Die
Keplersche Gleichung ist die mathematische Verknüpfung der mittleren
mit der exzentrischen Anomalie (bezogen auf das 1. Keplersche Gesetz: Planetenbahn
als Ellipse um sein Zentralgestirn in einem der beiden Brennpunkte). Sie lautet:
E-e sin E = M . Dabei ist E die exzentrische,
M die mittlere Anomalie und e die numerische Exzentrizität
der Bahn. Die Keplersche Gleichung stellt eine sehr wichtige Funktion für
die Bahnberechnung von Himmelskörpern dar.Die 3 Keplerschen Gesetze,
die auch aus dem fast 70 Jahre später von Newton erstellten Gravitationsgesetze
abgeleitet werden können, gelten nur näherungsweise. Sie wären
nur dann exakt gültig, wenn die Massen der Planeten gegenüber der Sonnenmasse
als vernachlässigbar klein betrachtet und die Anziehungskräfte der Planeten
untereinander vernachlässigt werden könnten. Der deutsche
Astronom Simon Mair (1573-1625), auch Marius Simon genannt und ab 1605 in Ansbach
am Hof der fränkischen Hohenzollern als Hofastronom tätig, entdeckte
den Andromedanebel und - gleichzeitig, aber unabhängig von Galileo Galilei
(1564-1642) - 1610 die vier hellsten und gößten Jupitermonde sowie
die Venusphasen und die Sonnenflecken. Der Mathematiker und Naturforscher Thomas
Harriot (1560-1621), der ebenfalls - unabhängig von Simon Mair (Marius Simon)
und Gaileo Galilei - die hellsten und gößten Jupitermonde 1610 entdeckte
und Forschungen an ihnen betrieb, verbesserte Winkelmeßgeräte, bewies
die Winkeltreue der stereographischen Projektion und berechnete die ballistische
Kurve - noch vor Galileo Galilei - als schiefe Parabel. Schon 1601 hatte er das
Brechungsgesetz entdeckt - von Willebrord van Snel (Snellius; 1580-1626) mußte
es neu entdeckt werden - und 1603 die Inhaltsformel für das sphärische
Dreieck gefunden. Harris verbesserte die Gleichungslehre des Franciscus Vieta
(François Viète; 1540-1603) und leitete Interpolationsformeln ab.
Er zeichnete nach Fernrohrbeobachtungen eine erste Mondkarte, zählte die
Sonnenflecken und berechnete danach die Rotationsdauer der Sonne.
-
Der Koordinator -
René
Descartes
(1596-1650) erfaßte die Ebenen und den Raum durch Koordinatensysteme und
ermöglichte die Grundlegung der analytischen Geometrie, in der die Zuordnung
von rein mathematischen Gebilden (etwa algebraischen Gleichungen) und geometrischen
Formen (Geraden, Kurven, Flächen u.s.w.) ihren exakten Ausdruck gefunden
hat. Diese methodische Leistung Descartes', die Erfassung der Mannigfaltigkeit
von Raumformen durch abstrakte Symbole des algebraisch-analytischen Denkens, kann
in ihrer ontologischen Tragweite kaum hoch genug eingeschätzt werden. Koordinaten
(die Zugeordneten) sind die grundlegenden Bestimmungstücke einer
Gegebenheit, in der Mathematik Zahlen, die die Lage eines Punktes bestimmen. Sie
werden oft durch Strecken veranschaulicht. So wird z. B. die Lage eines Punktes
P im Inneren eines Würfels mathematisch bestimmt
durch seinen Abstand von der linken, der unteren und der hinteren Würfelfläche.
Fällt man Lote vom Punkt P auf diese 3 Flächen
und nennt man die Fußpunkte A, B und C, so entsteht in der linken hinteren
Ecke des Würfels ein Quader mit den folgenden Eckpunkten: A-C1-C-P-A1-0-B1-B.
Die Strecken 0-A1, 0-B1, 0-C1 sind dann die Koordinaten
des Punktes P (vgl. Bild). Die vom Punkt 0
(Nullpunkt) ausgehenden Geraden x, y, z sind die Koordinaten-Achsen (die
man sich über die Würfelkanten hinaus verlängert zu denken hat).
Sie stehen in diesem Falle senkrecht aufeinander und bilden daher ein orthogonales
oder kartesisches Koordinatensystem. Zur Definition der kartesischen
Koordinaten eines (n-dimensionalen) Raumes muß zuerst von einem beliebigen
Punkt 0 dieses Raumes aus ein Satz von n zueinander senkrechten
Einheitsvektoren abgetragen werden; dadurch wird in ihm ein rechtwinkliges oder
kartesisches Koordinatenssystem festgelegt. Der Punkt 0 ist der Ursprung
(Nullpunkt, Koordinatenanfangspunkt), und wie gesagt: die durch 0 gehenden
Geraden sind die zueinander senkrechten Koordinaten-Achsen. Die Zuhilfenahme
von Koordinaten zur Beschreibung geometrischer Sachverhalte in der Ebene (n
= 2) und im gewöhnlichen euklidischen Raum (n = 3) ist
das Hauptkennzeichen der analytischen Geometrie. Es wird dabei unterschieden zwischen
rechtwinkligen oder kartesischen und krummlinigen oder (seit Gauß,
1777-1855) Gaußschen Koordinaten ( ). |
| - Magdeburger
Halbkugeln -
Der Naturforscher und Staatsmann
Otto von Guericke
(auch: Gericke; 1602-1686) wurde weithin berühmt durch seine öffentlichen
physikalischen Demonstrationsversuche. Mit der von ihm noch vor 1650 erfundenen
Luftpumpe führte er Versuche mit luftleer gepumpten Kesseln durch und zeigte,
daß sich im Vakuum der Schall nicht ausbreiten und eine Kerze nicht brennen
kann. 1656 konstruierte er zur Veranschaulichung der Größe des Luftdruckes
die Magdeburger Halbkugeln, mit denen er 1663 am Hof Friedrich Wilhelms,
des Großen Kurfürsten, einen Schauversuch durchführte. Er erfand
außerdem ein Manometer (vor 1661) und baute ein über 10 m langes, mit
Wasser gefülltes Heberbarometer, an dem er neben der Höhenabhängigkeit
auch die wetterabhängigen Schwankungen des Luftdruckes erkannte, was ihm
Wettervorhersagen ermöglichte. - Herzenslogik
-
Blaise Pascal (1623-1662) war Philosoph, Mystiker
und Mathematiker, einer der namhaften Vertreter des Geistes von Port Royal und
Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Er griff als Jansenist in seinen
Lettres provinciales (1657) die Jesuiten wegen ihres Probabilismus an.
Pascal sah die Grenze der Mathematik, an deren Entwicklung er selbst hervorragend
beteiligt war, und des Rationalismus
überhaupt besonders darin, daß sie nicht zu antworten vermögen
auf die Fragen: welches ist unsere Stellung in der Welt und welches der Weg zum
Seelenfrieden? Deshalb kehren nach Pascal die großen Seelen, auch wenn sie
alles nur irgend mögliche Wissen erworben haben, zur Unwissenheit zurück,
zur Hingabe an die Offenbarung und die Gnade, die selbst ein Mysterium ist. Die
Wahrheit gründet sich auf eine Herzenslogik und auf das subjektive
Erlebnis mystischer Gottesbezeugung.
| | | | | | | 1 | | | | | | | |
| | | | | | 1 | | 1 | | | | | | |
| | | | | 1 | | 2 | | 1 | | | | | |
| | | | 1 | | 3 | | 3 | | 1 | | | | |
| | | 1 | | 4 | | 6 | | 4 | | 1 | | | |
| | 1 | | 5 | | 10 | | 10 | | 5 | | 1 | | |
| 1 | | 6 | | 15 | | 20 | | 15 | | 6 | | 1 | |
. | | . | | . | | . | | . | | . | | . | | . |
In dem Pascalschen Dreieck sind die Binominalkoeffizienten
in Form eines gleichschenkligen Dreiecks angeordnet. Jede Zahl dieser Anordnung
ist die Summe der unmittelbar rechts und links darüber stehenden Zahlen;
in der n-ten Zeile stehen die Koeffizienten des Polynoms (a + b)n
- 1. Der binomische Lehrsatz
ist eine Regel zur Entwicklung einer beliebigen Potenz eines Binoms (Beispiel:
a +b) in eine Reihe (deshalb: Binominalreihe); die auftretenden Koeffizienten
bezeichnet man als Binominalkoeffizienten. |
- Deus sive natura -In
Amsterdam geboren, von aus Portugal ausgewanderten Juden abstammend und mit dem
sakralen Namen Baruch versehen, wurde Benedictus de Spinoza (1632-1677) im Jahre
1656 wegen schrecklicher Irrlehren aus der jüdischen Gemeinde
ausgeschlossen . Spinoza wendete bei der Abfassung seines Hauptwerks, der Ethik
(1677), in rigoroser Weise die von Descartes
(1596-1650) geschaffene Methode an und behauptete: Nur die mathematische Denkweise
führt zur Wahrheit. Je mehr der Mensch weiß, desto besser erkennt er
seine Kräfte und die Ordnung der Natur, desto leichter kann er sich selbst
leiten, sich Regeln geben und sich von nutzlosen Dingen zurückhalten. Die
Seele ist selbst nur ein Teil der Natur, der Substanz, die sich uns in zwei Attributen
offenbart: Ausdehnung und Denken, Materie und Geist; alle Dinge, alle Ideen sind
Modi, Daseinsweisen dieser einzigen, ewigen, unendlichen Substanz, außer
der es kein Selbst gibt und keinen Gott: Deus sive natura, (Gott oder Natur),
die Natur selbst ist Gott. Je mehr wir die Einzeldinge erkennen, um so mehr erkennen
wir Gott. Je mehr und je besser wir Gott kennen, um so mehr lieben wir ihn, und
diese intellektuelle Liebe zu Gott ist ein Teil der unendlichen Liebe, womit Gott
sich selbst liebt. In dieser Erkenntnis und Liebe Gottes besteht unser Heil. Spinoza
vertrat einen strengen Determinismus. Die Menschen, so meinte er, hielten sich
für frei, weil sie sich ihrer Determiniertheit nicht bewußt seien.
Die Lehre Spinozas fand zunächst wenig Anklang. Doch später, nämlich
durch den Streit von F. H. Jacobi
(1743-1819) mit Moses Mendelsohn (1729-1786) über den Spinozismus,
sollte das Interesse an Spinoza allgemeiner und durch J.G. Herder
(1744-1803) und J. W. Goethe
(1749-1832) sogar zu hohem Ansehen gelangen. -
Huygenssches Prinzip -
Der Physiker, Mathematiker
und Astronom Christiaan Huygens (1629-1695) beschäftigte sich in seinen ersten
Untersuchungen, seit 1656, mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung ( )
und dem Differential- und Integralkalkül ( ).
Im Zusammenhang mit seiner 1657 erfundenen Pendeluhr ( )
entwickelte er u.a. die Theorie des physikalischen Pendels. Seine Konstruktion
einer Uhr mit mit Spiralfeder und Unruh (1675) führte zu einem Prioritätsstreit
mit Robert Hooke (1635-1703), der 1678 ein Gesetz formulierte, durch das der Zusammenhang
zwischen der elastischen Verformung eines Körpers und der dazu erforderlichen
Kraft bzw. der dabei auftretenden rücktreibenden Kraft dargestellt wird (Hookesches
Gesetz). Bei seiner Auffindung des Gesetzes vom Stoß erkannte Huygens
als Konsequenz des Trägheitsgesetzes die Relativität von Ruhe und Bewegung.
Am bekanntesten sind seine Leistungen in der Optik ( ),
insbesondere das Huygenssche Prinzip ( ),
mit dessen Hilfe er 1676 Reflexion, Brechung und geradlinige Ausbreitung des Lichtes
erklärte. Bereits seit 1663 hatte Huygens sich auch mit der Anfertigung von
optischen Instrumenten (Linsen, Fernrohre, Mikroskope) befaßt und 1655 den
ersten Saturnmond, 1656 den Satrurnring und den Orionnebel entdeckt. -
Fast Lichtgeschwindigkeit -
Olaf
Römer (1644-1710), ebenfalls Mathematiker und Astronom, bestimmte 1675 aus
der Verfinsterung der Jupitermonde zum ersten Male die Lichtgeschwindigkeit, wenn
auch noch nicht so exakt (der moderne Wert für die Lichtgeschwindigkeit
im Vakuum beträgt 299792,458 km/s). Römer hatte also schon fast die
exakte Lichtgeschwindigkeit errechnet, und zwar lediglich mit Hilfe der Verfinsterungen
einiger Jupitersatelliten: je nach der Entfernung Jupiter-Erde ergaben sich nämlich
zeitliche Verzögerungen dieser Verfinsterungen. Römer erfand auch den
Meridiankreis, ein astronomisches Winkelmeßgerät, d.h. jenes astronomische
Fernrohr, das nur in der Meridianebene frei drehbar ist. Es wird also so aufgestellt,
daß es im Meridian ( )
schwenkbar ist. 1 N = 1
kg m / s2
Isaac Newton (1643-1727) kam zu seinem Ruhm,
weil er die klassische theoretische Physik begründete und damit (wie schon
vor ihm Galilei
und Kepler)
die exakte Naturwissenschaft zum Triumph verhalf, vor allem durch sein 1687 erschienenes
Hauptwerk Philosophiae naturalis principa mathematica, in dem
er u.a. nicht nur sein 1666 gefundenes
Gravitationsgesetz
formulierte, sondern auch die Grundgesetze der
Mechanik: die 3 Axiome der Mechanik (Newtonsche Axiome):
1.) Ursache der Beschleunigung eines Körpers ist eine auf ihn einwirkende
Kraft, d.h. jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen,
geradlinigen Bewegung, solange keine Kräfte auf ihn einwirken (Trägheitsgesetz).
2.) Die Bewegungsänderung (Beschleunigung) eines Körpers ist
der einwirkenden Kraft proportional und ihr gleichgerichtet (Dynamisches Grundgesetz).
3.) Die Wirkung ist stets gleich der Gegenwirkung (actio = reactio), d.h.
übt ein Körper A auf einen Körper B eine Kraft F1
aus, so übt stets auch der Körper B auf den Körper A
eine Kraft F2 aus, die von gleichem Betrage, aber entgegengesetzter
Richtung ist: F1 = - F2 (Reaktions-, Gegenwirkungs-
oder Wechselwirkungsprinzip, Newtonsches Wechselwirkungsgesetz). -
Englische Philosophie als Sonderfall -
Innerhalb der abendländischen Philosophie muß die englische
Philosophie immer gesondert berücksichtigt werden, weil auch
sie Inselcharakter hat. Nicht selten war sie dem Kontinent
dabei abdriftend voraus. Der englische
Staatsmann und Philosoph Francis Bacon (1561-1626) begründete
den (neuzeitlichen) englischen Empirismus und brach die Herrschaft
des naturwissenschaftlichen Denkens Bahn, obwohl er zum Teil noch
der Metaphysik des Mittelalters verhaftet war. In seinem Buch Große
Erneuerung der Wissenschaften (1605) trat er dafür ein,
daß die experimentelle, wissenschaftliche Erfahrung zur Quelle
der Wahrheit werden soll. Und wie das Glück der Menschen aus
dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt hervorgehen könnte,
zeigte er in seiner Utopie Neu-Atlantis. Francis Bacon erklärte
als höchste Aufgabe der Wissenschaft die Naturbeherrschung
und die zweckmäßige Gestaltung der Kultur durch Naturerkenntnis.
Dazu sei nötig, daß der Mensch sich der Vorurteile und
falschen Vorstellungen (Idole) entledige. Die einzige verläßliche
Quelle der Erkenntnis ist nach Francis Bacon die Erfahrung (Beobachtung
und Experiment), die einzig richtige Methode die Induktion, die
zur Erkenntnis der Gesetze fortschreitet; von da aus läßt
sich dann wieder herabsteigen und zu Erfindungen gelangen, welche
die Macht des Menschen über die Natur erhöhen. Denn der
Mensch vermag so viel, als er weiß: tantum possumus quantum
scimus. Bacon stellte
auch fest, daß Kulturen altern wie Menschen und Phasen bzw.
Auf-und-Ab-Stufen durchleben: In der Jugend der Völker
und Staaten blühen die Waffen und die Künste des Krieges;
im reifen männlichen Alter der Völker und Staaten Künste
und Wissenschaften; dann eine Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst
und Musenkünste; endlich im Greisenalter der Völker und
Staaten Handel und Industrie, Luxus und Mode. (Francis Bacon,
De dignitate et augmentis scientiarum, 1605; IV, 2, 114).
Genial! Ein weiterer englischer Staatsmann
und Philosoph, Thomas Hobbes (1588-1679), lehnte die spekulative
Metaphysik ab und definierte die Philosophie als die Erkenntnis
der Wirkungen oder der Phänomene aus den Ursachen und andererseits
der Ursachen aus den beobachteten Wirkungen mittels richtiger Schlüsse;
ihr Zweck liegt nach Hobbes darin, daß wir die Wirkungen voraussehen
und für unser Leben nutzbar zu machen lernen. Alle Erkenntnis,
behauptete er, erwächst aus den Empfindungen teils unmittelbar,
teils aus ihren Rückständen, den Erinnerungen. Diese werden
unterstützt durch konventionelle Zeichen, Namen, Worte. (Vgl.
Sprache). Alles Denken ist ein Verbinden
und Trennen, Addieren und Subtrahieren von Namen: Denken ist Rechnen.
Da alles ursächlich bestimmt ist, so ist auch das Wollen streng
determiniert. Nicht der Wille, sondern das Handeln ist so weit frei,
wie es der Natur des Menschen entspringt. Die menschliche Natur
wird ursprünglich nur von der Selbstsucht getrieben, sich zu
erhalten und Genuß zu verschaffen. Daher war der Naturzustand
des Menschen der allen nachteilige Krieg aller gegen alle (Bellum
omnium contra omnes). Deshalb vereinigen sich durch einen Vertrag
die Menschen im Staat und unterwerfen sich einem Herrscher, dem
alle Gehorsam leisten, um dadurch Schutz und die Möglichkeit
eines humanen Lebens zu erhalten. Was er sanktioniert, ist gut,
das Gegenteil verwerflich. Das öffentliche Gesetz ist das Gewissen
des Bürgers. Die Furcht vor denjenigen unsichtbaren Mächten,
welche der Staat anerkennt, ist Religion, die Furcht vor solchen,
welche er nicht anerkennt, Aberglaube. Obwohl von Hobbes' Wirkungen
beiendruckt, meinte Pufendorf (1632-1694), daß der nur fiktive
Naturzustand zwar kein Krieg aller gegen alle wäre, aber ein
Zustand der Unsicherheit, zu dessen Vermeidung die Menschen den
sie stützenden Staat gründeten (Vertragstheorie). Beide
- Hobbes und Pufendorf - unterbauten den staatlichen Absolutismus
ihrer Zeit. Hobbes beschrieb in seinem Leviathan
(1651) die Gesellschaft als ein Monster, das nur durch eine
unteilbare Regierungsmacht gezähmt werden könne, denn
ohne die Zentralgesellschaft zerfiele die Gesellschaft in einem
Kampf aller gegen alle, wie er ihn im englischen Bürgerkrieg
(1642-1648) gerade erlebt hatte und den er als das Natürliche
darstellte. Seine Geseelschaftstheorie beweist, wie man bestehende
Gesellschaftsformen hinterfragen und ändern kann. John
Locke (1632-1704), Philosoph, Psychologe, Pädagoge und Hauptvertreter
des Empirismus, unterbaute erkenntnistheoretische Untersuchungen
durch eine psychologische Theorie des Bewußtseins (wodurch
er Psychologie im modernen Sinne als Analyse des empirischen Bewußtseins
anbahnte) und schuf damit ein System einer Pädagogik der individuellen
Persönlichkeit. Psychologisch-erkenntnistheoretisch stellte
er sich die Aufgabe, den Ursprung, die Sicherheit und den Umfang
des menschlichen Wissens zu untersuchen, sowie die Gründe und
Grade des Glaubens, der Meinung und der Zustimmung. In seiner Staatslehre
schränkte Locke die Bedeutung des Staates auf das Notwendigste
ein und forderte auf Grund der Volkssouveränität eine
konstitutionelle Regierung, die Freiheit und gleiches Recht für
alle verbürgen solle, sowie Teilung der Gewalten. In seiner
Ethik bezeichnete er als gut, was Lust erweckt oder steigert, und
das Gegenteil als Übel. Das höchste Gesetz war für
ihn das allgemeine Wohl. Religionsphilosophisch lehrte Locke: was
Gott geoffenbart hat, ist zwar unbedingt wahr; was aber göttliche
Offenbarung sein kann, was nicht, kann nur die Vernunft beurteilen,
nicht aber das kirchliche Dogma.
