Nach
der Einnistung bilden sich um den Keim, jetzt Embryo genannt, schützende
Fruchthüllen. Die Gebärmutterschleimhaut und die Hüllzellen entwickeln
sich zum Mutterkuchen, zur Plazenta. Bekanntlich sind die Mutter und das embryonale
Kind nicht nur zwei verschiedene Lebewesen, sie sind auch durch zwei verschiedene
Blutgefäßsysteme voneinander getrennt, also von Anfang an zwei verschiedene
Lebenssysteme in zwei verschiedenen Welten. Folgende Unterscheidung ist für
jede werdende Mutter zu treffen, auch wenn viele Mütter sie häufig verwechseln
oder nicht treffen wollen: mein Bauch gehört mir, aber: mein Kind
gehört nicht mir. Die Wände der kindlichen Blutgefäße
trennen das Blut von Mutter und Kind; sie bilden die Plazentaschranke. Sauerstoff
und Nährstoffe aus dem mütterlichen Blut gelangen von der Plazenta aus
durch eine Nabelschnur zum Embryo, während Stoffwechselprodukte über
die Nabelschnur ins Blut der Mutter transportiert werden. Der Embryo nimmt, was
er braucht, gibt ab, was er muß - ohne irgendeinen Kontakt zum System
Mutter. Auf diese Weise verfahren auch embryonale Kulturen. Sie haben
zunächst einmal mit den erwachsenen Kulturen, den Zivilisationen, nicht viel
im Sinn. So bildeten z.B. die Germanen in den eroberten römischen Gebieten
bald eine herrschende Minderheit, die die Kultur des Imperiums weder besonders
schätzten noch zerstörten. Sie nahmen sich, was sie brauchten, aber
sie zerstörten nicht das Kultursystem. Sie drückten dem fremden System
einen germanischen Stempel und das zur ihrer eigenen Macht Notwendige auf. Derartige
Übergänge müssen reformerisch, aber auch bruchlos sein. weil sich
ohne eine gelungene Zweiteilung keine neue Kultur entwickeln kann. (Vgl. 22-24
und 0-2). Die
Welt in Uterus und Mutterkörper verläuft während der Schwangerschaft
auf genau diese Art. Zum Beispiel waren in der embryonalen Kulturphase der Antike,
zwischen 1800 und 1600, aus Indogermanen und Altmediteranen diejenigen Protogriechen
geworden, die man als die Organe der werdenden antiken Kultur bezeichnen
kann. In der embryonalen Kulturphase des Abendlandes,
von 375 bis 568, waren aus Germanen und Christrömern diejenigen Protoabendländer
geworden, die über die Germanen-Reiche
hinaus Organe ausbildeten, indem sie auf westliche Art anfingen,
Mönche und Missionare zu werden. Die Vorbedingungen dafür waren die
Entwicklung des Eremitenlebens und das Toleranzedikt von Mailand im Jahre 313,
das die Christenverfolgungen beendete. Antonius der Große (251-356), auch
der Einsiedler genannt, ging um 300 als Eremit in die Einsamkeit, in die ägyptische
Wüste, und begründete auf diese Weise das Eremitenleben. Er gilt als
Patriarch der Mönche. Pachomius war seit 308 ebenfalls Eremit und
gründete um 320 das erste Kloster (Koinobitentum). Das Ziel war die
Erlangung der Vollkommenheit durch strengste Askese. Von Ägypten aus verbreitete
sich das Mönchtum im ganzen Morgenland. Basileios der Große (330-379)
begründete seit etwa 370 eine für das griechische Mönchtum verbindliche
Regel. Ebenfalls seit 370 entfaltete sich das westliche Mönchtum unter Einfluß
der Vita Antonii. Es bildeten sich die abendländischen Organe aus,
die einhergingen mit der Auslösung der sogenannten Völkerwanderung
(3.
Germanische Wanderung). 376 erhoben sich die durch Ansiedlungsvertrag in das
Römische Reich aufgenommenen Westgoten; sie besiegten die Römer bei
Adrianopel (378). 379 gab es eine erneute Ansiedlung der Ostgoten in Pannonien
und der Westgoten in Makedonien, Thrakien und Moesien. 380 wurde der Arianismus,
dem die Goten anhingen, verboten und der Athanasianismus Staatsreligion. Der westgotische
König Alarich begann mit seinem Volk eine Plünderung durch Balkanhalbinsel
und Peloponnes und wurde zum Heermeister Illyriens, zum Magister militum per
Illyricum ernannt. Von hier aus unternahm er seine Angriffe gegen Italien
(401-403), wo seit 380, nach Bekanntwerden des Mönchtums, bereits westliche
klosterartige Einrichtungen entstanden. 391 wurde das Christentum Staatsreligion
und 395 das Römische Reich geteilt. Ost- und Westrom sollten von nun an getrennte
Wege gehen. 451 lieferte die entscheidende Schlacht
auf den Katalaunischen Feldern ebenfalls einen Beitrag zur Organisation des
Abendlandes: Attila wurde hier besiegt vom westgotischen König Theoderich
I. (418-451), der dabei fiel, und vom römischen Feldherrn Aetius. Der
ostgotische König Theoderich
der Große (453-526) regierte in Ravenna und war, nachdem das Römische
Reich 476 aufgelöst und Italien vom germanischen König Odowaker regiert,
dieser aber von den Ostgoten 489/493 besiegt worden war, auch Herrscher über
ganz Italien. Die römische Verwaltung wurde mit der Militärherrschaft
der Ostgoten verbunden. Was die
Franken betriftt, gilt es nicht nur zu beachten, daß sie oft zeitgleich
regierende Könige und Teilkönige hatten, sondern auch mindestens zwei
Linien. (Vgl. unten). Die
fränkischen Könige des 5. Jahrhunderts Richimer, Theudomer und Sigibert
I. vertraten die rheinfränkische Linie, und die salische Linie vertraten
Chlodjo, Chlodobad, Merowech,
Childerich I. und Ragnachar, wobei die letzten beiden Könige in
das 6. Jahrhundert hineinregierten. Im 5. / 6. Jahrhundert brachte immer bekannter
werdende Könige hervor, z.B. Richar, Rignomer, Chararich, Chlodwig
I. (um 466 - 511), Theuderich, Theudebert I., Theudebald, Chlodomer, Childebert
I. und Chlotachar I. (= Chlothar I.). (Vgl. 0-2
und 4-6).
