Anmerkungen:
Zeus
(lat. Jupiter), der höchste Gott der Griechen (der Antike), Sohn des Kronos
und der Rhea, Bruder und Gemahl der Hera, stürzte mit seinen Brüdern
Poseidon (Neptun) und Hades (Pluto) die Herrschaft der Titanen (6 Söhne und
6 Töchter des Uranos und seiner Frau Gäa), zu denen sein Vater Kronos
(Saturn) zählte. Er teilte nach dem Sturz der Titanen die Welt mit seinen
Brüdern. Wie bei keinem olympischen Gott sonst sind bei Zeus die indogermanische
Etymologie und Bedeutung und damit bereits vormediterane, aus der indogermanischen
Religion stammende Ursprungs- und Wesensmerkmale zweifelsfrei. Zeus, mit diphtongischem
Wurzelnomen, geht etymologisch zurück auf das indogermanische Nomen agentis
* dieu-s mit der Grundbedeutung hell Aufleuchtender, Glänzer,
Wetterleuchtender. Zeus wurde zwischen 2300-1900 v. Chr. von den einwandernden
Indogermanen bzw. Protogriechen (Achäer, Ionier) importiert. Er kann aber
sogar noch früher von diesen indogermanischen Gruppen in den Nordwesten Griechenlands
importiert worden sein (vielleicht als * Teus). Erst im Verlauf des 2.
Jt. v. Chr. trat zu dieser indogermanischen Komponente die mediterane, und erst
in der Mittelmeerwelt wurde Zeus zum Kroniden.
(Vgl. Tabelle
und Abbildung). 
Kroniden
(Zeus [ ],
Poseidon, Hades,
Hera, Hestia,
Demeter) sind die 3 Söhne und
die 3 Töchter des Kronos und
der Rhea. Kronos entmannte seinen Vater
Uranos (Himmel) und bemächtigte
sich der Weltherrschaft. Um nicht von seinen Nachkommen ein ähnliches Schicksal
zu erfahren, verschlang er alle Kinder, die ihm seine Gemahlin und Schwester Rhea
gebar. Nur im Falle des jüngsten Sohnes Zeus
gelang es Rhea, Kronos zu täuschen. An Stelle des Kindes verschluckte Kronos
einen Stein. Später besiegte Zeus
Kronos, zwang ihn, die Geschwister wieder auszuspeien, und verbannte ihn und die
anderen Titanen in den Tartaros (Unterwelt, v.a. für den Aufenthalt von Dämonem
und Büßern).  Apollon,
Sohn des Zeus und der Leo
und Zwillingsbruder der Artemis, war der griechische Gott, v.a. der Mantik (Seher-
bzw. Wahrsagerkunst) und Musik, dessen umfassende Kompetenz sich jedoch auf alle
Bereiche göttlichen Waltens erstreckte. Die apotropäischen (nach Art
des abwehrenden Zaubers), schützenden und heilenden Eigenschaften gehörten
hingegen wohl noch vor den daraus ableitbaren mantischen und karthartischen zur
älteren Wesensschicht des Apollon. Der schreckliche Bogenschütze, mit
den lautlosen Pfeilen nach Belieben treffend, schickte zwar Tod und
Verderben über Menschen und Vieh, doch wurde der Pestbringer ganz folgerichtig
auch um Abwehr des Übels angegangen. Es bleibt festzuhalten, daß an
der vielschichtigen Gestalt des Gottes offenbar prähellenische bzw. indogermanisch-protohellenische
und (kleinasiatisch-) mediterane Komponeneten beteiligt waren. Apollon war die
Verkörperung des griechischen bzw. antiken Ideals der strahlenden apollinischen
Schönheit. (Vgl. antikes Seelenbild
und Apollonkult).Mysterien
(zu griech. muein, die Augen schließen; muew,
[in die Mysterien] einweihen, schulen, unterrichten), was verschwiegen wird,
gemeint ist der in Kultfeiern erlebte unaussprechliche Heilsgehalt. ( ).
Intellektuelle Belehrung gab es bei diesen populären Initiationen nicht.
Auch wurden die heiligen Riten einer großen Menge ohne Rücksicht auf
individuelles Verdienst gespendet. Deshalb wohl neigten die Philosophen dazu,
die Mysterien gering zu schätzen. Diogenes
meinte, es sei absurd anzunehmen, jeder Steuereintreiber könne, nur weil
er eingeweiht sei, in der nächsten Welt am Lohn der Gerechten teilhaben,
während Ungeweihte verdammt seien, dort im Schlamm zu liegen. Heraklit
und Anaxagoras
sowie Sokrates
äußerten sich ähnlich negativ über die Mysterien. Auch Platon
spottete über sie; aber er hielt auch seine Philosophie für eine andere
und bessere Art der mystischen Inititiation. Die Philosophie, so meinte er, erreiche
durch bewußtes Forschen für wenig Auserwählte dasselbe, was die
Mysterien dem gemeinen Volk durch das Schüren von Emotionen vermittele: Läuterung
der Seele, die freudige Begrüßung des Todes, die Kraft, mit dem Jenseits
in Verbindung zu treten, die Fähigkeit, auf rechte Art zu rasen, d.h. verrückt
zu sein. All diese Vorzüge, die Platon als übliche Leistungen mystischer
Initiation anerkannte, sollten in seiner Philosophie durch geistige Schulung erreicht
werden, durch Übung in der Kunst der Dialektik, deren Ziel es war, die Seele
vom Irrtum zu reinigen. Die kultischen Initiationen und Rituale wurden von ihm
durch intellektuelle oder geistige Mysterien ersetzt. Später, im Neuplatonismus,
bei Plotin, wurde
die Übernahme ritueller Terminologie systematisiert.Orakel
(zu lat. oraculum, eigtl. Sprechstätte) ist Weissagung,
Aussage über Zukünftiges (z.B. als Handlungsanweisung), räumlich
Entferntes, über den gebotenen Vollzug bestimmter Handlungen und herrscherliche
Ansprüche, ferner auch Bezeichnung des Ortes, an dem diese Wahrsagungen
erteilt werden. In fast allen Kulturen und Religionen haben Orakel eine beträchtliche
Rolle gespielt. Man unterscheidet zwischen einer kultischen Orakelgebung, die
durch Medien und Priester erfolgt, und einer direkten Orakelerteilung durch charismatisch
veranlagte Personen. Berühmte Orakelstätten waren das kanaanäische
Kadesch und vor allem Delphi
mit der Pythia, deren Äußerungen
von Priestern gedeutet wurden. Das antike Orakel war ursprünglich ein Losorakel
und beruhte erst später auf der Inspirationsmantik der Pythia. (Vgl. die
mit Runen versehenen Buchenstäbe (Buchstaben) als Lose bzw. Orakelform
bei den Germanen).Delphi
war schon seit Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. Siedlung und Kultstätte
(urspr. Verehrung der Erdmutter Gäa, seit dem 8. Jh. Apollonkult).