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) war mit Sicherheit
der schöpferischste Gelehrte und das Universalgenie des 17. Jahrhunderts,
wahrscheinlich sogar der gesamten abendländischen Philosophie.
Zunächst wurde Leibniz durch seine Lehrer Jacob Thomasius (1622-1684)
in Leipzig und Erhard Weigel (1625-1699) in Jena beeinflußt,
später durch den kurmainzischen Kanzler Johann Christian von
Boineburg (Konvertit); unter ihm war Leibniz von 1667 bis 1674 in
kurmainzischen Diensten, woher seine Bemühungen stammten, einen
Ausgleich zwischen katholischer und protestantischer Kirche herbeizuführen..
Von 1672 bis 1676 war er in Paris, 1673 in London und nahm auch dort
gelehrte Beziehungen auf. Von 1676 bis 1716 stand Leibniz in hannoverschen
Diensten, verfaßte eine Kampfschrift gegen Ludwig XIV. von Frankreich
(Mars christianissimus = Allerchristlichster Kriegsgott), war
seit 1696 außenpolitischer Berater und Geschichtsschreiber des
Welfenhauses, das aber seine über vierzigjährigen, oft in
den vertraulichsten Missionen bewährten Dienste nicht gebührend
anerkannte. Bis etwa 1680 bewegte Leibniz sich vorzugsweise auf politischem,
theologischem und mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet, dann
vollzog sich in ihm die Loslösung von der Neuscholastik.
( ).
Erst nach 1680 traten auch seine philosophischen Arbeiten und Gedanken
hervor, die leider nur in Gestalt von Briefen und Zeitschriftenabhandlungen
vorliegen. Leibniz' Denkentwicklung ist sehr wandlungsreich, kreist
jedoch stets um das Problem einer geschlossenen, Widersprüche
ausgleichenden, jeder Einzelheit der Wirklichkeit gerecht sein wollenden
sowohl anschaulichen wie gedanklichen Systematik.
Von der scholastischen Lehre der metaphysischen
allgemeinen Wesenheiten (formae substantiales) ausgehend, gelangte Leibniz
zum Prinzip des schöpferischen Denkens hinsichtlich individueller Wirklichkeiten.
Die mathematische Methode erschien ihm hier angemessen, bis er sich über
deren unverrückbare Grenzen klar wurde. Im Anschluß an Descartes'
Lehre vom klaren und deutlichen Erkennen bzw. Denken, mit deren ungelösten
Problemen er sich eingehend beschäftigte, entwickelte er sodann eine analytische
Theorie des denkenden bzw. erkennenden Bewußtseins. Zugleich kam er naturwissenschaftlich
von der Mechanik nahe an die Energetik heran. Er führte u.a. Beobachtungen
der Lebensvorgänge durch das Mikroskop durch, das bereits seit 1590 bekannt
war. (Vgl. Tabelle).
Andererseits gelangte Leibniz zur Unterscheidung zwischen gedanklichen Wahrheiten
und Tatsachenwahrheiten.
Leibniz' bekanntestes Werk ist seine
Monadenlehre (Monadologie). Monaden waren für ihn die einfachen,
körperlichen, geistigen, mehr oder weniger bewußten Substanzen;
ihre tätigen Kräfte bestehen in Vorstellungen. Die Verschiedenheit
der Monaden besteht in der Verschiedenheit ihrer Vorstellungen.
Gott ist die Urmonade, alle anderen Monaden sind ihre Ausstrahlungen.
Was uns als Körper erscheint, ist nach Leibniz ein Aggregat
von vielen Monaden mit unbewußten Vorstellungen. Tierseelen
haben Empfindung und Gedächtnis; die Menschenseelen sind klarer
und deutlicher Vorstellungen fähig; Gott hat lauter adäquate,
d.h. vollbewußte und vollsachliche Vorstellungen. Der Vorstellungsverlauf
jeder Monade schließlich kreist in sich, es kommt nichts aus
ihr heraus und nichts in sie hinein. Leibniz
ergänzte seine Monadenlehre durch seine Lehre der Prästabilisierten
Harmonie. Danach hat Gott alle Substanzen so geschaffen, daß,
indem jede dem Gesetz ihrer inneren Entwicklung mit voller Selbständigkeit
folgt, sie zugleich mit allen anderen in jedem Augenblick in genauer
Übereinstimmung steht. Sowohl die Monadenlehre als auch die
Lehre von der Prästabilisierten Harmonie gelten nach Leibniz
für alle Wesen leiblicher, seelischer, geistiger Art sowohl
in sich wie zwischeneinander, so insbesondere für das Verhältnis
von Leib, Seele, Geist innerhalb der menschlichen Persönlichkeit.
Der Philosoph und Mathematiker Christian
Wolff (1679-1754), der führend in der deutschen Aufklärung
wurde und das System des deutschen Rationalismus
unter Verwendung aristotelischer, stoischer und auch scholastischer
Gedanken zur höchsten Entfaltung brachte, machte dadurch die
von ihm umgestaltete Leibnizsche Philosophie zur herrschenden Philosophie
seiner Zeit. Seine Schüler, die Wolffianer, hatten an
fast allen deutschen Universitäten die philosophischen Lehrstühle
inne. Zu seinen Schülern zählte auch Kant,
der Wolff den gewaltigsten Vertreter des rationalen Dogmatismus
nannte: des Standpunktes des reinen ungebrochenen Vertrauens in
die Macht der Vernunft. Die Titel der Schriften Wolffs beginnen
fast alle mit Vernünftige Gedanken ... .
Gewachsen waren sie in Leibniz, der außer auf die Leibniz-Wolffsche
Schule u.a. auf Herder,
Goethe, Schiller und den Deutschen Idealismus
wirkte, später u.a. auf Herbart
und Lotze,
sogar noch auf die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts,
auf die Logistik der Sprachphilosophie, wie überhaupt auf die
Linguistische
Wende und den linguistisch orientierten Nativismus. (u.a.
Chomsky)
sowie auf den Konstruktivismus
(Maturana, Luhmann
u.a.).
Das
Ganze wird von Gott zusammengehalten. Er hat das Zusammenwirken der Monaden, die
als geistige Wesensheiten ewig und unvergänglich sind, prästabilisiert,
d.h. ihre Harmonie im voraus angelegt. Und eben alles so gemacht wie es ist:
Die beste aller Welten. (
G. Wilhelm Leibniz )Warum
ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? (
G. Wilhelm Leibniz )
Diese Frage sollte z.B. im 20. Jh.
auch Martin Heidegger
wiederholen und sie die Grundfrage der Metaphysik nennen. ( )Bei
Leibniz nahm der kognitive Optimismus gedämpftere Formen an, weil der Verfasser
der Monadologie einen präzisen Begriff besaß von der Unauslotbarkeit
der Implikationen, die ins Unendliche reichen. Wenn die Fältelung des von
der Seele implicite oder dunkel Mitgewußten ins Unendliche geht, besteht
keine Aussicht darauf, zu einem völlig expliziten Wissen zu gelangen; dieses
ist dem Gott vorbehalten, für den menschlichen Intellekt ist der Fortschritt
im Bewußtsein zunehmender, doch immer unzulänglicher Explizitheit reserviert.
(Peter Sloterdijk,
Sphären III - Schäume, 2004, S. 78). Leibniz setzte wieder Gott
an die Stelle des Ich und meinte, daß es außer dieser Supermonade
noch viele andere Monaden gäbe, die alle in sich abgeschlossene Bewußtseinssphären
wären, ohne Kontakt miteinander, und doch wäre eine jede dieser fensterlosen
Monaden ein Spiegel des Ganzen. Das Ganze wird von Gott zusammengehalten.
Gott hat das Zusammenwirken der Monaden, die als geistige Wesenheiten ewig und
unvergänglich sind, prästabilisiert, also ihre Harmonie im voraus angelegt,
und eben alles so gemacht, wie es ist: Die beste aller Welten. Hieran
sollte z.B. am Ende des 20. Jahrhunderts auch der Konstruktivismus, u.a. Luhmann
und Maturana, anschließen, ebenso Sloterdijk mit seinen Sphären: Blasen,
Globen, Schäume. ( ).
Die Schaumtheorie ist unverhohlen neo-monadologisch orientiert: Ihre Monaden
jedoch haben die Grundform von Dyaden oder komplexeren seelenräumlichen,
gemeindlichen und mannschaftlichen Gebilden. Es gehört zu den Tugenden des
neo-monadologischen Ansatzes in der Gesellschaftstheorie, daß er durch seine
Aufmerksamkeit für die Assoziationen der kleinen Einheiten die Raumblindheit
verhindert, die den gängigen Soziologien anhaftet. »Gesellschaften«
sind aus dieser Sicht raumfordernde Größen und können nur durch
eine angemessene Ausdehnungsanalyse, eine Topologie, eine Dimensionentheorie und
eine »Netzwerk«analyse (falls man die Netzmetapher der des Schaums
vorzieht) beschrieben werden. (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume,
2004, S. 61 und 298). Zwar sollten z.B. bei den Konstruktivisten Leibniz' Monaden
autopoietische Systeme (sich selbst erzeugende Funktionssysteme) heißen,
sollten bei ihnen Leibniz' Kognitionen auf physikalischer Basis beruhen,
sollte bei ihnen Gott Evolution heißen, sollte bei ihnen Leibniz'
prästabilisierte Harmonie eine strukturelle Kopplung sein; doch in
Wahrheit bedeutet all dies dasselbe wie bei Leibniz.Leibniz
- der mächtigste Geist der abendländischen Philosophie, der Begründer
der Differentialrechnung und der analysis situs, Monadenlehrer und Erfinder
der Multipliziermaschine sowie eines Programms für eine Idealsprache (Leibnizsche
Charakteristik oder characteristica universalis) - hat neben
einer ganzen Reihe von hochpolitischen Plänen, an denen er mitwirkte, in
einer zum Zweck der politischen Entlastung Deutschlands entworfenen Denkschrift
an Ludwig XIV. die Bedeutung Ägyptens für die französische Weltpolitik
dargelegt. Seine Gedanken waren der Zeit (1672) so weit vorausgeschritten, daß
man später überzeugt war, Napoleon habe sie bei seiner Expedition im
Orient benützt. Leibniz stellte schon damals fest, was Napoleon seit Wagram
(1809) immer deutlicher begriff, daß Erwerbungen am Rhein und in Belgien
die Stellung Frankreichs nicht dauernd verbessern könnten und daß die
Landenge von Suez eines Tages der Schlüssel zur Weltherrschaft sein werde.
(Vgl.
18-20). Ohne Zweifel war der König den tiefen politischen und strategischen
Ausführungen des Philosophen nicht gewachsen.
Eine Hochkonjunktur der Ethik,
die von der Hochrationalistik zur Spätrationalistik überleitet, macht
auch philosophisch deutlich, daß für jede auf ihren Höhepunkt
stehende Kultur dasselbe gilt wie für die uralte Bauernkultur seit der Seßhaftwerdung,
denn nicht zufällig fällt die Haupternte in die Zeit der sogenannten
Hundstage (23.07. bis 23.08.), aber ob die hochsommerlichen Klimaverhältnisse
eine zufriedenstellende Ernte bedeuten, weiß man erst, wenn das Wetter bereits
dabei ist, vollendete Tatsachen zu schaffen. Das Resultat ist kaum beeinflußbar,
aber man kann aus ihm lernen und im Hinblick auf das nächste Jahr nur mittels
verbesserter Technik höhere Erfolge erzielen oder erneut auf den klimatischen
Zufall setzen. Eine erste Zwischenbilanz kann also erst am Ende dieser Phase gezogen
werden, und sobald die der Natur abgerungene Ernte ins Haus geholt worden ist,
muß sie verteidigt, ihr Schutz überprüft und eventuell verbessert
werden. Überträgt man die Regeln einer Bauernkultur, die sich seit der
Neolithischen Revolution mehr oder weniger stark entwickelten, auf die Regeln
einer Hochkultur, die sich seit der Vor- und Frühkultur entwickelten, dann
stößt man zwangsläufig auf die aufklärerischen Figuren, die
der kulturellen Weiterentwicklung dienen können und wollen oder am Markt
Versicherungen anbieten, die dem Selbstzweck dienen, aber ethisch anspruchsvoll
sein sollen. Sie sollen vernünftige, weltliche, natürliche
Ethiken, sie sollen Natur-Theologie
sein. In der Selbstgenügsamkeit und Zurückhaltung sich auferlegenden
Antike lösten die Sophisten
und Sokrates
(470-399) mit ihren anthropologisch-ethischen Alternativlösungen die kosmologische
Naturphilosophie genauso ab wie im Abendland die unendlichen Raum sich verschaffenden
Aufklärer
und Extrem-Subjektivisten
die universalistische Naturphilosophie, während in beiden Kulturen die Naturphilosophie
atomistischer wurde. (Vgl. Tabelle).
Aber Selbstgenügsamkeit und Zurückhaltung sind nicht dasselbe wie Unendlichkeit
und Raumschaffung, sondern deren Gegensätze. Deshalb gab es für eine
Naturwissenschaft in der Antike keinen Raum, im Abendland dagegen jeden unendlichen.
In der Antike blieben die Naturerscheinungen eine Sache der Philosophie, im Abendland
blieben sie eine Sache der Wissenschaften. Diese abendländische Institution
hatte sich in der jetzigen Phase der absolutistischen Hochrationalistik endgültig
etabliert und muß als eine der großartigsten und in den Konsequenzen
weitreichendsten Leistungen des Abendlandes angesehen werden. (Vgl. Ursymbol).
| Das Prinzip
der Sophistik und Maieutik als Ende exakten Wissens in der antike Philosophie
? Das Prinzip der Aufklärung und Naturtheologie als Ende exakter Wissenschaft
in der abendländischen Philosophie?
Philosophisch bekämpfte die Aufklärung
jede echte Metaphysik. Sie beförderte jede Art des Rationalismus,
also auch die Naturwissenschaft. Mit dem Rationalismus zusammen teilt die Aufklärung
den Glauben an eine unbegrenzte Erkenntniskraft und ihre über kurz oder lang
sich vollziehende Bemächtigung alles Seienden. Der alte Glaube wurde hier
abgelöst vom Glauben an Wissenschaft und Fortschritt. Für Rationalismus
und Aufklärung gab es nur vorläufige Probleme, nicht aber grundsätzlich
unlösbare Probleme. Sie vertraten ethisch-pädagogisch humanitäre
Ideale, ein jugendgemäßes Erziehungswesen, politisch-juristisch und
gesellschaftlich-wirtschaftlich die Freiheit des Menschen aus ungerechten Bindungen
(Individualismus), die Gleichheit aller Bürger desselben Staates vor dem
Gesetz und schließlich die Gleichheit all dessen, was Menschenantlitz trägt.
Von den Göttern weiß ich nichts,
weder ob es welche gibt, noch auch ob es keine gibt. ... Der
(einzelne!) Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden
, daß sie sind, der nichtseienden, daß sie nicht sind. So
behauptete es jedenfalls der Sophist Protagoras (480-410), der sich auch zuerst
als Sophist und Menschenkenner bezeichnete.
Antike
Aufklärer nannten sich Sophisten:
Protagoras (485-410), Gorgias (ca. 480-380) Hippias (um 400), Prodikos (um 400)
und die anderen Sophisten galten zunächst als die Denker und Weisen, dann
als Lehrer der gewandten Rede- und Unterredungskunst, schließlich jedoch
als Vertreter der geschwätzigen und spitzfindigen Scheinweisheit, weil sie
eine Tendenz entwickelt hatten, in Diskussionen um jeden Preis zu obsiegen. Trotzdem
waren sie bedeutend, besonders im Hinblick auf ihre aufklärerische Verbreitung
des philosophischen Gedankenguts und auf die praktische Pädagogik. Sophistisch
im positiven Sinne war auch die Tatsache, daß die praktische Beschäftgung
mit philosophischer Argumentation durch die Sophistik zu einem größeren
Interesse am Philosophieren und am kritischen Denken führte. Die Sophisten
trugen die Lehren der Vorsokratiker (Ionier,
Eleaten, Atomisten
u.a.) in die Öffentlichkeit und wirkten dadurch aufklärerisch.
Mit Sokrates (470-399) war, wie der Name schon verrät,
die Zeit der Vorsokratiker vorbei. Einer seiner Schüler (Sokratiker)
war z..B. Xenophon (450-354). Die kosmologische Naturphilosophie der Griechen
wurde durch Sokrates und seine anthropologische Ethik
abgelöst, zugleich aber der ethische Relativismus der Sophisten widerlegt.
Menschenbildung, Jugendbildung und Seelenführung war der Zweck seines Philosophierens;
geistige Maieutik und
Ironie der Weg dazu. Sokrates' Philosophie beruhte auf seiner Grundüberzeugung,
daß das Sittliche erkennbar und lehrbar sei und aus dem Wissen um Sittlichkeit
stets das Handeln gemäß der Sittlichkeit folge. In diesem Sinne versuchte
Sokrates zunächst jedesmal vom Einzelfall aus die Menschen zu einer klaren
Begriffsbildung hinsichtlich des sittlich Richtigen hinzuführen. Für
ihn war dasjenige Handeln richtig, das den wahren Nutzen des Menschen und damit
seine Glückseligkeit bewirkt. Nach Sokrates ist deshalb die Selbsterkenntnis
die Bedingung der praktischen Tüchtigkeit: weiß ich, was ich bin, so
weiß ich auch, was ich soll. In sich selbst fand Sokrates aber auch ein
göttliches Daimonion, das ihm als innere Stimme zur Verfügung
stand und ihm mitteilte, was er tun oder unterlassen sollte. Die höchste
Tugend war für Sokrates die Genügsamkeit: wer am wenigsten bedarf, ist
der Gottheit am nächsten; nur wer sich selbst zu beherrschen gelernt hat
und in allen Dingen ausschließlich der richtigen Einsicht folgt, ist imstande,
andere zu beherrschen, und berechtigt, als Staatsmann zu wirken. Sokrates gilt
mit Platon und Aristoteles zusammen als bedeutendster Philosoph der Antike, blieb
aber vielumstritten. Von einigen wurde er als erster großer Ethiker gepriesen,
von anderen als Aufklärer und Auflöser verworfen. Auch die Aufklärung
hatte ihre zwei Seiten, und ihre Schattenseite war die eben erwähnte negative
Sophistik. ( ).Lehrer
und älterer Zeitgenosse des Demokrit (460-371) war Leukipp (5. Jh. v. Chr.),
aber beide gelten als Begründer der Atomistik.
Wegen der mangelnden Quellen über Leukipp kann man jedoch eher dazu neigen,
Demokrit als den eigentlichen Begründer des Atomismus zu bezeichnen. Die
Atomistik ist die naturphilosophische Lehre, die besagt, daß alle Dinge
aus selbständigen Elementen bestehen und alles Geschehen auf Umlagerung,
Vereinigung und Trennung dieser Elemente beruhe. Auch diese Lehre gehört
zu den das antike Ursymbol
körperlicher Abgegrenztheit immer wieder neu bestätigenden Bildern,
die zusammen das antike Seelenbild
ergeben und rechtfertigen (sollen). Mit Daniel Sennert (1572-1637) lebte der Atomismus
im Abendland wieder auf. Er entwickelte anschaulich-gestalthaft ein umfassendes
System der Atomistik. Nach ihm erneuerte auch Pierre Gassendi (1592-1655) die
atomistisch-mechanistische Physik Demokrits. Überhaupt sollte gerade der
antike Atomismus eine solch starke, erbschaftliche Wirkung erzielen, daß
er noch heute in den abendländischen kausal-mechanischen Natur- und Weltauffassungen
mitregiert und erst durch Heisenberg
und die moderne ganzheitliche Betrachtungsweise erschüttert worden ist. Demokrit
lehrte, daß alles Geschehen Mechanik der Atome sei, die, verschieden an
Gestalt und Größe, Lage und Anordnung, sich im leeren Raum in ewiger
Bewegung befänden und durch ihre Verbindung und Trennung die Dinge und Welten
entstehen und vergehen ließen. Die Seele, identisch mit dem Element Feuer,
besteht nach ihm aus kleinsten, glatten und runden Atomen, die im ganzen Leib
verbreitet sind. Organ des Denkens ist für ihn allein das Gehirn. Die Empfindungen
sollen dadurch zustande kommen, daß von den Dingen ausgehende Ausflüsse,
sich loslösende Abbilder in die Sinnensorgane eindringen und die Seelenatome
in Bewegung setzen. Das höchste Gut sei die Glückseligkeit, so Demokrit,
und sie bestehe wesentlich in der Ruhe und Heiterkeit der Seele, die am sichersten
durch Mäßigung der Begierden zu erreichen sei. Demokrit selbst hieß
schon in antiken Zeiten wegen der Befolgung dieser Lehre der lachende Philosoph.