In Gallien wurde der letzte Statthalter 486 von Chlodwig I., dem Sohn Childerichs
I. und Vater Childeberts I., vertrieben. Chlodwig
I., seit 482 König, sollte das Reich noch erheblich vergrößern
und 496 vom Arianismus zum Katholizismus übertreten. Als er 511 starb, war
ein Staatswesen begründet, das germanische Franken und Galloromanen vereint
hatte. Das germanische Prinzip des Nachfolgerechts aller Königssöhne
führte ab jetzt jedoch zu immer neuen Reichsteilungen und Kämpfen zwischen
den Teilkönigen. Auch nach außen war dieses Reich in ständigen
Folgen von Kriegen gegen die Nachbarn verwickelt, und zwar auf ganz interessante
siegreiche Art: um 500 Sieg über die Burgunder mit Hilfe der Westgoten, 507
Sieg über die Westgoten mit Hilfe der Burgunder, 531 Eroberung des Thüringerreiches
mit Hilfe der Sachsen. Unter Theudebert I., Childebert I. und Chlothar I. erfolgte
532 bis 534 die Unterwerfung des Burgunderreiches. Rest-Alemannien,
die Provence und das Mittelmeergebiet wurden 535-537 fränkisch. Bayern wurde
539 angeschlossen. Wenn auch Alemannien und Bayern bald wieder selbständiger
werden sollten, so wurden sie doch später wieder heim ins Frankenreich geholt.
(Vgl.Tabelle
und 4-6).
Auch das waren wichtige Schritte in der Organogenese. Sie waren Organbildungen
staatlicher Art in der embryonalen Geschichte des Abendlandes. Ein
weiteres wichtiges Organ war die 529 erfolgte Gründung des Klosters Monte
Cassino in Kampanien durch Benedikt von Nursia (480-543). Das Kloster wurde das
erste abendländische Kulturzentrum. Die Benediktinerregel, z.B. die Verpflichtung
zu Eigentumsverzicht, Keuschheit, Gehorsam und Ortsbeständigkeit, sollte
sich wie ein roter Faden durch die weitere abendländische Geschichte ziehen.
Die ersten europäischen Klosterschulen entstanden nach der Gründung
des Benediktinerordens. Die abendländische
Hirnentwicklung vollzog sich in den eben angegebenen Prozessen: das klösterliche
Neuralrohr sollte ab jetzt das Basisorgan für das abendländische
Gehirn in Gang setzen - über das 3-Bläschen-Stadium, in dem Vorder-,
Mittel- und Rautenhirn angelegt wurden, bis hin zum 5-Bläschen-Stadium,
das bereits das Vorderhirn in 2 Hemisphären des Großhirns gut erkennbar
einteilte. Diese 2 Hemisphären waren der Ausgangspunkt, d.h. ein Unendlichkeitsraum
der abendländisch-faustischen Mission und Forschung: ora et labora!Auch
die embryonale Antike war noch so klein, daß man, um Überreste aus
dieser Zeit zu finden, nur von dem übermächtigen Einfluß der Kreter
ausgehen kann. An der Kunst, besonders an der Wandmalerei der Kreter in Knossos
fallen die erstaunlichen Übereinstimmungen mit derjenigen in Vorderasien
auf. Die Beziehungen der Kreter zur mesopotamisch-sumerischen Kultur ( )
und zur ägyptischen Kultur ( )
waren besonders zu Beginn dieser Phase immer noch stärker als die zum griechischen
Festland. Am Ende dieser Phase konnten sich jedoch die auf dem griechischen Festland
beheimateten Mykener immer mehr behaupten und den Versuch starten, zum Konkurrenten
der Kreter zu werden. Ähnlich verhielt es sich mit den Germanen, die das
Römische Reich eroberten und zum Konkurrenten der durch die Reichsteilung
(395) zu Oströmern gewordenen Byzantiner wurden. (Vgl. Oströmisches
Reich = Byzantinisches Reich).

Schon während der 2.
Germanischen Wanderung, also noch vor der sogenannten Großen
Völkerwanderung, der 3. Germanischen Wanderung, hatte sich das
germanische Element verstärkt und war bereits im 3. Jahrhundert tragende
Säule im römischen Staat: Germanen waren zu den höchsten
Befehlshaber- und Verwaltungsstellen des Römischen Reichs aufgestiegen.
Die Westgoten hatten sich bereits dem arianischen
Christentum verschrieben. In den Donauländern und südlich
davon bildeten Goten, Heruler, Rugier, Skiren und Wandalen Reiche.
Unruhen begannen erst wieder mit der Durchbrechung der Rheinbefestigungen
durch die Alemannen und Franken (seit 350), weshalb Rom die Rheingrenze
bald aufgab (401). Weitere Unruhen gab es durch die Donau-Überschreitungen
der Quaden und Markomannen (seit 357) sowie durch den Wiederausbruch der
Kämpfe mit den Westgoten (367). Die
3.
Germanische Wanderung, die bekannteste unter den Völkerwanderungen,
wurde 375 durch den Vorstoß der Hunnen ausgelöst, in deren
Verlauf auf dem Boden des Imperiums Romanum immer mehr germanische
Reiche entstanden, die im europäischen Raum den antiken Zustand der
Mittelmeerwelt endgültig beendeten. Das südosteuropäische
Reich der Goten, östlich der Donau und nördlich des Schwarzen
Meeres gelegen, war der Sage nach in ein westgotisches und ein ostgotisches
Reich geteilt worden, wobei die Namen nicht erklärbar sind; mit den
Himmelsrichtungen haben sie eigentümlicherweise nichts zu tun. Die
Ostgoten, möglicherweise die strahlenden Goten (= Austrogoti),
hatten altes griechisches Kulturland und die von Griechen erschlossene
Krim erobert, sie hatten kleinasiatische Städte geplündert und
in Ephesos die berühmte Statue der Artemis zerstört. Erst der
von 324 bis 337 regierende Konstantin der Große konnte ihren Ansturm
beenden. Viele Goten wurden Christen,
genauer: Arianer, z.B. der Westgote Wulfila
(got. Wöfchen, 311 bis 381), ein Zeitgenosse des Arius (260-336).
