Anmerkungen:
Phase ist für mich der
Inbegriff einer wohltemperierten Abrundung durch geistig-politische Tätigkeiten
in einer bestimmten Zeitspanne, oft ausgedrückt durch technische und
künstlerische Richtungen, aber auch durch ökonomisch-politische und
geistig-metaphysische Richtungen. Sie kann nur 60-80 Jahre andauern, wie im Falle
des Rokoko, oder 200-300 Jahre, die etwa jeweils Karolingik, Romanik
und Gotik ausmachten. Eine Phase umfaßt im Mittel etwa 180 Jahre.
Ein Kulturquartal (eine Platonische
Woche, Weltwoche , Kulturwoche, Kulturjahreszeit )
umfaßt 3 Phasen und damit durchschnittlich 500-600 Jahre, manchmal auch
nur 300-350 Jahre, wie im Falle der abendländischen Jugend (Renaissance,
Barock und Rokoko). Ein Kulturquartal ist eine Jahreszeit in dem Sinne, daß
an ihr erkennbar wird, was sie ist, wenn sie gewissermaßen innehält.
Winter, Frühling, Sommer und Herbst sind wie unterirdisches Wachstum, zarte
Blüten, Hochblüte und Verfall, wie die pflanzliche Welt immer wieder
bezeugt, aber nicht nur sie: die 4 Jahreszeiten ( )
sind wie uterines, kindliches, jugendliches und erwachsenes Leben, z.B.
auch vergleichbar mit dem der Säugetiere. Das erwachsene Leben kann mehrere
Quartale umfassen; in dem Falle teilen die Älteren (Elter[e]n)
ihr Leben mit den Kindern, Enkelkindern oder gar Urenkelkindern. In Kulturen
war und ist dies auch möglich: China, Indien und die magische Kultur existieren
als Zivilisationen (Erwachsene) schon länger als das Abendland.Seelenbild
der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch
und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher
Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild
und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß
der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom
deutlich werden kann: Euklid ( )
hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung
für das antike Beispiel gegeben und Gauß ( )
ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie
stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen
Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol
angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1918, S. 155, 227ff., 234,
390 ).
Vgl. dazu auch das Germanentum ( ). Historische
Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig
über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht
zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen,
sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt.
(Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 784). Auch
eine junge Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo
sie zu Hause ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen
Kultur, auch kurz Antike genannt, und der (jungen) magischen Kultur,
auch Persien/Arabien genannt, macht es deutlich: Solange die
Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß
alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche
Seite des Synkretismus. .... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen
der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis
um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des
Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten
entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen
glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues
Griechentum als magische Nation. (Oswald Spengler, Der Untergang des
Abendlandes, 1918-1922, S. 800-801). Das
Urteil Jugurthas über Rom. (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung,
1933, S. 147).Die Libyer und »Seevölker«
durch die Ägypter des Neuen Reiches, die Germanen durch Rom, die Türken
durch die Araber, die Neger durch Frankreich. (Oswald Spengler, Jahre
der Entscheidung, 1933, S. 147).Vgl. Eduard
Meyer (1855-1930 ),
Blüte und Niedergang des Helleninsmus in Asien (1925), Oswald Spengler,
Jahre der Entscheidung, 1933, S. 148.Vgl.
Oswald Spengler, Unfruchtbarkeit und Zerfall ( ),
in: Der Untergang des Abendlandes ( ),
1918-1922, S. 678-687. Unter anderem heißt es hier: Der letzte Mensch
der Weltstädte will nicht mehr leben, wohl als einzelner, aber nicht als
Typus, als Menge; in diesem Gesamtwesen erlischt die Furcht vor dem Tode. Das,
was den echten Bauern mit einer tiefen und unerklärlichen Angst befällt,
der Gedanke an das Aussterben der Familie und des Namens, hat seinen Sinn verloren.
... Kinderreichtum .... wird etwas Provinziales. Der kinderreiche Vater ist in
Großstädten eine Karikatur .... (Oswald Spengler, ebd.,
S. 679 und 681).Vgl.
Oswald Spengler ( ),
Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, z.B. die Seiten 224, 561-564,
880, 971, 996.  Internationaler
Terrorismus ist Global-Terrorismus ( ).
Und das Abendland machte ihn möglich. Man kann ihn auch als jenes Bündnis
zwischen Klassenkampf (Weiße Weltrevolution )
und Rassenkampf (Farbige Weltrevolution )
beschreiben, das Oswald Spengler ( )
richtig prophezeite, denn es ist mittlerweile zu einr Tatsache geworden. Ein solcher
Krieg beinhaltet den Kampf der Kulturen als Zusammenprall der
Zivilisationen (Clash of Civilizations ).
Ohne die abendländische Kulturgeschichte (besonders seit Beginn der Moderne:
der abendländischen Zivilisation) wäre die gesamte Weltrevolution
und deshalb auch der Global-Terrorismus nicht möglich geworden, denn die
abendländische Kulturgeschichte ist eine Geschichte der Globalisierung ( ),
aber deren Vollendungsphase ist die Globalismus-Phase (22-24 ),
die ich auch Befruchtung oder Cäsarismus nenne. Deren Anfang erleben wir
gerade. Ob die Abendländer (insbesondere die Germanen unter ihnen) verhindern
können, was bei Spengler Sturz der weißen Mächte ( ),
Untergang der weißen Völker ( ),
Untergang des Abendlandes ( )
heißt - darauf kommt es an. Die große Geschichte ist anspruchsvoll.
( ).
Daher die ebenfalls anspruchsvollen Begriffe wie Weltrevolution ( )
und Bündnis der zwei Weltrevolutionen ( ).
Und weil Revolutionen eher Explikationen ( )
sind und der Terror die Umwelt unter dem Aspekt der Verletzbarkeit
( )
expliziert, können wir seit Beginn unserer Globalismus-Phase wissen, daß
Globalismus auch Global-Terrorismus beinhaltet.Papst
Johannes Paul II. ( ),
der erste Papst slawischer Herkunft, stammte aus Polen!Schon
Oswald Spengler ( )
stellte dem in der Tat bereits sichtbaren langsamen Erlöschen der geistigen
und künstlerischen Kräfte des Abendlandes und seiner Ableger die immer
noch andauernden schöpferischen Fähigkeiten der faustischen Abendländer
im Bereich ihrer modernen Technik entgegen. Hierin werde das Abendland, darin
war Spengler überzeugt, noch lange Zeit einen unaufholbaren Vorsprung besitzen.
Aber eben nur dann, wenn die Gefahr einer Überwältigung durch die weiße
Weltrevolution ( ),
die farbige Weltrevolution ( ),
das Bündnis beider ( )
und einer allzu raschen Aneignung der modernen Technik durch die nichtabendländischen
Völker rasch erkannt und mit entschlossen durchgeführten Gegenmaßnahmen
bekämpft werde. (Gunnar Heinsohn sagte 2006 im Philosophischen Quartett,
Europa habe nur noch die Möglichkeit, sich als Festung zu verteidigen: und
ich weiß nicht, ob Europa das kann. ).
Spenglers Prophezeiung einer kommenden globalpolitischen
Konfrontation, die sich vor allem an der Linie der kulturellen Differenz abspielen
werde, ist eingetroffen. Wir wissen heute, daß sich - sogar nach dem
Ende der Ost-West-Spaltung und des Kalten Krieges - eben keine »einheitliche«
Welt, kein Weltstaat, kein »ewiger Frieden«, auch keine kulturell
nivellierte, »amerikanisierte« Einheitswelt herausgebildet hat, trotz
aller ökonomischen »Globalisierung«. Das »Ende der Geschichte«
( ),
die Auflösung historischer Existenz im Zuge eines universal agierenden Liberalismus,
ist bis heute tatsächlich ausgeblieben. Die von Nietzsche prophezeiten »letzten
Menschen«, die »in der Sonne blinzeln« und sagen »Wir
haben das Glück erfunden«, sind - obwohl dieser Typus sich in den 1990er
Jahren hier und da bereits anzukündigen schien - noch nicht auf der Bildfläche
der Gegenwart erschienen. Die fundamentalen kulturellen Differenzen zwischen den
verschiedenen Kulturkreisen bestehen weiterhin mit unverminderter Schärfe
fort, vor allem zwischen der europäisch geprägten und der islamischen
Welt. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran in absehbarer Zukunft etwas
ändern sollte. Das bedeutet aber: Der entscheidende Faktor der heutigen Weltpolitik
ist und bleibt vorerst die Tatsache der kulturellen Fragmentierung der Welt und
der sich daran anschließenden politischen Konflikte. Wie immer man die Ursachen
dieser Konflikte auch deuten mag: als Konfrontation eines religiös-kulturellen
»Fundamentalismus« mit der »aufgeklärten Welt« des
Westens oder doch wohl treffender (und zugleich neutraler) als »Zusammenstoß
der Kulturen« ( )
- es handelt sich um ein Faktum, das Spengler ... bereits präzise vorausgesehen
und wenigstens in seinen Umrissen beschrieben hat, freilich mit den Begriffen
seiner damaligen Gegenwart und unter Bezugnahme auf die seinerzeit unmittelbar
drängenden Zeitprobleme. Was man von Spengler auch heute noch lernen kann,
was also von seinem politisch-publizistischen Werk bleibt, das ist die Einsicht
in die Unhintergehbarkeit und auch in die Unüberwindbarkeit der Konflikthaltigkeit
der politischen Existenz des Menschen. Solange Menschen unterschiedlichen Kulturen
angehören und sich dessen auch bewußt sind, so lange wird es keine
Einheitswelt geben, so lange wird es Konkurrenzkämpfe und in der Regel auch
gewaltsame Konflikte zwischen den Angehörigen der verschiedenen, miteinander
konkurrierenden Kulturkreise geben. Denn auch das hat Spengler gelehrt: Zwei Kulturen
mögen sich noch so sehr annähern - eine letzte, unüberwindbare
Schranke bleibt immer bestehen. Das vermeintlich allen gemeinsame »Menschliche«
kommt nur dort zum Tragen, wo es um die »Natürlichkeit« des Menschen
geht. Kommt die »Kultur« ins Spiel, dann beginnt der Konflikt, weil
Kulturen jeweils zeitlich und räumlich gebunden, daher grundsätzlich
verschieden sind und letztlich fundamental voneinander differieren. Daraus folgt
nun keineswegs zwingend, daß es für alle Zukunft eine agonale, eine
»kriegerische« Welt geben muß, daß die Menschen, so lange
sie existieren werden, sich immer wieder gegenseitig zu vernichten trachten. Aber
daraus folgt, daß es Frieden und Eintracht, wenn überhaupt, nur in
der von allen gemeinsam erkannten und bewußt ausgehaltenen, bewußt
akzeptierten Differenz geben wird. Hierin liegen die Grenzen des Universalismus
und erst recht diejenigen der »Globalisierung«. Und darin liegt auch
die Unmöglichkeit des Verzichts auf »Politik«, auch des Verzichts
auf »Weltpolitik« in einem durchaus traditionell gemeinten Sinn. Noch
für unsere Gegenwart gilt unverändert - vielleicht mehr denn jemals
zuvor - die Warnung, die Spengler ... formulierte: »Der Verzicht auf Weltpolitik
schützt nicht vor ihren Folgen« ( ).
(Peter R. Hubert, Kulturtheorie und Kulturkonflikt, in: Sezession-Sonderheft,
Mai 2005, S. 18 ).Durch
Stoffwechseltätigkeiten werden in einem vitalen System erhöhte Innenleistungen
stabilisiert, auf der physischen wie der psychischen Ebene. Das Phänomen
Warmblütigkeit ist hiervon die eindrucksvollste Verkörperung. Mit ihm
vollzog sich, etwa zur »Halbzeit der Evolution«, die Emanzipation
des Organismus von den Umgebungstemperaturen - der biologische Aufbruch in die
Freibeweglichkeit. Von ihr hängt alles ab, was später in den unterschiedlichsten
Sinnabschattungen Freiheit heißen wird. Biologisch betrachtet, bedeutet
Freiheit das Vermögen, das gesamte Potential spontaner Bewegungen zu aktualisieren,
die einem Organismus eigentümlich sind. Die Lossagung des warmblütigen
Organismus vom Primat des Milieus findet ihr mentales Gegenstück in den thymotischen
Regungen der Einzelnen wie der Gruppen. Als moralischer Warmblüter ist der
Mensch auf die Aufrechterhaltung eines gewissen internen Selbstachtungsniveaus
angewiesen - auch dies setzt eine Tendenz zur Loslösung des »Organismus«
vom Vorrang des Milieus in Gang. Wo sich die stolzen Regungen geltend machen,
entsteht auf der psychischen Ebene ein Innen-Außen-Gefälle, in dem
der Selbstpol naturgemäß den höheren Tonus aufweist. Wer die untechnischen
Ausdrucksweisen bevorzugt, kann dieselbe Vorstellung durch die These wiedergeben,
die Menschen besäßen einen angeborenen Sinn für Würde und
Gerechtigkeit. Dieser Intuition hat jede politische Organisation gemeinsamen Lebens
Rechnung zu tragen. Zum Betrieb moralisch anspruchsvoller Systeme, alias Kulturen,
gehört die Selbststimulierung der Akteure durch die Hebung thymotischer Ressourcen
wie Stolz, Ehrgeiz, Geltungswille, Indignationsbereitschaft und Rechtsempfinden.
Einheiten dieser Art bilden in ihrem Lebensvollzug lokalspezifische Eigenwerte
aus, die bis zum Gebrauch universalistischer Dialekte führen können.
Es läßt sich durch empirische Beobachtung schlüssig nachweisen,
wie erfolgreiche Ensembles durch einen höheren inneren Tonus in Form gehalten
werden - an dem im übrigen häufig der aggressive oder provozierende
Stil des Umweltbezugs auffällt. (Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit,
2006, S. 38-39).Im übrigen verdankt
man ... Francis Fukuyama eine der besten Zusammenfassungen der antiken und neuren
Diskurse über den Thymos, und zwar in den gedankenreichsten Abschnitten des
unglesenen Bestsellers Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, 1992
( ).
. .... Der Leser muß wenig Scharfsinn aufwenden, um zu erkennen, daß
manche Themen und Motive des vorliegenden Versuchs aus einem imaginären Dialog
mit Francis Fukuyamas Buch The End of History and the Last Man aus dem
Jahr 1992 entspringen. Ich mache kein Geheimnis aus meiner Ansicht, diese Publikation
gehöre - trotz ihrer leicht zu entdeckenden kritikwürdigen Aspekte -
zu den wenigen Arbeiten der zeitgenössischen politischen Philosophie, die
an den Nerv der Epoche rühren. Sie hat bewiesen, daß akademisches Denken
und Geistesgegenwart sich nicht immer gegenseitig ausschließen. (Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 41, 62).Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 96.
Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006,
S. 97. Hier heißt es u.a.: Das Dasein kann sich ebensogut
daran orientieren, daß es als Ganzes die Strecke von der Kränkung
bis zur Rache durchläuft. Aus solcher Hingespanntheit auf den entscheidenden
Augenblick entspringt die existentiale Zeit - und diese Stiftung eines
Seins-zum-Ziele ist mächtiger als jede vage heroische Meditation
des Endes. (Ebd., S. 97). Sloterdijks Sein-zum-Ziele ist also eine Ergänzung zu Heideggers Sein-zum-Tode.
In Heideggers 1927 erschienenem Hauptwerk mit dem Titel Sein und Zeit,
worauf Sloterdijks 2006 erschienenes Werk mit dem Titel Zorn und Zeit
ja anspielt, erfährt der Mensch seine Eigentlichkeit,
seine Befreiung von Fremdbestimmung,
als Sein zum Tode, in Hinblick auf seine eigene Endlichkeit.
Sloterdijk ergänzt, daß diese Eigentlichkeit auch im Durchlauf
von der Kränkung bis zum Augenblick der Rache erfahrbar werde. Der
Zorn wird somit zum Existential oder auch Existenzial
(Heideggers Schreibweise).
Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 198.  Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 222.  Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 226. 
Ohne Zweifel ist das Kapitel über den Zorn Gottes
(»Der zornige Gott: Der Weg zur Erfindung der metaphysischen Rachebank« )
das Glanzstück der geistesgeschichtlichen Zorn-Erkundungen von Peter Sloterdijk.
Etwas Schärferes und Treffenderes und Erfrischenderes über die Paradoxien
des jüdisch-christlichen Gottes und seines Zorns hat man lange nicht gelesen.
Hier wird das Ressentiment Sloterdijks gegen das jüdisch-christliche Ressentiment,
das gewissermaßen die Vorform der Zornschatzbildung durch den Kommunismus
bildet, derart schöpferisch, daß man sich ob mancher gelungenen Formulierung
vor Lachen den Bauch halten muß. .... Sloterdijks Essay enthält viele
gute und neue Gedanken. Und auch, wenn man, einem alten Witz folgend, sagen muß,
daß nicht alle guten Gedanken neu sind und nicht alle neuen Geschichten
gut, so kann man Sloterdijks Buch dennoch ohne Bedenken zu einer ebenso lehrreichen
wie unterhaltsamen Lektüre empfehlen. (Johannes F. Lehmann, Von
Achill zu Al-Qaida - Sloterdijks Essay zur politischen Ökonomie des Zorns
[Rezension], 2006).Jens Bisky, in: Süddeutsche
Zeitung, 04.10.2006. Weiter heißt es hier in der Renzension zu Sloterdijks
Buch Zorn und Zeit (2006): ... die ungelösten Probleme aber
liegen in der liberalen Welt selber: Sie kennt gegenwärtig keinen Weg, Zorn
in Stolz umzuwandeln, Stolz produktiv zu machen.