Leukipp und Demokrit vollbrachten auf typisch antike Weise das, was Leibniz
und Newton
auf typisch abendländische Weise vollbrachten. Auf ihre Art waren die Atomisten Nachfolger der ionischen und eleatischen Naturphilosophen, die abendländischen Naturwissenschaftler und Mathematiker Nachfolger der sie fordernden Naturphilosophen.
(Vgl. Tabelle).Antisthenes
(ca. 444-368), Stifter der Philosophenschule der Kyniker,
war Schüler des Sophisten
Gorgias (ca. 480-380), wurde dann Schüler des Sokrates,
weil er die Möglichkeit jeglichen Widerspruchs geleugnet hatte. Er verbreitete
die Lehren des Sokrates und war Gegner der Ideenlehre
Platons. Vorwiegend praktisch orientiert, predigte er Bedürfnislosigkeit
(Autarkie) und Charakterstärke und forderte Rückkehr zur Einfachheit
des Naturzustandes. Er lehnte die herkömmliche Religion ebenso ab wie den
herkömmlichen Staat. Der Weise solle nicht Bürger eines bestimmten Staates
sein, sondern Weltbürger. Diogenes von Sinope (412-323) steigerte den Begriff
der sokratischen Selbstgenügsamkeit zur inneren Askese, die, jeder verfeinerten
Lebensart abhold, äußerste Bedürfnislosigkeit zur Pflicht
machte. Er forderte Gemeinsamkeit der Frauen und Kinder und erkannte die geltenden
Sittengesetze nicht an. Diogenes wurde zum Urbild der kynischen Schamlosigkeit
(daher unser Ausdruck für Zynismus) und
des Sichgehenlassens. Auf ihn beziehen sich die Anekdoten vom Philosophen, der
in einer Tonne wohnte, der Alexander den Großen, als dieser ihn besuchte
und eine Bitte zu erfüllen versprach, bat, aus der Sonne zu gehen, und der
mittags auf dem Markt von Athen mit der Laterne nach Menschen suchte.
Man nannte Diogenes auch den übergeschnappten Sokrates,
was aber den Tatsachen nicht so ganz entsprach, denn er hatte in seiner lachenden
Menschendurchleuchtung und Verachtung aller Konvention viel echt Sokratisches
und, vom Philisterstandpunkt aus betrachtet, war auch schon Sokrates übergeschnappt.
Als man ihn fragte, was das Schönste auf der Welt sei, antwortete er: die
freimütige Rede, und als er, durch Seeräuber in die Sklaverei
geraten, zum Verkauf ausgestellt wurde, erklärte er auf die Frage, zu welcher
Arbeit er zu brauchen sei, er verstehe sich darauf, Menschen zu beherrschen. (Beides
hätte auch Sokrates sagen können).Die Megariker
waren die Anhänger des Euklid von Megara (450-380), eines ehemaligen Sokrates-Schülers.
Sie befaßten sich besonders mit der Logik, mit der Kunst des Worstreites,
der Eristik. Die Megariker verbanden die sokratische Ethik mit der Eleaten-Lehre
von dem ewigen steten Einen.
Auch Eubulides, der im 4. Jh. v. Chr. wirkte, gehörte der megarischen Schule
an. Er wurde durch die Erfindung einiger Fangschlüsse ( )
bekannt. (z.B. vom sogenannten Lügner).Eine
andere Philosophenschule bildeten die Kyrenäiker,
die Schüler des Aristippos von Kyrene (435-355). Aristippos war, bevor er
die kyrenäische (hedonistische) Schule gründete, Schüler und Freund
des Sokrates
gewesen, mit sophistischen Einschlag. ( ).
Für Aristippos beruht Erkenntnis allein auf Empfindungen, deren Ursachen
allerdings unerkennbar sind. Auch die Empfindungen anderer sind uns unzugänglich,
wir können uns nur an ihre Äußerungen halten. Die Eudämonie
(Glückseligkeit) war für Aristippos nicht, wie bei Sokrates, Begleiterscheinung
der Tüchtigkeit (Arete), sondern das Bewußtsein der Selbstbeherrschung
in der Lust: der Weise genießt die Lust, ohne sich von ihr beherrschen zu
lassen. Über Vergangenes soll man nicht klagen, vor Zukünftigem nicht
bangen. Man richte seinen Sinn im Denken wie im Tun auf die Gegenwart, sie allein
steht uns zur freien Verfügung, so Aristippos der Genießer (Hedoniker
von hedone, Lust).
Platon
(eigtl. Aristokles, 427-347) Sohn des Ariston und der Periktione, stammte
mütterlicherseits aus reicher und vornehmer Familie Athens. Nach dem Tod
des Sokrates
(399), dessen Schüler Platon 8 Jahre lang war und dessen Prozeß er
erlebte, hielt er sich eine Zeitlang bei dem Eleaten
Eukleides von Megara auf, der ebenfalls ehemaliger Schüler des Sokrates war.
Eukleides' megarische Schule war eine der an Sokrates orientierten Philosophenschulen,
die eine Synthese zwischen dem sokratischen Begriff des Guten und dem unbeweglichen,
unveränderlichen Sein der eleatischen Philosophie zum Ziel hatte. Auf Reisen
nach Unteritalien und Sizilien lernte Platon auch die Denkweise der Pythagoräer
kennen. Platon war zu Beginn seiner Karriere Dichter, wandte sich von der Dichtung
jedoch ab, weil sie seit 387 v. Chr. laut Gesetz ziemlich grausame Theaterstücke
aufführen durfte und deshalb u.a. zu einer Götter-Blasphemie herabsank.
Platon gründete wahrscheinlich deshalb 385 v. Chr. eine Schule, die (dem
altattischen Heros) Akademos
gewidmet war. Die Ältere Akademie war stark pythagoräisch beeinflußt:
das Problem von Idee und Zahl spielte erkenntnistheoretisch
eine große Rolle. (Später sollten noch die Mittlere Akademie,
seit 270 v. Chr., und die Neuere Akademie, seit 160 v. Chr., folgen: vgl.
die Akademien im Altplatonismus,
den Mittleren
Platonismus, die Auswirkungen auf die Gnosis,
den Neuplatonismus,
die Patristik).
Platon setzte sich mit der Ideenlehre
von Sokrates ab, obwohl er sie in den (mittleren und späteren) Dialogen seinem
Dialoghelden Sokrates in den Mund legte. Für ihn waren die unveränderlichen
Ideen die Urbilder der veränderlichen Dinge, ihr Programm, ihr Ziel und Zweck.
Er nahm bei seiner Ideenlehre die Mathematik (Geometrie) zum Vorbild aller anderen
Wirklichkeit, wie schon vor ihm Pythagoras (580-500) und seine Schüler. (Vgl.
Tabelle).
Er schrieb Dialoge, tatsächliche und fiktive Gespräche mit Sokrates
(470-399), seinem Lehrer. Platon lehrte die Scheinhaftigkeit und Abkünftigkeit
der Sinnenwelt von archetypischen Urbildern oder Ideen. Ein nicht sinnlich erfahrbares
geometrisches Gebilde, z.B. ein gleichseitiges Dreieck, wird hinter dem sinnlich
erfahrbaren Dreieck, dessen Darstellung es ist, gedacht oder in nicht
sinnlicher, formaler Anschauung vorgestellt. Die gerade Linie, der Punkt, eine
Fläche: das sind alles mathematische Gegenstände. Es gibt sie nicht
in Wirklichkeit. Aber die Wirklichkeit ist durch sie erkennbar, rekonstruierbar.
Über dem Eingang der Akademie
Platons soll deshalb der Satz gestanden haben:
KEIN DER GEOMETRIE UNKUNDIGER SOLL DIESEN ORT BETRETEN 
Das platonische Denken entwickelte sich
vor dem Horizont einer doppelten Krisensituation: zunehmender Zerfall des Gemeinwesens
und Verlust der Verbindlichkeit mythischer Weltbilder. Der Mythos bot keine lebendige
Orientierung mehr. Er war zum formelhaften Ritual erstarrt und zum Spielball inhaltloser
und nur noch auf Überredung angelegter Rhetorik (der Sophisten)
geworden. Das Schlimmste daran war für Platon, daß kein Bewußtsein
darüber vorhanden war. Hier, bei der Bewußtseinsbildung, wollte Platon
eingreifen. Die Methode seines Helden Sokrates
besteht darin, zunächst einmal ein Bewußtsein für das Gute bzw.
für das Schlechte bei seinen Gesprächsteilnehmern zu wecken, indem er
ihnen z.B. zeigt, daß sie nicht wissen, wovon sie reden, wenn sie Gerechtigkeit,
Tapferkeit, Besonnenheit u.s.w. im Munde führen. Die Verbindlichkeit ihrer
Rede zerfällt in dem Maße, in dem Sokrates als ihren Grund private
Interessen und Willkür erweist. Ihrer schützenden ideologischen Haut
entledigt, muß die Gewalt letztlich ihr wahres Gesicht zeigen: sie muß
den Sokrates vernichten. Insofern gehörte der Tod des Sokrates (399) mit
zu seiner Beweisführung. Sein Tod war geradezu der letzte Beweis dafür,
daß er Recht hatte.Platon bestimmte die Philosophie
als Einüben ins Sterben. Für ihn war Philosophie die Erkenntnis
des Seienden oder des Ewigen und Unvergänglichen. Er definierte: Philosophen
sind die, welche mit dem, was sich für ewig als dasselbe unwandelbar verhält,
in Berührung kommen wollen. Es gelingt ihnen durchs Denken, d.h. durch die
Begriffe. (Vgl. Ideenlehre
und Meta-Sprache)
- (  ).
Wir sind gewiß weiter als Hippokrates (460-370), der griechische Arzt; wir
dürfen kaum sagen, daß wir weiter seien als Platon (427-347). Nur im
Material wissenschaftlicher Erkenntnisse, die er benutzt, sind wir weiter. Im
Philosophieren selbst sind wir vielleicht noch kaum wieder bei ihm angelangt.
( ).Aber
auch Mythos und Religion standen Pate bei Platons Ideenlehre. Die Idee, so Platon,
im Timaios, ist gewissermaßen der Vater oder das Original
eines Dings, das, wie das Kind, mit dem Namen des Vaters benannt wird. Die Mutter
ist der abstrakte Raum, in dem die Zeugung der Dinge, d.h. der Kinder des Vaters,
stattfindet und in dem sich die Dinge dann auch bewegen. Jede Art oder Rasse besitzt
nur eine Form oder Idee. Im Staat (Politeia) heißt es:
Gott hat also nur jenes eine wesentliche Bett hergestellt. Zwei dieser
Art oder noch mehr wurden weder von Gott erschaffen, noch werden sie je von ihm
erzeugt werden; auch wenn er zwei einzelne schüfe und nicht mehr, dann würde
doch ein weiteres zutage treten, nämlich die eine gemeinsame Form, die sich
in beiden darstellt. Sie, und nicht jene beiden, wäre dann das wesentliche
Bett. Die Ähnlichkeit der Dinge ist ihrer Idee verdankt, ihrem
Ursprung, wie die Ähnlichkeit der Kinder ihrem Vater. Harte Dinge haben an
der Idee der Härte teil, weiße an der Idee des Weißen. Sie haben
an jenen Ideen teil im gleichen Sinne, in dem die Kinder an den Besitztümern
und Gaben der Väter Anteil haben. Platons Ideenlehre ermöglicht Wissen,
das sich auf die veränderlichen Dinge anwenden läßt, von denen
sich, weil sie sich ständig verändern, eigentlich nichts Bestimmtes
aussagen läßt. Platon nahm an, daß es innere Kräfte, unwandelbare
Wesenheiten der wahrnehmbaren Dinge gibt, und von denen ist wahres Wissen möglich.
(Vgl. dagegen: Kant).
Die Ideenlehre ermöglicht eine Theorie der Veränderung und des Verfalls.
Die Ideen sind Urbilder, die selbst durch Verfall (Degeneration) der höchsten
Idee entstehen. Entsprechend ist die historische Tendenz der Gesellschaft die
des Zerfalls und der Degeneration. Außerdem bietet die Ideenlehre den Weg
zu einer Sozialtechnik, zur Herstellung des besten, idealen Staates, der sich
nicht verändert und nicht zugrunde gehen kann, und zwar durch Anhalten der
politischen Veränderung und Rückkehr zum idealeren Anfang, der alten
Stammesfrom des sozialen Lebens (Stammesaristokratien). Platons Philosophie, die
er selbst auch Weltverabschiedung und Einübung ins Sterben
nannte, lehrt die Notwendigkeit einer zweiten Geburt, insbesondere
seine Lehre von der Umkehr durch Ausstieg aus der Höhle (Höhlengleichnis).
Durch die natürliche, die physische Geburt gelangen wir aus einer Höhle
(der Uterus-Höhle der Mutter) ans Licht der (sichtbaren) Welt. Aber diese
Welt ist nach Platons Meinung nur Schein, nur vituell. Wir bedürfen einer
zweiten metaphysischen Geburt, um aus der Scheimwelt in die wirkliche (unsichtbare)
Welt der Ideen zu gelangen. Für diese zweite Geburt ist der Philosoph
der Geburtshelfer. |
Platons Schriftwerke:
Protagoras Kritik der Sophistik bezüglich der
Einheit und Lehrbarkeit der Tugend.
Apologie
Verteidigungsrede des Sokrates vor Gericht. Euthyphron
Über die Frömmigkeit. Gorgias
Gegen die Sophistik, für das absolute sittliche Gute, über die Seele
im Jenseits. Kratylos
Über die Sprache. Menon
Erkenntnis als Wiedererinnerung. Phaidon
Über die Unsterblichkeit der Seele und die Philosophie als Einüben ins
Sterben. Symposion
Über den homoerotischen Eros und seine Sublimierung in der Philosophie. Politeia
Über den Idealstat und die Seele. Phaidros
Über die Seele und die Ideen. Theaitetos
Über das Wissen. Parmenides
Über die Einheit und Vielheit, Sein und Nichtsein. Sophistes
Über das Wesen des Sophisten. Nomoi
Über den Staat und die Erziehung der Bürger. Timaios
Naturphilosophie. | Das
Höhlengleichnis ist laut Platons Staat (7.Buch)
ein Vergleich des menschlichen Daseins mit dem Aufenthalt in einer unterirdischen
Behausung. Gefesselt, mit dem Rücken gegen den Höhleneingang, erblickt
der Mensch nur die Schatten der Dinge, die er für die alleinige Wirklichkeit
hält. Löste man seine Fesseln und führte ihn aus der Höhle
in die lichte Welt mit ihren wirklichen Dingen, so würden ihm zuerst die
Augen wehtun, und er würde seine Schattenwelt für wahr, die wahre Welt
für unwirklich halten. Erst allmählich, Schritt für Schritt, würde
er sich an die Wahrheit gewöhnen. Kehrte er aber in die Höhle zurück,
um die anderen Menschen aus ihrer Haft zu befreien und von ihrem Wahn zu erlösen,
so würden sie ihm nicht glauben, ihm heftig zürnen und ihn vielleicht
sogar töten.
In seinem Liniengleichnis unterschied Platon
den Bereich des Sichtbaren von dem des Unsichtbaren. Er veranschaulichte das durch
die Teilung der Strecke im Verhältnis a:b. Er wiederholte diese Teilung in
den beiden Bereichen a und b und veranschaulichte damit die vier Wissensbereiche
bzw. Wissensarten: Gerücht (eikasia), Meinung (doxa), Wissenschaft und Philosophie.
Im Sonnengleichnis sah Platon die Analogie zwischen der Sonne und der Idee (des
Guten) einerseits und zwischen Auge und Seele andererseits: So wie die Sonne durch
ihr Licht dem Auge ermöglicht, etwas zu sehen und den Gegenständen ihre
Sichtbarkeit verleiht, so ermöglicht die Idee des Guten durch das Licht der
Ideen der Seele die Erkenntnis und den Dingen ihre Erkennbarkeit und Wahrheit.
Dabei ist die Sonne selbst Sprößling des Guten. Der
Mensch gehört beiden Welten an: der Welt der Ideen und der Welt der wandelbaren
Dinge, deren Vorbilder die Ideen sind. Er gehört der Ideenwelt an durch seine
Seele mit ihrer Vernunft. Der Körperwelt gehört er an durch den Leib.
Mit dem Tode trennt sich die Seele vom Leib. Entscheidend ist, in welchem Zustand
sie dann ist. Philosophie hat ihr Motiv in der Sorge um die Seele oder im Tod.
Die Sorge um den Staat ist darin eingeschlossen. Der ideale Staat ist nämlich
beschaffen wie die Seele, dreiteilig. Lehrstand, Wehrstand und Nährstand
im Staate entsprechen den drei Seelenteilen: dem vernünftigen, dem mutigen
und dem begehrenden Teil. Hier wie da kommt es auf die Harmonie der drei Teile
an - durch Hierarchie. Die Vernunft soll herrschen in der Seele, so wie im idealen
Staate die Philosophen die Könige sein sollten. Sinn des Staates ist, die
Seelen der Bürger zu retten, ihre Heimführung bzw. Rückführung
ins Ideenreich zwecks Reinkarnation zu ermöglichen.
Durch Platon wurde die antike Philosophie erwachsen.

Platon bildete den geistigen Übergang von jugendlicher zu erwachsener Kultur.
Dieser Denkarchitekt baute die Brücke zwischen Hochdenkern und Spätdenkern.
Der jüngere Platon war ein Hochdenker, der ältere Platon war ein Spätdenker.
Nach ihm wurde die Philosophie zu einer Denkgeschichte der Fußnoten
zu ihm.
Während der Aufklärung
lebte auch die Mystik fort:
Friedrich Oetinger (1702-1782) suchte die Narturmystik Jakob Böhmes mit der
Gravitationstheorie Newtons zu verbinden. ( ).
Johann Georg Hamann (1730-1788) war ein Gegner der Aufklärung und wies gegenüber
Kants rein verstandesmäßiger Erkenntnis
auf die Schöpferkraft des Gefühls und des Gemüts hin, die er besonders
in der Sprache am Werk sah und die sich in der Dichtung der Muttersprachedes
Menschengeschlechts offenbare. Hamann wirkte über die Sturm-und-Drang-Zeit
und den Klassizismus bis weit in die Romantik und die moderne Sprachphilosophie
hinein. (Vgl.
18-20). Aber Georg Christoph Lichtenberg
(1742-1799) war ein Gegner des Geniekults und des Mystizismus
der Philosophie seiner Zeit. Er war ein geistvoller Vertreter der Aufklärung,
in dessen Denken sich schon Züge des Deutschen Idealismus abzeichneten. (Vgl.