Bischof Wulfilas Missionen und seine Bibelübersetzung ins Gotische
waren für den abendländischen Organismus wegweisend.
Als die Goten endlich zur Ruhe gekommen waren, erstreckte sich ihre Herrschaft
von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. König Ermanarich aus dem Geschlecht
der Amaler, dessen Reitertruppe gefürchtet war wie heute eine
gut ausgebildete Luftwaffe, pflegte sogar diplomatische Beziehungen zum
römischen Weltreich. In der germanischen Heldendichtung wurde
er später als mordlustiger Tyrann geschildert, der sein Weib und
seinen Sohn ermorden und seine Neffen, die Harlunge, henken ließ.
Auch soll er Dietrich
von Bern, einen anderen Neffen, der Sage nach aus dem Land vertrieben
haben, später aber von ihm besiegt worden sein. Dem Ansturm der hunnischen
Horden war nichts gewachsen; sie wirkten auf die antike Welt wie Geschöpfe
aus der Unterwelt (griech.: Tartaros) - daher der Name Tartaren.
König Ermanarich, am Widerstand gegen die zweifüßigen
Untiere verzweifelnd, gab sich selbst den Tod. Von nun an waren die
Hunnen der Schrecken des Abendlandes in der noch-antiken Welt. Sie waren
und sind ein gern gebrauchtes Synonym für den Unmenschen,
oft verwechselt mit den Ungarn und Hussiten. Im Nibelungenlied lebten
diese Hunnenbegegnungen auch unter positivem Aspekt fort. Ein Teil der
Goten unterwarf sich den Hunnen, andere Gruppen wichen südwärts
bis in die Krim und zum Kaukasus aus; in der Krim haben sie sich bis ins
20. Jahrhundert gehalten, im Kaukasus ebenfalls, allerdings unter dem
Namen Inguschen, von den Russen als Deutsche angesehen. Ihre Sprache ist
das Altgermanische gewesen; sie dürften die Wirren des 1. Weltkrieges,
die Kämpfe und Umschichtungen der Oktoberrevolution, Stalins menschenverachtende
Säuberungen und den 2. Weltkrieg kaum überstanden haben. Ein
anderer Flüchtlingsstrom der Goten erreichte die römische Provinz
Dakien, das heutige Siebenbürgen; dies war der unmittelbare Anstoß
für die Gotenzüge, die bald bis vor die Tore von Konstantinopel
führen sollten (Westgoten). In Dakien saßen westgotische, offenbar
rivalisierende Stämme unter den Königen Athanarich und Fritigern.
Als eine Hungersnot ausbrach, überschritt Fritigern mit seinen Anhängern
die Donau und forderte von den Römern Land zum Siedeln. Auch die
vor den Hunnen geflüchteten Goten drangen über die Donau vor,
fühlten sich aber bei der Landverteilung betrogen und begannen zu
plündern. Von nun an gab es keine gemeinsame Geschichte der Goten
mehr. Die Austrogoti und Wisigothae, hier Ostgoten und Westgoten
genannt, hatten ab jetzt getrennte Schicksale. Hinter allen Bewegungen
stand wahrscheinlich Land- und Existenznot, auch ausgelöst durch
wachsende Völker und Klimaschwankungen. Ausgreifende Politik der
Hochkulturen spielte auch eine Rolle, die durch Schaffen von
Vakuum-Räumen nach der Vernichtung und Vertreibung von Stämmen
andere in ihr Kräftefeld hineinsog, durch Bündnisse band und
sie gegeneinander einsetzte, z.B. Rom die Goten und Hunnen in Südosteuropa,
später Byzanz die Gepiden und Langobarden. Auch die westlichen Provinzen
des Römischen Reiches versuchten in steigendem Maße dem germanischen
Druck standzuhalten. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts erreichten die Alemannen
und Sweben Oberitalien und wurden 258/259 bei Mailand geschlagen, zugleich
stießen Franken über den Limes nach Gallien vor. Wenig später
tauchten die Burgunder auf, die, aus dem Norden stammend, über Burgundarholm
(Bornholm) ins Mündungsgebiet der Weichsel einwanderten. Man weiß,
daß die Burgunder nach Westen gezogen sind, ohne Einzelheiten dieser
Wanderungen zu kennen. Im Jahre 279 wurden sie von den Römern geschlagen,
um 286 waren sie an einem Vorstoß der Alemannen beteiligt, der bis
weit nach Gallien führte. So wurde die Rheingrenze immer wieder von
Angriffen jener Germanenstämme erschüttert, die außerhalb
des Imperiums, in der Germania magna (libera), lebten.
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Der obergermanisch-rätische Limes, die große
Mauer des Römischen Reiches im Norden, hielt bis zum Jahre 254 und
wurde noch im selben Jahr von den Alemannen endgültig überrannt.
Die Rheingrenze aber wurde so lange verteidigt, bis die Kraft des römischen
Heeres auch hier nicht mehr ausreichte, die von allen Seiten angreifenden
Germanen zu bändigen. Gegen die Westgoten schlug der Reichsfeldherr
Stilicho, ein Wandale, 401 bei Asti und Verona mehrere siegreiche Schlachten,
und als im Jahre 405 die Ostgoten verstärkt durch die aus Persien
stammenden Alanen, die Donaugrenze überrannten und plündernd
über die Alpen in die Toskana vordrangen, alarmierte Stilicho die
Truppen an der Rheingrenze, die in langen Märschen schließlich
Oberitalien erreichten. Dem Reichsfeldherrn gelang es, die Feinde im Sommer
406 bei Fiesole zu schlagen - aber er glich einem Schuldner, der neue
Schulden macht, um seine alten Schulden abzuschütteln. Die Folgen
seiner verzweifelten Versuche, zugleich gegen die Goten und das östliche
Rom, nämlich Konstantinopel, zu kämpfen, ließen nicht
lange auf sich warten. Weil jetzt die Rheingrenze nicht mehr über
ausreichende Mengen von Truppen verfügte, überschritten zu Neujahr
406/407 die seit Jahren unruhigen Germanenstämme, denen vermutlich
die Hunnen im Nacken saßen, den Rhein und strömten nach Westen
und Süden. Ostgoten und Heruler, Wandalen und Burgunder, schließlich
auch die Sweben gerieten in Bewegung und zogen nach Italien, nach Gallien,
auch über die Pyrenäen hinweg bis nach Spanien und Portugal,
sogar über das Meer hinaus nach Afrika. Die Franken
waren auch schon im 3. Jahrhundert mit den Römern in großen
Konflikt gekommen, bevor sie im 4. Jahrhundert weite Teile Galliens übernahmen
und in Vorstößen bis nach Marokko gelangten (außerdem
saß von 350 bis 353 mit Flavius Magnentius, dem Sohn eines fränkischen
Kriegsgefangenen, ein Germane auf dem römischen Kaiserthron ).
