Die kleine Baham-Insel
Guanahaní, deren Küste Kolumbus am 12. Oktober 1492 als erste in der
Neuen Welt betrat, erhielt von ihm den Namen San Salvador, eine Bezeichnung,
die im Geist der Bringer-Ideologie das Höchste repräsentierte, was die
Eroberer mit sich führen konnten. ... Jene Insel, die heute Kuba heißt,
hatte von Kolumbus den Namen Santa Maria de la Concepción erhalten
- womit die Heilige Familie karibisch etabliert war. Das spätere Haiti genoß
eine Weile den Vorzug, als Klein-Spanien, Hispaniola, apostrophiert zu
werden. ... Freilich heißt auch der Kontinent, den Kolumbus entdeckte, der
mittel- und südamerikanische, nicht nach ihm selbst, wie es sich nach den
Regeln des Globalisierungsspiels gebührte, sondern nach einem seiner Rivalen
im Wettlauf um die Erschließung der Neuen Welt. Infolge einer problematischen
Tauf-Hypothese des deutschen Kartographen Martin Waldseemüller aus dem Jahr
1507 blieb der feminisierte (weil Kontinente -Gefäße des Lebens - weiblich
sein müssen) Vorname des Kaufmann-Entdeckers Amerigo Vespucci an dem Kontinent
hängen, dessen Ostküste der Florentiner nach unsicheren Quellen im Jahr
1500 bis zur Amazonasmündung erforscht haben soll. In diesem Benennungserfolg
spiegelt sich die Durchsetzungskraft einer von Waldseemüller publizierten,
annähernd herzförmigen planisphärischen Weltkarte, die zugleich
die älteste im Holzschnitt-Verfahren gedruckte Karte darstellt. Zu ihrer
Durchsetzung - sie soll eine Auflage von eintausend Stück gehabt haben, von
der sich nur ein einziges bekanntes Exemplar erhalten hat - trug eine Begleitschrift
bei, die noch im Jahr ihres Erscheinens dreimal nachgedruckt werden mußte.
Aus derselben Zeit stammt der Waldseemüller-Globus, der für die Südhälfte
der Neuen Welt denselben Benennungsvorschlag - America - aufweist. Es bleibt zu
erwägen, ob nicht die Herzförmigkeit der Karte zu dem Triumph von Waldseemüllers
kosmographischem Bravourstück Entscheidendes beigesteuert hat, denn was konnte
für die weltvorstellende Einbildungskraft ergreifender sein als der Gedanke,
den gesamten Flächeninhalt der irdischen Kugel auf einem großem Herzen
abzubilden? Daß sich Waldseemüller später von seiner Vespucci-Hypothese
abwandte, konnte den Siegeszug des von ihm (und Matthias Ringmann) lancierten
Namens nicht mehr aufhalten. Auf dieser Grundlage sollten sich die Länder
der Neuen Welt zu den Vereinigten Staaten der Falschbenannten entwickeln.
(Peter Sloterdijk, Sphären II - Globen, 1999, S. 922-925).
Johannes Faust (um 1480 - um 1540), deutscher Arzt, Astrologe
und Schwarzkünstler, war nach seinem Theologiestudium in Heidelberg u.a.
in Erfurt (1513), in Bamberg (1520), in Ingolstadt (1528) und in Nürnberg
(1532). Er stand in Verbindung mit humanistischen Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend
Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturphilosophie der Renaissance (magia naturalis).
Schon zu seinen Lebzeiten setzte die Sagenbildung ein, besonders durch Übertragung
von Zaubersagen auf ihn, in denen er vor allem als Totenbeschwörer auftrat.
Sein plötzlicher (gewaltsamer?) Tod gab Anstoß zu Legenden, der Teufel
habe ihn geholt. Diese Stoffe wurden Grundlage eines Volksbuches. Das erste Faustbuch
erschien 1587 bei J. Spies in Frankfurt (Main). Mit einer um 1575 niedergeschriebenen
Wolfenbüttler Handschrift des Faustbuches geht diese Fassung auf eine gemeinsame,
nicht erhaltene Vorlage zurück. Das Spies'sche Faustbuch wurde 1599 in Hamburg
neu bearbeitet von G. Widmann, dessen Fassung später (1674) von J. N. Pfitzer
gekürzt wurde. Das älteste überlieferte Faust-Drama ist The
tragical history of Doctor Faustus (entstanden 1588) von C. Marlowe. Es schließt
sich eng an das Spies'sche Faustbuch an. Den Anfang bildet der Faustmonolog, ein
nächliches Selbstgespräch des Faust, in dem dieser die einzelnen Universitätswissenschaften,
einschließlich der Theologie gegeneinander abwägt, sie alle verwirft
und sich der Magie verschreibt. Dieser Faustmonolog wurde ein festes Bauelement
fast aller späteren Faustdramen. Faustspiele waren bei den englischen Komödianten
in Deutschland (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später den deutschen Wandertruppen
beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor Faust, das seit 1746 bezeugt ist,
fußt. (Vgl. 16-18
und Goethe).Johann
Wolfgang Goethe
(28.08.1749 - 22.03.1832): Urfaust
(1772-1775), Faust
(Fragment, 1790), Teil I, 1806, Teil II, 1831.Johann
Wolfgang Goethe
(28.08.1749 - 22.03.1832), Faust
(I), 1806, S. 27, Faust
(II), 1831, S.113ff.Oswald Spengler
(1880-1936), Der Untergang des Abendlandes, 1918 (Band I), 1922 (Band II).Seelenbild
der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch
und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher
Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild
und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß
der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom
deutlich werden kann: Euklid
hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung
für das antike Beispiel gegeben und Gauß
ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische.
Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen
Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol
angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler,
1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Das
Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele,
ihr Ursymbol die Welthöhle. (Vgl. Spengler,
1922, S. 847f.).Carl Friedrich Gauß
(1777-1855) veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil
er das Geschrei der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen
fürchtete. Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken
Landschaft (Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte
als denkfaul und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte
zu Recht, daß man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen
können. Die erste der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach
Vollendung seines Hauptwerkes Disquisitiones arithmeticae (1801), durch
deren in sich widerspruchslose Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere
streng mathematische Arten einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die
sämtlich a priori gewiß sind, ohne daß es möglich
wäre, eine von ihnen als die eigentliche Form der Anschauung herauszuheben.