18-20). Als Kritiker Kants zog er aus dessen Philosophie besonders ethisch
und pädagogisch weitgehende, auch praktische Folgerungen. Lichtenberg bekämpfte
geistige Zuchtlosigkeit (Relativismus) und Pedanterie (Rationalismus), ebenso
die konfessionelle Orthodoxie. Vermischte Schriften und Aphorismen,
die viele satirische, ironische, geistvoll formulierte Aussprüche über
alle Lebensgebiete enthalten, kann man ohne weiteres als geniale Qualität
Lichtenbergs bezeichnen. Die Zeit des Sturm und
Dranggalt damals als Geniezeit - wahrscheinlich weil deren Vertreter
auf die später noch mehr zu beneidende Deutsche
Klassik zu wirken vermochten. Der Sturm
und Drang erhielt Anregungen durch die Kulturkritik des Genfers Jean-Jacques Rousseau
(Zurück zur Natur!), durch das Genieverständnis E. Youngs sowie
durch die pietistische und empfindsame Tradition. Unmittelbarer Wegbereiter der
antirationalen und religiösen Komponente war der eben erwähnte Hamann,
die eigentlichen Grundideen entwickelte aber Herder. Der
literarische Sturm und Drang begann mit Begegnung zwischen Herder und Goethe 1770
in Straßburg. Von Herders ästhetischen Ideen beeinflußt, verfaßte
Goethe im lyrischen, dramatischen und epischen Bereich die initiierenden Werke
Sesenheimer Lieder (1771), Götz von Berlichingen (1773),
Die Leiden des jungen Werther (1774) u.a.. Goethe, Schiller, F. M. Klinger,
J. A. Leisewitz, H. L. Wagner, J. M. R. Lenz und andere Dichter des Sturm und
Drang verfolgten folgende Themen und Motive: Selbstverwirklichung des genialen
Menschen, den tragischen Zusammenstoß des einzelnen mit der Geschichte,
den notwendigen Gang des Ganzen, Bruderzwist bis zum Brudermord, Konflikte
zwischen Moralkodex und Leidenschaft, soziale Anklage gegen die Korruption der
herrschenden Stände und gegen Standesschranken überhaupt. Guter Stoff
war für die Dichter natürlich auch das Drama um Faust,
das es spätestens seit 1746 auch als Puppenspiel gab. G. E. Lessing konzipierte
ein Faustdrama in ganz neuem Verständnis. Dem Dichter der Aufklärung
bedeutete Fausts Streben nach Wissen nicht Vermessenheit und Aufbegehren gegen
Gott. Nach ihm wurde der Stoff von Dichtern des Sturm und Drang aufgegriffen:
Faust als titanische Persönlichkeit aufgefaßt, so bei Friedrich Müller
(genannt Maler Müller), bei F. M. Klinger und auch bei Goethe im sogenannten
Urfaust, der 1772-1775 entstand und als Abschrift des Fräuleins von
Göchhausen erhalten ist. In einer stark veränderten und von Goethe 1790
veröffentlichten Fassung war die Goethesche Konzeption, in der das Faustdrama
zum Menschheitsdrama wird, bereits so angelegt, wie in der Endfassung des Werkes
verwirklicht (Teil
I, 1806; Teil II, 1831). Den Rahmen bildet eine doppelte Wette des Mephistopheles
mit dem Herrn und mit Faust, in der es um das Streben des Menschen nach
Selbstverwirklichung geht, das für den Nihilisten Mephistopheles nur Selbsttäuschung
ist und daher in dumpfem Genuß enden muß. Goethes philosophischer
Werdegang führte ihn von der Abneigung gegen die Schulphilosophie (das
Collegium logicum) in der Leipziger Zeit (1765-1768), wo seine erste Lyrik
im Stil des Rokoko
entstanden. Zur Erweckung eigenen philosophischen Denkens kam es in der Straßburger
Zeit (1770-1771), wo Goethe in der Freundschaft mit Herder seinen Durchbruch zum
Sturm und Drang fand. Goethes naturphilosophische Studien der ersten Weimarer
Zeit (1775-1786) gründeten insbesondere auf Auseinandersetzung mit Platon,
Neuplatonismus, Giordano Bruno und Spinoza. Nach seiner italienischen Reise (1786-1788)
begann nicht nur die Weimarer
Klassik, sondern auch Goethes Sachinteresse an der Farbenlehre und an der
vergleichenden Gestaltlehre, der Morphologie
(niedergelegt in der Metamorphose der Pflanzen, 1790; vgl. Metamorphose).
Die
Literatur des deutschen Rokoko (1740-1780) übernahm die Grundtendenzen der
Aufklärung und Züge der Empfindsamkeit. Oberstes Prinzip war für
ihre Vertreter die Grazie als das moralisch Schöne. Neues Lebensgefühl,
heitere, weltimmanente Lebensfreude wurden ebenso propagiert wie ein verfeinerter
Sinnengenuß, der in ästhetischem Spiel und graziöser Form Leben
und Kunst harmonisch vereinen sollte. Man bevorzugte Kurzformen wie Lyrik, Verserzählung,
Dramolett, Singspiel und Idylle. Während des deutschen Rokoko wirkten hauptsächlich
C. M. Wieland (1733-1813), der junge J. W. Goethe (1749-1832), der junge G. E.
Lessing (1729-1781), F. von Hagedorn (1708-1754), J. W. L. Gleim (1719-1803),
H. W. von Gerstenberg (1737-1823), C. F. Gellert (1715-1769), S. Geßner
(1730-1788), J. P. Uz (1720-1796), F. G. Klopstock (1724-1803), E. C. von Kleist
(1715-1759) J. C. Gottsched (1700-1766). (Vgl.
18-20). Einen Vorgriff auf die nächste
Phase unternahmen die gelehrten Vertreter der klassizistischen
Bewegung in Deutschland, und zwar J. J. Winckelmann (1717-1768) und G. E. Lessing
sowie die zu Beginn dieser Zeit noch jungen J. W. Goethe und F. Schiller.
(Vgl.
18-20). Johann Gottfried Herder (1744-1803)
stand von 1762 bis 1764, als er in Königsberg Theologie studierte, unter
Einfluß Kants und Hamanns. 1764 bis 1769 war er Lehrer in Riga, 1771 Hofprediger
in Bückeburg. Die Philosophie Herders ist vor allem von Giordano Bruno, Spinoza,
Leibniz und Hamann, mit dem er befreundet war, geprägt. Den späteren
Kant lehnte er schroff ab, seine Untersuchungen nannte er öde Wüsten
voll leerer Hirngeburten und im anmaßenden Wortnebel. Gegen den Aphorismus
Kants führte er den Entwicklungsgang der Sprache ins Feld. Erst mit dem Sprechen
entsteht Vernunft,
war seine Antwort. Herders Sprachphilosophie und seine Volksliedersammlung lenkten
seine Aufmerksamkeit besonders auf jene Völker, die ihre urtypischen Sitten
und Bräuche und ihre urwüchsige Sprachkraft noch nicht verloren hatten.
So wurde Herder zum Bewunderer der Lieder der Slawen, von deren Volkstum West-Europa
bis dahin so gut wie nichts wußte. Herder ist der Vater der europäischen
Slawistik. Er bahnte den slawischen Völkern den Weg zu den eigenen, von ihnen
selbst vernachlässigten Volksgütern. Sie haben es Herder zu verdanken,
daß sie in den Bereich der europäischen Kulturinteressen treten konnten.
Nach Herder ist Geschichte fortschreitende Entwicklung zur Humanität: Kritik
der Vernunft bedarf es nicht, sondern einer Physiologie der menschlichen Erkenntniskräfte.
In der Geschichte wie in der Natur entwickelt sich alles aus gewissen natürlichen
Bedingungen nach festen Gesetzen. Das Fortschrittsgesetz der Geschichte beruht
auf einem Fortschrittsgesetz der Natur, das schon in den Wirkungen der anorganischen
Naturkräften verborgen tätig ist, in der aufsteigenden Reihe der organischen
Wesen vom Naturforscher bereits erkannt wird und sich für den Geschichtsforscher
in den geistigen Bestrebungen des Menschengeschlechts zeigt.Weil in einer
Zeit der Aufklärung die Staatsdinge auch für einen Herrscher nicht wie
im Handumdrehen zu erledigen sind, der Anspruch auf Perfektionismus aber aufrechterhalten
bleiben soll, gibt es viel Dienst und mühsame Arbeit für die pflichtbewußten
Staatsdiener. Das gilt auch z.B. für Staatstheoretiker und Historiker. Thukydides
(460-396) und Xenophon (430-354) hatten also wie Charles de Montesquieu (1689-1755)
und Justus Möser (1720-1794) viel Material zu bearbeiten.Die
ganze Universalgeschichte des Rechtes und die Ethnologie vorausgeahnt haben soll
Giovanni Battista Vico
(1668-1744). Er führte die vergleichende Methode in die abendländische
Geschichtswissenschaft bzw. Geschichtsphilosophie ein und nahm an, daß alle
Völker sich parallel entwickeln, daß der corso
(Lauf, Kurs als Aufstieg) der Völker drei Zeitalter durchläuft: das
der Götter, das der Heroen, das der Menschen; die Aufeinanderfolge eines
göttlichen, eines heroischen und eines menschlichen Zeitalters kann man also
als ein Drei-Stadien-Gesetz auffassen. Später sollten jedenfalls nicht wenige
ein ähnliches Drei-Stadien-Gesetz und/oder eine ähnliche Parallelität
zwischen Völkern oder sogar Kulturen annehmen. ( ).
Vico war seiner Zeit sehr weit voraus und lehnte den Cartesianismus ab, genauer:
er setzte gegen Descartes' an Mathematik und Physik orientierten naturalistischen
Rationalismus in De antiquissima Italorum sapienta ... (1710) den erkenntnistheoretischen
Grundsatz: Nur das kann erkannt werden, was einer selbst hervorgebracht
hat. Deshalb ist eine universale Erkenntnis nur Gott möglich, der in
seiner Schöpfung alles geschaffen hat; weil die Geschichte aber andererseits
das ist, was der Mensch in der Welt geschaffen hat, ist die Geschichte sein vornehmliches
Erkenntnisobjekt. Ausgehend von diesem Grundsatz entdeckte Vico in seinem Werk
Von dem einen Ursprung und Ziel allen Rechtes (1720) die Geschichtlichkeit
des Rechts und entwickelte das für die gesamte Menschheitsgeschichte als
gültig erachtete geschichtsphilosophische Modell der gesetzmäßigen
Wiederkehr je eines theokratischen, heroischen und menschlichen Zeitalters in
einem Zyklus von Aufstieg, Verfall und ständiger Wiederkehr. ( ).
Wie gesagt: Vico erklärte die Geschichte zum eigentlichen Feld der menschlichen
Erkenntnis, weil der menschliche Geist am besten das verstehen könne, was
er selbst gemacht habe: Tat-Sachen. Daß Vico seiner Zeit weit
voraus war, läßt sich schon allein daran erkennen, daß er als
Wegbereiter des Historismus und als Systematiker der Geschichtswissenschaften
gilt. Und das sind gerade nicht die positiv erkennbaren physikalischen
Phänomene, denn sie können nur von außen erklärt werden und
nicht, wie in der Geschichtswissenschaft, von innen verstanden werden. Das ist
im wesentlichen schon die These der Hermeneutik, denn die Gegenüberstellung
von Erklären und Verstehen ist typisch für diese Denkrichtung, und zu
Vicos Zeiten gab es die Hermeneutik als wissenschaftliche Disziplin noch gar nicht:
Vico war eben seiner Zeit weit voraus. Was jedoch die Kulturzyklen-Theorie angeht,
so hatte schon lange vor Vico Francis Bacon (1561-1626) festgestellt, daß
Kulturen altern wie Menschen und Phasen bzw. Auf-und-Ab-Stufen durchleben: In
der Jugend der Völker und Staaten blühen die Waffen und die Künste
des Krieges; im reifen männlichen Alter der Völker und Staaten Künste
und Wissenschaften; dann eine Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst und Musenkünste;
endlich im Greisenalter der Völker und Staaten Handel und Industrie, Luxus
und Mode. (Francis Bacon, De dignitate et augmentis scientiarum,
1605; IV, 2, 114).
Der Philosoph und Mathematiker
Christian Wolff
(1679-1754), führend in der deutschen Aufklärung
geworden, hatte das System des deutschen Rationalismus
unter Verwendung aristotelischer, stoischer und auch scholastischer
Gedanken zur höchsten Entfaltung gebracht und dadurch die von
ihm umgestaltete Leibnizsche
Philosophie zur herrschenden Philosophie seiner Zeit gemacht. Seine
Schüler, die Wolffianer, hatten an fast allen deutschen
Universitäten die philosophischen Lehrstühle inne. Zu
Wolffs Schülern zählte in seinen jungen Jahren auch Kant.
Später nannte er Wolff den gewaltigsten Vertreter des rationalen
Dogmatismus: des Standpunktes des reinen ungebrochenen Vertrauens
in die Macht der Vernunft. Die Titel der Schriften Wolffs beginnen
fast alle mit Vernünftige Gedanken ... ,
gewachsen waren sie in Leibniz. Beide wirkten außer auf die
Leibniz-Wolffsche Schule u.a. auf Herder,
Goethe, Schiller und den Deutschen Idealismus,
später u.a. auf Herbart
und Lotze,
ja sogar noch auf die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts,
auf die Logistik der Sprachphilosophie, wie überhaupt auf die
Linguistische Wende und den Nativismus. (u.a. Chomsky),
sodann auf den Konstruktivismus
(Maturana, Luhmann u.a.).
Immanuel Kant
(1724-1804) stammte aus einer Handwerkerfamilie mit 12 Kindern, studierte in Königsberg
Mathematik und Naturwissenschaften, Philosophie bei dem Wolff-Schüler Martin
Knutzen. Kant verbrachte sein ganzes Leben in Königsberg,
wirkte ab 1756 als Privatdozent, ab 1770 als ordentlicher Professor der Logik
und Metaphysik mit großem Lehrerfolg, und er lehrte auch Naturwissenschaften,
insbesondere Geographie. 1794
wurde der Begründer des Kritizismus bzw. der Transzendentalphilosophie durch
eine königliche Kabinettorder verwarnt: wegen Entstellung und Herabwürdigung
mancher Haupt- und Grundlehren der Heiligen Schrift und des Christentums.
Kant hat den Begriff der Metaphysik geändert, den der Erkenntnistheorie neugeschaffen, beides in der Kritik der reinen Vernunft (1781). Er
sah in der Metaphysik nicht mehr die Wissenschaft vom Absoluten, wie noch die
dogmatischen Philosophen, besonders die Wolff-Schule, sondern die Grenzen
der menschlichen Vernunft. Die Erkenntnistheorie sollte die Grenzpolizei
gegen alle Anmaßungen und Grenzüberschreitungen über das Erfahrbare
hinaus sein. Erkenntnisse beruhen nach Kant einzig und allein auf Erfahrung, auf
Sinneswahrnehmung. Die Sinne allein geben Kunde von einer realen Außenwelt.
Kant begründet das in etwa so: Erkenntnis entspringt nicht vollständig
aus der Erfahrung, vielmehr wird sie geformt durch die apriori bereitliegenden
Anschauungsformen des Raumes und der Zeit und die Denk- bzw. Verstandesformen
der Kategorien.
Die Kategorien sind einerseits die allgemeinsten Wirklichkeits-, Aussage- und
Begriffsformen, also die Stammbegriffe, von denen die übrigen Begriffe ableitbar
sind (Erkenntniskategorien), andererseits die Ur- und Grundformen des Seins der
Erkenntnisgegenstände (Seins- oder Realkategorien). Die Erforschung der Kategorien
nannte Kant transzendental. Die Erkenntnistheorie als spezialisierte Untersuchung
der Erkenntnis gliedert sich in Erkenntniskritik, die von einem vorher bestehenden
Erkenntnistypus ausgeht, an dem sie die vorhandenen Kenntnisse kritisch mißt,
so Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781), und die Erkenntnismetaphysik,
die das Wesen der Erkenntnis erforscht. Kant erschütterte aber eine Art von
Metaphysik, die wahrnehmungslos und bloß spekulativ-konstruktiv vorgeht,
indem er ihr die Fähigkeit zu irgendeiner Wirklichkeitserkenntnis absprach.
Freilich räumte er ein, daß auch die durch Erfahrung gegründete
Erkenntnis nicht auf die Dinge
an sich, sondern nur auf deren Erscheinungen (Phänomene) zurückgeht.
Reine Gedankenkonstruktionen hinsichtlich der Dinge an sich aber sind
nach Kant erst recht keine Erkenntnisse. Dies versuchte er zu beweisen an der
psychologischen, kosmologischen und theologischen Idee der bisherigen scholastischen,
ontologischen, rationalistischen, damit als dogmatische Scheinwissenschaft entlarvten
Metaphysik und natürlichen Theologie: der Unsterblichkeit der Seele, der
Entstehung der Welt, der Existenz Gottes. ( ).
Kritizismus
heißt nach Kant das Verfahren, Möglichkeit, Ursprung, Gültigkeit,
Gesetzmäßigkeit und Grenzen des menschlichen Erkennens festzustellen.
Kant parallelisierte geistig das Kindesalter mit dem Dogmatismus,
das Jünglingsalter mit dem Skeptizismus,
das reife Mannesalter mit dem Kritizismus.
Systematisch hält der Kritizismus die Mitte zwischen Rationalismus
und Sensualismus.
Kants Kritizismus wendet sich 1.) gegen die Mißachtung
der Wahrnehmung beim Erkennen, 2.) gegen die Behauptung, man könne aus
bloßen Begriffen (Kategorien) ohne Grundlegung durch Wahrnehmung Erkenntnisse
bilden, 3.) gegen die Behauptung, Gott, Seele, Welt seien erkennbare Gegenstände,
während sie in Wirklichkeit (systembildende) Ideen sind.
Der
Hauptsatz des Kritizismus: Anschauungen ohne Begriffe sind blind, Begriffe
ohne Anschauungen leer. Der transzendentale
Idealismus Kants besagt, daß nicht die Dinge
an sich, sondern die Dinge nur als Erscheinungen erfaßbar sind. Transzendent
bedeutet demzufolge, daß Erfahrungen bzw. Erkenntnisse überstiegen
werden, wenn sie jenseits des Bewußtseins liegen, dieses also überschreiten.
Transzendental dagegen bedeutet nicht etwas, was über alle Erfahrung hinübersteigt
(= transzendent), sondern was vor ihr (a priori) zwar hervorgeht, aber
doch zu nichts weiterem bestimmt ist, als lediglich Erfahrungserkenntnis möglich
zu machen. Der Begriff des Transzendentalen bezeichnet somit offenbar das Problem
der Erkenntnislehre, aber auch die Erkenntnislehre selbst und ihrer Methoden.
Die transzendentale Idee ist nach Kant ein Vernunftbegriff, ein Begriff, der nur
in der Sehnsucht des Verstandes, das ihm Gegebene zu überschreiten, seinen
Ursprung hat und die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, aber für
die formale Anordnung der Begriffe
und Erkenntnisse in einer vollständigen Wissenschaft unentbehrlich ist. Die
3 Ideen der Metaphysik sind nach Kant: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit. Platons
Begriff der Ideen ist dagegen ein urtypischer (urkultureller), weil er methodisch
in genau die andere Richtung zeigt: Ideen sind aufgrund vorgeburtlicher Erinnerung
erfaßbare, Realität besitzende Urbilder der Dinge. Nach Platon sind
sie nicht sinnlich, sondern nur geistig erfaßbar, und zwar mit eben jener
Anamnese: der vorgeburtlichen Erinnerung. Anamnese sei, so Platon, eine Wiedererinnerung
als Erkenntnis, weil jede Erkenntnis ein Sicherinnern der Seele an die Ideen sei,
in deren Nähe sie vor ihrer Verbindung mit dem Körper weilte. Ideen
sind nach Platon ewige und unveränderliche Urbilder. Das Ding bilde die Ideen
ab und hat an der Idee teil. Somit ist die Idee in ihm gegenwärtig und demzufolge
das Eigentlich-Seiende. Das Abendland hatte sich mit der platonischen Ideenlehre
seit ihrem Bekanntwerden immer schon auseinandergesetzt, und mit Fichte,
Schelling
und Hegel
erhielt sie jetzt erneut Bedeutung, aber an die eigentliche platonisch-antike
Bedeutung kamen selbst diese 3 Hauptvertreter des Deutschen
Idealismus und auch Goethes Urphänomene
nicht heran. Keinem Menschen ist es möglich, kulturell gegensätzliche
Seelenbilder und Ursymbole zu überwinden. Auch eine Synthese muß aufheben,
wenn auch auf erhöhter Ebene. (Vgl. Aufheben
und Dialektik).
Antinomie nennt man den Widerstreit zwischen mehreren Sätzen, deren
jeder für sich Gültigkeit hat. Kant stellte 1781 in seiner Kritik
der reinen Vernunft eine besondere Antinomienlehre auf, in der er 4 Antinomien
- 2 mathematische und 2 dynamische - unterschied, die jeweils aus Thesis (Behauptung)
und Antithesis (Gegenbehauptung) bestehen. Kant erblickte die Hauptleistung des
Verstandes in der Synthesis der transzendentalen Apperzeption,
wodurch empirische Anschauungen zur Einheit einer Erkenntnis werden.Rationalismus
und Empirismus
zusammengebracht zu haben, ist das Verdienst der Kritik der reinen Vernunft
(1781): Kants Buch wurde damit zum Buch der Bücher der neueren Philosophie
(Spätdenker ).
Kant definierte einerseits, was die Vernunft von sich her an Erkenntnis mitbringt
(was a priori ist) - im Rationalismus schien das nahezu alles zu sein -,
und andererseits, was die Vernunft sich durch die sinnliche Erfahrung geben lassen
muß (was später als die Vernunft ist, oder a posteriori) - das
schien dem Empirismus fast alles zu sein. Objektive Erkenntnis sei nämlich
immer ein Zusammengesetztes aus beiden. Damit geht es allerdings der Metaphysik
an den Kragen, denn ihre Gegenstände gehen ja nicht selten über alle
sinnliche Erfahrung hinaus. Wenn es stimmt, daß von der Metaphysik seit
Kant nichts anderes übrig geblieben ist als die theoretische Basis sicherer
Naturwissenschaft und das Gewissen, dann hätten ja die metaphysischen Ideen
- z.B. Gott, Freiheit, Unsterblichkeit - nichts Antinomisches, Widersprüchliches,
die Vernunft Zerbrechendes mehr an sich. ( ).