Schon unter Kaiser Aurelian (270-275) und Kaiser Probus (276-282) mußten
die Römer gegen die Franken kämpfen, nahmen sie jedoch auch
in römischen Dienst und siedelten fränkische Kriegsgefangene
am Schwarzen Meer an. Während, wie erwähnt, die Alemannen über
den Rhein und die Donau, also im Elsaß, in der heutigen Rheinpfalz,
in den Alpentälern und in Südeuropa seßhaft wurden, nahmen
die Franken das Gebiet der Bataver und Friesen, später das Moselgebiet
in Besitz ( ).
Die Markomannen
durchbrachen bereits im 2. Jahrhundert die Grenze nach Istrien. Ganz Europa,
von Griechenland bis zur Atlantiküste (Europas und Nordafrikas!),
wurde in jenen Jahren zum Schlachtfeld wandernder Germanen, die Land suchten
und sich nahmen, was sie brauchten. Schriftliche Zeugnisse aus jener wilden
Zeit des Aufruhrs sind selten. Nur die Zerstörung und Plünderung
Roms durch die Westgoten unter Alarich hat im Jahre 410 weltweites Echo
hervorgerufen, während die Besetzung Englands durch die Sachsen,
Angeln und Jüten (Friesen), die schon im 3. Jahrhundert begann und
etwa um 400 bis 450 ihren Höhepunkt erreichte, nahezu unbemerkt stattfand.
Zusammen mit den Franken waren die Angelsachsen in belgisches Gebiet vorgestoßen,
was diese als Sprungbrett nutzten, um Britannien zu besetzen. Die Römer
hatten Britannien schon Ende des 4. Jahrhunderts aufgegeben, die Britannier
brauchten die Germanen im Kampf gegen die Pikten (aus Schottland) und
die Angelsachsen schlüpften direkt in die Rolle der Römer. Nicht
die Angelsachsen paßten sich den Britanniern, sondern die Britannier
paßten sich den Angelsachsen an. Die Britannier übernahmen
Sprache, Religion und sonstige Bräuche der Germanen. Die Angelsachsen,
mit ihrer Heimat in Skandinavien und Norddeutschland verbündet, empfanden
mehr als alle anderen Germanen eine tiefe Abneigung gegen die christliche
Religion des europäischen Kontinents. Schon damals behaupteten die
Germanen in England die uns heute noch geläufige Inselmentalität.
Sie waren die Herren und die Britannier die Knechte. Die Angelsachsen
verboten den Britanniern die Ehe, so daß es schon bald in England
keine Britannier mehr gab.

6. Teilung (395) in:
West- und Ostrom |
Im Zuge dieser Ereignisse veränderte sich die Landkarte des Römischen
Reiches, das sich selbst schon 6-mal geteilt hatte (254, 293, 305, 337,
364, 395) und die Entstehung germanischer Reiche dulden mußte. Während
die Großgrundbesitzer erschlagen wurden oder flohen, ganze Städte
in Flammen aufgingen und das Land verwüstet wurde, siedelten sich
Germanen neben den Trümmern der Städte an. Sie degradierten
die bisherigen Einwohner, zumeist Gallorömer, zu Menschen zweiter
Klasse, zu Untertanen, die den neuen Herren zu dienen hatten. So ungenau
sind die Nachrichten, so widersprüchlich ist das Bild dieser Epoche,
daß noch heute umstritten ist, ob mit der Bildung der germanischen
Reiche die Antike zu Ende ging
oder das Mittelalter begann,
ob eher das germanische Element diese Reiche trug oder die aus Roms Kaiserzeiten
überkommene Infrastruktur. Die Konflikte des Römischen Weltreiches
waren unlösbar, und auch die der ehemaligen Barbaren, die sich auf
der Suche nach Land quer durch die Provinzen des Südens kämpften.
Die Lebensverhältnisse der antiken Welt sind nur in Ausnahmefällen
ein Thema für den Chronisten gewesen. Wie aus barbarischen Verbündeten
unentbehrliche Hilfstruppen, aus Hilfstruppen arrogante Bundesgenossen
und aus germanischen Sklaven Herren wurden, ist von zeitgenössischen
Chronisten selten dargestellt worden. Eine ganz andere Sache war es aber,
wenn sich Herrscher dieser Barbaren, die natürlich längst keine
Barbaren mehr waren, anmaßten, auf römischem Boden eigene Reiche
zu errichten. In Nordafrika z. B., auf römischen Boden, hatte König
Geiserich im Jahre 429 sein Wandalenreich errichtet, das über ein
Jahrhundert überstand und die bestimmende Macht im westlichen Mittelmeer
war, Sardinien, Korsika, die Balearen, das westliche Sizilien eroberte
und 455 Rom plünderte. Der Gedanke der Staatsgründung war konsequent.
Schon Alarich, der König der Westgoten, der bereits 410 Rom geplündert
hatte und der Schrecken der Italiker war, muß sich mit solchen Gedanken
getragen haben, bevor er in diesem Jahre 410 während eines weiteren
Zuges bei Cosenza starb. Sein Nachfolger Athaulf ist diesem Ziel einen
Schritt näher gekommen, als er in Narbonne die Frau, die er lange
als Geisel mitgeführt hatte, die Prinzessin Galla Placida und Tochter
des Kaisers Theodosius d.
Gr., heiratete, um Römertum und Germanentum zu versöhnen.
