Chef u.s.w., eben die Mit-Entscheider), weil jeder einzelne
Mensch auch in seiner Entscheidung immer schon von anderen Menschen beeinflußt
ist. Dieses wichtige Faktum berücksichtigt Birgs Theorie noch zu wenig. In
Übereinstimmung mit der mikroökonomischen Theorie geht die biographische
Theorie von der Sichtweise aus, daß der Mensch unaufhörlich zwischen
Alternativen wählt, aber im Unterschied zur mikroökonomischen Theorie
wird in der biographischen Theorie das Faktum in die Betrachtung einbezogen, daß
der Mensch im allgemeinen die Alternativen nicht wählt, zwischen denen
er eine Auswahl trifft. Die biographische Theorie betrachtet die Alternativen
als das Ergebnis kumulativer biographieinterner Verdichtungen von Handlungen und
Ereignisse sowie das Ergebnis von biographieexternen Vorgaben, die in jedem Lebenslauf
eine Rolle spielen. .... Eine generatie Entscheidung ist nicht nur eine Entscheidung
für bzw. gegen ein Kind, sondern für bzw. gegen einen bestimmten Lebenslauf
als Ganzes. Sie ist eine langfristige Festlegung mit irreversiblen Folgen
für den ganzen Lebenslauf: In entwickelten Ländern trifft jede Frau
(die aber de facto nicht selbst, nicht individuell
entscheidet; HB) mit der Entscheidung (die von anderen
beeinflußt ist; HB) für ein Kind gleichzeitig eine Vorentscheidung
über die Art und Menge der Entscheidungsalternativen im beruflichen Bereich,
und umgekehrt bestimmt das Ergebnis einer beruflichen Entscheidung, welche Alternativen
bei familialen bzw. generativen Entscheidungen in den Wahlmengen künftiger
Entscheidungssituationen vorkommen können und welche nicht. (Herwig
Birg, Differentielle Reproduktion aus der Sicht der biographischen Theorie
der Fertilität, in: Eckart Voland, Fortpflanzung: Natur und Kultur
im Wechselspiel, 1992, S. 198-199 ).
Die Entscheidungen über das generative Verhalten, wie Birg es
nennt, sind zum größten Teil kulturell beeinflußt, also demzufolge
kollektive Entscheidungen (z.B. des Paares, des Stammes, des Volkes u.s.w.). Und
je zivilisierter eine Kultur, desto kinderfeindlicher ihre Entscheidungen. Anders
gesat: je mehr eine Kultur Zivilisation ist, desto weniger entscheiden sich die
zu dieser Kultur gehörenden Menschen für Kinder. Was in der Natur eine
Ausnahme der Regel ist - eine Regel ist z.B. der Wille zur Weitergabe der eigenen
Gene, zur Fortpflanzung -, das wird in der Kultur zu einer Regel der Ausnahme,
und zwar deutlich erkennbar in der Menschen-Kultur,
noch deutlicher erkennbar in deren Historienkulturen,
am deutlichsten erkennbar in den Modernen (Zivilisationen) dieser Historienkulturen,
denn deren zivilisierte Phasen sind nahezu der Inbegriff der Negation des Willens
zur Fortpflanzung. Die Menschen dieser Phasen haben immer weniger Kinder, obwohl
sie sich immer mehr Kinder leisten können. Das demo-ökonomische Paradoxon
( )
ist ohne die demo-zivilmoderne Regel ( )
gar nicht zu verstehen. 
Für die Anreize zum Willen auf Nachkommenschaft! Gegen die Anreize zum Verzicht
auf Nachkommenschaft!
In Deutschland beispielsweise wurde von
1974 bis 2004 das sogenannte Kindergeld real, das heißt unter Berücksichtigung
der Geldentwertung, stufenweise verzehnfacht. (Vgl. Ulrich Pfeiffer & Reiner
Braun, Private Lebensökonomie und staatlicher Einfluß - Neue Strategien
zur Vermögensbildung, 2004, S. 45. Das Geburtenverhalten hat sich dadurch
nicht verändert. Dann hätte das Kindergeld eben verzwanzig- oder verdreißigfacht
werden müssen, meinen manche. Vielleicht hätte sich dadurch die Geburtenrate
tatsächlich erhöht. Sicher ist das jedoch nicht. Die betroffenen Jahrgänge
erklären nämlich mehrheitlich, es seien nicht vorrangig wirtschaftliche
Gründe, die sie davon abhielten, mehr oder überhaupt Kinder zu haben.
Auf die Frage, warum sie sich nicht vorstellen könnten, ein Kind zu bekommen,
erklärten im Oktober 2004 in Deutschland 44 Prozent der Befragten: Weil ich
keinen geeigneten Partner habe, und ebenfalls 44 Prozent: Weil ich auch ohne Kinder
mit meinem Leben zufrieden bin. Wirtschaftliche Erwägungen folgten erst an
sechster Steller. Sie waren kaum gewichtiger als Begründungen wie: Weil diese
Welt immer weniger lebenswert ist, oder: Weil mir die Verantwortung für ein
Kind zu groß ist. (Vgl. Britta Pohl, Mehr Kinder. Mehr Leben. Ergebnisse
einer repräsentativen Forsa-Befragung im Auftrag von »Eltern«
und »E.f.F.«, 2004, S. 43). Daß nicht vorrangig wirtschaftliche
Gründe für das Geburtenverhalten maßgeblich sind, erhellt auch
die Tatsache, daß in praktisch allen frühindustrialisierten Ländern
die wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungskreise zwar noch immer nicht
viele, aber doch deutlich mehr Kinder haben als die wirtschaftlich stärkeren.
Es gibt keinen positiven Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und Kinderzahl,
wenn von einer kleinen Gruppe sehr Reicher abgesehen wird, die eine große
Familie mitunter als Statussymbol betrachten. Die Nichterfüllung des Wunsches
nach Kindern beruht in den frühindustrialisierten Ländern in den seltensten
Fällen auf objektiv wirtschaftlicher Bedürftigkeit. Wenn wirtschaftliche
Erwägungen gegen ein Kind sprechen, sind zumeist Verschiebungen im westlichen
Wertessystem ursächlich. Materielle Güter haben eine ständige Aufwertung
erfahren, während der Wert von Menschen abgenommen hat. Das zeigt sich im
historischen Vergleich. Hätten die jungen Menschen vor vierzig Jahren materielle
Güter ähnlich hoch bewertet wie die heute Jungen - in zahlreichen frühindustrialisierten
Ländern wären schon jetzt die Straßen und Plätze ziemlich
menschenleer. .... Die heute Jungen mögen sich einmal die Lohnzettel ihrer
Eltern und Großeltern zeigen lassen, die dort vermerkten Nettobeträge
in ihren heutigen Geldwert umrechnen und dann entscheiden, ob das für eine
Familie reicht. .... In keinem einzigen frühindustrialisierten Land fehlen
heute die materiellen Voraussetzungen, um eine bestandserhaltende Zahl von Kindern
großzuziehen - weder individuell noch kollektiv. Was fehlt, ist der Wille,
das zu tun. (Meinhard Miegel, Epochenwende, 2005, S. 176). Vgl. Unfruchtbarkeit
und Zerfall.Obwohl besonders von den Kinderlosen aus akademischen
Kreisen (ca. 40%) wohl kaum zu erwarten ist, daß sie ihr kinderloses Verhalten
zukünftig ändern, ist Familienpolitik bzw. Kinderpolitik, auch z.B.
eine Politik des 3. Kindes, eine Politik, die Anreize schafft für
Familien, mehr als zwei, also drei oder gar mehr als drei Kinder zu haben, immer
erfolgreich, wenn sie umfassend und langfristig betrieben wird. Es handelt
sich bei der bevölkerungsbewußten Familienpolitik ... um eine ... Sicherung
der Generationenfolge, also der ... Nachwuchssicherung .... Dadurch erfährt
manche Maßnahme eine besondere Akzentuierung, was in der gegebenen Situation
etwa in der besonderen Berücksichtigung von sozialökonomischen Maßnahmen
im Übergang zum dritten Kind seinen Ausdruck finden kann. Gerade bei Respektierung
der verschiedensten Gründe, die völlig legitim zur persönlichen
Entscheidung zur Kinderlosigkeit führen können, und ihrer gesellschaftlichen
Akzeptanz bedarf es zum Erreichen eines Geburtenniveaus, das näher am Bestandserhaltungsniveau
der Bevölkerung liegt, jedenfalls zur Vermeidung der gegenwärtig programmierten,
kurz- und mittelfristig schon ohnehin nicht mehr zu vermeidenden demographischen
Verwerfungen einer deutlichen Schwergewichtsverlagerung der Kinderzahl in den
Familien (nicht je Frau) von 1-2 Kindern auf 2-3 Kinder; bei weiterhin unverminderter,
sich also nicht verringernder Quote der Kinderlosigkeit von gegenwärtig über
einem Viertel der Frauen mit abgeschlossener Fruchtbarkeit (bei akademischer Ausbildung
besonders besorgniserregend sogar bis zu 40%) müßte das Gewicht der
Zwei- und vor allem der Drei-Kinder-Familien sogar besonders stark zunehmen. Insofern
kann es z. B. hinsichtlich der Ausgestaltung des allgemeinen Familienlastenausgleichs
unter dem mit zu bedenkenden demographischen Aspekt sogar etwas problematisch
erscheinen, wenn in Zeiten besonders angespannter öffentlicher Haushalte
- über eine einkommensteuerliche Freistellung des Existenzminimums von Kindern
und die wichtige Existenzsicherung von Kindern in unteren Einkommensschichten
hinaus - relativ hohe Aufwendungen für die große Gruppe derjenigen
ersten Kinder getätigt werden, die Einzelkinder bleiben. In Frankreich ist
es sogar zur Ausprägung einer expliziten »Politik des 3. Kindes«
gekommen; sie findet ihren Ausdruck u. a. darin, daß im französischen
Familiensplittingsystem (Einbeziehung der Kinder in den familienbezogenen Splittingfaktor)
das 3. und die weiteren Kinder stärker gewichtet werden als das 1. und 2.
Kind. Wichtig erscheint vor allem, daß
eine solche Politik ernst macht mit dem Systemwissen einer modernen Familienpolitik
als gesellschaftlicher Ordnungspolitik mit Querschnittscharakter, d.h. mit der
Einsicht, daß nur integrativ geplante Politikansätze mit Maßnahmenbündeln,
in denen die Notwendigkeit des Ineinandergreifens von Änderung der gesellschaftlichen
Lebensbedingungen und Bewußtseinsänderung der Einzelnen ausreichend
beachtet wird, am ehesten Erfolg versprechen, - allerdings auch unterschiedliche
Verantwortungsträger (im staatlichen und nichtstaatlichen Raum) gleichermaßen
in die Pflicht nehmen. Von isolierten Einzelmaßnahmen (»monoinstrumentellen
Politikansätzen«) kann erst recht in demographischer Hinsicht kaum
ein wirklich nachhaltiger und über eventuelle kurzfristige »Pusch-«
oder »Strohfeuereffekte« hinausgehender Erfolg erwartet werden. Das
gilt etwa für isolierte einkommenspolitische Einzelmaßnahmen. Selbst
mit dem Verweis auf verbesserte Rahmenbedingungen für eine konfliktfreiere
Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und gleichzeitige Übernahme von Elternverantwortung
wird zwar eine sehr wichtige, aber eben auch nur eine bedingende Voraussetzung
für die Erreichung ausgeglichenerer demographischer Strukturen angesprochen,
deren Erfüllung allein für eine Bewältigung des Geburtenproblems
nicht ausreicht. Dies gilt erst recht für die in ihrer geburtenfördernden
Bedeutung oft etwas überschätzte, gleichwohl notwendige Verbesserung
der außerhäuslichen Kleinkinderbetreuung. »Das Gelingen einer
nachhaltigen Familienpolitik ist um so wahrscheinlicher, je besser die familienpolitischen
Maßnahmen durch andere Politikbereiche flankiert werden. Der Erfolg kann
sich daher nur mit einem »Policy-Mix« einstellen, d.h. einer Kombination
von Elterngeld und qualitativer und quantitativer Kinderbetreuung in Verknüpfung
mit einer Flexibilisierung der starren Arbeitszeitmuster.« (Bert
Rürup, Nachhaltige Familienpolitik im Interesse einer aktiven Bevölkerungsentwicklung
- Gutachten i.A. des BMFSFJ, 2003). Eine auch bevölkerungsbewußte
Familienpolitik meint also eine Familienpolitik, die eine auch an (im Einzelfall
mehr oder weniger deutlichen) demographischen Zielen des Gemeinwesens mit
orientierte gemeinwohldienliche politische Handlungsoption darstellt, die sich
ihrer demographischen Aus- und Nebenwirkungen bewußt ist. Es geht dabei
um eine umfassende politische Gestaltung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und kulturellen Rahmenbedingungen .... In unserer sozialhistorischen Situation
bedeutet dies in der Zielroientirung, daß die ... generativen Entscheidungen
auf der Mikroebene sich auf der Makroebene zu einem Geburtenniveau aggregieren,
das ... das Bestanderhaltungsniveau der Bevölkerung ..., also ein Niveau
erreicht, das als gesellschaftlich erwünscht angesehen werden kann.
(Max Wingen, Die Geburtenkrise ist überwindbar - Wider die Anreize zum
Verzicht auf Nachkommenschaft, 2004, S. 113-116).Solange
unsere Sozial- und Wirtschaftsordnung mit einer Vielzahl von hochwirksamen Anreizen
durchsetzt ist, auf Nachkommenschaft zu verzichten, kann hier kaum mit nachhaltiger
Besserung der auch gesellschaftlich befriedigenden Nachwuchssicherung gerechnet
werden. Dem ist mit einigen mehr oder minder kompensatorisch angelegten familienpolitischen
Einzelleistungen nicht beizukommen. Aufgabe einer nachhaltigen und strukturreformerischen
Gesellschafts- und Familienpolitik ist es, diese Anreize mit Stumpf und Stiel
zu beseitigen. (Max Wingen, Die Geburtenkrise ist überwindbar -
Wider die Anreize zum Verzicht auf Nachkommenschaft, 2004, S. 92). Für
Wingen müssen die zur Aufgabe der sozialen Ordnungspolitik gehörenden
Grundrichtungen des Handelns stets wider unzulässige »Grenzüberschreitungen«
ausgerichtet sein. (Vgl. ebd., S. 90-96). Das bedeutet aber auch, daß das
gesellschaftliche Subsystem Wirtschaft auch die ihm gesetzten Grenzen zu wahren
hat und daß die ökonomischen Zwänge und Gesetzmäßigkeiten
nicht in andere gesellschaftliche Lebensbereiche eindringen dürfen, in denen
sie nicht nur störend, sondern sogar zerstörend wirken. .... Wo die
Grenzen des Wirtschaftlichen nämlich nicht ausreichend beachtet werden, kommt
es zu unzulässigen Übertragungen von Sachzusammenhängen aus einem
gesellschaftlichen Bereich in andere Bereiche, wo sie nicht hingehören. Solche
»unzulässigen Grenzüberschreitungen« lägen dort vor,
wo z.B. die Familie primär nach den Gesetzmäßigkeiten des wirtschaftlichen
Geschehens organisiert würde, wo die ökonomische Rationalität
sich über dem engeren Bereich des Wirtschaftlichen hinaus in die sozialen
Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens ausweiten würde, so daß
es zu einem »Überwuchern« seitens der ökonomischen Denkweise
und damit zu einer Gefährdung der nichtökonomischen Grundlagen des gesellschaftlichen
Zusammenlebens kommt. H. Geißler faßt diesen Sachverhalt lakonisch
in den Satz: »Die Sozialbeziehungen werden monetarisiert.« Für
unsere Fragestellung bedeutet dies, daß es auf diese Weise nicht zuletzt
durch massive Geburtenausfälle zu nachhaltigen Verwerfungen in den demographischen
Strukturen (mit auf längere Sicht auch empfindlich spürbaren Rückwirkungen)
kommt. Siehe dazu die aufschlußreichen Hinweise von Jospeh A. Schumpeter
in seinem Buch: »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, 1942.
(Ebd., S. 95-96). Diejenigen, die die Anreize zum Verzicht
auf Nachkommenschaft durchsetzen, verstoßen gegen das Grundgesetz (das ist
unsere Verfassung!), und das bedeutet mehr als Mindeststrafe: Umerziehung
und Vergangenheitbewältigung.
Entscheidungen für oder gegen Kinder
werden nicht wirklich frei getroffen!
Eine Analyse
der sozial-ökonomischen und soziokulturellen Lage insbesondere von jungen
Familien in unseren westeuropäischen Industriegesellschaften mit ausgeprägten
»strukturellen Rücksichtslosigkeiten« gegenüber Familien
- so ein Begriff, der spätestens seit dem Fünften Familienbericht der
Bundesregierung (1993) im Anschluß an F.-X. Kaufmann Karriere gemacht hat
( )
- macht es erforderlich, diese auf weltweiten Bevölkerungskonferenzen mehrfach
bestätigte grundlegende Recht der Paare im Blick auf Entscheidungen für
Kinder in unserer Gesellschaft durchzubuchstabieren. So darf man fragen, wie »frei«
diese (angeblich doch so) autonomen Entscheidungen
tatsächlich sind. Wie der gründlich belegte familienwissenschaftliche
Forschungsstand zeigt, gibt es vielfältige Barrieren und Behinderungen
materieller und inmaterieller Art, teils gerade auch in den Strukturen unserer
Wirtschaftsgesellschaft begründete Hemnisse, die einer Realisierung von Kinderwünschen
- in sozialschichtenspezifisch durchaus unterschiedlicher Weise - entgegenstehen.
Dabei sind die Entscheidungen für oder gegen Kinder nachhaltig durch soziale
Normen und Werthaltungen gesellschaftlich überformt - und dies in einer auch
wertepluralistischen Gesellschaft. Diese Faktoren konstituieren zusammen einen
Rahmen, der allzu oft als wenig kinder- und familienbezogen erfahren wird. Kann
von wirklich freier Entscheidung dann gesprochen werden, wenn Eltern mit der Entscheidung
zu (mehreren) Kindern sich und die (weiteren) Kinder in - wenn auch kulturspezifisch
relative - Armut hinein manövrieren? Können diese Entscheidungen
als wirklich frei gelten, wenn sie unter den gegeben Bedingungen gleichbedeutend
sind mit einem Selbstausschluß aus auch anderen Formen sinnvoller und attraktiver
Lebensgestaltung? .... In unserer Sozialordnung, die Würde, Freiheit
und Gleichheit (und warum nicht auch Brüderlichkeit,
genauer gesagt: Gemeinsamkeit, Elterlichkeit?) der Bürger in den Mittelpunkt
stellt und in der die Reproduktion der Gesellschaft von der Vielzahl der autonomen
individuellen Paarentscheidungen abhängig ist, ist die Freiheit, Kinder
zu haben (bzw, genauer: die Freiheit, Kinder auch haben zu wollen) grundgesetzlich
geschützt. Muß unter den bestehenden sozialkulturellen Bedingungen
aber nicht gefragt werden dürfen, inwieweit tendenziell von einem »Systemzwang«
der Wirtschaft gesprochen werden kann, der die selbstbestimmte Ausübung der
reproduktiven Rechte mehr oder minder massiv beschränkt ? Kommt es
hier nicht selten sogar - überspitzt ausgedrückt - zu einer Art Geburtenverhinderungspolitik?
(Max Wingen, Was bedeutet freie Entscheidung über die Kinderzahl?,
in: Ders., Die Geburtenkrise ist überwindbar - Wider die Anreize zum Verzicht
auf Nachkommenschaft, 2004, S. 98-100). Ja! Ja, es kommt hier zur Geburtenverhinderungspolitik,
und weil das Individuelle an den Einzelwesen besonders bei uns im Abendland
überschätzt wird, ist das Durchsetzen (bei den Empfängern: Akzeptanz)
der Anreize zum Verzicht auf Nachkommenschaft sogar noch leichter für die
Geburtenverhinderungspolitiker!Weil also unsere Herrschenden
aus Politik und Gesellschaft - inklusive Wirtschaft - kinderfeindlich sind und
(negativen!) Einfluß auf die Geburten nehmen, betreiben sie auch Bevölkerungspolitik.
