Aus dem Nachlaß (u.a.
auch: Nachgelassene Fragmente) 
Ich glaube an das urgermanische Wort: alle
Götter müssen sterben. (Friedrich Nietzsche, 1870).
Meine Philosophie umgedrehter Platonismus: je weiter ab
vom wahrhaft Seienden, um so reiner schöner besser ist es. Das Leben
im Schein als Ziel. (Friedrich Nietzsche, 1870/71, IX, 190).
Die Kultur kann immer nur von der zentralisierenden Bedeutung
einer Kunst oder eines Kunstwerkes ausgehn. (Friedrich Nietzsche,
X, 188).
Das ganz und gar Subjektive ist es, vermöge
dessen wir Menschen sind. Es ist das angehäufte Erbgut, an
dem alle Theil haben. (Friedrich Nietzsche, 1873, X).
Wenn ein Weib gelehrte
Neigungen hat, so ist gewöhnlich Etwas an ihrer Geschlechtlichkeit
nicht in Ordnung. Schon Unfruchtbarkeit disponirt zu einer gewissen Männlichkeit
des Geschmacks; der Mann ist nämlich, mit Verlaub, »das unfruchtbare
Tier«. (Friedrich Nietzsche, 1880).
Wer
sehr abweichend denkt und empfindet, geht zugrunde, er kann sich nicht fortpflanzen.
Somit könnte es für den Grad der Individuation eine Grenze geben. In
Zeiten, wo sie peinlich empfunden wird, wie in unserer (und wie in aller bisherigen
moralischen Geschichte der Menschheit), vererbt sich der Trieb dazu schlecht.
In Zeiten, wo sie lustvoll empfunden wird, übertreibt sie sich leicht und
macht die äußerste Isolation (und verhindert dadurch die allgemeine
Fruchtbarkeit der Menschheit). Je ähnlicher, desto mehr nimmt die Fruchtbarkeit
zu, jeder trifft auf ein genügendes Weibchen: also Übervölkerung
im Gefolge der Moral. Je unähnlicher, desto (Friedrich Nietzsche,
1880).Das
vollkommene Weib begeht Litteratur, wie es eine kleine Sünde begeht: zum
Versuch, im Vorübergehn, sich umblickend, ob es Jemand bemerkt und daß
es Jemand bemerkt .... (Friedrich Nietzsche, 1880).
Grundsatz: das, was im Kampf mit den Tieren dem Menschen seinen
Sieg errang, hat zugleich die schwierige und gefährliche krankhafte
Entwicklung des Menschen mit sich gebracht. Er ist das noch nicht festgestellte
Tier. (Friedrich Nietzsche, Frühjahr 1884, 25 [428], KSA, 11, 125).
Die verfluchte Volksseele! Wenn wir von deutschem Geiste
reden, so meinen wir die deutschen grossen Geister, Luther, Goethe, Schiller
und einige Andere, nicht den mythologischen Phantom der vereinigten Ungeistermasse,
in der .... Besser wäre es schon, von lutherartigen Menschen usw.
zu reden. Wir wollen vorsichtig sein, etwas deutsch zu nennen zunächst
ist es die Sprache, diese aber als Ausdruck des Volkscharacters zu fassen,
ist eine reine Phrase und bis jetzt bei keinem Volke möglich gewesen,
ohne fatale Unbestimmtheiten und Redensarten. Griechische Sprache und
griechisches Volk! Das bringe Einer zusammen! Überdies steht es ähnlich
wie bei der Schrift: das allerwichtigste Fundament der Sprache ist eben
nicht griechisch, sondern wie man jetzt sagt, indogermanisch. Schon
besser steht es mit Stil und Mensch. Von einem Volke Prädikate auszusagen,
ist immer sehr gefährlich: zuletzt ist alles so gemischt, dass erst
immer später eine Einheit wieder an der Sprache sich einfindet oder
eine Illusion der Einheit sich an ihr einstellt. Ja Deutsche! Deutsches
Reich! Das ist etwas, Deutschsprechende ist auch etwas. Aber Race-Deutsche!
Das Deutsche als künstlerische Stileigenschaft ist erst noch zu finden,
wie bei den Griechen der griechische Stil erst spät gefunden ist:
eine frühere Einheit gab es nicht, wohl aber eine schreckliche krasiV.
(Friedrich Nietzsche, 29 [47]).
