Anmerkungen:
(I)
Natürliche
Sprache ist die Sprache, die der Kosmos (oder das Universum) spricht: Feuer
(z.B. Energie, Strahlung, Licht, Wärme, Sonne, Leben und Tod
u.s.w.). Feuer birgt jede Art von Symbolik in sich. Jedes Symbol ist ein Teil
des Feuers - auch der Feuergebrauch (= Feuer als 1. Kultursymbol ).
(II) Natürlich-kulturelle
Sprache ist die Sprache aller Lebewesen (allgemein auch Sprachverhalten
genannt). Sie beruht auf der Genetik ( ),
ist also bereits intrauterin festgelegt. Ihre Funktion besteht v.a. darin, die
Voraussetzungen, den Anteil des Angeborenen (vgl. Nativismus )
an der rein kulturellen Sprache ( )
zu schaffen. (III) Kulturelle
Sprache ist die natale und zugleich nationale Sprache, also: eine nat(ion)ale
Sprache. Als nationalelektrische oder nationalneurologische Bibliothek im Menschen
ist sie die Grundlage menschlichen Denkens. Nationen sind sozusagen politische
Mutterinstanzen (daher auch der Zusammenhang zwischen Natalität und Nationalität).
Weil im Uterus ein Sprachtraining nur im Rahmen der natürlich-kulturellen
Sprache ( )
möglich ist, kann ein Kind es erst in der geeigneten Atmosphäre
praktizieren und erst nach dem Verlassen des Uterus eine kulturelle Sprache erlernen
(erwerben).
IV) Kulturell-natürliche
Sprache ist die Sprache, die den Menschen am meisten charakterisiert, aber
selbst dem Menschen noch die größten Rätsel aufgibt, weil sie
eine Metasprache und rein theoretisch ist. Sie ist kulturell insofern,
als daß sie nur durch kulturelle Konventionen darstellbar ist; sie strebt
ins Natürliche insofern, als daß sie den Versuch darstellt, Kultur
und Natur komplett zu verstehen (z.B. durch eine Weltformel oder eine
Universalsprache).   Vgl.
Peter Sloterdijk, Das Thanatotop,
in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 441-468. Weil
frühe Menschen großen Raubtieren zum Opfer fielen, wurden vielleicht
auch blutrünstige Tiere und blutrünstige Götter in Zusammenhang
gebracht, faszinierende Tiere zu kultureigenen Göttern gemacht (was einer
symbolischen Zähmung der Raubtiere durch ihre potentielle Beute gleichkommt),
Naturkatastrophen als Astroterror mit Götterterror gleichgesetzt sowie das
Fasziniert-sein-Wollen durch befremdliche Götter befriedigt. Demanach wäre
die Domestikation der Tiere der Domestikation der Götter vorausgegangen.
(Vgl. Gabriel Tarde, Die Gesetze der Nachahmung, 1890, S. 303 und ff. ).
Fern wie ein Himmelskörper und schrecklich wie ein Gott zu sein: dies könnten
schon damals Bedingungen gewesen sein, die ein heiliger Gegenstand erfüllen
muß, um im affektiven Register des religiösen Masochismus erfolgreich
zu wirken. ... Um die archaischen revierbewußten Götter auf Distanz
zu halten, entsteht in den frühen Theotopen die Funktion des Priesters: Als
Grenzpolizist der Sphäre der Lebenden ist er mit der Aufgabe betraut, die
Razzien der anderen Seite einzuschränken. Die sicherste Methode zur Abfindung
der Jenseitigen, die ihren Teil fordern, scheint das Opfer gewesen zu sein, das
quasi einen Elementargedanken der frühen Theotopier ausdrückt. Sie alle
waren gewohnt zu glauben, daß die Zahlung einer Toten- und Fremdensteuer
zu ihren anerschaffenen Pflichten gehörte - die ersten Finanzämter waren
zweifellos die paläolithischen Opfersteine ( ),
an denen die ahnungsvolle Angst ihre Abgaben entrichtete. (Peter Sloterdijk,
Das Thanatotop,
in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 451 und S. 453). Seelenbild
der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch
und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher
Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild
und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß
der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom
deutlich werden kann: Euklid
hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung
für das antike Beispiel gegeben und Gauß
ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische.
Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen
Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol
angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler,
1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Das
Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele,
ihr Ursymbol die Welthöhle. (Vgl. Spengler,
1918-1922, S. 847f.).  Historische
Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig
über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht
zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen,
sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt.
(Oswald Spengler,
Der Untergang des Abendlandes (2. Band), 1922, S. 784). Auch eine junge
Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause
ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur,
auch kurz Antike genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch
Persien/Arabien genannt, macht es deutlich: Solange die Antike
sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle
östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche
Seite des Synkretismus. ... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen
der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis
um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des
Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten
entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen
glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues
Griechentum als magische Nation. (Oswald Spengler, Der Untergang des
Abendlandes, 1918-1922, S. 800-801).Der
Synkretismus kristallisierte sich als eine der vielen Arten der Pseudomorphose
heraus, als die Kirchen des Ostens in Kulte des Westens verwandelt wurden und
in umgekehrter Richtung die Kultkirche entstand. Die Formenbildung ging also erst
von West nach Ost und dann von Ost nach West. Das 2. Jahrhundert war die Zeit
der Umkehrung: die Kulte des Westens wurden zu einer neuen Kirche des Ostens.
Es entstand ein neues Griechentum als magische Nation.Römisch-katholische
Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz
des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und
vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963)
soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei:
von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher,
wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen.
Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper
und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle
ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum
entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich
die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum
versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element
ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als
auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der
abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen
antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen
Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland,
sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so
auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike
auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch
erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die
Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein
Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland
scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen
Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung
bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt
deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor? Es bleibt zunächst festzuhalten,
daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und
Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß.
Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren,
folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich
beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil
dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit
zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen
will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des
Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und
einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für
eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat
und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender
Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung
zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren
also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber
die Kontrollgene germanisch. (Vgl.
22-24). 
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert:
2014).
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