Das Apollonheiligtum, die Pythischen Spiele, besonders aber das Orakel
machten Delphi zu einer der bedeutendsten Kultstätten der Antike. Nach der
griechischen Mythologie erschlug hier Apollon
den Drachen Python. Im Apollontempel
befanden sich der Omphalos (Nabel der Erde), ein Marmorblock, der als Mittelpunkt
der Erde galt, und der Erdspalt, dem ein Luftstrom entstieg, der die Orakelpriesterin
Pythia, auf ehernen Dreifuß
über dem Erdspalt sitzend, zur Prophetie anregte. Das Orakel war ursprünglich
ein Losorakel und beruhte erst später auf der Inspirationsmantik der Pythia,
deren von Apollon eingegebene Äußerungen von der Priesterschaft in
Form metrischer, meist mehrdeutiger Sprüche verkündet wurden.Python
(puqon) war nach der griechischen Mythologie ein erdgeborener
Drache, der das Orakel seiner Mutter Gäa in Delphi behütete und von
Apollon getötet
wurde. Nach Python war die Apollonpriesterin Pythia
am Orakel in Delphi
benannt, führte der Gott den Beinamen Pythios und wurden die Spiele in Delphi
Pythischen Spiele (Pythien) genannt, die alle vier Jahre zu Ehren
des Apollon gefeiert wurden.Pythia (von puqon,
Python) war Apollonpriesterin
in Delphi, benannt nach dem erdgeborenen, das Orakel seiner Mutter Gäa behütenden,
schließlich von Apollon
getöteten Drachen Python.Und aus
der Gottheit des Ortes wird, ohne daß jemand sich der Schwere dieser Wendung
bewußt wäre, die am Orte gegenwärtige Gottheit. Oswald Spengler,
Der Untergang des Abendlandes, Bd. II, 1922, S. 801.Seelenbild
der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch
und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher
Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild
und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß
der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom
deutlich werden kann: Euklid
hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung
für das antike Beispiel gegeben und Gauß
ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische.
Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen
Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol
angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler,
1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Das
Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele,
ihr Ursymbol die Welthöhle. (Vgl. Spengler,
1918-1922, S. 847f.).  Historische
Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig
über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht
zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen,
sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt.
(Oswald Spengler,
Der Untergang des Abendlandes (2. Band), 1922, S. 784). Auch eine junge
Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause
ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur,
auch kurz Antike genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch
Persien/Arabien genannt, macht es deutlich: Solange die Antike
sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle
östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche
Seite des Synkretismus. ... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen
der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis
um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des
Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten
entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen
glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues
Griechentum als magische Nation. (Oswald Spengler, Der Untergang des
Abendlandes, 1918-1922, S. 800-801).Der
Synkretismus kristallisierte sich als eine der vielen Arten der Pseudomorphose
heraus, als die Kirchen des Ostens in Kulte des Westens verwandelt wurden und
in umgekehrter Richtung die Kultkirche entstand. Die Formenbildung ging also erst
von West nach Ost und dann von Ost nach West. Das 2. Jahrhundert war die Zeit
der Umkehrung: die Kulte des Westens wurden zu einer neuen Kirche des Ostens.
Es entstand ein neues Griechentum als magische Nation.Platon
(eigtl. Aristokles, 427-347); vgl. Platons Philosophie der Weltverabschiedung
und Einübung ins Sterben ( ),
besonders seine Lehre von der Umkehr durch Ausstieg aus der Höhle (Höhlengleichnis).
Platon war zuerst Dichter, wandte sich von der Dichtung jedoch ab, weil sie seit
387 v. Chr. (Gesetz) ziemlich grausame Theaterstücke aufführen durfte
(Götter-Blasphemie u.s.w.). Er gründete wahrscheinlich deshalb 385 v.
Chr. eine Schule, die (dem altattischen Heros) Akademos gewidmet war. Die Ältere
Akademie war stark pythagoräisch
beeinflußt: das Problem von Idee und Zahl spielte
erkenntnistheoretisch eine große Rolle. Später folgten die Mittlere
Akademie (seit 315 v. Chr.) und die Neuere Akademie (seit 160 v. Chr.);
vgl. die Akademien im Altplatonismus,
den Mittleren
Platonismus, die Auswirkungen auf die Gnosis,
den Neuplatonismus,
die Patristik. Alle
Philosophie nach Platon scheint aus Fußnoten
zu der seinigen zu bestehen. Er schrieb Dialoge, tatsächliche und fiktive
Gespräche mit Sokrates
(469-399), seinem Lehrer. Platon lehrte die Scheinhaftigkeit und Abkünftigkeit
der Sinnenwelt von archetypischen Urbildern oder Ideen. Mit der Ideenlehre
setzte er sich von Sokrates ab, obwohl er sie in den (mittleren und späteren)
Dialogen seinem Dialoghelden Sokrates in den Mund legte. Für Platon waren
die unveränderlichen Ideen die Urbilder der veränderlichen Dinge, ihr
Programm, ihr Ziel und Zweck. Platon nahm bei seiner Ideenlehre die Mathematik
(Geometrie) zum Vorbild aller anderen Wirklichkeit, wie schon vor ihm Pythagoras
(580-500) und seine Schüler. (Vgl. Tabelle).Das
Höhlengleichnis ist laut Platons Staat (7.Buch)
ein Vergleich des menschlichen Daseins mit dem Aufenthalt in einer unterirdischen
Behausung. Gefesselt, mit dem Rücken gegen den Höhleneingang, erblickt
der Mensch nur die Schatten der Dinge, die er für die alleinige Wirklichkeit
hält. Löste man seine Fesseln und führte ihn aus der Höhle
in die lichte Welt mit ihren wirklichen Dingen, so würden ihm zuerst die
Augen wehtun, und er würde seine Schattenwelt für wahr, die wahre Welt
für unwirklich halten. Erst allmählich, Schritt für Schritt, würde
er sich an die Wahrheit gewöhnen. Kehrte er aber in die Höhle zurück,
um die anderen Menschen aus ihrer Haft zu befreien und von ihrem Wahn zu erlösen,
so würden sie ihm nicht glauben, ihm heftig zürnen und ihn vielleicht
sogar töten. Vgl. Platon
(427-347).Aristoteles
(383-322); vgl. Ältere und Jüngere Aristoteliker (Peripatetiker)
und Aristotelische
Stoa. Dieser antike Universalgelehrte bestimmte mit seinen Klassifikationen
und Begriffsprägungen die gesamte nachfolgende Philosophie, dominierte insbesondere
die Scholastik.
(Vgl. auch: Früh-Denker).
Die sich auf Aristiteles stützende Art des Philosophierens, der Aristotelismus,
wurde später auch von den Arabern
(z.B. Averroes, 1126-1198) und Juden
(z.B. Maimonides, 1135-1204) gepflegt und beherrschte insbesondere seit dem 13.