(Vgl. 18-20).Römisch-katholische
Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz
des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und
vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963)
soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei:
von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher,
wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen.
Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper
und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle
ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum
entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich
die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum
versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element
ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als
auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der
abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen
antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen
Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland,
sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so
auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike
auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch
erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die
Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein
Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland
scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen
Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung
bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt
deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor? Es bleibt zunächst festzuhalten,
daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und
Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß.
Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren,
folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich
beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil
dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit
zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen
will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des
Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und
einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für
eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat
und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender
Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung
zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren
also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber
die Kontrollgene germanisch. (Vgl.
22-24).Fürst (zu althochdeutsch furisto,
der Vorderste)ist seit dem Mittelalter die Bezeichnung für die höchste
Schicht des hohen Adels, die durch ihre besondere Königsnähe an der
Herrschaft über das Reich, besonders in seiner territiorialen Gliederung,
teilhatte (Reichsadel), v.a. Herzöge und Herzogsgleiche sowie Erzbischöfe,
Bischöfe und Äbte der Reichsabteien. Ihnen stand das Recht der Königswahl
zu und die Pflicht, bei Entscheidungen in Reichssachen mitzuwirken. Im Heiligen
Römischen Reich Deutscher Nation konnten zunächst alle freien, dann
alle Reichsfürsten den König wählen. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts
kristallisierten sich bei der Wahl des Königs immer mehr entscheidende Fürsten
heraus. Spätestens aber im 13. Jahrhundert ergab sich aus den Fürsten
heraus der engere Kreis der Königswähler, die Kurfürsten, deren
Sonderstellung in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt wurde. Weltliche
und geistliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Seit dem
staufisch-welfischen Thronstreit (1198) mußten die Erzbischöfe von
Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein (die Rheinpfalz) an einer
gültigen Wahl beteiligt sein. Der Sachsenspiegel (1224-1231) zählt
2 weitere Kurfürsten als Vorwähler oder Erstwähler
auf: den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Doppelwahl
von 1527 traten zum ersten mal die 7 Kurfürsten (einschließlich des
vom Sachsenspiegel abgelehnten Königs von Böhmen) als alleinige Wähler
auf. Bei der Wahl Rudolfs
von Habsburg (1273) war das Kurfürstenkollegium (Kurkollegium) ein geschlossener
Wahlkörper. Seine Entstehung - vom Sachsenspiegel aus dem Besitz der Erzämter
erklärt - war also letztlich ein Ergebnis des Interregnums:
eine Verhinderung der erblichen Thronfolge, ein Erwerb von Reichsgut und wichtigen
Reichsrechten durch die Kurfürsten. Das Wahlrecht schränkte sich auf
3 geistliche und 4 weltliche Kurfürsten ein, die vom Kandidaten Sonderrechte
(Kapitulationen) und politisches Mitspracherecht (Willebriefe) forderten, ein
schwaches Königtum wünschten und deshalb die Krondynastie wechselten.
Die Kurfürsten wurden häufig zu Gegenspielern des Königtums. Zur
Gültigkeit der Wahl mußten mindestens 4 Kurfürsten anwesend sein.
Die Mehrheitswahl wurde zuerst im Kurverein
von Rhense (1338) für rechtsmäßig erklärt und 1356 in
der Goldenen Bulle als Reichsgrundgesetz festgelegt, die auch die Beratung von
Reichsangelegenheiten durch die Kurfürsten auf Kurfürstentagen verbriefte.
Im 15. Jahrhundert wurde das Kurfürstenkollegium zur 1., vom Reichsfürstenrat
getrennten Kurie des Reichstages. Die böhmische Kurwürde ruhte 1519
bis 1708 mit Ausnahme der Beteiligung an der Königswahl; die Kur des geächteten
Pfalzgrafen bei Rhein wurde 1623 Bayern übertragen, der Pfalz aber 1648
eine 8. Kurwürde zugestanden. Braunschweig-Lüneburg (Hannover) hatte
seit 1692 eine 9. (1708 vom Reichstag bestätigt), nach der Vereinigung Bayerns
mit der Kurpfalz 1777 die 8. Kurwürde inne (seit 1778). 1803 wurden die Kurstimmen
von Trier und Köln aufgehoben, die Mainzer Kur auf Regensburg-Aschaffenburg
übertragen. Neugeschaffen wurden die Kurfürstentümer Salzburg (1805
auf Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel.
