- Frühdenker
sind Denker kindlicher Art -Wenn die ältere, die
elterliche Theologie internalisiert ist, dann wird diese eigene
Theologie auch sogleich begleitet; sie führt zur eigenen Philosophie.
Bevor die Frühdenker beginnen, sich zu denken, müssen
allerdings einige kultur-familiäre Rahmenbedingungen erfüllt
sein. Was innerhalb einer Kultur auf geistig-seelischer Ebene die Frühdenker
sind, das sind auf politisch-ökonomischer Ebene die Frühkämpfer.
Für die frühe Antike übernahmen die Mykener, die auch schon bei
den Vorkämpfern besonders wichtig gewesen waren, die Rolle der Frühkämpfer
und die Rolle der Frühdenker insofern, als daß sie fähig
waren, im Zusammenhang mit der nun entstehenden Zeus-Götterwelt, ihre Mythen
weiterzugeben, die als Vorläufer der späteren homerischen Epen
auch schon bei den Vordenkern ( )
besonders wichtig gewesen waren. Sie entwickelten die Zeus-Götterwelt von
einer Feudal-Theologie über eine Monopol-Theologie zu einer Adels-Theologie.
Letztere wurde z.B. von Homer (8. Jh. v. Chr.) beschrieben, aber nicht nur von
ihm.
Die Geschichte der antiken Philosophie
hat sehr viel zu tun mit der Geschichte der Alphabetschrift,
ist fast sogar identisch mit ihr, wenn man von der Alphabetschrift-mit-Vokalen
(!),
der griechischen Schrift ausgeht. Zwar entwickelten die Phöniker
(Phönizier) die erste Alphabetschrift - vollendet war sie sie gegen
Ende des 14. Jahrhunderts v. Chr.-, doch diese erste Alphabetschrift bestand
nur aus Konsonanten. Vielleicht noch im 14., aber wohl eher im 13. Jahrhundert
v. Chr., als auch die Dorische Wanderung begann, übernahmen die Griechen
die phönikische Schrift und erweiterten sie, denn die Griechen führten
erstmals Vokale in das Alphabet ein, weil für sie einige der phönikischen
Konsonanten überflüssig waren. Diese Redundanz war es also,
die es den Griechen ermöglichte, das konsonantischeische Alphabet
um Vokale zu erweitern, indem sie die überflüssigen Konsonanten
nicht einfach eliminierten, sondern zu Vokalen erklärten und dadurch
ein revolutionäres Alphabet einführten. Das griechische
Alphabet ermöglichte durch die eingeführten Vokale erstmals
eine lautgetreue Wiedergabe der Silben, Wörter, Sätze, des Textes.
Das ist die griechische Schrift! Die griechische Schrift hatte enorme
Auswirkungen, denn allein durch das Ereignis der griechischen Schrift
konnte sich die ... Leser-Subjektivität entwickeln, deren starkes
Merkmal in der Fähigkeit zum »Umgang mit Texten«, das
heißt zum situationsunabhängigen Sinnverstehen, bestand. ....
Dank aufgeschriebener Texte emanzipiert sich die Intelligenz vom Zwang
des In-situ-Aufhalts ( )
in mehr oder weniger verstehbaren Umständen. Das hat zur Konsequenz:
Um eine Situation kognitiv zu bewältigen, muß ich nicht länger
als ihr Teilnehmer in sie eintauchen und mit ihr in gewisser Weise verschmelzen,
es reicht aus, ihre Beschreibung zu lesen - dabei steht es mir frei, zu
bleiben, wo ich bin, und zu assoziieren, was ich will. (Peter Sloterdijk,
Im Weltinnenraum des Kapitals, 2005, S. 395). Die Schriftgeschichte
ist in etwa identisch mit der Geschichte der Historiographie ( )
und kann auch als eine Geschichte der Historienkultur beschrieben werden,
doch muß berücksicht werden, daß diese eine Historienkultur
aus mehreren Historienkulturen ( )
besteht, und genau mitten in dieser Geschichte finden wir die antik-apollinische
Kultur sowie das erste Alphabet und das revolutionäre Alphabet,
das wir die griechische Schrift nennen. Dieser Einschnitt in die Schriftgeschichte
war so gewaltig, daß man sogar sagen kann, er war für die von
ihm betroffenen Menschen sogar ein Einschnitt in deren In-der-Welt-Sein
( ),
denn mit und nach diesem Einschnitt spaltete sich das In-der-Welt-Sein
explizit in erlebte und in vorgestellte Situationen - besser gesagt, es
gelingt den vorgestellten Situationen dank ihrer Verschriftlichung, das
Monopol des Verstehens-durch-in-der-Situation-Sein zu brechen. Mit der
griechischen Schrift beginnt das Abenteuer der Dekontextuierung von Sinn.
(Peter Sloterdijk, ebd., S. 395-396). Es geht hier also um den
Aufstand des Texts gegen den Kontext, das bedeutet: die Losreißung
des Sinns von den gelebten Situationen. Die griechische Schrift emanzipierte
mit der ständigen Einübung des dekontextuierenden Denkens -
üblicherweise als Lesen bezeichnet - den Intellekt vom Zwang zur
Teilhabe an realen Konstellationen. Die griechische Schrift erzeugte erstmals
den rein theoretischen Menschen, der später Philosoph
heißen sollte.
Zwei
wichtige Einrichtung in der Antike, die auch schon in der Zeit der Vordenker
eine wichtige Rolle gespielt hatten, waren die Mysterien
und die Orakel. Das Orakel prophezeite
weniger als es Rat gab und anordnete; es verkündete nicht so sehr, was geschehen
wird, als was getan werden soll. Auch theoretische Belehrung bot es nur selten.
Man befragte es in Kulturangelegenheiten, bei Städtegründungen, in Kriegen,
bei Hungersnot, Seuchen, Erdbeben und anderen öffentlichen Unglücksfällen;
aber auch die Alltagssorgen wurden ihm vorgetragen: Ehe, Adoption, Geschäfte,
Landbau, Liebeskummer, Reisen u.s.w.. Auch viele törichte Fragen kamen natürlich
vor: ob das erwartete Kind nicht von einem anderen Mann sei, wo man nach Schätzen
graben solle, wer die Matratzen gestohlen habe, wo Homer
geboren sei u.s.w.. Delphi (Delfoi,
Delphoi) war Kolonialamt, indem es für die Ortswahl und Anlage der neuen
Niederlassungen Anweisungen gab, meist ganz vorzügliche, auch eine Art Völkergerichtshof,
ebenso parteiisch und ohnmächtig, wie alle späteren, und in religiösen
Fragen vom Range eines Konzils. (Vgl. Konziliarismus).
Doch es erteilte niemals Bescheide in Dogmensachen, denn dies alles war Sache
eines Priesterkollegiums, die Pythia
aber hat auch prophezeit: von den Ausdünstungen der dampfenden Erdspalte
berauscht, verkündete sie mit mit rasendem Munde, was der Gott
aus ihr sprach. Sonst weissagte man aus den Träumen, zumal der Tempelschläfer,
aus der Tierleber, dem Vogelflug, dem Blitz, dem Schwitzen der Götterbilder,
dem Wiehern der Pferde, dem Niesen, das meist ein schlechtes Omen war, dem Werfen
der Lossteinchen; aber erst in der Spätzeit, von Chaldäern belehrt,
aus den Sternen. Von der Rolle, die derlei Vorbedeutungen in der Ökonomie
des antik-griechischen Lebens gespielt hahen, können wir uns heute kaum mehr
einen Begriff machen. In der Antike gab es keinen
richtigen Klerus. Der Priester bediente das Heiligtum, opferte für die
Gläubigen, verwaltete die Tempeleinkünfte und legte den Willen der
Gottheit aus. Er war ein gewöhnlicher Staatsbeamter oder auch ein Privatmann.
Die griechischen Dionysiker
glaubten inbrünstig an die Wiederkehr der Seele, allerdings in Form einer
Seelenwanderungslehre. Rauschtränke erhöhten die Ekstase, bis schließlich
die Psyche aus dem Leibe trat und sich mit dem Gott vereinigte, dem thrakischen
Fremdling Dionysos. Diese epidemischen Psychosen wiederholten sich mit großer
Regelmäßigkeit alle zwei Jahre: an den trieterischen Dionysien, mitten
im Winter. Verwandt mit der Religion der Dionysiker war die der Orphiker.