Hier findet man Kants zündende Idee, die stark an Platon erinnert: er unterscheidet
nämlich die Welt, wie sie unabhängig von unserer Anschauung und unserem
Verstand ist (die Dinge
an sich), von der Welt, die uns als räumlich-zeitlicher Geschehenszusammenhang
erscheint (die Dinge als Erscheinungen). Dann ist jedes Ding zweierlei:1)
Gedankending oder Ding an sich selbst (noumenon) 2)
Erscheinung oder Ding als Gegenstand der Erfahrung (phainomenon)Kant
konnte, anders als der skeptische Hume, der Naturwissenschaft Sicherheit verschaffen:
die Realität ist Meßbares, Empfindbares, kausal Erfolgendes in Raum
und Zeit, aber das Ganze, diese Realität, ist nur Erscheinungswelt, Vorstellungswelt
des Ich. Sie richtet sich in ihrer Erkennbarkeit nach dem Ich. Das nennt man die
kopernikanische Wende in der Philosophie durch Kant. Die Dinge an sich,
die Welt ohne das vorstellende Ich mit seinen Kategorien (Quantität, Qualität
und Kausalität) und Anschauungsformen (Raum und Zeit), sind unerkennbar,
aber eben denkbar. Und nun kommt das Entscheidende: zu dieser Welt der Dinge an
sich gehört auch das Ich, sofern es sich selbst nicht sinnlicher oder intelligibler
Gegenstand sein kann. Und das geschieht, wenn er spürt, daß
er soll. Sollen kommt in der ganzen Welt nicht vor, so Kant, nur im Menschen.
Hier also, in der Freiheit, im Sollen, in der Moral, ist der Punkt, wo sich das
Ich hinein ins Jenseits rettet, in eine intelligible Welt. Unsterblichkeit ist
Verdienst der sittlichen Anstrengung: Wir
sind und jetzt durch die Vernunft schon als in einem intelligiblen Reiche befindlich
bewußt, nach dem Tode werden wir das anschauen und erkennen und dann
sind wir in einer ganz anderen Welt, die aber nur der Form nach verändert
ist, wo wir nämlich die Dinge erkennen, wie sie an sich selbst sind.
Kant,
1781 Kant äußerte sich natürlich
auch, und zwar pflichtgemäß, zur Ethik,
einem in dieser spätrationalistischen Phase zur Höchstform auflaufenden
Charakteristikum (antik wie abendländisch). Pflicht
ist die verbindliche Pflege, für etwas zu sorgen. Diese als inneres Erlebnis
auftretende Nötigung muß er vor Augen gehabt haben, um den von ethischen
Werten ausgehenden Forderungen entsprechen und das eigene Dasein diesen Forderungen
gemäß gestalten zu können. Kant kam in seiner Kritik der praktischen
Vernunft (1788) zu einer autonomen Pflicht-Ethik, die als eine bedeutende
philosophische Leistung gelten kann. Kants Gedankengang ist in etwa folgender:
Der Vernunft ist es zwar unmöglich, Gegenstände rein apriori, d.h. ohne
Erfahrung theoretisch zu erkennen, wohl aber den Willen des Menschen und sein
praktisches Verhalten zu bestimmen. Seinem empirischen Charakter nach,
d.h. als Person, steht der Mensch unter dem Naturgesetz, folgt er den Einflüssen
der Außenwelt, ist er unfrei. Seinem intelligiblen Charakter gemäß,
d.h. als Persönlichkeit, ist er frei und nur nach seiner (praktischen) Vernunft
ausgerichtet. Das Sittengesetz, dem er dabei folgt, ist ein Kategorischer
Imperativ. Nicht auf äußere Güter gerichtetes Streben
nach Glück, nicht Liebe oder Neigung machen ein Tun moralisch, sondern allein
die Achtung vor dem Sittengesetz und die Befolgung der Pflicht. Getragen ist diese
Ethik der Pflicht von der nicht theoretischen, sondern praktischen Überzeugung
von der Freiheit des sittlichen Tuns, von der Unsterblichkeit des sittlich Handelnden,
da dieser in diesem Leben den Lohn seiner Sittlichkeit zu ernten nicht befugt
ist, von Gott als dem Bürgen der Sittlichkeit und ihres Lohnes. Diese 3 Überzeugungen
sind nach Kant die praktischen Postulate von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit.
Von religiöser Heteronomie - Fremdbestimmung u.s.w. - ist nach Kant die Sittlichkeit
frei, weil sie autonom ist. In diesem Zusammenhang sah Kant seine Auffassungen
über Recht, Staat, Politik und Geschichte, deren Wirklichkeit er sehr skeptisch
gegenüberstand, besonders der des von ihm als ethisch-politisches Ideal anerkannten
Ewigen Friedens.Mit der Kritik der Urteilskraft (1790)
schloß Kant seine Darlegungen zu seinem System des Kritizismus ab. Nach
Kant ist Urteilskraft
1) das Vermögen, unter Regeln zu subsumieren,
d.h. zu unterscheiden, ob etwas
unter einer gegebenen Regel
stehe oder nicht (subsumierende Urteile). 2) das Vermögen (die Fähigkeit),
das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen (Regel, Prinzip, Gesetz)
zu denken (reflektierende Urteile).Synthetisch heißt nach Kant
ein Urteil, dessen Prädikats-Inhalt noch nicht im Subjekt-Inhalt enthalten
ist, vielmehr durch den Urteilsvollzug erst neu hinzukommt. Synthetische
Urteile, von Kant in synthetische Urteile a posteriori und synthetische
Urteile a priori (z.B. mathematisch) eingeteilt, bringen also zu dem Begriff
des Subjekts ein Prädiakt hinzu, welches in jenem noch gar nicht gedacht
war (alle Körper sind schwer). Kant machte sie zu seinem sachlichen
Ausgangspunkt für seine kritische Untersuchung der Erkenntnis. Daß
sie möglich sind, ja vorhanden sind, wird dabei vorausgesetzt. Analytische
Urteile dagegen sind nach Kant solche Urteile, deren Prädikat im Subjekt
bereits enthalten ist (alle Körper sind augedehnt).Kants
Philosophie, in Fachkreisen seine theoretische, in weiteren Kreisen, z.B. bei
Goethe und Schiller, seine praktische, rief schon zu seinen Lebzeiten eine starke
Bewegung hervor. Auf Schiller wirkte Kant vor allem durch seine Sittenlehre, wenn
auch Schiller die Härte der Kantschen Pflichtethik bekämpfte. Goethes
anschauender Natur war zwar Kants Kritik der reinen Vernunft in ihrer Abstraktheit
fremd, doch beeindruckte ihn Kants Kritik der praktischen Vernunft mit
ihrer strengen Pflichtethik, und Kants Kritik der Urteilskraft habe ihm sogar
die philosophische Grundlage für sein Schaffen, Tun und Denken
gegeben. Hamann, Herder und Jacobi traten als Gegner Kants auf. Fichte, Hegel,
Schelling knüpften mit ihrer (aber nicht mehr kritizistischen!) spekulativ-idealistischen
Metaphysik an Kant an. (Vgl. Idealismus).Das
Ganze der Drei
Kritiken - die Transzendentalphilosophie - besteht also aus den Bedingungen
der Möglichkeit allgemeingültiger Naturerkenntnis (Wissenschaft), allgemeingültiger
Willensbestimmung (Moral) und allgemeingültigen Geschmacks (Ästhetik).
Neben dieser Durchführung seiner Philosophie betrieb Kant auch noch Philosophie
in weltbürgerlicher Bedeutung. Darunter verstand er praktische
Menschenkenntnis. Er publizierte sie 1798 unter dem Titel Anthropologie in
pragmatischer Hinsicht und in zahlreichen kleineren Schriften über die
Menschheitsgeschichte, über Politik und Moral. Auf Kants Vernunftidee einer
friedlichen Völkergemeinschaft (in der Schrift Zum ewigen Frieden,
1795) sollten sich später der Völkerbund (1919) und die UNO (1945) berufen.
Durch Kant wurde die abendländische Philosophie erwachsen. 
Kant bildete den geistigen Übergang von jugendlicher zu erwachsener Kultur.
Dieser Denkpolizist fand den Grenzraum zwischen Hochdenkern und Spätdenkern.
Als jüngerer Vorkritiker war er Hochdenker, als älterer Nachkritiker
war er Spätdenker. Durch Kant erhielt auch das Abendland seine eigenen
denkgeschichtlichen Fußnoten.
|
-
Kulturphilosophisches Fazit -
Die Zeit der Hochdenker, der rationalistischen Philosophen, legte auf dem Gebiet
der exakten Wissenschaften den Grund für eine Neu-Theologie, namentlich:
Naturwissenschaft (und Technik). Hatte sich die Philosophie gerade von der Theologie
getrennt, so bahnte sich schon die nächste Trennung an. Im Abendland war
aus der gerade gekrönten Philosophie Wissenschaft geworden, aus dem Siegerpokal
ein Wanderpokal. In der Antike, wo sich die Philosophie gerade von
der Theologie, dem theurgisch-mythologischen Mysterienkult, gelöst hatte,
blieben Philosophie und Wissenschaft als Synonyme ein Einzelkörper,
z.B. als die nach der Natur Forschenden. ( ).
In einer die Statik
bevorzugenden Kultur ist eine (abendländisch verstandene) Wissenschaft im
Nachteil, aber die Antike war (und ist! )
in der Philosophie, im statischen Hochdenken, unschlagbar. Im Abendland,
wo sich die Philosophie gerade von der Theologie, dem päpstlich-christologischen
Bevormundungskult, gelöst hatte, blieben Philosophie und Wissenschaft in
ihrem hyperonom-hyponomen Beziehungsraum,
z.B. als die nach der Sprache zur technischen Naturbeherrschung Forschenden.
( ).
In einer die Dynamik
bevorzugenden Kultur ist eine (antik verstandene) Philosophie im Nachteil, aber
das Abendland war (und ist! )
in der Wissenschaft, im dynamischen Hochdenken, unschlagbar. ( ).
Hier wurden viele Philosophen und andere Forscher zu Wissenschaftlern, und auch
nachdem sich die ersten wissenschaftlichen Disziplinen von der Philosophie getrennt
hatten, blieben die Verbindungen größtenteils bis in die Spätdenkerzeit
bestehen. ( ).
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß
die Wissenschaft selbst immer mehr zu einer Philosophie bzw. Neu-Theologie wurde
(man glaubte fest an die Wissenschaft), während die Philosophie, die ja die
abtrünnigen Wissenschafler zuvor selbst gestellt hatte, sich neue Aufgaben
suchen mußte. Die neuen Aufgabenfelder entpuppten sich am Vorabend der Spätdenker
als solche der Ethik und als solche der Suche nach endlich abschließenden
Systemen im Unendlichen,
d.h. nach dem (abendländisch) Unmöglichen im scheinbar Möglichen.
Gleiches geschah in der Antike, nur suchte man hier lieber nach dem (antik) Möglichen
im scheinbar Unmöglichen. Der abendländische
Denker kann nicht ein- und abgrenzen, weil er immer wieder neue Unendlichkeiten
entdeckt. Der antike Denker will ein- und abgrenzen, weil er den Kosmos
liebt, aber das Chaos nicht erträgt und alles Böse sogar auf die
Unsterblichen projiziert. ( ).
Da die Philosophie in dieser rationalistischen Hochdenkerzeit so großartige
Erfolge verbuchen konnte, brauchte sie den ehemaligen Konkurrenten auf der Denkbühne
nicht mehr zu fürchten. Auf der machtpolitischen Bühne sah sie sich
natürlich immer noch den Repressalien der herrschaftlichen Institutionen
ausgesetzt. Die antike Polis verteidigte den mythologischen Polytheismus genauso
vehement wie später die abendländische Kirche den christlichen Monotheismus.
Die meisten Denker fanden gegen die Druckmittel auch die geeigneten Sprachmittel.
Die Mächtigen mußten umdenken, wollte sie ihre Macht nicht ganz verlieren,
und nicht wenige gingen diesen Weg auch, trotz der zu erwartenden Probleme aus
dem eigenen Lager. Die Philosophie bzw. die Wissenschaft war in dieser Zeit einfach
zu erfolgreich. Dazu kam im Abendland noch die Umlaufgeschwindigkeit
des Wissens, die, seit Gutenberg
im 15. Jh. die beweglichen Druckbuchstaben in Umlauf gebracht hatte, enorm anwuchs.
Diese stark dynamisierten Druckmittel sorgten nicht nur für die Alphabetisierung
(Schrifterwerb),
diese stark dynamisierten Sprachmittel sorgten überhaupt für ein dynamischeres
Klima, besonders beim Umdenken: beim Umschalten von Frühdenken auf Hochdenken.
Ganz genau an diesem Punkt wird nämlich Philosophie frei und das trainiert,
was man Langzeitgedächtnis
oder Kulturgeschichtsgedächtnis nennen kann. Im Abendland schienen die ab
jetzt sich häufenden Erfindungen und das durch die geographischen Entdeckungen
enorm anwachsende Wissen unaufhörlich zu werden; sie ließen keinen
Zweifel an Wissenschaft und Technik mehr zu, mochten noch so viele Starrsinnige
gegen sie ankämpfen. Die Wissensschulung
schien ins Unermeßliche zu wachsen, die Rationalisierung
ins Unendliche zu steigen.
Das Streben der rationalistischen Philosophie in Richtung auf eine Neu-Theologie
war auch durch die Versuche gekennzeichnet, eine weltliche oder natürliche
Religion zu begründen, die die tradierte Offenbarungsreligion
ablösen sollte. Diese etaws übertreibene Kritik
richtete sich auch gegen jede echte Metaphysik. Spätestens seit der Aufklärung
glaubten also nicht wenige Menschen tatsächlich an eine Art Natur-Theologie,
die für sie allerdings (und leider übertrieben) eher Natur-Religion
oder Vernunft-Glaube hätte sein sollen. Diese aus der selbstverschuldten
Unmündigkeit Erwachenden (Kant) verpflichteten sich dem Ziel, die auf
religiöser oder politischer Autorität beruhenden Anschauungen durch
solche zu ersetzen, die sich aus der Betätigung der menschlichen Vernunft
ergeben und die der vernünftigen Kritik jedes einzelnen standhalten. Es mußte
ja so kommen: als das Hochdenken langsam nachließ, mußte fatalerweise
die Konkurrenz zur Theolgie wieder stärker und offener in den Blickpunkt
rücken.
Kann der Kategorische
Imperativ einer erwachsen werdenden Kultur das ersetzen, was sie einst
als Kleinkindkultur in der behüteten Kulturfamilie schon erworben
hatte? Konnte das Höhlengleichnis einer erwachsen werdenden
Kultur das ersetzen, was sie einst als Kleinkindkultur in der behüteten
Kulturfamilie schon erworben hatte? Auch Kulturen sind genetischen (intaruterinen)
und familiären Prägungen ausgesetzt, aber jugendliche und erwachsene
Prägungen sind als Neu-Prägungen zu bewerten, weil der Anteil der
eigenen aktiven Beteiligung an solchen Prägungen überwiegt. Kant
und Platon, zwei Beispiele starker Nachwirkungen, waren neu-prägend,
prägend konnte der Platonismus nur werden, weil seine Kultur Vater
wurde, prägend kann der Kantianismus nur werden, wenn seine Kultur Vater
wird.
Die kommenden Spätdenker sollten es also in vierfacher Hinsicht schwer haben:
Technologie, Wissenschaft, Philosophie und Theologie - im Zusammenspiel: der Glaube
an die
- sollten die konkurrierenden Spätdenker dazu veranlassen, die durch die
Hochdenker (vor allem die forschenden Philosophen und Wissenschaftler)
dynamisch angestrebte Neu-Theologie zu einer Neu-Religion zu machen. Die Spätdenker
sollten also als Neu-Theologen das Spätdenken starten und die als
christliche Maxime ausgegebene Reihenfolge Theologie-Philosophie-Wissenschaft-Technologie
umkehren, die die kirchlichen Vertreter einst festgelegt hatten ( )
- in der Zeit der Frühdenker, als sich Scholastik und Mystik noch auf dem
Weg von der Theologie zur Philosophie befanden. ( ).
Jetzt, in der rationalistischen Hochdenkerzeit, blieb die protestantische Neuscholastik
zwar auf der Strecke, aber die katholische Neuscholastik konnte sich behaupten.
( ).
Auch die Neumystik behauptete sich in der gesamten Zeit der Rationalistik. ( ).
Erst im großen Strom des Deutschen Idealismus und der deutschen Romantik
sollte auch die Neumystik untergehen. Ihr Ende war auch das Ende der Rationalistik,
das Ende der Hochdenker- und damit der Beginn der Spätdenkerzeit. ( ).
|
Tabelle |
Analoge (Hoch-) Philosophien
antik von ca. 700 v. Chr. bis ca. 350 v. Chr. abendländisch
von ca. 1450 bis ca. 1800 (12-14,
14-16,
16-18) |
1) Ionische Naturphilosophen Urstoff seit -650/-600
2) Eleaten Seinsphilosophie/Rationalismus seit -550
3) Pythagoräer Rel.-pol.-arist. Rationalismus seit -550
4) Subjektivisten Elemenekinetik; Heraklit u.a. seit -520
5) Atomisten Naturph.; Leukipp/Demokrit, .. seit -490/-460
6) Sophisten Anthropologie/Aufklärung seit -475/-450
7) Sokratiker Sokrates, Maieutiker seit -440 8) Megariker
Eristiker (Streiter) Euklid v. Megara seit -430 9) Kyrenäiker
Aristippos von Kyrene, Hedoniker seit -400 10) Kyniker
(Autarkisten) Antisthenes, Diogenes seit -400 11) Platoniker Platon,
Alte Akademiker seit -385 |
| 1) Naturwissenschaft/Heliozentrik
seit 1500/1550 2) Empirismus/Rationalismus Mechanik
seit 1600 3) Pol.-rel. Empirismus Polit. Rationalismus
seit 1600 4) Subjektivismus Rationalismus; Descartes
u.a. seit 1630 5) Atomismus Monaden/Infinitesimal.,
Leibniz seit 1660-90 6) Aufklärung seit 1685 (1700)
7) Naturalismus-Subjektivismus seit 1710 8) Naturalismus/Deismus
Freidenker seit 1720 9) Sensualismus Positivisten/Materialisten
seit 1750 10) Früh-Romantik Sturm-und-Drang seit
1760 11) Kantianer Transzendental-Idealismus, Kant
seit 1770 |
Analoge Theologien 
- PURITANISMUS - |
24) Orientalistische
Renaissance seit - 8. / - 7. Jh.; Wende
25) Reformation (Orphiker) Renaissance seit - 7 Jh.;
Wende
26) Dionysos als letzter Gott im Olymp; seit - 7. Jh.;
Wende
27) Zeus-Götterwelt; Theogonie von
Hesiod; seit - 7. Jh.; Wende
28) Gegenreformation (6) Zeus-Götterwelt seit - 7. / - 6.
Jh. | |
24) Humanistische Renaissance seit 14. / 15.
Jh.; Wende
25) Reformation (Luther) Renaissance seit 15. / 16. Jh.;
Wende
26) Neuscholastik (5) Reformation seit 15. / 16.Jh.;
Wende
27) Neumystik (4) Paracelsus, Franck u.a. seit 16. Jh.; Wende
28) Neuscholastik (6) Gegenreformation seit 16. Jh. |
Hochdenker sind die denkenden Hochöfen der
absoluten Kulturfabrik,
verdribbeln sich jedoch nicht selten im subjektiven
Zentralmittelfeld.
Verabsolutierter Rationalismus ist Zentralgewalt der Denktyrannen.
Trotzdem ist die Rationalistik wie eine erste selbst eingeholte
Ernte,
weshalb die Hochdenker auch schon mit dem Erntedenkfest
rechnen.
Diese Vorarbeit macht sie quasi zu den Vordenkern der Spätdenker.
Von allen Denkern haben sie am wenigsten mit dem Abseits
zu tun,
aber ihr Paß vor das Denkertor kann
die Spätdenker veranlassen,
ins Abseits zu laufen, weil Spätdenker es oft zu
spät bedenken.
(*)
|
Anmerkungen:
Hylozoismus
(von griech. 'ule, Holz, Wald, Stoff, Material,
Vorrat und zwh, Leben), auch Hylopsychimus,
ist diejenige philosophische Richtung, welche alle Materie von Haus aus als belebt
(besseelt) betrachtet; die Anschauung, daß die Materie nie ohne
Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann (Goethe).