Jh. das philosophische Denken des Abendlandes, vermittelt vor allem durch Albert
dem Deutschen (den Großen, 1193-1280) und Thomas
von Aquino (1225-1274), allerdings mit wesentlichen, durch das Christentum bedingten
Änderungen. Dieser oft auch Thomismus
genannte Aristotelismus wurde (als Neuthomismus)
die Grundlage der katholischen Neuscholastik
(bis heute!). In der Zeit der Renaissance
wurde der Aristotelismus in unscholastisch-humanistischer
Art von nach Italien gelangten byzantinischen Gelehrten neu belebt: in Deutschland
fußten also sowohl die protestantische
Neuscholastik (z.B. durch Melanchthon, 1497-1560) als auch die katholische Neuscholastik
(z.B. durch Suarez, 1548-1617) auf dem Aristotelismus. Aristoteles, der für
seinen Sohn Nikomachos die Nikomachische Ethik geschrieben
hatte, blieb für die Entwicklung der abendländischen philosophischen
Ethik richtungsweisend bis Kant
(!). (Vgl. Tabelle).Die
Stoa, um 300 v. Chr. von Zenon
(354-264) aus Kition gegründet, war eine weit verbreitete Strömung der
griechischen Philosophie, die eine Alte, Mittlere, Neue und
eine späte
Aristotelische Stoa (vgl. Stoizismus)
entwickelte. In der römischen Kaiserzeit war die Stoa so etwas wie eine ethische
Religion des römischen Volkes geworden. Gott und Natur waren der Stoa eins,
das Menschenwesen ein Teil der Gott-Natur. Die Stoa nahm nach Art des Globaleklektizismus
bzw. Synkretismus
die verschiedensten Lehren in sich auf. Andererseits übernahmen später
Gnosis und Neuplatonismus
Elemente auch aus der Stoa. (Vgl. Tabelle).Jesus
(7 / 4 v. Chr. - 26 / 30 n. Chr.) ist Urheber und zentrale Gestalt des Christentums.
Das Christentum umfaßt die Auswirkungen des Glaubens an Person und Wirken
Jesu Christi, wie er von den christlichen Kirchen und Gemeinschaften in der Auseinandersetzung
mit fremden Religionen, den geistigen und weltanschaulichen Strömungen der
verschiedenen Zeiten sowie mit den politischen Mächten entwickelt worden
ist. In Rom galt die christliche Gemeinde zunächst als jüdische Sekte.
Der römische Staat entzog dieser schnell wachsenden Gemeinschaft bald die
religiösen und rechtlichen Privilegien, die er dem Judentum gerade eingeräumt
hatte. Die Auseinandersetzung mit dem Römischen Reich wurde intensiv seit
der Mitte des 3. Jahrhunderts geführt. Auf das Toleranzedikt des Galerius
und Licinius, 311, folgte die Bekehrung Konstantins
und mit dem Toleranzedikt von Mailand (313) die Einstellung der Christenverfolgungen.
Konstantin der Große machte das Christentum zu der mit allen zeitgenössischen
Kulten gleichberechtigten und schließlich zur allein berechtigten Religion
im Reich (Konzil
von Nicaea, 325). Damit hatte er eine Entwicklung eingeleitet, die zur Entstehung
der Reichskirche als einer vom Reich letztlich abhängigen Einrichtung führte.
Durch den oströmischen Kaiser Theodosius I. wurde 380 mit dem Edikt von Thessalonike
der Athanasianismus (Katholizismus) begründet, im 1. Konzil (= 2. Ökumenisches
Konzil, 381) von Konstantinopel das (konstantinopolitanische) Glaubensbekenntnis
formuliert und das Nizänum bestätigt, 391 das Christentum überhaupt
Staatsreligion, damit alle heidnischen Kulte verboten. 395 teilte sich das Reich
in West- und Ostrom, 455 eroberten die Wandalen Rom und 476
erlosch das Weströmische Reich endgültig mit der Absetzung des Romulus
Augustus durch den Germanen Odowaker (Odoaker), aber die römische Kultur
wurde von den Eroberern nicht zerstört, die
arianische Christen waren und mit der unterworfenen Bevölkerung,
die römisch-katholisch war, die erste und für die Christen-Geschichte
wichtigste Verschmelzung eingingen. Für die geschichtliche Erkenntnis
Jesu ist man nahezu ausschließlich auf die Evangelien
des Neuen Testaments angewiesen. Derjenige, der das Christentum erst zur
Weltreligion machte, war Paulus.
(Vgl. 22-24
und für die weitere kulturgeschichtliche Entwicklung 0-2
und 2-4 sowie 4-6).Paulus
( 29.06.66 oder 67; enthauptet), christlicher Heidenapostel, machte das
Christentum durch Überwindung der nationalen und traditionellen Bedingtheiten
seitens des Judenchristentums zur Weltreligion, indem er den übernationalen
Charakter der durch den Glauben an Christus begründeten Heilsgemeinschaft
betonte. Im Jahre 36 wurde der Christenverfolger Saulus wird durch eine Christusvision
vor Damaskus zum Apostel Paulus, im Jahre 45 begann er mit seinen Missionsreisen.
Er war Verfasser zahlreicher neutestamentlicher Schriften. Als Quellen zur Rekonstruktion
seines Lebens dienen vor allem die wirklich von ihm verfaßten Briefe an
die Gemeinden in Rom, Korinth, Galatien, Philippi, Thessalonike und an Philemon,
die alle aus der Zeit zwischen 50 und 56 stammen. Bei der spekulativen Durchdringung
des Christentums verwendete er Elemente der stoischen und jüdisch-hellenistischen
Philosophie. Seine vielen Missionsreisen führten am Ende zur Verhaftung in
Jerusalem, zur Überführung nach Rom und dort zur Enthauptung (Märtyrertod).
(Vgl. Mission
und Apostelkonzil).
Paulus gilt als der bedeutendste Missionar des Urchristentums. In seiner mehrjährigen
Missionstätigkeit auf Zypern, in Kleinasien, Syrien, Griechenland, Makedonien
u.a. Regionen verkündete er kompromißlos das Evangelium frei von Gesetzesbindungen
und trat dadurch natürlich in Gegensatz zum Judenchristentum der Urgemeinde.
Er knüpfte besonders an die nachösterliche Verkündigung des gekreuzigten
und auferstandenen Herrn und seine Bedeutung für das Heil der Menschheit
an. Die durch den Tod und die Auferstehung Christi eingetretene Wende der Heilsgeschichte
zeigt sich nach Paulus vor allem darin, daß der jüdische Heilsweg,
der in der Erfüllung der Gesetzgebung als der Verpflichtung gegenüber
dem Bund mit Jahwe steht, aufgehoben ist (!), die Rechtfertigung*
ausschließlich aus dem Glauben erlangt werden kann (!). (*Rechtfertigung
ist ein Begriff der christlichen Theologie, mit dem der Vorgang reflektiert wird,
daß das durch die Sünde gestörte Verhältnis zwischen Mensch
und Gott in einen als heil geglaubten Zustand überführt
wird). Der Glaube kann auch nicht als Werk des Menschen aus sich selbst
verstanden werden, sondern als Gabe und als Gehorsam gegenüber dem Willen
Gottes. Der Mensch ist in allen seinen Aspekten (Geist, Seele,
Leib) aufgerufen, das in Christus geschenkte neue Leben zu verwirklichen.
