Eis heauton
Wie ich Bücher schreibe (eine
wohl an Nietzsche gemahnte Überschrift zur Einleitung). (Oswald
Spengler, Eis heauton, I ).Ich
habe jahrelang Skizzenbücher in der Tasche gehabt und Menschen mit ein paar
Strichen charakterisiert. (Oswald Spengler, Eis heauton, 1 ).Ich
bin nie mit dem zufrieden gewesen, was ich geschrieben habe. Es stand zu tief
unter mir, was ich sah. (Oswald Spengler, Eis heauton,
2 ).Meine
Eltern ( ):
beide unliterarisch, nie den Bücherschrank geöffnet, kein Buch gekauft.
Mutter las Journale, Vater überhaupt nicht. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 4 ).
München: keine Vorlesungen, was sie auch lasen. Georgekreis,
Schwabing. Innerlich fremd bleibend. Ich habe mein ganzes Leben hindurch vorgezogen,
aus einem Winkel heraus Zuschauer zu sein, statt selbst auf der Bühne zu
stehen. Abneigung gegen jede Art von Öffentlichkeit. Privatleben im strengsten
Sinne. Erholung ist für mich das Bewußtsein, in einer Stadt spazieren
zu gehen, wo mich niemand kennt. 1919 im Hotel in Zürich. .... Ich habe als
Mitgift für das Leben den Blick bekommen. Das - wenn ich das Wort gebrauchen
darf - geniale Schauen, Zuschauen; Tätigkeit verlangt den Blick. Auch Napoleon
war zuletzt Fachmann geworden. Dieser Blick ist die eigentlich philosophische
Gabe. Philosophische Fachwissenschaft ist philosophischer Unsinn.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 4a ).Anfang:
Mein Vater .... Ahnen. Süddeutsch. Schmiede, Harzer Bergbau .... Arm (im
Unterschied zur Mutter; HB). (Oswald Spengler, Eis heauton,
4b ).Dieses
Kapitel für das Bild der Deutschen Mitte des 19. Jhrh., Gegensatz zwischen
Preußentum und Deutscher Kultur, in mir selbst ein nie gelöster Konflikt
bis zum heutigen Tage. (Oswald Spengler, Eis heauton, S. 4b
).
Mein München von 1900 schildern! Längst tot. Kunststadt,
letzter Hauch von Ludwig I.. Ewige Sehnsucht danach. (Oswald Spengler, Eis
heauton, S. 4b ).
Hamburg, endlich Bedürfnis nach Kultur gestillt. Einkommen.
Unerfahrenheit zu Ende. »Heim«. Bücher. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 4b ).
München:
Als ich aus der Atmosphäre dieser Familie herauskam. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 4c ).Universität:
Gleichgültig gegen alles Fachwissen. Kaum zugehört. Immer grübelnd.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 4c ).(Großvater
mütterlicherseits und Mutter) ... der Unterschied von echtem Biedermeier
und dem Kitsch der siebziger Jahre. (Oswald Spengler, Eis heauton,
4c ).
Ich bin immer Aristokrat
gewesen. Nietzsche war mir selbstverständlich, ehe ich etwas von
ihm kannte. (Oswald Spengler, Eis heauton, 4c ).
Innenwelt,
vor allem verschlossen gehalten. Pläne zu Palästen, Entdeckungsreisen,
Gedichte. (Oswald Spengler, Eis heauton, 4c ).Der
beste Geschichtsschüler, Geograph. .... Gedächtnis. Geschichtsinteresse.
.... Cäsar ... entdeckt mit 16 Shakespaere im Bücherschrank .... Ohne
Literaturkenntnis, nur auf Grund des Geschichtsinteresses, ohne Quellen ....
(Oswald Spengler, Eis heauton, 4c ).(Über
den Vater) ... Haß ..., verbittert ... (ihm begegnet mit) ... schweigendem
Haß, ... Respekt, ... Mitleid .... (Oswald Spengler, Eis heauton,
4c ).(Über
den Vater) ... Haß gegen alle Erholung: Bücher vor allem. »Du
hast keine Zeit solche zu lesen« (Oswald Spengler, Eis heauton,
4d ).(Über
den Vater) ... trocken geworden, still, verschlossen .... Pflichtgefühl ....
(Oswald Spengler, Eis heauton, 4d ).Mutter
malte, musizierte ... (war) feingebildet .... (Oswald Spengler, Eis heauton,
4d ).
 Seltsam
innerliches, rastloses, zwiespältiges Leben, ohne Einheit von Seele und Welt,
Seele und Lebenstendenz, Seele und Denken. (Oswald Spengler, Eis heauton,
4d ).Kultur
und Zivilisation. Die Problematik ... Kultur, Zivilisation, ... beide sich gegenseitig
fremd. (Oswald Spengler, Eis heauton, 4d ).Wie
ich mit gewisser Veranlagung - eine arme Seele im Dunkeln - ohne Anlehnung (Familie,
Freund, Lehrer, Geliebte, Bücher) ängstlich hin un hertastete, bis ich
meine »Bestimmung« fand. (Oswald Spengler, Eis heauton,
5 ).Es
war eine Zeit der Kultur: man las und dachte (Reclam, Insel, Kunstwart), heute
kennt man nur noch Fußball und Saalschlachten. Amerikanismus. Damit war
ich der letzte einer Reihe. Eine neue fängt nicht mehr an. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 5 ).Ich
schließe ab. (Oswald Spengler, Eis heauton, 5 ).Mein
Leben ein typischer Lebenslauf aus der Zwischenzeit. .... Nietzsche war ewig Romantiker.
Wagner auch. (Oswald Spengler, Eis heauton, 6 ).Jeder
Versuch einer Schule, eine Weltanschauung gewaltsam zu züchten, führt
zum Gegenteil. .... (Eigene) Erziehung zum Atheismus ... (laut Notiz für
den 31.03.1895, Tag der) Konfirmation ... keine religiösen Kämpfe mehr.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 7 ).In
der Schule aus Opposition Haeckel, Darwin etc. .... Haeckelorthodoxie ... gelesen,
dann Naturwissenschaft studiert. Da erlebte ich, daß die erwarteten Beweise
nicht existieren. (Oswald Spengler, Eis heauton, 8 ).Mein
Studium: ... Naturwissenschaft: Darwinismus. Mathematik. (In
der für ihn typischen Art »studiert« er »Darwinismus«,
um sich zugleich von ihm zu lösen; HB). Ergänzung zum Studium:
Phil. Vaihinger. (Oswald Spengler, Eis heauton, 9 ).Mein
Doktorexamen (vgl. Der metaphysische Grundgedanke
der Heraklitischen Philosophie ).
Naiv. Keinen Professor gekannt. »Zuwenig zitiert« (Oswald Spengler,
Eis heauton, 9 ).Spät
entwickelt. Noch als Student ein Kind, träumerisch, weltfremd. Scheu vor
der Öffentlichkeit. Vor Beziehungen. Immer der Beobachter aus dem Winkel
... Angst vor der Bindung. Nur Sehnsucht, Schwermut. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 10 ).
Mich selbst sub speciae aeternitatis sehen - sekr klein,
fragwürdig. Unverstanden. Unverständlich. .... Maler, Musiker
hätte ich werden können. .... Denker .... (Oswald Spengler,
Eis heauton, 10 ).