Am Ende des 1. Deutschen Reiches gab es 10 Kurfürsten. (Vgl dazu die entsprechenden
Phasen 6-8, 8-10, 10-12, 12-14, 14-16, 16-18, 18-20)Kurverein
von Rhense war der Zusammenschluß der Kurfürsten (ohne Böhmen)
am 16.07.1338 in Rhense (Rhens, Rhein-Lahn-Kreis) zur Verteidigung des Reichsrechts
und ihrer Kurrechte besonders gegen päpstliche Ansprüche. Die Kurfürsten
setzten in einem Rechtsspruch fest, daß der von ihnen oder ihrer Mehrheit
zum Römisch-Deutschen König gewählte nicht der päpstlichen
Anerkennung bedürfe.Die Kurie ist (seit dem
11. Jh.) die Gesamtheit der in der Leitung der röm.-kath. Kirche tätigen
Organe des Apostolischen Stuhls in Rom.Landsknechte
waren vom Ende des 15. bis Ende des 16. Jhs. die in kaiserlichen Landen geworbenen
Fußsöldner unter und seit Maximilian I. (König seit 1486, Kaiser
von 1493-1519) bzw. dessen erfolgreichen Landsknechtsführer Georg von Frundsberg
(1473-1528).Humanismus
ist ein reflektierter Anthropozentrismus,
der vom Menschen ausgeht und die Wertsetzung des Menschen zum Objekt hat - unter
Ausschluß dessen, was ihn selbst sich entfremdet, entweder indem es ihn
übermenschlichen Mächten und Wahrheiten unterwirft oder indem es ihn
untermenschlichen Zwecken nutzbar macht. Auf die vorhistorischen Hominiden folgte
der historische Hominide namens Homo sapiens sapiens, auf den vormodernen
Humanismus folgt der moderne Hominismus. Damit schließt sich vorerst der
Kreis. Schon im 13. Jahrhundert sollen Alchimisten erste Experimente unternommen
haben, um einen künstlichen Menschen im Reagenzglas zu erzeugen. Goethe
ließ im 2. Teil des Faust
den Famulus Wagner einen Homunkulus nach Anleitung des Paracelsus
erzeugen. Heute scheinen sich die Möglichkeiten zur Erschaffung des Menschen
nach eigenen Wünschen konkretisiert zu haben. Vgl. hierzu: 22-24.Leonardo
da Vinci (15.04.1452 - 02.05.1519), Maler, Bildhauer, Baumeister, Zeichner und
Naturforscher. Er wurde beim Bildhauer und Maler Verrocchio (1436-1488) ausgebildet,
kehrte nach langjähriger Tätigkeit (1482-99) am Mailänder Hof des
Herzogs Ludwig von Mailand nach Florenz zurück, ging dann (1596) jedoch auf
Einladung des französischen Statthalters wieder nach Mailand. 1513 begab
er sich in Erwartung päpstlicher Aufträge nach Rom und folgte 1516 einer
Einladung des ihn verehrenden Königs Franz I. nach Frankreich. Von der überraschenden
Vielseitigkeit Leonardos legen v.a. seine Zeichnungen (in Silberstift, Feder,
Kreide, Kohle, Rötel oder Tusche) Zeugnis ab. Sie beziehen sich nicht nur
auf vollendete oder geplante Werke in Malerei, Plastik und Architektur, sondern
weisen Leonardo als Wegbereiter einer anschaulichen Naturforschung auf dem Gebiet
der Anatomie, Botanik, Zoologie, Geologie, Hydrologie, Aerologie, Optik und Mechanik
aus. Als Naturforscher und Techniker war Leonardo ein typischer Empiriker.Der
Deutsche Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Astronom und Domherr in Frauenburg (Ostpreußen),
studierte neben allgemeinen Fächern auch Medizin und Jura (er schrieb in
lateinischer und deutscher Sprache [vgl. Quellen]). Seine Mutter hieß
Barbara Watzenrode, sein Vater hieß Nicolai Koppernick (Kopernikus), der
aus Köppernig bei Neiße (Schlesien) stammte, seine Geschwister hießen
Andreas, Barbara und Katharina. Die Familie Kopernikus gehörte zur Bürgerschaft
der Hansestadt Thorn an der Weichsel und wohnte dort in der St.-Annen-Gasse. Der
Vater war ein wohlhabender Kupferhändler und Regierungsbeamter. Nikolaus
war zehn Jahre alt, als sein Vater 1483 starb. Sein Onkel Lucas Watzenrode (1447-1512),
der Bruder seiner Mutter Barbara Watzenrode, sorgte für die Ausbildung der
vier Waisen und wurde 1489 Fürstbischof im Ermland. Der ältere Bruder
Andreas schlug den gleichen Lebensweg wie Nikolaus ein, erkrankte aber um 1508
an Aussatz, wurde später ausgeschlossen und starb vermutlich um 1518. Die
ältere Schwester Barbara wurde Äbtissin im Kulmer Kloster, die jüngere
Katharina heiratete Barthel Gertner. Nikolaus Kopernikus hielt stets seine Familienkontakte
aufrecht. So sorgte er später für Kinder des Reinhold Feldstett, der
mit der Tochter eines Onkels von Kopernikus, Tilman von Allen, verheiratet war.
Im Danziger Dokument erschien als gemeinsamer Vormundt der Frauenburger
Domherr vor Burgermeister und Rathman der stadt Dantzick ... Hern Nicolai Koppernick,
des wirdigen gstichts zur Frauenborck thumherrn im jare tawsent funfhundert sechs
und dreysick. (Leopold Prowe, Nicolaus Copernicus, 1883-1884,
S. 265). Nikolaus Kopernikus hatte als Administrator die Regierungsgeschäfte
zu regeln. In den Verhandlungen über die Reform des preußischen Münzwesens
erarbeitete er die Position der preußischen Städte. Er gab dazu ein
Schreiben heraus, das noch Jahrhunderte später als wegweisend für die
Geldtheorie angesehen wurde. Die Astronomie war seine private Hauptbeschäftigung.
Er erkannte, daß das geozentrische System für die Vorhersage
der Planetenpositionen über längere Zeiträume ungeignet war. Etwa
1507 schon griff er deshalb auf die Idee des Aristarchos
von Samos (320-250) zurück, statt der Erde die Sonne als ruhendes Zentrum
des Planetensystems anzunehmen und erarbeitete das heliozentrische System,
in dem er die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne beschrieb und die
tägliche Umdrehung des Fixsternhimmels als Rotation der Erde um die eigene
Achse erklärte. Kopernikus veröffentlichte sein Hauptwerk (Von
den Kreisbewegungen der Himmelskörper, 1543) kurz vor seinem Tod.
Ob es Zufall war, daß die Bücher von Vesal
und Kopernikus im selben Jahr - 1543 - erschienen? Jedenfalls kam Kopernikus'
Hauptwerk im Jahre 1616 auf den Index.Paracelsus
(1493-1541), der eigentlich Bombast von Hohenheim hieß, wurde schon zu seinen
Lebzeiten Luther der Medizin genannt. Für Paracelsus war Medizin die
allumfassende Gesamtwissenschaft, fußend auf Physik, Chemie Physiologie,
mündend in Philosophie und Theologie. Er lehrte: All unser Wissen ist Selbstoffenbarung,
all unser Können ist Mitwirkung mit der aus Gott stammenden Natur. Alle Wesen
bestehen aus einem elementaren, irdischen, sichtbaren Leib und einem himmlischen,
astralen, unsichtbaren Lebensgeist (Archeus bzw. Archaeus). Beim Menschen, dem
Mikrokosmos, kommt dazu noch die dualische (göttliche) Seele,
die Quelle des Erkennens, der Sittlichkeit, der Seligkeit. Demgemäß
ist ein kranker Mensch stets 3fach: leiblich, seelisch, geistig erkrankt und muß
3fach kuriert werden. Der Mensch (Mikrokosmos) ist Abbild des Makrokosmos.Andreas
Vesal (Silvesternacht 1514/1515 - 1564), deutsch-flämischer Mediziner, Prof.