In seinem Verhalten ist der Mensch jedoch nicht auf sich allein gestellt, sondern
ist Mitglied der Gemeinde des auferstandenen Herrn. Diese ist schon gegenwärtig
der Leib Christi, wird aber gleichzeitig von der Hoffnung auf die endgültige
Wiederkunft (Parusie) des Herrn geleitet und ist in dieser Spannung von schon
und noch nicht Träger seines Geistes.48
fand das Apostelkonzil in Jerusalem statt, an dem auch Petrus
und Paulus
teilnahmen. Anlaß des Apostelkonzils war die Frage, ob Heiden,
die zum Christentum übertreten, sich der Beschneidung und dem jüdischen
Gesetz unterwerfen müssen. Das Apostedekret ist der vom Apostelkonzil (Apg.
15; Gal. 2, 1-10) den Christen Antiochias, Syriens und Kilikiens (heute: Südanatolien)
mitgeteilte Beschluß, daß sie zur Beobachtung (Befolgung) des mosaischen
(israelitisch-jüdischen) Gesetzes nicht verpflichtet seien (!). Also war
das Apostelkonzil ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Universalkirche.Hadrian
(Publius Aelius Hadrianus, 24.01.76 - 10.07.138 ), Verwandter Trajans,
zweiter adoptierter Kaiser (117-138), war seit 116 Statthalter in Syrien und schloß
unter Verzicht auf die eroberten Gebiete mit den Parthern einen Frieden. 117 wurde
er nach umstrittener Adoption zum Kaiser ausgerufen. Seine Politik des Verzichts
auf kostspielige Reichsexpansion und verstärkter Grenzsicherung entspricht
dem Bemühen im Innern, v.a. Straßen-, Städte- Wasserleitungsbau
im ganzen Reich zu betreiben. Die Euphratgrenze wurde wieder hergestellt, der
Ausbau des germanischen Limes an Rhein und Donau intensiviert, wie auch andere
Befestigungsanlagen, z.B. in Britannien und am Euphrat. Hadrian verbesserte und
verstärkte den Verwaltungsapparat durch Ausbau der Kanzleibürokratie
und machte ausgedehnte Reisen zur Überwachung der Reichsverwaltung (Reisekaiser).
Unter ihm gab es Neueinrichtungen von Provinzen und eine Heeresreform. Hadrian
war Griechenfreund und Philosoph und im Osten göttlich verehrt. Er war erfüllt
vom Ziel der Verwirklichung der Pax
Augusta im ganzen Imperium. Der Wiederaufbau Jerusalems als Kolonie Aelia
Capitolina entfachte den Aufstand der Juden unter Bar Kochba (132-135), der
mit der Eroberung Jerusalems durch Hadrian endete. Hadrian adoptierte 137 den
späteren Kaiser Antonius
Pius, verfaßte eine Biographie und ließ u.a. das Mausoleum (Engelsburg)
in Rom, die Villa Adriana bei Tivoli und in Athen die Stoa - mit
Bibliothek - bauen. Hadrian wurde in dem monumentalen Rundgrab, dem Mausoleum
Hadriani (Engelsburg) beigesetzt. (Vgl. Tabelle
).Clemens von Alexandria; eigtl. Titus Flavius
Clemens Alexandrinus (um 150, Athen, 215, Alexandria), griechischer Philosoph,
Kirchenschriftsteller und Lehrer in Alexandria. Als Vordenker war er, von
Platon, der Stoa
und Philon
beeinflußt, Vorkämpfer einer bewußt christlichen
Philosophie und einer christlichen Gnosis;
er sah das Wirken des göttlichen Logos überall, auch in der heidnischen
Philosophie (besonders bei Platon), die als Hinlenkung zum Göttlichen unentbehrlich
sei. Gott kann nach Clemens nur negativ bestimmt werden. Der gnostische Christ
sei ausgezeichnet durch stoische Apathie: Freisein von Affekten und Leidenschaften,
also das Ziel der seelischen Selbsterziehung. Durch Askese könne der gnostische
Christ zu einem im Fleische wandelnden Gott werden. Clemens' Wirken
zielte auf die Schaffung einer christlichen Kultur und (letztendlich) auf die
Überwindung der Gnosis. (Vgl. Tabelle).Tertullian
(Quintus Septimus Florens Tertullianus; ca. 150, Karthago, ca. 220, Karthago)
war zunächst Rhetor in Rom, bevor er um 195 zum Christentum übertrat
und nach Karthago zurückkehrte. Wie
hart die Eschatologie der Väterzeit die verdammungswürdigen Nichtchristen
anfaßte, ist unter anderem den polemischen Schriften des kathagischen Kirchenvaters
Tertullian zu entnehmen, namentlich seiner Abhandlung Über die Schauspiele
(De spectaculis). Als ein für Dogmenhistoriker eher peinliches Zeugnis
folgerichtigen christlichen Denkens ist sie für die externe Deutung metaphysischer
Zornverarbeitungsstrategien von hohem Zeugniswert. In De spectaculis liegt
der Nexus zwischen irdischem Verzicht und jenseitiger Satisfaktion geradezu obszön
offen - nicht ohne Grund haben Nietzsche und Scheler in ihren Analysen des Ressentiments
auf diese Schrift expressis verbis hingewiesen. Nachdem Tertullian noch
einmal die Gründe aufgezählt hat, derentwegen Christen bei den heidnischen
Darbietungen nichts zu suchen haben (vor allem weil Theater Tummelplätze
für Dämonen sind), kommt er unverblümt auf die himmlischen Kompensationen
für irdische Abstinenz zu sprechen. Er weiß, daß es römische
Christen eine gewisse Entwöhnung kostet, auf die »Spiele« zu
verzichten. Viel zu sehr sind die Wagenrennen im Circus, die Obszönitäten
auf dem Theater, die schwachsinnigen Übungen der gemästeten Athleten
im Stadion, vor allem aber die faszinierenden Grausamkeiten in der Arena Teil
des spaßgesellschaftlichen Alltags geworden, als daß sich der Nichtbesuch
solcher Darbietungen ganz von selbst verstehen könnte. Tertullian hat jedoch
eine Entschädigung für das Fernbleiben von den römischen Schauspielen
parat. Den irdischen Darbietungen wird eine göttliche Komödie gegenübergestellt,
die nicht nur der Schaulust Genüge tut, sondern auch dem performativen Charakter
der Herrlichkeit Gottes mittels expliziter Rachedemonstrationen Rechnung trägt.