Sie leitete sich von Orpheus her, der ebenfalls ein Thraker war. Von der Religion
der Olympier
unterschied sich die der Orphiker vor allem dadurch, daß diese eine feste
Lehre entwickelt hatte, während jene im wesentlichen immer nur Kult und Mythologie
blieb. Dennoch ging die olympische Religion auf eine Dogmatik zurück. Danach
war die Seele zur Buße für eine früher begangene Schuld in den
Kerker des Körpers gebannt, das Leben auf Erden der Tod der Seele. Vom Gläubigen
wurde nicht Abkehr von diesen oder jenen irdischen Verfehlungen gefordert, sondern
Absage an das irdische Dasein selbst: nur so konnte er dem tödlichen Kreislauf
der Geburten entfliehen. Die Taten des abgelaufenen Lebens werden in der nächsten
Reinkarnation vergolten. War die Seele völlig rein und aller Flecken ledig
geworden, so würde sie eines Tages frei werden und nie mehr den Tod erleiden,
in ewiger Seligkeit wie der Gott lebend, von dem sie stammte. Der Weg zur Läuterung
ging durch Askese, sittlichen Wandel, Empfang der Mysterienweihen. Fleischgenuß
war Brudermord. Dies alles mutet doch fast indisch an, oder? Das ganze Leben war
von Zeichen und Winken förmlich umstellt und jeder Schritt hatte einen zweiten
Sinn. Es gibt doch zu denken, daß so ein kluges und auch so realistisches
Volk sein ganzes Leben lang im trüben Schlamm des Aberglaubens watete und
auch seine erleuchtetsten Köpfe nichts dagegen vorzubringen hatten.Wenn
die Gestalten der Träume wirklich ein merkwürdiges Wissen um die Zukunft
besitzen,historisch transparent sind und nie etwas Falsches sagen,
d.h. etwas, das nicht in ihre Psychologie paßt, dann ist das schon sehr
sonderbar, da doch nicht jeder Mensch ein großer Dichter ist und selbst
bei diesem gelegentlich Verzeichnungen vorkommen. Die Träume sind also allem
Anschein nicht von uns. Ferner scheinen manche Personen die als Psychoskopie
bezeichnete Gabe zu besitzen, sowohl Menschen wie Gegenständen ihre Biographie
abzulesen. Man muß wohl dabei von
der Annahme ausgehen, daß alle Dinge ihre Geschichte permanent in sich tragen,
sowohl ihre abgelaufene wie die erst auf sie zu rollende, da alles eine einzige
ewige Gegenwart zu sein scheint, indem die Vergangenheit stehenbleibt und die
Zukunft schon da ist, nur nicht für uns, und daß unsere Unfähigkeit,
dies zu erblicken, nur von unserer Vergeßlichkeit kommt: in beiden Fällen,
auch bei der Zukunft (!). Die antiken Menschen hielten dies für selbstverständlich
(!). Daß es unter ihnen auch sehr viel krassen und kindischen Aberglauben
gab, spricht ebenso wenig gegen ihre Theurgie wie die Tatsache, daß sie
sehr viel rohe Tonpuppen besaßen, gegen ihre bildende Kunst. Zum Verkehr
mit der Gottheit bedurfte es keines Vermittlers. Der König opferte für
die Gemeinde, der Hausvater für die Familie. Das Wichtigste blieb überhaupt
zu allen Zeiten der Hauskult. Die antike Religion muß man daher immer in
Klammern und davor die Begriffe Mythologie und Fatalistik setzen, während
man die Theologie eher als Theurgie beschreiben sollte. Am meisten verbittert
wurden antike Menschen, wenn der Sterbliche sich vermaß, es den Göttern
gleichzutun, und ihre weitaus stärkste Triebfeder war der Neid: man kann
daraus schleißen, wie neidisch die griechisch-antiken Menschen selber waren.
Das Grundverhältnis zu den Götterrn war daher das Mißtrauen, und
wenn man ihren Geboten gehorchte, so tat man es nicht aus Ergebenheit, sondern
aus Klugheit, um sie nicht zu reizen. Frevel war, wenn man sie beleidigte; anderes
Unrecht erregte nicht ihren Unwillen. Prozesse wegen Beleidigung der Götter
waren ziemlich häufig. Aber man fragt sich natürlich gleich, was den
an diesen Göttern zu beleidigen war. Mitleid, und oft ein sehr unangebrachtes,
hatten sie nur mit ihren Lieblingen; sonst waren sie ganz erbarmungslos. Auch
untereinander liebten sie sich nicht. In der Ilias (Homer)
entspricht der Zustand im Himmel genau dem der menschlichen Gesellschaft: Zeus
verhielt sich wie Agamemnon, die Götter wie bloße Titularvasallen,
stets zur Renitenz bereit. Die Heimat der Götter, der Olymp,
war eine Akropolis, und seine Bewohner Ritter und Rosse, beide gleich göttlich,
gleich unvergänglich, von Nektar und Ambrosia genährt. In der homerischen
Theologie ist die Götterwelt eine gesteigerte Wiederholung der
irdischen: verklärte Animalität und Physik. Die Olympier unterscheiden
sich von den Erdenbewohnern lediglich dadurch, daß sie unsterblich sind,
also in ihnen die menschliche Unvollkommenheit verewigt ist und daß kein
Alter, keine Schwäche, kein Kummer, keine Krankheit sie berührt. Und
die Orphik
mit ihren Ansätzen zu einer wirklichen Theologie war niemals so etwas wie
Nationalreligion. Die Religion war nur Kultus und nur dessen Verletzung Gottlosigkeit,
Abesie. Man durfte denken, reden, schreiben, was man wollte, wenn
man sich nur der Kirche (= Polis),
ihrer Macht und ihren heiligen Bräuchen unterwarf. Diese Rolle spielte eindeutig
die Polis.Schließlich war diese ganze Konzeption von finsterem,
fühlosem Schicksal, wahllos würfelnder Tyche, eiteln und jähzornigen
Göttern gerade wegen ihrer Irrationalität dazu da, damit irgend jemand
die Schuld habe, wenn der Mensch sich nicht zu sienen Handlungen bekennen
wollte, den Geburten seiner Leidenschaft und seiner Torheit. Die Gottheit war
nicht das Lamm, das die Erbschuld der Menschen trägt, sondern der Bock, dem
die Sünde aufgeladen wird. Unter einem sittlichen Gott wäre der antike
Mensch - v.a. der Grieche - zusammengebrochen. Bei Homer war bekannlich alles
göttlich. Kein Wunder, war ja das Göttliche nichts anderes als das Menschliche.
Die Götter waren nur unsterblich, mehr nicht. Die Griechen waren Lehrer der
Humanität, aber in einem ganz anderen Sinne, als der abendländische
Humanismus
und Neuhumanismus es meinten, nämlich der Nurmenschlichkeit,
indem sie alles in rein anthropomorphen Formen und Dimensionen sahen. Deismus
oder Atheismus ist zwar inhltlich nicht dasselbe wie Religion oder Theologie aber
eben auch nur die andere Seite der Glaubensmedaille. Somit gab es also in der
Antike, tiefenkulturell gesehen, die gleiche religiös-theologisch-philosophische
Entwicklung wie später im Abendland, aber sie war inhaltlich bzw. referenzsemantisch
genau die Gegenseite dazu.Die antike Rechtsprechung lag in dieser Frühdenkerzeit
in den Händen der Geronten, älterer Adelspersonen, und beschränkte
sich im wesentlichen auf schiedsgerichtliche Entscheidungen in Privatsachen. In
allem übrigen war man auf Selbsthilfe und den Schutz der Sippe angewiesen.