der Chirurgie und Anatomie in Padua. Zusammen mit dem Maler J. S. van Kalkar,
der die anatomischen Tafeln anfertigte, schuf er das erste vollständige Lehrbuch
der menschlichen Anatomie (Vom Bau des menschlichen Körpers,
1543) . Später war er u.a. auch Leibarzt des deutschen Kaisers (Karl
V.).Was eine »Revolution« wirklich bedeutet, läßt
sich am ehesten im Blick auf die Durchbrüche der Anatomen im 16. Jahrhundert
erläutern, die sich vorgenommen hatten, das menschliche Körperinnere
durch Schnitte zu öffnen und mittels deskriptiv adäquater Abbildungen
zu publizieren. Mag sein, daß die vesalische
»Revolution« für die Selbstverhältnisse westlicher Menschen
viel folgenreicher war als die seit langem überzitierte und mißdeutete
kopernikanische Wende. (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume,
2004, S.70).Den eigenen Leib-Innenraum
von der Möglichkeit seiner anatomischen Veräußerlichung her verstehen:
dies ist das primäre kognitive »Revolutions«resultat der Neuzeit
- vergleichbar nur mit der weltbildverändernden Gewalt der ersten Erdumsegelung
durch Magellan
und del Cano. (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume,
2004, S.72).Tycho (Tyge) Brahe (14.12.1546 - 24.10.1601),
dänischer Astronom. König Friedrich II. von Dänemark ermöglichte
ihm den Aufbau eines Observatoriums auf der Insel Ven. Seit 1599 war Brahe Astronom
des deutschen Kaisers (Rudolf
II.) in Prag und steigerte durch Verbesserung der Beobachtungsverfahren die
Meßgenauigkeit. Er hinterließ Kepler
(1571-1630) Aufzeichnungen über genaue Positionen des Mars, aus denen dieser
die Gesetze der Planetenbewegungen ableitete; Brahe selbst blieb Anhänger
eines von ihm modifizierten geozentrischen Weltsystems.Giordano
Bruno (1548-1600) wurde 1563 Dominikanermönch und entfloh 1576 aus dem Kloster.
Er lehrte an vielen Universitäten und war 16 Jahre lang auf Wanderschaft,
vor allem durch Deutschland, Frankreich und England. In Venedig wurde er schließlich
verhaftet, acht Jahre eingekerkert und wegen Ketzerei zum Tode verurteilt. Er
vertrat, von Kues, Kopernikus und Paracelsus beeinflußt, das heliozentrische
Weltbild und den Gedanken eines unendlichen Weltalls mit einer sich selbst enthaltenden
Materie (im Sinne der aristotelischen
Linken). In Bruno zuerst verbanden sich die naturwissenschaftlichen
Errungenschaften der Neuzeit mit epikuräischen, stoischen und neuplatonischen
Elementen zu einer genialen pantheistischen Weltschau, die er mit dichterischer
Kraft und Begeisterung verkündete: Das All ist Gott, es ist unendlich, und
zahllose Sonnen mit ihren Planeten folgen in ihm ihrer Bahn. Dieses unendliche
Universum ist das einzig Seiende und Lebendige, von inneren Kräften bewegt,
das seiner Substanz nach ewig und unveränderlich ist; die Einzeldinge haben
am ewigen Geiste und Leben je nach der Höhe ihrer Organisation teil, sind
jedoch dem steten Wechsel unterworfen. Die elementaren Teile alles Existierenden,
die nicht entstehen und nicht vergehen, sondern sich nur mannigfach verbinden
und trennen, sind die Minima, die materiell und psychisch zugleich sind. Nichts
in der Welt ist also leblos, alles ist beseelt. Gott kann von uns nicht würdiger
verehrt werden, als indem wir die Gesetze, welche das Universum erhalten und umgestalten,
erforschen und ihnen nachleben. Jede Erkenntnis eines Naturgesetzes ist eine sittliche
Tat. Wie Bruno von den großen deutschen Denkern stark beeindruckt und von
der Weltmission des deutschen Geistes überzeugt war (Rede in Wittenberg,
1588), so sollte er umgekehrt auf Leibniz, Herder, Goethe, Schelling wirken. Die
Inqusition aber verurteilte seine pantheistische Naturreligion und verbrannte
ihn 1600 bei lebendigem Leibe auf dem Campo dei Fiori in Rom.Galileo
Galilei (15.02.1564 - 08.01.1642), Mathematiker und Physiker. Seine Entdeckung
der Fallgesetze war für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Methode
von so überragender Bedeutung, weil sie sich auf reine Erfahrung beschränkte,
d.h. nicht auszudrücken versuchte, warum der Stein falle, sondern
wie er es tut. Das wahre Buch der Philosophie war für Galilei
das Buch der Natur, das nur in anderen Buchstaben geschrieben sei als in denen
des Alphabets, nämlich in Dreiecken, Quadraten, Kreisen, Kugeln u.s.w. (vgl.
Polyeder).
Zum Lesen desselben könne nicht Spekulation dienen, sei vielmehr Mathematik
nötig. Für die wissenschaftliche Forschung forderte Galilei: Verwerfung
der Autorität in Fragen der Wissenschaft, Zweifel, Gründung der allgemeinen
Sätze auf Beobachtung und Experiment, induktives Schlußverfahren. Galilei
huldigte einem Rationalismus,
der glaubt, die Welt rein auf mechanistische Weise, mit Hilfe von Mathematik,
Mechanik und Vernunft, begreifen zu können.Johannes
Kepler (27.12.1571 - 15.11.1630), Astronom und Mathematiker. Nach dem Studium
der evangelischen Theologie in Tübingen war Kepler ab 1594 Mathematiker in
Graz, bis 1612 Assistent des Astronomen Tycho Brahe
in Prag. 1604 kam Kepler zu der bedeutsamen Erkenntnis, daß die Marsbahn
kein Kreis (wie Kopernikus
annahm), sondern eine Ellipse ist. Aus einer mystischen Naturphilosophie und einer
pantheistischen Stimmung entwickelte Kepler den Gedanken einer Weltharmonie und
fand in dem Bemühen, diesen Gedanken induktiv zu begründen, u.a. die
drei nach ihm benannten Gesetze der Planetenbewegung, die ersten Naturgesetze
in mathematischer Form; sie drückten für ihn eine gottgewollte Harmonie
aus; er veröffentlichte sie in seinen beiden Hauptwerken Astronomia
nova (1619) und Harmonices mundi (1619). Die Zahl
der Planeten konnte nach Kepler keine andere als fünf sein, weil es nur fünf
regelmäßige Polyeder
gibt. (Vgl. auch Galilei).