Hylozoisten waren bereits die ionischen Naturphilosophen (Thales, Anaximander,
Anaximenes, Diogenes von Apollonia u.a.). (Vgl. dazu: Hylemorphismus).Hylemorphismus
(von griech. 'ule, Holz, Wald, Stoff, Material,
Vorrat und morfh, Gestalt, Form) ist die
neuscholastische
Bezeichnung der von Aristoteles
begründeten Lehre, daß alle körperlichen Substanzen aus dem Stoff
(der an sich nur Möglichkeit ist) und der Wirklichkeit verleihenden Form
bestehen. Hyle war für Aristoteles der noch nicht zu realen Dingen
geformte Urstoff, der als bloße, noch nicht verwirklichte Möglichkeit
die einzige Eigenschaft der Formbarkeit besitzt. (Vgl. Hylozoismus).Seelenbild
der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch
und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher
Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild
und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß
der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom
deutlich werden kann: Euklid
hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung
für das antike Beispiel gegeben und Gauß
ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische.
Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen
Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol
angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler,
1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Das
Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele,
ihr Ursymbol die Welthöhle. (Vgl. Spengler,
1922, S. 847f.).  Sfaira
(griech: Kugel), Sphäre. Zu diesem Thema eine Literauturempfehlung: Peter
Sloterdijk;
Sphären, I) Blasen (1998), II) Globen (1999),
III) Schäume (2004).Die Zahl
1 als mathematischer Einzelkörper - ganz antik, ganz apollinisch! (Vgl. Ursymbol).Maieutik
(Geburtshilfe) ist die Hebammenkunst des Sokrates, durch geschicktes Fragen
und Antworten die in einem Menschen liegende richtige Erkenntnis herauszuholen.Eine
abendländische Alternativ könnte lauten: KEIN DER NUMISMATIK UNKUNDIGER
SOLL DIESEN ORT BETRETEN. (Es
möge sich fernhalten, wer unwillig ist, die Geschichte wie eine Goldmünzezu
hüten ). Eine Braunsche Röhre ist in meinem
Bruneschen Sinne ein Gleichrichtereffekt und eine Erweiterung des
kleinsten Zwanges mit bahnbrechender Entwicklung auf dem Gebiet der
Funktechnik. Zum Beispiel
Aristoteles
(383-322), der darauf hinwies, daß der das Wasser des Thales als Ursprung
und Erklärungsgrund der Welt und ihrer Phänomene an den die Welt umfließenden
mythischen Urstrom und an den Totenfluß Styx erinnere. Jedenfalls
erlosch spätestens mit dem Prinzip Wasser der alte, der vorige
Glaube an die im Kosmos herrschenden Götter (heidnische Astrotheologie).
Dazu leistete sicherlich auch die orientalisierende (mesopotamische) Renaissance
ihren Beitrag - und natürlich die vielen Reisen des Thales
von Milet (650-570), der dadurch vielfältige Kenntnisse erwarb.Aristoteles
(383-322); vgl. Ältere und Jüngere Aristoteliker (Peripatetiker)
und Aristotelische
Stoa. Dieser antike Universalgelehrte bestimmte mit seinen Klassifikationen
und Begriffsprägungen die gesamte nachfolgende Philosophie, dominierte insbesondere
die Scholastik.
(Vgl. auch: Früh-Denker).
Die sich auf Aristiteles stützende Art des Philosophierens, der Aristotelismus,
wurde später auch von den Arabern
(z.B. Averroes, 1126-1198) und Juden
(z.B. Maimonides, 1135-1204) gepflegt und beherrschte insbesondere seit dem 13.
Jh. das philosophische Denken des Abendlandes, vermittelt vor allem durch Albert
dem Deutschen (den Großen, 1193-1280) und Thomas
von Aquino (1225-1274), allerdings mit wesentlichen, durch das Christentum bedingten
Änderungen. Dieser oft auch Thomismus
genannte Aristotelismus wurde (als Neuthomismus)
die Grundlage der katholischen Neuscholastik
(bis heute!). In der Zeit der Renaissance
wurde der Aristotelismus in unscholastisch-humanistischer
Art von nach Italien gelangten byzantinischen Gelehrten neu belebt: in Deutschland
fußten also sowohl die protestantische
Neuscholastik (z.B. durch Melanchthon, 1497-1560) als auch die katholische Neuscholastik
(z.B. durch Suárez, 1548-1617) auf dem Aristotelismus. Aristoteles, der
für seinen Sohn Nikomachos die Nikomachische Ethik geschrieben
hatte, blieb für die Entwicklung der abendländischen philosophischen
Ethik richtungsweisend bis Kant
(!). (Vgl. Tabelle).Johannes
Faust (um 1480 - um 1540), deutscher Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler,
war nach seinem Theologiestudium in Heidelberg u.a. in Erfurt (1513), in Bamberg
(1520), in Ingolstadt (1528) und in Nürnberg (1532). Er stand in Verbindung
mit humanistischen Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend Kenntnisse auf dem Gebiet
der Naturphilosophie der Renaissance (magia naturalis). Schon zu seinen
Lebzeiten setzte die Sagenbildung ein, besonders durch Übertragung von Zaubersagen
auf ihn, in denen er vor allem als Totenbeschwörer auftrat. Sein plötzlicher
(gewaltsamer?) Tod gab Anstoß zu Legenden, der Teufel habe ihn geholt. Diese
Stoffe wurden Grundlage eines Volksbuches. Das erste Faustbuch erschien 1587 bei
J. Spies in Frankfurt (Main). Mit einer um 1575 niedergeschriebenen Wolfenbüttler
Handschrift des Faustbuches geht diese Fassung auf eine gemeinsame, nicht erhaltene
Vorlage zurück. Das Spies'sche Faustbuch wurde 1599 in Hamburg neu bearbeitet
von G. Widmann, dessen Fassung später (1674) von J. N. Pfitzer gekürzt
wurde. Das älteste überlieferte Faust-Drama ist The tragical history
of Doctor Faustus (entstanden 1588) von C. Marlowe. Es schließt sich
eng an das Spies'sche Faustbuch an. Den Anfang bildet der Faustmonolog, ein nächliches
Selbstgespräch des Faust, in dem dieser die einzelnen Universitätswissenschaften,
einschließlich der Theologie gegeneinander abwägt, sie alle verwirft
und sich der Magie verschreibt. Dieser Faustmonolog wurde ein festes Bauelement
fast aller späteren Faustdramen. Faustspiele waren bei den englischen Komödianten
in Deutschland (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später den deutschen Wandertruppen
beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor Faust, das seit 1746 bezeugt ist,
fußt. (Vgl. Volksbuch
vom Dr. Faust und z.B. auch Lessing
und Goethe
sowie Seelenbild).Auf
die Hominiden folgte der Homo sapiens sapiens, auf den Humanismus folgt der Hominismus.
Damit schließt sich vorerst der Kreis. Schon im 13. Jahrhundert sollen Alchimisten
erste Experimente unternommen haben, um einen künstlichen Menschen im Reagenzglas
zu erzeugen. Goethe
ließt im 2. Teil des Faust den Famulus Wagner einen Homunkulus nach Anleitung
des Paracelsus erzeugen. Heute scheinen sich die Möglichkeiten zur Erschaffung
des Menschen nach eigenen Wünschen konkretisiert zu haben. (Vgl. hierzu:
22-24).Die
Prädestination wurde vom Calvinismus,
anfangs ein antischolastischer Humanismus,
zu seinem Inhalt und Mittelpunkt gemacht. Diese Prädestination, die man auch
Prädetermination nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen schon vor bzw.
bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen, und zwar entweder als Gnadenwahl
zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis ohne Schuld.
Sie wurde schon von Augustinus
(354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin
(1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638). Auf einen
engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem aus ihm entwickelten
Puritanismus,
und dem modernen Kapitalismus der abendländischen Kultur hat vor allem Max
Weber (1864-1920) hingewiesen.Die
Prädestination, die man auch Prädetermination nennt, meint die Vorbestimmung
des Menschen schon vor bzw. bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen,
und zwar entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation
zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde schon von Augustinus
(354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin
(1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638). Prädestination
wurde vom Calvinismus
zu seinem Inhalt und Mittelpunkt gemacht. Auf einen engen Zusammenhang zwischen
dem Calvinismus, besonders aber dem aus ihm entwickelten Puritanismus,
und dem modernen Kapitalismus der abendländischen Kultur hat vor allem Max
Weber (1864-1920) hingewiesen.Der
Puritanismus
ging aus der Reformation, insbesondere aus dem Calvinismus hervor. Der Calvinismus,
anfangs ein antischolastischer Humanismus, machte die Prädestination zu seinem
Inhalt und Mittelpunkt. Diese Prädestination, die man auch Prädetermination
nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen schon vor bzw. bei seiner Geburt durch
Gottes unerforschbaren Willen, und zwar entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit
ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde
schon von Augustinus (354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli
(1484-1531), Calvin (1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638).
Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem aus
ihm entwickelten Puritanismus, und dem modernen Kapitalismus der abendländischen
Kultur hat vor allem Max Weber (1864-1920) hingewiesen. ( ).
Die Puritaner (die Reinen) sind die Vertreter einer Reformbewegung,
die besonders in England seit etwa 1570 die Reinigung der englischen Kirche von
katholisierenden Elementen in Verfassung, Kultus und Lehre betrieben. Strenger
Biblizismus, eine Gewissenstheologie und die konsequente Sonntagsheiligung beeinflußten
das englische Geistesleben bis in die Gegenwart. Die Puritaner brachten eine ausgedehnte
Erbauungs- und Predigtliteratur hervor. 1604 wurden sie durch die Ablehnung ihrer
Millenary Petition enttäuscht, wandten sich der politischen Opposition
zu oder emigrierten in großer Zahl nach Nord-Amerika. Mit dem Sieg Oliver
Cromwells (1599-1658) 1648 zur Herrschaft gelangt, beseitigten die Puritaner das
Common Prayer Book und das Bischofsamt, vertrieben anglikanische Pfarrer,
entfernten die Orgeln aus den Kirchen u.a.. Nach der Restauration der Stuarts
wurden die Puritaner ihrerseits rigoros aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt
- bis zur Toleranzakte von 1689. Die englischen Puritaner waren und sind also
Vertreter eines speziellen Puritanismus. Diesen Insel-Puritanismus
der Engländer kann man auch Angelsachsen-Puritanismus
nennen. Für den Puritaner ist das genaue Gegenteil der Weltfreude
charakteristisch. Die Weltfremdheit gehört zu den wichtigsten
Charakterzügen des Puritanismus. Max Webers Beispiele zeigen alle das
eine: »der Geist der Arbeit«, des »Fortschritts« oder
wie er sonst bezeichnet wird, dessen Weckung man dem Protestantismus zuzuschreiben
neigt, darf nicht, wie es heute zu geschehen pflegt, als »Weltfreude«
oder irgendwie sonst im »aufklärerischen« Sinn verstanden werden.
Der alte Protestantismus der Luther, Calvin, Knox, Voët hatte mit dem, was
man heute »Fortschritt« nennt, herzlich wenig zu schaffen. Zu ganzen
Seiten des modernen Lebens, die heute der extremste Konfessionelle nicht mehr
entbehren möchte, stand er direkt feindlich. Soll also überhaupt eine
innere Verwandtschaft bestimmter Ausprägungen des altprotestantischen Geistes
und moderner kapitalistischer Kultur gefunden werden, so müssen wir
wohl oder übel versuchen, sie ... in seinen rein religiösen Zügen
zu suchen. (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus,
1904, S. 37-38). Laut Weber ist im Abendland nämlich vor allem die Frömmigkeit
(der Pietismus) das rein religiöse Glied - als Berufung
(Beruf) - zwischen dem alten
Protestantismus bzw. Puritanismus und dem modernen Kapitalismus: Abendländischer
Kapitalismus ist laut Weber nämlich eigentümlich, hat ein eigentümliches
Ethos. Allgemein ist Kapitalismus kein Charakteristikum einzelner (Historien-)Kulturen,
sondern der Menschen-Kultur überhaupt: Aber eben jenes eigentümliche
Ethos fehlte ihm ... In der Tat: jener eigentümliche, uns heute so geläufige
und in Wahrheit doch so wenig selbstverständliche Gedanke der Berufspflicht:
einer Verpflichtung, die der Einzelne empfinden soll und empfindet gegenüber
dem Inhalt seiner »beruflichen« Tätigkeit, gleichviel, worin
sie besteht, gleichviel insbesondere, ob sie dem unbefangenen Empfinden als reine
Verwertung seiner Arbeitskraft oder gar nur seines Sachgüterbesitzes (als
»Kapital«) erscheinen muß: - dieser Gedanke ist es, welcher
der »Sozialethik« der kapitalistischen Kultur charakteristisch, ja
in gewissem Sinne für sie von konstitutiver Bedeutung ist. - ... - Arbeit
als Selbstzweck, als »Beruf«, wie sie der Kapitalismus fordert ...
Die kapitalistische Wirtschaftsordnung braucht diese Hingabe an den »Beruf«
des Geldverdienens: sie ist eine Art des Sichverhaltens zu den äußeren
Gütern, welche jener Struktur so sehr ädaquat, so sehr mit den Bedingungen
des Sieges im ökonomischen Daseinskampfe verknüpft ist .... (Max
Weber, ebd., 1904, S. 43, 45, 53, 61). Innerweltliche Askese bedeutet bei
Max Weber die Verwendung der durch Ablehnung der religiösen Askese frei gewordenen
Energie in der Berufsarbeit, wie eben besonders gefordert und gefördert durch
den Puritanismus.  Beruf
(NHD; aus MHD: beruof, Leumund) - die neuhochdeutsche
Bedeutung hat Martin Luther (1483-1546) geprägt! In der Bibel benutzte er
es zunächst als Berufung durch Gott für klesis (griech.)
bzw. vocatio (lat.), dann auch für Stand und Amt des Menschen in der
Welt, die schon Meister Eckhart (1250-1327) als göttlichen Auftrag erkannt
hatte. Dieser ethische Zusammenhang von Berufung und Beruf ist bis heute wirksam
geblieben, wenn das Wort jetzt auch gewöhnlich nur die bloße
Erwerbstätigkeit meint. Nun ist unverkennbar, daß schon in dem
deutschen Worte »Beruf«, ebenso wie in vielleicht noch deutlichere
Weise in dem englischen »calling«, eine religiöse Vorstellung:
- die einer von Gott gestellten Aufgabe - wenigstens mitklingt und,
je nachdrücklicher wir auf das Wort im konkreten Fall den Ton legen, desto
fühlbarer wird. Und verfolgen wir nun das Wort geschichtlich und durch die
Kultursprachen hindurch, so zeigt sich zunächst, daß die vorwiegend
katholischen Völker für das, was wir »Beruf« (im Sinne von
Lebensstellung, umgrenztes Arbeitsgebiet) nennen, einen Ausdruck ähnlicher
Färbung ebenso wenig kennen wie das klassische Altertum, während es
bei allen vorwiegend protestantischen Völkern existiert. Es zeigt sich ferner,
daß nicht irgendeine ethnisch bedingte Eigenart der betreffenden Sprachen,
etwa der Ausdruck eines »germanischen Volksgeistes« dabei beteiligt
ist, sondern daß das Wort in seinem heutigen Sinn aus den Bibelübersetzungen
stammt, und zwar aus dem Geist der Übersetzer, nicht aus dem Geist
des Originals. Es erscheint in der lutherische Bibelübersetzung zuerst an
einer Stelle des Jesus Sirach (11,20,21) ganz in unserem heutigen Sinn verwendet
zu sein. (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus,
1904, S. 66). Seit Luther also gibt es das Wort Beruf in der noch
heute gültigen Bedeutung: die hauptsächliche Erwerbstätigkeit des
Einzelnen, die auf dem Zusammenwirken von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten
beruht (also auf Bildung bzw. Ausbildung) und durch die er sich in die Volkswirtschaft
eingliedert. Der Beruf dient meist der Existenzbasis. Es war vor allem der Protetestantismus
mit seiner Askese (vgl. Puritanismus),
der die sittliche Leistung der Arbeit stark betonte und den Beruf zum Gebot der
Pflichterfüllung steigerte. Diese Haltung hat sich als Berufsethos, als innere,
enge Verbundenheit des abendländischen Menschen mit seinem Beruf erhalten.
Moderne Antriebe zur Verweltlichung gingen vom Deutschen
Idealismus aus, der im Beruf das Postulat der Persönlichkeitsentfaltung
entdeckte.Es ist
bewunderungswürdig, mit welcher Sicherheit der englische Instinkt aus der
... ganz doktrinären und kahlen Lehre Kalvins sein eignes religiöses
Bewußtsein formte. Das Volk als Gemeinschaft der Heiligen, das englische
insbesondere als das auserwählte Volk, jede Tat schon dadurch gerechtfertigt,
daß man sie überhaupt tun konnte, jede Schuld, jede Brutalität,
selbst das Verbrechen auf dem Wege zum Erfolg ein von Gott verhängtes und
von ihm zu verantwortendes Schicksal - so nahm sich die Prädestination im
Geiste Cromwells und seiner Soldaten aus. Mit dieser unbedingten Selbstsicherheit
und Gewissenlosigkeit des Handelns ist das englische Volk emporgestiegen.
(Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 41 ).
Wenn in England die Tat oder die Arbeit für sich und daher der
persönliche Erfolg als göttliches Zeichen der Erlösung heilig ist,
so in Preußen die Tat oder die Arbeit für andere. So formuliert
es Ehrhardt Bödecker. Die Bezeichnung Pietismus, ursprünglich
ein akademischer Spitzname für Streber und Pedanten, haben die Calvinisten
in Halle von den orthodoxen Lutheranern in Leipzig erhalten. (Ehrhardt Bödecker,
Preußen und die Wurzeln des Erfolgs, 2004, S. 113). Halle fiel 1680
an Brandenburg-Preußen ( ),
August Hermann Francke
(1663-1727) wurde zum Hauptvertreter des Pietismus in Halle und dadurch auch in
Brandenburg-Preußen - seit der Königskrönung (1701) hieß
es nur Preußen. Nicht der englische Kapitalismus, sondern der preußische
Pietismus - der soziale Gemeingeist - führte zur modernen Sozialversicherung.
Nicht England mit seinem eigenbrötlerischen Parlamentarismus, sondern Deutschland
mit seinem sozialen Gemeingeist hatte die weltweit erste soziale Versicherungsgesetzgebung.
Was wir heute als Soziale Marktwirtschaft oder etwas ungenau als Rheinischen
Kapitalismus bezeichnen, ist nur sekundär rheinisch und primär preußisch
( ),
also insgesamt als deutsch zu bezeichnen: Deutscher Kapitalismus ist Deutsche
Marktwirtschaft, weil sozial! Gerechtigkeit ohne Gemeingeist gibt es nicht.Johann
Wolfgang Goethe
(1749-1832): Urfaust
(1772-1775); Faust (Teil I), 1806,
S. 27, Faust (II), 1831, S.113ff.Explikationsbedingte
Neueinführungen rufen tatsächlich oft den Eindruck hervor, als seien
aggressive neue Mitbewohner ins »Haus des Seins« eingezogen, für
die kein angemessener Raum zur Verfügung stand, woraufhin sie sich gleichsam
mit Gewalt einquartierten. Kein Wunder, wenn dies zuweilen als »revolutionäre«
Turbulenz beschrieben wurde. Es besteht, um an eines der grellsten Einführungsdramen
zu erinnern, kein Zweifel daran, daß die Explikation der Schrift durch den
Druck mit beweglichen Lettern die gesamte Ökologie der europäischen
Zivilisation nach 1500 durcheinandergeworfen hat. Man kann so weit gehen
zu sagen, die nach-Gutenbergsche
Welt stelle den Versuch dar, die für den ersten Blick harmlosen Neuankömmlinge,
die in den Setzereien unter der Gestalt kleiner Bleistücke auftraten, in
eine erträgliche Kohabitation mit den übrigen Kulturtatsachen, insbesondere
den religiösen Überzeugungen der Menschen, einzubeziehen - Beweis durch
Gelingen: die neuzeitliche Literatur und das Schulwesen der Nationalstaaten; Beweis
durch Mißlingen: die verhängnisvolle Rolle der Druckerpressen als Träger
der nationalistischen Bewußtseinsdeformation, als Alliierte sämtlicher
ideologischen Perversionen und als Verbreiter und Beschleuniger der kollektiven
Hysterien. Gabriel Tarde bezeichnete die Wirkungen des Buchdrucks zu Recht als
eine »erstaunliche Invasion«, die der Illusion Vorschub leistete,
»Bücher seien die Quelle der Wahrheit«. (Peter Sloterdijk,
Sphären III - Schäume, 2004, S. 212-213; vgl. Sloterdijks Deutung
der Vesal-Revolution).Was
eine »Revolution« wirklich bedeutet, läßt sich am ehesten
im Blick auf die Durchbrüche der Anatomen im 16. Jahrhundert erläutern,
die sich vorgenommen hatten, das menschliche Körperinnere durch Schnitte
zu öffnen und mittels deskriptiv adäquater Abbildungen zu publizieren.