Für Athaulf, den Gotenkönig, war die Verbindung mit Galla Placida
ein hochpolitischer Akt. Er hätte seine frühere Gattin, von
der er sechs Kinder besaß, verstoßen müssen, wenn sie
nicht gestorben wäre - sein Ziel schien ihm allerdings solche Korrekturen
der Situation zu rechtfertigen. Die Hochzeit selbst, ein spektakuläres
Ereignis, ist im Jahre 414 in Narbonne mit allen Mitteln der Epoche stilisiert
worden, aber nicht etwa nach germanischen Rechtsbrauch, sondern nach römischer,
noch nicht christlicher Hochzeitssitte. In einer römischen Villa
fand die Hochzeit statt, der ehemalige Marionettenkaiser Attalus führte
den Hochzeitsreigen an, man feierte nicht in germanischer, sondern römischer
Kleidung, und der Gote nahm nicht den ersten, sondern den zweiten Platz
ein: die Imperatrix saß zur Rechten. Das Ziel dieser mit viel Überredungskunst
erreichten Hochzeit war klar: der Gote gehörte durch diese Ehe zum
kaiserlichen Haus, die Römer hatten in ihm den rechtmäßigen
Herrn zu sehen, und die Prophezeiung des Propheten Daniel schien erfüllt,
die von einer Verbindung des Herrschers im Osten mit dem König aus
dem Norden sprach. Die Integration der Germanen war ein Wunschtraum der
Zeit, und in Narbonne schien sie durch die Hochzeit beispielhaft gegeben.
Später zog Athaulf an der Spitze seiner Krieger durch Südgallien
nach Spanien. Konservative Goten erhoben danach einen der ihren, den König
Sigrich, auf den Schild, und der ließ, ehe er selbst nach 8 Tagen
ermordet wurde, die legitimen Kinder seines Vorgängers umbringen.
Sein Nachfolger Walja hielt Galla Placida immer noch als Geisel, denn
sie war ein Faustpfand im Spiel um die Macht. Es kam zwischen König
Walja und Byzanz zu einem Kompromiß: Placida wurde Byzanz zurückgegeben,
der König erhielt eine Getreidelieferung, und die Goten wurden die
von Byzanz beauftragte Schutzmacht in Spanien gegen die Alanen, Sweben
und Wandalen, die bisher die Herren des Landes gewesen waren. Die Wandalen
wichen nach Süden aus und setzten sich zunächst in jener Landschaft
fest, die möglicherweise heute noch ihren Namen trägt: Wandalusia
(= Andalusien). Die Wandalen mußten aber dann unter dem Druck der
Westgoten nach Afrika ausweichen. Die Goten erhielten die Landschaft Toloso
(Toulouse), die eine fruchtbare Gegend war. Im
Kampf gegen Attila (445-453) erreichte der Westgoten-König Theoderich
I., der 451 auf den Katalaunischen Feldern fiel, weltgeschichtliches
Format, denn der Hunnen-König wurde hier ja bekanntlich zum ersten
und einzigen Mal besiegt - vielleicht wegen der wütenden Goten, die
sich auf dem Schlachtfeld für den Tod ihres Königs sogleich
rächten. Eine Blütezeit erlebte das Westgoten-Reich unter dem
König Eurich (466-484), der damals der mächtigste Mann in Westeuropa
war. Er hatte ganz Spanien unterworfen bis auf einen geringen Rest, die
Landschaft Galizien, in der sich Sweben festgesetzt hatten. Eurichs Reich
erstreckte sich von Toledo bis nach Nizza, von der Mittelmeerküste
im Süden bis zur Bretagne im Norden, und an seinem Hof drängten
sich die Gesandtschaften und Bittsteller, die Kaufleute und Geistlichen
aus vieler Herren Länder. Unter der Herrschaft dieses Königs
wurden die Provinzialrömer nicht verfolgt, und es scheint, als habe
er die kulturelle Überlegenheit der römisch-griechisch orientierten
Bildung als selbstverständlich anerkannt. Mehrfach betraute er Römer
mit hohen Verwaltungsfunktionen im Staat. Eurich begriff, wie einst Athaulf,
die Wohltat eines geordneten Rechtswesens: auf seinen Befehl ist zum ersten
Mal das westgotische Gewohnheitsrecht aufgezeichnet worden.
Mit den Sweben war schon Cäsar
im Jahre 58 v. Chr. in Berührung gekommen, als er gegen die Helvetier und
die germanischen Triboker unter Ariovist ( um 54) kämpfte. 500 Jahre
später herrschten die Sweben in Nordwestspanien und Portugal, über ein
Land also, das die Wandalen gerade verlassen hatten (um 425/430). Zum katholischen
Christentum bekannte sich der swebische König Rechiar während seiner
Regierungszeit von 448 bis 456. Nach seiner Bekehrung führte er Kriege gegen
die Basken. Sein Reich war offenbar so mächtig, daß Theoderich der
Große es für richtig hielt, das Bündnis des swebischen Königs
zu suchen und ihm eine seiner Töchter zur Frau zu geben. Die Macht schien
den Sweben zu Kopf gestiegen zu sein, denn römische und westgotische Gesandtschaften
konnten ihre ständigen Plünderungen nicht mäßigen und mußten
am Ende gegen sie kämpfen. Der westgotische König Theoderich II. schlug
456 die Sweben so überzeugend, daß König Rechiar nur mit Mühe
auf die See entkam, aber zurück an die Küste getrieben, gefangen und
getötet wurde. Swebien geriet ab jetzt immer mehr unter gotische Oberhoheit.
Mehrfach mißglückte der Versuch, die westgotische Herrschaft abzuschütteln,
zuletzt im Jahre 585, als die Feldherrn des Westgotenkönigs Leowgild
den rebellischen Sweben Molarich schlugen und in Ketten nach Toledo schickten.
Damals ist das Swebenreich im spanischen Westgotenreich aufgegangen. Es gibt wahrscheinlich
noch heute Verschiedenheiten zwischen Portugiesen und Spaniern, die auf jene Unterschiede
zwischen den verwandten Sweben und Goten zurückgehen. Noch im 16. Jahrhundert,
zur Zeit König Philipps II., des Sohnes Kaiser Karls V., beschimpften die
Kastilianer die Portugiesen als los Sevosos oder los Suevosos. Für
Schimpf- und Spottnamen haben Völker eben ein langes Gedächtnis.