Keplers Lehren waren für die Gestaltung des modernen Weltbildes von größter
Bedeutung. Auch in der Optik leistete Kepler Bahnbrechendes (1604 Astronomiae
pars optica, 1611 Dioptrice). Er entwickelte darin
die Theorie der Linsen und des Fernrohrs (mit zwie Konvexlinsen). Nach dem Tod
des deutschen Kaisers (Rudolf
II.) erarbeitete Kepler als Mathematiker in Linz einen umfassenden Abriß
der kopernikanischen Astronomie (1618-22) und veröffentlichte 1627
die Rudolphinischen Tafeln. Um Obligationszinsen einzutreiben, begab sich
Kepler, der ab 1628 in Wallensteins
Diensten in Sagan stand, 1630 auf die Reise nach Linz. Er erkrankte in Regensburg,
wo er kurz nach seiner Ankunft verstarb.Konzililiarismus
ist die Bezeichnung für die Auffassung, daß das Konzil und nicht der
Papst allein die höchste Instanz in der Kirche sei. Im Abendländischen
Schisma erlangte der Konziliarismus apraktische Bedeutung, die auf dem Konstanzer
Konzil (1414-1418) bestätigt wurde, obschon die Päpste den Konziliarismus
immer wieder verurteilten. Auch der Philosoph Nikolaus
von Kues (1410-1464   ),
der Cusaner, vertrat die Ansicht, daß das Konzil über dem Papst
stehe. Die Gedanken des Konziliarismus wurden bis zum 1. Vatikanischen Konzil
(1869/1870)
permanent vertreten.Die Reichsreform im Heiligen
Römischen Reich Deutscher Nation wurde zunächst auf den Reichstagen
von 1434 bis 1438 unternommen und in der Publizistik viel dikutiert. Es waren
Bemühungen um eine Umgestaltung der Reichsverfassung, die den
Reichsständen ein Mitregierungsrecht in Reichsangelegenheiten sichern
sollte (Reichsregiment). Ein erstes Reichsreformgesetz scheiterte an den organisatorischen
Voraussetzungen. Kaiser Friedrich III. (Habsburger,
1440-1493) verhinderte in den folgenden Jahrzehnten weitere Reformversuche. Kaiser
Maximilian I. (Habsburger,
1493-1519) sah sich dann gezwungen, auf den Reichstagen von Worms (1495) und Augsburg
(1500) wesentliche Zugeständnisse zu machen. Ein Ewiger Landfriede sollte
die Grundlage für die Reichsreform schaffen; als allgemeine Reichssteuer
sollte der Gemeine Pfennig erhoben werden (1. Reichsregiment). Neben den
fehlenden organisatorischen Voraussetzungen waren der Widerstand des Reichsoberhauptes
und das Mißtrauen der auf die Wahrung ihrer Rechte pochenden Reichsfürsten
der Grund für das am Ende scheiternde Projekt dieser Reichsreform. auch wenn
Karl V. (Habsburger,
1519-1556) sie fortsetzte (2. Reichsregiment).Die
Reichsstände im 1. Deutschen Reich (Hl. Röm. Reich) waren die Reichsfürsten
(vgl.
Fürsten), Reichsgrafen, Reichsprälaten und Reichsstädte, die
das aus der Reichsunmittelbarkeit erwachsene Recht zur Führung einer fürstlichen
Einzelstimme (Virilstimme) oder zur Beteiligung an einer Gesamtstimme (Kuriatstimme)
im Reichstag besaßen (Reichsstandschaft). Die Reichsstände repräsentierten
damit neben dem Kaiser das Reich. Auf dem Konzil zu Basel
(1431-1449) vertrat Kardinal Nikolaus
von Kues (  )
in seiner Schrift De Concordantia Catholica (Von der Einheit der Kirche) die
naturrechtlich begründete Ansicht vom politischen Zusammenwirken der Reichsstände
mit dem Kaiser in Gesetzgebung und Regierung. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts
gab es auf den Reichstagen Reformforderungen, z.B. durch die Gravamina (Beschwerden)
der deutschen Nation oder auch in deren Reformatio Sigismundi, einer weitverbreiteten
anonymen Flugschrift. Die Reformen begannen auf dem Reichstag zu Worms (1495):
Verkündung des Ewigen Landfriedens. Zur Beseitigung des Fehderechts
wurde das ständig tagende Reichskammergericht in Frankfurt (seit 1527 in
Speyer) als oberste Rechtsinstanz geschaffen und der Gemeine Pfennig (erste
Reichssteuer, ohne Bestand) erhoben. Die Eidgenossen lehnten die Beschlüsse
ab und forderten im Schwabenkrieg (1499) ihre Unabhängigkeit. Auf dem Reichstag
zu Augsburg (1500) wurde ein ständiges Reichsregiment eingerichtet, das 1502
wieder aufgelöst und 1521 erneuert wurde. Seit dem Reichstag zu Köln
(1512) stand dem Reichstag die oberste Reichsgewalt zu, der die Vorschläge
der kaiserlichen Regierung in 3 Kollegien (Kurfürsten,
Fürsten
und Reichsstädte) beriet. Seine Beschlüsse wurden als Reichsabschiede
(ab 1633 Reichsschlüsse) verkündet. Es wurden 10
Reichskreise unter dem Direktorium von je 2 Fürsten
zur Wahrung des Landfriedens gebildet, eine Reichssteuer und das Reichsheer (unter
Kreisobersten) erhoben. Ein Verzeichnis über Einkünfte der Territorien
als Grundlage ihrer Truppen- und Steuerleistungen sah die Reichsmatrikelordnung
vor, die auf dem Reichstag zu Worms (1521) verabschiedet wurde. Weil aber die
Reichstage nur unregelmäßig zusammenkamen, entwickelten sich die Ansätze
zu einer Reichsverfassung und zur Überwindung der territorialen Zersplitterung
auf der Grundlage der alten Stammes-Herzogtümer
nicht weiter.Diese 10 Reichskreise hießen:
1) Burgundischer Kreis (Niederlande, Belgien, Luxemburg, Burgund), 2) Niederrheinisch-Westfälischer
Kreis (Nordwestdeutschland), 3) Niedersächsischer Kreis (Mittelnorddeutschland),
4) Obersächsischer Kreis (Pommern, Brandenburg, Kursachsen), 5) Kurrheinischer
Kreis (Erzbistümer Köln, Mainz, Kurpfalz), 6) Oberrheinischer Kreis
(Lothringen, Elsaß, Pfalz, Hessen), 7) Fränkischer Kreis (Franken),
8) Schwäbischer Kreis (Baden, Württemberg), 9) Bayrischer Kreis (Bayern,
Oberpfalz), 10) Österreichischer Kreis (Österreich) sowie Reichsdörfer,
Herrschaften der Reichsritter und Territorien ohne Reichskreisbildung wie Preußen,
Lausitz, Böhmen, Mähren, Schlesien. (Vgl.