Mag sein, daß die vesalische
»Revolution« für die Selbstverhältnisse westlicher Menschen
viel folgenreicher war als die seit langem überzitierte und mißdeutete
kopernikanische Wende. (Peter Sloterdijk,
Sphären III - Schäume, 2004, S.70; vgl. Sloterdijks Deutung der
Gutenberg-Revolution).Den
eigenen Leib-Innenraum von der Möglichkeit seiner anatomischen Veräußerlichung
her verstehen: dies ist das primäre kognitive »Revolutions«resultat
der Neuzeit - vergleichbar nur mit der weltbildverändernden Gewalt der ersten
Erdumsegelung durch Magellan und del Cano. (Peter Sloterdijk,
Sphären III - Schäume, 2004, S. 72; vgl. Sloterdijks Deutung
der Gutenberg-Revolution).Mystik
(zu Myste, zu [griech.] myein, sich schließen [Lippen und Augen schließen])
war ursprünglich ein in die kultischen Geheimnisse der antiken Mysterien
Eingeweihter und durch Weihen Aufgenommener. Ansonsten bedeutet Mystik eine weitverbreitete
Sonderform religiösen Verhaltens, die einen bestimmten Frömmigkeitstypus
hervorbrachte. Vgl. Ur-Mystik,
Früh-Mystik,
Hoch-Mystik,
Spät-Mystik
und Neu-Mystik und
ihre Mündung in Idealismus
und Romantik.Der
Neuthomismus, der Kern der Neuscholastik
seit Beginn der Gegenreformation
bis heute, entwickelte sich aus dem Thomismus.
Er gehört zu den bedeutendsten philosophischen Bewegungen der Gegenwart (Spätdenker),
ist am stärksten in Frankreich und Belgien entwickelt, aber in fast allen
Ländern vertreten. Das heute wichtigste Studienzentrum ist das von Kardinal
D. Mercier (1851-1926) begründete Institut superiéur de philosophie
an der UniversitäLöwen. Der Neuthomismus beschäftigt sich auch
heute noch hauptsächlich nit Metaphysik ( ),
Naturphilosophie ( ),
Geist ( ),
Erkenntnis ( ),
Gott ( ),
Ethik ( ).Neuthomistische
Metaphysik beinhaltet z.B. die Akt-Potenz-Lehre: passive Potenz besagt
reale Begrenzung des Aktes. Das Dasein ist der Akt des Soseins. Fas Werden ist
ein Übergang von Potenz zu Akt. (Vgl. Neuthomismus).Neuthomistische
Naturphilosophie beinhaltet z.B. den Hylemorphismus:
die Hyle (Urstoff) verhält sich zur Form wie die Potenz zu Akt ( );
Ordnung des Seienden nach der Seinsfülle (tote Körper, Pflanze, Tier,
Mensch). (Vgl. Neuthomismus).Neuthomistisches
Thema Geist, z.B. mit den beiden Grundfunktionen Erkennen und und
Wollen. (Vgl. Neuthomismus).Neuthomistisches
Thema Erkenntnis: grundlegende Unterscheidung zwischen sinnlicher
und geistiger Erkenntnis. (Vgl. Neuthomismus).
Neuthomistisches Thema Gott:
das Dasein aller Dinge hängt vom freien Willen Gottes ab; endliches Sein
ist auf Gott als Seinsfülle ausgerichtet. (Vgl. Neuthomismus).Neuthomistisches
Thema Ethik:: Glückseligkeit des Menschen ist nur durch letzte
Hinordnung auf das reine und vollkommene Sein erreichbar. (Vgl. Neuthomismus).Rationalismus
ist der Verstandes- bzw. Vernunftsstandpunkt, die Gesamtheit der philosophischen
Richtungen, die irgendwie die Vernunft (lat. ratio), das Denken, den Verstand
subjektiv, die Vernünftigkeit, die logische Ordnung der Dinge objektiv in
den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Sowohl die Antike als auch das Abendland
durchliefen eine Phase der Rationalisierung, des Rationalismus und der ihm völlig
dienenden Aufklärung. Eine Systematisierung erfuhr der abendländische
Rationalismus im 17. und 18. Jahrhundert durch Descartes
(1596-1650), Spinoza
(1632-1677), Leibniz
(1646-1716) und Wolff
(1679-1754). Für Rationalismus und Aufklärung gab es nur vorläufige
Probleme, nicht aber grundsätzlich unlösbare Probleme. In der abendländischen
Phase des Rationalismus entstand der neue Begriff der Wissenschaft, der gleichbedeutend
wurde mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. Wissenschaftlich
heißt seither: in mathematisch-naturwissenschaftlicher Sprache darstellbar.
Ferner entstand der Begriff der wertfreien Wissenschaft, die besagt, daß
die Wissenschaft sich nicht darum zu kümmern habe, ob die Gegensätze
und namentlich auch die Ergebnisse ihres Forschens ethisch wertvoll oder wertwidrig
sind, ob sie Heil oder Unheil in sich tragen. Der Platz für die Metaphysik
wurde durch den Rationalismus immer enger.Subjektivismus
(im abendländischen Sinne), die durch Descartes
(1596-1650) eingeleitete Wendung zum Subjekt, bedeutet, daß
das Bewußtsein das primär Gegebene sei und alles andere Inhalt, Form
oder Schöpfung des Bewußtseins. Den Höhepunkt dieses Subjektivismus
bewirkte George Berkeley (1684-1753). Als gemäßigter Subjektivismus
kann der Kantianismus
betrachtet werden. Im eigentlichen Sinn ist Subjektivismus die Lehre von der durchgängigen
Subjektivität der intellektuellen Wahrheit sowie der sittlichen und ästhetischen
Werte, die Leugnung absoluter Geltungen. Beispiel: Homo-mensura-Satz - Mensch-Maß-Satz
- wird der Satz des Protagoras (480-410) genannt: Der Mensch, und zwar jeder
einzelne, ist das Maß aller Dinge, der seienden, daß sie sind oder
nicht sind und wie sie sind. Im Extrem führt der Subjektivismus theoretisch
zum Solipsismus,
ethisch (praktisch) zum Egoismus. Cartesianismus
ist eine philosophische Richtung, die sich zwar an Descartes
(latinisiert: Cartesius) orientierte, aber weniger seine Philosophie als die seiner
Anhänger und Fortbildner (v.a. in Frankreich, Deutschland, Holland, Italien)
bedeutet. Sie entwickelten sich in evrschiedene Richtungen, z.B. auch in den Okkasionalismus.
Der Cartesianismus ist gekennzeichnet durch den Ausgang von der Selbstgewißheit
des Bewußtseins([Ego] cogito, ergo sum), durch den strengen Dualismus
von Leib und Seele und durch die rationalistische mathematische Methode. Okkasionalismus
ist die Lehre von den gelegentlichen Ursachen und geht aus von der Zweiheit zwischen
Leib und Seele, weshalb Leib und Seele nicht wechselseitig aufeinander wirken
können (wie Descartes
annahm), sondern von Gott erzeugt werden, un zwar bei Gelegenheit
von leiblichen Bewegungen die seelischen Empfindungen, bei Gelegenheit
von Willensakten die Muskelbewegungen. ( ).
Leibniz
löste das Problem durch seine prästabilisierte Harmonie. (Vgl. auch:
Psychophysischer Parallelismus).Die
Eleaten - z.B. Xenophanes
(ca. 580-485),
Parmenides (ca. 540-470), Zenon
(ca. 490-430), Melissos (5. Jh.) u.a. -, sowie Pythagoras
(ca. 580-500) und seine Pythagoräer - z.B. Alkmaion (6. Jh.), Philolaos (5.
Jh.) u.a. -, aber auch die Einzelgänger-Philosophen, z.B. Heraklit
(544-483), Anaxagoras
(500-428), Empedokles
(483-424) und Leukipp
(5. Jh. v. Chr.), sind in etwa zu vergleichen mit den barocken Philosophen
und Naturforschern des Abendlandes, z.B. Francis Bacon
(1561-1626), Galileo Galilei
(1564-1642), Johannes Kepler
(1571-1630), Jakob Böhme
(1575-1624), Thomas Hobbes
(1588-1679), Renè Descartes
(1596-1650), Otto von Guericke
(1602-1686), Jacob Thomasius (1622-1684), Blaise Pascal
(1623-1662), Christiaan Huygens
(1629-1695), John Locke
(1632-1704), Benedictus Spinoza
(1632-1677), Isaac Newton
(1643-1727), Gottfried Wihelm Leibniz
(1646-1716), Christian Thomasius (1655-1728), Edmond Halley
(1656-1742), Christian Wolff
(1679-1754) u.a.. Von ihnen allen waren die meisten auch großartige Mathematiker
und Naturwissenschaftler.Das
Huygenssche Prinzip ist eine von Christiaan Huygens
(1629-1695) 1690 formulierte, auf mechanischer Grundlage beruhende Theorie der
Lichtausbreitung in einem von unvorstellbar kleinen Kügelchen erfüllten
Äther. Das Licht breitet sich in Form einer räumlichen (Stoß-)
Welle aus, die im Äther durch mechanische Stöße übertragen
wird. Mit Hilfe des Hugensschen Prinzips lassen sich Brechung und Reflexion von
Wellen anschaulich deuten. Unter Einbeziehung der Interferenz wurde später
das Huygensche Prinzip so modifiziert, daß auch die Huygens noch unbekannten
Beugungserscheinungen gedeutet werden konnten (Huygens-Fresnelsches Prinzip).
Mit dem von Thomas Young (1773-1829) aufgestellten Youngschen Interferenzprinzip
gelang es, verschiedene Beugungserscheinungen, die Farben dünner Plättchen
sowie die Newtonschen Ringe zu deuten und damit die Wellentheorie des Lichtes
zu erhärten. 1817 schlug Young die Transversalität der Lichtwellen zur
Erklärung der Polarisation vor. Im 19. Jahrhundert schienen die Experimente
zur Interferenz, Beugung und Polarisation des Lichtes und die von James Clerk
Maxwell (1831-1879) und Ludwig Boltzmann (1844-1906) formulierte elektromagnetische
Lichttheorie eindeutig die Wellenvorstellungen zu bestätigen. Boltzmann begründete
1884 zusätzlich das von seinem Lehrer Josef Stefan (1835-1893) auf empirischem
Wege gefundene Gesetz über die Gesamtstrahlung des schwarzen Körpers
(Stefan-Boltzmannsches Gesetz). 1887 gelang Heinrich Hertz (1857-1894)
die Erzeugung und damit der Nachweis der elektromagnetischen Wellen sowie deren
Übertragung von einem Schwingkreis auf einen anderen. Weitere experimentelle
Untersuchungen führten Hertz zu einer weiteren Entdeckung: den Photoeffekt.
Die Situation zweier konkurrierender Vorstellungen über das Wesen des Lichtes
entstand erneut zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die 1900 eingeführte
Lichtquanten- oder Photonenhypothese von Max Planck
(1858-1947) und (1905) Albert Einstein
(1879-1955), mit der dem Licht wieder korpuskulare Eigenschaften zugesprochen
wurden. Im Rahmen der Quantentheorie von Max Planck interpretierte Niels Bohr
(1885-1962) 1927 beide Vorstellungen als komplementäre Seiten derselben physikalischen
Realität. (Vgl. Chronik: Huygens
bis Planck).Ein
Meridian ist (in der Astronomie) der Großkreis, der durch den Zenit, den
Nordpunkt am Horizont, den Nadir, den Südpunkt am Horizont und wieder zurück
zum Zenit verläuft. Ein Meridian geht durch den nördlichen und südlichen
Himmelspol. Alle Gestirne erreichen im Meridian ihre größte Höhe
(obere Kulmination) und niedrigste Höhe bzw. Tiefe unter dem Horizont (untere
Kulmination). Durch Feststellung des genauen Zeitpunktes des Meridiandurchgangs
eines Gestirns wird seine Rektaszension (auf dem Himmelsäquator gemessener
Bogen zwischen dem Frühlingspunkt und dem durch ein Gestirn gehenden Deklinationskreis;
allgemein von Westen nach Osten im Zeitmaß 0 h - 24 h, seltener von 0°-360°,
gezählt) als die eine Koordinate im Äquatorsystem bestimmt. Die Deklination
eines Gestirns, d.h. der Winkelabstand eines Gestirns vom Himmelsäquator,
kann aus einer Winkelmessung der Höhe des Gestirns über dem Horizont
bei bekannter Polhöhe des Beobachtungsorts abgeleitet werden. Für einen
nördlich des Äquators gelegenen Himmelskörper wird die Deklination
(d) positiv angegeben.F
= Betrag der Anziehungskraft, m1 und m2 =
Masse der beiden Körper, r = Abstand der Massenmittelpunkte beider
Körper, G = Gravitationskonstante 6,672 10 -11 m3
/ kg s2 . In Worten bedeutet das Gravitationsgesetz:
Zwei Körper ziehen sich mit einer dem Produkt ihrer Massen proportionalen
Kraft und dem Quadrat ihres Abstandes umgekehrt proportionalen Kraft an. Das Newtonsche
Gravitationsgesetz ist die Grundlage der Himmelmechanik. Streng gilt das Gesetz
nur für Massenpunkte. In der Praxis können aber auch ausgedehnte Himmelskörper,
wie Sterne und Planeten, mit diesem Gesetz erfaßt werden. Abweichungen ergeben
sich in unmittelbarer Nähe dieser Himmelskörper, besonders bei einer
deutlichen Abweichung von der Kugelgestalt. So muß für die Berechnung
der Bahn eines Erdsatelliten z.B. auch die Abplattung der Erde berücksichtigt
werden. Unsere Erde hat ja die Form oder Gestalt einer Birne. Gravitation
(Schwerkraft) ist die universelle Eigenschaft aller materiellen Objekte, sich
gegenseitig anzuziehen. Das oben erwähnte, von Isaac Newton
(1643-1727) 1666 gefundene Gravitationsgesetz beschreibt die Kraft, mit der sich
zwei Massen anziehen. Newton formulierte sein Gravitationsgesetz, wie auch seine
3 Axiome der Mechanik (Newtonsche
Axiome), in dem 1687 erschienenen Hauptwerk Philosophiae naturalis
principa mathematica. Die Anwendung seiner theoretischen Mechanik und
der allgemeinen Massenanziehung auf die Bewegung machten ihn zum Begründer
der Himmelsmechanik. Die von Newton geschaffene Grundlage der Mechanik wurde erst
zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Quantentheorie (1900) vom Max Planck
(1858-1947) - z.B läßt sich das Plancksche Strahlungsgesetz
nicht aus der klassischen Physik herleiten, sondern erfordert die Annahme quantenhafter
Emission und Absorption elektromagnetischer Strahlungsenergie durch den Schwarzen
Strahler in Energiequanten der Größe hv
- und durch die Relativitätstheorie (1905 bzw. 1916) von Albert Einstein
(1879-1955) modifiziert. Einsteins Relativitätstheorie ist also, weil sie
aus der Quantentheorie, d.h. aus der fundamentalen Innovation der Physik hervorging,
primär Plancks Verdienst, denn Planck war es, der mit revolutionärer
Kühnheit für den endgültigen Abschied der Physik von der Absolutheit
des Wissens sorgte. (Vgl. Grenzdenken
und Relativitätsprinzip).
Edmond Halley (1656-1742) beobachtete 1676 bis
1678 erstmals den Südhimmel und einen vollständigen Merkurdurchgang
(woraus er die auf Venusdruchgänge ausgedehnte Methode zur Bestimmung der
Sonnenparallaxe entwickelte). 1688 schuf er eine erste meteorologische Generalkarte,
1701 eine Karte der magnetischen Deklination. Halley war ein enger Freund von
Isaac Newton
(1643-1727), den er zur Ausarbeitung der Principia anregte, die Newtons
Hauptwerk wurde (Philosophiae naturalis principia mathematica) und
1687 erschien (u.a. mit den 3 Axiomen der Mechanik, die auch Newtonsche
Axiome heißen). Auf deren Grundlage bestimmte Halley die Bahnelemente
von 24 Kometen und entdeckte die Identität der Kometen von 1531, 1607 und
1682 (Halleyscher Komet).Epoche (Anhalten;
Haltepunkt in der Geschichte) ist: 1.) ein bedeutender Abschnitt des hostorischen
Entwicklungsablaufes. 2.) Teilperiode = Teil anthropiner Perioden (Prähominisierung,
Hominisierung, Sapientisierung, Historisierung), die wiederum zu einer Periodik
namens Menschheitsperiodik (= Menschwerdung, Menschen-Kultur o.ä.
Bezeichnungen) gehören. Vgl. dazu: Tafel
und Text.Otto
von Guericke (Gericke; 30.11.1602 - 21.05.1686), Naturforscher und Staatsmann,
wurde nach juristischen und mathematisch-technischen Studien 1626 Ratsherr und
1630 Bauherr der Stadt Magdeburg, trat 1631 nach ihrer Zerstörung als Ingenieur
in schwedische, dann in kursächsische Dienste und war nach seiner Rückkehr
1646-78 einer der vier Bürgermeister von Magdeburg, dessen Interessen er
zwischen 1642 und 1666 als Gesandter vertrat, z.B. bei den Friedensverhandlungen
in Osnabrück (Westfälischer
Friede) und auf dem Reichstag in Regensburg (1656). Seine öffentlichen
physikalischen Demonstartionsversuche machten ihn weithin berühmt.Spinozismus
ist die Lehre und die philosophiesche Weiterbildung der Lehre Spinozas
(1632-1677). In Deutschland entwickelten besonders im 18. Jahrhundert Lessing
(1729-1781), Herder (1744-1803), Goethe (1749-1832), Jacobi (1743-1819), Schleiermacher
(1768-1834) u.a. einen Spinozismus, dessen Gott-Natur-Symbol viel
weniger rationalistisch gestaltet war, als Spinozas Deus-sive natura. Ähnliche
Witerbildungen in emotional-voluntaristischer Richtung erfuhr der Spinozismus
bei Fichte (1762-1814), Schelling (1775-1854), Schopenhauer (1788-1860), Fechner
(1801-1887), Wundt (1879-1963) u.a.. Der Spinozismus war eine der wirkungsvollsten
Strömungen in der Zeit der Deutschen Bewegung. Lichtenberg (1742-1799) sagte
damals: Wenn die Welt noch eine unzählbare Zahl von Jahren steht, so
wird die Universal-Religion geläuterter Spinozismus sein, womit er
vornehmlich Spinozas Pantheismus meinte. Der Pantheismus war z.B. für Schleiermacher
die heimliche Religion der Deutschen.Schon
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), nach ihm Johann Gottfried Herder (1744-1803)
und Wilhelm von Humboldt (1767-1835) vertraten die Idee des Angeboren (Nativismus).
An Leibniz' Rationalismus,
Herders Sprachzentrierung, Humboldts Neu-Idealismus (Neuhumanismus)
orientierte sich offenbar Noam Chomsky (*07.12.1928), um zu der Logistik eines
angeborenen Spracherwerbsmechanismus zu kommen (Language Acqusition Device).