Die Reflexion über Recht und Unrecht spielte aber in dieser aristokratischen
Welt überhaupt noch keine entscheidende Rolle. Die Helden der aristokratischen
Welt waren sehr ritterlich, sehr tapfer und bisweilen auch sehr edelmütig,
aber noch vollkommen jenseits von Gut und Böse. Die Zeit der Mykener
hat sich Homer
wohl primitiver vorgestellt, als sie in Wirklichkeit war. Doch auch der Dichter
selber hielt sich ethischen Erwägungen im ganzen fern; er wollte ein großes
Gemälde menschlicher Leidenschaften entrollen, nicht mehr. Aber die Welt
ist nicht bloß zum Schauen da. Deshalb bildet Hesiod
(um 700 v. Chr.) die notwendige Ergänzung zu Homer, und er wurde auch von
den Griechen immer mit ihm zusammen genannt, obgleich er sich mit ihm als künstlerische
Potenz gar nicht vergleichen läßt. Ein schwerlebiger grübler,
von der dumpfen Luft Boiotiens genährt, war er das Typische Pendant zu dem
amoralischen Sänger der ionischen Weltlust. Für Hesiod war Zeus das
Recht, und alle Tugend lag für ihn in der Gerechtigkeit. Dies war der neue
Gedanke, den er mit Inbrunst verkündete. Und das Leben des Menschen sei Arbeit,
denn vor die Tüchtigkeit hätten die Götter den Schweiß gesetzt
- dies lehrte er in seinem Gedicht Werke und Tage, zu dem ihm sein
Bruder Perses den unfreiwilligen Anlaß gab, als er ein Faulenzerleben führte
und ihn um das väterliche Erbe zu bringen suchte. So wurde der Gauner und
Taugenichts Perses unsterblich. Hesiodos aber erwies sich darin als echter Dichter,
daß seine Privatangelegenheit sich in seinem Hirn und Herzen sogleich zur
Sache der Menschheit erweiterte und daß erlittene Unbill ihm zur Quelle
der Weisheit wurde.Der homerische Mensch wandelte schon hienieden in
olympischem Glanz, der hesiodische diente zeitlebens den stillen und dunklen,
aber nicht minder unvergänglichen Mächten der Erde. Schon hier fanden
ewige (antike) Gegensätze ihre reine und starke Ausprägung: Pathos und
Ethos, Heldentod und Pflichtenleben, Ritterstolz und Bürgerehre, Waffenglück
und Arbeitssegen; Kunstdichtung und Volkspoesie, gestaltende Objektivität
und lehrende Subjektivität. Die heiligen Schriften von Homer und Hesiod waren
profane Gedichte, und dies ist sehr bezeichnend für den Charakter ihres Glaubens,
im guten wie im schlechten Sinne. Die antike Religion war nicht minder ein Kunstwerk
der Plastik als die griechische Sprache und das griechische Epos, und wie eine
Genietat war sie plötzlich da. (Vgl. Ursymbol und Seelenbild der Antike).
Aus Homer und
Hesiod schöpfte
die Antike seit ihrem Übergang zur Neuzeit ihre theologischen
Vorstellungen und das Abendland seine theologischen Vorstellungen seit seinem
Übergang zur Neuzeit aus Ockham
und Kues.
(Vgl. Ursymbol und Seelenbild des Abendlandes).

Karl
der Große (747-814) förderte durch starke Zentralgewalt Kunst,
Wissenschaft und Recht im Reich der Franken. ( ).
Die Karolingische Renaissance steht auch für die Entwicklung, die
aus dem asketisch-eremitischen Mönchtum eine Bildungsanstalt der Wissenschaften
machte und, auf Anordnung Karls d. Gr., ein Träger klassisch-antiker und
christlich-antiker Literaturtradition wurde. Die Palastschule wurde Vorbild für
die im ganzen Frankenreich entstehenden Dom- und Klosterschulen. Die Bemühungen
Karls d. Gr. um eine bessere Ausbildung der Geistlichen und eine Erneuerung des
monastischen Lebens trugen entscheidend zum Aufschwung der Wissenschaft, der Kunstpflege
und der allgemeinen Bildung bei. Die noch junge abendländische Kultur war
auch in geistiger und künstlerischer Hinsicht ganz auf die elterlichen Kulturen
fixiert, aber bereits eine von einem eigenen Wesen beseelte Kultur, also durchaus
selbständig, d.h. steh- und verstehvermögend hinsichtlich
ihrer Eigenart.Die
im 8. Jh. selbständige, d.h. steh und verstehvermögend gewordene abendländische
Scholastik war deshalb eine Frühscholastik, weil sie sich als 2. Scholastik
von der noch kirchenväterlichen 1. Scholastik (Ur-Scholastik)
und durch den Franken-Papst-Pakt
vom Osten (Byzanz) trennte, so daß sie schon bald auf ihre eigenen
Probleme stoßen konnte. Vorherrschend blieb Augustinus'
neuplatonische Richtung der christlichen Philosophie (Augustinismus). Weil
aber die Scholastik das von den griechischen Denkern überkommene Erbe durch
Ordensgeistliche - wie z.B. die Frühscholastiker Alkuin (735-804) und Hrabanus
Maurus aus Mainz (784-856) - verbreitete (später auch durch die Universitäten)
und den scholastischen Gelehrten dieses Erbe nicht in seiner ursprünglichen
Gestalt vorlag, war die Frühscholastik fast ganz auf die Werke des Boethius
angewiesen, der von Aristoteles
die Kategorien und die Schrift Peri hermeneias (Über die Fähigkeit,
sich auszudrücken), von Euklid
die schriftliche Stoicheia (Anfangsgründe, nämlich der Geometrie)
ins Lateinische übersetzt hatte. Ein
anderes Problem war, daß der irische Mönch Johannes Scotus Eriugena
(800-877), eine führende Persönlichkeit in der Frühscholastik,
der Kirche mißfiel, weil er sich weigerte, das Denken dem Glauben unterzuordnen.
Notker der Deutsche (um 950-1022) philosophierte als erster deutscher Denker in
deutscher Sprache und übersertzte u.a. einige philosophische Werke des Aristoteles,
die zuvor von Boethius ins Lateinische übersetzt worden waren, sowie Boethius
selbst und Martianus Capella aus dem Lateinischen ins Deutsche. (Vgl. Althochdeutsch).
Notker der Deutsche verfaßte auch seine sich stark an antike und karolingische
Vorbilder anlehnenden, aber eben eigenen Abhandlungen - u.a. über
die Rhetorik, über die Musik und über die Logik sowie über die
Schlüsse - in deutscher Sprache. (Vgl. Althochdeutsch).
Eine spätere führende Persönlichkeit der Frühscholastik, Anselm
von Canterbury (1033-1109), forderte - im Gegensatz zum eben erwähnten Johannes
Scotus Eriugena - die unbedingte Unterordnung des Denkens unter den Glauben. Die
beiden zum Teil heftig umstrittenen inhaltlichen Hauptprobleme der Frühscholastik
waren das Problem der Dialektik und das der Universalien. In der Frage der Dialektik,
ob die Vernunft (ratio) über die Wahrheit zu entscheiden habe (z..B.
Berengar von Tours, *um 1000) oder die kirchliche Autorität (z.B. Petrus
Damiani, 1007-1072), fand Anselm von Canterbury mit seiner Formel Credo ut
intelligam (Ich glaube, damit ich verstehe) eine vermittelnde Lösung.
Im Universalienstreit,
z.B. in der Frage, ob Allgemeinbegriffe nur Laute (flatus vocis)
oder physische Dinge seien, setzte sich schließlich ein gemäßigter
Realismus durch, der den Begriffen insofern Realität zuerkannte, als sie
Gottes Gedanken seien, nach denen die Dinge geschaffen seien. Jedenfalls blieb
Augustinus' neuplatonische Richtung der christlichen Philosophie (Augustinismus)
im Abendland vorherrschend, bis sie im 13. Jh. von Albert dem Deutschen (dem
Großen). und Thomas von Aquino durch den christlichen Aristotelimus
ersetzt werden sollte. ( ).Ererbt
von den Kirchenvätern,
manchmal gnostisch
gefärbt, wurde die Mystik
auch weiterhin vor allem in den Klöstern gepflegt, wobei die Schriften des
Pseudo-Dionysios
aus dem 5. oder 6. Jh. besonders einflußreich blieben. Dieser Einfluß
sollte sogar über die Hochmystik
hinaus bis ins 14. Jh., also bis zur Spätmystik
anhalten. 
Die Scholastik strebte, wie die Kirche und das Papsttum
selbst, seit der salisch-staufischen Zeit, der romanischen Phase dem Höhepunkt,
der Hochscholastik zu. Der kirchlich-scholastische Realismus kam mit seinem Rationalismus
zuletzt zu derselben Erkenntnis wie das Papsttum: Theologie und Wissenschaft oder
Philosophie sind genauso wenig eine Universaleinheit wie Kirche und Staat oder
Welt. Schon Anselm
von Canterbury (1033-1109) hatte ja im Universalienstreit nach rationalistischen
Lösungen gesucht, und Abaelard (1079-1142), der größte französische
Scholastiker, gab seiner Hauptschrift den Titel der delphischen Weisung ERKENNE-DICH-SELBST.
Er löste das auf Aristoteles zurückgehende Problem der Universalien,
indem er dem extremen Nominalismus seines Scholastik-Lehrers Roscelinus (um 1050-1125),
der nur den empirisch wahrnembaren Einzeldingen Wirklichkeit zusprach, zum Konzeptualismus
milderte. Abaelard wollte Glauben und Wissen versöhnen und vertrat die scholastische
Methode besonders durch seine Schrift Sic et non (Ja und Nein).