Angst
vor dem Beruf. Selbstmordneigung. Ohne Ziel, Plan. Angst vor dem »Hinausmüssen«.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 12 ).Denken
... Abneigung gegen das Schreiben .... Soest Fantasieleben .... Im Garten. Märchenerzählen:
Wie der Junge lügt. (Oswald Spengler, Eis heauton, 12 ).Denken
ist meine Leidenschaft. Sie beschränkt sich auf das Denken, Verstehen, Sehen.
Was mir ganz fremd ist, lästig, widerwärtig, ist das Lehren. Die meisten
Philosophen, die meisten Menschen überhaupt sind Lehrer, Tyrannen der Belehrung.
Was sie für wahr und richtig halten, sollen alle glauben und tun. Das ekelt
mich an. Deshalb hört die Freude am Schaffen für mich auf, sobald ich
einen Gedanken habe. Schon ihn notieren ist mir unsympathisch, ich kann mich sehr
oft nicht dazu zwingen. Eine Qual ist es, restlos widerlich, ein Buch für
andere daraus zu machen. Ich entwerfe sehr oft Buchpläne, damit ist es fertig.
Hätte ich nur jemand, der mir diese Last abnähme. .... Auf die Frage:
Wie denken Sie darüber? schwebt mir immer die Antwort vor: Was
geht Sie das an? Kritiken - soweit ich überhaupt welche ansehe,
was selten genug vorkommt - machen mir nur Vergnügen, weil ich die Seele
des andren auf dem Papier sehe. Aha - so bist du! Was geht es mich an, was er
für wahr hält. Ich halte meine Gedanken für wahr, selbstverständlich.
Ob es andre tun, ist mir gleich .... Diskussionen sind mir widerwärtig. Ich
gebe dem andren recht, nur damit er aufhört. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 12a ).Vater
heiratete aus Mitleid und weil er die Ehe für Pflicht hielt. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 13 ).Ungückliche
Ehe der Eltern. .... Das Auseinanderleben, jeder für sich, ohne Freude, Innenleben,
keine Liebe zwischen Eltern und Kindern, Mutter malt, Vater geht in die Post,
um nicht zu Hause zu sein. Keiner meint es böse und alle liegen allen wie
eine Last auf. (Oswald Spengler, Eis heauton, 13 ).
Nur bis 1918 reichend, bis
zum UdA (Untergang des Abendlandes). Neue Art von Biographie ( ):
rein seelisch. Wie die Seele versucht, Ausdruck zu finden. Einsamkeit. - Titel
»Einsamkeit«. - Menschenscheu - Ekel vor dem Schreiben für »andre«
- .... (Oswald Spengler, Eis heauton, 16 ).
 Etappen
... Afrikasien; mein Kontinent; Cäsar; Malstrom; Montezuma; Menschenfrühling;
... München; Hamburg; München, ... Herostrat ( ),
UdA (Untergang des Abendlandes). (Oswald Spengler, Eis heauton, 16 ).Großvater
(mütterlicherseits) ... Tänzer und Ballettmeister (bei Hof) ....
(Oswald Spengler, Eis heauton, 17 ).
(Mutters älteste Schwester) Mathilde eine begabte Schauspielerin,
auch Anna (Mutters jüngste Schwester). Meine Mutter das Aschenputtel, still,
innig, dichtend, zurückgestoßen, bescheiden, die Vertraute von Adele
(Mutters zweitjüngste Schwester war eine gefeierte Tänzerin - sie tanzte
auf der Pariser Weltausstellung für Wilhelm I. und Bismarck, für Napoleon
III. und Alexander II. - und starb 1877 mit 36 Jahren an einer Blutvergiftung).
(Oswald Spengler, Eis heauton, 17 ).
(Meine Mutter
ist) ... für die Erziehung nicht geschaffen. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 17 ).
... Jammervolle, freudlose Jugend. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 17 ).
Niemand
haben, dem man etwas wert ist. Alle haben sie noch jemand anders; das Gefühl,
sich mit seinem Bedürfnis nach etwas Teilnahme hineinzudrängen, um Aufmerksamkeit
zu betteln, überall der Entbehrlichste zu sein. Das ist an der Einsamkeit
das bitterste. (Oswald Spengler, Eis heauton, 20 ).Die
Maske vor Bekannten: lächelnde Sicherheit, Phrase, Lüge. Ich bin kaum
imstande, wahr zu sein. Tagelanges Brüten ohne die Kraft zu schreiben. Nur
Notizen. Die grauenhaften Nächte. (Oswald Spengler, Eis heauton,
21 ).Wenn
ich aufrichtig sagen soll, was für ein Gefühl mich vor allem bei der
Ausarbeitung des »Untergang des Abendlandes« beherrscht hat - es war
der Ekel vor dieser prosaischen Arbeit, etwas, das für mich feststand, für
andre in dieser unsagbar langwierigen und langweiligen schriftlichen Manier verständlich
zu machen. Mit jemand darüber sprechen - nicht mit jedem - ist ein Genuß.
Dadurch wird es sogar besser, klarer, abgerundeter. Die Gedanken in dem Augenblick,
wo sie kommen, aufs Papier werfen und es dabei bleiben lassen, ist auch ein Genuß.
Man fühlt sich befreit und gehoben. Aber das: aus diesen Notizen etwas zusammenstellen,
ist eine Sklavenarbeit. Und - es wird alles dabei schlechter. .... (Oswald
Spengler, Eis heauton, 22 ).
Sklavenarbeit. Und - es wird alles dabei schlechter. .... Etwas
sehr Dürftiges geworden (gemeint ist: Der
Untergang des Abendlandes, Band I; HB). Ich habe nichts weniger
als Stolz empfunden, als ich zu Ende war. Nur ein Gefühl des Glücks,
daß ich es endlich hinter mir hatte. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 22 ).
Denn
die Zeit ist arm. In der Literatur, d. deutschen vor allem, nur Plunder.
Es lebt kein Mensch, dessen Werk man erwartet, das für uns Epoche macht.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 23 ).(Ein
Erzieher wie) ... Wagner ... (oder) ... ein Eckermännchen .... (Oswald
Spengler, Eis heauton, 24 ).Eine
Seite wissenschaftlichen Textes ruhig niederzuschreiben, bin ich nie imstande
gewesen. Vielleicht scheint mein Stil sehr ruhig, aber es scheint nur so. Ich
kann selbst etwas Mathematisches nur so schreiben, wie ich Verse schreibe. Es
gehört eine günstige Stunde dazu, wo mich etwas packt, wo die Worte
heranfliegen, wo sich die Sätze in die Feder drängen, ohne daß
ich mir völlig ihres Zusammenhanges bewußt bin. Ich weiß nur,
und mit innerster Gewißheit, daß sie richtig sind, so wie sie da entstehen.
Ich bin in einem Zustand innerer Gehobenheit, der wie Fieber wirkt, der mich häufig
zum Weinen bringt. Bin ich nicht in diesem Zustand, den ich durch Lesen oft hervorrufen
kann, so kann ich nicht arbeiten. Dann sitze ich ohnmächtig vor einem Satze,
dessen ungeschickte Form ich nicht verbessern kann. Dieser Zustand ist furchtbar.