Im damaligen Zeitalter der rigoros gehandhabten Glaubensfragen, der Machtkämpfe
zwischen Königtum und Adel, der verjährten und neuen Besitzansprüche
aus römischer Reichstradition, war Politik genauso kompliziert wie heute,
und das Kräfteverhältnis der Völker änderte sich ständig.
So wurden die Franken im Jahre 486 die Nachbarn
der Westgoten, weil Chlodwig
I. (466-511) die Römer in Gallien besiegt hatte (486). Beide germanischen
Reiche strebten nach Vergrößerung, nach Abrundung ihrer Reiche ( ).
Dabei hatten die Franken unter dem schlauen und rücksichtslosen Merowinger
Chlodwig I. einen gewissen Vorteil, denn seit er sich zum katholischen Christentum
bekannt hatte, war er in der Sicht des mächtigen Byzanz zum Vorkämpfer
des rechten Glaubens geworden, im Gegensatz zum Arianismus, dem gerade die ostgermanischen
Stämme anhingen und der im Konzil von Nicaea 325 verurteilt worden war. Aber
auch die katholische Unterschicht in Gallien und Spanien sympathisierte mit den
Franken, während die Westgoten ihren König Alarich II. (484-507) zum
Angriff drängten, obwohl dieser erst das Eintreffen von ostgotischen Hilfstruppen
abwarten wollte, die Theoderich
der Große (453-526), sein ostgotischer Schwiegervater, ihm zu schicken
versprochen hatte. Die Schlacht im Jahre 507, nordwestlich von Poitiers am Flüßchen
Clain geschlagen, endete mit der Niederlage der Westgoten und mit dem Tod Alarichs
II., von den Chronisten als Strafe für seinen arianischen Ketzerglauben und
als Gottesurteil aufgefaßt. In den Krieg zwischen Westgoten und Franken
hatte Theoderich d. Gr. in erster Linie deshalb eingegriffen, weil eigene Interessen
bedroht waren. Er konnte nicht zulassen, daß ganz Gallien den Franken zufiel.
Dies war der einzige größere Krieg, den der das alte Römerreich
beherrschende Ostgote Theoderich d. Gr. geführt hat, und er, der Arianer,
machte einen Katholiken zu seinem Feldherrn. Die Provinzialrömer sollten
sich vor dem Angriff der ostgotischen Heere nicht fürchten. Tatsächlich
gelang es dem Herzog Ibbo, die Franken bei Arles und Carcasonne zu schlagem. Die
Franken gaben weitere Angriffe auf. Die eroberten Gebiete blieben allerdings für
die folgenden Jahre in ostgotischer Hand. Politisches Ziel Theoderichs d. Gr.
war ein gegen Byzanz gerichtetes germanisches Bündnissystem, das er durch
dynastische Heiraten zu stärken suchte. Auch die westgotischen Besitzungen
in Spanien stellte der Ostgote Theoderich d. Gr. für seinen Enkel Amalarich
unter seinen Schutz und führte die Regentschaft: der gefallene König
Alarich II. hatte eine Tochter des Ostgotenkönigs zur Frau gehabt. Gallien
jedenfalls war zum größten Teil für die Westgoten verloren. Es
hätte nicht viel gefehlt, und die Franken hätten schon damals das ganze
Land in ihren Besitz gebracht. Das westgotische Reich in Spanien hat zwei Epochen
erlebt, die bezeichnenderweise durch das religiöse Bekenntnis charakterisiert
sind: die arianische Zeit dauerte von 419 bis 587, die katholische Zeit von 586
bis 711. (Vgl. 4-6).
Es lohnt sich nicht die Folge der Westgotenkönige aufzuzählen, die meist
durch Mord endeten: kein Bild könnte ungermanischer sein als dieses zähe
Ringen um die Macht, das eher an Palastintrigen am Hof von Byzanz erinnert. Ursprünglich
waren die Goten die unumschränkten Herrscher des Landes, und nur sie waren
freie Männer; Ehen zwischen Goten und Römerinnen waren verboten. Erst
König Leowgild
(567-586) hob dieses Verbot formal auf, da es schon lange nicht mehr eingehalten
wurde. Damit war ein wichtiger Schritt zur inneren Einigung des Reiches getan.
König Leowgild ist von den fränkischen Merowingern noch einmal zum Kampf
gezwungen worden, siegte aber in mehreren Gefechten und starb, während die
Friedensverhandlungen im Gange waren, in hohem Alter in Toledo. Damit endete die
arianische Epoche; sein schon zu Lebzeiten als Mitregent eingesetzter Sohn Rekkared
I. verlor keine Zeit und bekannte sich unmittelbar nach der Krönung zum
Katholizismus. Zu Lebzeiten des Vaters wäre das undenkbar gewesen. Als dieser
Rom zugewandte König sich von einem rechtgläubigen Priester durch Handauflegen
bekehren, bekreuzen und mit heiligem Öl salben ließ, konvertierten
mit ihm alle anwesenden Bischöfe des arianischen Bekenntnisses. Im Jahre
603 fiel die Macht an den gotischen Adeligen Witterich, und im Jahre 633
wurde das alte Erbkönigtum durch ein Wahlkönigtum ersetzt: Adel und
Bischöfe teilten sich fortan die Macht. (Vgl. 4-6).
Im Schatten der Kämpfe zwischen den Goten und Byzanz, die alle Kräfte
des Mittelmeerraumes anspannten, konnten die Franken ihre Angriffe gegen die Thüringer
und Westgoten führen. Ein wichtiger geopolitischer Vorteil. Der Ostgotenkönig
Theoderich der Große war in seiner Eigenschaft als Herrscher des ehemaligen
Römischen Reiches ziemlich erfolgreich, nur scheiterte er mit seinem Versuch,
durch Eheverbindungen seiner Familie mit Westgoten-, Burgunder-, Wandalen- und
Thüringerfürsten das westeuropäische Staatengefüge zu stabilisieren,
wenn auch die Idee richtig, weil richtungsweisend, war. Das Scheitern einer Heiratspolitik
sollten nach ihm noch viele andere Herrscher, insbesondere deutsche Dynastien,
erleben. Das fränkische Staatswesen Chlodwigs wurde immer mehr ein Konkurrent
zu den ost- und westgotischen Reichen sowie zu Byzanz. Die Sorgen, die Theoderich
der Große wegen der Thronfolge und der Spannungen zwischen Arianern
und Katholiken den Lebensabend verdunkelten, hatte der Franke nicht. Boethius,
der Ratgeber am Hof des Ostgotenkönigs Theoderich gewesen war und nun im
Gefängnis den Trost der Philosophie verfaßte, wurde zusammen
mit seinem Schwiegervater Symmachus wegen Hochverrats hingerichtet. Die
Nachfolger im ostgotischen Reich, Witigis, Hildebad, Erarich (ein Rugier),
Totila und Teja, regierten in den folgenden 30 Jahren der sich ständig wechselnden
politischen Verhältnisse, nämlich im Kampf gegen den byzantinischen
Kaiser Justinian (527-565) und seine Feldherrn Belisar und Narses. Theoderich
dem Großen waren diese chaotischen Verhältnisse erspart geblieben.