Ihre Behauptung des Gegenteils ist eine Lüge und dient der Propaganda zur
Durchsetzung ihrer negativen Bevölkerungspolitik (negative Geburtenpolitik,
negative Wanderungspolitik). Wenn die Bevölkerungspolitik kein von ihnen
propagandistisch behauptetes Tabu mehr wäre, dann entstünden ihnen Konkurrenten,
und die wollen sie natürlich nicht dulden. Seit 1969-1972 hätten unsere
Herrschenden diesbezüglich eine ganz andere Politik - nämlich genau
entgegengesetzt zu der, die sie tatsächlich betrieben haben - betreiben müssen,
aber sie haben sich statt dessen immer mehr aus der Verantwortung gestohlen, sich
der Wirtschaft untergeordnet und im Verbund mit ihr und den Lobbygruppen eine
negative Bevölkerungspolitik betrieben mit der Lüge, sie sei keine Bevölkerungspolitik.
Es gibt überhaupt keine Politik ohne Bevölkerungspolitik. In jeder Politik
steckt immer auch eine große Portion Bevölkerungspolitik. Ob jemand
Täter oder Opfer einer Bevölkerungspolitik ist, ob eine Bevölkerung
aktiv oder passiv, ob sie von außen oder von innen beeinflußt wird,
ob sie negative oder positive Auswirkungen hat, ist als Tatsache gleichgültig,
daß Bevölkerungspolitik sich immer ereignet.
Unsere gewünschte Kinderzahl ist höher als unsere reale Kinderzahl
Dies ist auch ein Indiz dafür, daß unsere Herrschenden aus
Politik und Gesellschaft - inklusive Wirtschaft - kinderfeindlich sind und (negativen
!) Einfluß auf die Geburten nehmen. Wenn behauptet wird, daß die Wirtschaft
hierfür eine größere Rolle spiele als die Politik, so mag das
richtig sein, doch die Verantwortung auch dafür trägt die Politik, denn
nur sie kann (mit verabschiedeten und durchgesetzten Gesetzen) die Wirtschaft
beeinflussen. Ja, sie muß es sogar. Sie ist dazu verpflichtet. Statt dessen
aber wurde unsere Politik immer mehr und ganz besonders seit den 1960er Jahren
der Wirtschaft untergeordnet - auch im Glauben, mit Wirtschaftswachstum so gut
wie alles erreichen zu können. Doch das ist ein Irrglaube. Sogar mit zweistelligen
Wirtschaftswachstumsraten sind viele der allgemeinen Probleme nicht zu lösen,
jedenfalls nicht langfristig - es ist eher umgekehrt: langfristig bekommt man
durch hohe Wirtschaftswachstumsraten eher noch mehr Probleme. Eines der wichtigsten
Probleme, wahrscheinlich sogar das größte Problem ist der Bevölkerungsschwund.
Deswegen muß spätestens ab jetzt eine jede Politik eine positive
Bevölkerungspolitik beinhalten, denn nur die dient letztendlich auch der
Wirtschaft. Doch unsere Politiker haben seit der Zeit unseres ersten Geburtendefizits
- 1971/'72 -, ihre Politik nicht verändert. Statt dessen haben sie Lippenbekenntnisse,
Versprechen und Schulden in die Höhe getrieben, den Vormundschaftsstaat namens
Sozialstaat ausgebaut, sich der Wirtschaft, den Lobbygruppen, dem Ausland immer
mehr unterworfen und ihre negative Bevölkerungspolitik sogar noch intensiviert.
Zur negativen Bevölkerungspolitik, die dazu auch noch durch viele andere
Politikbereiche ( )
negativ verstärkt, gehört vor allem die negative Wanderungspolitik,
die Zuwanderungspolitik heißt und Abwanderungspolitik bedeutet, weil sie
eine Politik für die Zuwanderung Unqualifizierter ist und deshalb (Standortnachteil
u.s.w.) zur Abwanderung Qualifizierter führt, den Bevölkerungsrückgang
noch verstärkt; außerdem ist ohnehin die Zuwanderung zu teuer ( ),
gefährlich, unsinnig, extrem schädlich, also: für Gesellschaft
und Wirtschaft!Verfassungswidrig ist, daß unsere Herrschenden
aus Politik und Gesellschaft (inklusive Wirtschaft) zulassen, daß das Deutsche
Volk, von dem Schaden abzuwenden unsere Herrschenden aus der Politik ja geschworen
haben, sich statt zu 100% (Nettoreproduktionsrate = 1) nur noch zu 67% (Nettoreproduktionsrate
= 0,67) ersetzt, weil - ausgerechnet (!) - die Politiker ihre Mittel, die sie
ja haben, um Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden, ignorieren und, was am bösartigsten
ist, den Bevölkerungsrückgang forcieren (wollen), ja sogar noch spöttisch
oder mit falschem Stolz verkünden (dürfen), ihn tatsächlich auch
forciert zu haben. All das passiert hier wirklich, und das ist eindeutig verfassungswidrig.
Es ist gegen unsere Verfassung, gegen unser Grundgesetz. Auch die Politiker, die
sich passiv gegenüber der Bevölkerungspolitik verhalten, sind an der
Bevölkerungspolitik beteiligt, und unsere Politiker, die ja eine Zuwanderungspolitik
betreiben, sind an der Bevölkerungspolitik ja sogar aktiv beteiligt. Die
Ausreden, die den Herrschenden aus Politik und Gesellschaft (inklusive Wirtschaft)
dazu immer wieder neu einfallen und in den Medien die Runde machen (dürfen),
sind lächerlich. Es hängt auch nicht von dem Wort Bevölkerungspolitik
ab, ob Bevölkerungspolitik betrieben wird oder nicht (sie wird betrieben
!); man könnte sie auch Demographiepolitik nennen, semantisch
ist das egal, weil beide synonym bzw. äquivalent verwendbar sind. Politik
und Medien aber öffnen immer mehr unwichtige Gerüchtekammern, um immer
mehr unwichtige Verdächtigungen hochkochen, um immer mehr Dunst, Qualm und
Rauch nach außen dringen, um also immer mehr Gerüchte, Verdächtigungen
und Tabus im möglichst großen Raum verbreiten (lassen) zu können.
Wer sich auch heute immer noch von den Nazis vorschreiben lassen will, welche
Politik erlaubt und welche tabu sei, soll aufhören, politisch zu sprechen,
denn die Nazis haben ja auch politisch gesprochen; konsequenterweise müßten
alle aufhören, politisch zu sein, denn die Nazis sind ja auch politisch gewesen;
demnach müßten Politiker verboten sein, denn die Nazis sind ja auch
Politiker gewesen; um Politiker zu verbieten, müßten Gesetze beschlossen
werden, doch die wären demnach ja auch verboten, weil die Nazis auch Gesetze
beschlossen haben. Die in Politik und Medien erbrüteten Gerüchte, Verdächtigungen
und Tabus dienen der Scheinmoral-Industrie,
die sich auf diese Weise immer mehr Macht holt, und werden immer gefährlicher,
sind auch deshalb verfassungswidrig, weil sie Volksverdummung in Einheit mit Volksverhetzung
beinhalten. All diese Negativpolitik kann durchaus auch langfristige Folgen
haben, also sind insbesondere die Nachkommen betroffen, und zwar so lange, bis
irgendwann in der Zukunft nur noch eine Negativgesellschaft mit einer Negativwirtschaft
übrig sein wird.
Einzelne haben auch Verantwortung!
Der Bezug der eigenverantwortlichen
Entscheidungen für Kinder zur sozialen Verantwortung des Einzelnen
bleibt freilich einem individualistischen Denken liberalistischer Prägung
weitgehend verborgen. Die soziale Verantwortung des Menschen als eines individual-
und gemeinschaftsbezogenen Wesens darf indessen grundsätzlich den Bereich
des generativen Verhaltens nicht ausklammern; Politik muß die Voraussetzungen
schaffen und absichern, daß sich diese soziale Verantwortung entwickeln
kann. Deshalb gehört andererseits aber auch dort, wo die im Raum der Eigenverantwortung
... angesiedelte Entscheidung gegen (eigene oder adoptierte) Kinder fällt,
dazu auch die eigenverantwortliche Übernahme der gesellschaftlichen Folgen
dieses Verhaltens, etwa für die Inpflichtnahme für die Funktionsfähigkeit
des auf Generationensolidarität beruhenden sozialen Sicherungssystems. Insofern
muß bei Entscheidungen gegen Kinder die in anderen Zusammenhängen viel
beschworene Zumutbarkeit der auch materiellen Konsequenzen für den
Einzelnen in der Verteilungspolitik bzw. in der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme
mit gesehen werden. In der sozialpolitischen Debatte sind ja immer wieder - z.B.
vom Deutschen Familienverband (DFV) in den 1950er Jahren bis zu den jüngsten
Voten des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung (vgl. Hans-Werner Sinn,
Das demographische Defizit, 2003) - für das stehende Rentenversicherungssystem
Vorschläge vorgelegt worden, die darauf abzielen, im System der sozialen
Altersversorgung gröbsten negativen Auswirkungen auf das generative Verhalten
der Einzelnen dadurch zu begegenen, daß Kinderlose mit vergleichsweise höheren
Beiträgen belegt werden bzw. geringere Rentenleistungen erhalten. Die Reaktionen
in Politik und Öffentlichkeit lassen dabei unter dem her oberflächlichen
Argument der »Bestrafung« Kinderloser erkennen, daß gar nicht
erst versucht wird, grundlegende ökonomische Zusammenhänge zu erfassen.
(Max Wingen, Die Geburtenkrise ist überwindbar - Wider die Anreize zum
Verzicht auf Nachkommenschaft, 2004, S. 104-105). Max Wingen zitiert Hans-Werner
Sinn: »Heute greift der Staat auf dem Wege über das Rentensystem
ganz massiv in die Familienplanung ein, indem er die Beiträge der Kinder
zur Rentenversicherung sozialisiert und so die natürlichen ökonomischen
Motive für den Kinderwunsch aus den Köpfen der Menschen vertreibt.«
(Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit, in:
Info-Schnelldienst, Nr. 5, 2003, S. 33). Ein pragmatischer Umgang mit dem
Thema Familienplanung und Fertilität sei dringend geboten: »Dazu muß
auch der Staat umsteuern, denn er ist es, der durch seine sozialen Sicherungssysteme,
die das Schicksal des Einzelnen von den Konsequenzen seiner Fertilitätsentscheidungen
abgetrennt haben, ganz maßgeblich zur Änderung des gesellschaftlichen
Wertes der Familie und zur Kinderlosigkeit der Deutschen beigetragen hat.«
(Ebd., S. 35). (Ebd.). Was die Verantwortung
für die negative Bevölkerungsentwicklung betrifft, so bestehen überhaupt
keine Zweifel: Einzelne haben auch Verantwortung, doch der Staat noch viel
mehr!Wichtig ist auch, zwischen Maßnahmen zugunsten von
Eltern und von Kindern zu unterscheiden, die Rede von »Familienpolitik«
verwischt hier die Bezüge. Die Lebenslage beider Gruppen ist von unterschiedlichen
Maßnahmen abhängig, und es ist keineswegs zwingend, daß Maßnahmen,
die den Eltern nützen, auch den Kindern zugute kommen - und umgekehrt. Bei
den Maßnahmen zugunsten von Eltern ist zu unterscheiden, ob sie die
direkten Kosten (monetäre Aufwendungen) für Kinder reduzieren,
oder ob sie in erster Linie die Opportunitätskosten des Kinderhabens
reduzieren, also den Eltern die Vereinbarkeit familiärer und außerfamiliärer
Zielsetzungen erleichtern. Beide Arten von Maßnahmen dienen primär
dem Familienlastenausgleich, d.h., sie wollen die Belastungen reduzieren,
welche Eltern im Vergleich zu Kinderlosen auf sich nehmen. Hiervon zu unterscheiden
ist der Familienleistungsausgleich; hier geht es darum, die positiven »externen
Effekte«, also Leistungen der Eltern für andere Gesellschaftsbereiche,
anzuerkennen. Zentral ist hier an die oben dargestellten investiven Leistungen
der Humanvermögensbildung für die Volkswirtschaft zu erinnern. Die beiden
Begriffe werden bisher meist alternativ und nicht trennscharf verwendet. Genaugenommen
handelt es sich um unterschiedliche Begründungen für familienpolitische
Maßnahmen. De facto ist bisher ein »Familienleistungsausgleich«
im genannten Sinne in der deutschen Familienpolitik kaum existent. So auch Gerlach
(Familienpolitik, 2004, S. 211): »Ein Leistungsausgleich könnte
sich aber erst ergeben, wenn es tatsächlich zum Ausgleich der externen Effekte
käme, die durch Familienarbeit für die Gesellschaft zustande kommen.«
Unsere Argumentation in Abschnitt 6.7 ( )
geht dahin, daß aus dem Fehlen dieses Ausgleichs die entscheidende Benachteiligung
der Eltern gegenüber den Kinderlosen resultiert. Was die staatlichen Leistungen
für Kinder betrifft, so sind sie nicht zwangsläufig mit Familienpolitik
verbunden. Das Verhältnis zwischen familienunterstützenden, familienergänzenden
und familienersetzenden Maßnahmen zugunsten von Kindern blieb lange Zeit
umstritten. Allein schon diese Systematik ist allerdings fragwürdig, weil
sie die Familie und nicht das Kind ins Zentrum der Betrachtung stellt. Aus
der Sicht kindlicher Sozialisation kommt es gerade auf das Zusammenwirken von
elterlicher Zuwendung und Unterstützung einerseits und außerfamilialer
Förderung andererseits an. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende
Gesellschaft, 2005, S. 187-188).Diejenigen,
welche nicht in das Humankapital der nachwachsenden Generationen investieren,
müssen in äquivalenter Weise zur kollektiven Zukunftsvorsorge beitragen,
nämlich durch zusätzlichen Konsumverzicht und die Bildung von Ersparnissen.
Jeder
und jede, die aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen dazu in
der Lage sind, vorzusorgen, haben dies entweder in der Form von Kindererziehung
oder in der Form der langfristigen Ersparnisbildung zu leisten. Für dieses
Gleichgewicht zu sorgen ist die zentrale sozialpolitische Aufgabe des kommenden
Jahrzehnts. .... Da die Aufwendungen für die alte Generation ganz überwiegend
durch politisch festgelegte Umverteilungen zu Lasten der Erwerbstätigen finanziert
werden, die Aufwendungen für die nachwachsende Generation jedoch nach Schätzungen
des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen (Leistungen für
die nachwachsende Generation in der Bundesrepublik Deutschland, 1979) zu rund
drei Vierteln von den Eltern selbst getragen werden, ist die Belastung der öffentlichen
Haushalte durch das Kippen der Generationsbalance noch weit schwerwiegender. Die
»Ersparnisse« durch den Geburtenrückgang kommen ganz überwiegend
denjenigen Individuen zu, die auf die Erziehung von Kindern verzichten, während
die zunehmenden Belastungen für die Alterssicherung auf die öffentlichen
Haushalte zukommen. .... Es ist geradezu absurd, daß diejenigen, die
das Humanvermögen der Zukunft aufziehen, also die wichtigste Basis
für die Finanzierung der zukünftigen Renten gewährleisten, im Rahmen
der Rentenanwartschaften nicht oder nur minimal anerkannt werden. .... Hans-Werner
Sinn, der gegenwärtige Direktor des Ifo-lnstituts, verficht ein dem Gedanken
Schreibers verwandtes ( ),
in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation wohl praktikableres Konzept.
Er kritisiert, daß der Ausbau des Familienlastenausgleichs zur Kompensation
der Nachteile des Kinderhabens in der Alterssicherung »auf eine doppelte
Intervention des Staates« hinausläuft, und plädiert daher dafür,
allein im Rentenrecht anzusetzen und die bis 2035 unumgänglichen Kürzungen
der gesetzlichen Renten nur denjenigen aufzuerlegen, die weniger als zwei Kinder
erziehen, und für ebendiese eine Vorsorge im Sinne der kapitalgedeckten Riester-Renten
vorzuschreiben. Er begründet dies wie folgt:»Im
Generationenzusammenhang (gehört es) zu den normalen Pflichten einer jeden
Generation ..., zwei Leistungen zu erbringen: In der leistungsfähigen Lebensphase
muß man seine Eltern und seine Kinder ernähren. Die erste dieser beiden
Leistungen wird in Form der Rentenbeiträge erbracht, die ja in vollem Umfang
an die heutigen Rentner fließen. Doch die zweite Leistung wird von vielen
Menschen nicht erbracht, weil sie sich gegen Kinder entscheiden. So gesehen ist
es sehr wohl gerecht, nun auch diesen Menschen eine zweite Leistung in Form des
Riester-Sparens abzuverlangen. Dadurch sichern sie sich die Renten, deren Vollfinanzierung
man den wenigen zukünftigen Beitragszahlern nicht mehr zumuten kann, und
es wird möglich, den Eltern einen größeren Teil der von ihren
eigenen Kindern gezahlten Rentenbeiträge zu belassen. Menschen, die mehrere
Kinder großziehen, an der Riesterrente zu beteiligen, hieße indes,
ihnen eine dreifache Last aufzuerlegen. Als Beitragszahler ernähren sie die
jetzt Alten, als Eltern finanzieren sie über die Kosten der Kindererziehung
die Renten aller zukünftigen Rentenbezieher, und als Riester-Sparer müßten
sie zusätzlich ihre eigenen Renten finanzieren.« (Hans-Werner Sinn,
Das demographische Defizit, in: Christian Leipert, Demographie und Wohlstand,
2003, S. 87; vgl. auch Hans-Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten?,
2003, S. 389ff.). | Sinns Vorschlag läuft auf eine
allgemeine Kürzung der Renten hinaus, bei gleichzeitiger Aufwertung der Ansprüche
aus Erziehungsleistungen. Entsprechende durchgerechnete Vorschläge wurden
von Gallon, Bank und Kreikebohm bereits 1994 vorgelegt. Sie haben jedoch niemals
eine ernsthafte politische Diskussion ausgelöst. Immerhin scheint neuerdings
der öffentliche Druck auf eine stärkere Anerkennung der Familienleistungen
zuzunehmen, was bei den »Mandarinen des Systems« entsprechende Abwehrreaktionen
auslöst. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005,
S. 196, 218, 225, 226-227). Es kommt ... darauf an, den Generationenvertrag
zwischen der Erwachsenen- und der Altengeneration so zu modifizieren, daß
die volkswirtschaftliche Leistung der Kindererziehung äquivalent zu einer
höheren Sparrate der Kinderlosen gilt. Unter dieser Voraussetzung könnte
auf den von Wilfried Schreiber vorgesehenen »zweiten Generationenvertrag«
grundsätzlich verzichtet werden. ( ).
Damit wäre das Problem der »Transferausbeutung«, d.h. der Familienleistungsausgleich,
prinzipiell gelöst. Das macht allerdings den Familienlastenausgleich
nicht entbehrlich, wie Sinn meint. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende
Gesellschaft, 2005, S. 228). Im Anschluß an eine vergleichende
Untersuchung unterschiedlicher Entlastungsformen von Familien im Rahmen der Gesetzlichen
Pflegeversicherung haben Winfried Schmähl und Heinz Rothgang (Familie
und Pflegeversicherung: Verfassungsrechtlicher Handlungsbedarf, Handlungsmöglichkeiten
und ein Gestaltungsvorschlag, 2004) jüngst ein umfassendes Konzept des
Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs vorgelegt. Sie machen zu Recht
darauf aufmerksam, daß die bisherige Politik der Entlastung von Familien
stückwerkartig und intransparent ist und daß insbesondere steuerlich
finanzierte Leistungen in erheblichem Maße von den Familien mitfinanziert
werden. Demzufolge schlagen sie vor, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte
Entlastung der Familien in der Pflegeversicherung nicht durch eine erneute punktuelle
Maßnahme, sondern im Zuge einer umfassenden Reorganisation der Transferströme
zugunsten von Familien vorzunehmen. Schmähl und Rothgang schlagen vor, den
ohnehin steuerfinanzierten Familienlastenausgleich durch ebenfalls steuerfinanzierte
Zuschüsse zu den Beitragszahlungen an Renten- und Pflegeversicherung von
Personen mit Erziehungsverantwortung zu ergänzen. Das eigentlich Neue an
ihrem Vorschlag bezieht sich jedoch auf die Finanzierungsseite: Um die bisherige
intransparente Beteiligung auch einkommensschwacher Eltern an der Finanzierung
der Familienleistungen zu beseitigen, sollte die Finanzierung des Familienlasten-
und Familienleistungsausgleich als Zuschlag zur Einkommensteuer ausgestaltet werden
(»Kinder-Soli«). Dieser Vorschlag verspricht in der Tat eine sehr
effektive und das gesamte Transfersystem erheblich vereinfachende Lösung,
die dem ursprünglichen Gedanken Wilfried Schreibers ( ),
die Transferströme zugunsten der nachwachsenden Generation in einer »Kinderkasse«
zu bündeln, nahe kommt. (Vgl. Wilfried Schreiber, Existenzsicherung in
der industriellen Gesellschaft, 1955, S. 32ff.). Immer bleibt es eine politische
Entscheidung, in welchem Ausmaße die Bevölkerung zur kollektiven Altersvorsorge
angehalten werden soll, und nur in diesem Zusammenhang kann realistischerweise
von einem Familienleistungsausgleich die Rede sein. In diesem Rahmen allerdings
erscheint mir die Anerkennung der Haushaltsproduktion neben der marktwirtschaftlichen
Produktion und damit die Anerkennung der Humanvermögensbildung als Investition
neben der Sachvermögensbildung eine wissenschaftliche und politische Voraussetzung,
um Deutschland eine humanere und ökonomisch nachhaltigere Zukunftsperspektive
zu geben. Um dies zu begreifen, muß man sich allerdings vom Schleier einer
bloß monetären Betrachtungsweise lösen und die realen Zusammenhänge
der Wohlfahrtsproduktion in den Blick nehmen. (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende
Gesellschaft, 2005, S. 230-231).Schreibers
Plan von 1955 ist auch heute noch aktuell, sein Drei-Generationen-Modell
war und ist richtig, doch Adenauer lehnte es ab, weshalb nur ein verkrüppeltes
Zwei-Generationen-Modell übrig blieb, weil der damalige Bundeskanzler
Adenauer leider meinte: Kinder kriegen die Leute sowieso. Hauptargument
für Schreibers Umlageverfahren ist die proportionale Angleichung des Rentenniveaus
an die wirtschaftliche Entwicklung der Arbeitseinkommen. Schreiber forderte radikale
Unterdrückung von Staatszuschüssen zur Sozialversicherung. (Wilfried
Schreiber, Existenzsicherung in der industriellen Gesellschaft, 1955, S.