Ich empfinde Ekel vor allem, was ich gemacht habe, vor mir selbst, vor meiner
Unfähigkeit. Dann erscheint mir alles schlecht und überflüssig,
und ich komme in Versuchung, alles aufzugeben. Was ich da vornehme, verderbe ich,
und das steigert das Gefühl einer dumpfen Verzweiflung. Dies ist der Grund,
weshalb ich so wenig zum Abschluß gebracht habe. Es gehört dazu eine
so große Anzahl guter Stunden, daß sie einen sehr langen Zeitraum
beansprucht, innerhalb dessen ich plane und entwerfe, aber wenig als fertig weglege
- und auch das in den Momenten der gedrückten Selbstverachtung als so unfertig
empfinde, daß ich das Gefühl nicht mehr vergessen kann, daß es
mein Urteil dauernd über einzelne Sachen beherrscht. Wenn ich Aphorismen
vorziehe, so geschieht es aus dieser Unfähigkeit, große Arbeiten abzuschließen.
Der Aphorismus ist im Augenblick entstanden und vollendet. Er bleibt also diesem
Pessimismus entzogen. Wird er als schlecht empfunden, so verdirbt er doch nicht
das Gedächtnis einer ganzen Sammlung. Ich beneide jeden Menschen, der arbeiten
kann, wann er will. (Oswald Spengler, Eis heauton, 25 ).Hätte
ich nur einen Menschen von dem entsprechenden geistigen Range bei mir gehabt!
Was hätte ich alles fertig machen können! Dinge, die mir nun für
immer entglitten sind! Es gibt nichts Furchtbareres als diese Momente der Verzagtheit
.... Ich glaube nicht, daß dies so gegangen wäre, wenn ich einen Freund
gehabt hätte. (Oswald Spengler, Eis heauton, 26 ).
Man kann noch so selbständig sein, in einer gewissen Epoche
braucht man einen großen Mann seiner Zeit, an dem man sich, sei
es noch so sehr aus der Ferne, halten und aufrichten kann. Fehlt er, so
kann man innerlich zum Krüppel werden. Was hätte aus mir werden
können, wenn Nietzsche 1900 noch gelebt hätte, geschrieben hätte
(Nietzsche starb am 25.08.1900; HB)! Was
wäre aus Nietzsche geworden, hätte er Wagner nicht gehabt!
(Oswald Spengler, Eis heauton, 27 ).
Das
große Laster meines Lebens ist das Lügen. Ich habe immer die Unwahrheit
gesagt, aus tausend Gründen und noch viel öfter ohne jeden Grund; unzählige
Male auch ohne mir der Absicht überhaupt bewußt zu sein, aus Instinkt.
Und wenn ich es wagen darf, für diese Schwäche eine Entschuldigung anzuführen,
so scheint mir der letzte Grund ein Übermaß an unbefriedigter Einbildungskraft
zu sein. Ich war immer Träumer, alle Erlebnisse verschwammen mir zu Phantasien,
und wo ich ging und stand, dachte ich mir andre Erlebnisse aus. Wenn ich gefragt
wurde oder etwas sagen wollte, glitt beides in eins zusammen. Ich sagte, was mir
gefiel oder was im Augenblick mich reizte; ich bin mir bewußt, oft etwas
ganz Unwahres gesagt zu haben, nur weil es im Augenblick mir langweilig oder trivial
erschien, etwas richtiges zu sagen. Ich besitze ein ungeheures Gedächtnis,
aber ich habe es immer als eine Last, eine peinliche Spannung empfunden, und in
solchen Momenten war es mir - das ist nicht genau ausgedrückt, aber ich kann
es nicht besser - eine Erlösung, das Gedächtnis beiseite lassen zu können
und als Träumer, als Mensch des Momentes zu reden. Wie mir scheint, ist die
primitive Freude am Lügen, wie sie ursprünglichen Menschen, Wilden,
Bauern, Jägern, Matrosen nachgesagt wird, eine Urform künstlerischer
Schöpfung, stets eine solche instinktive Abwehr des Verstandes, der einem
lästig ist, eine Erholung, ein bequemes Sichstrecken. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 28 ).Brencken,
Soest. - Das Schlafzimmer, rechts vorn, niedrig, Holzwand. Wie ich nachts dem
Nachtlichtchen zusah, das immer kleiner wurde, knisternd, erlosch. Ich weinte,
einsam, ferne. Trostlosigkeit. Das kleine Schauspiel. Angstgefühl.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 30 ).Was
für ein schwacher Mensch ich bin. Von Jugend auf diese Träume vom größeren
Deutschland, von Krieg und Sieg, und nun kann ich mich nur aufrecht halten, indem
ich keine Zeitung lese, mich zwinge, an nichts zu denken, was mit dem Krieg zusammenhängt.
Ich gehe mit Herzklopfen an jedem Schaufenster vorbei, wo eine Zeitung etwas Großgedrucktes
zeigt. (Oswald Spengler, Eis heauton, 31 ).Auf
mich wirkt diese ganze geistige Gegenwart wie eine häßliche Dezemberlandschaft,
Schmutz, Schnee, Dunst, Kälte, eine paar Krähen verdrossen auf kahlen
Ästen. Ich beneide das anspruchslose Volk, das heute in Konzert, Theater,
Zeitschrift, Ausstellung sich Kunst und Literatur vormacht. Dergleichen gibt es
längst nicht mehr. (Oswald Spengler, Eis heauton, 32 ).
Nur wenige können verstehen, wie man in jungen Jahren etwas
braucht, das man als Großes im Entstehen miterlebt - wie Nietzsche Tribschen
[bei Luzern, wo Richard Wagner zwischen 1866 und 1872 lebte
und wo Nietzsche ihn oft besuchen kam; HB]. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 32 ).Ich
las jetzt das kleine Buch über Nietzsches und Wagners Freundschaft. Wie erschütternd
ist das - vierzig Jahre liegen dazwischen und nicht ein Werk ist entstanden, das
die Mühe der Beachtung lohnte. (Oswald Spengler, Eis heauton,
32 ).
Welche Rolle im Dasein ich mir wohl gewünscht hätte?
- Allmächtiger Günstling eines tüchtigen Herrschers im
18. Jahrhundert, unter einem Herrn also, der etwas kann und will und dem
man nicht dient, um ihm eine Last abzunehmen. Ein sinnlich-heiterer Hof,
prunkvoll, feine und vornehme »Welt« mit viel Musik, Galanterie
und Esprit, die verführerischen Damen nicht zu vergessen. Fäden
großer Politik über Europa hin, Krieger und fähige Truppenführer,
eine Hauptstadt, in welcher der Geist der Zeit am Werke ist und ein paar
Menschen leben, die »unsterblich« sein werden. Schlösser,
Jagden, lauschige Parks. Und in diesem Zirkel den Staat langsam und fein
so aufbauen, daß er in der Geschichte eine große Aufgabe unternehmen
kann. (Oswald Spengler, Eis heauton, 36 ).
Eine
kleine hochgelegene einsame Wohnung (in München ),
Aussicht, ganz simpel eingerichtet, alte einfache Mahagonimöbel. Drei oder
vier Bekannte, die alle über die letzten Dinge zu reden wissen, unter denen
man zuhause ist, zu denen man nicht hinabzusteigen braucht. Ab und zu ein Mädel
mit einem schönen Körper, guter Laune, still und gutmütig, das
zufrieden ist, ein paar Stunden Musik zu hören und eine Nacht mit mir zu
schlafen. Kein Hund, wenige Bücher: Goethe, Shakespeare, Briefe, Memoiren.