Diese scholastische Methode war dadurch gekennzeichnet, daß bei jeder Frage
zuerst die Autoritäten dafür (ja), dann dagegen (nein)
und schließlich die Lösungen gegeben wurden. Die jeweiligen Antworten
sollten über die Frage entscheiden, ob die Universalien (Allgemeinbegriffe,
Ideen) vor den Dingen, in den Dingen, oder nach den Dingen
sind. Antworten bzw. Gesinnungen sollten also darüber entscheiden, ob unsere
Erkenntnis der Dinge eine Erkenntnis ihrer Urbilder oder Ideen sein kann, ob sie
eine Erkenntnis der Dinge selbst (der Dinge an sich) ist, oder ob sie nur eine
Erkenntnis der vernunft- und sprachabhängigen Erscheinungen der Dinge bleibt.
Jedenfalls kann man den möglichen drei Antworten (vor, in, nach)
die drei großen Philosophen zuordnen: Platon,
Aristoteles
und Kant,
und der vierte große Philosoph, Hegel
(für den Alles Schluß war), stellte in seiner Enzyklopädie
und ihren drei Teilen (syllogistisch) die Dreieinigkeit von Logik, Natur und
Geist dar, entsprechend der Dreieinigkeit von Gottvater, Gottsohn und Heiligem
Geist. Die Einheit der drei ist ein Schluß. Die Logik wird der Natur entgegengesetzt
und im Geist mir ihr verbunden. ( ).
Die Universalien sind im Geiste Gottes vor den Dingen, in der Realität
in den Dingen und im menschlichen Geist nach den Dingen - so sah
es jedenfalls auch Abaelard: die Universalien sind für Gott als Urbilder
seines Geistes vor den Dingen, in der Realität sind sie in
den Dingen und für den Menschengeist sind sie als durch Abstraktion gewonnene
Begriffe nach den Dingen.Die Mystik
(Hochmystik) verkörperte sich vor allem in den Werken von Bernhard
von Clairvaux (1090-1153) und Hugo von St. Viktor (1096-1141), der aus Blankenburg
am Harz stammte, aber auch in den Werken der sogenannten Frauenmystik, zu der
z.B. Hildegard von Bingen (1098-1178) und Mechthild von Magdeburg (1212-1285)
zu zählen sind. Durch Bernhard von Clairvaux kam im Anschluß an das
Hohelied das Moment einer religiösen Erotik, einer Beziehung der Seele
zu ihrem Bräutigam Christus, in die Mystik, das mit den anderen Elementen
vor allem die Frömmigkeit in den Frauenklöstern und in der deutschen
Mystik, auch noch in der Spätmystik
prägte, die über die Frömmigkeitsgeschichte hinaus eine allgemeine
geistesgeschichtliche Bedeutung durch ihren Einfluß auf die Entwicklung
der deutschen Sprache gewann. (Vgl. Früh-MHD,
Klassisches
MHD, Früh-NHD).
Als Geschichtsphilosophen, Staats-und Wissenschaftslehrer wirkten Otto
von Freising (1114-1158) und Johann von Salisbury (1115-1180). Hatte die Frühscholastik
noch auf dem Boden eines ziemlich ungegliederten Ineinanders von Wissenschaft,
Philosophie und Theologie gestanden und mehr auf die scholastische Methode und
den Universalienstreit
geachtet, so war die Hochscholastik bereits gekennzeichnet
durch die sich vollziehende Scheidung zwischen Wissenschaft und Philosophie (v.a.
Naturphilosophie )
einerseits und Theologie andererseits, sowie durch die Aufnahme des freilich nur
in lateinischer Übersetzung vorliegenden Aristoteles
in das philosophische Denken des Abendlandes, denn Albert der Große (Albert
der Deutsche, 1193-1280) und Thomas
von Aquino (1225-1274) ersetzten Augustinus'
neuplatonische Richtung der christlichen Philosophie (Augustinismus)
durch den christlichen Aristotelismus. ( ).
Albert der Große verhalf dem Studium des griechischen Philosophen und für
die damalige Wissenschaft so wichtigen Aristoteles zum Durchbruch, wobei er in
kritischer Auseinandersetzung mit dessen arabischen Kommentatoren die Vereinbarkeit
von aristotelischem Denken, besonders der Naturphilosophie, und christlichem Glauben
zu beweisen suchte. Indem er Aristoteles umfassend erläuterte, dabei auch
das gesamte wissenschaftliche Material der Tradition bis in seine Zeit einarbeitete
und insbesondere in den naturwissenschaftlichen Büchern durch eigene Beobachtungen
ergänzte, führte Albert der Große das theologische, philosophische,
naturwissenschaftliche und medizinische Wissen seiner Zeit zusammen. Thoams von
Aquino erweiterte das Wissen seines Lehrers Albert um eine systematische Geschlossenheit,
weshalb er sich denn auch wirkungsgeschichtlich durchgesetzt hat. Es bildeten
sich also die Philosophien der großen Orden, insbesondere der Franziskaner
und der Dominikaner
heraus. Die besten Beispiele sind die großen Systeme von Albert dem Großen,
der in Köln lehrte und als der umfassendste Gelehrte des Mittelalters gilt,
seinem Schüler Thomas von Aquino, der in Köln, Bologna, Rom und Neapel
lehrte, und Roger Bacon (1214-1294), den man den Begründer der experimentellen
Naturforschung nennen darf. Albert der Große bekam den Ehrennamen doctor
universalis, Thomas von Aquino den des doctor angelicus und Roger Bacon
den des doctor mirabilis. Diese drei Philosophen wirkten auch über
das Mittelalter hinaus. Glauben ist
gut, wissen ist besser, war auch die Devise des Duns Scotus (1266-1308).
Sein Grab befindet sich in der Minoritenkirche in Köln. Er wurde auch
doctor subtilis geanannt und war der Begründer der (scotistischen)
führenden Schule des Franziskanerordens sowie scharfsinniger Kritiker des
Thomismus, d.h. der
Philosophie des Thomas
von Aquino. Thomismus bedeutet Vereinigung von Aristotelimus
mit christlicher (katholischer) Weltanschauung; er vertritt die Herrschaft des
Intellekts über den Willen und Willensfreiheit innerhalb gewisser Grenzen.
Duns Scotus lehrte, daß nicht der Wille von der Vernunft, sondern diese
von jenem abhängig sei, beim Menschen wie bei Gott (Lehre vom Primat des
Willens). Der Wille Gottes sei absolut frei: gut ist, was Gott will, dadurch,
daß er es will. In seiner Metaphysik suchte Duns Scotus im Gegensatz
zu Thomas dem Individuum mehr Bedeutung zu verleihen. Der Mensch brauche Klarheit
über sein Lebensziel, den Sinn seines Lebens. Die Philosophie könne
das mit ihrer Neutralität und Skepsis nicht; sie müsse sich an die sinnliche
Erkenntnis halten. Auf einem nicht-sinnlichen Grund, wie auf den unbewegten
Beweger im 1. Gottesbeweis des Thomas, könne sie nicht schließen.
Aber Duns Scotus schränkte auch die Theologie ein, nämlich auf die streng
bibelorientierte.In der Hochscholastik änderten sich
Theologie-, Autoritäts- und Schulgebundenheit: 1.) Die Textgrundlage
der Scholastik erweiterte sich; neben den logischen waren jetzt auch die naturwissenschaftlichen
Texte des Aristoteles
und Schriften der arabischen und jüdischen Gelehrten bekannt. 2.)
Durch Gründung der Universitäten wurde der Lehrbetrieb der Gesellschaft
geöffnet. 3.) Die in das wissenschaftliche Leben eingetretenen Franziskaner
und Dominikaner lehrten nicht nur in ihren Klöstern, sondern in
der Welt. Diese drei Faktoren stellten die Scholastik vor die ungewohnte
Aufgabe, die neuen naturwissenschaftlichen und philosophischen Ansätze
mit den theologischen Dogmen in Einklang zu bringen. Dies wurde auf drei Wegen
versucht: 1.) Durch die rationalistische Harmonisierung von Glauben und Wissen.
2.) Durch Verbindung institutioneller und empiristischer Erkenntnistheorie.
3.) Durch skeptischen Verzicht auf Harmonisierung von Glauben und Wissen.