14). Es ist der Rentenkasse grundsätzlich untersagt, irgendwelche Vermögenswerte,
seien es Zuschüsse oder Zuwendungen von juristischen oder natürlichen
Personen oder Stiftungen entgegenzunehmen oder zu verwalten. (Ebd., S. 29).
Denn: Es ist ersichtlich sinnlos, dem Steuerzahler zunächst Einkommensteile
in Form von Steuern abzunehmen und sie ihm dann mit der Geste des Wohltäters
zurückzugeben. Machen wir Schluß mit diesem Gaukelspiel, das nur der
falschen Optik der Staatsomnipotenz Vorschub leistet. Der Staat verlangt von uns
Unternehmern mit Recht Bilanzklarheit und Wahrhaftigkeit. Wir verlangen mit demselben
Recht Klarheit und Wahrhaftigkeit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.
(Ebd., S. 14). Wie bereits gesagt: Der Schreiber-Plan beruhte ursprünglich
(das heißt: bevor Adenauer ihn amputierte!) auf einem Drei-Generationen-Modell.
In der industriellen Gesellschaft stellt sich daher erstmalig
das Problem der Verteilung des Lebenseinkommens auf die drei Lebensabschnitte:
Kindheit und Jugend, Arbeitsalter sowie Lebensabend. (Ebd., S. 7).Kindheit
und Jugend
| Arbeitsalter | Lebensabend |
Schreiber ging davon aus, daß ein umlagefinanziertes Rentensystem
nur ungestört funktionieren kann, wenn ein ausgewogenes Verhältnis
der Generationen vorausgesetzt werden kann. Die Erwerbsfähigen müßten
daher nicht nur in die Rentenkassen einzahlen, sondern auch Kinder großziehen,
um die Versorgung künftiger Rentner durch eine hinreichende Anzahl
von Beitragszahlern zu gewährleisten. Um die familiäre Leistung
der Kindererziehung zu honorieren, schlug Schreiber eine zusätzliche
Kindheits-und Jugendrente vor, und zwar mit Staffelung der
Rückerstattungsquoten nach Familienstand als bewußtes
Element der Bevölkerungspolitik. (Ebd., S. 35). Die Institutionen
der Altersrente und des Kindergeldes gehörten mit Notwendigkeit
zusammen und müßten als Einheit gesehen werden, weil
beiden der gleiche und einheitliche Tatbestand und dasselbe Problem zugrunde
liegen. (Ebd., S. 37). Erziehungsleistungen waren für Schreiber
also ebenso Vorbedingung für die Beanspruchung einer späteren
Altersrente wie das Einzahlen der Beiträge: Wer kinderlos oder
kinderarm ins Rentenalter geht und, mit dem Pathos des Selbstgerechten,
für gleiche Beitragsleistungen gleiche Rente verlangt und erhält,
zehrt im Grunde parasitär an der Mehrleistung der Kinderreichen,
die seine Minderleistung kompensiert haben. Es gibt allen Spöttern
zum Trotz ein gesellschaftliches »Soll« der Kinderzahl, eben
jene 2,1 Kinder, die jeder Einzelmensch haben muß, damit die Gesellschaft
am Leben bleibt und auch für den Unterhalt ihrer Alten aufkommen
kann. (Ebd., S. 37). Das Konzept der Kindheits-und Jugendrente wurde
leider - man kann es gar nicht oft genug beklagen - von dem Herrn Bundeskanzler
Adenauer und auch mehrheitlich von seiner Regierung abgelehnt. Offenbar
verfolgte Adenauer andere Pläne zur Familienförderung. Er hatte
bereits 1953 mit Franz-Josef Wuermeling einen Familienminister eingesetzt
- und ab 1955 gab es Kindergeld - allerdings unabhängig von der Gesetzlichen
Rentenversicherung. Schreiber forderte auch einen doppelten Erstattungsfaktor
für Kinderlose ab einem Alter von 35 Jahren. Kinderlose Werktätige
über 35 Jahre sollten unmißverständlich mit diesem doppelten
Erstattungsfaktor (Faktor zur Erstattung der Kindheits-und Jugendrente,
welche dann allerdings ja - wegen Adenauer - nicht eingeführt wurde)
zu Kasse gebeten werden. Dem unverheirateten 35jährigen wird
die doppelte Erstattungsquote aufgebürdet (gegenüber dem Ehepaar
mit zwei Kindern), nicht um ihn für seine »Ehelosigkeit«
zu bestrafen - eine sittliche Wertung seines Verhaltens ist nicht Sache
dieser Abhandlung, die sich an rein wirtschaftliche Gegebenheiten hält.
Die Doppelung seines Erstattungsfaktors ist nur die sehr milde Kompensation
dafür, daß er nichts unternimmt, um sein gesellschaftliches
Nachwuchs-Soll zu erfüllen, dabei aber obendrein sein Individualeinkommen
für sich allein verbrauchen kann, während der Ehemann im erstrebten
Regelfall es mit seiner Gattin teilen muß. Diese Doppelung ist auch
in den Fällen gerecht, in denen aus biologischen Gründen eine
Verheiratung unmöglich oder unerwünscht ist. Es wird ja keine
Gesinnung belohnt oder bestraft, es werden nur Folgerungen aus objektiven
wirtschaftlichen Tatsachen gezogen. Ob einer ehelos bleiben will und wieviel
Kinder er haben will, sei eine eigene, höchst individuelle Entscheidung,
in die ihm kein Staat dreinreden soll. (Ebd., S. 37f.). Selbstverständlich
hielt Schreiber einen in der Zukunft möglichen Bevölkerungsrückgang
für problematisch: Die Rechnungsgrundlagen für die Altersrente
zeigen eindeutig, daß die Rentenversorgung der Alten und Nicht-mehr-Arbeitsfähigen
immer problematischer wird, wenn sich der Baum der Bevölkerung nicht
ständig von unten her ergänzt. (Ebd., S. 36). Schreiber
selbst hatte allerdings noch keinen Grund zu allzu großer Besorgnis.
Die zukünftige Rentensicherheit war seinerzeit durch einen beginnenden
Geburtenüberschuß gewährleistet. Zudem konnte er zuversichtlich
der bereits absehbaren Wohlstandsentwicklung des Wirtschaftswunders entgegensehen.
Selbst wenn auf den Ausgleich demographischer Schwankungen verzichtet
würde, stünde sich der Rentner nach der Rentenreform immer noch
besser als vorher. Eine - von Schreiber vorhergesehene - Rentenverschlechterung
durch Überalterung unseres Volkes und durch die höhere
Lebenserwartung der Rentner würde binnen kürzester Zeit durch
die mit Sicherheit zu erwartenden Aufwärtsentwicklung der Arbeitseinkommen
überkompensiert. (Vgl. ebd., S. 31). Schreiber hatte daher allem
Grund zum Optimismus: Seine dynamische Rente war schließlich
auf den Gleichlauf von Renten und Lebensstandard angelegt.
Die Altersrenten folgten also ohne Verzug jeder Steigerung des allgemeinen
Lebenstandards (ebd., S. 31). Mögen 50% des Arbeitseinkommens
als Rente heute noch knapp erscheinen, so Schreiber, in naher
Zukunft wird dieser Satz durchaus annehmbar sein. (Ebd., S. 45).
Die Politik begann jedoch wieder, Fehler zu machen, zu verordnen, denn
entgegen Schreibers Empfehlungen setzte Bundeskanzler Adenauer ein Brutto-Rentenniveau
von 60% fest - und zwar trotz aller mathematischen Bedenken, die ihm von
wissenschaftlicher Seite entgegengebracht wurden. Die Erhöhung war
offenkundig strategisch motiviert. Die Gewerkschaften und die SPD hatten
schließlich 75% gefordert. Bei den anstehenden Bundestagswahlen
von 1957 wären die von Schreiber vorgesehenen 50% also vergleichsweise
unattraktiv gewesen. Auch dieses Mal wurde leider die Vernunft von der
Politik amputiert.
Also: Schreibers Vorschläge zur Rentenreform sind auch heute noch
außerordentlich aktuell. Schreibers Empfehlungen sind so gegenwartsnah,
daß man kaum glauben mag, daß der Text des Schreiber-Planes bereits
in den 1950er Jahren geschrieben wurde. Alle für die Rentenversicherung in
der Zukunft möglichen Fehlentwicklungen hatte er klar vorhergesehen: Hätte
die Politik damals Schreibers umfassendes Konzept ganz übernommen, wären
unsere Sozialversicherungen heute nicht in einer Krise, so der Bund Katholischer
Unternehmer in der offiziellen Stellungnahme. Mit der dynamischen Umlagefinanzierung
hatte Schreiber den gewählten Volksvertretern des Deutschen Bundestages ein
zweifellos funktionierendes Rentensystem anvertraut, welches allerdings - ganz
im Gegensatz zu wahltaktischen 4-Jahres-Strategien - auf kluge und vorausschauende
Politik angewiesen ist. Den ökonomischen Weitblick der praktischen Politik
hatte Schreiber dabei offenbar überschätzt. So ist die gegenwärtige
Rentenversicherung - entgegen Schreibers ursprünglich selbsttragender Konstruktion
- weitgehend auf staatliche Zuschüsse angewiesen.Weitere positive
Stimmen zum Schreiber-Plan: Die 1955 von dem Kölner Privatdozenten
Wilfried Schreiber (Volkswirt und Geschäftsführer des Katholischen Unternehmerverbandes)
vorgeschlagene und von Konrad Adenauer in der epochemachenden Rentenreform von
1957 verwirklichte Idee einer demographischen Garantie der Alterssicherung durch
das Umlageverfahren - die jeweils mittlere Generation finanziert die Renten der
gleichzeitig lebenden Ruheständler - ist im Prinzip die beste Lösung,
allerdings nur dann, wenn die demographische Basis langfristig trägt, und
zwar über einen Zeitraum von Generationen. Ist diese Voraussetzung verletzt
- Adenauer glaubte, daß die Menschen sowieso «immer» genügend
Kinder haben und lehnte die von Schreiber zusätzlich zur Rentenkasse geforderte
«Familienkasse» strikt ab -, treten schwierigste Bewertungsprobleme
auf. Dann müssen bei der Bemessung der Rentenhöhe zwei verschiedene
Arten von Lebensleistungen gerecht gegeneinander abgewogen werden: Die unbezahlten
Arbeits- und Erziehungsleistungen der Eltern, insbesondere der Frauen, und die
vom Markt entlohnten Arbeitsleistungen der Erwerbstätigen bzw. die daraus
entrichteten monetären Rentenbeiträge. (Herwig Birg, Die ausgefallene
Generation - Was die Demographie über unsere Zukunft sagt, 2005, S. 120).
Durch das Verbot der Kinderarbeit und die Einführung formaler
Verrentungsgrenzen hat die stattliche Sozialpolitik schon im 19. Jahrhundert die
Lebensphase der Erwerbstätigkeit durch Altersgrenzen definiert. Und im 20.
Jahrhundert wurde durch Hinaufsetzung des Jugendschutzalters und den Ausbau des
Bildungswesens einerseits sowie durch Herabsetzung des Verrentungsalters und die
Ermöglichung eines vorzeitigen Ruhestandes andererseits die Erwerbsphase
weiter eingeengt, so daß heute die Erwerbstätigen im wesentlichen der
Altersgruppe der 20-bis-60-Jährigen angehören. Weil die meisten sozialpolitischen
Maßnahmen durch einkommensproportionale Beiträge vom Arbeitsentgelt
finanziert werden, Erwerbsarbeit selbst aber in einem immer enger werdenden Altersrahmen
sich konzentriert, hat sich der Sozialstaat immer unmittelbarer von der demographischen
Entwicklung abhängig gemacht. .... Schreiber ... forderte ... nicht nur
einen staatlich vermittelten Solidarvertrag zwischen der erwerbstätigen und
der alten Generation, sondern einen zweiten Solidarvertrag zwischen der erwerbstätigen
und der nachwachsenden Generation, wobei die vorgesehene Kinder- und Jugendrente
von ihm als eine Art Darlehen an den Nachwuchs verstanden wurde, das von diesem
ab dem 35. Lebensjahr zu einem von der eigenen Kinderzahl abhängigen Erstattungssatz
in Form von Beiträgen zurückzuzahlen wäre. (Es fällt auf,
daß die Ausführungen Schreibers zum »Lebensanspruch der Kinder
und Jugendlichen« [Wilfried Schreiber, Existenzsicherheit
in der industriellen Gesellschaft, 1955, S. 31-35] in späteren
Nachdrucken des »Schreiber-Plans« weggelassen wurden!). Der Beitrag
der nachwachsenden Generationen zu diesem zweiten Generationenvertrag sollte also
entweder durch das Aufziehen eigner Kinder oder durch Geldleistungen erfolgen.
Noch deutlicher werden die Implikationen in einem Diskussionsbeitrag von Joachim
Wiesner (in: Oswald Nell-Breuning / Cornelius G. Fetsch, Drei Generationen
in Solidarität - Rückbesinnung auf den echten Schreiber-Plan, 1981,
S. 66) ausgedrückt: »Rentenpolitisch folgt daraus, daß analog
zu den anrechnungsfähigen Zeiten im Rentenanspruchskatalog, wie z. B. Berufsbildung,
Wehrdienst, Arbeitslosigkeit u.s.w. auch ein Faktor »Honorierung von menschlichen
Investitionen« eingefügt werden muß, und zwar nicht etwa nur
in der Almosenform von einigen wenigen zusätzlichen Baby-Jahren, Erziehungszeiten
u.s.w., sondern als gleichberechtigte Komponente neben monetären Beitragsleistungen,
als geldmäßiger Anspruch an die umzuverteilende (sic) Rentenkasse.«
... Wilfried Schreiber war durchaus klar, daß das von ihm entworfene System
nur unter der Voraussetzung einer annähernden Konstanz der demographischen
Proportionen zwischen den Generationen langfristig funktionieren könne ....
(Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 205-208).
 | Seit
dem Rentenreformjahr 1957 ist das Rentenniveau ziemlich stabil geblieben, d.h.:
nach anfänglichen Schwankungen bisher erstaunlich stabil, das Bruttorentenniveau
in einer Größenordnung von 50, das Nettorentenniveau in einer solchen
um 70, beide mit leicht sinkender Tendenz. Ein zweiter für die Alterssicherung
wichtiger ökonomischer Indikator ist der für langfristig angelegtes
Kapital erzielbare Zinssatz. Er hat ... erhebliche Veränderungen erfahren.
Aber auch hier kommt es nicht auf die absolute Höhe, sondern auf das Verhältnis
von Zins und Lohnsteigerungsrate an. Lange Zeit lag der Zinssatz darunter. Heute
erwartet man, daß er künftig immer darüber liegen werde. Doch
wer weiß das heute? (Heinz Grohmann, Alterssicherung im Wechsel
der Generationen, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung
und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 11-12). Unter diesem Blickwinkel noch eine Bemerkung zu insbesondere
langfristigen Voraus- oder Modellberechnungen: sie sind, wenn sie über
die demographische Grundkomponente hinausgehen, zwar mit einer weit größeren
Unsicherheit behaftet; für Langfristanalysen zur Alterssicherung können
sie jedoch hilfreich sein. Sie eigenen sich jedenfalls als Hilfsmittel zur Abschätzung
der Auswirkungen sozio-ökonomischer Verhaltensänderungen und - vielleicht
als wichtigster Zielsetzung - zur Abschätzung der Auswirkungen von Reformmaßnahmen.
(Ebd., S. 12). Reformen und nicht Reförmchen, liebe Politiker, sind gemeint.
Und diese Reformen betreffen nicht nur das Sicherungssystem, sondern das gesamte
politische System!Wird die Politik bereit sein, bisher wirksame
ideologische Scheuklappen abzulegen? Unerläßlich erscheint, daß
die politischen Entscheidungsträger den politischen Willen aufbringen,
eine solche rational einichtig gemachte ganzheitliche, auch bevölkerungsbewußte
Familienpolitik tatsächlich durchzusetzen. Ein grundlegender gesellschaftspolitischer
Paradigmenwechsel ist jedenfalls überfällig. Verschiedentlich wird im
politischen Raum befürwortet, die Soziale Marktwirtschaft (als Neue Soziale
Marktwirtschaft) »auf eine höhere Ebene zu heben« (Angela Merkel).
Wenn dies gewollt ist, dann läuft es - ob sich deren Befürworter dessen
bewußt sind oder nicht - auch im Blick auf die demographische Problemlage
auf nicht mehr und nicht weniger als eine Revision auch der ethischen Grundlagen
unserer Sozial- und Kulturordnung mit einer grundlegenden Neu- und Höherbewertung
der Elternschaft und einer Besinnung auf den Eigenwert von Kindern hinaus.
Hier rückt die gesamte Wirtschafts- und Sozialordnung auf den Prüfstand
i.S. einer Verträglichkeitsprüfung im Blick auf die Übernahme von
Elternschaft, die unter der konkreten gesellschaftspolitischen Ausgestaltung der
sozio-kulturellen und sozialökonomischen Lebensbedingungen von Familien auf
Entscheidungen der einzelnen (Ehe-)Paare beruht,l | die,
stets auch risikobehaftet, als vernünftig erscheinen und als lebenssinnstiftend
erlebt werden können, | l | die
in personaler Freiheit und Verantwortung getroffen werden, | l | deren
Gemeinwohlbezug sich für die Einzelnen als evident erweist. | Diese
erst in Umrissen erkennbare gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung, in
der den gegenwärtig unverkennbar vorhandenen Zügen eines ausgeprägten
Hedonismus ebenso verändernd zu begegnen ist wie Tendenzen zum Ausleben eines
individuellen Egoismus, wird sich nicht von selbst einstellen, sondern muß
durch eine vorbedachte und bewußte Sozialordnungspolitik angestrebt und
gestaltet werden. Wenn es richtig ist, daß die Bejahung des gesellschaftsordnungspolitischen
(und nicht nur wirtschaftsordnungspolitischen) Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft
auch von dem begründeten Vertrauen abhängt, nicht nur am Erfolg des
Systems teilzuhaben, sondern auch in Problemlagen durch Schutzmechaninismen aufgefangen
zu werden, dann muß dies gerade für junge Eltern eine ausreichende
Berücksichtigung des nicht selten auftretenden Konflikts zwischen familiären
Verpflichtungen und und der damit in Übereinstimmung zu bringenden, wenngleich
dann auch mehr oder weniger begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten insbesondere
im Erwerbsarbeitsleben einschließen. Nur dann können den betroffenen
Familien die Erfordernisse des Wirtschaftsprozesses und die sozialen Lebensbedürfnisse
»jenseits des Marktes« als im Gleichgewicht befindlich erscheinen.
Indem eine familienorientierte Wirtschafts- und Erwerbsarbeitsordnung einen wirksamen
Beitrag leistet zur Vergrößerung der Chancengleichheit für
die Verwirklichung von Lebensentwürfen mit Kindern in der Konkurrenz
zu nichtfamilialen Lebensformen, trägt sie zur Festigung des ordnungspolitischen
Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft im Bewußtsein breiter Schichten bei.