Keine Zeitungen, kein moderner Kunstunrat, kein Theater. Musik: Bach, Gluck, Mozart,
der frühe Beethoven, Bruckner, Haydn. Alte Maler. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 37 ).Wenn
ich ein Mädchen sehe, so schwanke ich, ob ich sie ansprechen soll. Bin ich
im letzten Augenblick davor, so zögere ich, bis es zu spät ist.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 42 ).Angst,
Verzagtheit, Zweifel ohne Ende. Ich kann nur planen, nur entwerfen und im Kopf
vollenden. Ausführen ekelt mich an. Ich kann mich nicht entschließen
anzufangen. (Oswald Spengler, Eis heauton, 43 ).
Man sagt, daß jedes Ding aus seinem Gegensatz aufblüht.
Nun, wenn durch mein ganzes Leben ein unstillbarer Hunger nach Sonne,
Schönheit, Milde geht, so kommt es wohl daher, daß in dieser
Gemeinschaft einander nicht verstehender Menschen, die ich »Elternhaus«
nennen muß, kein Maß zu finden war. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 45 ).
Ich erstaune noch heute darüber, wie ich bis zu meinem 25.
Jahre wie in einem Traum lebte, hilflos, ängstlich, doch glücklich.
Damals in München. ( ).
Nach außen Verstellung, Ich sehnte mich, andern gleichzusein. Dann die Theorie.
Aber das waren isolierte Werte; im übrigen Träume, albern, kindlich.
Was habe ich manchmal aufgeschrieben! Unendliche Einsamkeit. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 49 ).Meine
Zeit ist das Rokoko; da bin ich zuhause. Antike Reste erschüttern mich wie
ein Traum vom Glück, das uns versagt blieb. Die Romantik füllt die Brust
mit tiefster Wehmut. Diese sächsischen und fränkischen Ornamente, Kapitäle,
Hallen sind Kindheitserinnerungen. Die Renaissance weitet die Brust - der Eindruck
überlegener, geistiger Gourmandise. Aber das Rokoko, sei es eine Kommode,
ein Spiegel, ein Saal, bringt mich zu Tränen. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 50 ).Ich
habe nie an Personen, nur an Sachen Interesse gehabt. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 51 ).Sehr
spät entwickelt. Noch heute (1918) fühle ich mich wie ein Kind und habe
Tage, wo ich naiver dahinlebe als ein Student im ersten Semester. Damals war ich
ein düsterer Träumer, ewig bedrückt von dem Gefühl, daß
ich zu nichts tauge: daß ich Dichter werden müsse, ohne das entscheidende
Können zu besitzen. Verfehlte, abgezwungene Versuche, nicht fertig, darüber
schwärzeste Melancholie. Geistig noch zu verschlossen, daß ich damals
von aller poetischen und philosophischen Literatur nichts verstand. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 52 ).Nonsens
meines Lebens. Von Kind an die Sucht, Napoleon zu sein, großer Politiker,
Staatsmann, die Landkarte ändern. (Oswald Spengler, Eis heauton,
53 ).Ich
habe ein so starkes Bedürfnis, jemand zu verehren und nicht nur Goethe und
Shakespeare, Größen der Vergangenheit, sondern Mitlebende. Was ist
meine Jugend, meine innere Entwicklung verdorben worden, weil ich niemand wußte,
vor dem ich Achtung haben konnte. (Oswald Spengler, Eis heauton,
54 ).Ich
habe nie an Ereignissen, Kunst, Landschaft Genuß gehabt. So schön ich
es mir vorher und nachher ausmalte, erst voll Sehnsucht, nachher voll Reue und
Selbstvorwürfen, im rechten Moment war ich immer enttäuscht, kalt, stumpf.
Ich hetze ruhelos durch Italien, nach einem Tag schon gelangweilt, alles Reizen
abkürzend und erst in der Bahn voll Sehnsucht zurück, durch alle Galerien
laufend, alle Bücher durchsuchend und nur die Erinnerung genießend.
Und ebenso die Liebesgeschichten: Sehnsucht, schlaflose Nächte, Tränen,
Angst, Eifersucht - und Langeweile und Ekel, solange sie da war. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 55 ).Mein
Gott, wie anders, wie viel schöner hätte mein Leben werden können,
wenn der große Krieg mich gepackt hätte, als ich 18 Jahre war oder
20, wo ich immer davon träumte, Schlachtpläne und Landkarten mit Eroberungen
zeichnete. Ich wäre damals aus meinen Träumen hart aufgerüttelt
worden, aber im Felde wäre vielleicht mehr aus mir geworden als es nun der
Fall ist. (Oswald Spengler, Eis heauton, 56 ).Berufswahl
- ... Ausrede (vom Beruf) »Oberlehrer« ..., weil meine (nicht gehörten)
Vorlesungen nichts anderes zuließen. .... Ohne Ziel, Plan ... fing ich einfach
an, Vorlesungen zu belegen. (Oswald Spengler, Eis heauton,
57 ).Der
Tag in Lüneburg ( )
! Entsetzen! (Oswald Spengler, Eis heauton, 57 ).Meine
Mutter (und Schwester Adele )
Träumerin, von den Glanztagen in Moskau und Paris des 2. Empire. Der entsetzliche
Tod Adele Grantzows (mit 36 Jahren 1877 an Blutvergiftung
gestorben! ).
Seitdem immer verschlossene »gute Zimmer« und peinlichst verschwiegen,
wie sie war. Neugierde. - Erst etwa mit 18 Jahren wurde ich »aufgeklärt«.
Was muß meine Mutter gelitten haben! Aus dieser Sphäre durch den Tod
der Lieblingsschwester ( )
in die krasse Wirklichkeit gestürzt, in die Ehe mit einem peinlichen Beamten
.... (Oswald Spengler, Eis heauton, 58 ).Einsamkeit,
Angst, Schüchternheit. (Oswald Spengler, Eis heauton, 60 ).Verhältnis
zum Vater - genau wie Stendhal und Goethe. .... Was ich geworden bin, meinen Scharfblick
etc. verdanke ich jener niederdrückenden falschen Erziehung meines Vaters,
und also auch meine Schüchternheit, die meine Jugend zu einer Qual machte.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 60 ).
Träumer, Heuchler, Feigling. Linkisch,
verschlossen, ohne Tatkraft ..., immer Angst vor dem Entschluß ....
Meine schreckliche Angst vor allem Weiblichen, maßlos lächerliche
Schüchternheit, nicht einmal grüßen, lieber hölzern
und plump erscheinen, dabei glühend sinnliche Träume und einige
tief unglückliche Liebesgeschichten, die ich, ohne ausgelacht zu
werden, nie hätte verraten dürfen. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 60 ).
Mein »Studium«. Nur Vorlesungen belegen, weil andre
sie belegten, ohne nachzuschreiben, ohne über das Ziel nachzudenken,
regellos. Mein Vater starb gerade rechtzeitig (01.06.1901;
HB). Wie ich ohne jede Vorarbeit in die Prüfungen stieg. Sieben
Fächer angemeldet, keines studiert. Ich tat immer ganz was anderes.
Es gibt keine menschliche Handlung, so hoch oder gemein sie sein möge,
in die ich mich nicht oft hineingeträumt habe und die ich nicht unter
sehr geeigneten Umständen begangen hätte. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 60 ).