Wer darüber nachdenkt, auf welche Weise
der Typus Mensch zu seiner größten Pracht und Mächtigkeit
gesteigert werden kann, der wird zuallererst begreifen, daß er sich
außerhalb der Moral stellen muß: denn die Moral war im wesentlichen
auf das Entgegengesetzte aus, jene prachtvolle Entwicklung, wo sie im
Zuge war, zu hemmen oder zu vernichten. Denn in der Tat konsumiert eine
derartige Entwicklung eine solche ungeheure Quantität von Menschen
in ihrem Dienst, daß eine umgekehrte Bewegung nur zu natürlich
ist: die schwächeren, zarteren, mittleren Existenzen haben nötig,
Partei zu machen gegen jene Glorie von Leben und Kraft, und dazu müssen
sie von sich eine neue Schätzung bekommen, vermöge deren sie
das Leben in dieser höchsten Fülle verurteilen und womöglich
zerstören. Eine lebensfeindliche Wendung ist daher der Moral zu eigen,
insofern sie die Typen des Lebens überwältigen will. (Friedrich
Nietzsche, S. 194-195).
Das Perspektivische ist die Grundbedingung alles Lebens.
(Friedrich Nietzsche, VII, 4).
Der Wahrhaftige endet damit, zu begreifen, daß er immer
lügt. (Friedrich Nietzsche, XII, 293).
Viertes Buch: Dithyrambisch-umassend:
Annulus aeternitas. Begierde, alles noch einmal und ewige
Male zu erleben.« »Sils Maria, 26. August 1881. (Friedrich
Nietzsche, XII, 427).
Gerechtigkeit als bauende, ausscheidende, vernichtende
Denkweise, aus den Wertschäzungen heraus: höchster Repräsentant
des Lebens selber. (Friedrich Nietzsche, XIII, 42).
Es gibt verhängnisvolle Worte, welche eine Erkenntnis auszudrücken
scheinen und in Wahrheit eine Erkenntnis verhindern, zu ihnen gehört
das Wort »Schein«, »Erscheinung«. (Friedrich
Nietzsche, XIII, 50).
»Schein«, wie ich es verstehe, ist die wirkliche
und einzige Realität der Dinge. (Friedrich Nietzsche, XIII,
50).
Ich setze also nicht »Schein« in Gegensatz zur »Realität«,
sondern nehme umgekehrt Schein als die Realität, welche sich der
Verwandlung in eine imaginigative »Wahrheits-Welt« widersetzt.
Ein bestimmter Name für diese Realität wäre der Wille zur
Macht, nämlich von Innen her bezeichnet und nicht von seiner unfaßbaren
flüssigen Proteus-Natur aus. (Friedrich Nietzsche, XIII, 50).
Das Wesentliche der organischen Wesen ist eine neue Auslegung
des Geschehens: die perspektivische innere Vielheit, welche selber
ein Geschehen ist. (Friedrich Nietzsche,
XIII, 63).
In der organischen Welt beginnt der Irrtum. Dinge, »Substanzen«,
Eigenschaften, Tätig»keiten« - das alles soll man nicht
in die organische Welt hineintragen! Es sind die spezifischen Irrtümer,
vermöde deren die Organismen leben. (Friedrich Nietzsche,
XIII, 69).
Daß der Wille zur Macht es ist, der auch die unorganische
Welt führt, oder vielmehr, daß es keine unorganische Welt gibt
.... (Friedrich Nietzsche, 1885, XIII, 204 f.).
Grundfrage, ob das Perspektivische zum Wesen gehört?
und nicht nur eine Betrachtung, eine Realtion zwischen verschiedenen Wesen
ist? Stehen die verschiedenen Kräfte in Relation, so daß diese
Relation gebunden ist an Wahrnehmungs-Optik? Dies wäre möglich,
wenn alles Sein essentiell etwas Wahrnehmendes wäre.
(Friedrich Nietzsche, XIII, 227 f.).
Mit der organischen Welt beginnt die Unbestimmtheit und
der Schein. (Friedrich Nietzsche, XIII, 228).
Über das Verhältnis der Kunst zur Wahrheit bin
ich am frühesten ernst geworden: und noch jetzt stehe ich mit einem
heiligen Entsetzen vor diesem Zwiespalt. (Friedrich Nietzsche,
XIV, 368).
Wille zur Wahrheit ist bereits ein Symptom der Entartung.
(Friedrich Nietzsche, XIV, 368).
Der Wille zum Schein, zur Illusion, zur Täuschung,
zum Werden und Wechseln ist tiefer, »metaphysischer« (d.h.
dem Wesen des Seins entsprechender) als der Wille zur Wahrheit,
zur Wirklichkeit, zum Sein. (Friedrich Nietzsche, XIV, 369).
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