Was nämlich wird den erlösten Seelen im Himmel die höchste Genugtuung
gewähren? Sie können sich dem Anblick eines exquisiten Strafvollzugs
widmen:»Was für
ein Schauspiel aber steht uns demnächst bevor - die Wiederkehr des nunmehr
nicht mehr in Frage gestellten, des nunmehr stolzen, nunmehr triumphierenden Herrn!
... es kommen gewiß noch andere Schauspiele, jener letzte und endgültige
Tag des Gerichts ... Was soll ich da bestaunen? Worüber soll ich lachen
? Worauf soll sich meine Freude, soll sich mein Jubel richten, wenn ich
dabei zuschaue, wenn so viele Könige. ..in tiefster Finsternis laut aufstöhnen
? ... Wen sehe ich außerdem? Jene weisen Philosophen, wie sie
rot werden in Gegenwart ihrer Schüler, die gemeinsam mit ihnen brennen. ...
Dann werden die Tragödien noch vernehmlicher zu hören sein, weil sie
(die Dichter) natürlich bei ihrem eigenen Unglück noch stimmgewaltiger
sind; dann wird man die Schauspieler gut erkennen können - sie werden durch
das Feuer noch viel lockerer sein; dann wird der Wagenlenker zu sehen sein, wie
er am ganzen Körper rot auf seinem lodernden Wagen steht ... es sei denn,
ich will diese Leute nicht einmal dann sehen, weil es mir lieber ist, meinen Blick
unersättlich auf diejenigen zu richten, die gegen den Herrn gewütet
haben ... Welcher Praetor oder Consul ... wird dir das mit seiner Freigiebigkeit
bieten können? Und doch haben wir das alles schon in gewisser Weise
bildlich vor Augen, da es sich der Geist dank des Glaubens vorzustellen vermag«
(Tertullian, De Spectaculis [Über die Schauspiele], S. 83-87). | Tertullians
Aussage wiegt schwer, weil sich in ihr der Prozeß der Zornverarbeitung nachapokalyptischen
Stils in einem Frühstadium zeigt, bei dem noch nicht die innere Zensur gegen
offen gezeigte Befriedigung durch vorgestellte Greuel eingegriffen hat. ... -
Die Überlegungen zur Herkunft, Bestimmung und Wirkungsweise des göttlichen
Zorns haben uns auf einen eher selten beachteten Sachverhalt aufmerksam gemacht:
Es gibt eine fieberhafte Heiterkeit, wie sie allein die apokalyptische Theorie
gewährt. Sie entzündet sich an der Erwartung, alles werde letztlich
völlig anders kommen, als die zur Zeit Erfolgreichen meinen. Der Blick des
Apokalyptikers verwandelt die Zustände und Geschehnisse in unverkennbare
Hinweise auf das nahende Ende der unhaltbaren alten Welt. Da aber dieses Ende
intensiv ersehnt wird, tragen noch die dunkelsten Zeichen der Zeit eine evangelische
Ladung. Während die griechische Theorie sich durch die Vorstellung erheitert,
am zeitlosen Weltbild der Götter teilzuhaben, berauscht sich die apokalyptische
Theorie an der Idee, daß dies alles von jetzt an nur noch Teil einer letzten
Vorstellung sei. - Wenn Tertullian nach seiner Polemik gegen die römischen
Schauspiele auf die Unterhaltungen der Erlösten zu sprechen kommt und sich
fragt: »Worüber soll ich lachen? Worauf soll sich meine Freude,
soll sich mein Jubel richten, wenn ich dabei zuschaue, wenn so viele Könige
... in tiefster Finsternis laut aufstöhnen? ...« (Tertullian, ebd.,
S. 83), so zeigt sich in dieser Verbindung von Bild und Affekt das wahre psychopolitische
Gesicht jener Positionsumkehrungen (oder eines ihres wahren Gesichter), die man
später als Revolutionen beschreiben wird. Die unter religiösem Vorzeichen
geforderte Totalumwälzung greift über die Grenze zwischen Diesseits
und Jenseits hinaus und klagt eine strikt symmetrische Vertauschung zwischen den
aktuellen und den künftigen Lagen ein. Wer den Begriff Revolution in einer
geometrischen Bedeutung ausgelegt sehen möchte, kann sein Interesse bei diesem
metaphysischen Manöver befriedigen - und nur bei diesem. Tertullian läßt
keinen Zweifel daran, daß die von Gottes Allmacht bewirkte finale Wende
die Affektbilanzen der menschlichen Existenz auf den Kopf stellt: »Laßt
uns also traurig sein (lugeamus), solange sich die Heiden freuen, damit
wir uns freuen können (gaudeamus), wenn sie begonnen haben, traurig
zu sein ...« (Tertullian, ebd., S. 81). Die Symmetrie der Umkehrung
wird garantiert durch die bei Gott akkumulierten Zornguthaben, mit deren Fälligwerden
am Tag des Gerichts der kosmische Leidensausgleich zum Vollzug kommt. Leide in
der Zeit, genieße in der Ewigkeit; genieße in der Zeit, leide für
ewig. Die Satisfaktion des Ressentiments wird hier noch ausschließlich durch
die Vorwegnahme der künftigen Positionsvertauschung gesichert. (Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 164-165, 170-171).Origenes
(185, Alexandria, 254, Tyrus) war zunächst Lehrer (203-231) an der
ältesten Theologenbildungsanstalt zu Alexandria, die von Philon
im 1. Jh. gegründet worden war (Alexandrinische
Schule). Danach war Origenes Vorsteher der von ihm 232 gegründeten Anstalt
in Caesarea (Palästina). Er wurde von den Orthodoxen als Ketzer angegriffen.
Noch auch vergleichend und verteidigend (apologetisch),
vollendete er die früheste christliche systematische
Theologie in Form einer Streitschrift gegen Celsus
(2. Jh.), durch Bibelforschung und indem er die Gnosis
und den Neuplatonismus,
besonders seine Lehre vom Logos, zur Deutung der religiösen Urkunden benutzte.
Gott sei wirkende Vorsehung, Christus nicht Erlöser, sondern Vorbild, der
heilige Geist der eigentliche Mittler zwischen Christus und Welt bzw. Menschheit,
der deren Rückführung zu Gott bewirke. (Vgl. Patristen)
Plotinos (205, Lykopolis, 270, Minturnae
/ Campanien) war in Alexandria Schüler des sagenhaften Ammonios Sakkas (um
175 - 242), danach, nach seiner Teilnahme an Kaiser Gordians
persischen Feldzug, als Kaiser Gallienus'
Schützling Vorsteher einer eigenen Schule in Rom. Plotin war sogar so sehr
auf Vergeistigung bedacht, daß er sich schämte, einen Körper zu
haben. (Magische
Geistesdominanz; vgl. Seelenbild).Spätestens
jetzt müßte man hier erkennen, wie weit auch die römische Antike
sich bereits von ihrem körperlichen
Seelenbild gelöst hatte. Plotinos
hatte das magische Seelenbild, das ich Seelengeist nenne, offenbar längst
verinnerlicht. So gesehen hatte der Neuplatonismus
tatsächlich nicht mehr viel mit dem alten
und mittleren
Platonismus zu tun. Für Platon
selbst spielten Körper, Formen und Substanzen eine sehr große Rolle.