Vgl. Noam Chomsky, Syntactic Structures, 1957, Besprechung von Skinner,
1959, Aspekte der Syntaxtheorie, 1965. (Vgl. 22-24
und Sprachphilosophie).Sprachliche
Arbitrarität oder Willkürlichkeit (auch: Beliebigkeit, Konventionalität,
Unmotiviertheit) ist eine grundlegende Eigenschaft der sprachlichen Zeichen, die
besagt, daß zwischen dem Bezeichnenden (Lautbild, Zeichengestalt) und dem
Bezeichneten eine beliebige, nicht notwendigerweise, d.h. abbildende Beziehung
besteht. Je nach sprachtheoretischen Ausgangspunkt bezieht sich diese Willkürlichkeit
entweder auf das Verhältnis von sprachlichen Zeichen und außersprachlicher
Realität oder auf das Verhältnis von sprachlichem Zeichen und seiner
Bedeutung. Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure
(26.11.1857 - 22.02.1913) bezog 1916 Arbitrarität auf das Verhältnis
von Lautbild (image acoustique) und Vorstellung (concept) und belegte
die Beliebigkeit dieser Verbindung durch die Tatsache, daß dasselbe Objekt
der Realität von Sprache zu Sprache verschieden benannt wird. Arbitrarität
bedeutet nicht, daß der einzelne Sprecher nach freier Wahl bei der Konstruktion
sprachlicher Ausdrücke verfahren kann: unter dem Aspekt des Spracherwerbs
und der Kommunikation erfährt der Sprecher den Zusammenhang zwischen Zeichen
und Bedeutung als eine gewohnheitsmäßige, obligate Verbindung. Der
Arbitrarität des sprachlichen Zeichens entspricht seine prinzipielle Nichtmotiviertheit,
die allerdings in der Wortbildung, z.B. in Zusammsetzungen wie Schreibtisch,
dreizehn sowie in onomatopoetischen Ausdrücken wie kikeriki
und bums relativiert ist. Man spricht in diesem Zusammenhang von sekundärer
Motiviertheit. (Vgl. Nativismus).Der
Geniekult und die Geniezeit waren ein typischer Ausdruck dieser Phase, des Perfektionismus
und der Pedanterie,
und zwar in dem schon oben beschriebenen Sinne, daß eine spätjugendliche
Kultur endlich erwachsen sein will, aber, um es zu sein, noch ein wenig warten
muß. (Vgl. 18-20).Urphänomen
ist nach Goethe
das empirische Phänomen, das jeder Mensch in der Natur erkennen kann und
das durch Versuche zum wissenschaftlichen Phänomen erhoben wird, indem man
es unter anderen Umständen und Bedingungen und in einer mehr oder weniger
glücklichen Folge darstellt, so daß zuletzt das reine Phänomen
als Resultat aller Erfahrungen und Versuche dasteht. Es ist ideal als das letzte
Erkennbare, real als erkannt, symbolisch identisch mit allen Fällen, weil
es alle Fälle begreift. (Vgl. Urpflanze).Urpflanze
ist ein Begriff aus der Naturbetrachtung Goethes
für das Urbild (Idee, begriffliche Urgestalt), nach dem alle anderen Pflanzenarten
durch Abwandlungen entstanden sein sollen. Goethe suchte die Urpflanze in der
Natur als eine noch unbekannte Art, oder auch etwa in der Grundgestalt eines Blattes
oder eines Stammes zu finden, während Schiller in einem Gespräch mit
ihm darüber auf den platonischen Ideencharakter der Urpflanze hinwies. (Vgl.
Urphänomen).
Giovanni Battista Vico
(1668-1744), Geschichts- und Rechtsphilosoph, war ab 1697 Professor
der Rhetorik in Neapel und ab 1734 Historiograph des Königs Karl
von Neapel. Vicos Werke u.a.: De antiquissima Italorum sapienta
... (1710); Von dem einen Ursprung und Ziel allen Rechtes (1720);
Grundzüge einer Neuen Wissenschaft über die gemeinschaftliche
Natur der Völker, original (ital.): Principi di una scienza
nuova intorno alla commune natura delle nazioni, 1725 (Prima
Scienza Nuova) und 1744 (Seconda Scienza Nuova). Das
von Vico entworfene Drei-Stadien-Gesetz, die Aufeinanderfolge
der drei Zeitalter - der Götter, der Heroen, der Menschen -,
hat Ähnlichkeit mit vielen später entwickelten Modellen
oder Theorien, z.B. mit den von Auguste Comte
(1798-1857) behaupteten drei Stadien: der Theologie, der Metaphysik,
des Positiven (Positivistischen, Erfahrungswissenschaftlichen). Die
von Vico behauptete Parallele zwischen Völkern spiegelt
sich auch in der später von Comte angenommenen Parallele
zwischen den Gesellschaften und den Erkenntnissen
wider, noch mehr jedoch in der von Oswald Spengler
(1880-1936) behaupteten Parallele zwischen den Kulturen.
( ).
Man könnte auch ein Drei-Stadien-Gesetz annehmen
(wie ich es vorschlage), das die Entwicklung zum Leben meint und etwa
aus den folgenden drei Zeitaltern besteht: Universum ohne Leben
(meinetwegen auch Zeitalter der Götter genannt), Leben
ohne Menschen (meinetwegen auch Zeitalter der Heroen genannt)
und Leben mit Menschen (das einem Vier-Stadien-Gesetz
folgt: Prähominisierung
bzw. Vor-/Urmenschen;
Hominisierung bzw. Frühmenschen; Sapientisierung
bzw. Altmenschen; Historisierung
bzw. Jetztmenschen). Was die Zukunft bringen wird, ist nicht gewiß,
aber es wird in Zusammenhang stehen mit der Frage, ob die Menschwerdung,
die ja noch nicht beendet ist, auch zukünftig in verschiedenen
Kulturen (ich nenne sie Historienkulturen) gespalten sein
wird oder nicht. ( ).
Was Vico wohl dazu gesagt hätte? Vier Vorbilder bestimmten
sein Denken: Mit Plato erkennt er in der Idee den Maßstab.
Mit Tacitus schildert er in den beschränkten Zwecken des menschlichen
Eigennutzes die Wirklichkeit. Mit Bacon
besinnt er sich auf die Einheit der wissenschaftlichen Welt. Mit Grotius
faßt er die gesamte Philosophie und Theologie in das System
eines allgemeinen Rechtes, in eine Überphilosophie, in die »Neue
Wissenschaft«: d.h. Bestand der reinen Idee und geschichtlicher
Wandel verbunden im Ziel der Wahrheit und begriffen in einem System.
(R. Wisser). Vico beeinflußte auch Herder,
seinen Entdecker, Goethe
und überhaupt die weitere Geschichtsphilosophie. Schon um 1600,
also lange vor Vico, hatte schon Bacon festgestellt, daß Kulturen
altern wie Menschen und Phasen bzw. Auf-und-Ab-Stufen durchleben:
In der Jugend der Völker und Staaten blühen die Waffen
und die Künste des Krieges; im reifen männlichen Alter der
Völker und Staaten Künste und Wissenschaften; dann eine
Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst und Musenkünste; endlich
im Greisenalter der Völker und Staaten Handel und Industrie,
Luxus und Mode. (Francis Bacon, De dignitate et augmentis
scientiarum, 1605; IV, 2, 114).
Zum
Zyklus von Aufstieg und Verfall sowie ewiger Wiederkehr vgl. darum auch: Johann
Wolfgang von Goethe
(1749-1832), Karl Vollgraff
(1792-1863), Ernst von Lasaulx
(1805-1861), Heinrich Rückert
(1823-1875), Friedrich Nietzsche
(1844-1900), Oswald Spengler
(1880-1936) und die Spenglerianer - z.B. Arnold Joseph Toynbee
(1889-1975), August Winnig
(1878-1956), Fritz Schachermeyr
(1895-1987), Henry Kissinger
(*1923), Samuel Phillips Huntington
(1927-2008), Patrick Buchanan
(*1938) - sowie Peter Sloterdijk
(*1947).Begriff wird in der Logik verstanden als
einbfachster Denkakt im Gegensatz zu Urteil und Schluß. Urteil meint
einen Akt der Bejahung oder Verneinung, in dem 2 Begriffe (Subjekt und Prädikat)
in Beziehung zueinander gesetzt werden. Im Urteil bezieht das Denken einen Begriff
auf einen Gegenstand und setzt diesen zugleich mitsamt seinen Prädikaten,
und zwar durch die Kopula ist, die stets auf absolute Geltung
des behaupteten Sachverhalts abzielt. Der Schluß (conclusio) ist
das formale logische Verfahren, aus mehreren Urteilen (als Voraussetzungen oder
Prämissen) ein einziges Urteil, die Schlußfolgerung, begrifflich abzuleiten.
(Vgl. Syllogismus
bei Aristoteles).Ding
an sich ist das Ding, wie es unabhängig von einem erkennenden Subjekt
für sich selbst besteht, das wahre Sein, dessen Erscheinungen die
empirischen Dinge sind, auf welches eben die Erscheinungen hinweisen. Wir erkennen
ein Ding als Gegenstand unserer Wahrnehmung nur so, wie es uns - eingekleidet
in den Ausbauungsformen von Raum und Zeit, in den Kategorien
und Verstandesgesetzen - so erscheint. Wie es an sich beschaffen ist, werden
wir niemals erfahren. (Frei nach: Kant,
Kritik der reinen Vernunft, 1781).Beispiel
Freiheit: der menschliche Wille als Ding, das in den Handlungen erscheint,
ist nicht frei. Was erscheint, ist immer notwendige Wirkung von vorlaufenden Ursachen
im Sinne von Naturkausalität. (Vgl. Phainomenon).
Aber als Ding
an sich könnte der Wille frei, d.h. nicht der Naturkausalität unterworfen
sein. (Vgl. Noumenon).Ethik
meint hier die Sittenlehre als praktische Philosophie, die nach einer Antwort
sucht auf die Frage: was sollen wir tun? Beide Kulturen - Antike und Abendland
- suchten die Antwort zunächst im Selbst bzw. in der Selbsterkenntnis. Aber
dieser Subjektivismus
hatte in der Antike wegen des Seelenbildes (und Ursymbols)
eine andere, entgegengesetzte, Richtung als im Abendland. Die Antike suchte auch
ethisch die Antwort am Außen des Körpers (in der begrenzten Äußerung),
weil es für sie kein Geheimnis im Innen geben durfte; das Abendland suchte
im Innen des faustischen Willens und kategorischen Imperativs (im Raum der unendlichen
Verinnerlichung), weil es hier nur Geheimnisse gab. In beiden Fällen stelle
man sich in den Dienst einer sozialanthropologischen Ethik. Ein Angebot, das man
auch Hilfe zur Selbsthilfe (Selbsterkenntnis) nennen könnte. Wie kann
ich dienen? ist eine typische Frage der dienerischen Phase (16-18).
(Vgl. auch: Kant).Der
kategorische Imperativ oder Imperativ der Sittlichkeit wurde von
Kant folgendermaßen
formuliert: Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich
als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. 785 schrieb
Kant in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: 1.) Handle
so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz
werden sollte. 2.) Handle so, daß du die Menschheit sowohl in
deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck,
niemals bloß als Mittel brauchest. ( ).
Ob ein Mensch als Persönlichkeit das prinzipiell wollen kann oder nicht auch
(oder vielleicht eher) etwas Eigenes in seinem Verhalten liegt, sollten später
die Kritikpunkte an Kants Imperativ sein, z.B. von Nicolai Hartmann
(1882-1950; vgl. 20-22):
Sofern das besagt, daß wirklich die jedesmalige »Maxime«
der Handlung ihre Richtschnur daran hat, ob sie zugleich allgemeines Gesetz sein
könnte oder nicht, so liegt darin offenkundig etwas, was der Mensch als Persönlichkeit
nicht prinzipiell wollen kann. Er muß vielmehr zugleich wollen, daß
über alle Allgemeingültigkeit hinaus noch etwas Eigenes in seinem Verhalten
sei, was an seiner Stelle kein Anderer tun sollte oder dürfte. Verzichtet
er hierauf, so ist er eine bloße Nummer in der Menge, durch jeden Anderen
ersetzbar, seine persönliche Existenz ist vergeblich, sinnlos. Immanuel
Kant (1724-1804),
Werke ( ):
1) 1747-1758: Dominanz der Naturwissenschaften: -
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (1747)
- Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse einige
Veränderungen seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe (1754)
- Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) -
Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens
(1756) - Von den Ursachen der Erderschütterungen (1756) -
Entwurf und Ankündigung eines Collegii über die physische Geographie
nebst ... Betrachtung über die Frage, ob die Westwinde in unseren Gegenden
darum feucht sind, weil sie über ein großes Meer streichen (1757)
- Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe (1758)
2) 1758-1781: Von der Wollfschen zur kritischen Metaphysik: -
Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus (1759) - Die
falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren (1762) - Der
einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763)
- Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen
(1763) - Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und
Erhabenen (1764) - Versuch über die Krankheiten des Kopfes (1764)
- Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen
Theologie und der Moral (1764) - Träume eines Geistersehers, erläutert
durch Träume der Metaphysik (1766) - Von dem ersten Grunde des
Unterschieds der Gegenden im Raume (1768) - Über Form und Grundlagen
der Wahrnehmungs- und der Vernunftwelt (1770) - De mundi sensibilis
atque intelligibilis forma et principiis (1770) - Rezension der Schrift
von Moscati über den Unterschied der Struktur der Tiere und Menschen (1771)
- Von den verschiedenen Rassen der Menschen (1775) 3)
1781-1793: Kants kritische Philosophie: - Kritik der
reinen Vernunft (1781) - Prolegomena zu einer jeden künftigen
Metaphysik (1783) - Über Schulz' Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre
(1783) - Ideen zur einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher
Absicht (1784) - Beantwortung der
Frage: Was ist Aufklärung? (1784) - Rezension von Herders Ideen
zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1785) - Über die
Bestimmung des Begriffes einer Menschenrasse (1785) - Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten (1785) - Metaphysische Anfangsgründe der
Naturwissenschaft (1786) - Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte
(1786) - Über Hufelands Grundsatz des Naturrechts (1786) -
Was heißt: sich im Denken orientieren? (1786) - Über
den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie (1788) -
Kritik der praktischen Vernunft (1788) - Kritik der Urteilskraft
(1790) - Über Schwärmerei und die Mittel dagegen (1790)
- Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche der Theodizee
(1791) - Über die von der Königlichen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin für das Jahr 1791 ausgesetzte Preisaufgabe: Welches sind die
wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibniz' und Wolffs Zeiten gemacht
hat? (1791) - Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
(1793) - Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein,
taugt aber nicht für die Praxis (1793) - Über Philosophie überhaupt
(1794) - Etwas über den Einfluß des Mondes auf die Witterung
(1794) - Das Ende aller Dinge (1794) - Zum ewigen Frieden
(1795) - Zu Sömmering über das Organ der Seele (1796)
- Ausgleichung eines auf Mißverstand beruhenden mathematischen Streits
(1796) - Metaphysik der Sitten (1797): I) Metaphysische
Anfangsgründe der Rechtslehre II) Metaphysische Anfangsgründe der
Tugendlehre - Über ein vermeintliches Recht, aus Menschenliebe zu lügen
(1797) - Der Streit der Fakultäten (1798) - Anthropologie
in pragmatischer Hinsicht (1798) - Erklärung in Beziehung auf
Fichtes Wissenschaftslehre (1799) u.a. Kants
3 Kritiken: Kritik der reinen Vernunft (1781), Kritik der praktischen
Vernunft (1788), Kritik der Urteilskraft (1790).
Deutscher Idealismus meint -
fußend auf Leibniz
und vorbereitet u.a. durch Lessing
und Herder
- die Entwicklung der deutschen Philosophie von Kant
(um 1780) bis Hegel
(um 1830), aber auch die philosophische Grundhaltung der deutschen
Romantik (Jenaer Frühromantik-Kreis um die Brüder Schlegel
und Heidelberger Romantik um Brentano, Görres, Grimm
u.a.). Bei Schiller
strahlte z.B. der Menschenbildungs-Idealismus ganz besonders - wie
ein Stern. Schelling
z.B. stand auf dem Boden des Deutschen Idealismus, war mit Fichte
und Hegel zusammen dessen Hauptvertreter und bildete den Übergang
des Idealismus zur Romantik.
Er wurde wegen seiner steten Wandlung auch der Proteus der Philosophie
genannt. Im Anschluß an Kant und Fichte entwarf Schelling
eine spekulative Naturphilosophie der Hierarchie der Naturkräfte
(Potenzen), die schließlich in eine Identitätsphilosophie
mündete: Die Gegensätze von Subjekt und Objekt, von Realem
und Idealem, Natur und Geist lösen sich für ihn im Absoluten
auf als Identität von Idealem und Realem. Nach Schelling ist
dieses Absolute unmittelbar erfaßbar durch die intellektuelle
Anschauung und in der Kunst. (Vgl. Tabelle
[Idealismus]).
Aufheben
bedeutet in der Dialektik Hegels,
der Mehrdeutigkeit des Wortes entsprechend, sowohl emporheben als auch bewahren,
als auch vernichten (negieren). Das in der Thesis Gesetzte wird in der Antithesis
aufgehoben, d.h. negiert, und dann durch Negation der Negation von neuem gesetzt,
jetzt aber auf einem erhöhten, über den Ausgangspunkt der dialektischen
Bewegung emporgehobenen Niveau. Daraus ergibt sich die Synthesis, die die Thesis
in erhöhter Form in sich bewahrt, d.h. aufhebt. (Vgl. Dialektik).Carl
Friedrich Gauß
(1777-1855) veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil
er das Geschrei der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen
fürchtete. Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken
Landschaft (Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte
als denkfaul und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte
zu Recht, daß man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen
können. Die erste der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach
Vollendung seines Hauptwerkes Disquisitiones arithmeticae (1801), durch
deren in sich widerspruchslose Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere
streng mathematische Arten einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die
sämtlich a priori gewiß sind, ohne daß es möglich
wäre, eine von ihnen als die eigentliche Form der Anschauung herauszuheben.
(Vgl.
18-20).Die abendländische
Philosophie sei eine Reihe von Fußnoten zu Platon,
behauptete der Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead
(1861-1947), einer der wichtigsten Vertreter des Neurealismus,
auf den er eine kritische Naturphilosophie gründete, die er später durch
eine konstruktive Metaphysik ergänzte.Kant
und Platon (vgl. Fußnoten)
sind, wie Abendland und Antike, Gegensätze und nur auf analoge Weise zu vergleichen,
denn auch antike abendländische Philosophie sind Gegensätze. Antike
Philosophie ähnelte immer auch einem geschlossenen Einzelkörper
(z.B. einer Kugel
= sfaira, Sphäre),
aber abendländische Philosophie eher einem offenen Unendlichkeitsraum.
In der Antike schloß man sich einem philosophischen System auch mit dem
ganzen Körper an; im Abendland schließt man sich einem philosophischen
System allenfalls geistig an, ansonsten schließt man sich lieber von ihm
aus: jeder verliert sich mit seiner eigenen Philosophie im Philosophie-Universum.
Antike Philosophie war Wissenschaft im Sinne einer eher statischen
Liebe zur Weisheit oder Epistemologie (antike Wissenschaftslehre).
Eine Wissenschaft, wie sie das Abendland kennt, spielte in der Antike kaum eine
Rolle. Abendländische Wissenschaft ist Philosophie im Sinne einer
eher dynamischen Empiriologie oder Historiotechnik (abendländische
Wissenskunst). Eine Philosophie, wie sie die Antike kannte, spielt im Abendland
kaum eine Rolle. ( ).
Aus diesen Gründen kann man Platon und Kant nicht gegeneinander aufrechnen.
Die Philosophie ist eine antike Größe (wie der Name schon verrät)
und deshalb von anderen Kulturen so kaum erreichbar. Die technologische Wissenschaft
ist eine abendländische Größe und deshalb von anderen Kulturen
so kaum erreichbar. Für das Abendland scheint folgender Satz Gültigkeit
zu haben: Was aus zwingenden Gründen von jedermann anerkannt wird,
das ist damit eine wissenschaftliche Erkenntnis geworden, ist nicht mehr Philosophie,
sondern bezieht sich auf ein besonderes Gebiet des Erkennens. (Karl
Jaspers, Einführung in die Philosophie, 1950).Zynismus
(heute): Vgl. Sloterdijk,
Kritik der zynischen Vernunft, 1983. Sloterdijk behandelt 6
Kardinalzynismen - militärisch, staatlich (vormachtlich), sexuell, medizinisch,
religiös, wissenschaftlich - und 2 Sekundärzynismen - informativ (sensationsjournalistisch),
tauschartig (kapitalgesellschaftlich). Für alle 8 Zynismen gibt es nach Sloterdijk
auch korrespondierende Kynismen. Die Religion
könne z.B. zynisch als Herrschaftsinstrument mißbraucht werden und
zugleich kynisches Medium der Emanzipation sein.Römisch-katholische
Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz
des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und
vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963)
soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei:
von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher,
wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen.
Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper
und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle
ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum
entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich
die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum
versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element
ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als
auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der
abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen
antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen
Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland,
sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so
auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike
auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch
erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die
Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein
Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland
scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen
Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung
bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt
deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor? Es bleibt zunächst festzuhalten,
daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und
Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß.
Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren,
folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich
beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil
dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit
zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen
will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des
Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und
einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für
eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat
und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender
Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung
zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren
also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber
die Kontrollgene germanisch. (Vgl.
22-24). 
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert:
2014).
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