Karte).Der Calvinismus, anfangs ein antischolastischer
Humanismus, machte
die Prädestination zu seinem Inhalt und Mittelpunkt. Diese Prädestination,
die man auch Prädetermination nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen
schon vor bzw. bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen. und zwar
entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation
zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde schon von Augustinus
(354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin
(1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638), der 1730 verboten
wurde. Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem
aus ihm entwickelten Puritanismus,
und dem modernen Kapitalismus der abendländischen Kultur hat vor allem Max
Weber (1864-1920) hingewiesen.Der
Puritanismus
ging aus der Reformation, insbesondere aus dem Calvinismus hervor. Der Calvinismus,
anfangs ein antischolastischer Humanismus, machte die Prädestination zu seinem
Inhalt und Mittelpunkt. Diese Prädestination, die man auch Prädetermination
nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen schon vor bzw. bei seiner Geburt durch
Gottes unerforschbaren Willen, und zwar entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit
ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde
schon von Augustinus (354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli
(1484-1531), Calvin (1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638).
Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem aus
ihm entwickelten Puritanismus, und dem modernen Kapitalismus der abendländischen
Kultur hat vor allem Max Weber (1864-1920) hingewiesen. ( ).
Die Puritaner (die Reinen) sind die Vertreter einer Reformbewegung,
die besonders in England seit etwa 1570 die Reinigung der englischen Kirche von
katholisierenden Elementen in Verfassung, Kultus und Lehre betrieben. Strenger
Biblizismus, eine Gewissenstheologie und die konsequente Sonntagsheiligung beeinflußten
das englische Geistesleben bis in die Gegenwart. Die Puritaner brachten eine ausgedehnte
Erbauungs- und Predigtliteratur hervor. 1604 wurden sie durch die Ablehnung ihrer
Millenary Petition enttäuscht, wandten sich der politischen Opposition
zu oder emigrierten in großer Zahl nach Nord-Amerika. Mit dem Sieg Oliver
Cromwells (1599-1658) 1648 zur Herrschaft gelangt, beseitigten die Puritaner das
Common Prayer Book und das Bischofsamt, vertrieben anglikanische Pfarrer,
entfernten die Orgeln aus den Kirchen u.a.. Nach der Restauration der Stuarts
wurden die Puritaner ihrerseits rigoros aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt
- bis zur Toleranzakte von 1689. Die englischen Puritaner waren und sind also
Vertreter eines speziellen Puritanismus. Diesen Insel-Puritanismus
der Engländer kann man auch Angelsachsen-Puritanismus
nennen. Für den Puritaner ist das genaue Gegenteil der Weltfreude
charakteristisch. Die Weltfremdheit gehört zu den wichtigsten
Charakterzügen des Puritanismus. Max Webers Beispiele zeigen alle das
eine: »der Geist der Arbeit«, des »Fortschritts« oder
wie er sonst bezeichnet wird, dessen Weckung man dem Protestantismus zuzuschreiben
neigt, darf nicht, wie es heute zu geschehen pflegt, als »Weltfreude«
oder irgendwie sonst im »aufklärerischen« Sinn verstanden werden.
Der alte Protestantismus der Luther, Calvin, Knox, Voët hatte mit dem, was
man heute »Fortschritt« nennt, herzlich wenig zu schaffen. Zu ganzen
Seiten des modernen Lebens, die heute der extremste Konfessionelle nicht mehr
entbehren möchte, stand er direkt feindlich. Soll also überhaupt eine
innere Verwandtschaft bestimmter Ausprägungen des altprotestantischen Geistes
und moderner kapitalistischer Kultur gefunden werden, so müssen wir
wohl oder übel versuchen, sie ... in seinen rein religiösen Zügen
zu suchen. (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus,
1904, S. 37-38). Laut Weber ist im Abendland nämlich vor allem die Frömmigkeit
(der Pietismus) das rein religiöse Glied - als Berufung
(Beruf) - zwischen dem alten
Protestantismus bzw. Puritanismus und dem modernen Kapitalismus: Abendländischer
Kapitalismus ist laut Weber nämlich eigentümlich, hat ein eigentümliches
Ethos. Allgemein ist Kapitalismus kein Charakteristikum einzelner (Historien-)Kulturen,
sondern der Menschen-Kultur überhaupt: Aber eben jenes eigentümliche
Ethos fehlte ihm ... In der Tat: jener eigentümliche, uns heute so geläufige
und in Wahrheit doch so wenig selbstverständliche Gedanke der Berufspflicht:
einer Verpflichtung, die der Einzelne empfinden soll und empfindet gegenüber
dem Inhalt seiner »beruflichen« Tätigkeit, gleichviel, worin
sie besteht, gleichviel insbesondere, ob sie dem unbefangenen Empfinden als reine
Verwertung seiner Arbeitskraft oder gar nur seines Sachgüterbesitzes (als
»Kapital«) erscheinen muß: - dieser Gedanke ist es, welcher
der »Sozialethik« der kapitalistischen Kultur charakteristisch, ja
in gewissem Sinne für sie von konstitutiver Bedeutung ist. - ... - Arbeit
als Selbstzweck, als »Beruf«, wie sie der Kapitalismus fordert ...