Hier vollzieht sich gerade für Menschen und junge Eltern, die bewußt
Elternverantwortung gemeinwohldienlich übernommen haben oder zu übernehmen
bereit sind, in aller Stille ein Glaubwürdigkeitstest auf die Soziale Marktwirtschaft.
(Max Wingen, Die Geburtenkrise ist überwindbar - Wider die Anreize zum
Verzicht auf Nachkommenschaft, 2004, S. 124-126).F.-X. Kaufmann
kritisert zu Recht einen von ihm auch früher schon nicht geteilten »demographischen
Fatalismus« ... und sieht diesen Fatalismus jüngst (in: FAZ, 12.07.2004)
ausdrücklich als charakteristisch für die veröffentlichte Meinung
an. Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung werde als Schicksal
angesehen, das man nicht wesentlich beeinflussen könne. Nun erweist sich
diese veröffentlichte Meinung ja bei den politischen Entscheidungsträgern
immer wieder als sehr einflußreich. Aus dem engeren Kreis der an bevölkerungs-
und familienwissenschaftlichen Fachdiskussionen Beteiligten müssen sich nicht
wenige darauf hin befragen lassen, ob sie nicht diese fatalistisch anmutende Grundeinstellung
durch verallgemeinernde Urteile über die Wirksamkeit von einzelen familienpolitischen
Maßnahmen gefördert haben. .... Dennoch sollte sich die Politik nicht
zu der These verleiten lassen, politische Anstrengungen nützten heute ohnehin
nichts mehr. Es ist schon sehr spät, aber noch nicht zu spät! Damit
werden freilich auch folgenreiche Probleme im Verhältnis von (Tages-)Politik
und demographischem Prozeß sichtbar: Bei den demographischen Vorgängen
haben wir es, wie im engeren Kreis der Fachöffentlichkeit immer wieder betont
worden ist, durchweg mit Prozessen zu tun, die weit über eine Legislaturperiode
hinausreichen. Mit kurzatmigem Aktionismus ist hier nichts zu bewirken. Der
naheliegende Wunsch der Politiker, am Beginn einer Legislaturperiode zu säen,
um an ihrem Ende das dadurch Bewirkte zu ernten, läßt sich hier nun
einmal nicht erfüllen. Damit wird ein Problem in unserer »real
existierenden parlamentarisch-repräsentativen Demokratie« berührt,
das eine rationale Politik im Blick auf eine gemeinwohldienliche Rahmensteuerung
der demographischen Entwicklung, insbesondere der Geburtenentwicklung, erschwert.
Hier sind Langfristperspektiven gefragt, die keinen tagespolitischen Erfolg
versprechen (können). Die verantwortliche Gestaltung der künftigen Entwicklung
verlangt längst ein verstärktes Denken in Generationen - anstelle eines
Denkens in Legislaturperioden. Die Politiker sollten ihre familienpolitischen
Entscheidungen vielleicht auch weniger an den Demoskopen ausrichten als vielmehr
an den Demographen. Im Blick auf ein wiederwahlorientiertes Kurzfristdenken von
politisch Verantwortlichen haben H.-P- Klös und R. Kroker (vom Institut der
Deutschen Wirtschaft) jüngst die bedeutsame Frage aufgeworfen, ob es sich
bei der mangelnden Durchsetzung von »Nachhaltigkeitserwägungen«
(trotz diesbezüglicher Rhetorik) nur um eine »degenerative Entwicklung
oder einen grundsätzlichen und damit nur konstitutionell behebbaren Konstruktionsfehler
einer parlamentarischen Demokratie« handelt. (Vgl. H.-P. Klös / R.
Kroker, Perspektive 2050 - Ökonomik des demographischen Wandels, 2004,
S. 395). .... Die gestellte grundsätzliche Frage ... rührt im übrigen
an die weiterreichende Frage nach Strukturreformen des gesamten politischen Systems
(!!!). Eine Antwort könnte möglicherweiese
auch in der Richtung zu suchen sein, daß sich erst unter zusätzlichen,
noch näher zu klärenden Bedingungen in unserer politischen Ordnung solche
»degenerativen Erscheinungen« einstellen. Zu diesen Randbedingungen
gehört sicherlich der von den Autoren genannte Medieneinfluß ....
(Max Wingen, Die Geburtenkrise ist überwindbar - Wider die Anreize zum
Verzicht auf Nachkommenschaft, 2004, S. 127-129).
Kinder kommen natürlich im Grundgesetz vor. Ein spezielles
Grundrecht des Kindes findet sich aber nicht. Das Grundgesetz verlangt der Rechtsordnung
zwar wirksame Vorkehrungen zum Schutz des Lebens ab. In der politischen und gesellschaftlichen
Praxis spiegelt sich aber der Lebensschutz nicht wider. Auf etwa 40 Millionen
Euro wurden z.B. für 2003 die Aufwendungen der öffentlichen Haushalte
in Deutschland geschätzt, um den Schwangerschaftsabbruch medizinisch »lege
artis« durchzuführen. (Vgl. FAZ, 05.06.2004, S. 8). Einsparungen an
anderer Stelle gleichen den Aufwand aus. So kann der »Freistaat« Bayern
sein »Landeserziehungsgeld« um 30 Millionen Euro auf Grund des Geburtenrückgangs
verringern. (Udo Steiner, Generationenfolge und Grundgesetz, in:
Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S. 25-26).Im gesamten
System der Gesetzlichen Sozialversicherungen begünstigt die
Erziehungsleistung versicherter Eltern die Gruppe der Versicherten ohne Kinder.
Dies wird sichtbar, wenn man die Gruppe der Eltern mit unterhaltsbedürftigen
Kindern vergleicht mit der Gruppe der kinderlos bleibenden Versicherten. Beide
sind bei einer Finanzierung der Sozialversicherung im Umlageverfahren darauf angewiesen,
daß Kinder in genügend großer Zahl nachwachsen. (Vgl. Bundesverfassungsgericht,
Urteil vom 07.07.1992, BVG, E 87, S. 37: »Denn die als Generationenvertrag
ausgestaltete Rentenversicherung läßt sich ohne die nachrückende
Generation nicht aufrechterhalten«.). Die heutigen Beitragszahler der erwerbsfähigen
Generation vertrauen im Umlageverfahren darauf, daß in der Zukunft in ausreichendem
Umfang neue Beitragsschuldner dem Versicherungssystem zugeführt werden. Diese
neuen Beitragsschuldner können aber nur die Kinder von heute sein, denen
in der Zukunft zugunsten der dann pflegebedürftigen Alten eine kollektive
Finanzierungspflicht auferlegt wird, und zwar durch Beitragslasten, die Folge
der Pflichtmitgliedschaft sind. Der Senat hat formuliert: Diese Finanzierungspflicht
kommt einer kollektiven Unterhaltspflicht gleich, die auf den besonderen Bedarf
der Pflege bezogen ist. Pointierter: Es geht um die Absicherung eines Altersrisikos
durch im öffentlich-rechtlichen Zwangssystem gesamthänderisch verbundene
Unterhaltsschuldner. (Vgl. BVG, E 103, 242 [246]). Es erwächst damit den
Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung
anderer beitragspflichtiger Versicherter, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil
auf Konsum und Vermögensbildung verzichten. Versicherte, die Kinder erziehen,
sichern die Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung also nicht nur durch
Beitragszahlung, sondern auch durch Erziehungsleistung. Im Beitragsrecht entsteht
dadurch ein Gleichheitsproblem zwischen Versicherten mit und Versicherten ohne
Kinder. Die Antwort auf dieses Gleichheitsproblem kann nicht allein - und dies
gilt es klarzustellen - die Anerkennung von Kindererziehungszeiten sein. Solche
Zeiten gleichen kinderbedingte Nachteile im Aufbau von Rentenanwartschaften aus,
nicht unterschiedliche wirtschaftliche Belastungen in der Phase der Kinderziehung.
Die Resonanz auf diese Entscheidung in der allgemeinen Publizistik und vor allem
in den Leserbriefspalten unserer großen Tageszeitungen war und ist nicht
frei von Mißverständnissen .... (Udo Steiner, Generationenfolge
und Grundgesetz, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung
und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 30-31).Es mag zwar nahe liegen, im lobbyfreien Raum eines
Verfassungsgerichts mehr Generationengerechtigkeit zu erwarten als im politischen
Raum, in dem sich angeblich Generationenegoismus effektiver entfalten kann ....
Wir brauchen in Deutschland im Augenblick nicht mehr Rechtsprechung, sondern mehr
politische Gestaltung. Dies gilt auch für die Antwort auf unser demographisches
Problem. (Udo Steiner, Generationenfolge und Grundgesetz, in: Herwig
Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S. 36).Weshalb
konnte die familienpolitische Katastrophe - binnen 40 Jahren nahezu eine Halbierung
der Geburtenzahlen und gleichzeitig eine Versechzehnfachung des Anteils der Kinder
in der Sozialhilfe - in Deutschland geschehen? Warum passiert nun, da sie
offenbar ist und zugleich das aus ihr resultierende wirtschafts- und sozialpolitische
Desaster klar zu Tage tritt, immer noch nichts, um wenigstens zu retten, was zu
retten ist? Wieso wird die ökonomische Situation der Familien trotz
gegensätzlicher Beteuerungen der Politik relativ zu Kinderlosen stattdessen
weiter handfest verschlechtert - sogar trotz entgegen stehender energischer Aufträge
des Bundesverfassungsgerichts? Weshalb ist nicht einmal eine rationale Debatte
über die Fragen möglich, sondern enden selbst Versuche, sich auch nur
über die Fakten zu verständigen, jedes Mal in hoch emotionalen Zerwürfnissen,
aggressiver Konfusion? (Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse
bergauf fließen lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik
und ihre Folgen für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 37).Alles spricht dafür, daß der kardinale
Fehler in unserer Sprache liegt, wenn wir jetzt »mit dem Latein am Ende
sind«. Aus falschen Begriffen resultieren fehlerhafte Vorstellungen. Gesellschaftliche
Verständigung wird unmöglich. Die Politik, deren Aufgabe es ist, aus
Tatsachen Meinungen und daraus schließlich Gesetze zu machen, kann nicht
einmal mehr die Tatsachen erkennen. Schließlich wird »die große
Konfusion zur Stunde der Manipulateure« (Norbert Blüm), das Ende ist
Tohuwabohu. Mittendrin, als Opfer und Täter dieser Entwicklung, finden wir
dabei, an vielen Schaltstellen, die Juristen und das Bundesverfassunsgericht:
»Nie haben Dichter die Natur so verändert wir Juristen die Wirklichkeit
!« (Giraudoux). Soziale Zerstörung durch Sprache. Schon die Bibel
weist mit der Geschichte vom Turmbau zu Babel auf die Bedeutung der Sprache für
gesellschaftliches Gelingen und Kultur hin. Wie Bewußtsein schließlich
mit Vorsatz manipuliert werden kann, beweist die Werbung. Sie ist inzwischen fester
Bestandteil des politischen Wettbewerbs geworden und mit Blick auf solches Politikmarketing
stellte der Freiburger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis fest, daß man
»ein politisches Gemeinwesen zuerst dadurch kaputt macht, indem man seine
Sprache zerstört.« (Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse
bergauf fließen lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik
und ihre Folgen für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 37-38).Der semantische »Versicherungsbetrug«:
Tatsächlich kann sich die These vom verhängnissvollen Einfluß
der Semantik auf die Familien- und Sozialpolitik auf niemand geringeren als Kronzeugen
stüzen als Gerhard Mackenroth selbst, dessen legendärer Vortrag »Die
Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan« vor dem Verein
für Sozialpolitik am 19. April 1952 die entscheidende Debatte zur Sozialreform
der 1950er Jahre einläutete. An den Anfang seiner Ausführungen stellte
Mackenroth nämlich folgende Feststellung: »Die soziale Umwelt, in
der wir heute Sozialpolitik treiben, hat sich gegenüber früher total
verändert. Und zwar handelt es sich dabei um grundsätzliche Wandlungen
in der ganzen westlichen Welt, zu denen die besonderen Ereignisse der deutschen
Nachkriegszeit nur noch dazukommen. Die Wirrnis kommt nämlich nicht zuletzt
daher, daß wir zum Teil noch immer die alte Sozialpolitik treiben in einer
völlig veränderten Welt, daß wir die alten Konzeptionen beibehalten,
die inzwischen zu reinen Fiktionen geworden sind, daß wir mit den alten
Begriffen weiterarbeiten, die zur sozialen Wirklichkeit nicht mehr stimmen.«
Nachfolgend richtet Mackenroth den Fokus auf die Sozialversicherung: Weil aller
Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden
müsse, gebe es volkswirtschaftlich gesehen keine Möglichkeit einer Versicherung
gegen irgendwelche sozialen Risiken; das Versicherungsprinzip sei geeignet, den
Einzelnen zu sichern gegen die Abweichung seines Falles von der sozialen Norm,
es könne aber nicht die Volkswirtschaft sichern gegen eine Änderung
der sozialen Norm, gegen eine soziale Katastrophe. Die sozialpolitische Großaufgabe
des 20. Jahrhunderts sei nicht mehr der soziale Ausgleich zwischen unterschiedlichen
Klassen und Schichten, sondern innerhalb jeder sozialen Klasse und Einkommensschicht
der Familienlastenausgleich zwischen Eltern und Kinderlosen. Die schärfste
Gegnerschaft werde dieser These aus den Reihen der Sozialversicherung erwachsen.
Er sollte Recht behalten, denn bei der großen Rentenreform 1957 setzten
sich die Sozialversicherer durch. Die Transformation der familiären Altenversorgung
in eine soziale Veranstaltung wurde formal in genau die Versicherungsterminologie
gekleidet, deren sachliche Verfehltheit Mackenroth und seine Mitstreiter Wilfried
Schreiber und Oswald von Nell-Breuning so vehement betont hatten; insbesondere
der letztere wurde bis zu seinem Tode am 26.08.1991 im Alter von 101½
Jahren nicht müde immer auf die Tatsachenverdrehung in dieser Terminologie
hinzuweisen. (Vgl. Jürgen Borchert / Oswald von Nell-Breuning, Die Alterssicherung
hängt in der Luft, 1986, S. 205ff.). Der Etikettenschwindel ist bei genauem
Hinsehen ja auch ohne weiteres für jeden zu erkennen: Weil bei einer allgemeinen
Lebenserwartung von über 75 Jahren im Durchschnitt heute nämlich jeder
das Rentenalter erreicht, handelt es sich bei der Sicherung des »Alters«
um die - prinzipiell unversicherbare!- soziale Norm; das war für die
Bismarck'sche Rente bei ... einem Renteneintrittsalter von 70 Jahren noch anders
.... Wenn dem entgegen gehalten wird, daß aber doch das Risiko der unterschiedlich
langen Ruhestände versicherbar sei, so wird übersehen, daß für
dieses Risiko allein die Nachwuchsgeneration geradestehen muß. Neuerdings
wird nun zur Rettung des Versicherungsbegriffs behauptet, die GRV sei eine Versicherung
gegen Kinderlosigkeit. (So z.B. Tim Köhler-Rama, Kinderzahlabhängige
Beiträge in der Gesetzlichen Rentenversicherung, DAV 11, 2002, S. 449ff.;
ebenso Hans Werner-Sinn, Das demographische Defizit, 2005, S. 7 *).
Dabei wird jedoch mißachtet, daß Kinderlosigkeit nur zu ca. 8 Prozent
auf Unfruchtbarkeit beruht, sie überwiegend also eine Folge der gewillkürten
Lebensplanung und damit ebenfalls unversicherbar ist. Wie man die Dinge alo auch
dreht und wendet, der Versicherungsbegriff, der die den Alten geschuldeten und
gezahlten Unterhaltsbeiträge terminologisch in Versorgungsleistungen ummünzt,
stellt die Dinge auf den Kopf. Will man für den sozialen Sachverhalt, der
hier zu beschreiben ist, partout am Versicherungsbegriff festhalten, dann paßt
dieser allenfalls für das Risiko der Angehörigen der Kindergeneration,
ohne die GRV ihre eigenen, möglicherweise langlebigen Eltern jeweils unterhaltsrechtlich
länger als durchschnittlich unterhalten zu müssen. So wird das System
aber gerade nicht begriffen. Daß Kinder bei der vielfach geforderten Abschaffung
der renditearmen GRV dann für ihre Eltern privat haften müssen und das
teuer werden kann, soweit wird hierzulande nicht mehr gedacht. Die Verwendung
der Versicherungsterminologie entpuppt sich also als ein besonders schwer wiegender
semantischer Betrug. (Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse
bergauf fließen lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik
und ihre Folgen für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 38-40).Tatsächlich sah
der ursprüngliche »Schreiber-Plan« ( )
ja nicht nur eine Sozialisierung der Altenlasten, sondern in Gestalt der spiegelbildlich
ausgestalteten »Jugendrente« auch eine Sozialisierung der Kinderkosten
vor (»Verträge zwischen jeweils zwei Generationen«). Die Beiträge
für die Jugendrente sollten dabei nach Kinderzahl gestaffelt und so sichergestellt
sein, daß Altersversorgung nur erhielt, wer sich an den Kinderlasten beteiligt
hatte. Dieser zweite Teil des »Schreiber-Planes« fiel jedoch unter
den Tisch (Konrad Adenauer: »Kinder kriegen die Leute immer«). Obwohl
nur das »Humankapital« die Deckung der Rentenanwartschaften sichern
kann und die einzige echte Vorsorge für das System deshalb in der Kindererziehung
liegt, sollten im neuen System fortan ausschließlich die Erwerbsbeiträge
lohnersetzende, lebensstandardsichernde Rentenanwartschaften begründen. Gleichzeitig
wurden die Mütter um ihre genuin und originär erworbenen Ansprüche
geprellt. Statt entlastet zu werden, mußten Eltern infolge der Sozialisierung
der Altenlasten bei privatisierten Kinderlasten ab sofort zusätzlich noch
die Altersvorsorge für ihre lebenslang kinderlosen Jahrgangsteilnehmer in
Gestalt der Kindererziehung auf ihre Privatkosten leisten - zu Lasten ihrer eigenen
Brut! Hinter der ehrwürdigen Fassade eines angeblich solidarischen Sozialversicherungssystems
und als »Generationenvertrag« verkleidet wurde so tatsächlich
ein System der »Transferausbeutung der Familien« installiert: »Seitdem
täuschen sich viele Sozial-, Familien- und Rentenpolitiker; viele ihrer juristischen
Berater sowie der Verfassungsjuristen des Sozialstaates über die wirklichen
Befunde hinweg. Sie nahmen die bloße Idee des halbierten Generationenvertrags
als ganze Wirklichkeit: Generationenvertrag klingt nach Solidarität;
es scheint, als vertrage man sich fair und freiheitsfreundlich. Wie
bei Vertrag überhaupt suggeriert man sich und anderen, Leistungen
und Gegenleistungen seien auch schon sachlich wohlbalanciert. Im schroffen Gegensatz
zu dieser Fiktion steht die Wirklichkeit: Zwangstransfers, Ungerechtigkeit, Ausbeutung.
.... Die Idee vom Generationenvertrag fungierte bei alledem ... als
schiere Harmonisierungsoptik bei der Verschleierung von Wirklichkeit im allgemeinen
sowie von Zwang und Ungerechtigkeit im besonderen. Das Wahrnehmungs-, Denk- und
Beurteilungsvermögen wird durch solche fiktiven Harmoniehypothesen ideologisch
verzerrt und emotional eingelullt« (Dieter Suhr,
Transferrechtliche Ausbeutung und verfassungsrechtlicher Schutz von Familien,
Müttern und Kindern, 1990, S. 69 ff.), und das alles macht dann
die Täuschung perfekt, die bekanntlich ja »immer weiter als der Verdacht
geht« (Larochefoucauld). Der Gesetzgeber hat der Gesellschaft damit ein
Kuckucksei in den »Generationenvertrag« als Nest gelegt, denn Eltern
werden in ihm gezwungen, auf Privatkosten und damit auch zu Lasten der eigenen
Brut die Altervorsorge für ihre lebenslang kinderlosen Generationsgenossen
mit zu erbringen. (Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf
fließen lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik und ihre
Folgen für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 40-41).
Semantik mit chrematistischen*
Wurzeln
Sucht man nach den Gründen, weshalb eine
derart widersinnige und den Vorstellungen der Erfinder des neuen Systems stracks
zuwiderlaufende und von ihnen heftig bekämpfte Reform überhaupt möglich
wurde, kommt man am Rekurs auf die große soziale Transformation des 19.