In seinem Buch Du mußt
dein Leben ändern (2009) setzt Peter Sloterdijk (*1947 )
das Ende des Eisernen Zeitalters ( )
mit dem Ende der Geschichte ( )
gleich (ausgehend von folgendem Zyklus: Goldenes Zeitalter =>
Silbernes Zeitalter => Bronzenes Zeitalter => Eiseneres
Zeitalter => Bronzenes Zeitalter => Silbernes Zeitalter
=> Goldenes Zeitalter) und glaubt zu wissen, warum wir
als Angehörige der modernen Zivilisation zwar nicht in ein Goldenes
Zeitalter gelangten, uns aber auch nicht mehr als Bürger des Eisernen
Zeitalters verstehen dürfen. Im Gespräch über dieses Thema
fallen Philosophie und Nicht-Philosophie in eins, geschichtsphilosophische
Thesen und alltägliche Intuitionen gehen ineinander über. In
einer mittleren Sprache ist den hochtrabenden Konservativen zu widersprechen,
die das Idiom der Eisernen Zeit weiterpflegen, als ob nichts geschehen
wäre. (Jüngeres Beispiel: Robert D. Kaplan, Warrior Politics,
2002). In derselben Tonart ist den lokal immer noch virulenten linksradikalen
Ideologen entgegenzutreten, die aus Enttäuschung über die fehlgeschlagene
Rückkehr ins Goldene Zeitalter alles tun, um das Silberne als Farce
zu verleumden. Nur in einem solchen Gespräch läßt sich
der vernünftige Inhalt der etwas übertrieben vorgetragenen und
noch übertriebener abgewehrten Reden über das »Ende der
Geschichte« nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wiederholen.
Das »Ende der Geschichte« (Anführungszeichen
von mir; HB) ist eine Metapher für die Außerkraftsetzung
des im Eisernen Zeitalter herrschenden Realitätsprinzips im Gefolge
nicht-heroischer Maßnahmen gegen die fünf Nöte ([1]
Hunger, [2] Überlastung, [3] Sexualität, [4] Herrschaft/Feindschaft,
[5] Sterben; vgl. ebd., S. 657-666; HB). Dazu gehören: ([1])
die industriepolitische Umstellung von Knappheit auf Überangebot;
([2]) die Arbeitsteilung zwischen Höchstleistern
und mäßig Angestrengten in Wirtschaft und Sport; ([3])
die allgemeine Deregulierung der Sexualität; ([4])
der Übergang zu herrenloser Massenkultur und feindloser Kooperationspolitik;
([5]) die Ansätze zu einer postheroischen
Thanatologie. Keine dieser Maßnahmen ist ohne Makel, nicht eine
von ihnen kann sich ganz über die Ebene der kleineren Übel erheben,
in manchen Aspekten werden sie sogar wie größere Übel
neuen Typs wahrgenommen. Darum neigen unzählige Bewohner des zweiten
Silbernen Zeitalters, das sich selbst nicht begreift, zur üblen Nachrede
über den neuen Zustand. Was man die »Postmoderne« (Anführungszeichen
von mir; HB) nennt, ist in weiten Teilen nichts anderes als die
mediale Ausschlachtung des Unbehagens am Zweitbesten - mit all den Risiken,
die Luxuspessimismen anhaften. Die Schicksalfrage heißt: ob es gelingt,
die Standards des episodisch aufgetauchten Silbernen Zeitalters zu stabilisieren
oder ob der Rückfall in ein Eisernes Zeitalter vor der Tür steht,
von dessen Aktualität alte und neue Realisten überzeugt sind
- nicht zuletzt unter Hinweis auf die Tatsache, daß mehr als zwei
Drittel (hier irrt Sloterdijk, denn es sind mehr
als VIER FÜNFTEL! HB )
der Menschheit es nie verlassen haben. Ein solcher Rückfall wäre
kein Schicksal, sondern eine Folge mutwilliger Reaktionen gegen die Paradoxien
des Daseins im Suboptimalen. Die Entscheidung über den weiteren Lauf
der Dinge hängt davon ab, ob der Lernzusammenhang der Moderne durch
sämtliche technischen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen,
epistemologischen und sanitären Krisen hindurch zu einem hinreichend
stabilen Kontinuum des Besserungswissens und Optimierungskönnens
auszubauen ist. Wie wenig sich dieses Kontinuum von selbst versteht, ist
an der Tatsache abzulesen, daß die Ideengeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts eine endlose Serie von Aufständen der Zivilisationsfeindschaft
und des antitechnischen Ressentiments hervorbrachte, gleich ob diese im
Namen des Glaubens, der Seele, des Lebens, der Kunst, des Volkstums, der
kulturellen Identität oder der Artenvielfalt erfolgten. Diese Ausbrüche
stellte Trainingsabbrüche dar, die der Modernitätsfitneß
schweren Schaden zuführten - und die Gefahr neuer Abbrüche ist
nicht gebannt, wie die Allgegenwart der roten, braunen, schwarzen und
grünen Fundamentalismen beweist. Der »Diskurs« der »Moderne«,
nicht nur der philosophische, verlangt nach einer ständigen Klärung
der Agenda und nach der Abwehr falscher Lehrpläne. Jede Generation
muß zwischen Eskapismen und traditionsfähigen Formen wählen.
Um auch nur die Möglichkeit eines effektiven Lernkontinuums zu sichern,
ist eine intensive Filterung der zeitgenössischen Ideenproduktion
unabdingbar - ein Aufgabe, die man vormals der inzwischen völlig
entkernten »Kritik« anvertrauen wollte. An die Stelle der
Kritik tritt eine affimative Zivilisationstheorie, die sich auf eine Allgemeine
Immunologie ( )
stützt (siehe unten S. 709f.). (Peter Sloterdijk, Zur Verteidigung
des zweiten Silbernen Zeitalters, in: Du mußt dein Leben
ändern, 2009, S. 669-672, hier: S. 670-672 ).
Zum
Ende des Eisernen Zeitalters vgl. Hesiod (um 700 v.C. ),
Werke und Tage (Zitate: );
Ernst Nolte (*1923 ),
Historische Existenz, 1998, S. 18 (Zitate: );
Peter Sloterdijk (*1947 ),
Du mußt dein Leben ändern, 2009, S. 654-672 (Zitate:    ).Nicht
ist gerne gesehn, wer wahr schwört, nicht der Gerechte oder der Tüchtige,
sondern den Unheilstifter, den Frevler ehren sie lieber; die Hand weiß nichts
von der heiligen Zucht mehr, nichts vom recht; es verletzt de edleren mann der
verworfne, ihn durch tücksiche Worte verstrickend, und schwört noch
den Meieid. (Hesiod, Werke und Tage, um 700 v.C., V. 190-194). Laut
Hesiod geht es u.a. um die chronische Unverläßlichkeit
der sozialen Beziehungen und die Verkehrungeg der nachbarschaftlsethischen Normen.
.... Hesiod hebt in seinen Aussagen zum Eisernen
Zeitalter die Zerrüttung des sozialen Bandes hervor. Ihm fällt am meisten
ins Auge, daß in dem jetzt lebenden Geschlecht der Habitus der Untreue vorherrscht,
selbst unter Verwandten und scheinbaren Freunden. Die »natürlichen«
Vorzeichen von Gut und Böse, von Ehre und Ehrlosigkeit etc. scheinen sich
in der Eisernen Zeit allenthalben umgekehrt zu haben. Aus kulturhistorischer Sicht
verrät dies eine pragmatische Großwetterlage, in der ländlich
geprägte Populationen dem Zwang zur Einübung ungewohnter städtisch-strategischer
Lebensformen unterliegen. In diesem Wandel müssen die Einzelnen lernen, von
Gesinnung auf Erfolg umzustellen; sie sehen sich genötigt, die Anerkennung
durch Verwandte und Nachbarschaften gegen die Anerkennung durch Marktöffentlichkeiten
und Machtcliqen auszutauschen; sie müssen sich von ihren gewchsenen Intuitionen
für Recht und Unrecht trennen und sich an den Vorrang der institutionalisierten
Gerichtsverfahren gewöhnen. Gemeinsam ergeben diese Umstellungen einen Habituswechsel,
die von den Anhängern älterer Werte wie dem Dichter-Bauern Hesiod nur
als Einübung in eine verkehrte Welt wahrgenommen werden konnte. Ich füge
... die Bemerkung hinzu, daß der Koran, obschon 1200 Jahre später entstanden,
seinem moralischen Ansatz gemäß in vielen Punkten mit der hesiodischen
Weltsicht aus Werke und Tage auf einer Stufe steht. In ihm hat sich das
Mißtrauen des Bauern gegen die unverständliche neue Verkehrswelt zum
apokalyptischen Haß des Wüstenbewohners gegen die für den alten
Verstand undurchdringlichen großen Städte gesteigert. Was man den Prophetismus
nennt, ist hier die feurige Form des Neinsagens zu erhöhter Komplexität.
.... Tatsächlich haben Europäer und
Amerikaner in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in hesiodischen Begriffen
gesprochen, sich in ein erneutes Silbernes Zeitalter ( )
katapultiert. Sie haben - innerhalb des »Kristallpalastes« - Lebensverhältnisse
für die meisten geschaffen, die sich von allem, was auch nur wenige Jahrhunderte
zurückliegt, nicht graduell, sondern epochal oder besser: äonisch unterscheiden.
Noch einmal erinnere ich an die Oktoberrevolution des Jahres 1846 (Wiedereinführung
der Vollnarkose am 16. Oktober 1846 durch die Äthernarkose [vgl. ebd., S.
598]; HB) - das Epochendatum in der Geschichte des Schmerzes. Ebenso
ist die Entagrarisierung des Wirtschaftslebens hervorzuheben und damit der Abschied
von der »Idiotie des Landlebens« (Karl Marx / Friedrich Engels, Das
kommunistische Manifest, 1848, 1. Teil). Dem Historiker ist unzweifelhaft,
daß nahezu alle Bewohner des Kristallpalastes (das
sind rd. 20% aller jetzt lebenden Menschen, also rd. ein Fünftel, nämlich:
die Abendländer und ihre »Ableger«; HB) zumindest
in materieller und infrastruktureller Hinsicht von beispiellosen Verbesserungen
ihrer Lebensbedingungen profitieren (vgl. Peter Sloterdijk, Im Weltinnenraum
des Kapitals, 2005, S. 265-276 )
- ein Faktum, das durch ein ebenso beispielloses Aufblühen einer Kultur der
Nachforderungen ergänzt und bestätigt wird. Die Resignationsspirale
des Eisernen Zeitalters hat sich umgekehrt, um sich in eine Spirale des Begehrens
aufzuschrauben. (Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern,
2009, S. 654, 656-657, 668-669 ).Francis
Fukuyama ( ):
The End of History?, 1989; Das Ende der Geschichte?,
1989; The End of History and the Last Man, 1992; Das Ende der
Geschichte - Wo stehen wir?, 1992. (? ?).
Gemäß Hegels Dialektik ( )
deutet Fukuyama den extremen Liberalismus als These, den
Totalitarismus als Antithese, die liberale Demokratie
als Synthese. Also ist für Fukuyama die liberale Demokratie
das Endstadium. Sind aber überhaupt Fukuyamas Ende der Geschichte
und Huntingtons Kampf der Kulturen ( )
wirklich entgegengesetzte Thesen oder nicht? Laut Peter
Scholl-Latour war Fukuyamas These von Anfang an absurd. Die weltweite Ausbreitung
der parlamentarischen Demokratie us-amerikanischen Modells und einer ungehemmten
Marktwirtschaft würden der Menschheit einen endgültigen Zustand des
Wohlergehens und der Harmonie bescheren. Damit würde der Schlußstrich
gezogen unter die veralteten Antagonismen. So etwa läßt sich Fukuyamas
Vorstellung vom »End of History« resümieren. (Peter Scholl-Latour,
Koloß auf tönernen Füßen, 2005, S. 47). Außerdem
stellte Peter Scholl-Latour zu seiner Überraschung fest, daß Peter
Sloterdijk den Satz prägte: »Durch »Nation Building«
bekommt man bestenfalls demokratisch kaschierte Diktaturen mit Marktwirtschaft«.
Ich hätte hinzugefügt: im Dienste der Marktwirtschaft. (Ebd.,
2005, S. 50). Fukuyamas gewagte These vom Ende der
Geschichte ewiger Kämpfe, da das westliche Modell (also: die abendländische
Kultur) global gesiegt habe, bietet jedenfalls für Huntington ( )
keine gehaltvolle Analyse, so Hans-Ulrich Wehler. Vielmehr sieht
Huntington in den Zusammenstößen, Reibungen, Konflikten zwischen den
großen Kulturkreisen auf der Basis unterschiedlicher Religionen und divergierender
Weltbilder die Hauptrolle künftiger Auseinandersetzungen. (Hans-Ulrich
Wehler, Konflikte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2003, S. 61). Vgl. auch
Wehlers Hinweis auf die Friktionen ( )
von Carl Philipp Gottfried von Clausewitz (1780-1831): Vom Kriege (1816 ).
Fukuyamas These beurteilt Norbert Bolz aber so: In
der Grunddiagnose herrscht eine verblüffend große Einigkeit unter den
Denkern. Der berühmte Buchtitel Francis Fukuyamas - Das Ende der Geschichte
und der Letzte Mensch - faßt ja ganz einfach die Positionen Hegels und
Nietzsches zusammen. Diese Welt hat dann Max Weber als »Gehäuse der
Hörigkeit« definiert. »Verwaltete Welt« (Theodor W. Adorno),
»technischer Staat« (Helmut Schelsky) und das »Gestell«
(Martin Heidegger) sind nur verschiedene Namen für das Endprodukt eines spezifisch
modernen Prozesses, den Arnold Gehlen auf den Begriff der »kulturellen Kristallisation«
gebracht hat. (Norbert Bolz, Das Wissen der Religion, 2008, S. 53).
Peter Sloterdijk sieht in Fukuyamas Werk die Wiedergewinnung
einer authentischen politischen Psychologie auf den Grundlagen der wiederhergestellten
Eros-Thymos-Polarität. Es liegt auf der Hand, daß eben diese politische
Psychologie (die wenig mit der sogenannten »Massenpsychologie« und
anderen Anwendungen der Psychonalyse auf politische Objekte zu tun hat) durch
den Gang der Dinge ins Zentrum des aktuellen Bedarfs an neuen theoretischen Orientierungen
gerückt wurde. .... Die zeitdiagnostische Lektion, die sich in The End
of History verbirgt, ist also nicht von dem Titelslogan abzulesen, der, wie
bemerkt, nur eine geistreiche Auslegung der Hegelschen Philosophie durch Alexandre
Kojève aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zitiert (welcher
seinerseits das »Ende der Geschichte« auf das Erscheinungsjahr von
Hegels Phänomenologie des Geistes 1807 datiert hatte ).
Sie besteht in einer aufmerksamen Beobachtung der Prestige- und Eifersuchtskämpfe
zwischen Bürgern der »freien Welt« (Anführungszeichen
von mir; HB), die gerade dann in den Vordergrund treten, wenn die Mobilisierung
der zivilen Kräfte für Kämpfe an äußeren Fronten aufgehört
hat. Erfolgreiche »liberale Demokratien« (Anführungszeichen
von mir; HB), erkennt der Autor, werden aufgrund ihrer besten Leistungen
immer von Strömen frei flottierender Unzufriedenheit durchzogen sein. Dies
kann nicht anders sein, weil Menschen zu thymotischer Unruhe verurteilt sind,
und »letzte Menschen« mehr als alle übrigen .... (Peter
Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 65-67). Thymos
ist für Fukuyama nichts anderes als der psychologische Sitz des Hegelschen
Strebens nach Anerkennung (Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte,
1992, S. 233); dieses ist der eigentliche Motor der Menschheitsgeschichte
(ebd., S. 229). Hegelsches Geschichtsbild
und platonisch-hegelianische Begriffskonstruktionen, vor allem was eben das Thymotische
angeht, sind also die Hauptmerkmale, an denen sich Fukuyama orientiert und aus
denen er seine Thesen ableitet, ebenso Sloterdijk in seinem Werk Zorn und Zeit
(Untertitel: Politisch-psychologischer Versuch; 2006), und beide, Sloterdijk
und Fukuyama, sind auch von Nietzsche, Sloterdijk zusätzlich von Heidegger
beeinflußt. Der Mensch, so könnte man Fukuyama
verstehen, ist das Tier, das vergleicht. Das, was er ist und kann, vergleicht
er mit der Anerkennung, die er dafür bekommt, und sich selbst vergleicht
er mit anderen, die er übertreffen will. Diese platonisch-hegelianische Begriffskonstruktion
Fukuyamas legt ... auch Sloterdijk, in allerdings modifizierter Form, seiner gesamten
Theorie einer Psychopolitik als eine Grundenergie unter, die den Menschen von
»seinem Stolz, seinem Mut, seiner Beherztheit, seinem Geltungsdrang, seinem
Verlangen nach Gerechtigkeit, seinem Gefühl für Würde und Ehre,
seiner Indignation und seinen kämpferisch-rächerischen Energien«
(S. 27f. )
her denkt. Sloterdijks Buch ist im Kern eine (als solche auch deklarierte) mitunter
anspielungsreiche Amplifikation jener »gedankenreichen Abschnitte des ungelesenen
Bestsellers Das Ende der Geschichte - Wo stehen wir?« (S. 41 )
über den Thymos (vgl. ebd., S. 203-265). Während allerdings Fukuyama
den »thymotischen Teil der Seele« (ebd., S. 252) vor allem vom Pol
des Wertvergleichs, des Anerkennungsstrebens und seiner Übersteigerungen
(»megalothymia«) her denkt, das heißt als ein Verlangen, das
als Katalysator in politischen Konflikten immer mit wirksam ist, so stellt Sloterdijk
demgegenüber den Pol des Protests und des Widerstands, des Zorns und der
Rache ins Zentrum, das heißt einen Affekt, den er als verwertbaren und speicherbaren
»Rohstoff« des Politischen zur Geltung bringen will. Sloterdijk substantiviert
den »thymotischen Seelenteil« Fukuyamas zum »Thymotischen«.