Dieser geriet jedoch durch die Annanhme einer Doppelten
Wahrheit in Konflikt mit der Kirche.Der zweite Weg der Erkenntnistheorie,
insbesondere eine Angelegneheit der jüngeren Franziskanerschule (Duns Scotus
u.a.) und der Schule von Oxford, befreite die individuelle Willensbildung aus
der Abhängigkeit einer universalen Autorität. Die Erkenntnislehre betonte
die Selbsttätigkeit des Denkens, weil sie, im Gegensatz zu Thomas
von Aquino, den Willen als dem Denken übergeordnet ansah. 
Ein Schüler des Duns Scotus war Wilhelm von
Ockham (um 1285-1350), der in München lebte und dort auch starb. Er war der
bedeutendste Vertreter des Nominalismus und wurde wegen seiner dialektischen Gewandtheit
als doctor invincibilis bezeichnet. Er, als größter Logiker
seiner Zeit, bestand darauf, Logik und Erkenntnislehre unabhängig von Metaphysik
und Theologie studieren zu können. Verschiedene Ansichten teilte er nicht
mit dem Papst; er forderte weniger weltliche Macht für die Kirche und wurde
exkommuniziert. Wilhelm von Ockham gab dem Nominalismus die eigentliche metaphysisch-religiöse
Begründung, die sich schon bei Duns Scotus, der selbst kein Nominalist war,
anbahnte. Als Ockhamismus
gewann der Nominalismus allmählich die Oberhand, bahnte der Philosophie der
folgenden Jahrhunderte den Weg, war der Vorläufer des Empirismus und, neben
den rationalen Systematisierungen, ein Kennzeichen der Spätscholastik. Diese
Zeit war gekennzeichnet durch die endgültige Abspaltung der Mystik
von der immer unduldsamer werdenden kirchlichen Theologie und durch die immer
weitere Verselbständigung des naturwissenschaftlich-naturphilosophischen
Denkens. Johann Eckhart (1250-1327),
auch Meister Eckhart genannt, lehrte in deutschen Schriften und Predigten die
Entwerdung des Menschen, dessen Seelenfunke sich in Abgeschiedenheit
einbildet in Gott. Meister Eckhart aus Hochheim (bei Gotha) war Dominikaner,
von 1303 bis 1311 Ordensprovinzial in Sachsen, seit 1311 Prof. in Paris, seit
1313 in Straßburg und seit 1320 Lesemeister in Köln. Eckhart
war einer der einflußreichsten deutschen Denker, starb während seines
Prozesses wegen Häresie. Er praktizierte und predigte die mystische Gottesschau.
Gott, Vater, Sohn und Hl. Geist, so lehrte Eckhart, leben nicht in einer anderen
Sphäre als der Mensch. Es sind Zielpunkte, Sehnsüchte, Projektionen
des Menschen. Die Kirche hatte ihn also wohl, von ihr aus gesehen, zu Recht angeklagt.
Auf Betreiben der Franziskaner wurden nach Eckharts Tod 28 seiner Thesen durch
päpstliche Bulle verurteilt. Eckharts Philosophie fußt auf Thomas von
Aquino ( ),
Dionysios Areopagita ( )
und Johannes Scotus Eriugena ( ),
d.h. er war in seinem Denken Scholastiker, obwohl in seinem mystischen Fühlen
mit den ihm vorhergehenden Vertretern der deutschen Mystik eng verbunden. Die
höchste Kraft der Seele ist nach Eckhart die Vernunft, die er auch Funke,
Burg der Seele, Synterris nannte. Die vornehmste Tätigkeit der Seele
war für ihn das Erkennen, dem die Sinne das Material liefern, aus welchem
der Gemeinsinn die Wahrnehmungen gestaltet. Auf Grund der Wahrnehmung bildet
der Verstand die Begriffe. Die Vernunft, durch die wir Gottes Willen vernehmen,
der Wille und das Gedächtnis wurden von Eckhart in Beziehung gesetzt zu Sohn,
Geist und Vater. Die Tätigkeit der Vernunft sei Tun Gottes. Die Seele stehe
zwischen Gott und Kreatur. Gott sei das reine Sein, das Ureine. Das Wesen
Gottes bestehe aus Ideen. Gott erschaffe die Dinge aus dem Nichts nach dem Vorbild
der Ideen. Zweck des Lebens sei die Erkenntnis Gottes und die Rückkehr zu
Gott, die ermöglicht werde durch tugendhaftes Leben, Askese und vor allem
durch liebreiches Wirken unter den Mitmenschen; bloße Kontemplation
genüge nicht. Durch die Gnade Gottes könne die Unio
mystica mit Gott erreicht werden. Eckharts Werk beeinflußte Johannes
von Ruysbroek (1293-1381), Johannes Tauler (1300-1361) und Heinrich Seuse (1295-1366),
den Lyriker der deutschen Mystik. Ruysbroek war, von Meister Eckhart beeinflußt,
als Augustinerprior ein früher Reformator sowohl des kirchlichen als auch
des klösterlichen Lebens. Er wandte sich gegen alle bloß gefühlsmäßiege
Mystik und versenkte sich in die gegenständlich-irrationale Ordnung des Kosmos.
Tauler, Dominikaner und von Eckhart entscheidend beeinflußt, war ein gewaltiger
Prediger, der auf Luther
und sogar noch auf Schopenhauer,
besonders aber auf den Verfasser der Deutsch
Theologia und auf Johann Sebastian Bach
wirkte. Tauler unterschied genauer als Eckhart das Anerschaffene von dem
durch Gnade Gewirkten im Menschen, ferner die Theologie von der praktischen
Religiosität und Seelsorge. Seuse war Schüler Eckharts, in seiner Mystik
jedoch viel zarter als sein Lehrer, für dessen Lehre er mit seinem Büchlein
der Wahrheit eintrat. Eine besonders weite Verbreitung erfuhr sein Büchlein
von der Ewigen Weisheit, das Predigen und Erbauungsschriften enthält.
Gegen den Verdacht des Pantheismus versuchte Seuse sich mit nur halben Erfolg
zu schützen, indem er zwischen der Erschaffung der Kreatur durch Gott und
der Gottoffenbarung in der Kreatur unterschied. Meister Eckhart beeinflußte
aber neben diesen auch viele andere, viele spätere Denker und Philosophen.
Überhaupt entstanden unter mystischem Einfluß immer mehr Bewegungen
zur Verinnerlichung des Lebens: die Gottesfreunde (Mönche, Bürgerliche,
Adelige am Oberrhein) beabsichtigten, sich unter Leitung von Tauler und dem Kaufmann
Rulman Merswin in Gelassenheit und Stille von der Welt zu entbilden.
Deutsch Theologia war eine mystische Erbauungsschrift,
die Ende des 14. Jahrhunderts in Sachsenhausen bei Frankfurt (Main) entstand und
später auf Luther
(1483-1546) einen großen Eindruck machte, von ihm unter dem Titel Ein
deutsch Theologia 1518 erstmalig veröffentlicht wurde. Am Niederrhein
und im Gebiet um Deventer verbanden sich die Brüder vom Gemeinsamen Leben,
Kleriker und Laien, auf Anregung von Geert Groote (1340-1384) zum Studium
der Heiligen Schrift, zu Volksmission und Schularbeit. Das Hauptwerk des Kreises,
De imitatione Christi, fand weite Verbreitung und war wohl verfaßt
von Thomas von Kempen (1380-1471). Die Spätmystik ging nach der Reformation
über in die Neumystik.
Da die Kirche schon seit Anfang des 14. Jahrhunderts den Thomismus
eindeutig bevorzugte, wurde seitens der Kirche die Spätscholastik vorwiegend
zur Geschichte des Thomismus. Die Spätscholastik endete in der Tat mit der
Trennung von Glauben und Wissen (bzw. Naturwissenschaft). Man kann also ihre Geschichte
als die Geschichte der Selbstüberwindug betrachten, wenn sie nicht dazu bestimmt
gewesen wäre, nach der Wiedergeburt
in der Neuscholastik
weiterzuleben. Hauptvertreter der Spätscholastik waren u.a. Albert von Sachsen
(1316-1390), Johann Buridan (um 1320-1360), Nikolaus von Oresme (1320-1382) und
Nikolaus
von Kues (1401-1464). Nikolaus von Kues, zwischen Scholastik und Humanismus
stehend, war beeinflußt durch die Mystik (v.a. Eckhart)
und den Nominalismus (Ockhamismus). ( ).