Jahrhunderts nicht vorbei, die mit Stichworten wie Industrialisierung und Urbanisierung,
Trennung von Haus und Arbeit, gesellschaftlicher Arbeitsteilung und zunehmender
Durchdringung aller Bereiche durch eine hochentwickelte Geldwirtschaft beschrieben
wird. Dabei ist die Auflösung der von lohnloser Zusammenarbeit und relativer
Autarkie getragenen Wirtschaftsformen des »ganzen Hauses« und der
Landwirtschaft von besonderer Bedeutung. Sie führte nämlich zur räumlichen
und zeitlichen Trennung von Erwerbs- und Privatsphäre, wobei der Mann zum
homo oeconomicus und die Frau zur domina privata avancierte. Gleichzeitig
brachte es der Siegeszug der Markt- und Geldwirtschaft mit sich, daß diese
Bereiche nicht als gleichwertige und komplementär aufeinander bezogene Aufgaben
wahrgenommen, sondern diese Dichotomie von Erwerbsarbeit und Privatem hierarchisch
angelegt wurde. Das der Geldwirtschaft immanente chrematistische Prinzip, welches
auf die Maximierung der Tauschwertproduktion ausgerichtet ist, beinhaltet nämlich
per se ein Informations- und Bewertungssystem, in welchem die reproduktiven
Leistungen systematisch unterdrückt, verkannt und nicht selten der Lächerlichkeit
preisgegeben werden. Denn die lohnabhängigen Arbeiten zählt man zum
volkswirtschaftlichen Einkommen, die »stille« Arbeit der individuellen
und gesellschaftlichen Reproduktion setzt man wertmäßig gleich Null,
weil das »Produkt« der Erziehung schließlich nicht tauschbar
ist, ja Erziehung wird sogar in »Urlaub« umgedichtet. Es ist bezeichnend
für diese einseitige Wahrnehmung und Wertung der gesellschaftlichen Entwicklungen,
daß der Philosophie dieser blinde Fleck des Chrematismus schon gar nicht
mehr auffiel, als sie sich im Zuge der großen Transformation den Zusammenhängen
von Sein und Bewußtsein und ihren Wechselwirkungen zuwandte (namentlich
Hegel und Marx). Ausschließlich die formellen Gesellschaftsprozesse waren
Gegenstand des philosophischen und sonstigen wissenschaftlichen Interesses. Und
so wie die gesellschaftliche Arbeitsteilung seitdem aus den vormals nur wenigen
Dutzend Berufen bis heute 44000 unterschiedliche Tätigkeiten von »Aalbrutzüchter«
bis »Zytotechnologische Lehrassistentin« mit jeweils eigenen Arbeitswelten
und Begriffszusammenhängen hat entstehen lassen, entwickelten sich auch wissenschaftlich
immer neue Spezialgebiete. Für die gesellschaftlichen Prozesse wurde dabei
die Abstraktion des Geldwesens immer dominanter, dessen durchschlagende (Wechsel-
)Wirkungen auf Sein und Bewußtsein als erster wohl Georg Simmel klar erkannt
und dabei zentrale Begriffe der modemen Gesellschaftswissenschaften geprägt
hat (Individualismus-Debatte, Entfremdungsproblematik, Fremdheit und Rolle der
Geschlechter). Die wachsende Verselbstständigung wichtiger Teilbereiche der
Gesellschaft (z. B. der Wirtschaft, des Rechts und der Politik), welche im 20.
Jahrhundert eine vorher nicht da gewesene Komplexität und Unüberschaubarkeit
erzeugte, beschrieb er schon im Jahr 1900 in seinem Hauptwerk »Philosophie
des Geldes«. Daß das Zusammengehörige auseinander gerissen und
in isolierte Tatsachenkomplexe aufgelöst wird, präzisierte sein Schüler
Georg Lukacs schließlich 23 Jahre später als generelles Charakteristikum
des bürgerlichen Wissenschaftsbetriebs, der infolgedessen die Phänomene
der Gesellschaft und zugleich ihre Begrifflichkeit als isolierte Tatsachen und
eigengesetzliche Teilgebiete behandele. Wie willkürlich und abrupt die Grenzen
der jeweiligen Disziplinen schon infolge der chrematistischen Blindheit gezogen
wurden, beschreibt dabei das Schumpeter-Theorem von 1907: »Die Menschen
sterben, neue werden geboren, und so kann man in der Tat, ohne sich besonders
Gewalt anzutun, die stets vorhandene Arbeitskraft ähnlich behandeln wie das
Land. Wohl muß im Gegensatz zu letzterem eine Reproduktion erfolgen, aber
dieselbe fällt aus dem Rahmen ökonomischer Betrachtung heraus«.
(Joseph Alois Schumpeter, Das Rentenprinzip in der Verteilungslehre,
in: Aufsätze zur ökonomischen Theorie, postum, S. 213) Von
hier bis zu J. M. Keynes, demzufolge die »kennzeichnenden Eigenschaften
des Geldes vor allem darin liegen, daß es eine scharfsinnige Einrichtung
ist, um die Gegenwart mit der Zukunft zu verbinden« (John
Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des
Geldes, 1936, S. 248), war es dann nur noch ein kurzes Stück.
Kinder als Zukunftsträger wurden immer unsichtbarer. Die Sparkassenwerbung
der 1980er Jahre machte sich in einem Faltblatt ihren Reim darauf: »Geld
ist wie ein Baby, man muß es anlegen, damit es wächst!«
(Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf fließen lassen
- Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik und ihre Folgen für
das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S. 41-43).Mit der Ausdifferenzierung
der Gesellschaft wucherte also zugleich ihre Unübersichtlichkeit und vermehrten
sich Begriffe wie Bedeutungsinhalte. Je spezialisierter die Einzeldisziplinen
wurden, desto größer wurde zwangsläufig aber ihr Verständigungabstand
und umso größer auch die Gefahr von Bedeutungsparallaxen - und dies
selbst innerhalb ein und derselben Grunddisziplin. .... So produziert am Ende
auch der nüchternste wissenschaftliche Verstand am laufenden Band Mystifikationen
und Ideologien, und in allerstrengster Ordnung entsteht am Ende babylonische Wirrnis.
Mit völlig irrationalen Ergebnissen. Denn für diese Ökonomie gibt
es tatsächlich das soziale perpetuum mobile: Einen Sozialstaat, der
in seiner »Ergebnisrechnung« zwar den Ertrag des Humanvermögens
in Form der Arbeitsentgelte verrechnet, andererseits aber keinen Aufwand für
die »Erstellung« des Humanvermögens in die Bilanz einstellt.
Humanvermögen | | Sachkapital |
15 285 000 000 000 DM | | 6
900 000 000 000 DM | Welch kapitaler Fehler sich darin
verbirgt, ist z.B. im Fünften Familienbericht der Bundesregierung nachzulesen,
der diesen Aufwand für das verfürgbare Humanvermögen mit 15,285
Billionen DM bezifferte, dem 1990 ein Sachkapital von nur 6,9 Billionen DM gegenüberstand.
Genauso müßte eigentlich also auch der jetzt eintretende Verlust oder
- abschreibungstechnisch gesprochen - »Verzehr« an Humanvermögen
in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) bilanziert werden. Würde
man dies tun, wäre mit einem Blick festzustellen, daß unsere BSP/BIP-Rechnungen
um rund 30 bis 40 Prozent überhöht sind. (Vgl. BIP/BSP/BNE).
Und nur weil dies nicht geschieht, sind so bizarre Denkoperationen möglich,
daß der Geburtenrückgang ja auch positive Seiten habe, weil so der
steigenden Altenlast doch per Saldo der sinkende Jugendlastquotient gegenüberstehe
! Weitergedacht wäre es also am besten, wir hätten überhaupt keine
Kinder mehr, denn dann machten wir sogar noch ein Plus! Die Schulden gegenüber
den Alten werden hier mit den Investitionen gegenüber den Jungen verrechnet,
als handele es sich um ein und dasselbe. Ist das nicht wie der Trost des Beinamputierten,
daß das rechte Bein umso länger ist, wenn das linke zu kurz ist?
Vor 20 Jahren stellte der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts
Wolfgang Zeidler zu solchen Denkabenteuem fest, daß »unser hochzivilisiertes
Gemeinwesen nicht einmal den Instinkt eines Wolfsrudels hat.« (»Die
laufen ins offene Messer«, Interview mit Wolfgang Zeidler in: Der Spiegel,
50, 1984, S. 52 ff.). Obwohl Wilfried Schreiber, der das Konzept für
die Sozialreform entwickelt hatte, alles daran setzte, die asymmetrische Rentenrefornl
noch zu verbindem, wurde diese verkehrte Welt 1957 Gesetz. (Verbürgt ist
der Ausspruch eines Parlamentariers, man lasse sich »auch vom besseren Sachverstand
nicht überzeugen« [MdB. Kurt Schmücker]). Die Bedeutung von Kindern
für den Einzelnen, vormals noch klar erkennbar, wurde nun zusammen mit der
Versicherungsterminologie vollends unsichtbar. »Der naive Versicherte
stellt sich vor, seine Beiträge würden zwar zunächst einmal an
die heutigen Rentenbezieher ausgeschüttet, nichtsdestoweniger flössen
sie in seinem Alter in Gestalt der alsdann von ihm selbst bezogenen Rente an ihn
wieder zurück. Daß man die gleichen Gelder nicht zweimal (konsumtiv)
ausschütten kann, so weit denkt er nicht«, zog von Nell-Breuning
das Fazit. (Jürgen Borchert / Oswald Nell-Breuning,
Im Gespräch, 1984, S. 356ff.) Wie umfassend dieser semantische
»Versicherungs«-Betrug wirkte, sollte sich rund 30 Jahre nach der
Reform zeigen, als selbst das Bundesverfassungsgericht ihm zum Opfer fiel und
den Irrtum des »naiven Versicherten« zum Grundrecht machte.
(Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf fließen lassen
- Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik und ihre Folgen für
das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S. 44-46). Ist ein Alterssicherungsstem, welches quasi auf einer
»Enteignung« der Familien ... beruht, sozial und sogar des Schutzes
der Eigentumsgarantie wert? Weshalb bekommt der Kinderlose ... einen bevorzugten
Anspruch gegen die Kinder anderer Leute - und zwar ausgerechnet zu Lasten deren
Eltern? (Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf fließen
lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik und ihre Folgen
für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung
und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 47). Die neunfache Mutter Rees wollte sich nicht damit
abfinden, mit einer Minirente für 14 Berufsjahre abgespeist zu werden, während
ihre Kinder, allesamt Spitzenverdiener, gleichzeitig rund 8000 DM je Monat auf
die Rentenkonten anderer überwiesen. Zentrale Frage des Verfahrens war die
Gleichwertigkeit der Kindererziehung mit Geldbeiträgen. Die Entscheidung
ist bekannt: Das Gericht wich dieser Frage aus; Kindererziehung und Geldbeiträge
seien nicht »gleichartig«, weil die Kindererziehung im Unterschied
zu den Geldbeiträgen nicht sogleich wieder ausgeschüttet werden könne.
(Urteil v. 07.07.1992 [»Trümmerfrauen«], BVG, E 87, 1 [36ff.]).
Daß die beiden Beiträge, ökonomisch gesehen, als Konsumverzicht
identisch sind und die Konsequenz der Entscheidung dahin ging, ausgerechnet in
dem Vorsorgesystem den quasi nach rückwärts gewandten Beiträgen
zulasten der Zukunftsinvestitionen den Vorrang einzuräumen, erkannte man
nicht. Dennoch brachte die Entscheidung eine Wende. Denn zum einen wurde das Gesamtsystem
des FLA einmal einer Transferanalyse unterzogen und dabei das astronomische Ausmaß
der Familienausbeutung festgestellt. Zum anderen wurde klar erkannt und ausgesprochen,
daß eine Korrektur des durch sozialversicherungsrechtliche Transfers verursachten
Unrechts sich sinnvoll nur an der Unrechtsquelle beheben läßt, bei
der Rente also dort: Eine »maßvolle« Umverteilung aus den Anwartschaften
Kinderloser zu Familien verletze auch Artikel 14 GG nicht. Das Gericht erteilte
dem Gesetzgeber drittens einen umfassenden Auftrag, die Situation der Familien
im Steuer- und Sozialrecht relativ zu Kinderlosen mit jedem Gesetzgebungsschritt
zu verbessern. Wie wir heute wissen, geschah dies nicht. Im Gegenteil wurde die
Transferbehandlung der Familien weiter verbösert, namentlich durch die Pflegeversicherung.
(Jürgen Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf fließen lassen
- Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik und ihre Folgen für
das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S. 47-48).
Die semantische Verkehrung der Schlüsselbegriffe in der Sozialstaatsdebatte
Der Gesetzgeber hat auch eine Fülle weiterer semantischer
Verwirrungen gestiftet. So wurde 1996 der Kinderfreibetrag im EStG als »Familienleistungsausgleich«
bezeichnet, obwohl es der Sache nach nur um die verfassungsrechtlich notwendige
Freistellung des Existenzminimums geht und niemand auf die Idee kommt, dies einem
Kinderlosen, der in gleicher Weise bedacht wird, etwa als Lastenausgleich anzurechnen;
so werden durch das Politikmarketing dann falsche Bewußtseinsfährten
gelegt. (Auf denen die Politik nicht selten selbst in die Irre geht: Beispielsweise
wird in der Debatte immer darauf hingewiesen, daß das Kindergeld in Deutschland
viel höher als in den Nachbarländern sei, dabei jedoch übersehen,
daß es gemäß § 31 EStG hauptsächlich einFreibetragssurrogat
darstellt, während es das Kindergeld in Frankreich z.B. zusätzlich zum
Familiensplitting gibt; tatsächlich ist das Kindergeld als Sozialleistung
in Frankreich also viel höher als hierzulande!). In jüngster Zeit wimmelt
die ganze Refonndebatte nun von semantischen Fehlgriffen und Betrügereien;
wirklich keiner der zentralen Begriffe erfaßt den zu regelnden Sachverhalt
zutreffend. Beispiel »Nachhaltigkeit«. Der Begriff aus der Forstwirtschaft
besagt, daß Pflanzen und Abholzen im Gleichgewicht stehen müssen, die
Politik aber suggeriert in der Sozialreformdebatte, daß weniger Einschlag
(= Leistungskürzungen) das Neuanpflanzen entbehrlich mache. Davon, daß
die Beitragszahler von morgen die Kinder von heute sind und die Reformen deshalb
um sie kreisen müßten, daß alle Anstrengungen in die Familien-
und Bildungspolitik fließen müßten, ist in den Reformkonzepten
gerade nicht die Rede. Beispiel »demographische Entwicklung«: Mit
ihr werden praktisch alle harten Einschnitte begründet, die Eltern und Kinderlose
gleichermaßen treffen sollen. Was nicht klargestellt wird, ist, daß
die soziale Alterung zwei Komponenten hat, nämlich einerseits die Verlängerung
der Lebenserwartung, andererseits den Geburtenmangel, und daß dabei der
Einfluß des generativen Faktors mit einem Wirkungsanteil von zwei Dritteln
dominiert. Damit ist »Kinderlosigkeit« also die Hauptursache der zu
lösenden Schwierigkeiten, für die man Eltern aber gerade nicht »selbstverantwortlich«
haften lassen kann, weil sie diese Eigenverantwortung längst wahrgenommen
haben. Läßt man sie mithaften, dann wird die (selbstverständliche)
Freiheit für einen Lebensentwurf ohne Kinder von der Verantwortung für
dessen Folgen entkoppelt - das ist das genaue Gegenteil von »Eigenverantwortung«.
Im Geburtsjahrgang 1935, also dem Rentenzugang 2000, waren noch weniger als 10
Prozent der Menschen lebenslang kinderlos geblieben, während es im Geburtsjahrgang
1965 fast 35 Prozent sind, mehr als eine Verdreifachung. Genau hieraus resultieren
aber die »demographischen« Probleme; rechnet man die etwa 20 Prozent
Ein-Kind-EIternpaare, von denen ein Partner ebenfalls durch Kinder anderer Leute
versorgt werden muß, zur Hälfte (also 10 Prozent) hinzu, dann müssen
rund 45 Prozent des gesamten Altersaufwands - Renten und Pensionen, Gesundheit
und Pflege -, der derzeit etwa 350 Mrd. € ausmacht, im Jahre 2030 von »anderer
Leute Kinder« erbracht werden. Das wären, bezogen auf das gegenwärtige
Sozialbudget um die 157,5 Mrd. € - mehr als das gesamte Lohnsteueraufkommen.
Was hier für die »demographische Entwicklung« gesagt wurde, gilt
übrigens identisch für die »Generationengerechtigkeit«.
Sie ist ebenfalls ein solches trojanisches Begriffspferd, in welchem der intragenerationelle
Konflikt, sei es bei der Altersversorgung zwischen Eltern und Nicht-Eltern oder
bei der Staatsverschuldung zwischen Reich und Arm, verborgen wird. Eine weitere
zentrale Argumentation, insbesondere mit Blick auf den Verfassungsauftrag aus
dem »Pflegeurteil«, ist die Formel: »für Familienlastenausgleich
sei nicht die Sozialversicherung, sondern die »Allgemeinheit« zuständig«,
Kindererziehung sei »versicherungsfremd«. Auch damit werden die Dinge
auf den Kopf gestellt, denn hier geht es ja ausdrücklich um die system-konstitutive
Leistung »Kindererziehung«; außerdem ist »die Allgemeinheit«
nicht kinderlos, sondern zu ihr gehören auch alle Eltern mit zwei, drei,
vielen Kindern, die sich gar nicht selbst »ausgleichen« können,
sondern damit nur doppelt und dreifach belastet würden. Ganz nebenbei wird
dabei sogar noch die VerfassungsjuDiktatur ignoriert, denn schon im »Trümmerfrauenurteil«
ist die vollkommen richtige Einsicht nachzulesen, daß das von der Sozialversicherung
verursachte Unrecht mit sozialversicherungsrechtlichen Mitteln zu beseitigen ist.
Semantisch ebenso unzutreffend und irreführend ist schließlich auch
der Begriff der »beitragsfreien Familienhilfe« in der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV). Denn hier werden die Unterhaltsansprüche der Kinder
ja nicht etwa von der Bemessungsgrundlage abgezogen, sondern komplett verbeitragt.
Auch die Tatsache, daß viele Rechnungen (z.B. vom Kieler Institut für
Weltwirtschaft, der Bundesbank, dem Institut der Deutschen Wirtschaft, dem Wissenschaftlichen
Beirat beim Bundesfamilienministerium) zwar die Kosten der Familienhilfe zugunsten
der Familien bilanzieren, die (derzeit) ungefähr dreimal so hohen Gesundheitskosten
der kinderlosen Rentner vom Eintritt in den Ruhestand bis zum Tode, die genau
wie bei der Rente ebenfalls ausnahmslos von den Kindern anderer Leute erbracht
werden müssen, aber nicht wahrnehmen, läßt sich als Folge dieser
semantischen Manipulationen verstehen. (Jürgen Borchert, Wie Juristen
Flüsse bergauf fließen lassen - Zur Semantik in der Sozial- und Familienpolitik
und ihre Folgen für das Recht, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 48-51).Der fehlerhafte Gebrauch
der Sprache führt am Ende dazu, daß selbst Politiker daneben greifen,
die zu einer Änderung der Mißstände entschlossen sind. Das zeigt
das Beispiel Horst Seehofers: Er machte am 6. November 2003 in der PIenardebatte
den an der VerfassungsjuDiktatur orientierten, im Prinzip richtigen Vorschlag,
die demographisch begründeten Rentenkürzungen vornehmlich auf Kinderlose
zu konzentrieren und die Eltern gleichzeitig mit einem Pauschalbetrag auf der
Beitragsseite zu entlasten. Für diese geringfügige Minderung der auch
danach immer noch gewaltigen Familiennachteile wählte er den Begriff des
»Bonus« und handelte sich von allen Seiten den Vorwurf der »doppelten
Bestrafung Kinderloser« ein. Dies hätte er vermeiden können, wenn
er die Einsicht Ferdinand Lassalles beherzigt hätte, »das laut
zu sagen, was ist.« Aber »das, was ist« überhaupt noch
zu erkennen, verhindert die Sprache ebenfalls. Denn »die Realität sieht
in Wirklichkeit ganz anders aus« (Graffitti in Erfurt, 1992), als die Sprache
sie uns vermittelt. So gibt es aus der falschen Begriffiichkeit kaum noch ein
Entrinnen. Die semantischen Igel sind des Sozialstaatshasen Tod. Denn wo auch
Verantwortung gar nicht mehr wahrnehmbar ist, ist die Verletzung der »Baugesetze
der Gesellschaft: Solidarität und Subsidiarität« bereits eingetreten
und rieselt die Gesellschaft auseinander wie loser Sand. Dem Feuilletonisten Konrad
Adam gebührt das Verdienst, dies an einem Paradebeispiel eines semantischen
Betrugsversuchs dingfest gemacht zu haben. Als Minister Blüm anläßlich
der Einführung der Pflegeversicherung (im Wahljahr 1994!) nämlich triumphierte,
mit ihr erhalte der Sozialstaat seinen »Schlußstein«, notierte
Adam mit Blick auf die familienfeindlichen Verteilungswirkungen des neuen Systems:
»Das mag stimmen. Aber das Material dafür hat man dem Fundament entnommen.«
Auch alle Juristenkunst im Bergauflenken der Flüsse kann und wird also nichts
daran ändern, daß am Ende doch alles den Bach runter geht. (Jürgen
Borchert, Wie Juristen Flüsse bergauf fließen lassen - Zur Semantik
in der Sozial- und Familienpolitik und ihre Folgen für das Recht,
in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S. 51).