Wie
ich ohne jede Vorarbeit in die Prüfungen stieg. Sieben Fächer angemeldet,
keines studiert. Ich tat immer ganz was anderes. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 60 ).Meine
grenzenlose Angst als Kind vor der Welt, der Zukunft. Wie ich sterben wollte aus
Grauen vor dem Leben. Das Icherlebnis in Soest: Brencken. Damit stand das Leben
als ein Bußgang vor mir, etwa wie eine trostlose Wanderung durch eine Wüste.
Ich kroch zu meiner Mutter, nur um mich an etwas zu klammern vor dieser Angst,
die mich nicht schlafen ließ. (Oswald Spengler, Eis heauton,
61 ).
Ich bin ein Feigling, zaghaft, hilflos. Noch
heute ist es nur die Gewohnheit, nach außen sicher aufzutreten,
die mich etwas schützt. Ich habe Angst, eine Wohnung zu mieten, einen
Brief zu öffnen, etwas zu schreiben (außer, wenn ich es instinktiv
tue, ohne nachzudenken, wie von selbst). Angst vor Begegnungen, vor Weibern
(sobald sie sich ausziehen), vor allen äußeren Entschlüssen.
Ich könnte wie ein Kind einem anderen Menschen alles überlassen,
um mich ganz in meinen Ideenkreis zurückzuziehen (es dürfte
kein Weib sein). (Oswald Spengler, Eis heauton, 63 ).
Auf
der Schule war ich ein Träumer. Ich ging stets allein. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 66 ).
Ich erinnere mich so deutlich jener Nachmittage,
die ich heimlich (weder meine Verwandten noch Mitschüler durften
es wissen; die einen hätten es verboten und die andren verspottet)
als Tertianer auf der Universitätsbibliothek zubrachte ( ).
Das erste Buch war Renans Leben Jesu. Ich habe damals ein tiefes Glück
empfunden, das zu schön war, um es jemand mitzuteilen. Ich fühlt
mir Flügel wachsen - ein neues Land: ich wußte, daß ich
selbst da etwas sein konnte. Ich habe noch heute einige Kolleghefte, die
ich mit Bemerkungen füllte. immer wieder in ein Märchenland
eindringend, nachdem der Unterricht am Vormittag mich hinlänglich
angeekelt hatte. Ich las Bauer, De Wette, Haeckel, immer wieder in ein
Märchenland eindringend, nachdem der Unterricht am Vormittag mich
hinlänglich angeekelt hatte. - Dies Glück hat sich erst jetzt
wiederholt, in jenen Jahren 1912-13, wo mir endlich die Philosophie aufging,
die ich seit meiner Jugend gesucht hatte. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 67 ).
In
jenen Jahren 1912-13, wo mir endlich die Philosophie aufging, die ich seit meiner
Jugend gesucht hatte. (Oswald Spengler, Eis heauton, 67 ).
Es ist nich »Glück«, das mir gefehlt hat: ich
wäre für jedes große Unglück dankbar, das mich getroffen
hätte, wenn es nur Leben gewesen wäre. Aber bis zum heutigen
Tage kann ich weder von Freunden noch Erlebnissen noch Taten noch Freuden
und leiden erzählen, sondern nur vom Ich, Ich, Ich, das in mir eingekapselt,
wie im Kerker, seiner Haft sich bitterlich bewußt, sich quälte,
ohne je eine Beziehung zum Draußen zu finden. Meine Biograpghie
ist Beschreibung dieses Zusatandes, nichts weiter. Ich beneide jeden,
der lebt. Ich habe nur gegrübelt, und wo mir die Möglichkeit
nahetrat, wirklich zu leben, da zog ich mich zurück, ließ
sie vorübergehen, und sobald es zu spät war, packte mich bitterste
Reue. (Oswald Spengler, Eis heauton, 68 ).
Meine
Erinnerungen, einfach die Notizen; Titel: Leben des Verstoßenen. Ohne Familie.
Trostlos. Wie heimlich am Weihnachtsfest! - Ich kenne keinen jener behäbigen
niederdeutschen Haushalte, keine Familienidylle, keine Freundschaft. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 70 ).
Oft habe ich Momente, wo ich meine Seele wie eine Fülle von
Blüten empfinde. Alles strömt über. Ich kann in einigen
Minuten Gedanken über Mathematik, Krieg, Rembrandt, Lyrik, Sprache
fassen und ich fühle immer, daß gerade diese durcheinander
»geborenen« Einfälle die besten waren. Ich denke noch
nach, sie springen so, fertig hervor. Aber gerade nachher, in einer weiteren
glücklichen Stimmung, etwas müde, möchte ich immer jemand
neben mir haben, mit dem ich weiterdenken kann, Dann würde sich vieles
noch weiter entwickeln. Und gerade dieses Gefühl, allein zu sein
unter Larven, weckt mich auf. Der Geist schließt sich und ich bin
wieder Mensch auf der Erdoberfläche. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 72 ).
Manchmal
berührt mich meine ungeheure Vereinsamung schmerzlich. Heute, an dem größten
Tag der Weltgeschichte, der in mein Leben fällt und zu der Idee, derentwegen
ich geboren wurde, in so gewaltigem Zusammenhang steht, 1. August 1914, sitze
ich einsam zu Hause. Niemand denkt an mich. (Oswald Spengler, Eis heauton,
73 ).
Als ich damals (1911) von Hamburg
nach München ging, um in München zu arbeiten ( ),
hatte ich, wie ich die Schule (als Oberlehrer)
verließ, niemand. (Oswald Spengler, Eis heauton, 73 ).
Ich
empfinde die meisten großen Weltereignisse - den Krieg z.B. - als persönliche
Schuld. Wie kommt das? Ich gehe in entsetzlicher Verzweiflung herum, wie
ein Missetäter, der dafür Strafe verdient. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 75 ).Wenn
ich mein Leben betrachte, ist es ein Gefühl, das alles, alles beherrscht
hat: Angst ( ),
Angst vor der Zukunft, Angst vor Verwandten, Angst vor Menschen, vorm Schlaf,
vor Behörden, vor Gewitter, vor Krieg, Angst, Angst. Ich habe nie den Mut
gehabt, das andren zu zeigen. Sie hätten mich auch nicht verstanden. Ich
glaube, daß niemand in einer so ungeheuren inneren Vereinsamung lebte (ich
erinnere mich an mein sechstes Jahr, wo es auch schon so war). Und so begann ich
zu lügen, weil ich mich fürchtete, weil ich mich nicht verraten wollte,
denn ich wagte es nicht, über mein Inneres zu reden. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 79 ).Ich
habe als Schüler der Francke'schen Stiftungen immer über den Zwang geklagt,
und noch heute bin ich unversöhnt mit dieser Schöpfung, die nichts Halbes
und nichts Ganzes ist, ein ländliches Kloster mitten in einer schmutzigen
und gewöhnlichen Fabrikgroßstadt. Interne, die ihre Aufklärung
durch die Stadtschüler empfingen. Und trotzdem, wenn ich heute auf mein Leben
zurückblicke, dessen Jugend verfehlt war und das dadurch für immer verdorben
und verkümmert wurde, so fühle ich, daß Schulpforta für mich
das richtige gewesen wäre: fort von einem Elternhaus, das nur eine Wohnung
mit mißvergnügten, einander fremden Menschen war, nur unter begabten
Mitschülern - man glaubt nicht wie dumm diese Internen in Halle waren; Intelligenz
war beinahe ein Laster in diesem Penal. - Jedenfalls schämte ich mich meiner
geistigen Interessen vor den Mitschülern, die darüber gelacht hätten,
und ging heimlich zur Universitätsbibliothek. .... Eine Schule, wo alle die
Leidenschaft zur Erkenntnis gehabt hätten, würde mich zu einem großen
und glücklichen Menschen gemacht haben. Ich hätte über meine bitteren
inneren Kämpfe zu sprechen gelernt, sie wären tiefer und reifer geworden,
fruchtbarer vor allem. .... Und endlich der weise Zwang, der mir so nötig
gewesen wäre, der ich immer zwischen einem Gelehrten und einem Bohemien in
der Mitte schwankte, ohne das eine oder das andere völlig zu sein.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 83 ).