Auch das antike Bild des Körpers ist hier bereits, zur Zeit des Plotinos
(205-270), durch das magische Bild der Welthöhle absorbiert worden.
(Vgl.
22-24).Manichäismus bedeutet die
Lehre des Persers Mani (216, Mardinu [Babylonien], 273, gesteinigt in Gandeschapur
[Babylonien] auf Betreiben der Zarathustra-Priester). Der Manichäismus entwickelte
sich aus iranischen (zarathustrischen), gnostischen, babylonisch-chaldäischen,
jüdischen und christlichen Vorstellungen. Zarathustrisch ist Manis Lehre
vom Kampf des Lichtes und der Finsternis, des Guten und des Bösen. Die durch
die Gnosis beeinflußte Sittenlehre des Manichäismus gebot strengste
Enthaltsamkeit, besonders hinsichtlich Ernährung, Geschlechtsleben, Handarbeit.
Da Mani als Gesandter des wahren Gottes die bisherige Zarathustra-Religion
verdrängen wollte, fiel er deren Priesterschaft zum Opfer. Der Manichäismus
gewann trotzdem über das Sassanidenreich und später das Abbasidenreich
hinaus östlich bis nach China, westlich bis nach Spanien und Gallien Einfluß.
Augustinus
(354-430), der den Manichäismus später heftig bekämpfte, war eine
Zeitlang sein Anhänger gewesen.Arianismus
ist die Christologie des alexandrinischen Priesters Arius (ca. 250 - 336). Nach
ihr ist Christus mit Gott nicht wesensgleich, sondern nur dessen vornehmstes Geschöpf.
Arius wurde von seinem Bischof Alexander exkommuniziert, seine Lehre, die der
griechische Kirchenlehrer Athanasios
(295-373) aufs heftigste bestritt, wurde 325 unter Einfluß des Kaisers Konstantin
d. Gr. auf dem Konzil
von Nizäa verurteilt. Bei Goten (vgl. Wulfila),
Wandalen und Langobarden lebte sie jedoch bis zum 6. Jh. fort. Der Arianiismus
war auch deshalb von sehr großer Bedeutung für das werdende Abendland,
weil er mit dem römischen Katholizismus die erste und wichtigste Verschmelzung
einging.Athanasios (hl., Athanasius,
Alexandria um 295, 2. Mai 373) war griechischer Kirchenlehrer und Patriarch
von Alexandria, seit 328 Bischof von Alexandria. Die Machtposition dieser kirchlichen
Stellung nutzte er geschickt in seinen theologischen Kämpfen gegen den Arianismus
aus. Mit seinen Schriften erklärte und verteidigte Athanasios hauptsächlich
das Konzil
von Nizäa (325). In seinem Leben des Heiligen Antonius entwarf
er ein Programm christlichen Mönchslebens. Fest: 2. Mai.Wulfila
(Ulfila, Ulfilas, Gulfilas, um 310 - um 383 in Konstantinopel), westgotischer
Bischof, 341 für die Goten zum Bischof geweiht. Wulfila mußte sich
348 hinter die Reichsgrenze zurückziehen wegen der Verfolgung durch Athanarich
, den damaligen Führer der Westgoten, der mehere Christenverfolgungen, z.B.
in den Jahren 348, 369 aus Römerhaß (!), unternahm und durch
Kaiser Valens
nach mehrjährigem Krieg 369 zum Vertragsverhältnis mit Rom gezwungen
und gegen Lebensende von Kaiser Theodosius
ehrenvoll aufgenommen wurde. Wulfila wirkte trotzdem weiter als Missionsbischof
und weltlicher Führer (Primas). Theologisch gehörte er zu den
gemäßigten Arianern.
Seine bedeutendste Leistung war die Bibelübersetzung ins Gotische. War er
also ein Luther am Übergang Spätantike/Mittelalter oder war Luther
ein Wulfila am Übergang Mittelalter/Neuzeit?Hilarius
von Poitiers (hl., 310-367, Kirchenlehrer und Bischof von Poitiers (seit etwa
350), war ein entschiedener Verteidiger des Glaubensbekenntnisses von Nizäa
und trat mutig gegen den arianischen
Kaiser Konstantius
auf. Sein theologisches Hauptwerk sind die 12 Bücher Über die
Dreifaltigkeit. Hilarius wurde auch bedeutsam für das Bekanntwerden
der Hymnodie in der abendländischen Kirche.Ambrosius
von Mailand (hl., Trier um 339, 4. April 397, Mailand), Bischof von Mailand,
war einer der vier großen abendländischen Kirchenväter. Er wurde
374 zum Bischof gewählt und trat für die Rechtgläubigkeit und die
Einheit der Kirche ein. In der Kirchenpolitik
strebte er eine enge Verbindung von Kirche und Staat an. Ambrosius griff als Prediger
und Interpretet der Heiligen Schrift auf die allegorische Schriftdeutung
zurück. Die Reden und Predigen wurden zur Grundlage seiner Werke (Genesis-Kommentar,Lukas-Kommentar
und die 5 Bücher De fide ad Gratianum). Ambrosius führte
den aus dem Osten (wohl Syrien) stammenden hymnischen Chorgesang in der abendländischen
Kirche ein und dichtete selbst mehrere heute noch im Brevier gebrauchte Hymnen.