.... Und Sloterdijk greift zur Beschreibung des »Thymotischen« selbst
auf die biologische Metaphorik des Organismus und des von seiner Umwelt entkoppelten
»Warmblüters« zurück, der sein mentales »Gegenstück
in den thymotischen Regungen der Einzelnen wie der Gruppen« (S. 38 )
habe .... Dennoch und bei aller Kritik im einzelnen, die Wiederentdeckung des
»Thymotischen« neben dem Erotischen (bzw. Ökonomischen) ist der
wohl wichtigste Ertrag des Buches von Sloterdijk, da er eine echte Alternative
zum Begriff der Agression darstellt und ermöglicht, die (zumeist völlig
unverstandene) Modernität von Ehr- und Wutphänomenen jenseits von Narzißmustheorien
(und ihren Zwängen )
und auch jenseits von Destruktionstrieben zu denken. Sloterdijk und insbesondere
Fukuyama ist vorbehaltlos darin zuzustimmen, daß politische Prozesse nicht
zureichend von einer Anthropologie des Verlangens verstanden werden können.
Gerade die jüngste Zeit bietet eine erschlagene Fülle an Beispielen
für die Rolle, die Ehre, Anerkennung und Geringschätzung in politischen
Konflikten und als Faktor ihrer Eskalation spielen. . .... »Die Zornmassen
durchlaufen die Metamorphose von der blinden Verausgabung im Hier und Jetzt bis
zum hellsichtig geplanten weltgeschichtlichen Projekt einer Revolution zugunsten
der Erniedrigten und Beleidigten.« (S. 96 ).
Und das setzt voraus, daß der Zornige seinen Zorn aufschiebt, daß
er eintritt in die, wie Sloterdijk in Anlehnung an Heidegger formuliert, »existenzielle
Zeit« (S. 97 ),
in der das Dasein hingespannt ist auf den Tag des Zorns. In diesem Sinne ist es
der Zorn, der als Projektform zur Rache und zur »Bankform der Revolution«
wird, der allererst das erzeuge, was wir Geschichte nennen, und was nach dem Zusammenbruch
des Kommunismus zu Ende gegangen sei. .... Die theologische Konstellation von
Zorn und Ewigkeit, die durch die Erfindung des Purgatoriums eine Verzeitlichung
erfuhr, wird, so Sloterdijk, in der Moderne als Konstellation von Zorn und Zeit
zum Inbegriff der Geschichte. Dies geschieht, indem Rache und Immanenz fusionieren:
An die Stelle des göttlichen dies irae tritt als das Ende der Geschichte
der Zahltag des von der Weltbank des Kommunismus gesammelten Zorns. Diese Geschichte
von der »thymotischen Revolution des 3. Kapitels (»Die thymotische
Revolution« )
bildet ... den Schwer- und Zielpunkt, gewissermaßen die Achse der Argumentation.
Sloterdijks Hauptkapitel folgt damit der von Historikern ... immer wieder gestellten
Forderung, die Emotionen bei der politischen Geschichtsschreibung einzubeziehen.
Nach dem Tod Gottes ist die Position der Zornsammelstelle als eines Exekutors
des Weltgerichts vakant. In diese, so Sloterdijk, rückt nun der Kommunismus
ein, der einerseits als Weltbank den Zorn der Unterdrückten sammelt und andererseits
auf den Tag der Abrechnung, der Auszahlung, der »thymotischen Rendite«
(S. 222 )
und das »letzte Gefecht« (S. 198 )
hinarbeitet. Sloterdijk unterscheidet dabei drei Stile der »Zornbewirtschaftung«,
den anarchistischen, den sozialdemokratischen und den kommunistischen und konzediert
allein letzterem die Fähigkeit, »mit einem effektiven Weltbankanspruch
aufzutreten« (S. 226 ).
.... Während der Kommunismus so als die eigentliche Zornsammelstelle, als
Weltbank der Rache erscheint, die in der Lage sei, den Zorn der Massen aufzufangen
und politisch zu instrumentalisieren, deutet Sloterdijk im Rahmen seiner programmatischen
Holocaust-Dezentrierung die im Vergleich zur Kulakenvernichtung quantitativ (viel)
geringere Rassenvernichtung der Nationalsozialisten - ganz im Sinne der Thesen
Ernst Noltes ( )
- als Reaktion und (weitgehend) als Nachahmung der, so Sloterdijk, mit Blick auf
die Dekrete zum »roten Terror«, initialen kommunistischen Herausforderung.
(Johannes F. Lehmann ).
Mit deutlicher Sympathie für die These Ernst Noltes
betont Sloterdijk die Vorgängerfunktion des Linksfaschismus gegenüber
den faschistischen »Nationalbanken« des Zorns, so Jens Bisky,
der ebenfalls in Hegel den Grund dafür sieht, daß Sloterdijk und Fukuyama
in gut Hegelianischer Wendung meinen, Geschichte geschehe nur
in der Form der Tragödie oder des Epos. Die vielen Geschichten, und sei es
die, wie mit »hämischer Mittellosigkeit« das World Trade Center
zerstört wurde, ergeben keine Geschichte als Weltgericht. (Jens Bisky ).
Ob das Historiker auch so sehen? Obwohl: Viele unserer
heutigen Historiker sind doch schon gar keine Historiker mehr, sondern nur noch
Prediger - Prediger einer Neu-Religion, die ebenfalls bereits seit 1789
immer mehr dabei ist, sich durchzusetzen. Ob nun aber die seit 1789 unaufhörlich
drohende Revolution oder nur der Kommunismus (der ja eine rein westliche Erfindung
und laut Sloterdijk ein säkularisierter Katholizismus, ansonsten aber ein
linksextremer Totalitarismus als Antithese [ ]
im Sinne Hegels ist) oder sogar die Geschichte im Sinne Hegels zu Ende gegangen
ist oder nicht bzw. aufgehoben ( )
im Sinne Hegels ist oder nicht, und ob heute Hegel selbst so voreilig wie manche
heutige Zeitgenossen das Ende der Geschichte als Tatsache behaupten würde,
darf ja auch bezweifelt werden. Vieles dabei hängt ja nur von der Definition
von Geschichte ab. Ich gehöre, was das Thema Ende der Geschichte
angeht, zu den weichen Zweiflern und zu den weichen Nicht-Zweiflern,
denn: Ich bezweifle nicht so sehr, daß die Geschichte enden wird, sondern
viel mehr, daß sie schon 1807 oder 1989 zu Ende gegangen sein soll, wie
die Voreiligen behaupten. Ich sage: Die Geschichte wird gar nicht oder frühestens im 21. oder 22. Jh. zu Ende gehen, weil die Zeit davor lediglich eine
Vorbereitung auf das Ende der Geschichte bedeutet, d.h.: weil wir noch Zeit dafür
brauchen, weil die Zeit zwar schon fast, aber eben noch nicht ganz
reif dafür ist. Doch ein Ende der Geschichte ist meiner Meinung nach auf
insgesamt 6 Weisen möglich, nämlich als: (1.)
zeitlich begrenztes Ende der Geschichte nur für einen bestimmten Kulturkreis,
aber ohne Ende dieses Kulturkreises, (2.) zeitlich
begrenztes Ende der Geschichte nur für einen bestimmten Kulturkreis mit gleichzeitigem
Ende dieses Kulturkreises, (3.) zeitlich begrenztes
Ende der Geschichte für alle Menschen, aber ohne Ende der Menschheit, (4.)
Ende der Geschichte für alle Menschen, aber ohne Ende der Menschheit, (5.)
zeitlich begrenztes Ende der Geschichte für alle Menschen mit gleichzeitigem
Ende der Menschheit, (6.) Ende der Geschichte mit
gleichzeitigem Ende der Menschheit. Nach meiner Theorie kann also das Ende der
Geschichte viermal zeitlich begrenzt (1.,
2., 3., 5.) und
zweimal endgültig (4., 6.)
sein. Der Nummerierung entsprechend sehe ich die Wahrscheinlichkeiten für
das Ende der Geschichte.                 Alexander
Demandt meint zum Thema Ende der Geschichte: Die Johannes-Apokalypse
verhieß vor dem Jüngsten Gericht ein Zwischenspiel, das Tausendjährige
Reich irdischen Wohlergehens. Diese Idee wurde von Augustinus aus asketischer
Gesinnung abgelehnt, doch war der Wunsch nach einer irdischen Endzeit auch unter
Christen nicht zu unterdrücken. Diese Hoffnung inspirierte Joachim von Floris
um 1200 zu seiner Prophezeiung eines »Dritten Reiches«: Nach der Zeit
des Vaters und der des Sohnes komme die des Heiligen Geistes. Die Hoffnung der
Millennaristen aber zerschlug sich, wie so viele. Die Mission blieb stecken, der
Paraklet erschien nicht; und so verbreitete sich seit dem 15. Jahrhundert die
Auffassung, daß man die neue Zeit nicht abwarten, sondern herbeiführen
müsse. Bei den Hussiten und den Wiedertäufern finden wir das Bestreben,
den Übergang in die Endzeit gewaltsam zu beschleunigen, ähnlich wieder
bei den Puritanern in England. Die Hoffnung auf eine Zukunft im Himmel verwandelte
sich in die Bemühung, die irdischen Lebensbedingungen zu verbessern. Die
ersten Theoretiker des Fortschrittes, unter ihnen Lessing und Herder, stehen noch
ganz im Banne der christlichen Denktradition. Sie vertrauten auf die göttliche
Lenkung der menschlichen Geschicke, erwarteten jedoch kein plötzlich hereinbrechendes
Himmelreich, sondern einen stetigen Fortschritt zur Vernunft und zur Humanität
auf Erden. .... Kant stellte 1784 fest: »Wenn denn nun gefragt wird: Leben
wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter?, so ist die Antwort: Nein,
aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.« Ob dieses Zeitalter in
einen Zustand der Vernunft führen werde, ließ Kant offen, er war aber
fest davon überzeugt, daß der Progreß nicht unterbrochen werde.
Sein Entwurf zum ewigen Frieden von 1795 sah einen allgemeinen Bund der Völker
vor, die republikanisch verfaßt sein und sich in Humanität üben
sollten. Insofern war für ihn die Aufklärung das letzte Zeitalter der
Geschichte. Weniger Geduld mit der Endzeit hatte Hegel. Er glaubte, die Aufklärung
habe ihr Werk getan. Im preußisch-protestantischen Staat seiner Zeit wähnte
er die Freiheit - zumindest ihrem Prinzip nach - realisiert und damit die Geschichte
vollendet. So lesen wir in seiner Geschichtsphilosophie von 1831: »Mit diesem
formell absoluten Prinzip [der Freiheit] kommen wir an das letzte Stadium der
Geschichte, an unsere Welt, an unsere Tage.« Sein Bild von der Eule der
Minerva zeigt, daß der Tag vorüber ist; blendet freilich aus, daß
jetzt die Nacht zu erwarten wäre. Jedenfalls meinte er, zu tun sei nun nichts
Substantielles mehr, die Stunde des Philosophierens habe geschlagen. Der Glaube
an das nahe Zeitenende, wie er schon in der französischen Revolution
auftaucht, begegnet uns wieder bei den Frühsozialisten sowie bei Marx und
Engels. Sie wähnten sich dreimal - 1848, 1852 und 1871 - vor der Weltrevolution,
die über die Diktatur des Proletariats in die klassenlose Gesellschaft hinüberführen
und das Glück des Urkommunismus auf höherer Stufe erneuern werde. Hier
haben wir das Modell der Heilsgeschichte, vom Kopf auf die Füße gestellt.
Dem Paradieseszustand entspricht die klassenlose Urgesellschaft. Sie endet mit
dem von Engels so genannten »Sündenfall« der Arbeitsteilung.
Die sich anschließende eigentliche Geschichte ist antagonistisch strukturiert,
bei Augustinus im Neben- und Gegeneinander von Civitas Diaboli und Civitas
Dei, bei Marx im Klassenkampf der Unterdrückten gegen die Ausbeuter.
Den Abschluß der Geschichte bildet für die Christen das Gottesreich,
für die Kommunisten die klassenlose Gesellschaft, voraus gehen dort das Tausendjährige
Reich und das Weltgericht, hier die Diktatur des Proletariats und die Weltrevolution.
Das Endparadies unterscheidet sich vom Urparadies in beiden Fällen darin,
daß es keinen zweiten Sündenfall geben wird. Unter den zahlreichen
Verfechtern einer Endzeit-Idee im 20. Jahrhundert ragt Oswald Spengler mit seinem
»Untergang des Abendlandes« ( )
hervor. Dieses am 20. April 1918 zuerst erschienene Werk will zeigen, daß die Weltgeschichte
in acht ungefähr tausendjährige Hochkulturen zerfällt, deren letzte,
die »faustische«, nun übergehe in eine kultur- und geschichtslose
Endphase, die zwar noch lange dauern könne, ohne daß indessen die erschöpfte
Kulturseele noch neue Blüten bringe. Spenglers ebglischer Nachfolger Toynbee
hat an dieser Kulturmorphologie zahlreiche Änderungen angebracht. Der Endzustand
unterscheidet sich grundlegend von dem bei Spengler. Toynbee glaubte an die Verwirklichung
des Reiches Gottes auf Erden. Die apokalyptischen Erwartungen in der zweiten Jahrhunderthälfte
zeigen zahlreiche Schattierungen. Fukuyama konstatierte 1989, daß mit dem
Zusammenbruch der Sowjetunion der letzte Weltzustand erreicht sei. Zu allen Zeiten
hätten sich mindestens zwei grundsätzliche Positionen gegenübergestanden:
Griechen gegen Perser, Römer gegen Barbaren, Kaiser gegen Papst, Christen
gegen Muslime, dynastische Legitimation gegen Volkssouveränität, demokratische
Kräfte gegen totalitäre Systeme. Mit dem Ende des Sozialismus gebe es
keine erfolgversprechende Alternative mehr zu einer liberalistisch-kapitalistischen
Demokratie. Was die Zukunft jetzt noch zu bieten habe, sei nichts anderes als
die Durchsetzung dieses Prinzips und verdiene daher nicht mehr die Bezeichnung
»Geschichte«. ( )
.... Endzeit-Idee und Geschichtslosigkeit nach dem Jahr 2000 verknüpfte ...
Ernst Jünger 1932. Seine letzte Prognose auf das 21. Jahrhundert gab
er 1993. Er glaubte, daß sich der bereits zu beobachtende Ausstieg des Menschen
aus der Geschichte nach der Jahrtausendwende fortsetzen werde. Seit 200 Jahren
befänden wir uns in einer Weltrevolution, die uns in gewisser Weise schon
jetzt aus der Geschichte verdrängt habe. Er sprach von apokalyptischen Visionen
am Ende des Jahrtausends, indem er den Untergang der »Titanic« 1912
als prophetisches Zeichen wertete. Eine allgemeine »Fellachisierung«
greife um sich: wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, so doch im Einvernehmen
darüber, daß ein historisches Bewußtsein entbehrlich wird: »Man
lebt für den Tag.« Jünger prophezeite den Weltstaat, nicht jedoch
den Weltfrieden. Er rechnete mit einer Zunahme des Terrorismus, dessen Bekämpfung
keine geschichtliche Dignität besitze. Ernst Nolte hat 1998 in seinem Alterswerk
mit dem Titel »Historische Existenz« ( )
eine umfassende Geschichtsphilosophie vorgelegt, die durch sogenannte »historische
Existenzialien« gekennzeichnet ist: Religion, Staat, Adel, Krieg und Revolution,
Stadt und Land, Historie und Wissenschaft. Diese Existenzialien sieht Nolte einem
Transformationsprozeß ausgesetzt, der ihr Wesen verändert. Religion
zerfällt in Fundamentalismus und Folklore, der Staat verschwindet im Netzwerk
der Globalisierung, an die Stelle des Adels treten Funktionseliten, Krieg gibt
es nur noch in Form von Grenzkonflikten in Entwicklungsländern und Polizeieinsätzen
der Weltorganisationen (nein! Krieg gibt es laut Nolte immer
noch, v.a. in der »Dritten Welt« [vgl. ebd., S. 674 ]!
HB.). Revolution wird in Form von Protestaktionen eine unvermeidliche,
aber unbedeutende Begleiterscheinung von Veränderungen der Produktion (oder
aber auch nicht, so Nolte [vgl. ebd., S. 682 ]!
HB.). Die Unterschiede zwischen Stadt und Land verschwinden (eher
nicht, denn laut Nolte ist die »Eine Menschenstadt« nicht tragbar
[vgl. ebd., S. 676 ]!
HB.). Die Wissenschaft produziert noch Bücher und Maschinen,
sie verliert hingegen ihre Bedeutung für die »Menschenbildung«.
Das Geschichtsbewußtsein beschränkt sich auf die Erinnerung an die
Greueltaten einer Zeit, mit der man nichts mehr zu tun haben will. (Aber
laut Nolte ist noch nicht ein einziges der [nur veränderten!] »historischen
Existenzialien« verschwunden, und diese Tatsache ist für Nolte ein
Indiz dafür, daß die »Nachgeschichte« noch nicht begonnen
hat [vgl. ebd., S. 682 ]!