Es wird mir immer deutlicher, daß eines
der tiefsten Rätsel der abendländischen Seele, ihr Schlüssel
vielleicht, diese ungerechte Liebe zur Antike ist. Ich teile sie mehr,
als die meisten andren nur ahnen können. Wie oft stand ich bis zum
Weinen erschüttert vor einer unbedeutenden Ruine! Und trotzdem, welch
ein Unsinn ist diese Liebe! Welche andre Kultur hat je etwas ähnliches
erlebt? Und es ist nur die Antike, nicht Ägypten,
nicht Indien, das wir lieben. Und um gerecht zu sein, ist es nicht
einmal die Antike, sondern ein Wahnbild, das wir aus allem zusammengestellt
haben, was uns fehlt. Der antike Pöbel ist uns ein prachtvolles
Bild, der unserer Weltstädte eket uns an. Odysseus, der Yankee ubd
Hochstapler - und Morgan, Cäsar und Rhodes, Alibiades und O. Wilde.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 84 ).
Ich war nie jung, nie glücklich. Ich
habe immer gewünscht und immer gezögert, bis es zu spät
war, nie gewagt und alles bereut. Ich wagte nie den letzten Schritt zu
tun! Was habe ich nicht vom 17.-35. Jahr der Vollendung nahe gebracht
und dann aufgegeben! (Oswald Spengler, Eis heauton, 85 ).
Malstrom
(veröffentlichen), denn diesen Entwurf habe ich zwei Jahre lang geliebt.
(In Spenglers Malstrom heißt es u.a.:
Der Hang zur Tat ist Gabe engen Geistes; HB). (Oswald
Spengler, Eis heauton, 87 ).Erneut
mit Bezug auf Lektüre zu Nietzsche. Damals hatte man als Knabe Innerlichkeit,
von der in unsrer schalen Jugend nie die Rede war. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 88 ).
(Über die »eigenen« Schüler)
.... Was für eine Jugend! Religion war mir Spott über die Bibel,
in der wir Zoten suchten, alles übrige war uns eine Last, unsre Lehrer
Narren. Als ich die nächste Generation selbst unterrichtete, fand
ich Jungen, die mit 15 Jahren für Totalisatorwetten und Rekorde ...
Zigarren und Weiber schwärmten, bleich, unintelligent, blasiert.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 88 ).
Das
Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt kenne ich in einer Art, die vielleicht
kein andrer hat, als Stimmung von Jugend auf. (Oswald Spengler, Eis heauton,
89 ).Mißverhältnis.
Die Mutter träumend: herrschaftliche Wohnung, großen Fuß - ohne
es machen zu können, der Vater, aus armer Familie, ohne es hindern zu können.
(Oswald Spengler, Eis heauton, 93 ).
Wenn sich doch endlich einmal ein paar vernünftige Architekten
zusammentäten, um in München anständige Häuser zu bauen. Es
ist beinahe unmöglich, eine kultivierte kleine Wohnung zu finden. ( ).
Also ganz schmucklose Häuser, ohne Ornament .... Dreieinhalb Meter hohe große
Zimmer .... Nur die feinen Raumverhältnisse. Drei Zimmer, ineinandergehend,
zweifensterig, Balkon, Jalousinen wie im Süden. Nichts weiter. (Oswald
Spengler, Eis heauton, 95 ).
Der Zusammenbruch - Irrsinn, Schlag - wird
bei mir vielleicht mit vierzig Jahren eintreten, kaum später, eher
noch früher. Ich habe zuviel innerlich gelitten. Hätte ich Freunde
gehabt, denen ich mich mitteilen konnte, ich wäre heute anders. Ich
hätte meine wichtigsten Dinge längst gesagt. Sie hätten
mich nicht so fürchterlich niedergedrückt. Ich werde an den
Folgen meiner Einsamkeit sterben. - Alkohol ist mir zu grob. Aber ich
fürchte die Bekanntschaft mit Opium und haschisch. - Würde ich
in den Jahren, die mir vor dem Irrsinn noch übrig bleiben, wenigstens
die wichtigsten Dinge beenden? (Oswald Spengler, Eis heauton,
99 ).
Niemand weiß, was es heißt, mit
solchen Ideen kämpfen, deren furchtbarer Ernst den Selbstmord nahelegt,
und tagelang nicht ein Wort sprechen, nicht einen Menschen um sich sehen.
Und dann, in der äußersten Niedergeschlagenheit, Wein, Musik
oder ein paar Schriftsteller (Shakespeare, Baudelaire, Hoffmann) zu haben.
Was habe ich in dieser Einsamkeit verloren! Wie viel Energie, die ich
sonst auf andere Sachen verwandt hätte! Ich habe das Talent,
die Minute auszukosten. Und wann hat je ein Mensch, der dazu geboren war,
ein so jämmerliches, dürftiges, magisterhaftes Dasein geführt?
(Oswald Spengler, Eis heauton, 100 ).
In München wird heute jedes Lokal vulgär
oder spießbürgerlich, wo Literaten und Künstler verkehren.
Ich habe so viel Talent zur Geselligkeit. Ich könnte einen Kreis
vom feinsten geistigen Genuß um mich versammeln. Aber ich kann nicht
mit Dutzendmenschen verkehren. So leide ich unter dieser furchtbaren Vereinsamung,
niemals über meine Sachen sprechen zu können, nur blöde
Zuhörer zu finden, keiner der versteht, der urteilen kann. Ich spreche
lieber mit einem Mädel, das ich mir von der Straße mitnehme,
als mit diesem Künstlerpack. (Oswald Spengler, Eis heauton,
101 ).
Von
meiner Mutter habe ich - außer den Kopfschmerzen - die unaufhörliche
Lebensangst. Sie sah alles dunkel und furchtbar vor sich, seitdem Adele Grantzow
( )
gestorben war (1877; HB): (Oswald Spengler,
Eis heauton, 103 ).
Das zweite Kaiserreich war die Zeit der Virtuosen (Sänger,
Tänzer, Pianisten) größten Stils. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 103 ).
Wenn ich meine innere Entwicklung betrachte,
bin ich immer wieder über ihre Langsamkeit erstaunt. Spätreif
ist der richtige Ausdruck. Nicht in jeder Hinsicht: ich habe mit 16 Jahren
heimlich - weil ich mich nicht vor jedem lächerlich machen wollte
- meine Nachmittage auf der Universitätsbibliothek in Halle zugebracht
und dort philosophische Werke gelesen, und ich besitze noch viele Hefte
aus dieser Zeit voller Aphorismen über Sozialismus und dergleichen
( ).
Aber seelisch: mit 20 Jahren war ich ein »Kind«, mit 30 ein
»Student«. (Oswald Spengler, Eis heauton, 106 ).