Unter seinem Einfluß wurde 387 Augustinus
bekehrt und von ihm getauft. Fest: 7. Dezember.Pelagius
(* in Britannien oder Irland, vor 380, 418 oder 422), Mönch und Kirchenschriftsteller,
führte ab etwa 400 ein Leben als Asket und Laienmönch in Rom und gelangte
410 auf der Flucht vor dem Westgoten-Führer Alarich ( 410), der sich
zum oströmischen Magister ernannt hatte, nach Karthago und Palästina,
wo es wegen seiner Lehren (Pelagianismus)
zu Rivalitäten mit Hieronymus (um 345-420) kam. Auf Betreiben Augustinus'
(354-430) verurteilten ihn die Synoden von Mileve (416) und Karthago (418). Papst
Zosimus
folgte dem Urteil, Pelagius wurde von Kaiser Honorius
verbannt. - Der Pelagianismus bezieht sich auf die
von Pelagius und Julian von Aeclanum ( 454) gegen Augustinus vertretenen
Anschaungen über Freiheit und Gnade, Erbsünde und Sünde: Der Mensch
hat die sittliche Freiheit zum Guten wie zum Bösen, die Sünde ist immer
eine einzelne Tat, daher wird die Erbsünde abgelehnt; der Mensch kann, kraft
der Gnade, durch eigene Bemühungen zum Heil gelangen. Nach der Verurteilung
und Verbannung des Pelagius trat seit etwa 420 Julian von Aeclanum als Haupt des
Pelagianismus hervor. Das Konzil von Ephesus (431) verurteilte den Pelagianismus;
der Osten verharrte bei der Lehre von der Freiheit des menschlichen Willens; im
Abendland entzündete sich sich nach der Verurteilung des Pelagianismus die
Auseinandersetzung erneut im Semi-Pelagianismus, der seitdem den Widerspruch gegen
die Gnaden- und Prädestinationslehre des Augustinus führte. Zwar hielt
der Semi-Pelagianismus an der Lehre von der Erbsünde fest, aber der Fall
Adams habe den menschlichen Willen zum Guten nur geschwächt, nicht getötet;
Wille und Gnade wirken zusammen. 529 verurteilte die Synode von Orange unter dem
Einfluß des Cäsarius von Arles den Semi-Pelagianismus. - Mit dem Pelagianismus
beschäftigt sich auch Sloterdijk,
der meint, daß man eine Kultur der Erbsünde im direkten Vergleich
mit einer Kultur der diskreten Verteilung von Schuld und Unschuld hätte beobachten
können, wenn schon zu dieser Zeit durch ein Schisma neben dem
augustinischen ein pelagianisches Europa entstanden wäre. Dank der
US-amerikanischen Sezession von Europa, so Sloterdijk, sei der Kontrast
zwischen einer eher augustinischen und einer eher pelagianischen Evolution
zumindestens indirekt beobachtbar. Während in der Alten Welt sich am
Ende des 20. Jahrhunderts, insbesondere durch die Erfahrungen der Totalitarismen,
eine von Skepsis und Normenpluralismus mitbestimmte Kulturgroßwetterlage
eingespielt hat, haben die USA ... in breiten Schichten an einem von puritanischen
Prämissen geprägten Klima festgehalten, in dem kulpabilistische, viktimologische
( ),
inquisitorische Mechanismen in voraufklärerischer Naivität und psychologischer
Raffiniertheit ineinandergreifen. Es kann kein Zufall sein, daß das Strafvollzugssystem
der USA das intensiv und extensiv umfassendste der Welt ist und proportional zu
den Bevölkerungszahlen nahezu zehnmal soviel Delinquenten in amerikanischen
Gefängnissen einsitzen wie in europäischen, bei weiter steigender Tendenz.
Sloterdijk ist sich sicher, daß sich die Individuen im neueuropäischen
Denk- und Verhaltensraum mit ihren helleren Intuitionen auf eine neupelagianische
Ausgangssituation einstellen werden, in der es nicht mehr zu Überbeschuldigungen
a priori gegen Personen und Umstände kommt, ohne daß deswegen
ein rousseauistischer Rückfall größeren Umfangs zu befürchten
wäre. Und was ihre dunkleren Intuitionen angeht, so werden
sie sich eher als Katastrophenbürger präsentieren, die Großrisiken
oder Gesamtverhängnisse überblicken, die nicht auf Täterbosheiten
zurückzuführen sind. Dieses Schwanken zwischen einem Neo-Pelagianismus
im Hinblick auf den Menschen und einem Rechnen mit systembedingten Katastrophen,
die man um so weniger ihren Verursachern wird zurechnen können, je globaler
sie ausfallen, bestimmt heute schon das Bild in den Subkulturen anspruchsvollerer
Zeitgenossenschaft. (Peter Sloterdijk,
Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001; S. 120-123).Die
Prädestination wurde anfangs am wirksamsten von Augustinus
(354-430), später auch von Luther
(1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin (1509-1564) und dem Jansenismus (nach
Cornelius Jansen, 1585-1638) gelehrt. Vor allem aber der Calvinismus,
anfangs ein antischolastischer Humanismus,
machte die Prädestination, die man auch Prädetermination nennt, zu seinem
Inhalt und Mittelpunkt. Sie bedeutet die Vorbestimmung des Menschen schon vor
bzw. bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen. und zwar entweder
als Gnadenwahl zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis
ohne Schuld. Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders
aber dem aus ihm entwickelten Puritanismus, und dem modernen Kapitalismus der
westlichen Demokratien hat vor allem Max
Weber (1864-1920) hingewiesen. (Vgl. Religionssoziologie).A.
M. T. Severinus Boethius (480-524) verfaßte vor seiner Hinrichtung, aber
nach der Verurteilung durch den Ostgoten-König Theoderich d. Gr. aus politischen
Gründen, sein Hauptwerk Trost der Philosophie, eine der meistgelesenen
philosophischen Schriften bis ins 17. Jh.. Obwohl Christ, machte Boethius hier
vom Christentum keinen Gebrauch. Die Philosophie tritt in seinem Buch als Person
auf, als Psychotherapeutin sozusagen, die Boethius zum Einverständins mit
seinem Schicksal führte - gemäß der stoischen Weisheit des Kleanthes
von Assos: Das Schicksal führt den mit ihm Einverstandenen; den nicht
Einverstandenen schleppt es mit. Vgl. Patristen (6): Scholastiker
im Westen).Beda Venerabilis (hl., 674-735), der Ehrwürdige
(lat.), gilt als Begründer der englischen Philosophie. Er war Lehrer
an der Klosterschule in Jarrow (bei Newcastle upon Tyne) und übermittelte
das griechisch-lateinische Bildungsgut an die Angelsachsen. Er schrieb für
den Schulgebrauch Abhandlungen über Metrik, Rhetorik, Orthographie und Naturlehre.
Zwei Handbücher über Chronologie, denen eine Chronik angehängt
ist, waren grundlegend für die mittelalterliche Zeitrechnung. Auf ihm basiert
die gesamte englische Chronistik im Mittelalter. Seine theologischen Werke - Bibelkommentare
- beruhen auf der allegorisch-moralisierenden Methode. Beda, zu den geistigen
Vätern der Karolingischen
Renaissance gehörig, wurde 1899 zum Kirchenlehrer erklärt. Mit seiner
Historia ecclesastica gentis Anglorum begann sich die germanische
Chronistik endgültig durchzusetzen. ( ).
Fest: 27. Mai.Innerhalb der Gliederung
ist die Aufteilung in eine (Früh-,Hoch-,Spät-) Urpatristik
und eine eigentliche (Früh-,Hoch-,Spät-) Patristik
sinnvoll, denn die Patristik stellt nicht einfach nur eine chronologische Aneinanderreihung
der Kirchenväter dar, sondern folgt einer inneren Logik der Kulturgeschichte
- hier der Pseudomorphose
und des Synkretismus.
Gemäß der Kulturgeschichte ist deshalb eine Patrologie
nötig, die auch die politischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, denn
in den für unser Thema (Abendland) relevanten Gebieten des Westens war bis
ins 4. Jh. überhaupt noch nicht sicher, ob sich das Christentum hier behaupten
könnte. Erst durch Konstantin
d. Gr. (280-337), der seit 306 römischer Kaiser (seit 324 auch einziger)
änderten sich die Bedingungen, z.B. durch ein erstes Edikt (311), durch die
staatliche Anerkennung der Christen im Toleranzedikt von Mailand (313) und der
damit endgültigen Einstellung der Christenverfolgungen. (Vgl. auch: 1.