Er faßte alle geistigen Bewegungen seiner Zeit zusammen und war ein Denker
zwischen den Zeiten, weder ganz dem Mittelalter noch der Neuzeit zuzuordnen. 1437
war er in Konstantinopel an den Verhandlungen über die Kirchenvereinigung
beteiligt und hatte auf der Rückreise auf See eine Erleuchtung - die der
gelehrten Unwissenheit hinsichtlich des Begreifens des Unbegreiflichen,
nämlich Gottes. Der Satz des Sokrates Ich weiß, daß ich
nichts weiß erhielt dadurch eine positive vernunftkritische Erweiterung.
Von Kues erklärte: Je besser jemand weiß, daß man dies
nicht wissen kann, um so wissender wird er sein. In Gott, so meinte er,
fallen die Gegensätze zusammen. Das aristotelische Widerspruchsprinzip, auf
das die Scholastik noch fixiert war, sei für die Gotteserkenntnis zu suspendieren,
aber nicht zugunsten einer mystischen Schau, sondern einer Dialektik,
wie sie später von Hegel
ausgebaut werden sollte. Mit Vorliebe bediente sich von Kues mathematischer Denk-
und Ausdrucksweisen, besonders um die Probleme des unendlich Großen und
des unendlich Kleinen zu bewältigen. Mit der Unendlichkeit blickte
ihn das abendländische Ursymbol
an, denn von Kues wollte es deutlich vor Augen sehen, wollte es als Kultursymbol
erwerben. Der Kultursymbolerwerb einer Kultur ist vergleichbar mit dem Spracherwerb
eines Kindes; im Abendland war dieser Erwerb durchweg gotisch und wurde demzufolge
spätgotisch bzw. spätscholastisch abgeschlossen, d.h. zur vorübergehenden
Vollendung gebracht, denn von nun an war die Kulturgrammatik - die
Basisstruktur - erlernt und brauchte nur noch ausgeweitet, verfeinert und reformiert
zu werden. Daß dies auch hyperkorrektiv geschah, sollte die
auf die Gotik
folgende Zeit der humanistisch gefärbten Renaissance und Reformation auch
unter Beweis stellen. (Vgl. 10-12
und 12-14).
Die Spätgotik bzw. Spätscholastik
war also die Trennung von Glauben und Wissen, von Theologie und Philosophie (bzw.
Naturwissenschaft). Sie war eine Trennung im Sinne einer Öffnung zu der vorher
noch geheim und versteckt operierenden Naturwissenschaft, zu derjenigen Technik,
die später in die
Moderne münden sollte. Denkgeschichtlich fiel dieses Erreichen
der ausgesprochen kultureigenen Philosophie in die Zeit des Übergangs
und der Nikoläuse - von Nikolaus (von
Kues) bis Nikolaus (Kopernikus)
-, also in die Zeit, in der nicht zufällig fast gleichzeitig die Erfindung
des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg,
der Beginn der atlantischen Seefahrt durch Heinrich
den Seefahrer, der Konstantinopel-Fall,
die doppelte Buchführung, die Frühkapitalisten
(Medici, Fugger, Welser), die Herstellung des ersten Erdglobus durch den Seefahrer
und Geographen Behaim,
der Frühnationalismus und Machiavelli,
der endgültige Erfolg der Reconquista, die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus,
die erste Weltumsegelung durch Magellan,
die Reforamtion durch Luther
und nicht zuletzt das Genie Leonardo
da Vinci die Welt revolutionierten. Und es war (auch nicht zufällig!) die
Zeit des abendländischen Faust,
dessen Leben Literaturstoff für alle noch folgenden Jahrhunderte bot und
dessen Eigenschaft zum abendländischen Seelenbild
(!) erklärt werden sollte. Diese Zeit war also tatsächlich der Beginn
der Neuzeit. Glaubens- bzw. geistesgeschichtlich war sie jedenfalls
die Vollendung der Theologie oder ihre Überwindung zugunsten der Philosophie
und der mathematisch fundierten Naturwissenschaft. Sie war die Geburt der
technischen (Natur-) Wissenschaft.Der
Buchdruck mit beweglichen, gegossenen Lettern, den Johannes Gutenberg (1397-1468)
um 1440 erfand, beschleunigte sämtliche großen historischen Entwicklungen
der Neuzeit. Die Nationalsprachen erhielten den Zusatz Neu
(z.B. Neu-Hochdeutsch),
und mit dem abgeschlossenen Spracherwerb
konnte der Schrifterwerb
beginnen: die Verbreitung der antiken Schriften in der Zeit des Humanismus
wäre ohne Gutenbergs Buchdruck ebenso unmöglich gewesen wie der rasche
Erfolg der protestantischen Reformation.
Nicht weniger profitierten der Schul- und Universitätsunterricht, die Politik
sowie die wissenschaftliche Diskussion von den Einzelblattdrucken, Flugschriften,
Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, die einen lebhaften literarischen Markt
entstehen ließen. Der Druck von Werken der schönen Literatur, der bildenden
Kunst und der Musik ermöglichte die ästhetische Bidung breiter Volksschichten.
Schon bald war es möglich, in nur einer Bibliothek in kurzer Zeit mehr Druckwerke
zu studieren, als das zuvor einem umherreisenden Gelehrten während seines
ganzen Lebens möglich gewesen war.   Nikolaus
von Kues
(eigtl. Krebs, 1401-1464), Theologe, Philosopph, Bischof und Kardinal. Er stand
zwischen Scholastik und Humanismus und war beeinflußt durch die Mystik und
den Nominalismus. ( ).
Alle geistigen Bewegungen seiner Zeit faßte von Kues zusammen. Er war von
der Mystik (bes. Meister Eckhart) und dem Nominalismus (Wilhelm von Ockham) beeinflußt.
Den Umkreis des menschlichen Wissens suchte Nikolaus von Kues philosophisch als
Wissen vom Nichtwissen (im Hauptwerk De docta ignorantia) zu
bestimmen und seine Möglichkeiten durch das Prinzip des Zusammenfallens
der Gegensätze (im Werk Coincidentia oppositorum) zu erweitern,
das es im eigentlichen Sinne nur in Gott geben könne. Obwohl Nikolaus von
Kues schon die räumlich-zeitliche Unendlichkeit empfand, war ihm doch die
geschaffene Welt Gott im Nichts, woran auch keine Schöpfungslehre
etwas ändern könne. Bindeglied zwischen Gott sei Christus als Verkörperung
des Logos. Der Mensch, überhaupt jedes Ding. sei Mikrkosmos, Abbild des Universums,
in dem alles in einer stetigen Stufenfolge vom Höchsten bis zum Niedrigsten
geordnet sei. Mit Vorliebe bediente sich von Kues mathematischer Denk- und Ausdrucksweisen,
besonders um die Probleme des unendlichen Großen und Kleinen zu bewältigen.
(Vgl. abendländisches Ursymbol).
Leonardo da Vinci (1452-1519) wurde beim
Bildhauer und Maler Verrocchio (1436-1488) ausgebildet, kehrte nach langjähriger
Tätigkeit (1482-99) am Mailänder Hof des Herzogs Ludwig von Mailand
nach Florenz zurück, ging dann (1596) jedoch auf Einladung des französischen
Satthalters wieder nach Mailand. 1513 begab er sich in Erwartung päpstlicher
Aufträge nach Rom und folgte 1516 einer Einladung des ihn verehrenden Königs
Franz I. nach Frankreich. Von der überraschenden Vielseitigkeit Leonardos
legen v.a. seine Zeichnungen (in Silberstift, Feder, Kreide, Kohle, Rötel
oder Tusche) Zeugnis ab. Sie beziehen sich nicht nur auf vollendete oder geplante
Werke in Malerei, Plastik und Architektur, sondern weisen Leonardo als Wegbereiter
einer anschaulichen Naturforschung auf dem Gebiet der Anatomie, Botanik, Zoologie,
Geologie, Hydrologie, Aerologie, Optik und Mechanik aus. Als Naturforscher und
Techniker war Leonardo ein typischer Empiriker. Er wird deshalb heute noch als
Universalgenie der Renaissance bewundert, zumal er nicht nur die Disziplinen,
denen er sich zuwandte, beherrschte, sondern sie oft zu Höhepunkten führte
und darüber hinaus gerade im Bereich der Technik einen Weg wies, an dessen
Ende diese erst in späteren Jahrhunderten gelangen sollte. Berühmt sind
seine Mechanischen Flügel, aber auch die Konstruktionsentwürfe
für ein fahrradähnliches Fahrzeug. Sind Leonardos Mona Lisa
und das Abendmahl Glanzlichter der Malerei, so waren seine
Zeichnungen in ihrer Anschaulichkeit wegbereitend für die didaktische wissenschaftliche
Demonstrationszeichnung und einzigartig in ihrer künstlerischen Intensität.