Wie
leide ich an allem Schlechten meiner Zeit. Wenn ich eine alte Frau sorgenvoll
in einen Laden treten oder im Schaufenster die Waren mustern oder Geld zählen
sehe, ergreift mich ein so fürchterliches Mitleid, daß ich mir sage,
du hast nicht das Recht am Leben zu bleiben, du müßtest alles hingeben
und diesen armen, vom Leben gebrochenen Leuten noch dienen. Ich weiß, warum
ich imstande bin, die geheimsten Gefühle der Gegenwart zu verstehen. Mir
ist nichts fremd. (Oswald Spengler, Eis heauton, 107 ).
Mein großes Buch,
Untergang des Abendlandes, schon gefühlsmäßig mit
20 Jahren konzipiert (am 29.05.1900 war Spengler
20 Jahre alt geworden; HB), in der Schulzeit immer vorgenommen,
versucht, Versuche vernichtet. Endlich in München packt es mich.
Tyrann. Ich hatte Angst davor; oft wochenlang nicht gewagt, die Hefte
anzusehen. Mit anderen Plänen, Aufzeichnungen »herumgegangen«.
Immer das Verzagen gegenüber dem Großen, das erdrückend
wirkte. Ein so tiefes Glück wie dieser Abschluß andren kaum
vorstellbar. (Oswald Spengler, Eis heauton, 113 ).
Eines darf ich sagen: innerlich habe ich mehr erlebt als vielleicht
irgend ein Mensch meiner Zeit. Nur habe ich nie gelernt (oder gewagt)
es jemend fühlen zu lassen. (Oswald Spengler, Eis heauton,
116 ).
Ist es nicht besser, mit Bauern und Magistern zu verkehren, als
mit dem, was heute »berühmt« ist? (Oswald Spengler,
Eis heauton, 117 ).
Ohne praktische Arbeit großen Stils kann ich nicht leben.
Das macht mich vor der Zeit krank. Diese Verzweiflung versteht niemand.
Ich war ja einmal Oberlehrer. Und ich habe da auch was zu tun gehabt (denn
den Unterricht zähle ich nicht als »nutzbringende Tätigkeit«).
Aber das ist mir zu gering. .... (Doch das Urteil über die Arbeit
als Oberlehrer) .... Ich habe jede Arbeit in dem Bewußtsein getan,
daß ich mein Leben vergeude. Und dies bittere Gefühl hat mich
niemals verlassen. (Oswald Spengler, Eis heauton, 118 ).
Ich fühle immer wieder, wenn ich Hebbels Tagebücher
lese, eine tife Verwandtschaft mit seiner unglücklichen Anlage die
ihn (wie mir) nie zu einem wahrhaft reinen Dasein gelangen läßt.
Über allen Dingen schwer werden. (Oswald Spengler, Eis heauton,
121 ).
Ich weine so leicht. Wenn ich z. B. eine gebrechliche Frau mit
grauem, wirrem Haar sehe. Oder im Theater. Alles schneidet mir tief in
die Seele. .... Was habe ich schon unter dieser Weichlichkeit gelitten.
Tagelang kann ich dann nichts arbeiten. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 123 ).
Ich
habe schon als Kind immer die Idee in mir getragen, ich müßte eine
Art Messias werden. Eine neue Sonnenreligion stiften, ein neues Weltreich, ein
Zauberland, ein neues Deutschland, eine neue Weltanschauung - das war zu 9/10
der Inhalt meiner Träume. Es liegt in ihnen, daß ich nie Anstalten
machte, sie mehr als Träume sein zu lassen. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 124 ).
Ich war zeitlebens ein Träumer. Faul, unentschlossen nennen
das die Leute .und mit Recht, wenn sie Gedankenarbeit nicht als Arbeit
gelten lassen. Ich habe aber stets diese Arbeit von früh bis spät
und in 1000 schlaflosen Nächten getrieben und die des Scheibens als
Last empfunden. (Oswald Spengler, Eis heauton, 126 ).
Der Tod des alten Kaisers (Wilhelm I; HB)
1888. Jesus meine Zuversicht. Seitdem ist der Anfang dieses Liedes mit
seiner schönen Melodie für mich mit der Idee »fassunglsoe
Wehmut« verbunden, trübe, trostlos. (Oswald Spengler,
Eis heauton, 127 ).
Jede Psychologie ist ein Selbstgeständnis ihre Urhebers,
das Spiegelbild seines Ich. Jeder Assoziationspsycholog (das Wort ist
so viel wert wie die Sache) ist ein Flachkopf, nicht weil er so dachte,
sondern weil er so denken mußte. (Oswald Spengler, Eis
heauton, 128 ).
Ich habe nie einen Monat ohne Selbstmordgedanken
gehabt. (Oswald Spengler, Eis heauton, 129 ).
Wirkliche Träume kenne ich beinahe nicht, aber ich hatte
als Knabe viel Angstträume, an die ich mich heute noch genau erinnern
kann (die Bettdecke [welche sich zu unendlichen Flächen erweiterte],
die vielen Käfer [auf der Bettdecke], die großen Ungeheuer,
die daran zerren, das Gefäß, das geleert werden muß,
die großen Rechenexempel, die Sklavenfolter, der Tod in der Fontänenröhre,
der Flug) .... Dagegen sind mir Wachträume noch heute etwas alltägliches.
Ich sitze im Sessel und denke an irgendeine Landschaft ....
(Oswald Spengler, Eis heauton, [125, 129] 130 ).
Außer
den Schulgedichten habe ich bis zu meinem 22. Jahr nicht einmal Goethes Gedichte
gelesen. (Oswald Spengler, Eis heauton, 132 ).
Meine furchtbaren Empfindungen, die kaum jemand begreifen kann.
Jeder der wenigen Menschen, mit denen ich überhaupt zusammenkomme,
hat kleine Eigenarten, die mich qualvoll martern. Eine Redewendung, eine
kleine Dialekteigentümlichkeit, eine bestimmte Art, zärtlich,
verstimmt, freundlich zu sein, bringt mich plötzlich zu einem Ekel
an der ganzen Welt, so daß ich fortgehen und mich von allem abschließen
möchte, tagelang kann eine solche Kleinigkeit auf mich wirken und
sich bis zum wütenden Haß steigern, ohne daß ich etwas
merken lassen kann. Ich werde niemals Menschen finden, deren Umgang mir
ein Genuß ist. (Oswald Spengler, Eis heauton, 133 ).
Wie oft geschieht es, daß ich etwas sagen will und trotzdem
das Gegenteil sage. Ich bemerke das, aber mein zweites Ich geht weiter
und behauptet den Standpunkt, wobei ich mich sehr unglücklich fühle:
das erste Ich hüllt sich ein und verzichtet beschämt, das zweite
redet Dinge, von deren Gegenteil es überzeugt ist. -
Auch das kommt von dem Mangel geistiger Gesellschaft. Denn minderen Leuten
gegenüber, die man aus bitterster Not zur Diskussion bringt, ist
es gleichgültig, ob man für oder gegen etwas spricht. Unter
diesem Niveau nämlich, wo die »Wahrheit« gar nicht statt
hat. (Oswald Spengler, Eis heauton, 140 ).