HB.). Die Nähe zum kommenden Jahrtausend empfindet Nolte als
einen bevorzugten Auslug, mit dem neuen Millennium läßt er die 6000
Jahre der eigentlichen Geschichte enden (nein! Nolte läßt
die Geschichte nicht enden, sondern die Frage offen, ob sie [im engeren Sinne!]
zu Ende sei, denn er trennt die Geschichte im engeren Sinne von der Geschichte
im weiteren Sinne [»anthropologische Geschichte«] und kann gerade
deshalb darüber philosophieren, ob die Geschichte im engeren Sinne
zu Ende sein könnte oder nicht, weil die Geschichte im weiteren Sinne
auch die »Vorgeschichte« und die »Nachgeschichte« umfaßt
und darum zumindest im »anthropologischen« Sinne nicht zu Ende sein
kann [vgl. ebd., S. 683 ]!
HB.). Die von Spengler dem Abendland nach dem Untergang um das Jahr
2000 (nach 2200! »Geschichtsloses Erstarren
... nach 2200«, so Spenglers Vorhersage [vgl. Oswald Spengler, Der Untergang
des Abendlandes, 1918, S. 70 ]!
HB.) vorausgesagte geschichtslose Zivilisation weitet Nolte aus auf
die Zukunft der Menschheit insgesamt. Voll entfaltet sieht er das posthistorische
Zeitalter der »wissenschaftlich-technischen Konkurrenzökonomie«
im Jahre 2200 ( ).
Die Medizin ist der Krankheiten Herr geworden, das Durchschnittsalter der Menschen
auf 200 Jahre gestiegen ( ).
Nolte mißt den Problembereichen unserer Zeit keine geschichtsträchtige
Zukunft zu (er positioniert sich doch gar nicht so genau!
Anm HB.). Bevölkerungswachstum, Wohlstandsgefälle, Massenwanderung,
Fundamentalismus, Umweltbedrohung, Technikfolgen, all dies löst sich offenbar
globaldemokratisch ohne Geschichte, undramatisch. (Nolte
läßt es eher offen! Anm HB.). So gewiß wir das wünschen
müssen, so ungewiß ist die Annahme einer solchen Endzeit, denn dafür
brauchte man einen neuen Menschen, den perfekt sozialisierten Kosmopoliten, den
wohltemperierten Endzeit-Bürger. (Alexander Demandt).                 Peter
Töpfer meint zum Thema Ende der Geschichte: Die Spannung
der Rezension des Buches »Historische Existenz« von Ernst Nolte von
Peter D. Krause in der Etappe Nr. 16 liegt darin, daß Krause die Noltesche
»Nachgeschichte« als den »Weltstaat« und die »Weltzivilisation«
interpretieren zu müssen scheint, gleichzeitig aber offen läßt,
ob für Nolte nicht doch ein anderer Ausgang, ein anderes Ende der Geschichte,
eine andere Art »Nachgeschichte« in Betracht kommt, nämlich die
Rückkehr zur »Vorgeschichte«, deren eine Etappe etwa ein Räte-Reich
im Huchschen Sinne sein könnte. Die »Möglichkeit eines geschichtslos-paradiesischen
Endzustandes«, die »seit alters ein spekulatives Faszinosum«
sei, läßt sich nämlich auch topisch denken, und nicht nur utopisch-globalistisch.
. .... »Wird die Posthistorie die Wirklichkeit des uralten utopischen Traumes
sein oder am Ende dessen Gegenteil?«, fragt Krause. Genau so
gut kann sie aber auch eine Topisierung, Reloziierung, Dezentralisierung, anthropologische
Rückorientierung, eine »wirkliche Erneuerung« und eine Rückkehr
zum »Grundwillen des Volkes« (Ricarda Huch) sein bzw. eine »Balkanisierung
und Rückverdummung«, wie es die Pogo-Anarchisten sagen, die in ihrem
100-Tage-Programm ein »Deutschland in den Grenzen des Heiligen Römischen
Reiches von 1237« fordern. .... Nachgeschichte oder Ausstieg aus der Geschichte
heißt nicht ... Aufgabe der eigenen Interessen, sondern im Gegenteil radikalisierte
Wahrnehmung derselben. .... Wir als zivilisationsungläubige Zivilisationszwangsteilnehmer
verlassen zugunsten einer Kommunikation mit den Zivilisierten und Gebildeten unser
Hier & Jetzt und gehen als Paläo- und »Urkonservative« (Ernst
Jünger ;
vgl. auch: Karlheinz Weißmann, Anarchie von rechts, 1998, S. 39 )
in unserer Beschreibung von Anarchie sowohl zurück in die »Vorgeschichte«
als auch als Erzprogressive nach vorn in eine Welt, die sich immer weiter aufklärt
bzw. sich wieder- und rückaufklärt. Wir orientieren uns – geschichtlich
ausgedrückt – an beiden Extremen .... Warum nicht die Geschichte einfach
verlassen ...? Wir Anarchisten knüpfen direkt an die »Vorgeschichte«
an, ohne von ihr überhaupt etwas zu wissen. Wir sind ungeschichtlich und
lassen folglich auch irgendeine »Nachgeschichte« ausfallen. »So
ist zu hoffen, daß das alte Mantra: Erkenne Dich selbst hier
(im Wiederaufleben der Vorgeschichte) eine neue Werkstatt und Meisterschule finden
wird.« (Ernst Jünger, An der Zeitmauer, in: Gesammelte Werke,
S. 495 ).
Wobei dem »Erkennen« unbedingt eine transkognitive Bedeutung beigemessen
werden muß. Und Nolte weiß: »Eine extreme Form des Selbstbewußtseins
(kann) gerade den Ausstieg aus der Geschichte implizieren.« (Ernst Nolte,
Historische Existenz, 1998, S. 30 ).
Wir sind diese extreme Form und betreiben diesen Ausstieg. Die Geschichte ist
eine wirre und eklige Sekunde, ein kurzer sozialer Orkan in der ewigen Zeit, die
so schnell und so gründlich wie möglich vergessen sein soll. Ein bißchen
»Mut zur Übernahme einer nachgeschichtlichen Existenz«!,
wie Nolte Oswald Spengler ( )
wiedergibt, der Nolte zufolge »sehr mißverstanden« worden sei.
»Untergang bedeutete für Spengler eben keineswegs Niederlage
oder Zusammenbruch, sondern den Übergang in die Nachgeschichte .…«
(Ebd., 1998, S. 44 ).
(Peter Töpfer, Reich und Anarchie, in: Etappe, Nr. 16, Dezember 2001
/ Januar 2002; vgl. Nationalanarchismus).                 Laut
Huntington ( )
beruht die Annahme, daß das Ende der Geschichte ( )
erreicht sei und den weltweiten Sieg der liberalen Demokratie bedeute,
auf dem Trugschluß der einzigen Alternative ( ).
Dieses Argument wurzelt in der Perspektive des Kalten Krieges, daß
nämlich die einzige Alternative zum Kommunismus die liberale Demokratie sei
und das der Untergan des ersteren die Universalität der letzteren herbeiführe.
.... Es ist reine Überheblichkeit zu glauben, daß der Westen ... die
Welt für alle Zeiten erobert hat und daß Muslime, Chinesen, Inder und
alle anderen nun nichts Eiligeres zu tun haben, als den westlichen Liberalismus
als einzige Alternative zu übernehmen. ... Die fundamentaleren Spaltungen
der Menschheit nach Ethnizität, Religionen und Kulturkreisen bleiben und
erzeugen neue Konflikte. ( ).
Zwar gibt es auch die Annahme, daß die zunehmende Interaktion zwischen
Menschen - Handel, Investitionen, Tourismus, Medien, die elektronische Kommunikation
generell - dabei ist, eine gemeinsame Weltkultur zu erzeugen. ( ).
Denn: In der Tat haben Verbesserungen der Transport- und Kommunikationstechnologie
es leichter und billiger gemacht, Geld, Waren, Menschen, Wissen, Ideen und Bilder
um die ganze Welt zu transportieren. An der Zunahme des diesbezüglichen internationalen
Austauschs besteht kein Zweifel. Große Zweifel hingegen bestehen hinsichtlich
des Einflusses dieses gesteigerten Verkehrs. Wird durch Handel die Wahrscheinlichkeit
eines Konflikts erhöht oder verringert? ( ).
Die Annahme, daß Handel die Wahrscheinlichkeit eines internationalen Krieges
verringert, ist zumindest nicht erwiesen, und es gibt viele Hinweise, die für
das Gegenteil sprechen. Der internationale Handel expandierte in den 1960er und
1970er Jahren kräftig. 1980 machte er 15 Prozent des Weltbruttosozialprodukts
aus. In dem anschließenden Jahrzehnt fand der Kalte Krieg ein Ende. Aber
1913 belief sich der internationale Handel auf 33 Prozent des Weltbruttosozialprodukts,
und in den folgenden paar Jahren schlachteten die Nationen einander in einem beispiellosen
Ausmaß ab. Wenn der internationale Handel selbst auf dieser Ebene den Krieg
nicht verhindern kann, wann dann? Die Geschichte stützt ganz einfach
nicht die liberal-internationalistische Annahme, daß Handel den Frieden
fördert. Analysen aus den 1990er Jahren rücken diese Annahme weiter
ins Zwielicht. Eine Studie kommt zu dem Schluß: »Handel auf steigendem
Niveau kann ein stark polarisierender Faktor ... in der internationalen Politik
sein«; »zunehmender Handel im internationalen System als solcher dürfte
weder internationale Spannungen mildern noch eine größere internationale
Stabilität fördern.« Eine andere Studie vertritt die These, daß
wirtschaftliche Interdependenz auf hohem Niveau »den Frieden oder
den Krieg befördern kann, je nachdem, welche Zukunftserwartungen an den Handel
gerichtet werden«. Wirtschaftliche Interdependenz dient dem Frieden nur
dann, »wenn Staaten erwarten, daß Handel auf hohem Niveau in absehbarer
Zukunft fortdauert (oder im Falle einer gegenwärtigen Unterbrechung wiederaufgenommen
wird).« Wenn Staaten nicht ein hohes Maß an Interdependenz erwarten,
ist Krieg die wahrscheinliche Folge. Das Unvermögen von Handel und Kommunikation,
Frieden oder Gemeinschaftsgefühl zu bewirken, wird von den Befunden der Sozialwissenschaften
bestätigt. In der Sozialpsychologie behauptet die Distinktivitätstheorie,
daß Menschen sich über das definieren, was sie in einem bestimmten
Kontext von anderen unterscheidet. .... Die globale religiöse Erneuerung,
die »Wiederkehr des Sakralen«, ist eine Reaktion auf die Rezeption
der Welt als eines »einzigen Ortes«. (S. P. Huntington, Kampf
der Kulturen, 1996, S. 93-96 ).
Also: Huntington erteilt jedem erdenklichen Ende der Geschichte eine
knallharte Absage! Im Jahr 2000 betrug der Anteil an der Weltbevölkerung
für die abendländische Kultur (den Westen, wie Huntington
lieber sagt) ungefähr ein Fünftel ( );
wenn man Lateinamerika nicht mehr dazuzählt (wie Huntington es lieber tut),
dann können wir von der NATO ausgehen und damit von einem Achtel ( ).
Von diesem Achtel glauben rund 8 Prozent, d.h. bezogen auf die Weltbevölkerung
rund 1 Prozent (!) an eine universale Kultur, eine Zivilisation im
Singular (wie Huntington sich ausdrückt), also eine einzige Weltkultur.
Diese Leute treffen sich jedes Jahr in Davos. 1994 schätzte die Gesellschaft
»CNN International« die Zahl ihrer potentiellen Zuschauer ebenfalls
auf rund 1 Prozent der Weltbevölkerung, und das ist laut Huntington eine
auffallend ähnliche Zahl wie bei den Angehörigen der »Davos-Kultur«
und zweifellos weithin mit diesen identisch! ( ).
Für Huntington ist klar: Das Konzept einer »universalen Kultur«
ist ein typisches Produkt des westlichen Kulturkreises. ( ).
Wir wissen (noch) nicht, ob es in Zukunft eine universale Kultur geben
wird - wenn ja, wird uns ihre Singularität nicht langweilen? Die Menschen-Kultur
( )
ist singulär, aber sie entwickelte drei Modernen (! !):
die Menschen-Moderne als Historisierung (Neanthropinen-Kultur - Kultur
im Singular!), die Neanthropinen-Moderne als Historiographik (Historienkulturen
- Kultur im Plural!) und die Historienkulturen-Moderne als Historismus
(Kultur im Plural!). Jede Historienkultur, das heißt jede Einzelkultur,
wie z.B. die abendländische Kultur, entwickelt eine Moderne. Nicht
trotz, sondern wegen der Unterschiede zwischen Kulturen! Aber wenn auch jede Kultur
ihre wie auch immer geartete Moderne hatte, so gibt es wohl nur eine Kultur, die
nicht nur das Wort Moderne erfand, sondern ihre Moderne mit Recht die modernste
aller Modernen und sich selbst nicht ohne Stolz auch Moderne-Kultur
nennen darf. Gemeint ist die abendländische Kultur. An Dynamik, Größe
und Stärke ist die faustisch-abendländische Moderne einzigartig, nicht
aber, was die Moderne als Phänomen betrifft. Wenn die abendländische
Moderne, die besonders stark durch Technik und Ökonomie, vor allem durch
die Industrielle Revolution, geprägt worden ist, als eine Explosion
mit besonders radikalen Global-Konsequenzen bezeichnet werden kann, dann können
die Modernen aller anderen Kulturen nur noch als harmlose Lagerfeuer betrachtet
werden. Trotzdem kannten auch sie, und zwar je spezifisch, so etwas wie Moderne.
Recht hat Huntington, wenn er sagt, daß Moderne nicht westliche
Kultur und westliche Kultur nicht Moderne ist (vgl. Huntington,
ebd., S. 98 ),
aber: ohne den Westen ist die Moderne fast nichts. Der Westen, also: die abendländische
Kultur ist die einzige Kultur, deren Moderne sich auf die Industrielle Revolution
und nicht nur auf eine Bürgerliche Revolution stützt.
( ).
Eine sich nur auf eine Bürgerliche Revolution stützende
Weltrevolution ( )
haben auch, obwohl nur im begrenzteren und bescheideneren Ausmaß, die anderen
7 Kulturen erlebt. (Vgl. 8 Kulturen ).
Nicht das Phänomen Moderne, sondern das Phänomen abendländische
Moderne ist einzigartig. Was die Menschengeschichte in ihrer Singularität
angeht, so kann man sagen, daß nur die Menschen-Kultur (zu der wir ja immer
noch gehören, denn die Menschwerdung ist noch nicht vollendet!) und
ihre Moderne - die Neanthropinen-Kultur (Historisierung oder: Homo-sapiens-sapiens-Kultur)
- kultursingulär sind. ( ).
Alle weiteren menschlichen Kulturen sind von dieser 3. Moderne abgeleitete
Modernen ( )
! Also ist die abendländische Kultur eine Spätkultur, und als ein Teil
(nämlich der dritte Teil) der Neanthropinen-Moderne ist sie die Spätmoderne
der Neanthropinen-Kultur (Menschen-Moderne). Unsere Moderne ist also die
Moderne einer Spätmoderne der Menschen-Moderne (Neanthropinen-Kultur) innerhalb
der Menschen-Kultur. Und was wir heute Spätmoderne nennen, ist eine
Spätmoderne einer Spätmoderne der Menschen-Moderne innerhalb der Menschen-Kultur.
Manche Leute verstehen unsere Spätmoderne einer Spätmoderne der Menschen-Moderne
nur deshalb als Postmoderne, weil das Späte im Späten für sie so
schwer zu denken ist. ( ).
Und wenn Huntington fragt, ob Geschichte ihrem Wesen nach linear oder zyklisch
ist und (weil sie beides ist): wie kann man das Auf und Ab in der
Entwicklung der menschlichen Zivilisiertheit (Kulturgeschichte)
schematisieren? ( ),
antworte ich also nicht nur mit meinem linear-zyklischen Schema ( ),
der Konjunktu(h)r ( ),
der Kultu(h)r ( ),
sondern auch mit meinem Schema zur Modernen-Theorie: 5+X ( ).  Und
singuläre Ereignisse bezeichnet man allgemein als Wunder! Die
Menschengeschichte (oder Menschen-Kultur) ist also etwas Wunderbares. Das Zufällige
an ihr, was die Religiösen auf Götter, Göttlichkeiten oder den
einen Gott zurückführen, können wir nicht verstehen, sondern
nur beschreiben. Wunderlich und wunderbar ist ja schon die Natur, genauer: die
1. Kultur und ihre 1. Moderne als 2. Kultur (Höheres Leben).
Singulär an uns Menschen ist, daß wir es nur als Menschen-Kultur
sind (nur als 3. Kultur oder nur als 2. Moderne
der 1. Kultur oder nur als 1. Moderne der 2. Kultur) mit
nur einer singulären Menschen-Moderne, der 3. Moderne
als der 4. Kultur (Neanthropinen-Kultur oder Homo-sapiens-sapiens-Kultur
bzw. Historisierung). Für unser Verständnis von Kultur
sind deshalb nur vier Singularitäten relevant (umgangssprachlich
gesprochen): die Natur, das Leben, die Menschheit und ihr vorerst Letztes,
und das ist (jetzt nicht mehr umgangssprachlich gesprochen): Homo sapiens sapiens
! (Alles weitere von Menschen Hervorgebrachte ist pluralistisch). Seit Homo
sapiens sapiens die 4. Moderne als 5. Kultur (Historienkulturen
oder Einzelkulturen bzw. Historiographik) entwickelte, ist die Welt
der Menschen multikulturell. Entstünde also in Zukunft sogar eine menschliche
Universal-Kultur (deren Konzept ein typisches Produkt des westlichen
Kulturkreises ist; vgl. S. P. Huntington Kampf der Kulturen, 1996,
S. 92 ),
würde sie eine Singularität sein, denn sie würde nicht mehr multikulturell,
sondern monokulturell sein. Interessanterweise sind es ausgerechnet die Multi-Kulti-Prediger
des Westens, die das Multikulturelle abschaffen wollen! - Und das ist bekanntlich
kein Wunder ( )
!  Die
Geschichte der Menschheit verläuft auf mindestens zwei Bahnen ( ),
und das heißt: die Menschwerdung (die 3. Kultur) ist als Menschheitsgeschichte
die Bahn (M, siehe Abbildung: ),
auf der die Menschheit ihr WORUM-ES-GEHT (die 1. Kultur
als Zentrum: )
umkreist, während sie selbst von jeder Historienkultur auf einer zweiten
Bahn (H, siehe Abbildung: ),
die wir Kulturgeschichte (die 5. Kultur) nennen, umkreist wird. Denn: Um
die Natur (bzw. Gott, Naturtechnik o.ä.) dreht sich die Menschwerdung (Menschen-Kultur),
die von der Historiographik (vertreten durch die Historienkulturen) umkreist wird
- also müssen sich beide um die Natur (bzw. Gott o.ä.) drehen. Menschen
müssen also mindestens zwei Bahnen oder Ebenen berücksichtigen - aber
dabei ihre Eigendrehung ( )
und Neigung ( )
nicht vergessen -, wenn sie ihre eigene Entwicklung verstehen wollen, wobei die
erste Bahn bedeutender ist als die von ihr abhängige zweite Bahn. Wahrscheinlich
wird die erste Bahn die zweite Bahn überdauern, aber es ist auch möglich,
daß beide gleichzeitig verschwinden werden. ( ).