 Bekannt
wurde der Staatsmann und Geschichtsschreiber Niccoló Machiavelli (1469-1527)
durch seine Discorsi sopra la prima decade di Tito Livio und Il principe
(Der
Fürst; 1513). Angeregt durch die Lektüre des Titus Livius
(59 v. Chr - 19 n. Chr.), entwickelte Machiavelli eine Art Technik der Politik,
dabei das Ethos und die Macht des stolzen, vorchristlichen römischen Imperiums
preisend. Machiavelli bezeichnete nationale Selbständigkeit, Größe
und Macht des Staates als das Ideal, das der Politiker durch die zweckentsprechendsten
Mittel erstreben müsse, unbekümmert um private Moralität und bürgerliche
Freiheit. Damit war die Staatsräson begründet, aber auch der Machiavellismus
als skrupellose, zugleich konsequente Gewaltpolitik, die ihre Ziele auch mit moralisch
verwerflichen Mitteln erstrebt und durchsezt, unter Berufung auf die Interessen
und die Erhaltung des Ganzen. Etwas mehr als 200 Jahre später, im Jahre 1738,
sollte eine Streitschrift gegen Machiavellis Il principe erscheinen (anonym):
der Antimachiavell
von Friedrich II. (1712-1786).
Der Deutsche Nikolaus Kopernikus (1473-1543),
Astronom und Domherr in Frauenburg (Ostpreußen), studierte neben
allgemeinen Fächern auch Medizin und Jura (er schrieb in lateinischer
und deutscher Sprache [vgl. Quellen]). Seine Mutter hieß
Barbara Watzenrode, sein Vater hieß Nicolai Koppernick (Kopernikus),
der aus Köppernig bei Neiße (Schlesien) stammte, seine Geschwister
hießen Andreas, Barbara und Katharina (**).
Die Familie Kopernikus gehörte zur Bürgerschaft der Hansestadt
Thorn an der Weichsel und wohnte dort in der St.-Annen-Gasse. Der Vater
war ein wohlhabender Kupferhändler und Regierungsbeamter. Nikolaus
war zehn Jahre alt, als sein Vater 1483 starb. Sein Onkel Lucas Watzenrode
(1447-1512), der Bruder seiner Mutter Barbara Watzenrode, sorgte für
die Ausbildung der vier Waisen und wurde 1489 Fürstbischof im Ermland.
Der ältere Bruder Andreas schlug den gleichen Lebensweg wie Nikolaus
ein, erkrankte aber um 1508 an Aussatz, wurde später ausgeschlossen
und starb vermutlich um 1518. Die ältere Schwester Barbara wurde
Äbtissin im Kulmer Kloster, die jüngere Katharina heiratete
Barthel Gertner. Nikolaus Kopernikus hielt stets seine Familienkontakte
aufrecht. So sorgte er später für Kinder des Reinhold Feldstett,
der mit der Tochter eines Onkels von Kopernikus, Tilman von Allen, verheiratet
war. Im Danziger Dokument erschien als gemeinsamer Vormundt der Frauenburger
Domherr vor Burgermeister und Rathman der stadt Dantzick ... Hern Nicolai
Koppernick, des wirdigen gstichts zur Frauenborck thumherrn im jare tawsent
funfhundert sechs und dreysick. (Leopold Prowe, Nicolaus
Copernicus, 1883-1884, S. 265). Nikolaus Kopernikus hatte als Administrator
die Regierungsgeschäfte zu regeln. In den Verhandlungen über
die Reform des preußischen Münzwesens erarbeitete er die Position
der preußischen Städte. Er gab dazu ein Schreiben heraus, das
noch Jahrhunderte später als wegweisend für die Geldtheorie
angesehen wurde. Die Astronomie war seine private Hauptbeschäftigung.
Er erkannte, daß das geozentrische System für die
Vorhersage der Planetenpositionen über längere Zeiträume
ungeignet war. Etwa 1507 schon griff er deshalb auf die Idee des Aristarchos
von Samos (ca. 310-230) zurück, statt der Erde die Sonne als ruhendes
Zentrum des Planetensystems anzunehmen und erarbeitete das heliozentrische
System, in dem er die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne
beschrieb und die tägliche Umdrehung des Fixsternhimmels als Rotation
der Erde um die eigene Achse erklärte. Kopernikus veröffentlichte
sein Hauptwerk (Von den Kreisbewegungen der Himmelskörper,
1543) kurz vor seinem Tod. Ob es Zufall war, daß die Bücher
von Vesal
und Kopernikus im selben Jahr - 1543 - erschienen? Jedenfalls kam Kopernikus'
Hauptwerk im Jahre 1616 auf den Index.
Martin Luther
(1483-1546) rezipierte mit Augustinus (354-430) auch dessen Platonismus (Neuplatonismus)
und stand deutlich unter dem Einfluß des Nominalismus und des Humanismus.
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? ist, als Heilsegoismus gesehen,
typisch für den Individualismus der Renaissance. Doch dem Humanismus machte
die Reformation
ein Ende oder nahm ihn religiös in sich auf. Der Beginn der Reformation war
zwar eindeutig durch Martin Luther zu einem Faktum geworden, doch genau datieren
kann man ihn nicht. Es hatte auch schon vor 1517, vor Luthers Veröffentlichung
der 95 Ablaßthesen, Bestrebungen zu kirchlichen Reformen gegeben. Sie waren
eine vorbereitende Bewegung zur Reformation, besonders seit durch das 2. Große
Schisma von 1378-1417 das Abendland in zwei Lager geteilt war. ( ).
Luther überließ die Durchführung seines philosophischen Programms
seinem Anhänger Melanchthon (1497-1560), der deshalb zum Begründer der
protestantisch-lutherischen Neuscholastik
wurde, d,.h. sie ging von Melanchthon und seinem Aristotelismus aus. Luther bekannte
sich zur Lehre der Prädestination,
seine Philosophie gipfelte in der Lehre vom unbekannten Willen in Gott, über
den positiv nur der Glaube bzw. die Bibel auszusagen vermöge. Für Luther
war nicht der Papst, sondern die Heilige Schrift höchste Autorität
in Glaubensfragen. Gottes in der Bibel offenbartes Wort sollte allen Gläubigen
zugänglich sein, nicht nur denen, die Latein, Griechisch oder Hebräisch
beherrschten. Die bislang veröffentlichten Bibelübersetzungen waren
unzulänglich und machten eine Neuübertragung erforderlich. 1522 erschien
Luthers Übersetzung des Neuen Testaments, 1534 war die Arbeit am Alten
Testament abgeschlossen. Noch zu Luthers Lebzeiten wurden 430 Teil- und Gesamtausgaben
seiner Bibel in rund 500 000 Exemplaren gedruckt, was entscheidend zum Durchbruch
des neuen Glaubens beitrug. Von nun an gab es endlich eine konkrete Alternative.
Ebenso bedeutend war Luthers sprachlich-literarische Leistung. Auch wenn er nicht
Schöpfer der einheitlichen neuhochdeutschen Sprache war, so bündelte
und beschleunigte er doch in seinen Schriften sprachliche Entwicklungen, die vor
ihm bereits eingesetzt hatten. (Vgl. Früh-NHD).
Luthers von Bildkraft, Rhythmik und Wohlklang geprägte Sprache verlieh der
deutschen Literatur über Jahrhunderte Impulse. (Vgl. NHD).