Er liegt in Ravenna begraben. Nach seinem Tod im Jahre 526 wurde Theoderich früh
zur Sagengestalt: Dietrich von Bern ist die als Schicksal überlieferte
tragische Umdichtung dieses Begründers der Gotenherrschaft in Italien, der
den ersten germanischen Herrscher in Italien, den Skiren Odoaker bekämpfte,
dann besiegte und dadurch 489/493 ganz Italien gewann. In zahlreichen Epen wurde
Dietrich von Bern, Theoderich der Große, eine Idealgestalt des Rittertums.
Papst Damasus
I. (reg. 366-384) war die erste wirklich plastische Gestalt des Papsttums,
von einem schwer durchschaubaren, harten und skrupellosen Charakter, der den politischen,
geistigen und kirchlichen Umwälzungen seiner Zeit, auch den immer stärker
sich abzeichenden Verknüpfungen kirchlicher und staatlicher Interesen jedoch
in hohem Grade gewachsen war. Auf unklare Weise Papst geworden - gegen ihn hatten
die Arianer einen gewissen Ursinus
als Gegenpapst aufgestellt -, erkannte er klar den Wert der Macht. Im Dienste
dieser Macht gelang es ihm mit geradezu genialem Spürsinn, die bedeutsamste
Grundlage aller kommenden Machtfülle für die Papst-Monarchen zu schaffen.
Er veranlaßte - hierin vom heiligen Ambrosius
aus Trier (339-397), Bischof von Mailand (seit 374), als der einflußreichsten
Autorität der Kirche unterstützt -, Kaiser Gratian
(reg. 378-383), auf den seit jeher von den Imperatoren geführten Titel
eines Pontifex Maximus zu verzichten und ihn den Bischöfen von Rom
(also den Päpsten) zu übertragen. Einer Zeit, der dieser Titel durchaus
konkret gegenwärtig war, mußte der demonstrative Verzicht durch den
ersten rechtgläubigen Kaiser und die Übertragung auf den
Papst von zeichenhafter religiös-kirchlicher Bedeutung sein. Der Papst wurde
damit zum ersten Repräsentanten einer neuen Kaiseridee. Nachdem mit Valens
(reg. 375-378) der letzte arianische Kaiser gefallen war und die römische
Weltherrschaft sichtlich zu zerbröckeln begann, ließ Gratian auch die
Statue der Victoria aus dem Senat in Rom entfernen (382) und dokumentierte so
in symbolhafter Weise den Untergang des heidnischen Romgeistes. Unterstützt
von Theodosius
I. (reg. 383-395), den Kirchenlehrern Basilius d. G. (ca. 330-379),
Gregor von Nazianz (330-390) und Gregor von Nyssa (ca. 335-394) gelang es Papst
Damasus I., den Arianismus weiter zu schwächen. Die Lehre von der Trinität
wurde endgültig gefestigt und im Drei-Kaiser-Dekret (27.02.380) niedergelegt.
Auf dem 2. Konzil (Konstantinopel, 381) wurde die arianische Lehre des Macedonius,
der Heilige Geist sei ein Geschöpf Christi, verurteilt und dem Credo
als Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum seine gültige Form gegeben.
Nachdem Papst und Gegenpapst einander an Gewalttaten nichts nachgegeben hatten,
war Papst Damasus I. schwer angeschuldigt, in einen Prozeß gezogen, jedoch
freigesprochen worden. Angaben einer päpstlichen Synode zehn Jahre später
und ein Brief des Ambrosius ließen daraufhin die in der Kirchengeschichte
erstmalig erscheinende Behauptung zirkulieren, Kaiser Valentinian
I. (reg. 364-375) habe die Bestimmung erlassen, Geistliche dürften
nur von Geistlichen gerichtet werden. Der Papst erreichte auf dieser Synode auch,
daß die staatlichen Organe, der später so berüchtigt gewordene
weltliche Arm als die hörige Verlängerung der Inquisition,
hinfort die Durchführung der kirchlichen Verurteilungen übernehmen mußten,
wenn diese erschreckende Entwicklung auch erst langsam begann. Mit einer neuen
umfassenden Definition des Primates schuf der Papst auf einer weiteren Synode
schließlich eine breite und haltbare Basis für kommende Erweiterungen
der Macht. Den primus inter pares, als welcher der Bischof von Rom
gedacht war, machte er vollends illusorisch, als er den Bischofssitz von Rom Sedes
Apostolica nannte (es ist der noch heute übliche Titel). Er behauptete
weiter, die Kirche Roms sei von den Aposteln Petrus
und Paulus
gegründet worden (wovon keine Rede sein konnte, denn beide hatten eine bescheidene
Gemeinde vorgefunden, mehr nicht. Nie waren sie als Gründer aufgetreten).
Der nunmehr behauptete Doppelapostolat jedoch vermochte die Primatsvorstellungen
ganz wesentlich zu erweitern. Unerwartete Hilfe kam von Kaiser Gratian, der die
päpstliche Jurisdiktionsgewalt festsetzte, deren Grenzen schließlich
kaum noch fixierbar waren. Das sollte für kommende Primatsansprüche
gleichfalls von unschätzbarer Bedeutung werden und zeigt das Hand-in-Hand-Gehen
mit der Staatsmacht besonders instruktiv. Endlich erließ Papst Damasus I.
die erste Dekrale, Zeugnis der nun erwachten Vorstellung vom Papst-Monarchen und
der gesetzgebenden Gewalt des Papsttums. Damit geriet der historische Apostel
Petrus langsam in geplante Vergessenheit. An seine Stelle trat die Abstraktion
Petrus, so daß von nun an jeder Papst sich Petrus nennen konnte.