Falls ja, wird das dann mit oder ohne Zivilisation geschehen?
Samuel Phillips Huntington (1927-2008), Clash
of Civilizations, in: Foreign Affairs (Zeitschrift), 1993; Clash
of Civilizations and the Remaking of World Order, 1996; Kampf der Kulturen,
1996. ( ).
Huntington könnte aus Spenglers Werken direkt abgeschrieben haben; jedenfalls
wurde er von Spengler inspiriert. ( ).
So gibt es eine Linie von Goethe und Schopenhauer über Nietzsche und Spengler
zu Huntington. ( ).
Die Welt fragt: Soll er der Oswald Spengler Amerikas sein?
( ).
Eine gute Frage; zutreffend ist folgende Antwort: Huntington ist einer der (us-)
amerikanischen Spenglerianer! ( ).
 Huntington
in seinem 2. Kapitel (Kulturen in Geschichte und Gegenwart,
ebd., S. 49-75): Die menschliche Geschichte ist die Geschichte von
Kulturen. Es ist unmöglich, die Entwicklung der Menschheit in anderen Begriffen
zu denken. .... Zu allen Zeiten waren Kulturen für die Menschen Gegenstand
ihrer umfassendsten Identifikation. Infolgedessen sind Voraussetzungen, Entstehung,
Aufstieg, Wechselwirkungen, Errungenschaften, Niedergang und Verfall der Kulturen
von den hervorragendsten Historikern, Soziologen und Anthropologen erforscht worden
... (Ebd., S. 49). Huntington nennt neben Oswald Spengler auch Max Weber,
Alfred Weber, Arnold Toynbee und andere. In der Anmerkung dazu zitiert er erst
einmal Spengler: »Weltgeschichte ist die Geschichte der großen
Kulturen« Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer
Morphologie der Weltgeschichte, S. 761. ( ).
(Samuel Phillips Huntington, Kampf der Kulturen, 1996, S. 536).  Huntington
( )
zitiert hier W. C. Quigley, The Evolution of Civilizations. An Introduction
to Historical Analysis, 1961. Die Auffassung Quigleys und anderer Kulturhistoriker
berücksichtigend, notierte Huntington für die Gegenwart, das heißt
für die Zeit um 1996, als er sein Buch schrieb: daß der Westen
gegenwärtig dabei zu sein scheint, aus einer ... Konfliktphase
( )
herauszutreten. (Vgl. Samuel Phillips Huntington, Kampf der Kulturen,
1996, S. 497). Wie Huntington schon im 2. Kapitel (Kulturen
in Geschichte und Gegenwart, ebd., S. 49-75 )
darlegt, entwickelt der Westen heute das Äquivalent eines Weltreiches in
Form eines komplexen Systems von Staatenbünden, Bundesstaaten, Regimen und
anderen Arten von Institutionen der Kooperation, die auf kultureller Ebene die
Bindung des Westens an eine demokratisch-pluralistische Politik verkörpern.
Der Westen ist, mit einem Wort, eine »reife« Gesellschaft an der Schwelle
dessen geworden, was künftige Generationen als ein »goldenes Zeitalter«
( )
betrachten werden, eine Periode des Friedens, die laut Quigley resultiert aus
»dem Fehlen rivalisierender Einheiten im Inneren der betreffenden Zivilisation
(bzw. Kultur) und aus der Entferntheit oder dem Fehlen
von Kämpfen mit anderen Gesellschaften außerhalb ihrer«. Es ist
auch eine Periode der Prosperität, vorbereitet durch die »Beendigung
innerer kriegerischer Zerstörung, die Beseitigung innerer Handelsbarrieren,
die Einführung eines gemeinsamen Maß-, Gewichts- und Münzsystems
und das extensive System von Refierungsausgaben im Zusammenhang mit der Errichtung
eines Weltreichs.« In früheren Kulturen endete diese Phase des seligen
Goldenen Zeitalters mit ihren Unsterblichkeitsvisionen ( )
entweder dramatisch und schnell mit dem Sieg einer fremden Gesellschaft oder langsam,
aber nicht minder schmerzhaft durch inneren Zerfall. (Samuel Phillips Huntington,
Kampf der Kulturen, 1996, S. 497-498 ).
Offenbar hat auch Huntington dieFriktionen
( )
von Carl Philipp Gottfried von Clausewitz (1780-1831 )
beachtet, denn Huntington sieht ja in den Zusammenstößen, Reibungen,
Konflikten zwischen den großen Kulturkreisen auf der Basis unterschiedlicher
Religionen und divergierender Weltbilder die Hauptrolle künftiger Auseinandersetzungen.
(Hans-Ulrich Wehler, Konflikte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2003, S.
61).Kinderfeindlichkeit und Kinderlosigkeit:
Vgl. auch Unfruchtbarkeit und Zerfall ( ),
Problem der Weißen Völker ( ),
sowie Konsumterror und Kinderfeindlichkeit ( )
und Schwund der Bevölkerung ( ).
Der Bevölkerungsrückgang wird durch die heutige Politik der Zuwanderung
noch verstärkt! Unsere heutigen Politiker betreiben mit ihrer völlig
wahnsinnigen Bevölkerungspolitik ( )
keine Politik der Ein- oder Zuwanderung, wie sie immer noch glauben, sondern eine
Politik der Aus- und Abwanderung. Hierzu gehört selbstredend auch ihre Politik
der Aus- und Abtreibung.       Gunnar
Heinsohn beispielsweise am 13.11.2005 im Philosophischen Quartett ( ):
Dieses Problem lösen wir nicht durch Erhöhung des Rentenalters,
und wir lösen es nicht durch unqualifizierte Einwanderer, wir lösen
es wahrscheinlich auch nicht durch qualifizierte Einwanderer, weil die knapp sind.
Und wenn es welche gibt, dann gehen die in die angloamerikanische Welt von Alaska
bis Neusseeland. Die suchen jedes Jahr 1,5 Millionen; aber die suchen natürlich
nicht Unqualifizierte, sondern ... »foreign talent« oder »skilled
immigration« (also: Qualifizierte! HB).
Das heißt, man sagt: Sie müssen was können, und sie kriegen keine
Sozialhilfe! Das ist eine ganz andere Zugangslösung für das Problem;
denn dasselbe Problem haben die auch; die haben auch fallende Geburtenraten und
können sich aus dem Bestand nicht ersetzen. Unsere Probleme sind also
viel größer, so Heinsohn, als wir uns das bisher deutlich gemacht haben.
Von den nach Deutschland geholten Ausländern, betont Heinsohn, sind über
95% ohne Qualifikation! Die meisten von ihnen wollen das auch gar nicht ändern,
und unsere Schulen können das nicht ändern. Im Gegenteil, sowie
der Migrantenanteil bei 20% liegt, rutscht das Leistungsniveau ALLER
Kinder in diesen Klassen ab .... ( ).
Unsere Politiker haben ihre kinder-, familien-, volks-, demokratie- und verfassungsfeindliche
diktatorisch - weil gegen den Willen der riesigen Mehrheit des Volkes, gegen unsere
Verfassung (unser Grundgesetz) - durchgesetzt und das obendrein mit ihrer Negativ-Bevölkerungspolitik
auch noch bewiesen (zynischer geht's wirklich nicht): Die Zuwanderer bringen uns
nur noch mehr Probleme!     Diese
Zuwanderung (Nichtqualifizierter), die bei uns schon seit den 1960er Jahren andauert,
wirkt sich auf unsere Kultur, auf unsere Wirtschaft, auf unsere Technik und Wissenschaft,
Bildung, Ausbildung sowie alle anderen Qualitäten, Fähigkeiten und Errungenschaften
negativ aus, und zwar beschleunigt zunehmend. Insgesamt hat die Zuwanderung
... mehr den Zuwanderern als den Deutschen genutzt. (Meinhard Miegel, Die
deformierte Gesellschaft, 2002, S. 42 ).
Und es weiß doch fast jeder: Diese Zuwanderung bedeutet mehr Kriminalität
( ),
meht Konflikte, mehr Kriege, weil die meisten Zuwanderer unqualifiziert sind,
sich minderwertig fühlen, sich isolieren, sich ghettoisieren, eine Parallelgesellschaft
bilden, eine Integration nicht wollen, also auch für das Zusammenleben unqualifiziert
sind; diese Zuwanderung führt zur Abwanderung (natürlich der
Qualifizierten, also: der Deutschen ),
denn diese Zuwanderung senkt unsere Konkurrenzfähigkeit, weil die
Zuwanderer unqualifiziert sind; diese Zuwanderung senkt unser Volkseinkommen,
weil die Zuwanderer unqualifiziert sind; diese Zuwanderung senkt unser
Pro-Kopf-Einkommen, weil die Zuwanderer unqualifiziert sind und so die Zahl der
Sozialfälle, Kranken, Arbeitslosen und deshalb die Steuerzahlungen und alle
sonstigen Abgaben erhöhen - mittelfristig wirken sie auch negativ auf die
Rente, weil die meisten von ihnen zum Zeitpunkt ihrer Zuwanderung schon alt, also
bald Rentner sind (außerdem hat deren Nachwuchs auch immer weniger Nachwuchs).
Wir dürfen nicht vergessen, daß den meisten Menschen das Pro-Kopf-Einkommen
erstrebenswerter ist als das Volkseinkommen. ( ).
Ein Beispiel: Indiens Volkseinkommen ist höher als das der Schweiz, aber
Indiens Pro-Kopf-Einkommen ist niedriger als das der Schweiz. Also ist für
die Menschen ein hohes Pro-Kopf-Einkommen erstrebenswerter als ein hohes Volkseinkommen.
Wäre es anders, dann wäre beispeilsweise Indien ein Zielland für
Zuwanderer aus der Schweiz und nicht umgekehrt. (Herwig Birg, Bevölkerungsentwicklung,
in: Informationen zur politischen Bildung, 1. Quartal 2004,
S. 45 ).
Auch hier ist wieder deutlich geworden (wie schon oft gesagt): die Zuwanderung
bringt uns nur noch mehr Probleme! Also: Stoppt die Zuwanderung!
Sofort!     Über
70% der jährlich in Deutschland registrierten Straftaten begehen Ausländer.
Die deutsche Regierung aber dolmetscht die Statistik ins Xenophile:
sie bezieht die Anzahl deutscher Straftäter auf die Anzahl ausländischer
Straftäter aus einem Staat (0,7%!) - dabei sind es 100 Staaten (70%)! (Quelle:
Bundes-Innenministerium und Westfalenblatt, 22.03.2001). Die deutsche Regierung
reduziert 70% ausländische Straftaten auf durchschnittliche 0,7%! (Zauber
!). Besonders bezaubernd wirkt diese Magie, wenn sie die Zahlen der Öffentlichkeit
präsentiert, denn dann geht es bekanntlich nur noch um die Interpretationen.
Die deutsche Bundesregierung frisiert die Statistik, indem sie zunächst
eine referentielle Korrektur vornimmt, die sie dann als semantische
Korrektur rechtfertigen kann. So werden die deutschen Straftäter, die
tatsächlich nur 30% ausmachen, auf idealistische 99,3% erhöht,
um die ausländischen Straftäter, die tatsächlich 70% ausmachen,
auf das Ideal von 0,7% bringen zu können. Das ist nur scheinbar
eine harmlose Mogelei. Xenophile Angeberei mit einer riesigen Portion Zynismus
ist es schon eher, in Wirklichkeit aber ist es Xenokratie ( ).Die
Zuwanderung bringt uns nur Negatives! In jeder Hinsicht! Und Politikern und Lobbyisten
muß man immer wieder deutlich sagen: auch volkswirtschaftlich:: Die Zuwanderer
sind teurer als Überalterung und Kindererziehung zusammen ! Denn fast alle
Zuwanderer sind unqualifiziert (über 95%, bald sogar über 99%) und müssen
erst ausgebildet und integriert werden (und das übrigens
auch noch: immer häufiger ohne Erfolg, immer mehr gegen ihren Willen; HB),
um in einer modernen Volkswirtschaft produktiv eingesetzt und der ihnen zugedachten
Aufgabe gerecht werden zu können. Wenn aber die Zuwanderer mit erheblichen
Aufwand zunächst qualifiziert werden müssen, können die Bevölkerungen
Europas ebenso gut ihre eigenen Kinder großziehen. Das ist einfacher und
weniger aufwendig. Der Zweck ihres derzeitigen Zeugungsverhaltens, die Verminderung
der Kinderlast, wird so ad absurdum geführt. Sie müssen für
Zuwander leisten, was sie für die eigenen Kinder nicht zu leisten bereit
waren. Was sie nicht individuell erbringen wollten, müssen sie kollektiv
erbringen. Ob das die Bürde leichter macht, ist zweifelhaft. Nicht auszuschließen
ist auch, daß dieser »Kinderersatz« zum Ziel von Aversionen,
vielleicht sogar von Aggressionen wird. (Meinhard Miegel, Die deformierte
Gesellschaft, 2002, S. 50 ).
Meinhard Miegel gilt übrigens als einer der profiliertesten Sozialforscher
Europas und ist Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG)
in Bonn.     Gunnar
Heinsohn, Warum werden sie zu Kriegern? Männerüberschuß
als Kriegspotential ( )
- Vortrag vom 10.02.2003 in Hannover. Der Begriff Youth Bulge ( )
wurde von Gunnar Heinsohn in die Diskussion über die Ursachen des Terrorismus
eingebracht. In den islamischen und schwarzafrikanischen Staaten leben ungefähr
2 Mrd. Menschen, davon sind etwa 20-30% 15-24-Jährige und etwa 40-50% Unter-15-Jährige
( ).
Die Unter-15-Jährigen zählen hier zum Children Bulge ( ),
und die 15-24-Jährigen zum Youth Bulge. Mindestens ein Drittel
von ihnen haben keine Zukunftsperspektive im Sinne einer sozialen Position, die
Ansehen, Einfluß, Würde bzw. Macht bedeutet; sie leiden nicht an Armut
oder Arbeitslosigkeit (diese beiden Phänomene ergänzen das Problem jedoch),
sondern an Überflüssigsein und Perspektivlosigkeit. Dieser Youth
Bulge ist nach Einschätzung Heinsohns die Hauptursache für die
Eskalation des Terrors, da der Jugendüberschuß ein unerschöpfliches
Reservoir für die Rekrutierung von Terroristen darstellt, das wegen der Bevölkerungsentwicklung
ständig wächst (und wann dieses Wachstum enden wird, ist noch nicht
genau bekannt). Wiederholt sich ein Youth Bulge - statt ein einmaliger Babyboom
zu bleiben - über zwei oder mehrere Generationen, kumulieren sich seine Effekte.
Das quantitativ beeindruckendste Beispiel liefern die islamisch geprägten
Länder, die in nur fünf Generationen (1900-2000) von 150 auf 1200 Millionen
Menschen zugenommen haben und immer noch - neben einigen schwarzafrikanischen
Nationen - das Siegesbanner der Fortpflanzung vorantragen. Zum Vergleich: die
gesamte Menschheit hat sich in der doppelt so langen Zeit von 1800 bis 2000 »nur«
versechsfacht (von einer auf sechs Milliarden ).
... Es spricht wenig dafür, daß die nicht unterzubringenden Heißsporne
von heute auf Großtaten verzichten werden .... (Gunnar Heinsohn, ebd.).
Demographie erklärt nicht alles, aber ohne Demographie ist alles nicht erklärt.
Gunnar Heinsohn, Söhne
und Weltmacht - Terror im Aufstieg und Fall der Nationen, 2003, S. 160. Heinsohn
sieht keine rosige Zukunft Europas: Denn selbst bei einer extrem liberalen
Öffnung der Grenzen können Einwanderer eines nicht sonderlich gut -
nämlich viele begabte junge Leute bereitstellen, die von klein auf
in einer hochtechnologischen Gesellschaft heranwachsen, souverän mit ihr
umgehen lernen und dann die kritische Masse bilden, die sie ideenreich auf neue
Höhen führt. Diese Voraussetzung für ein Verbleiben Europas im
Spitzensegment der Weltwirtschaft kann ... mit direkt in der Wissensgesellschaft
aufgewachsenem eigenen Nachwuchs leichter erreicht werden als mit wie auch immer
motivierten Zuzüglern aus Afrika und der muslimischen Welt. Selbst Kinder
aus zugewanderten Familien, die ihre gesamte Schulausbildung in Deutschland
erhalten, scheinen keine Garantie für das Halten eines hohen Niveaus zu geben.