Konzil von Nizäa, 325). Frühestens seit dieser Zeit wurde es für
Christen politisch und damit auch juristisch möglich, sich auch im Westen
langfristig zu etablieren. Die Gebiete im Osten, wo sich die Christen zu dieser
Zeit schon etabliert hatten und seit dem Ende der Reichseinheit (395) das Oströmisches
Reich (Byzanz) eigene Wege ging, gehören der magischen
und nicht der abendländischen Kultur an. Die Vordenker der abendländischen
Kultur, auch wenn sie sich auf die Patristen des Ostens bezogen, konnten erst
Dogmatiker und Kirchenpolitiker,
dann Scholastiker
werden, nachdem die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen für die
christliche Religion auch im Westen geschaffen worden waren. Erst dadurch konnte
das Abendland auch zu seiner Form finden, d.h. eine Kultur werden: eine faustisch
und vom Bild
der Vergangenheit und Zukunft angetriebene, im Unendlichkeitsraum
forschende und im Sinne einer eigenen Mythomotorik
nach dem Reich
suchende Kultur. Die gesamte Patristik (Ur-Patristik und Patristik i.e.S.) war
maßgebend, aber ihr zweiter Teil für das Abendland unerläßlich.
Ein wirkliches Zurück, eine zweite Einnistung
war nach dem Beginn der Kirchenpolitik nicht mehr möglich! (Vgl. 0-2).
Die Ergebnisse der germanischen Völkerwanderung,
die Germanenreiche
sollten es beweisen! (Vgl. 2-4).Patrologie
ist hier kulturhistorisch gemeint. Im katholischen Bereich ist die Patrologie
die Bezeichnung für die Patristik
bzw. für die Lehrbücher der Patristik.
Das auf Vergangenheit und Zukunft bezogene Bild
eines Abendländers ist das exakte Gegenstück zu dem eines Antiken,
für den nur die Gegenwart zählte. Selbst das Römische Reich
war nicht primär aus bewußtem Antrieb durch identitätsstiftende
Geschichten, also durch eine Mythomotorik
gebildet worden, sondern aus sich selbst heraus. Im Gegenteil dazu suchte
das Abendland von Anfang an seinen Antrieb durch Geschichten; und gerade
die Geschichte des Römischen Reiches, die doch selbst durch Gegenwart,
durch ständige Präsenz gekennzeichnet war, wurde (vielleicht
auch deshalb!) zur Basis jeder Übertragung. Das Reich
wurde zur Grundlage jedes bildenden und einbildenden Projektes, d.h. jeder
Projektion. Die maßgeblichen europäischen Mächte
unternahmen immer neue Anläufe, ein Reich nachzuspielen, das ihrer
politischen Phantasie als unverlierbares Paradigma vorgeordnet blieb.
So könnte man geradezu sagen, daß Europäer ist, wer in
eine Übertragung des Reiches verwickelt wird. Dies gilt besonders
für Deutsche, Österreicher, Spanier, Engländer und Fransosen
.... (Peter Sloterdijk,
Falls Europa erwacht, 1994, S. 34).
Mythomotorik
bedeutet Antrieb durch formierende oder identitätsstiftende Geschichten.
Den Ausdruck Mythomotorik hat m.W. Jan Assmann ... eingebracht. Vgl. Jan
Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerungen und politische
Identität in den frühen Hochkulturen, München, 1992.
(Peter Sloterdijk,
Falls Europa erwacht, 1994, S. 64).Peter
Sloterdijk,
Falls Europa erwacht - Gedanken zum Programm einer Weltmacht am Ende des Zeitalters
ihrer politischen Absence, 1994.Peter
Sloterdijk,
Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001 (S. 120f. und 122f.).Dionysios
Areopagita (1. Jh.), angeblich erster Bischof von Athen, war Mitglied des Areopagats
(Areopag = Areshügel, ältester und berühmtester Gerichtshof
in Athen, auf dem Areshügel, westlich der Akropolis) und wurde von Paulus
bekehrt. Unter dem Namen Dionysios Areopagita und unter Berufung auf Apg. 17,
34 veröffentlichte ein griechisch schreibender christlicher Schriftsteller
im 5. oder 6. Jh., der Pseudo-Dionysios
Areopagita, eine Reihe theologisch-mystischer Schriften und Briefe und erlangte
damit beinahe apostolisches Ansehen mit großem Einfluß insbesondere
auf die Mystik.Doppelte
Wahrheit, das gleichzeitige Wahr-oder-Falsch-sein-Können einer Erkenntnis
je nach der Grundlage dieser Erkenntnis, spielte im Mittelalter eine große
Rolle, als die Glaubenswahrheiten rational gesichert werden sollten. (Vgl. Frühdenker).
Carl Friedrich Gauß (1777-1855)
veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil er das Geschrei
der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen fürchtete.
Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken Landschaft
(Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte als denkfaul
und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte zu Recht, daß
man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen können. Die erste
der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach Vollendung seines Hauptwerkes
Disquisitiones arithmeticae (1801), durch deren in sich widerspruchslose
Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere streng mathematische Arten
einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die sämtlich a priori gewiß
sind, ohne daß es möglich wäre, eine von ihnen als
die eigentliche Form der Anschauung herauszuheben. (Vgl.
18-20).Die abendländische
Philosophie sei eine Reihe von Fußnoten zu Platon,
behauptete der Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead
(1861-1947), einer der wichtigsten Vertreter des Neurealismus,
auf den er eine kritische Naturphilosophie gründete, die er später durch
eine konstruktive Metaphysik ergänzte.Etienne
Gilson (Paris, 13.06.1884 - 19.09.1978, Gravant [Yonne]), L'esprit de la philosophie
médiéviale, 1932. Gilson war 1913 Prof. in Lille, 1919 in Straßburg,
1921-32 an der Sarbonne, seit 1932 am Collège de France; Mitglied
der Académie française. Er war einer der wichtigsten Vertreter
des Neuthomismus.
Der Neuthomismus ist schon seit Beginn der Gegenreformation
der Kern der Neuscholastik. (Vgl. Tabellen: Hoch-Denker
und Spät-Denker).Römisch-katholische
Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz
des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und
vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963)
soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei:
von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher,
wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen.
Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper
und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle
ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum
entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich
die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum
versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element
ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als
auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der
abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen
antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen
Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland,
sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so
auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike
auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch
erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die
Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein
Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland
scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen
Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung
bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt
deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor? Es bleibt zunächst festzuhalten,
daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und
Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß.
Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren,
folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich
beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil
dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit
zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen
will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des
Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und
einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für
eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat
und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender
Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung
zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren
also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber
die Kontrollgene germanisch. (Vgl.
22-24). 
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert:
2014).
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