Nachdem auf einer Synode der Kanon der Heiligen Schrift festgelegt worden war,
beauftragte Papst Damasus I. seinen Sekretär, den späteren Kirchenlehrer
Hieronymus
(ca. 345-420), mit der Herstellung des lateinischen Bibeltextes, der Vulgata.
Papst
Symmachus
(reg. 498-514) war der Urheber der ersten päpstlichen Fälschungen.
Er wurde 498 in einer Doppelwahl von der Mehrheit gewählt, während die
byzantinerfreundliche Minderheit einen Gegenpapst (Laurentius) wählte. Die
daraus entstandenen Wirren wurden durch die Entscheidung Theoderichs d. Gr. für
Symmachus vorübergehend beigelegt. Synoden sollten künftige Papstwahlen
sichern. (Am 23.10.501 erklärte die Palmensynode in Rom, ein
Papst könne durch niemanden gerichtet werden. Wieso das auf einmal?). In
diesem Zuammenhang entstanden erfundene Papstprozesse (Symmachianische Fälschungen),
um die Doktrin zu stützen, der Papst könne von niemandem gerichtet
werden. Die Unruhen endeten erst, als Theoderich 506 Laurentius endgültig
fallen ließ. Symmachus hatte ziemlich zweifelsfrei Kenntnis von der Entstehung
dieser Fälschungen, denn sie sind aus seiner Kanzlei hervorgegangen. (Das
Gleiche betrifft übrigens auch die späteren Fälschungen - z.B.
die Schenkungen
[vgl. Stephan
II. und Leo
III.] oder den Pseudo-Isidor
[vgl. Leo
IV.]). Die Symmachianischen Fälschungen als Ganzes zeigen die erschreckende
Skrupellosigkeit der Kurie. Die interessierte Kirchengeschichtsschreibung hat
keinen Grund, die harten Tatsachen zu bagatellisieren und zu umgehen, am wenigsten
den Silvester
I. (reg. 314-335) untergeschobenen Satz: Prima sedes a nemine judicatur
- der päpstliche Stuhl
ist nicht richtbar. Eine erste deutliche Zäsur war hier also erreicht - noch
keine 300 Jahre nach dem Tode Jesu. Die Symmachianischen Fälschungen sind
ein Fabrikat im Dienste des Primats, der Papst-Monarchie und der absolutistischen
Machtentfaltung. Der Pontifikat des Papstes Symmachus zeigte erstmalig, daß
das Papsttum seine Gestaltwerdung mit Hilfe dunkler Mittel förderte.

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Die Franken, die sich seit dem 3. und 4. Jahrhundert in römisches
Gebiet vorgewagt hatten (0-2),
leiteten um 500 durch den zum Christentum konvertierten Chlodwig
I. eine Großmachtbildung des Fränkischen Reiches ein, d.h.
sie wurden zum politisch wichtigsten Faktor des beginnenden Mittelalters.
Chlodwig gliederte auch Gebiete zwischen Somme und Loire, Aquitanien und
Alemannien ein. Das kleine Burgunderreich erlag 534 den Franken und wurde
als politische Einheit aufgelöst. Schrittweise vergrößerte
sich so das Gewicht des fränkischen Reiches. Im Gegensatz zum System
des arianischen Ostgotenkönigs Theoderich in Italien, dem Nebeneinander
von Goten und Romanen, gelang es Chlodwig und seinen Nachfolgern, durch
die Verschmelzung von Germanen und Galloromanen ein gemeinsames Staatswesen
zu begründen. Die Franken profitierten vom Zusammenbruch des Ostgotenreiches,
von der Schwächung der Westgoten, den Siegen der Byzantiner, und
sie überwältigten schließlich auch die Langobarden, die
als Nachfolger der Ostgoten in Italien eine neue germanische Herrschaft
eingerichtet hatten. (Vgl.
4-6).
Wie schon erwähnt, war die christliche Philosophie, die die Kirchenväter
(Patristen)
immer mehr durchsetzten, zunächst eine alexandrinische, d,h,
eine mehr und mehr von spätgriechischen, jüdischen und christlichen
Elementen bestehende Philosophie gewesen. In dieser Alexandrinischen
Schule wurde der Versuch gemacht, aus der spätgriechischen Philosophie
eine christliche zu machen. Die Patristik als Nabelschnur und die christliche
Religion als Plazenta waren deshalb so bedeutend für das werdende
Abendland, weil dieses ja auch mit magischen Kulturgenen ausgestattet
ist. Die magische Kultur stellte die weiblichen Gene, die antike Kultur
die männlichen zur Verfügung. Aus dem Gengemisch entwickelten
sich kulturhistorische Faktoren, die man als kirchenväterlich bezeichnen
kann. (Vgl. 22-24
und 0-2).
Die Kirchenväter wirkten vom Ende des 1. bis zur ersten Hälfte
des 8. Jahrhunderts; von den apostolischen (70/80-120), den apologetischen
wie Justinus (100-167) und Tertullian (ca, 150-220), den systematischen
wie Origenes (185-254), den dogmatischen wie Eusebius von Cäsarea
(260-340), den kirchenpolitischen wie Augustinus (354-430), seinem (britannischen)
Gegner Pelagius (ca. 380-420), den ersten Scholastikern
wie Boethius (480-524) bis zum englischen Beda Venerabilis (674-735).
Sie gaben dem abendländischen Keim die ersten Fruchthüllen bis
hin zur Muttermilch und zur ersten postnatalen Entwöhnung, dem Abstillen.
Die bereits erwähnten und für diese Phase wichtigen Fruchthüllen,
die sich zu Beginn dieser Phase um den (bis da:
Wulfila-Keim) Embryo des Abendlandes zu legen hatten, waren bald mit
der Gebärmutterschleimhaut zur Plazenta zusammengewachsen, und am
Ende dieser abendländischen Embryonalphase waren sowohl die nötigen
2 Hemisphären des Großhirns
sowie alle Organe ausgebildet, die später zur vollen Funktionalität
gelangen sollten. (Vgl.
4-6).
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