Rumpfuschen an Symptomen wider Ethik und Recht
Die schon
vorab bekannt geworden en Vorschläge der Rürup-Kommission beinhalten
wieder einmal ein Kurieren an Symptomen. Sie sind überdies weder mit dem
Grundgesetz noch mit dem Europarecht vereinbar. Obwohl die Kommission vor allem
demographische Gründe für die vorgeschlagenen Maßnahmen als zwingend
anführt, trägt sie diesen - jedenfalls soweit vorab bekannt - in keiner
Weise bei ihren Therapien Rechnung. So sollen die vorgeschlagenen Leistungskürzungen,
auch in Form der Verlängerung der Lebensarbeitszeit, für Eltern wie
Nicht-Eltern unterschiedslos gleich gelten, obwohl die Verantwortung für
demographische Entwicklung höchst unterschiedlich ist. Ebenso sollen Eltern
wie Nicht-Eltern auch für den »Nachhaltigkeitsfaktor« gleichermaßen
pflichtig gemacht werden und jeweils durch verstärkte Anstrengungen mehr
»Eigenverantwortung« entwickeln. Solche Moralpredigten aus dem Elfenbeinturm
können Eltern, welche aus Privatmitteln bereits pro Kind über 250000
€ in das zukunftsentscheidende Humanvermögen investieren und als Durchschnittsverdiener
mit ab zwei Kindern nicht einmal mehr das Existenzminimum erreichen, nur als blanken
Hohn empfinden. ( ).
Die Vorschläge offenbaren eine blamable Ignoranz gegenüber dem Grundgesetz
wie dem Bundesverfassungsgericht, welches zuletzt im Pflegeurteil vom 03.04.2001
erneut die Herstellung familiengerechter und verfassungskonformer Zustände
vor allem in der Sozialversicherung verlangt und dafür eine Frist bis zum
31.12.2004 gesetzt hat. Klar erkannt und ausgesprochen haben die Karlsruher Richter
dabei, daß die Sozialsysteme nicht »Opfer«, sondern Täter
der Sozialzerstörung hierzulande sind. Daß Eltern wie Nicht-Eltern
angesichts ihrer höchst unterschiedlichen Verantwortung für die demographische
Entwicklung nur für deren Folgen in gleicher Weise haften sollen, ist im
Lichte des Grundgesetzes betrachtet ein enormer rechts- wie sozialstaatlicher
Skandal. Sollte der Gesetzgeber diese Vorschläge umsetzen, ist ihr kurzfristiges
Scheitern in Karlsruhe vorprogrammiert. Notwendig ist es aus verfassungsrechtlicher
Sicht statt dessen, die Freiheit der Lebensentwürfe mit der Eigenverantwortung
für deren Folgen zu koppeln - und das heißt: Keine Rentenkürzungen
und Lebensarbeitszeitverlängerung für Eltern, mehr Eigenvorsorge für
Kinderlose. Ebenso stellt sich ökonomisch die Frage, warum verfügbare
Mittel (vor allem der Nicht-Eltern) dem Finanzkapital anvertraut werden sollen,
statt sie besser in das Humanvermögen selbst zu investieren. Unter den Wissenschaftlern
der Demographie-Enquete-Kommission war jedenfalls unstreitig, daß die Bedeutung
des Faktors »Arbeit« zunehmen und gleichzeitig die Kapitalrendite
abnehmen wird. Vollkommen ausgeblendet bleibt schließlich in der deutschen
Diskussion das Europarecht. Die Sozialversicherungen sind als Monopole mit dem
europäischen Wettbewerbsrecht prinzipiell zunächst unvereinbar. Nach
der Rechtsprechung des EuGH, der sich zunehmend mit diesen Fragen auseinandersetzen
muß, sind derartige Monopole deshalb nur dann und nur so lange zu dulden,
wie sie »den Grundsatz der nationalen Solidarität verwirklichen«.
Die deutschen Systeme mit ihrer ausschließlichen Lohnbezogenheit, dem proportionalen
Beitragstarif und den Bemessungsgrenzen tun dies nicht. Im Gegenteil: Sie führen
zu einer extremen Umverteilung von unten nach oben. Die Vorschläge der Rürup-Kommission
verschärfen aber diese Asymmetrien noch weiter und sind darum mit der Rechtsprechung
des EuGH vollkommen inkompatibel. Im Ergebnis erscheint deshalb letztlich nur
eine Bürgerversicherung mit starkem familienpolitischem Akzent als verfassungs-
wie europarechtskonform. (Jürgen Borchert, Pressemitteilung zur Veröffentlichung
der Vorschläge der Rürup-Kommission, 27.08.2003).
Die heutige deutsche Familienpolitik im Europavergleich
Der
Verweis auf europäische Vorbilder ist inzwischen fester Bestandteil der familienpolitischen
Rhetorik hierzulande. Wissenschaftler wie Familienpolitiker benutzen die Vergleiche
insbesondere dazu, Kürzungen des Kindergeldes und vermehrte Erwerbsanstrengungen
der deutschen Mütter zu verlangen. Die Fakten tragen diese Schlußfolgerungen
aber nicht: Deutsche Eltern sind mit durchschnittlich 70 Stunden Wochenarbeitszeit
zum Beispiel länger beschäftigt als schwedische, bei denen »Vollzeit«
eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 32 Stunden meint. Ebenso ist das Kindergeld
in Frankreich unterm Strich sehr viel höher als das deutsche, welches im
wesentlichen nur eine Kompensation der verfassungswidrigen Besteuerung des Existenzminimums
der Kinder ist. Es wird gezeigt, wie die Familienpolitik Desinformation und Alibidebatten
betreibt und vom Kern der Probleme ablenkt. (Jürgen Borchert, in: 3.
JAKO-O FAMILIEN-KONGRESS, 2006).Die sprachliche Abbildung
familienpolitischer Sachverhalte im Parlament und in Gesetzen funktioniert in
weiten Teilen immer noch mit Begriffen aus vollkommen anderen historischen Zeiten,
die auf die neuen Sachverhalte nicht passen. So werden Verirrungen zu Recht und
Gesetz, welche die Wirklichkeit förmlich auf den Kopf stellen. Wo Familien
tatsächlich Leistungen für Kinderlose in astronomischem Umfang erbringen,
werden sie sprachlich zu Almosenempfängern degradiert. So werden beispielsweise
die für die Renten-, Kranken und Pflegeversicherung grundlegenden Erziehungsleistungen
als »versicherungsfremd« bezeichnet. Diese babylonische Verwirrung
ist entscheidend für die familienpolitische Misere in Deutschland verantwortlich.
Der Geburtenrückgang seit 1965 schlug sich in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
(VGR) als Wirtschaftswachstum wahr, weil schätzungsweise drei Millionen Frauen
statt in die Mutterschaft in den Erwerbsprozeß gingen und die Verdienste
in den Konsum flossen (»Reiseweltmeister«). Was hier als Zuwachs an
Wohlstand ausgewiesen ist, bedeutet tatsächlich jedoch eine Unterhöhlung
unseres wirtschaftlichen Fundaments. Solche Verirrungen der wirtschafts- und sozialpolitischen
Urteilsfähigkeit prägen die strukturellen Rücksichtslosigkeiten
des staatlichen und gesellschaftlichen Systems gegenüber Familien.
(Jürgen Borchert, in: 3.
JAKO-O FAMILIEN-KONGRESS, 2006).
Gesetzliche Sozialversicherungen zählen also selbst zu den ökonomischen
Ursachen für Kinderlosigkeit. Auch das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung
z.B. beschreibt die demographischen Fakten und analysiert die Folgen für
das Rentensystem und die Dynamik unseres Landes ..., untersucht auch die ökonomischen
Ursachen der Kinderlosigkeit in Deutschland, zu denen in vorderster Front das
Rentensystem selbst zu zählen ist. Die Rentenversicherung hat den Menschen
die Verantwortung für ihr Einkommen im Alter genommen und damit die Kinderlosigkeit
... maßgeblich mitverursacht. Zur Korrektur der Fehlentwicklung wird empfohlen,
die Renten nach dem alten System deutlich zu kürzen und zusätzlich von
der Kinderzahl abhängige Rentenansprüche einzuführen. Personen,
die kein Geld für die Kindererziehung ausgeben, sollen ihr Geld statt dessen
in die Riester-Rente investieren. (Hans-Werner Sinn, Das demographische
Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S. 53).
|
Quelle: Statistisches Bumndesamt, Berechnungen:
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB).
|
|
Quelle: UNO, Population Division, 2001
|
Die schönen Versprechungen der Politiker und Verbandsvertreter,
die auf die Demographen nicht hören wollten, entpuppen sich als Luftblasen.
Unlösbare Verteilungskämpfe zwischen den Alten und den Jungen
drohen, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern.
.... - Die Alterung ... wird durch die Abbildung verdeutlicht, in der
die Entwicklung des Medianalters ... dargestellt ist, also jenes Alters,
das die Bevölkerung in zwei gleich große Gruppen von älteren
und jüngeren Personen teilt. Man sieht, daß dieses Medianalter
... inzwischen auf 40 Jahre gestiegen ist und bis zum Jahr 2035 um weitere
zehn Jahre auf über 50 Jahre ansteigen wird. .... Was ist die Ursache
für das hohe und weiter zunehmende Durchschnittsalter ...?
.... Die wahre Ursache der ... Alterung ... ist die Verringerung der Zahl
der Geburten. (Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit,
in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der
Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 54-57).
Die Erhöhung des
Bundeszuschusses zur Rentenversicherung ist ein optischer Trick zur Geringrechnung
der Belastung, aber keine Lösung, weil auch ein solcher Zuschuß durch
Steuern finanziert werden muß, die von den Arbeitenden zu entrichten sind.
Versuche, neben den Lohneinkomemn die Kapitaleinkommen zur Finanzierung der Renten
(Stichwort: Wertschöpfungsabgabe) heranzuziehen, werden scheitern, weil die
internationale Kapitalmobilität die wirksame Besteuerung des Kapitals verhindert.
... Die wirklichen Lösungsansätze für Deutschlands demographische
Krise liegen nicht in immer neuen Einfällen zur Umverteilung von Einkommen
innerhalb einer Generation, sondern bei der Kapitaldeckung und bei Maßnahmen
zur Anhebung der Geburtenraten (!!!) .... Die problematischen
Folgen der demographischen Krise beschränken sich nicht auf das Rentensystem.
Auch die geistige und wirtschaftliche Dynamik Deutschlands wird erlahmen. Nach
einer Untersuchung von Guilford aus dem Jahre 1967 erreichen Wissenschaftler im
Durchschnitt aller Disziplinen im Alter von circa 35 Jahren ein Maximum ihrer
Leistungskraft. (Vgl. F. E. Weinert, Wissen und Denken, 1997, S. 98; J.
P. Guilford, The Nature of Human Intelligence, 1967; H. C. Lehmann, Alter
und Leistung, 1953). Schon heute liegen die jüngsten geburtenstarken
Jahrgänge in Deutschland ... deutlich über diesen Werten. (Hans-Werner
Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der
demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 63-64).Manchmal wird vermutet,
die altersbedingte Verringerung der Erwerbstätigkeit sei ein Vorteil für
den Arbeitsmarkt, weil so die Arbeitslosenquote gesenkt werden könne. Diese
Vermutung ist freilich irrig. Sie entspringt einer allzu primitiven mechanischen
Sichtweise des Wirtschaftsgeschehens und übersieht, daß die Alterung
nicht nur Arbeitnehmer, nehmer, sondern auch Arbeitgeber aus dem Arbeitsmarkt
eliminiert. Zu beachten ist nämlich, daß neue Unternehmen, die neue
Arbeitsplätze schaffen, von jungen Leuten gegründet werden. Das durchschnittliche
Alter der Unternehmensgründer liegt in Deutschland bei 34 bis 35 Jahren,
es fällt also mit dem Alter der maximalen wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit
zusammen. (Vgl. J. Brüderl / P. Preisendörfer / R. Ziegler, Der Erfolg
neugegründeter Betriebe, 1996). Da die am dichtesten besetzten Altersklassen
älter als 35 Jahre sind, ist als Ergebnis einer weiteren Alterung der deutschen
Bevölkerung nicht eine Verminderung der Arbeitslosigkeit, sondern ganz im
Gegenteil ein Verschärfung des ohnehin schon bestehenden Mangels an Unternehmern
und Arbeitsplätzen zu befürchten. Daß ein Land von Greisen eine
geringere Arbeitslosigkeit als ein Land von jungen, arbeitsfähigen Menschen
aufweisen würde, ist eine absurde und naive Vorstellung. Die Alterung der
deutschen Bevölkerung wird die Innovationskraft des Landes, von der seine
internationale Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich abhängt, weiter
verringern. Deutschland hat im internationalen Vergleich immer noch eine sehr
gute Position bei den Patentanmeldungen, doch ist das Wachstum der Zahl der Patentanmeldungen
... schon seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ... hinter den USA
zurückgeblieben (relativ [!], denn gemessen an der
Einwohnerzahl liegt Deutschland auch heute immer noch vor den USA; HB),
die in dieser Hinsicht eine besonders bemerkenswerte Entwicklung hatten. Während
US-Amerikaner 1980 doppelt so viele Patente in ihrem Heimatland anmeldeten wie
die Deutschen in dem ihren, sind es heute dreimal so viele (gemessen
an der 3-bis-4-mal größeren Einwohnerzahl der USA liegt Deutschland
also auch heute immer noch vor den USA; HB). Allerdings ist die Zahl
der deutschen Patente angesichts der vergleichsweise geringen Größe
Deutschlands immer noch hoch (höher als in den USA
und weltweit am höchsten! HB). Die Investoren nehmen die demographischen
Probleme vorweg und halten sich schon heute zurück. Auch die Aktienmärkte,
die sehr stark von den langfristigen Gewinnerwartungen der Anleger geprägt
sind, antizipieren die zu erwartende Entwicklung schon heute. Vielleicht sind
der allgemeine Attentismus der Investoren und der im internationalen Vergleich
starke Verfall der deutschen Aktienkurse bereits auf diesen Effekt zurückzuführen.
Nur die Aktien von Altersheimen werden von dieser Entwicklung ausgenommen sein.
Sie werden sich durch steigende Kurse nach obenhin vom allgemeinen Trend abheben,
denn in den Altersheimen liegt die Zukunft des Landes. Deutschland
verwandelt sich unter dem Einfluß der demographischen Probleme allmählich
in eine Gerontokratie, in der die Alten das Sagen haben. Schon heute kann es keine
Partei wagen, gegen die Interessen der Rentner zu agieren. Als die Riester-Reform
durch den Bundestag gebracht wurde, wurde die SPD links von der CDU/CSU überholt
und gezwungen, auf die Absenkung des Rentenniveaus und der Beiträge zu verzichten.
 | Dieser
Trend wird sich in Zukunft verfestigen. Die Abbildung zeigt, wie sich die strategischen
Mehrheiten in der wahlberechtigten deutschen Bevölkerung in den nächsten
Jahrzehnten entwickeln werden. Die Kurve des Medianalters der Wähler gibt
jenes Lebensalter an, das die Gruppe der nach dem Alter aufgelisteten Wahlberechtigten
in zwei gleich große Gruppen aufspaltet. In der Demokratie kann keine Entscheidung
gegen die Interessen des Medianwählers durchgeführt werden, weil sie
keine Mehrheiten fände, und die Parteien werden ungeachtet ihrer ideologischen
Vorprägung stets bestrebt sein, Programme zu entwickeln, die den Präferenzen
des Medianwählers möglichst nahekommen. Heute ist der deutsche Medianwähler
47 Jahre alt, doch in 20 Jahren wird er bereits 54 Jahre alt sein. Dies wird eine
signifikante Veränderung der Politik erzwingen. Die als »Indifferenzalter«
bezeichnete Kurve in der Abbildung bezieht sich auf eine parallele Renten- und
Beitragskürzung, etwa von der Art, wie sie mit der Riester-Reform versucht
und auch partiell vorgenommen wurde. Versicherungsmathematisch gesehen benachteiligt
eine solche Reform die Rentner und die älteren Erwerbstätigen, die dem
Rentenalter bereits nahe sind. Sie entlastet jedoch jüngere Versicherte,
weil die Senkung der Beitragssätze für sie barwertmäßig einen
größeren Vorteil bedeutet als die Kürzung ihrer eigenen Renten
an Nachteilen hervorruft. Das Indifferenzalter ist jenes Lebensalter, in dem Vor-
und Nachteile sich bezüglich der erwarteten Barwerte rechnerisch gerade aufheben.
Liegt das Indifferenzalter über dem Wahlberechtigten-Medianalter, dann profitiert
die Mehrheit der Wahlberechtigten von einer Reform à la Riester. Liegt
es darunter, dann profitiert eine Mehrheit von einer weiteren Ausdehnung des umlagefinanzierten
Rentensystems, also vom Gegenteil der Riester-Reform. Nach dem in der Abbildung
dargestellten Ergebnis ist eine strategische Mehrheit für Rentenreformen
vom Riester-Typ nur noch bis etwa 2015 gesichert. Danach sind solche Reformen
kaum noch durchsetzbar. Dann kippt das politische System Deutschlands um. Die
demographische Krise Deutschlands ist das Ergebnis eines allgemeinen Wandels in
den Einstellungen der Menschen zur Ehe, zu Kindem, zur Rolle der Frau und zu anderen
Aspekten des Lebens, die ebenfalls Rückwirkungen auf die Kinderzahl haben.
Der Wandel dieser Einstellungen ist freilich nicht gottgegeben und auch nicht
nur auf die Zufälligkeiten kulturgeschichtlicher Entwicklungen zurückzuführen,
sondern hat großenteils handfeste ökonomische Ursachen. (Hans-Werner
Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der
demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 64-67).Wie stark die Fertiltiätsentscheidung
von ökonomischen Anreizen bestimmt wird, zeigt ein Blick auf die Geburtenentwicklung
in der DDR nach der Einführung eines umfassenden Programms zur Erhöhung
der Fertilitätsrate im Jahr 1972, das von einer Stärkung der Rechte
der Mütter am Arbeitsplatz über ein breites Angebot an Betreuungseinrichtungen
für Kinder ab dem Krippenalter und einer Erhöhung der finanziellen Beihilfen
für junge Familien bis zur verbesserten Wohnraumversorgung für Familien
mit Kindern reichte. (Vgl. H. Lampert, Priorität für die Familie
- Plädoyer für eine nationale Familienpolitik, 1976, S. 200-206).
Dieses Programm hatte eine durchschlagende Wirkung. Während die Fertilitätsentwicklung
in West- und Ostdeutschland bis etwa 1972 sehr ähnlich verlief, zeigt sich
für die DDR nach dem Beginn des Programms ein sehr deutlicher Anstieg der
Geburtenrate (sie erreichte sogar fast wieder das Bestandserhaltungsniveau
von 2,1 Geburten pro Frau!). .... Es ist übrigens bemerkenswert, daß
... die Geburtenrate ... der neuen Bundesländer nach dem Beitritt zur Bundesrepublik
zunächst sehr deutlich unter das bundesrepublikanische Niveau fiel. Das mag
daran gelegen haben, daß der Regimewechsel bei den Betroffenen ein stärkeres
Problembewußtsein geschaffen und insofern eine besonders starke Änderung
des Reproduktionsverhaltens hervorgerufen hat. (Hans-Werner Sinn, Das
demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 68-70).Das Beispiel Frankreich: Es ist nicht einfach,
die Unterschiede zwischen den Fördersystemen Frankreichs und Deutschlands
zu objektivieren. Hervorzuheben ist jedoch neben der sehr viel besseren Versorgung
mit Kindergärten und Kinderkrippen sowie der Ganztagsschule ganz allgemein
der Umstand, daß in Frankreich ein anderes Grundverständnis bezüglich
der Leistungsfähigkeit der Familien mit Kindern vorzuliegen scheint. Dieses
Grundverständnis hat zum Beispiel dazu geführt, daß die Kinder
einer Familie in das Splitting-System der Einkommensteuer (»quotient
familial«) einbezogen werden, ähnlich wie es in Deutschland bei
Ehepartnern (ohne Kinder natürlich! HB)
der Fall ist. Die in der deutschen Politik vorherrschende (falsche!)