- Kulturphilosophisches
Fazit -
Obwohl die Scholastik des christlichen
Abendlandes dadurch gekennzeichnet war, daß die Grundlage für Wissenschaft
und Philosophie von den christlichen, in den Dogmen niedergelegten Wahrheiten
gebildet wurde, wurden unter dem Schutze der Lehre von der Doppelten
Wahrheit vielfach nichtchristliche Gedanken geäußert. Averroismus
(seit 12.-13. Jh.) und Nominalismus
(seit 14. Jh.) versuchten die Aporie
durch die Behauptung aufzulösen, daß etwas philosophisch wahr, theologisch
aber trotzdem falsch sein könne. Der
Universalienstreit, der sich in der gesamten Zeit der Scholastik abspielte, wurde
allerdings bis heute nicht geklärt. Er bleibt wohl das, was er schon damals
war: eine Diskussion um die Wirklichkeit und Bedeutung oder Unwirklichkeit der
Allgemeinbegriffe (Universalien) in ihrem Verhältnis zum konkreten Einzelnen,
aus dem sie durch Abstraktion gewonnen wurden. Es ging um die Realität, weshalb
der Universalienstreit auch Realienstreit genannt wurde. In der Hauptsache
wurden bei dem - bis heute nicht befriedigend gelungenen - Versuch, diese Problem
zu lösen, drei Positionen vertreten:
1.) der Idealismus (radikaler Begriffsrealismus), der den Allgemeinbegriffen
eine von der des Einzeldings verschiedene Realität (Idee) zusprach (Vertreter:
Platoniker
sowie Johannes Scotus
Eriugena u.a.). 2.) der (gemäßigte) Realismus, der den Allgemeinbegriffen
eine objektive Gültigkeit zuerkannte, da durch sie das Wesen des Seienden
erfaßt werde (Vertreter; Albert
der Deutsche, Thomas
von Aquino u.a.). 3.) der Nominalismus (Konzeptualismus), der in den Allgemeinbegriffen
bloße Worte und Laute (Nomina bzw. flatus vocis) sah,
durch die lediglich Ähnliches zusammengefaßt werde (Vertreter:
Via
moderna, Wilhelm von Ockham,
moderne Sprachphilosophie
u.a.)
Die drei Hauptauffassungen (mit vielen Abarten), die im Universalienstreit
mehr oder minder kontovers vertreten wurden, spiegeln sich in gewisser Weise in
den drei Perioden der Scholastik (Früh-,
Hoch-, Spät-).
Das Problem aber wurde bis heute nicht wirklich gelöst. Die Frage nach der
Daseinsweise der Universalien blieb also unbeantwortet, obwohl man diese von Aristoteles
einst ins Leben gerufenen Allgemeinbegriffe immerhin teilweise in eine ähnliche
Systematik pressen konnte, wie wir sie heute z.B. auch aus der Biologie kennen.
(Vgl. zoologisch-botanische Systematik).
Hier einige der Begriffe: Klasse (ähnlich wie Kategorie;
Gesamtheit der Einzelgegenstände), Gattung (umfaßt eine
Reihe von weniger allgemeinen Begriffen unter sich), Art (ist ein
Individual- und zugleich Allgemeinbegriff; ähnlich wie im zoologsch-botanischen
System), Eigenschaft (wesentlich, substantiell bzw. essentiell wie
z.B. der Satz: Menschen sind sterblich), unwesentliches Merkmal
(akzidentiell wie z.B. der Satz: Menschen sind groß).
Im
13. und 14. Jahrhundert wurden nach den Vorbildern Bologna und Paris, die
für sich beanspruchen, schon am Ende des 12. Jahrhunderts entstanden zu sein,
Universitäten förmlich gegründet, darunter mit Prag die erste
deutschsprachige Universität (1348) Anatomische Kenntnisse
beruhten fast ausschließlich auf Tiersektionen, die schon von der antiken
griechischen Medizin entwickelt worden waren. Auch die Arbeiten des im 2. Jh.
n. Chr. lebenden römischen Arztes Galen
gründeten im anatomischen Bereich auf dem Studium von tierischen Körpern,
wobei Galen oft irrtümlich von der Beschaffenheit tierischer Organismen auf
den Menschen schloß. Galens (antike) Forschungen waren für Jahrhunderte
verbindlich, doch innerhalb einer von Dogmen geleiteten und auf Autoritätsglauben
basierenden Wissenschaft mußte z.B. die Anatomie rückständig bleiben,
und mit dem Anwachsen der kirchenpolitischen Macht wurde sie von religiösen
Tabus immer mehr behindert. Deshalb war z.B. der deutsche Stauferkaiser Friedrich
II. mit seinem ausgeprägten Interesse für Mathematik, Naturwissenschaften
und Philosophie seiner Zeit weit voraus: 1224 gründete er in Neapel die erste
Staatsuniversität des Abendlandes, wenig später richetete
er an der berühmten Medizinschule von Salerno den ersten Lehrstuhl für
Anatomie ein, 1238 verfügte er regelmäßige Obduktionen von Leichen.
Hier bahnte also ein weltlicher Herrscher den Weg in die neuzeitliche,
erfahrungsgesättigte Anatomie, die dann der deutsche Mediziner Andreas Vesal
(1514-1564) mit dem ersten vollständigen Lehrbuch der menschlichen Anatomie
(Vom Bau des menschlichen Körpers, 1543) auch publik machte.
Im selben Jahr erschien auch das heliozentrische Weltbild: Kopernikus (1473-1543)
veröffentlichte sein Hauptwerk (Von den Kreisbewegungen der Himmelskörper,
1543) kurz vor seinem Tod. Ob es Zufall war, daß die Bücher von
Vesal und Kopernikus im selben Jahr - 1543 - erschienen? (Vgl. Früh-Hochdenker
).
Noch in der Gotik
hatte sich, zumindest teilweise, auch die perspektivische Darstellung behauptet,
um die Dreidimensionalität des Raumes in die Zweidimensionalität der
Malerei zu überführen, wie z.B. bei Duccio di Buoninsegna (1255-1319)
und Giotto di Bondone (1266-1337). Giotto und Duccio begannen um 1300 die mittelalterliche
Bildfläche zu einem Kastenraum zu öffnen. Die gesetzmäßig
konstruierte Zentralperspektive war aber eine Leistung der Frührenaissance,
die durch die theoretische Begründung des künstlerischen Schaffens zum
Zeugnis der seit dieser Zeit stattfindenden Verwissenschaftlichung der Weltsicht
wurde. Der Überlieferung nach war es Filippo Brunelleschi (1377-1446), Bahnbrecher
der italienischen Frührenaissance und Begründer ihrer Architektur, der
die Gesetze der mathematisch exakten perspektivischen Darstellung für die
Neuzeit (wieder) entdeckte. Schriftlich festgehalten wurde diese bahnbrechende
Innovation von dem Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti (1404-1472). Geistig
gesehen leuchtete der Humanismus
der Renaissance voran. Man wollte antigotisch sein, war antik orientiert, aber
dennoch spätgotisch. ( ).
Die Begegnung von Spätgotik und Renaissance vollzog sich in Albrecht Dürer
(1471-1528) besonders sinnfällig. Wie vielen seiner Zeitgenossen, kam auch
dem in Nürnberg
geborenen Meister zugute, daß sein Leben in die Wende von der Spätgotik
zur Renaissance fiel: indem er sich mit der italienischen Kunst schöpferisch
auseinandersetzte, entwickelte er seine eigene Künstlerpersönlichkeit
weiter zum deutschen Maler, Zeichner, Graphiker und Kunstschriftsteller.
In beiden Kulturen - Antike und Abendland - gab es auch hinsichtlich
der denkerischen Entwicklungen ähnliche Phänomene, denn geistig-seelisch
klingen geburtliche Eigenart,
trotziges Selbst,
symbolische Muttersprache
wie Früh-,
Hoch-, Spät-
der Scholastik und Mystik. Wenn die kulturellen Frühdenker zur Welt
kommen, dann sind sie dabei, sich von der Mutterkultur abzunabeln und erhalten
im Gegenzug ihr eigenes Problem. Wenn sie sich ihr Selbst ertrotzen,
dann sind sie dabei, im Machtstreit die eigene oder die gegnerische Sicht der
Doppelwahrheit mit Nachdruck zu verteidigen. Wenn sie ihre Kultursymbolik
metasprachlich erforschen, sind sie dabei, die eigene Philosophiekultur zu erkennen,
primärmetasprachlich unwiderruflich festzulegen. Am Ende der Frühdenkerzeit
hat jede Kultur ihre Philosophiegrammatik so verinnerlicht, daß
sie nicht mehr anders kann, als in dieser ihr zu eigen gewordenen
Philosophie zu denken und zu träumen. Statt
dessen kann (und wird) es ab jetzt verstärkt darum gehen, Reformen und Gegenreformen
für die einmal eingebrannte Denkart zu testen. Zunächst herrscht noch
die Angst vor dem Verlust der Identität vor, so daß man mittels einer
Wiedergeburtsreform rückwärts nach vorne denken möchte.
Auch deshalb gab es in der Antike am Ende der Frühdenkerzeit eine
(orientalisierende) Renaissance und eine Reformation durch die Orphiker,
die Dionysos als letzten (weil ersten?) Gott in den Olymp
brachten, sowie eine für die Welt der kleinen Bauern erstellte Theogonie
von Hesiod (um 700 v. Chr.). Die Analogien im Abendland: (antikisierende)
Renaissance,
Reformation
und Neumystik.
Hierdurch wurde das Hochdenken
erreicht. |