Ich habe von Jugend auf das Innenleben eines Verrückten geführt
und meine Menschenscheu und das Lügen vor andren - gegen mich selbst
bin ich verzweifelt aufrichtig, vielleicht meine einzige Tugend - rührten
daher, daß ich mir in den tief glücklichen wie den elendsten
Stimmungen immer bewußt war, sie auch nicht annähernd mitteilen
zu dürfen. Noch heute würde ich schallendes Gelächter erregen,
wenn ich versuchte zu beschreiben, was in mir vorgeht, während ich
z. B. ein ernsthaft langweiliges Gespräch führe, ein Gemälde
betrachte, einen Brief schreibe. Zuweilen gehen sinnlose Wortelemente
mir tagelang durch die Seele, die irgendwie etwas Faszinierendes, erotisch
Reizendes, Drückendes, Lähmendes haben, die für mich stundenlang
zu einer inneren Welt werden können, von der selbst Andeutungen undenkbar
sind, die sich endlich zu Versen verdichten und damit als magische Größe
schwinden. Ich kenne heute noch solche völlig verrückten Wort-
und Satzgebilde, die ich seit Soest, seit meinem sechsten Jahre herumtrage,
und die mir alle paar Jahre mit einer ganzen wunderbaren Welt innerer
Visionen (die ganz anderes als Klang oder Licht oder derlei Bestimmtes
sind) einfallen. Meine eigentliche Sprache versteht niemand. Was ich sage,
erscheint mit so oft wertlos, verächtlich, so daß ich eine
Sucht zu lügen habe, da ja doch alles belanglos ist, was ich sage.
Es führt kein Weg von dem was ich sagen könnte zu andren Menschen.
Nicht einmal Lyrik ist ein Ausdrucksmittel dafür. Alles, was ich
geschrieben habe, erscheint mir in den besten Stunden albern und leer.
Deshalb ekelt mich das Schreiben. Ich spreche mit mir selbst in einer
Art, die sich nicht beschreiben läßt. Das allein empfinde ich
als »Natur«. (Oswald Spengler, Eis heauton, 141 ).
Poetica
(Die Figur des Herostrat [autobiographisch
gemeint?]: ... )
... furchtbare Angstzustände (ego) vor der Zukunft, vor d. Tode, d. Rache,
dem ruhmlosen Ende ...; vor dem Gefühl, daß seine großen Entwürfe
alle mit ihm sterben werden, daß keiner lebt, und sich zu einer Höhe
aufraffen kann, während er zu schwach zum energischen Verfolgen ist.
(Oswald Spengler, Poetica, 66, 167 ).
Hier muß Grauen ... eine Höhe erreichen, die kein Dichter
sich je träumen ließ. (Oswald Spengler, Poetica, 66, 192 ).
Die Liebesgeschichte ist meine: Er kann nicht lieben. Die Einsamkeit
eines Herostrat ( )
.... (Oswald Spengler, Poetica, 66, 5 n ).
Fühlen ..., Liebe und Zärtlichkeit ... - ... Jesus (gegen)
Cäsar .... (Oswald Spengler, Poetica, 70, 35 m ).
Politica
(NSDAP als die) ... Organisation der Arbeitslosen
durch die Arbeitsscheuen. (Oswald Spengler, Politica, I, 75,
zitiert in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 227 ).
Wir wollten die Parteien los sein, die schlimmste blieb (die
NSDAP; HB). (Oswald Spengler, Politica, I, 75, zitiert
in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 229 ).
An den Insel-Verlag
)
... sehr viel verdanke (Oswald Spengler in einem unveröffentlichten
Brief an den Insel-Verlag vom Oktober 1919 ).
An Oskar Beck
Ich habe auf diese
Weise mehr als fünfzig Vorgänger kennengelernt, darunter Lamprecht,
Dilthey und sogar Bergson. Inzwischen werden es weit über hundert geworden
sein. Hätte ich auch nur die Hälfte davon lesen wollen, so wäre
ich noch heute nicht zu Ende .... Die beiden Denker, von denen ich mich durchaus
abhängig fühle, sind Goethe und Nietzsche. Wer Vorgänger in den
letzten zwanzig Jahren aufstöbert, scheint gar nicht zu ahnen, daß
alle diese Gedanken, und zwar in weit vorausgreifender Fassung, schon in Goethes
Prosaschriften und Briefen enthalten sind, die Folge von Frühzeit, Spätzeit
und Zivilisation z.B. in dem kleinen Aufsatz Geistesepochen ( ),
und daß es gar nicht möglich ist, heute etwas auszusprechen, was nicht
in Nietzsches Nachlaßbänden berührt wäre. (Oswald Spengler
in einem unveröffentlichten Brief an Oskar Beck vom 18.09.1921 ).
Wahrhold Drascher über Oswald Spengler
Er achtet besonders
sorgfältig darauf, dem Partner nicht zu unterbrechen, und macht ab und zu
beim Sprechen größere Pausen, wie um zur Widerrede aufzufordern. Auf
eingeworfene Argumente geht es jedesmal sorgfältig ein. Er überläßt
die Führung der Diskussion seinem Partner und wartet am Ende eines gedanklichen
Absatzes schweigend, bis der andere spricht. (Wahrhold Drascher, Unterredung
mit Oswald Spengler in München, 04.09.1928; unveröffenlichte Aufzeichnungen ).
Aus dem Nachlaß (Spengler-Archiv)
Na Junge?
Wann schreibste denn Dein beriehmtes Buch? (Julius Spengler zu seinem Neffen
Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Tagebücher, zitiert
in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 6 ).
Ich schreibe das beste Deutsch, das augenblicklich in Büchern
zu lesen ist, aber der Sinn dafür ist den meisten abhanden gekommen.
(Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Tagebücher, zitiert
in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 29 ).
(Zur Emigration ...) .... Das wäre feige, jetzt fortzugehen.
(Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Tagebücher, zitiert
in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 29 ).
Das war einer der peinlichsten Augenblicke in meinem Leben, als
ich das Paket in den Briefkasten plumpsen hörte. Ich hätte in dem Augenblick
was darum gegeben, wenn ich es (gemeint ist das Buch: Der
Untergang des Abendlandes, Band I; HB) hätte wieder herausziehen
können. (Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Aufzeichnungen,
zitiert in: Anton M. Koktanek, Oswald Spengler in seiner Zeit, 1968, S.
148 ).Na
? Was haste denn jetzt für Probleme gelest? (Julius Spengler
zu seinem Neffen Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Tagebücher,
zitiert in: Detlef Felken, Oswald Spengler, 1988, S. 148 ).
Nun ist ein ganz Großer, ein Unersetzlicher weg. Jetzt sind
die Leute dritten Ranges wieder unter sich. - Eduard Meyer ( )
war der einzige Mensch auf der Welt, mit dem ich mich auf allen Gebieten unterhalten
konnte und der mich wirklich verstand. .... Ja, er war eben für mich der
Einzige. (Eduard Meyer starb am 31. August 1930; HB).
(Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt, Tagebücher, 7,10-7,19,
zitiert in: Anton M. Koktanek, Oswald Spengler in seiner Zeit, 1968, S.
396f. ).Alle
meine politischen Sachen haben mir keinen Spaß gemacht. Das Philosophische,
das ist mein Feld. (Oswald Spengler, zitiert in: Hildegard Kornhardt,
Tagebücher, 27.07.1933, zitiert in: Anton M. Koktanek, Einführung,
zu: Oswald Spengler, Urfragen, in: Fragmente aus dem Nachlaß,
postum, S. XXIV ). |