Die kapitalistische Wirtschaftsordnung braucht diese Hingabe an den »Beruf«
des Geldverdienens: sie ist eine Art des Sichverhaltens zu den äußeren
Gütern, welche jener Struktur so sehr ädaquat, so sehr mit den Bedingungen
des Sieges im ökonomischen Daseinskampfe verknüpft ist .... (Max
Weber, ebd., 1904, S. 43, 45, 53, 61). Innerweltliche Askese bedeutet bei
Max Weber die Verwendung der durch Ablehnung der religiösen Askese frei gewordenen
Energie in der Berufsarbeit, wie eben besonders gefordert und gefördert durch
den Puritanismus.  Beruf
(NHD; aus MHD: beruof, Leumund) - die neuhochdeutsche
Bedeutung hat Martin Luther (1483-1546) geprägt! In der Bibel benutzte er
es zunächst als Berufung durch Gott für klesis (griech.)
bzw. vocatio (lat.), dann auch für Stand und Amt des Menschen in der
Welt, die schon Meister Eckhart (1250-1327) als göttlichen Auftrag erkannt
hatte. Dieser ethische Zusammenhang von Berufung und Beruf ist bis heute wirksam
geblieben, wenn das Wort jetzt auch gewöhnlich nur die bloße
Erwerbstätigkeit meint. Nun ist unverkennbar, daß schon in dem
deutschen Worte »Beruf«, ebenso wie in vielleicht noch deutlichere
Weise in dem englischen »calling«, eine religiöse Vorstellung:
- die einer von Gott gestellten Aufgabe - wenigstens mitklingt und,
je nachdrücklicher wir auf das Wort im konkreten Fall den Ton legen, desto
fühlbarer wird. Und verfolgen wir nun das Wort geschichtlich und durch die
Kultursprachen hindurch, so zeigt sich zunächst, daß die vorwiegend
katholischen Völker für das, was wir »Beruf« (im Sinne von
Lebensstellung, umgrenztes Arbeitsgebiet) nennen, einen Ausdruck ähnlicher
Färbung ebenso wenig kennen wie das klassische Altertum, während es
bei allen vorwiegend protestantischen Völkern existiert. Es zeigt sich ferner,
daß nicht irgendeine ethnisch bedingte Eigenart der betreffenden Sprachen,
etwa der Ausdruck eines »germanischen Volksgeistes« dabei beteiligt
ist, sondern daß das Wort in seinem heutigen Sinn aus den Bibelübersetzungen
stammt, und zwar aus dem Geist der Übersetzer, nicht aus dem Geist
des Originals. Es erscheint in der lutherische Bibelübersetzung zuerst an
einer Stelle des Jesus Sirach (11,20,21) ganz in unserem heutigen Sinn verwendet
zu sein. (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus,
1904, S. 66). Seit Luther also gibt es das Wort Beruf in der noch
heute gültigen Bedeutung: die hauptsächliche Erwerbstätigkeit des
Einzelnen, die auf dem Zusammenwirken von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten
beruht (also auf Bildung bzw. Ausbildung) und durch die er sich in die Volkswirtschaft
eingliedert. Der Beruf dient meist der Existenzbasis. Es war vor allem der Protetestantismus
mit seiner Askese (vgl. Puritanismus),
der die sittliche Leistung der Arbeit stark betonte und den Beruf zum Gebot der
Pflichterfüllung steigerte. Diese Haltung hat sich als Berufsethos, als innere,
enge Verbundenheit des abendländischen Menschen mit seinem Beruf erhalten.
Moderne Antriebe zur Verweltlichung gingen vom Deutschen
Idealismus aus, der im Beruf das Postulat der Persönlichkeitsentfaltung
entdeckte.Es ist
bewunderungswürdig, mit welcher Sicherheit der englische Instinkt aus der
... ganz doktrinären und kahlen Lehre Kalvins sein eignes religiöses
Bewußtsein formte. Das Volk als Gemeinschaft der Heiligen, das englische
insbesondere als das auserwählte Volk, jede Tat schon dadurch gerechtfertigt,
daß man sie überhaupt tun konnte, jede Schuld, jede Brutalität,
selbst das Verbrechen auf dem Wege zum Erfolg ein von Gott verhängtes und
von ihm zu verantwortendes Schicksal - so nahm sich die Prädestination im
Geiste Cromwells und seiner Soldaten aus. Mit dieser unbedingten Selbstsicherheit
und Gewissenlosigkeit des Handelns ist das englische Volk emporgestiegen.
(Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 41 ).
Wenn in England die Tat oder die Arbeit für sich und daher der
persönliche Erfolg als göttliches Zeichen der Erlösung heilig ist,
so in Preußen die Tat oder die Arbeit für andere. So formuliert
es Ehrhardt Bödecker. Die Bezeichnung Pietismus, ursprünglich
ein akademischer Spitzname für Streber und Pedanten, haben die Calvinisten
in Halle von den orthodoxen Lutheranern in Leipzig erhalten. (Ehrhardt Bödecker,
Preußen und die Wurzeln des Erfolgs, 2004, S. 113). Halle fiel 1680
an Brandenburg-Preußen ( ),
August Hermann Francke
(1663-1727) wurde zum Hauptvertreter des Pietismus in Halle und dadurch auch in
Brandenburg-Preußen - seit der Königskrönung (1701) hieß
es nur Preußen. Nicht der englische Kapitalismus, sondern der preußische
Pietismus - der soziale Gemeingeist - führte zur modernen Sozialversicherung.
Nicht England mit seinem eigenbrötlerischen Parlamentarismus, sondern Deutschland
mit seinem sozialen Gemeingeist hatte die weltweit erste soziale Versicherungsgesetzgebung.
Was wir heute als Soziale Marktwirtschaft oder etwas ungenau als Rheinischen
Kapitalismus bezeichnen, ist nur sekundär rheinisch und primär preußisch
( ),
also insgesamt als deutsch zu bezeichnen: Deutscher Kapitalismus ist Deutsche
Marktwirtschaft, weil sozial! Gerechtigkeit ohne Gemeingeist gibt es nicht.Die
Ägypter, die auch Seefahrten nach Indien unternahmen, waren ähnlich
eifrig wie später die Abendländer, ihre Kulturenkel. Schon um 3300 v.