Vorstellung ist, daß die steuerliche Leistungsfähigkeit von der Kinderzahl
unabhängig sei und daß der Staat die Kindererziehung mit festen, für
alle gleichen Geldbeträgen bezuschussen solle. In Frankreich herrscht stattdessen
die (richtige !) Meinung vor, daß Kinder die
steuerliche Leistungsfähigkeit einer Familie reduzieren und deshalb durch
einen Abzug von Freibeträgen und eine Absenkung der Progression des Einkommensteuertarifs
Berücksichtigung finden sollten. Dort argumentiert man, das deutsche System
sei ungerecht (und ist es auch!), weil es
Familien mit gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich stark besteuere,
und zwar umso mehr, je höher die Zahl der Kinder sei. Die Unterschiede hätten
zur Folge, daß sich in Deutschland die fiskalischen Anreize, Kinder in die
Welt zu setzen, bei den ärmeren Familien bis hin in den Bereich der Asozialität
konzentrierten, während sie in Frankreich auch bei mittleren und höheren
Einkommensschichten erheblich seien. Der französische Weg sei insofern vorzuziehen,
als er dazu führe, daß Kinder insbesondere auch in den sozial intakten
Familien der Mittelschicht auf die Welt kommen und großgezogen werden. Das
führe zu einer besseren Ausbildung der Kinder und sorge beim Erbgang sozusagen
automatisch, ohne staatliche Eingriffe, für eine gleichmäßigere
Vermögensverteilung. Das französische Kinder-Splitting greift insbesondere
beim dritten Kind mit voller Kraft, weil erst dieses Kind mit vollem Gewicht in
den entsprechenden Steuerformeln berücksichtigt wird. (Das
1. und 2. Kind werden jeweils mit dem halben Gewicht, das 3. Kind mit dem ganzen
Gewicht bei der Splitting-Formel berücksichtigt). Dies könnte
einer der Gründe für den meßbaren Erfolg der französischen
Familienpolitik sein, denn viele Familien, die sich prinzipiell für Kinder
entschieden haben, planen aus eigenem Antrieb bereits, zwei Kinder zu haben. Der
finanzielle Anreiz für das dritte Kind führt zu einer signifikanten
Verhaltensänderung und relativ starken Effekten auf die Geburtenziffern.
Berechnungen des Ifo-Instituts zeigen, daß das erste Kind in Deutschland
stärker als in Frankreich gefördert wird, daß aber in Frankreich
das zweite und dritte Kind stärker gefördert werden. Die staatliche
Entlastung durch das Kindergeld und durch Steuerersparnisse beim zweiten und dritten
Kind ist prozentual gesehen deutlich größer als in Deutschland. (Vgl.
W. Meister / W. Ochel, Steuerliche Förderung von Familien im internationalen
Vergleich, 2003). Ein französisches Ehepaar mit drei Kindern und einem
Einkommensbezieher, der den Durchschnittslohn eines Industriearbeiters bekommt,
hat ein um 9,1% höheres Familieneinkommen als eine Familie mit zwei Kindern
und dem gleichen Bruttoeinkommen. Für Deutschland beträgt der entsprechende
Einkommenszuwachs nur 6,5%. Erzielt auch der zweite Ehepartner ein Arbeitseinkommen
in Höhe von einem Drittel des Durchschnitts, so beträgt der Zuwachs
an Nettoeinkommen für das dritte Kind in Frankreich 7,5 % und in Deutschland
5,9%. Die Wirkung des Kinder-Splitting zeigt sich insbesondere auch daran, daß,
falls das Arbeitseinkommen des zweiten Ehepartners zwei Drittel des Durchschnitts
beträgt, die zusätzliche Entlastung in Frankreich 7,7%, in Deutschland
dagegen nur noch 4,8% ausmacht. Gerade auch dann, wenn die Ehefrauen berufstätig
sind, werden die Familien in Frankreich viel stärker entlastet, wenn sie
sich für das dritte Kind entscheiden, als das in Deutschland der Fall ist.
Noch deutlich größer sind die Förderunterschiede bei Familien,
die über überdurchschnittliche Einkommen verfügen. Im Vergleich
zu Frankreich und anderen Ländern steht Deutschland auch bei den Sachleistungen
zurück.  | Die
Abbildung zeigt einen internationalen Vergleich der Versorgung mit Kindergärten
und Vorschuleinrichtungen. Frankreich steht unter anderem wegen seiner »ecole
maternelle«, einer von praktisch allen Kindern besuchten Vorschule,
ganz oben auf der Rangskala. Deutschland, das den Kindergarten erfunden und als
eine Institution mitsamt ihren Namen in alle Welt exportiert hat, liegt im Mittelfeld
.... Ähnlich ist die Situation bei den Ganztagsschulen. Es gibt kaum noch
Länder mit Halbtagsschulen, wie sie in Deutschland üblich sind. Die
Ganztagsschule ist in den meisten OECD-Ländern die Regel. Wegen der fehlenden
Ganztagsschulen werden in Deutschland junge Frauen vor die schwierige Entscheidung
gestellt, entweder den Beruf auszuüben oder Kinder großzuziehen. Der
Übergang zu Ganztagsschulen würde diesen Konflikt deutlich entschärfen,
den Einkommensverzicht, der mit der Kindererziehung verbunden ist, verringern
und die Geburtenraten erhöhen. Die Wirkung von Kindergärten und Ganztagsschulen
auf die Kinderhäufigkeit resultiert aus dem Umstand, daß ohne diese
Einrichtungen die Frauen gezwungen sind, ihre Berufstätigkeit stark zurückzunehmen,
und vor die Alternative Karriere oder Kinder gestellt werden, wobei die Entscheidung
zunehmend zugunsten der Karriere ausfällt. Das Fehlen von Kindergärten
und Ganztagsschulen bedeutet einen erheblichen Einkommensverzicht der Frauen,
wenn sie sich für Kinder entscheiden. Dieser Einkommensverzicht stellt vermutlich
den größten Teil der Kosten der Kindererziehung dar und dürfte
die internationalen Unterschiede in den Fertilitätsraten weitgehend erklären.
Dies gilt umso mehr, als die Lohneinkommen der Frauen relativ zu den Lohneinkommen
der Männer ... erheblich gestiegen sind. Die Gehälter vollzeitbeschäftigter
weiblicher Angestellter, die noch im Jahre 1960 bei 55% der Gehälter ihrer
männlichen Kollegen lagen, sind inzwischen auf über 70% angestiegen.
Höhere Löhne für die Frauen bedeuten höhere Opportunitätskosten
für die Kindererziehung, und insofern kann in ihnen ein Grund für die
im Zeitlauf sinkenden Geburtenraten gesehen werden. Wie wichtig dieser Effekt
für sich genommen ist, ist aber umstritten. Immerhin ist bemerkenswert, daß
die Geburtenarten in Frankreich höher als in Deutschland sind, obwohl dort
die Relation von Frauen- und Männerlöhnen höher als in Deutschland
zu sein scheint. Eher ist zu vermuten, daß die gestiegenen Einkommen der
Frauen indirekt wirken, indem sie den Effekt fehlender Kindergärten und Ganztagsschulen
verstärken. Je höher die Lohneinkommen der Frauen sind, desto größer
ist der Anreiz, beim Fehlen solcher Einrichtungen auf Kinder zu verzichten.
(Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 70-74).Auch die Rentenversicherung
gehört zu den Ursachen (!): Unter den ökonomischen Ursachen der Kinderlosigkeit
... ist die Rentenversicherung besonders hervorzuheben. Die Rentenversicherung
leidet nicht nur unter den Folgen der demographischen Krise, sondern hat diese
Folgen selbst mit hervorgebracht. Die
Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren ist eine Versicherung gegen Kinderlosigkeit
und die daraus entstehende Altersarmut.*
Auch wenn man selbst keine Kinder haben kann, muß man im Alter nicht darben,
weil man von den Kindern anderer Leute ernährt wird. Der gegenseitige Versicherungsschutz
ist ein großer Vorteil für alle Beteiligten. Problematisch ist aber,
daß diese Versicherung gegen Kinderlosigkeit die ökonomischen Gründe
für den Kinderwunsch aus der Familienplanung ausblendet, indem sie die Leistungen
der Kinder an die vorangehende Generation fast vollständig sozialisiert.
Nicht nur in den Entwicklungsländern haben Menschen Kinder, um sich vor Altersarmut
zu schützen. Vor der Einführung der Rentenversicherung durch Bismarck
war es auch in Deutschland üblich, Kinder zu bekommen, um den eigenen Alterskonsum
sicherzustellen. Dieses Motiv entfällt heute in Deutschland. Auf eigene Kinder
kommt es bei der Versorgung im Alter nicht mehr an. Es reicht, wenn andere Leute
Kinder in die Welt setzen, die später die Rente zahlen. Ob man selbst Kinder
hat oder nicht, die eigene materielle Versorgung im Alter wird davon kaum berührt,
und deshalb ist eines der wichtigsten Motive für den Kinderwunsch erloschen.
Kaum ein junges Paar verbindet den Kinderwunsch heute mehr mit der Frage, wie
der eigene Lebensabend zu sichern ist. Der fehlende Zusammenhang zwischen Kinderwunsch
und Rententhema in den Köpfen der Menschen zeigt in aller Deutlichkeit, auf
welch dramatische Weise das staatliche Rentensystem auf die gesellschaftlichen
Normen Einfluß genommen hat. Es ist kein Zufall, daß Deutschland,
welches als erstes Land eine umfassende staatliche Rentenversicherung eingeführt
hat, heute zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate gehört. Generationen
von Deutschen haben seit 1889 die Erfahrung gemacht, daß man auch ohne eigene
Kinder im Alter zurechtkommt, und so haben sich auf dem Wege der Nachahmung von
Generation zu Generation neue Lebensmuster verbreitet, die an die neuen institutionellen
Verhältnisse angepaßt sind. Das Single-Dasein ist zu einem attraktiven
Lebensmuster geworden, und die Zahl der jungen Paare, die zumindest vorläufig
keine Kinder haben wollen und auch die Heirat noch nicht einplanen, hat dramatisch
zugenommen. Früher erwuchs aus der Kinderlosigkeit eine Bedrohung für
das eigene Leben, die es unter allen Umständen zu vermeiden galt. Heute entsteht
aus der Kinderlosigkeit ein massiver materieller Vorteil, den immer mehr Menschen
für sich reklamieren. Der neue Golf und der Urlaub auf den Malediven können
mit dem Geld finanziert werden, das bei der Kindererziehung eingespart wurde oder
das die Frau hinzuverdienen konnte, weil sie sich statt für Kinder für
eine Berufstätigkeit entschied. Gerade auch die untere Mittelschicht der
Gesellschaft, die früher hohe Geburtenraten aufwies, hat in der Kinderlosigkeit
einen Weg entdeckt, den materiellen Aufstieg zu schaffen. Die Bedrohung, die aus
der Kinderlosigkeit erwächst, ist zwar auch heute noch vorhanden, aber sie
verlagert sich diffus auf das gesamte Gemeinwesen. Deutschland vergreist, die
Dynamik des Landes läßt nach, der Sozialstaat gerät in die Krise,
und dennoch hat der Einzelne kaum etwas davon, wenn er seinen Beitrag zur Verhinderung
dieser Entwicklung leistet. Der Zusammenhang zwischen Kinderlosigkeit und Rentenversicherung
ist unter dem Stichwort »Social Security Hypothesis« in der Literatur
ausgiebig diskutiert und dokumentiert worden. So haben Ehrlich und Chong sowie
Ehrlich und Kim (1998 und 2001) in Studien, die 57 Länder umfaßten, nachweisen
können, daß die Einführung und der Ausbau umlagefinanzierter Rentensysteme
im Zeitraum von 1960 bis 1992 einen signifikanten negativen Einfluß auf
Familienbildung und Geburtenziffer haben. Ähnliche Resultate finden Cigno
und Rosati (1996; 1997), wobei sie in einer neueren Studie aus dem Jahr 2000 speziell
auch für Deutschland zu eindeutigen, die Hypothese bestätigenden Resultaten
kommen. (Vgl. Cigno, Casolaro und Rosati 2000). Wie groß die fiskalischen
Fehlanreize, die über das Rentenversicherungssystem laufen, wirklich sind,
läßt sich sehr deutlich ermessen, wenn man einmal fragt, welchen fiskalischen
Beitrag ein neugeborenes Kind, das eine durchschnittliche Erwerbsbiographie durchläuft
und selbst wieder für eigene Nachkommen sorgt, für andere Mitglieder
des Rentensystems leistet. Das Kind wird erwachsen, zahlt dann bis zum eigenen
Rentenalter Beiträge und bezieht anschließend eine Rente, die freilich
auf dem Wege der Beitragszahlung von den eigenen Nachkommen aufgebracht wird.
Wie vom Autor in einer früheren Studie ausgeführt wurde, lag der Barwert
des fiskalischen Beitrags eines neugeborenen Kindes für das Rentensystem
im Jahr 1997 bei knapp 90000 Euro, und selbst wenn man die staatliche Hilfen für
die Kindererziehung einschließlich der freien Schulausbildung abzieht, kam
man in diesem Jahr immer noch auf einen Betrag von etwa 35000 Euro. Dabei handelt
es sich um eine äußerst vorsichtige Schätzung, die die wahren
Verhältnisse insofern untertreibt, als von einer Konstanz des Beitragssatzes
zur Rentenversicherung ausgegangen wird. Der Barwert von 90000 Euro ist eine positive
fiskalische Externalität, die Eltern, die sich für ein Kind entscheiden,
für andere Gruppen der Gesellschaft außerhalb ihrer eigenen Nachkommenschaft
ausüben. Er ist einer Kindersteuer gleichzusetzen, die der Staat den Eltern
bei der Geburt ihres Kindes auferlegt, jedoch verbunden mit dem Verlangen einer
marktüblichen Verzinsung stundet, bis das Kind erwachsen ist. Würde
der Staat die Wirkung dieser Steuer durch eine entsprechende Transferleistung
von 90000 Euro zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes kompensieren, so würden,
das wird jedermann auch ohne die entsprechenden ökonometrischen Untersuchungen
einleuchten, sicherlich sehr viel mehr Kinder geboren. (Hans-Werner Sinn,
Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 74-76).Was sind die Politikimplikationen aus diesen Erkenntnissen
? Man kann die staatlichen Politikmaßnahmen, die als Reaktion auf
die demographische Krise diskutiert werden, in passive und aktive Politikmaßnahmen
unterteilen. Passive Maßnahmen versuchen, die Konsequenzen der Krise für
die staatliche Rentenversicherung und den Arbeitsmarkt aufzufangen. Aktive Maßnahmen
zielen auf die Erhöhung der Geburtenrate. (Hans-Werner Sinn, Das
demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 76-77).Zu den passiven Maßnahmen gehört die
Erhöhung der Altersgrenze für das Rentenalter. Statt der Frühverrentung
und der Altersteilzeit, die skrupellose Politiker sich ausgedacht haben, um temporär
die Arbeitsmarktstatistiken zu schönen und die nächsten Wahlen überstehen
zu können, müssen die Deutschen länger arbeiten, um den fehlenden
Nachwuchs an jungen Menschen zu kompensieren. (Hans-Werner Sinn, Das
demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 77).
Fazit: EINWANDERUNG IST VIEL ZU TEUER!
 Man
darf nicht übersehen, daß die Einwanderer ... dem Staat ... zur Last
fallen. Einwanderer profitieren von der Umverteilung zugunsten ärmerer Beitragszahler
in der Krankenversicherung und von staatlichen Leristungen wie der Sozialhilfe,
dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe, die sie überdurchschnittlich
in Anspruch zu nehmen pflegen. Außerdem steht ihnen, und das ist ein ganz
erheblicher Effekt, die breite Palette unentgeltlich angebotener, aber kostenträchtiger
staatlicher Leistungen zur Verfügung, die von der Benutzung von Straßen,
Brücken, Parks und anderen Elementen der öffentlichen Infrastruktur
bis hin zum Schutz des Rechtsstaates durch seine Richter und Polizisten u.v.m
reichen. Dafür zahlen sie zwar Steuern, doch reichen diese nicht aus, die
verursachten fiskalischen Kosten zu tragen. Zuwanderer haben ein unterdurchschnittliches
Einkommen und gehören deshalb zu denjenigen Bevölkerungsgruppen, die
im Sozialstaat deutscher Prägung mehr Ressourcen vom Staat erhalten, als
sie an ihn in Form von Steuern und Beiträgen abgeben müssen. Nach Berechnungen,
die das Ifo-Institut im Jahre 2001 auf der Basis des sozioökonomischen Panels
für die bisher nach Deutschland Zugewanderten angestellt hat, lag die fiskalische
Nettolast, die Zuwanderer für den Staat verursachen, pro Kopf und Jahr im
Durchschnitt der ersten zehn Jahre bei 2300 Euro. Dabei sind auch die Vorteile
für die Rentenversicherung barwertmäßig bereits berücksichtigt
worden. So gesehen verändert sich das Bild, das ein alleiniger Blick auf
die Rentenversicherung liefert, erheblich. .... Die Zuwanderung ist ... kein Beitrag
zur Lösung, sondern ein Beitrag zur Vergrößerung der Probleme
... Daß die Zuwanderung keine Lösung des Rentenproblems bietet, wird
auch klar, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Menschen zuwandern müßten.
... Das sind astronomisch hohe Zahlen, die so natürlich niemals realisiert
werden und auch keinesfalls als Empfehlungen interpretierbar sind. Gerade die
Größe der Zahlen zeigt in aller Deutlichkeit, wie gering der Beitrag
zur Lösung der demographischen Problems Deutschlands ist, den man von der
Zuwanderung erwarten kann. Das Thema wird in der öffentlichen Diskussion
total überschätzt, und es wird mißbraucht, um heute schon aus
ganz anderen Gründen billige Arbeitskräfte ins Land zu holen. Dabei
braucht der Arbeitsmark selbst ... keine Einwanderungen ..., leidet Deutschland
unter einer Massenarbeitslosigkeit, also einem Mangel an Stellen, und nicht einem
Mangel an Menschen. (Ebd., S. 78-80).Zu den sinnvollen passiven
Reformen zur Milderung der Konsequenzen der demographischen Krise gehört
die Teilumstellung der Rentenversicherung vom Umlagesystem auf ein Kapitaldeckungssystem.
Jede Generation wird einmal alt, und dann kann sie nur leben, wenn sie in ihrer
Jugend selbst vorgesorgt hat. Entweder muß sie Humankapital gebildet haben,
indem sie Kinder in die Welt gesetzt und großgezogen hat. Oder sie muß
gespart und somit direkt oder indirekt Realkapital gebildet haben, um vom Verzehr
dieses Kapitals zu leben. (Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit,
in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S. 81).Freiwillig
kommt die notwendige Ersparnis nicht zustande, wie die geringe Beteiligiungsquote
bei der Riester-Rente von nicht einmal 10% im ersten Jahr nach der Einführung
der Riester-Rente (2000) zeigt. Der Grund liegt nicht
in der Unmündigkeit der Bürger, sondern in den Wechselwirkungen mit
dem restlichen Sozialsystem. .... Deswegen muß das Riester-Sparen auch im
Falle einer kindergerechten Ausgestaltung zur Pflicht gemacht werden, und so war
es von Seiten der Wissenschaft ja auch empfohlen worden. (Hans-Werner Sinn,
Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S. 82).Statt nur passiv auf die abnehmenden
Geburtenraten zu reagieren und die Konsequenzen für die Sozialsysteme anderweitig
abzufedern, kann man versuchen, den Ursachen des Bevölkerungsschwunds entgegenzuwirken,
also eine aktive Bevölkerungspolitik zu betreiben. Dies ist seit dem Mißbrauch
der Bevölkerungspolitik in der Nationalsozialismus-Zeit ein heikles Thema.