Im Gegenteil, sowie der Migrantenanteil bei 20 Prozent liegt, rutscht das Leistungsniveau
aller Kinder in diesen Klassen ab ... (vgl. dazu auch: Joachim Peter, Ausländerkinder
senken Lern-Niveau erheblich, in: Die Welt, 04.03.2003 ).
(Ebd. ).Der
seit Oswald Spenglers Buch von 1917 immer wieder prophezeite Untergang des Abendlandes
( )
rückt näher ... (Gunnar Heinsohn, 2005; siehe: http://www.zeit.de/feuilleton/kursbuch_162/1_heinsohn ).
Zu diesem Ergebnis kommen auch Meinhard Miegel ( ),
Theodor Schmidt-Kaler ( ),
Herwig Birg ( ),
Peter Marschalck ( )
oder Wolfgang Kölmman ( ),
um nur wenige Beispiele zu nennen.EU-Kandidaten
für 2004: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn,
Slowenien, Malta, Zypern (doch beitreten konnte dann nur der griechische Teil
Zyperns). Trotz der riesigen Probleme dieser Kandidaten ließ die EU deren
Beitritt am 01.05.2004 zu.   Lee
Kuan Yew aus Singapur hält vom westlichen Liberalismus gar nichts und setzt
an dessen Stelle den Konfuzianismus. Lee Kuan Yew sieht im Konfuzianismus den
Erfolg Singapurs und predigt der restlichen Welt konfuzianische Werte.  Was
die in ihrer Entwicklung fortgeschrittensten Länder wie Deutschland
und die anderen westeuropäischen Länder betrifft, läßt sich
wohl schon sagen, daß sich die demographischen Voraussetzungen ökonomischer
Erfolge nicht von selbst erfüllen, wie bisher immer stillschweigend vorausgesetzt
wurde. .... Bevölkerungsvorausberechnungen sind wesentlich zuverlässiger
als Wirtschaftsprognosen. ( )
... Alle drei Hauptprozesse der demographischen Entwicklung - die Fertilität,
die Mortalität und die Migration - sind erfahrungsgemäß außerordentlich
schwer politisch zu steuern oder auch zu kontrollieren. Man tut deshalb gut daran,
das prognostische Potential demographischer Projektions- und Simulationsmodelle
zu nutzen, um sich so ein realistisches Bild von der durch die Altersstruktur
und durch die Verhaltenstrends (generatives Verhalten, Lebenserwartung, Wanderungsverhalten)
weitgehend vorprogrammierten Entwicklung zu bilden. Für jedes der über
200 Länder der Welt werden von der Bevölkerungsabteilung der UN je drei
Projektionsrechnungen durchgeführt (untere, mittlere, obere Variante). Hinzu
kommt eine Simulationsrechnung, die auf der (bewußt fiktiven) Annahme beruht,
daß die Fertilität bis zum Jahre 2050 unverändert bleibt (Quelle:
UN ).
Der Sinn dieses »constant fertility scenarios« ist, zu zeigen, daß
etwas geschehen muß, damit die errechneten Szenarios nicht eintreten.
Das »constant fertility scenario« ergibt für Westeuropa
von 2000 bis 2050 eine Bevölkerungsschrumpfung von ... auf ... Mio. und für
die Entwicklungsländer einen Bevölkerungszuwachs von 4,9 Mrd. auf 11,6
Mrd.. In Deutschland ... schrumpft die Bevölkerung seit 1971/'72, was nur
deshalb nicht auffällt, weil das Geburtendefizit bisher durch Einwanderungen
mehr als ausgeglichen wurde. Deutschland hat ein Mehrfaches an Einwanderungen
als die klassischen Einwanderungsländer USA, Kanada und Australien. Die jährliche
Zahl der Einwanderungen pro 100 000 Einwohner betrug z.B. in den 80er Jahren (also
bereits vor dem Zusammenbruch des Ostblocks) in die USA 245, nach Kanada 479 und
nach Australien 694; nach Deutschland kamen 1022 auf 100 000 Einwohner. Nach dem
Zuwanderungammenbruch des Ostblocks stieg die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland
sogar auf 1566 pro 100 000 Einwohner. ( )
... So erstaunlich diese (in der Fachwelt wenig umstrittene) Entwicklung ist -
mindestens ebenso viel Erstaunen erregt die Art, wie die politische Öffentlichkeit
mit diesen Informationen umgeht. Am 15.01.1996 wurden die demographischen Fakten
und Prognosen anläßlich einer Anhörung des Deutschen Bundestages
vor der Enquete-Kommission »Demographischer Wandel« durch Experten
vorgetragen und erläutert. Zwei Tage später fand eine andere Sitzung
aus Anlaß der Telefongebührenänderung statt. Über die zweite
Sitzung wurde in den Medien berichtet. Über die verschiedenen Sitzungen der
Enquete-Kommission »Demographischer Wandel«, die schon seit Dezember
1992 tätig ist und deren Arbeit auf Beschluß des Bundestages seit 01.06.1995
fortgesetzt wird, erfuhr die Öffentlichkeit sehr wenig. (Vgl.
den entsetzlichen Text im Argumentationspapier des Friedenskomitees 2000,
4 / 1995 ).
... Durch das Treibenlassen seiner demographischen Probleme gefährdet sich
Deutschland im 21. Jahrhundert auf eine ähnlich existenzbedrohende Weise
wie durch die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert. (Herwig Birg, Die
Weltbevölkerung - Dynamik und Gefahren, 1996, S. 80-82, 112-114). Diese
Gefährdung im 21. Jahrhundert ist leider sogar viel existenzbedrohender,
bösartiger und irreversibler als die im 20. Jahrhundert.Die
Textstelle bei Herwig Birg, Die ausgefallene Generation, 2005, S. 147 ( )
ist hier um die Textstelle bei Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende,
2001, S. 64, 86 ( )
ergänzt. Birg warnt: Zuwanderung bringt keine Lösung, sondern noch mehr
unlösbare Probleme. Die Konsequenz dieser Zuwanderungspolitik ist, daß
wegen der zugewanderten Minderqualität der Standort und danach die gesamte
Wirtschaft verödet. Kurze Formel: Zuwanderung steigt, Bildungsniveau sinkt,
Verschuldung steigt, Standort-Attraktivität sinkt, Abwanderung steigt, Wirtschaft
sinkt - bis hin zur Verödung ( )
! Weil junge gebildete Menschen knapp sind und mittlerweile überall gesucht
werden (sehr nachgefragt sind), ist auch eine gesteuerte qualitative Zuwanderungspolitik
keine Lösung, jedenfalls ist die quantitative Zuwanderungspolitik ein riesiges
Problem, bedeutet eine ins eigene Land geholte Kolonialisierung und damit die
selbstverschuldete Besiegelung des eigenen Niedergangs, verstößt gegen
alle westlichen Rechtsverfassungen und ist deshalb ein Verbrechen. Es gibt auch
für Selbsthaß oder Selbstmord keine mildernden Umstände, Entschuldigungen
oder gar Freisprüche. Der erste Weg zur Besserung: Massenhafte Zuwanderung
muß gestoppt werden!  Zur
Bestandserhaltung reichen 2 bis 2,2 Geburten pro Frau, also durchschnittlich 2,1
Geburten pro Frau. Warum liegt sie nicht bei 2 Geburten pro Frau? Bestandserhaltende
Geburtenrate heißt, daß die Bevölkerungszahl weder wächst
noch schrumpft: sie liegt um so mehr über 2 Geburten pro Frau, je höher
die Sterblichkeit des betrachteten Landes ist; für diese Abweichung
über 2 Geburten hinaus ist nicht nur das Niveau der Sterblichkeit wichtig,
sondern auch die Sexualproportion der Geborenen (das Verhältnis aus der Zahl
der Jungen zu der Zahl der Mädchen). Die natürliche Sexualproportion
beträgt 106 Jungen zu 100 Mädchen. .... Die bestandserhaltende Geburtenrate
beträgt auch deshalb mehr als 2 Kinder je Frau, weil die Reproduktion der
Bevölkerung entscheidend von der Zahl der nachwachsenden Mädchen abhängt,
nicht von der Geburtenzahl insgesamt. (Herwig Birg, 2005, S. 26-27 ).
2003 hatte die EU wie Deutschland 1,4 Geburten pro Frau (vgl. Tabelle ):
damit liegen beide ein Drittel unter dem Niveau, das für die langfristige
Konstanz der Bevölkerung ohne Wanderungen erforderlich wäre (= 2,1 Lebendgeborene
je Frau = «Bestandserhaltungsniveau»). (Herwig Birg, 2001, S.
25 ).
2003 betrug im Durchschnitt Europas zum Zeitpunkt der Geburt die Lebenserwartung
der Männer 69,2 Jahre (im Durchschnitt Deutschlands: 75,5 Jahre) und die
der Frauen 77,4 Jahre (im Durchschnitt Deutschlands: 81,4 Jahre). Im HDI-Rang
(Human Development Index [ ]:
3 Größen: Lebenserwartung, Alphabetisierung, Pro-Kopf-Einkommen) liegt
Deutschland ganz weit vorn. Das demographisch-ökonomische Paradoxon
( ):
je höher der HDI, desto niedriger tendenziell die Zahl der Lebendgeborenen
pro Frau. (Herwig Birg, 2001, S. 24 ).
Die 7 größten Industrieländer - die G7-Länder (in dieser
Rangfolge: USA, Deutschland, Japan, Großbritannien, Frankreich, Kanada,
Italien [   ])
- hatten 2007 einen Anteil von rund 58% am Welt-BIP ( ),
und es wird befürchtet, daß sich ihr Gewicht in Zukunft aus demographischen
Gründen verringern wird. Diese Furcht besteht zu Recht. (Herwig Birg,
2001, S. 15 ).Vgl.
hierzu auch: Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende - Der Bevölkerungsrückgang
in Deutschland und Europa, 2001, S. 183 und ff.. Die Bedeutung dieses Themas
steigt übrigens in demselben Maße, wie es von den Herrschenden zum
Tabu gemacht wird. Für das Nichts-Tun und das Nicht-Wissen-Wollen gibt
es viele Gründe, so daß ich als Autor eine Beweislast spüre, darlegen
zu müssen, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Der wichtigste Beweggrund
ist die Aussicht, daß der demographische Niedergang Deutschlands und Europas
rückblickend einmal als ein Vorzeichen für den Abschied unseres Landes
(und unseres Europas!) aus seiner zweitausendjährigen
Geschichte gedeutet werden könnte, ohne daß diese Gefahr den heutigen
Zeitgenossen (und vor allem: Zeitgenossinnen!) bewußt
war. (Herwig Birg, ebd., S. 14). Also: Niemand soll hinterher sagen
können, davon nichts gewußt zu haben!Herwig
Birg, Die ausgefallene Generation - Was die Demographie über unsere Zukunft
sagt, 2005. Für Herwig Birg ist klar: Die demographischen Entwicklungsbedingungen
eines Landes werden zu einem wichtigen internationalen Standortfaktor. In Ländern
wie Deutschland, das die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung je zur Hälfte
aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert, erhöhen
die demographisch bedingt steigenden Kosten für das soziale Sicherungssystem
die Produktionskosten und die Produktpreise auf den internationalen Gütermärkten.
Die Folgen sind sichtbar: Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert, Auslandsinvestitionen
in Deutschland sind nur noch in wenigen Branchen lohnend. Der Wirtschaftsstandort
Deutschland hat wegen seiner niedrigen Geburtenrate ungünstige Zukunftsaussichten.
Hinzu kommt der zunehmende Mangel an jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräften.
(Ebd., S. 134). Bei einem Anteil der Kinderlosen von einem Drittel
bei den Jahrgängen ab 1965 erodieren nicht nur die sozialen Sicherungssysteme,
sondern es entsteht zugleich auch ein neuer Typ von sozialer Ungerechtigkeit -
«die Transferausbeutung der Familien» (Jürgen Borchert). Die
verfassungswidrige Bevorzugung von Menschen ohne Nachkommen in der Renten-, Kranken-
und Pflegeversicherung verletzt den obersten Grundsatz unserer demokratischen
Verfassung, das Gleichheitsprinzip (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.
2001). .... Die Versorgungslücken des staatlichen sozialen Sicherungssystems
erweitem sich; sie sollen durch private Ersparnis und Kapitalexport in Niedriglohnländer
wie China geschlossen werden. Da auch die Geburtenraten der Entwicklungsländer
stark abnahmen und weiter zurückgehen, ist die demographische Alterung ein
weltweites Phänomen. Der demographisch bedingte Lastenanstieg läßt
sich durch Kapitalexport international nur anders verteilen, aber nicht aus der
Welt schaffen, denn die Weltbevölkerung altert als Ganzes. In China wird
der Altenquotient ab den 2030er Jahren sogar höher sein als in den USA. Wie
sollen dann die mittleren Generationen in China durch ihre wirtschaftlichen Leistungen
die älteren Generationen in den Industrieländern - die Eigentümer
der in China investierten Kapitalgüter- mitversorgen, wenn in China selbst
bis dahin Hunderte von Millionen ältere Menschen hinzugekommen sein werden,
für die es in China keine ausreichende Alterssicherung gibt? Dann müßte
Kapital aus China in die Industrieländer exportiert werden, statt umgekehrt.
.... Wie hätte man sich den Weg zurück zu einer höheren Geburtenrate
in Deutschland vorzustellen, falls er wirklich den Durchgang durch Phasen der
sozialen Unsicherheit und der gesellschaftlichen Instabilität voraussetzen
würde, die die Jüngeren in diesem Land nie erlebt haben und die sie
sich wahrscheinlich nicht einmal vorzustellen vermögen? Deutschland
ist im 20. Jahrhundert durch zwei Weltkriege und zwei Diktaturen gegangen. Den
davon betroffenen älteren Generationen könnte man die Bewältigung
der demographischen Krise im 21. Jahrhundert durchaus zutrauen, aber gilt das
auch für ihre Nachkommen in der «Spaßgesellschaft»?
Die westeuropäischen Länder haben in den letzten 50 Jahren in ihrer
wirtschaftlichen Entwicklung gewaltige Fortschritte erzielt. War es unvermeidlich,
daß dieser Erfolg mit einem Verlust ihrer demographischen Stabilität
und eines großen Teils ihres Humanvermögens bezahlt wurde? Es
ist in Deutschland üblich geworden, eine Gesellschaft mit einem wirtschaftlichen
Großbetrieb, einer Aktiengesellschaft, zu vergleichen, wie dies etwa der
frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt tat, der sich gerne als «Aufsichtsratsvorsitzenden
der Aktiengesellschaft Bundesrepublik Deutschland» bezeichnete. Die tiefere
Wahrheit dieses Vergleichs wird nun allmählich deutlich: Es kommt darauf
an, den drohenden, demographisch bedingten Konkurs der Deutschland AG abzuwenden.
Diese Art von Herausforderung ist für eine erfolgsgewohnte Volkswirtschaft
neu: Nach Carl von Clausewitz ist der geordnete Rückzug bei einer militärischen
Niederlage eine viel schwierigere Operation als ein Erfolg durch das Erringen
eines Sieges. ( ).
Läßt sich die mangelnde demographische Stabilität eines Landes
durch ökonomische Stärke - durch Produktivitätszuwächse im
Inland oder durch Kapitalexport in wachstumsstarke Niedriglohnländer überhaupt
dauerhaft substituieren? Diese Frage ist von größter Bedeutung,
denn eine schnelle Rückkehr zu einer demographisch stabilen Situation ist
unmöglich. Durch den Kapitalexport aus den Industrieländern in Niedriglohnländer
profitieren in der Regel beide Ländergruppen. Da jedoch beide Ländergruppen
und die Welt als Ganzes altern, entsteht durch den Kapitalexport sowohl ein geographisches
Verteilungsproblem in Bezug auf die internationale Verteilung der Kapitaleinkommen
als auch ein soziales Verteilungsproblem in Bezug auf die sozialen Gruppen als
Empfänger der Renditen und als Eigentümer des Kapitals. Bei diesem Prozeß
wird es Gewinner und Verlierer geben, auch wenn es sich nicht um ein Nullsummenspiel
handelt und beide Ländergruppen Vorteile daraus ziehen. Dabei zeichnet sich
für Deutschland ein neuer internationaler Konflikt ab. Da das deutsche Sozialversicherungssystem
umlagefinanziert ist, während beispielsweise das britische und amerikanische
auf Kapitaldeckung beruht, konnten sich in Deutschland keine international konkurrenzfähigen
Kapitalfonds und keine international bedeutsamen Banken entwickeln. Die ausländischen
Alterssicherungsfonds sind zum Erfolg verurteilt, denn die Existenz der ausländischen
Anteilseigner im Ruhestand hängt davon ab, daß die gewaltigen Fondsvermögen
international renditeträchtig angelegt werden. Die interessantesten deutschen
Unternehmen werden von ausländischen Fonds übernommen, ohne daß
Deutschland bei den Übernahmeschlachten als gleichwertiger Gegner auftreten
kann: «Die deutschen Unternehmen werden zunehmend zu Institutionen zur Finanzierung
der Altersvorsorge, angefangen bei der Rente der kalifornischen Lehrer und der
Feuerwehrleute in Wisconsin bis hin zur Rente der Bergarbeiter von Mittelengland.»