Chr stellten die Ägypter aus der Papyrusstaude Papyrus als Schreibstoff her.
Um 3000 v. Chr. gab es in Ägypten Landkarten, Wasseruhren, und der Himmel
wurde bereits genauestens beobachtet (ähnlich übrigens bei Chinesen
und Sumerern). Um 2850 entwickelten die Ägypter ihre Bilderschrift, Großplastiken,
einen 365tägigen Kalender, einen von Beamten verwalteten Einheitsstaat und
stellten Glas her. 2700 v. Chr. folgten die ersten Cheops-Pyramiden, als die Sumerer
gerade anfingen, ein auf 6 und 12 basierendes Zahlensystem zu entwickeln. Um 2500
v. Chr. begann auf Kreta die frühminoische Zeit; um 2000 v. Chr. entstanden
hier die ersten Städte, mehrstöckige Häuser und Paläste, unter
ihnen auch der bekannte von Knossos. Wenig später entwickelten die zum ägyptischen
Kulturkreis zu rechnenden Kreter ein Dezimalsystem, und Kreta (Könige von
Knossos) beherrschte das östliche Mittelmeer. Ägypten unterhielt Auslandsbeziehungen
nach Syrien und Somaliland. Für Spengler ist das ägyptische Ursymbol
der Weg: Die ägyptische Seele sah sich wandernd auf einem engen
und unerbittlich vorgeschriebenen Lebenspfad, über den sie einst den Totenrichtern
Rechenschaft abzulegen hatte. Das war ihre Schicksalsidee. Das ägyptische
Dasein ist das eines Wanderers in einer und immer der gleichen Richtung; die gesamte
Formensprache seiner Kultur dient der Versinnlichung dieses einen Motivs. Sein
Ursymbol läßt sich, neben dem unendlichen Raum des Nordens und dem
Körper der Antike, durch das Wort 'Weg' am ehesten faßlich machen.
(Vgl. Spengler,
1917, S. 242 und unten: China
bzw. Tao).Spengler schreibt zum Verhältnis
der beiden Kulturen Ägypten und China: Trotzdem gab es eine Kultur,
deren Seele bei aller tiefinnerlichen Verschiedenheit zu einem verwandten Ursymbol
gelangte: die chinesische mit dem ganz im Sinne der Tiefenrichtung empfundenen
Prinzip des Tao. Aber während der Ägypter den mit eherner Notwendigkeit
vorgezeichneten Weg zu Ende schreitet, wandelt der Chinese durch seine
Welt; und deshalb geleiten ihn nicht steinerne Schluchten mit fugenlos geglätteten
Wänden der Gottheit oder dem Ahnengrabe zu, sondern die freundliche Natur
selbst. Nirgends ist die Landschaft so zum eigentlichen Stoff der Architektur
geworden. ... Der Tempelbau ist kein Einzelbau, sondern eine Anlage, in welcher
Hügel und Wasser, Bäume, Blumen und bestimmt geformte und angeordnete
Steine ebenso wichtig sind wie Tore, Mauern, Brücken und Häuser. Diese
Kultur ist die einzige, in welcher die Gartenkunst eine religiöse Kunst großen
Stils ist. Es gibt Gärten, die das Wesen bestimmter buddhistischer Sekten
widerspiegeln. Aus der Architektur der Landschaft erst erklärt sich die der
Bauten, ihr flaches Sich-erstrecken und die Betonung des Daches als des eigentlichen
Ausdrucksträgers. Und wie die verschlungenen Wege durch Tore, über Brücken,
um Hügel und Mauern doch endlich zum Ziel führen, so leitet die Malerei
den Betrachter von einer Einzelheit zur anderen, während das ägyptische
Relief ihn herrisch in eine strenge Richtung verweist.' Das ganze Bild soll nicht
mit einem einzigen Blick umfaßt werden. Die zeitliche Abfolge setzt eine
Folge von Raumteilen voraus, durch die der Blick vom einen zum anderen wandern
soll.' Die ägyptische Architektur überwältigt das Bild der Landschaft,
die chinesische schmiegt sich ihm an; in beiden Fällen aber ist es die Tiefenrichtung,
die das Erlebnis des Raumwerdens immer gegenwärtig erhält. (Spengler,
1917, S. 244f.)Um 595 v. Chr. umschifften die
Phönizier Afrika. Sie benötigten dafür etwa 3 Jahre. (Vgl. Tabelle).Jean
Bodin (1530-1596) war französischer Publizist und Staatsrechtslehrer. Er
trat in der Zeit der Hugenottenverfolgung für Toleranz ein und gab in seinem
Hauptwerk De la république (1576) eine Begriffsbestimmung der Souveränität,
die durch kein verfassungsrechtliches Gesetz eingeschränkt werden dürfe.
In seinem Colloquium heptaplomeres (1587) begründete er das gleiche
Recht aller Religionen und nannte als Grundlagen einer einzigen natürlichen
Religion: die Einheit Gottes, ein moralisches Bewußtsein, den Glauben an
die Freiheit, die Unsterblichkeit und Vergeltung im Jenseits. 1572 entging Bodin
nur knapp dem Massaker der Bartholomäusnacht. In seiner Staatstheorie ordnete
er im Begriff der Souveränität ihrem Träger die absolute, unteilbare
Staatsgewalt zu, die der Gerechtigkeit dienen soll und auf das Gemeinwohl ausgerichtet
ist. Er lieferte damit dem Absolutismus das theoretische Fundament. (Vgl. Hobbes).Für
etwa 3 bis 6 Jahre alte Kinder ist eine solche erste Phase der Neuzeit diejenige
Zeit, die sie zum ersten Mal, außerhalb der Familie, zu Mitgliedern in Institutionen
werden läßt: Kindergarten und Vorschule werden im Alter von etwa 3
bis 6 Jahren besucht. Auch in Kulturen, die keine Kindergärten, Schulen oder
andere Institutionen kennen, ist diese Tatsache bedeutsam. Sie ist halt nur durch
das distinktive Merkmal des Nichterfülltseins gekennzeichnet
und ändert an der durch die Evolution hervorgerufenen Kulturfähigkeit
dieser Kinder überhaupt nichts. |