Aber man kann es nicht weiter tabuisieren und die zu erwartenden Probleme sehenden
Auges auf sich zu kommen lassen. Es ist Zeit, daß Deutschland sein Tabu
überwindet. (Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit, in:
Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S., S. 83).Heute
greift der Staat auf dem Wege über das Rentensystem ganz massiv in die Familienplanung
ein, indem er die Beiträge der Kinder zur Rentenversicherung sozialisiert
und so die natürlichen ökonomischen Motive für den Kinderwunsch
aus den Köpfen der Menschen vertreibt. (Hans-Werner Sinn, Das demographische
Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S. 83).Auf den ersten Blick spricht vieles dafür, den Kinderwunsch
dadurch zu stärken, daß den jungen Familien in Zukunft mehr geholfen
wird, als es in der Vergangenheit der Fall war. So ist daran zu denken, die Zahl
der Kindergärten pro Kind im entsprechenden Alter wieder auf das internationale
Niveau zu erhöhen, das Ehegatten-Splitting um ein Kinder-Splitting nach französischem
Muster zu erweitern (besser noch: ersetzen! HB)
oder den so genannten Familienlastenausgleich durch pekuniäre Ausgleichszahlungen
wie zum Beispiel das von der CDU/CSU vorgeschlagene Familiengeld zu erweitern.
Das alles sind sinnvolle ... Maßnahmen, bei der die Nachwuchsplanung die
gewünschten Wirkungen entfalten wird. (Hans-Werner Sinn, Das demographische
Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und
der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005,
S., S. 83).Statt
eine ganze Generation kollektiv in die Verantwortung zu nehmen, sollten die notwendige
Rentenverkürzungen und das kompensierende Riester-Sparen auf die Kinderlosen
konzentriert werden. Wer keine Kinder in die Welt setzt und großzieht, dem
kann eine erhebliche Rentenkürzung zugemutet werden. (Hans-Werner Sinn,
Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der demographischen
Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft,
2005, S., S. 84).Die Betroffenen müssen angehalten werden,
in dem Maße eine Riester-Rente anzusparen, wie ihnen die umlagefinanzierte
Rente gekürzt wird. .... Die Staffelung von Umlagerente und Riester-Rente
nach der Kinderzahl wird zu der wünschenswerten Änderung der Familienplanung
führen. .... Es geht nicht darum, den Staat bei der Familienplanung mitreden
zu lassen, sondern ... ihn wieder ... aus der Familienplanung herauszunehmen.
.... Die Einführung einer von der Kinderzahl abhängigen Rente ist nicht
nur geeignet, die Staatsintervention in die Familienplanung zurückzunehmen
und die natürlichen Motive für den Kinderwunsch wieder stärker
zur Geltung kommen zu lassen. Sie ist zudem auch gerecht, denn sie folgt dem Verursacherprinzip
und dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Wer keine Kinder hat und insofern zu
wenig tut, um seine eigene Rente im Umlagesystem zu sichern, muß die Konsequenzen
tragen und selbst auf dem Wege der Ersparnis für Ersatz sorgen. Und wer keine
Kinder hat, kann sparen, weil er keine Ausgaben für die Kindererziehung leisten
muß. Er ist vergleichsweise liquide und kann die bei der Kindererziehung
eingesparten Geldmittel am Kapitalmarkt anlegen, um auf diese Weise seine gekürzte
Umlagerente zu ergänzen. .... Man darf nicht vergessen, daß es im Generationenzusammenhang
zu den normalen Pflichten einer jeden Generation gehört, zwei Leistungen
zu erbringen: In der leistungsfähigen Lebensphase muß man seine Eltern
und seine Kinder ernähren. Die erste dieser beiden Leistungen wird in Form
der Rentenbeiträge erbracht, die ja in vollem Umfang an die heutigen Rentner
fließen. Doch die zweite Leistung wird von vielen Menschen nicht erbracht,
weil sie sich gegen Kinder entscheiden. So gesehen ist es sehr wohl gerecht, nun
auch diesen Menschen eine zweite Leistung in Form des Riester-Sparens abzuverlangen.
Dadurch sichern sie sich die Rente, deren Vollfinanzierung man den wenigen zukünftigen
Beitragszahlern nicht mehr zumuten kann, und es wird möglich, den Eltern
einen größeren Teil der von ihren eigenen Kindern gezahlten Rentenbeiträge
zu belassen. Menschen, die mehrere Kinder großziehen, an der Riester-Rente
zu beteiligen, hieße indes, ihnen eine dreifache Last aufzuerlegen. Als
Beitragszahler ernähren sie die jetzt Alten, als Eltern, finanzieren sie
über die Kosten der Kindererziehung die Renten aller zukünftiger Rentenbezieher,
und als Riester-Sparer müßten sie zusätzlih ihre eigene Rente
finanzieren. (Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig
Birg, Auswirkungen der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung
auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, 2005, S., S. 85-87).Ein
pragmatischer Umgang mit dem Thema Familienplanung und Fertilität ist dringend
geboten, um den Schaden der aus einer Vergreisung des Landes zu entstehen droht,
zu begrenzen. Dazu muß auch der Staat umsteuern, denn er ist es, der durch
seine sozialen Sicherungssystme, die das Schicksal des Einzelnen von den Konsequenzen
seiner Fertilitätsentscheidungen abgetrennt haben, ganz maßgeblich
zur Änderung des gesellschaftlichen Wertes der Familie und zur Kinderlosigkeit
... beigetragen hat. Richtig ist es, wenn der Staat sich stärker an den Kosten
der Kindererziehung beteiligt und die Kinder auch steuerlich stärker berücksichtigt.
Die verstärkte Bereitstellung von Kindergärten, der Übergang zu
Ganztagsschulen und das Kinder-Splitting nach französischem Muster sind Maßnahmen,
die sich aufdrängen und den gewünschten Erfolg haben werden. .... Vieles
spricht dafür, daß sich der Staat zurücknimmt, indem er das Ausmaß
der Sozialisierung der Rentenbeiträge, die Kinder an die Generation ihrer
Eltern zahlen, reduziert. .... Wer keine Kinder hat, kann das bei der Kindererziehung
eingesparte Geld am Kapitalmarkt anlegen, um sich so die Rente zu sichern, deren
Zahlung er den Kindern anderer Leute in voller Höhe nicht mehr zumuten kann.
Das muß die Devise für eine neue Rentenreform sein, bei der die Rente
allgemein gekürzt und durch einen kinderbedingten Rentenanspruch ... ergänzt
(besser noch: ersetzt! HB) wird. (Hans-Werner
Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen der
demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S., S. 87-88).Die Reformen verlangen
mehr Mut von den Politikern und den Vertretern der Rentenversicherungssysteme,
als heute erkennbar ist. .... Die Politiker und Verbandsverterter, die sich sperren,
das Thema weiter tabuisieren oder es mit kleinmütigen juristischen Argumenten
beseite schieben, machen sich schuldig an der Zukunft des Deutschen Volkes.
(Hans-Werner Sinn, Das demographische Defizit, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S., S. 88).
Die demographischen
Auswirkungen erweisen sich als ungemein wuchtig. (Gunnar Heinsohn, Wie
man mit viel Geld Armut vermehrt, in: Die Welt, 09.02.2010 **).
Die Bedrohung für die Wirtschaft, den Sozialstaat, das Gemeinwesen insgesamt
ist so groß, daß es zumindest unter den Demographen kaum einen gibt,
der dem Westen noch Hoffnungen macht. Und ausgerechnet in Deutschland ist der
Widerstand gegen diese Einsicht von den Herrschenden zu einem der obersten Gebote
proklamiert worden. Eine demographische Zukunft haben nur die Bildungsfernen.
So besteht im Februar 2010 die Hartz-IV-Bevölkerung von 6,53 Millionen Menschen
zu 26% aus Kindern unter 15 Jahren (1,7 Millionen). Im leistenden Bevölkerungsteil
von 58 Millionen Bürgern unter 65 Jahren dagegen gibt es nur 16% Kinder (9,5
Millionen). Doch selbst der 26%-Kinderanteil in Hartz IV ist nur ein Anfang. Er
wird weiter wachsen, weil er bei den Kleinsten schon sehr viel höher liegt.
So hatte Bremerhaven vergangenes Jahr zwar »nur« 33% der Kinder von
7 bis 15 Jahren auf Hartz IV. Bei den 0- bis 3-Jährigen aber waren es 45%.
Deshalb steht zu befürchten, daß in einigen Jahrzehnten weit mehr als
ein Viertel der Menschen in eine Hightech-Gesellschaft mit ihren hohen Qualifikationsanforderungen
nicht paßt. Weil junge Frauen während ihrer optimalen Gebärperiode
heute genauso wie junge Männer mit ihrem beruflichen Fortkommen beschäftigt
sind, reicht es bestenfalls noch für ein Wunschkind und oft nicht einmal
für dieses. Deshalb liegen bereits 100 Nationen unterhalb der Nettoreproduktion
von 2,1 Kindern. Die Regierungen haben spät auf diese Entwicklung reagiert.
(Unsere »Bundesregierung« bis heute nicht!
HB). Kanada wird zur ersten Nation, die bei den (oft chinesischen) Zuwandererkindern
einen höheren Intelligenzquotienten (IQ) mißt als bei den Alteingesessenen.
Deutschland rekrutiert seine Einwanderer vorrangig nicht aus Eliten, sondern aus
den Niedrigleistern des Auslands, weshalb man eben nur etwa 5% qualifizierte Einwanderer
gewinnt. Und deren Nachwuchs schleppt die Bildungsschwäche weiter. Die deutsche
politische Führung scheint fest entschlossen, weiter auf dem erfolglosen,
immer teurer werdenden Weg der verfehlten Einwanderungs- und Sozialpolitik zu
gehen. Mehr Geld für Sozialprogramme hilft dabei nicht
einmal zur Bekämpfung der Symptome, wie der Politologe und Ökonom Charles
Murray in seiner Studie »Losing Ground« überzeugend dargelegt
hat (**). Zwischen
1964 und 1984 erhöhten die USA ihre Ausgaben für Sozialhilfe sehr stark.
Und doch stieg die Zahl der »Sozialhilfemütter« und ihrer Kleinen
von 4 auf 14 Millionen. Murray faßte diese Entwicklung in die Gesamtformel
»Mehr Geld vermehrt Armut«. Seine wichtigsten Schlußfolgerungen
lauteten: Erstens: Die Bezahlung der Mutterschaft
für arme Frauen führt zu immer mehr solchen Müttern. Zweitens:
Die Kaschierung des Schulversagens ihrer Kinder durch Senkung der Anforderungen
höhlt die Lernbereitschaft weiter aus. Drittens:
Die Entschuldigung der Kriminalität dieser Kinder - 10 Prozent der Jungen
sind auf Sozialhilfe, diese begehen aber 50 Prozent der Verbrechen - als »Versagen
der Gesellschaft« treibt die Deliktzahl weiter nach oben. Viertens:
Die Abschaffung der Sozialhilfe wirkt für die Betroffenen hilfreicher als
ihre Belohnung mit Quasiverbeamtung für immer mehr bildungsferne Kinder.
Diese unbequemen Einsichten haben in der us-amerikanischen Politik zu einem Umdenken
geführt. Letztlich hat der Linksliberale Bill Clinton die entscheidende Wende
eingeleitet. Ungeachtet aller »Rassismus«-Vorwürfe aus den eigenen
Reihen setzte er zum 1. Januar 1997 die wichtigsten von Murrays Vorschlägen
um. Clintons Reform beendete das geltende Recht auf lebenslange Sozialhilfe. An
seine Stelle trat ein auf fünf Jahre begrenztes Recht auf Unterstützung
bei tatkräftiger Hilfe nicht zu irgendeiner abstrakten Integration, sondern
zum Übergang in Arbeit. Der Erfolg dieser Maßnahmen war durchschlagend:
Bezogen vor der Reform 12,2 Millionen us-amerikanische Bürger Sozialhilfe,
so waren es 2005 nur noch 4,5 Millionen. Die Frauen der Unterschicht betrieben
nun Geburtenkontrolle. So sank die Zahl der »welfare mothers« drastisch,
ebenso die Kriminalität der Söhne dieses Milieus. Fährt Deutschland
mit seinem sozialpolitischen Kurs, der die Clintonsche Lektion ignoriert, wirklich
besser? Die Zahl der ausschließlich von Sozialhilfe lebenden Kinder unter
15 Jahren sprang von rund 130000 im Jahre 1965 (nur Westdeutschland) über
630000 im Jahre 1991 auf 1,7 Millionen im Februar 2010. Nicht nur 10% aller Babys
wie damals in den USA, sondern schon 20% werden mit Steuergeld finanziert. Während
deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben
..., vermehrt sich die vom Sozialstaat unterstützte Unterschicht stärker
- mit allen Folgeproblemen. So sind in der Hartz-IV-Musterkommune Bremerhaven
die Jungen in Sozialhilfe mit einem Anteil von rund 40% an der männlichen
Jugend für mehr als 90% der Gewaltkriminalität verantwortlich. Solange
die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich
zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften
als Kapital ansehen. Allein eine Reform hin zu einer Sozialnotversicherung mit
einer Begrenzung der Auszahlungen auf fünf Jahre statt lebenslanger Alimentierung
würde wirken - nicht anders als in den USA. Eine solche Umwandlung des Sozialstaats
würde auch die Einwanderung in die Transfersysteme beenden. Deutschland könnte
dann im Wettbewerb um ausländische Talente mitspielen .... (Gunnar
Heinsohn, Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen, in: F.A.Z, 16.03.2010
**).
Aber die Bundesregierung weigert sich und will vergessen (machen), daß dei
bereits mehr als 95% ausmachenden integrationsunfähigen und -unwilligen
Migranten uns und ganz besonders unseren Nachkommen (am meisten den weiblichen)
und auch den weniger als 5% ausmachenden integrationsfähigen und -willigen
Migranten extrem schaden! Der Schaden betrifft jeden Bereich - also nicht
nur Sozial- und Steuersystem, Bildung, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft u.a.
-, und am Ende werden alle unsere Kulturwerte vernichtet sein! 
Ich möchte noch
etwas zu den Investitionen der Familie in das Humankapital ihrer Kinder hinzufügen,
also zur Erziehung, zur Ausbildung, zur Informationsvermittlung, zur gesunden
Lebensweise und zu den Wertorientierungen der Kinder. All das sind Aspekte des
Humankapitals, und das ist etwas, worauf Eltern einen enormen Einfluß haben.
Familien spielen eine bedeutsame Rolle bei den Investitionen in das Humankapital.
Das ist deswegen so wichtig, weil die heutige Wirtschaft, in der wir leben, fundamental
wissensabhängig ist. Sie ist eine Wissensökonomie. Die Produktivität
der modernen Wirtschaft hängt von deren Fähigkeit ab, das vorhandene
Wissen und die Informationsverarbeitungskapazität der Menschen erfolgreich
im Produktivitätsprozeß zu nutzen. Es geht nicht mehr um Körperkraft.
Sie ist heute unwichtig. Viele von uns - mit einigen Ausnahmen - würden sich
schlecht anstellen, wenn die Wirtschaft immer noch auf Körperkraft aufbauen
würde. Sie gründet heute auf Wissen. Eltern und Familien sind wichtige
Träger von Investitionen in den Wissenserwerb. Zweifellos sind Schulen wichtig.
Gegenwärtig gibt es sowohl in Deutschland als auch in den USA eine große
Diskussion über die Qualität von Schulen. Aber wir sollten nicht die
Tatsache aus dem Blick verlieren, daß die Familien immer noch ganz entscheidend
zu den Investitionen in Wissen und den Erwerb von Fähigkeiten beitragen.
Schulen ergänzen dies. Aber Schulen haben die Familie nicht ersetzt, und
dies sollte m.E. auch nicht das Ziel sein. Die Wirtschaft
in Europa und den USA begann sich ... mit der industriellen Revolution zu modernisieren.
( ).
Die industrielle Revolution war im Kern eine Revolution, in der wissenschaftliche
Erkenntnisse in der Wirtschaft angewendet wurden. Es ging primär um die Anwendung
von Erkenntnissen der Ingenieurswissenschaften und der Chemie, bei der Deutschland
in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts
führend war. (Deutschland war in allen Bereichen Weltmeister
! Deutschland hatte pro Jahr mehr Nobelpreisträger als der Rest der Welt
zusammen! Die Wissenschaftsliteratur der Welt erschien zu über 80% in deutscher
Sprache! HB ![Siehe Tabelle (Nobelpreisträger: Deutschland [20], England [8], Frankreich [7], USA [2] usw.) Wissenschaft](bilder/kv.jpg) ).
Es war die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Wirtschaft, die zu
einem massiven Anstieg der Produktivität führte. Gleichzeitig machte
die Verwissenschaftlichung der Produktion es erforderlich, daß die Menschen
über das Wissen und die Ausbildung verfügten, um mit den neuen Produktionsmethoden
in effektiver Weise umgehen zu können. Und das ist auch der Grund dafür,
warum ... die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten immer
wichtiger für die Produktivität der Arbeitskräfte, für ihren
Arbeitsplatz und ihr Einkommen wurden. Ich bezeichne unsere Zeit als Zeitalter
des Humankapitals. Für dieses gilt, daß das Humankapital zur zentralen
Determinante von Wohlstand und Reichtum geworden ist. (Gary S. Becker, Die
Bedeutung der Humanvermögensbildung in der Familie für die Zukunft von
Wirtschaft und Gesellschaft, in: Christian Leipert, Demographie
und Wohlstand, 2003, S. 95-96).
Verhaltensweisen sind wie das Wetter!
Denn: Bevölkerungsprognosen
sind zuverlässiger als Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung,
weil die künftigen Bevölkerungszahlen in erster Linie von der Größe
der verschiedenen Altersgruppen in der bekannten Bevölkerungspyramide abhängen
und erst in zweiter Linie vom Verhalten der Menschen, das sich ändern kann.
Aber auch die sich ändernden Verhaltensweisen lassen sich analysieren und
die dabei festgestellten Richtungen der Verhaltensänderungen bei den Annahmen
für die Zukunft berücksichtigen. Der Unterschied zwischen den dominierenden
Einfluß der Altersstruktur und dem der Verhaltensweisen läßt
sich vergleichen mit dem ziemlich sicher prognostizierbaren Wechsel der Jahreszeiten
und den kurzfristigen Wetterprognosen. (Herwig Birg, Die ausgefallene
Generation - Was die Demographie über unsere Zukunft sagt, 2005, S. 48-49).
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist die Prognose richtig, daß es auch
in Zukunft Jahreszeiten und Wetter geben wird, und mit fast ebenso hoher Wahrscheinlichkeit
ist die Prognose richtig, daß es auch in Zukunft Bevölkerungen und
Verhaltensweisen geben wird. Darum ist mir die Demographie zunächst nur ein
Teil der Kultur. Sie hat ihre Jahreszeiten, weil sie einer Schwankung
ausgesetzt ist, die nur für sie spezifisch ist, denn für die Kultur
ist die Wirtschaft nächster Trabant, Begleiter, Satellit, Wächter,
Hüter (nomíã) im Haus (oikos) - also: Haushüter
(= Ökonomie, vgl. Wirtschaftlichkeit) - und deshalb eine nahestehende
zyklische Bindung (Verbindung = Konjunktur),
die Technik sonniges
Zentrum und die Kunst
planetarische Wandlung, z.B. als festgelegtes Medium der Wege, Irrwege
und Auswege. Mit anderen Worten: Wirtschaft, Technik, Kunst und andere Kräfte
wirken auf die Kultur ähnlich wie Mond, Sonne, Planeten und andere Kräfte
auf die Erde. Sie bringen sie ins Schwanken! Wirtschaft ist auf
das Innigste verwoben mit Gesellschaft. Genau genommen sind Probleme der Wirtschaft
sogar nur ein Widerschein gesellschaftlicher Probleme einschließlich der
Bevölkerungsentwicklung. Zu häufig wird in der öffentlichen Debatte
übersehen, daß die Wirtschaft nichts Eigenständiges ist. Sie ist
eine Manifestation, also ein Offenbarwerden gesellschaftlich geleiteten individuellen
und kollektiven Handelns. Nicht mehr und nicht weniger. Um die Wirtschaft zu sehen
und zu verstehen, muß deshalb die Gesellschaft in den Blick genommen werden.
(Meinhard Miegel, Epochenwende, 2005, S. 183). Und vergessen wir
nicht: Phänomene wie z.B. der Geburtenrückgang - bis hin zum Geburtendefizit,
d.h. zur Bevölkerungsschrumpfung - sind weder rein wirtschaftlich noch rein
biographisch erklärbar; für sie können nur komplexe, multikausale
Erklärungen Plausibilität beanspruchen .... Das spricht sowohl gegen
eine rein ökonomische wie auch gegen eine nur biographietheoretische Erklärung
.... (Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 130).
Darum sollten wir die Problemlösungen, die uns die Wirtschaft anbietet, erst
einmal skeptisch hinterfragen und sorgfältig überprüfen, bevor
wir sie akzeptieren, und da, wo es notwendig ist, müssen wie sie als
falsch entlarven, denn wir haben nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht
zur Falsifikation. Vgl. Wissenschaft
Weiterführende Verweise

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