(Uwe H. Schneider, Sonderrecht für institutionelle
Anleger? In: Börsenzeitung, 15.06.2005). Da Deutschland
über keine nennenswerte kapitalstockfinanzierte Altersvorsorge und keine
entsprechende Finanzmacht verfügt, kommen die Dividenden seiner Unternehmen
und die Zinsen seiner Staatsanleihen, die von den nachrückenden Generationen
erwirtschaftet werden müssen, ausländischen Pensionären zugute.
Die Demographie ist wie ein siamesischer Zwilling mit der Wirtschaft verwachsen:
Geht es dem einen schlecht, leidet auch der andere. (Ebd., S. 140-143).
Weitere Zitate: S. 7, 9, 11-12 ( ),
84-85 ( ),
112-116 ( ),
120-122 ( ),
145-150 ( ).
Vgl. auch Birgs Gegenüberstellung: Süßmilch versus Malthus ( ).
Herwig Birg, Strategische Optionen der
Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa, in: Christian Leipert,
Demographie und Wohlstand, 2003, S. 27-56; hier: S. 51 bzw. 51-53.  Hans-Werner
Sinn, Das demographische Defizit, in: Christian Leipert, Demographie
und Wohlstand, 2003, S. 57-88; hier: S. 79-82.  Steffen
Kröhnert, Nienke van Olst und Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für
Bevölkerung und Entwicklung: Emanzipation oder Kindergeld? -
Wie sich die unterschiedlichen Kinderzahlen in Ländern Europas erklären
(2004). Man will ja schließlich immer alles ERKLÄREN. Und
zu welchem Fazit kommen diese vom Staat kräftig subventionierten
Berufsemanzen? Die wichtigsten Maßnahmnen auf dem Weg zu höheren
Kinderzahlen seien 1.) die Gleichbehandlung der Geschlechter auf dem
Arbeitsmarkt, 2.) die Abschaffung von finanziellen Privilegien für
die Institution Ehe, solange sie die Abhängigkeit der Partner voneinander
fördern, 3.) die Sicherstellung einer Kinderbetreung bereits
ab dem ersten Lebensjahr. (Ebd.).  Literatur
hierzu z.B. von: Paul E. Gottfried, Multikulturalismus und die Politik der
Schuld (2004); Arne Hoffmann, Warum Hohmann geht und Friedman bleibt
- Antisemitismusdebatten in Deutschland von Möllemann bis Walser (2005);
Norman G. Finkelstein, Die Holocaust-Industrie (2000).Moralisierung
der Politik ist ein strategisches Mittel zur Gewinnung von Intellektuellenmacht.
Wer darin nur einen sympathischen, menschenfreundlichen Gestus sehen will, verkennt
die Gefahr, die von der Ausdehnung morlaischer Herrschaftsansprüche ausgeht.
Die Blockade von dringend gebotenen Problemlösungen wird zum »Erfolgserlebnis«,
reizt zu Wiederholung und verschafft Zulauf. Der brillante, aus Wien stammende
Soziologe Peter Berger erkennt in Moral eine Billiginvestition für die Ausübung
von Macht, die gerne Gruppen vornehmen, welche den Gesellschaftserfordernissen
wie Produktion, Gewerbe und Markt fernstehen. (Vgl. Peter
Berger, Moralisches Urteil und politische Aktion, 1989). Funktioniert
die Ausdehnung von Macht qua Moral allzugut, findet sich immer mehr Inkompetenz
in den oberen Rängen. Da Moral im spätindustriellen Wohlfahrtsstaat
sich weniger in Taten als in Sprachspielen, »Diskursen«, im Zeigen
von Gesinnung äußert, kann sie noch einen weiteren Grund für Systemverfall
liefern: den »Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft«. (Vgl.
Hermann Lübbe, Politischer Moralismus - Triumph der Gesinnung über
die Urteilskraft, 1987). Ausgeprägt findet man diese Tendenz schon
im Automatismus und den zur Gedankenlosigkeit geronnenen Stehsätzen, mit
denen auf das üble Exempel des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen
verwiesen wird - für tagespolitische Zwecke der Gegenwart. Dies erklärt,
warum die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mit zeitlichem Abstand
von ihm zunimmt. Die These, daß sich eine jüngere Generation, die eben
keinerlei Verdrängung mehr nötig habe, dem Thema unbefangen und offen
widmen könne, ist keine hinlängliche Erklärung. Vielmehr sind es
Gesinnungskonkurrenz und Machtmechanismen im neuzeitlichen medialen Kulturbetrieb,
die die schärfsten Geschütze nicht mehr in der Schublade halten können
und aus der Vergangenheitsbewältigung eine intellektuelle Industrie gemacht
haben (z.B.Holocaust-Industrie, Holocaust-Ausbeutung,
Nazi-Ausbeutung, Nazi-Keule, Auschwitz-Keule u.ä.). Die Einwanderungsfrage
wurde klarerweise zum Eldorado des apolitischen Moralismus. Er versucht mit betonter
Weltfremdheit der Welt beizukommen, analog der Schelskyschen These geht sein Einfluß
weit über seine Grenzen. ( ).
Denn auch die satte Parteiendemokratie hat immer noch nicht begriffen, daß
ein Wanderungsdruck aus Richtung Osteuropa und der dritten Welt, ja eine neue
Völkerwanderung von der »armen« in die »reiche Welt«
längst eingesetzt haben. In solcher Lage ein Individualrecht auf Asyl beibehalten
zu wollen, ist eine Absurdität. Die Drohgebärden gegenüber denen,
die einer Rechtsänderung zuzustimmen gedenken, sind ein Amalgam aus bequemer
Vergangenheitsbewältigung und Weltanschauung, die sich über den realen
Zustand der gegenwärtigen Welt erhaben dünkt. (Josef Schmid, Multikultur
- Zur Idee und Kritik eines Gedankenexperiments, in: Andreas Mölzer &
Rudolf Eder, Einwanderungsland Europa?, 1993, S. 50-51).Schelsky
sieht die moderne Priesterschaft heraufkommen, wenn die Blockade-Moral einer Minderheit
über Verstärkereffekte durch Medien eine eingeschüchterte schweigende
Mehrheit produziert. Hier tut sich ein schroffer Gegensatz zu dem auf, was von
Neomarxismus und kritischer Theorie aus Frankfurt noch übriggeblieben ist.
Diese hält es nämlich für ihre Aufgabe, die »Entmoralisierung
der politischen Diskurse zu verhindern«. (Vgl. Jürgen Habermas, in: FAZ, 01.03.1993. Habermas ist als Ober-Scheinmoralist auch Herrscher
über das angeblich herrschaftsfreie, also in Wahrheit nicht-herrschaftsfreie
Gespräch. Unfrei wie nie zuvor.). In einem bemerkenswerten Stück
Ideologiekritik wendet der Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann ein, daß
diese Haltung gegenüber Gegenwartsproblemen nur dann eingenommen werden könne,
wenn man wisse, was »das Gute« ist. (Vgl. Niklas
Luhmann, Paradigm Lost: Über die ethische Reflexion der Moral, 1990).
Auch ... Verhängnis und Daseinsverfehlung zur Mitte des 20. Jahrhunderts
hin könnten nicht weise für immer machen, sondern auch nur klug für
ein andermal. Der triumphierende Karl Popper warnte auch davor, mit totalitären
Gedankengebärden aus dem politischen Totalitarismus herausfinden zu wollen:
nur die nächsten Wege seien politikabel, entscheidbar und somit menschlich.
(Josef Schmid, Multikultur - Zur Idee und Kritik eines Gedankenexperiments,
in: Andreas Mölzer & Rudolf Eder, Einwanderungsland Europa?,
1993, S. 49-50).Alter der Kultur
(Zivilisation) ist quantitativ UND qualitativ gemeint. Das
Alter wird auch gefühlt, auch gespürt
oder sonstwie wahrgenommen, das In-Form-Sein, im Sport
sagt man auch Fit-Sein oder Fitneß, ist nicht nur
abhängig vom zahlenmäßigen (z.B. Jahre nur zählenden)
Alter, sondern auch vom Fühlen u.s.w. ( ).
Deshalb ist auch die Behauptung Der Gipfel der Zivilisation ist zugleich
der Anfang ihres Endes (Robert Hepp, a.a.O., 1986, S. 203 )
zu relativieren oder so zu formulieren: Der Gipfel der Zivilisation ist zugleich
der Anfang ihres Endes, doch wie lange der Prozeß bis zum Ende dauert, hängt
auch ab von ihrem In-Form-Sein, von ihrem gefühlten Alter.
Unsere Kultur wird bald den Gipfel ihrer Zivilisation erreichen und
auch dann (objektiv!) noch nicht sehr alt sein, doch ob sie
sich selbst dann (subjektiv!) genau so oder eben anders
fühlen wird? Und wie werden die anderen Kulturen sie dann
wahrnehmen, spüren, fühlen?
So oder anders?Robert
Hepp, Der Aufstieg in die Dekadenz, in: Armin Mohler, Wirklichkeit als
Tabu, 1986.Der soziale Aufstieg
der Individuen ist der Aufstieg in die Dekadenz. In der
Hölle ist der Teufel eine positive Figur. Und im Himmel eine negative. Was
die Progressiven Fortschritt nennen, ist für ihre ideologischen
Gegner schlicht ein Versinken. Dies alles wurde als Fortschritt
empfunden, bemerkt der konservative Revolutionär Moeller van den Bruck
mit Bezug auf die liberalen Theorien ..., und es war wohl doch
Verfall. .... Der soziale Aufstieg, ein Gewinn für den Einzelnen, ist
demnach also gleichzeitig ein Verlust für die Nation (bzw.
die Gemeinschaft, Kultur), weil er zum Bevölkerungsrückgang führt.
.... Der Geburtenrückgang ist ... ein paradoxes Symptom. ....
Der Geburtenrückgang würde demnach kurzfristig und aus der Perspektive
des einzelnen Individuums ... als Vorteil, langfristig und vom Standpunkt des
Staates oder des Volkes als Nachteil erscheinen. (Robert Hepp, Der Aufstieg
in die Dekadenz, in: Armin Mohler, Wirklichkeit als Tabu, 1986, S.
199, 201, 202). Es
fehlt an Nachwuchssicherung ( )
und Anwälten der zukünftigen Generationen ( )
im Rahmen der Familien-, Kinder-, Generationen-, Bevölkerungspolitik. Leistungstragende
Familien, und zwar Eltern, ihre Kinder, Enkel, Urenkel u.s.w., die zukünftigen
Generationen brauchen einen Vertreter bzw. Anwalt, eine sie vertretende und ihre
Rechte verteidigende Gruppe, eine Lobby. Familien werden doppelt und dreifach
von Politik und Wirtschaft benachteiligt (zugunsten der ohnehin in jeder Hinsicht
bevorteilten Kinderlosen [vgl. z.B. den riesigen Unterschied bei den Einkommen ],
die obendrein ihre Altersrenten nur deshalb beziehen, weil es Familien, also Kinder
gibt), dabei sind die Familien die einzige Institution bzw. das einzige gesellschaftliche
Teilsystem ( )
zur Sicherung der Renten durch Nachwuchs, ja: nur die Familien können
die Zukunft der Gemeinschaft faktisch garantieren! Vgl. hierzu auch z.B. Franz-Xaver
Kaufmann, Zwischen »Bevölkerungspolitik« und »demographischem
Fatalismus« ( )
und Nachwuchssicherung als prioritäre Aufgabe des Sozialstaats
( ),
in: Ders., Schrumpfende Gesellschaft, 2006, S. 161-167 und 173-176 ).
Kaufmann vermutet auch: Auf andere Weise, als Karl Marx vermutet hat, könnte
der Kapitalismus an seinen Erfolgen zugrunde gehen, wenn ihm der Nachwuchs ausgeht.
Im Sinne der ökonomischen Theorie sind Kinder zu einem »öffentlichen
Gut« geworden, an dessen Produktion alle ein Interesse haben, die einzelnen
jedoch keine oder ungenügende Anreize erhalten, sich an der Produktion zu
beteiligen. (Ebd., S. 158 ).
Und zur Spannung zwischen den Interessen unterschiedlicher Generationen:
War in der Entstehungsphase des Sozialstaats und bis weit ins 20. Jahrhundert
hinein die Eingrenzung des Klassenkonflikts das Hintergrundthema aller sozialpolitischen
Auseinandersetzungen, so scheint dies im 21. Jahrhundert die Eingrenzung des Generationenkonflikts
zu werden. (Ebd., S. 201 ).
Jedenfalls ist sicher, daß Politik und Wirtschaft bei uns das Grundgesetz
mit Füßen treten ( ),
denn gerade auch die Ausbeutung der Familien, und dazu gehört ja die Bevorzugung
bzw. Bevorteilung der Kinderlosen gegenüber den Familien, ist verfassungswidrig
(   )
! Dazu zählen
z.B. Hyper-Modernisierung, Hyper-Säkularisierung,
Hyper-Verstädterung, Hyper-Bürokratisierung,
Hyper-Verbeamtung u.s.w., die alle als soziale Errungenschaften
oder als sozialer Fortschritt gepriesen werden, aber Errungenschaften
bzw. Fortschritt sind sie kaum, denn sie bedeuten Aufstieg in
die Dekadenz ( ):
Aus der Sicht der Dekadenztheorie ist die Zurückhaltung unserer Politiker
gegenüber pronatalistischen Programmen verständlich. Wenn alles, was
wir grosso modo unter dem Schlagwort vom sozialen Fortschritt
zusammengefaßt haben, zu der Bedingungskonstellation unseres
Geburtenrückgangs gehört, könnte man den schleichenden Volkstod
natürlich nur mit Eingriffen in die sozialen Errungenschaften
wirksam bekämpfen. Auf diese sind aber die Politiker der Bundesrepublik besonders
stolz, weil sie sie - nicht ganz zu Unrecht - für ihre eigentlichen Leistungen
halten. Natürlich sind sie nicht für jede soziale Errungenschaft
verantwortrlich zu machen, die sie sich gerne zurechnen möchten. Die Modernisierung
hat ihre Eigendynamik: die Säkularisierung der Religionen, die
Verstädterung und auch der wirtschaftliche Strukturwandel vollziehen
sich nach Gesetzen, die kein Parlament beschlossen hat. Die Politiker sind gewiß
nicht daran schuld, daß der Anteil der regelmäßigen Kirchenbesucher
bei den jungen Leuten unter 30 Jahren in einer Generation um 85% (Protestanten)
bzw. 76% (Katholiken) abnahm (Stand: 1980!). Trotz
der Gemeindereform sind sie auch nicht allein dafür verantwortlich
zu machen, daß der Anteil der mehr oder weniger verstädterten Bevölkerung
(gemessen an der Einwohnerchaft von Gemeinden über 5000 Einwohnern) seit
Gründung der Bundesrepublik (1949) um 28% zugenommen
hat (Stand: 1980!). Und trotz aller Arbeitsmarkt-
und Beschäftigungspolitik ist es nicht allein ihr Werk, wenn sich der
Anteil der Beamten und Angestellten an den Erwerbstätigen in diesem Zeitraum
mehr als verdoppelt hat (Stand: 1980!). Aber die
Regierungen der Bundesrepublik haben die Modernisierung mit ihrer
Gesellschaftspolitik doch direkt oder indirekt unterstützt. Aus
primär ideologischen Motiven haben sie die Emanzipation der Frau
und das soziale Aufstiegsstreben nach Kräften gefördert.
Mit der Legalisierung der Abtreibung (durch die Reform des §
218 in den Jahren 1974 und 1976), mit der absichtlichen Desinstitutionalisierung
von Ehe und Familie (durch die Reform des Ehescheidungsrechts, des elterlichen
Sorgerechts u.s.w.), mit der Bildungsreform, mit der Agrarpolitik
und mit dem Ausbau eines familienunabhängigen sozialen Netzes
- um nur ein paar Beispiele zu nennen - haben sie zweifellos einen Prozeß
, der ohnehin im Gang war, noch beschleunigt und verstärkt. Wenn
heute in der Bundesrepublik ein Viertel der Ungeborenen auf Krankenschein abgetrieben
werden kann (Stand: 1980!), wenn in deutschen Großstädten
auf zwei Eheschließungen eine Scheidung kommt (Stand:
1980!), wenn die Heiratsziffern der Twens seit 1972 um die Hälfte
gesunken sind (Stand: 1980!), während sich die
Zahl der unverheiratet zusammenlebenden jungen Paare seither versechsfacht hat
(Stand: 1980!), wenn der Anteil der Schülerinnen
an der weiblichen Bevölkerung von 15 bis 23 Jahren 1980 dreimal und die Zahl
der Studentinnen viermal größer war als 1960, wenn die Erwerbstätigen
in der Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren um 70% und die landwirtschaftlichen
Betriebe um 50% abnahmen (Stand: 1980!), wenn es
nach den geltenden Regelungen der Altersversorgung 51% der künftigen Versorgungsberechtigten
den übrigen 49% überlassen können, ihre Renten zu sichern (Stand:
1980!), dann ist das zweifellos auch ein Verdienst der bundesrepublikanischen
Gesellschaftspolitik. ( ).
Über den Einfluß dieser Politik auf das generativeVerhalten ... braucht
man grundsätzlich kein Wort zu verlieren. Die Bedeutung der Landwirtschaft
als Bevölkerungsreservoir läßt sich ebensowenig leugnen wie etwa
der kontrazeptive Effekt der Verstädterung, des Aufstiegs zum Angestellten,
der Bildungsexpansion oder eines familienunabhängen Systems der Altersversorge,
das die kinderlosen Doppelverdiener privilegiert. ( ).
Da sich die Errungenschaften des sozialen Fortschritts in der Sozialstruktur
niedergeschlagen haben und zu unverzichtbaren Besitzständen geronnen
sind und da ... der Wähler von diesen Errungenschaften profitiert,
könnte es kein Politiker riskieren, sie in Frage zu stellen. (Robert
Hepp, Der Aufstieg in die Dekadenz, in: Armin Mohler, Wirklichkeit als
Tabu, 1986, S. 205-206).   Individuelle
Selbstverwirklichung betrifft Frauen, ja, aber auch Männer. Der Individualismus
ist schon vom Ansatz her falsch, denn der Mensch ist eher ein Dividuum als ein
Individuum und kann zwar kurzfristig in Einsamkeit leben (Mönche, Singles
u.ä), doch ohne Mitmenschen sind seine Tage gezählt. ( ).
Selbstverwirklichung ist Täuschung bzw. Enttäuschung, Entwirklichung.
Das schwere Problem, das Singles sich immer mehr in Selbstüberschätzung
aufbürden, nehmen sie anfangs gar nicht als schweres Problem wahr, sondern
als leichtes Schweben. Dieser Schwebezustand dauert jedoch umso länger je
mehr Singles es gibt. Heute werden junge Erwachsene im sozialen Sinne später
reif als in der Vergangenheit, und das hat Konsequenzen auch für Singles:
weil sie sich ohnehin schon spät zum Single-Dasein entschieden haben, brauchen
sie nun noch einmal viel Zeit, nämlich zu viel Zeit, um wieder in
die Normalität zurückzukehren, zu lange, um noch eine Familie
gründen zu können, um noch Kinder zu bekommen. Oft wird das Elternwerden,
das Kinderkriegen so lange aufgeschoben, das es einfach, zumindest für
die Frauen, dafür dann auch biologisch zu spät ist. So bleiben also
am Ende sogar auch diejenigen Singles, die sich doch noch für die Familie
entscheiden, Kinderlose, ja von nun an sogar Ewig-Kinderlose!Empfängnisverhütung
gibt es zwar - mit unterschiedlicher Wirksamkeit - seit einigen Jahrtausenden,
aber nie ist die Vermeidung des Schwangerwerdens so leicht gewesen wie seit 1960
(Antybabypille: Zulassung am 23.06.1960; zuerst auf dem Markt am 18.08.1960).
Millionen und Abermillionen eingeborener weißer Kinder, deren Empfängnis
die Natur beabsichtigte, sind seitdem als direktes Ergebnis der Antibabypille
nicht empfangen worden. Die Empfängnisverhütungspille war ursprünglich
für verheiratete Frauen als Mittel zur Familienplanung erhältlich und
wurde schon bald darauf als Waffe der Frauenemanzipation gefeiert
und in den westlichen weißen Nationen stark gefördert. Selbst wenn
die Pille versagt, ist es seitdem leicht und in fast jeder westlichen Nation legal,
unerwünschte Schwangerschaften abzubrechen. Als Folge von Gesetzen, die zur
selben Zeit erlassen wurden, in der die Empfängnisverhütungspille weit
verbreitet verfügbar gemacht wurde, sind im ganzen Westen weitere Millionen
um Millionen ungeborener Kinder getötet worden, hauptsächlich, in riesigem
Ausmaß, aus Bequemlichkeitsgründen statt aus medizinischer Notwendigkeit
(einschließlich dessen, was man das Szenario »verlasse den Freund
und töte das Kind« nennen könnte). Wie schon bei der Empfängnisverhütung
wird auch die Abtreibung wiederum sowohl als Recht als auch als Mittel zur Frauenemanzipation
dargestellt; tatsächlich wird unterstellt, daß man frauenfeindlich
sei, wenn man gegen die Abtreibung ist. In der Tat stellt die Populärkultur
jene, die für das Leben sind, als böse oder unausgeglichen dar, während
Leute, die für den Tod sind, als anständig, rational und sogar ziemlich
heroisch dargestellt werden. Ist es nur ein Zufall, daß die beiden größten
gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auf die menschliche Fortpflanzung
auswirken, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Folge hatten, daß
zig Millionen westlicher Kinder nicht geboren wurden? Falls doch, dann gibt es
hier einen weiteren Zufall. (Sarah Maid of Albion, Der heimliche Genozid,
2011 ).
Mit der De-facto-Straffreistellung des Schwangerschaftsabbruchs wurde
ein einmaliges Sonderrecht für Frauen geschaffen. Obwohl nach unserer Verfassung
auch das noch ungeborene Leben geschützt ist, ließ das Bundesverfassungsgericht
bei diesem Tötungsdelikt eine Ausnahme vom Bestrafungsgrundsatz in Form der
strafausschließenden vorhergehenden Beratung zu. Auch darüber hinaus
bleibt durch weitgefaßte Indikationen ein Schwangerschaftsabbruch für
die Frau so gut wie in jedem Falle straffrei. Schwangeren Frauen ist damit faktisch
ein Tötungsrecht über ihre ungeborenen Kinder eingeräumt, ihre
Befindlichkeit wurde über das Lebensrecht der Kinder gestellt. Dies wurde
zugelassen, obwohl bei der schon seit langem zur Verfügung stehenden Vielzahl
an Verhütungsmöglichkeiten von vorneherein »ungewollte«
Schwangerschaften kaum noch vorkommen dürften! Die Väter müssen
weder befragt, noch informiert werden - sie haben die Entscheidung der Mütter
und deren Folgen schlicht hinzunehmen. (Georg Friedenberger, Feminisiertes
Recht - feminisierte Justiz ).
Die gesamte Abtreibungspolitik
- , das Abtreibungswesen, das Abtreibungssystem -, kurz: die Abtreibunsgesellschaft
ist ein Skandal ersten Ranges. Und der Staat zahlt dafür auch noch gigantische
Summen. Auf etwa 40 Millionen Euro wurden z.B. für 2003 die Aufwendungen
der öffentlichen Haushalte in Deutschland geschätzt, um den Schwangerschaftsabbruch
medizinisch »lege artis« durchzuführen. (Vgl.
FAZ, 05.06.2004, S. 8). Einsparungen an anderer Stelle gleichen den Aufwand
aus. So kann der »Freistaat« Bayern sein »Landeserziehungsgeld«
um 30 Millionen Euro auf Grund des Geburtenrückgangs verringern. (Udo
Steiner, Generationenfolge und Grundgesetz, in: Herwig Birg, Auswirkungen
der demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft,
Staat und Gesellschaft, 2005, S. 26). Ein Skandal! Und unsere Verfassung,
unser Grundgesetz wird pausenlos mit Füßen getreten: Kinder kommen
natürlich im Grundgesetz vor. Ein spezielles Grundrecht des Kindes findet
sich aber nicht. Das Grundgesetz verlangt der Rechtsordnung zwar wirksame Vorkehrungen
zum Schutz des Lebens ab. In der politischen und gesellschaftlichen Praxis spiegelt
sich aber der Lebensschutz nicht wider. (Ebd., S. 26). Das sind sogar nur
die harmloseren Seiten, denn das Problem ist noch viel komplexer. Nur eine dekadente
Gesellschaft leistet sich so viel Überfluß. Natürlich liegt es
an einem liberalistisch-individualistischen System wie dem Abendland, wenn es zu dem ohnehin schon vorhandenen Überfluß auch noch - und zwar zumeist
ohne Grund (abgesehen von den wirklich harten Fällen, die aber eine sehr
kleine Ausnahme sind) - die eigenen Nachkommen und letztendlich sich selbst abtreibt
und gar nicht mehr weiß, wer oder was Männchen und Weibchen ist. Der
Sinn dafür soll schon weg sein ( ).
Und die sehr wenigen Frauen, die wirklich von der Emanzipation profitieren, tun
dies auf Kosten aller anderen Frauen, um über die Lobby an die Macht zu kommen
und sie zu verteidigen - nicht nur gegen Männer, sondern noch mehr gegen
Frauen, also im Grunde doch gegen sich selbst. Wie unfruchtbar ( )
! Wie menschenfeindlich! Emanzipation und Abtreibung, und das auch noch auf Kosten
des Staates, also: des Steuerzahlers! Die von Eva Herman in ihrem vielbeachteten
Essay »Die Emanzipation - ein Irrtum?« gestellte Frage beantwortet
Peter Mersch mit einem klaren »Ja«. Eine weitestgehende Angleichung
der Geschlechter führt in menschlichen Gesellschaften dagegen selbst bei
optimaler Vereinbarkeit von Familie und Beruf dazu, daß die Opportunitätskosten
für Kinder sowohl bei Frauen als auch bei Männern umso höher sind,
je qualifizierter und beruflich engagierter die Eltern sind. Das daraus resultierende
Nachwuchsverhalten dürfte den betroffenen Bevölkerungen sukzessive alle
ihre Komponenten rauben. Oder anders gesagt: Solche Gesellschaften verarmen und
verdummen - und zwar aus biologischen Gründen. (Peter Mersch, Die
Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft
restlos ruinieren wird, 2007 [ ]).
Emanzen ..., Feministinnen, ... Berufsfeministinnen bilden ihre eigene Lobby,
sie schreiben Artikel und Bücher, machen Politik und gestalten Gesetze. Hausfrauen
und Mütter haben diese Möglichkeiten nicht. Aus diesem Grund entstand
dieses Buch. (Eva Herman, Das Eva-Prinzip, 2006, S. 251). Eva Hermans
Buch ist ein Buch gegen den Egoismus / Individualismus, gegen alle Aussterbenden
(Singles, Emanzen, Feministinnen, Berufsfeministinnen, Weicheier, Frauenversteher
& Co. u.s.w.), gegen die Diktatur von Kinderfeinden, Frauenbeauftragten und
allen anderen freiwillig Unfruchtbaren, kurz gesagt: gegen die Dekadenz, gegen
den Untergang!  Abtreibung
und Emanzipation bedeuten Lebens-, v.a. Menschenfeindlichkeit, Beschleunigung
des Unterganges, Wille zum Tod. Das Lebensrecht wird in einer Zangenbewegung
immer weiter eingeschränkt: Die Mehrheit hat sich offenbar damit abgefunden,
daß seit der Liberalisierung des Paragraphen 218 1974 rund neun Millionen
Kinder durch Abtreibung nicht das Licht der Welt erblickt haben. Zu einem fürchterlichen
Automatismus ist darüber hinaus die vorgeburtliche Selektion durch die Pränataldiagnostik
geworden, so daß bei Indizierung einer möglichen Behinderung des Kindes
zur Regel geworden ist, notfalls durch Spätabtreibung (nach der 22. Schwangerschaftswoche)
die Geburt eines solchen Kindes zu verhindern. Gerade ist eine Einigung in der
Großen Koalition über eine Erschwerung von Spätabtreibungen wieder
gescheitert. Wenn eine Industrienation wie Deutschland jährlich offiziell
über 130000 gezeugte Kinder zur sozial unerträglichen Belastung erklärt
und tötet, dann kann man ahnen, wie lange es dauern wird, bis es angesichts
explodierender Gesundheitskosten und zerfallender Familienstrukturen genauso normal
wird, Tausenden alten Menschen »freiwillig« das Leben »abzukürzen«,
weil sie einer lebensfeindlichen Gesellschaft nicht länger zur Last fallen
wollen. Auch bei der in den 1970er Jahren von Feministinnen forcierten Liberalisierung
des Abtreibungsrechts führte man spektakuläre Einzelfälle von Frauen
in Notsituationen an und sang das Hohelied von der selbstbestimmten Entscheidung
der Frau. In der Praxis ist daraus ein menschenverachtender gesellschaftlicher
Zwang entstanden, so daß das sioziale Umfeld inzwischen häufig bei
»unpassenden Schwangerschaften« nichts anderes mehr erwartet als die
Abtreibung, die als eine Art Verhütungsmethode betrachtet wird. Nicht anders
wird es bei der Sterbehilfe sein: Unter dem wachsenden Kostendruck »für
Alte« wird aus dem »Recht zum Selbstmord« dann »unvermeidlich
eine Pflicht« (Robert Spaemann). (Dieter Stein, Eine Schwelle ist
überschritten, in: Junge Freiheit, 28/08, 04.07.2008, S. 1 ).
Dieser Befund ist von mehr als nur akademischen Interesse in einer Zeit,
in der die Zahl der alleine in Deutschland täglich abgetriebenen Embryos
auf 800 bis 1000 geschätzt wird (5000 bis 6000 in der
EU, 2000 bis 4000 in Nordamerika, zusammen 8000 bis 10000, in 1 Jahr 2,922 Mio.
bis 3,6525 Mio., in 50 Jahren 146,1 Mio. bis 182,625 Mio.!). Mehr noch:
Erstmals in der Geschichte der Menschheit scheint es möglich zu werden, den
Menschen durch den Eingriff in das Genmaterial und durch »gender«-ideologisch
gewollte Nivellierung der natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau
gleichsam nach Maßgabe wirtschaftspolitischer Normen zu züchten.
(Thomas Bargatzky, Was ist der Mensch?, in: Junge Freiheit, 28/08,
04.07.2008, S. 26).  Allein
schon diese drei Aspekte (Abtreibung, Euthanasie, wirtschaftspolitische Geschlechtsumwandlung)
machen deutlich, was der Untergang einer Kultur, also einer Gemeinschaft (Entschuldigung:
»Gesellschaft«, denn eine Gemeinschaft will sie ja schon lange nicht
mehr sein), der Wille zum Tod wirklich bedeutet. Aus der Abtreibung als Recht wird die Abtreibung als Pflicht, aus der Euthanasie als Recht wird die Euthanasie
als Pflicht, aus der (biologischen) Geschlechtsumwandlung als Recht wird die (wirtschaftspolitische)
Geschlechtsumwandlung als Pflicht. Im Grunde kann man ja sagen: Ohne Abtreibungen
gäbe es kein Geburtendefizit, also keinen Bevölkerungsrückgang,
sondern ein (zwar geringes, aber ideales) Sterbedefizit, also ein (zwar geringes,
aber ideales) Bevölkerungswachstum. Die Abtreibung vergrößert
das Geburtendefizit, den Bevölkerungsrückgang, enorm. Auch die Euthanasie,
die vor allem zukünftig immer mehr eine Rolle spielen wird, vergrößert
das Geburtendefizit, den Bevölkerungsrückgang. Und Gender
- das heißt: politische Geschlechtsumwandlung - sorgt für noch mehr
Tötungen mittels Abtreibung und Euthanasie, vergrößert also das
Geburtendefizit, den Bevölkerungsrückgang, denn Gender ist
ja gerade wirtschaftspolitisch erwünscht, weil damit die Frauenerwerbsquote
erhöht wird. Die Tatsache, daß dabei die Geburtenzahlen und Bevölkerungszahlen,
noch mehr reduziert werden, wird als negativer Nebeneffekt gerne in Kauf genommen.
        Seit
es die Pille gibt, ist Sex ohne Kinder selbstverständlich. Und umgekehrt
konfrontiert uns die Gentechnik heute mit der Möglichkeit, Kinder ohne Sex
zu haben. Da kann es nicht überraschen, daß in »kulturrevolutionären«
Kreisen Schwangerschaft zunehmend als Behinderung behandelt wird. Wenn sich im
Verhältnis von Männern und Frauen die Dialektik von Herr und Knecht
wiederholt - und wieder läuft die Emanzipation vom Herrn über Arbeit!
-, dann muß man den Hebelpunkt für diese Kräfteverschiebungen
bei den Frauen suchen. Hier hatte und hat eine Erfindung soziologisch umstürzende
Effekte, die uns so selbstverständlich geworden ist, daß wir ihre kulturgeschichtlich
zäsurierende Wirkung gar nicht mehr spüren: die Pille. Sie erzeugt ja
eine chemische Schwangerschaft. In der Geschichte des Eros ist sie das wichtigste
Stück Anti-Natur. Wie das Ende des Lebens hat damit auch sein Anfang seine
Natürlichkeit verloren. Deshalb skandalisieren auch andere Techniken eines
Outsourcing der Fortpflanzung kaum mehr - Leihmutter, künstliche Gebärmutter,
Ektogenese sind hier die einschlägigen Stichworte. Und angesichts dessen
wirkt die Erinnerung daran, daß Babynahrung das Stillen überflüssig
gemacht hat, fast schon sentimental. Bei Kulturanthropologen und Soziologen finden
die gesellschaftlichen Folgen der Pille immer stärkere Beachtung. Frauen
kontrollierten schon immer die Reproduktion - erst die Pille aber hat sie zu den
wahren Türhütern der Natur gemacht. Gerade deshalb verweigern Männer
zunehmend die Verantwortung für die Folgen einer Beziehung. Das wiederum
führt zu einer drastisch sinkenden Geburtenrate. Übrigens hatte schon
Darwin vorausgesagt, daß der homo contracipiens aussterben werde.
.... Die moderne Gesellschaft fördert eine Designer-Erotik, d.h. eine maximale
Entfernung vom biologischen Erbe der Sexualität. Und nur wer, wie einige
Soziobiologen, dieses Erbe für prägender hält als alle modernen
Selbstermächtigungsveranstaltungen, wird auf die urgeschichtliche Verknüpfung
von Lust und Familienleben hinweisen. Aus dieser Perspektive erscheint dann die
Mode der Selbstverwirklichung als die aktuelle Form frigider Unnahbarkeit und
der Entschluß, keine Kinder haben zu wollen, als das soziale Äquivalent
zum Zölibat. (Norbert Bolz, Die Helden der Familie, 2006, S.
31-32 ).Zum
Berufsethos vgl. NHD: Beruf ( )
aus MHD: beruof, Leumund - die Bedeutung im NHD, nämlich
als Berufung sowie Stand und Amt, hat Martin
Luther (1483-1546) geprägt ( )
- und Ethos aus dem Altgriechischen: Sitte, Gewohnheit,
Herkommen; sittliche Grundhaltung und Gesinnung, moralische Gesamthaltung
eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft; in der modernen Ethik (Sittenlehre) näher
bestimmt durch das Vorherrschen eines sittlichen Wertbewußtseins. Max Weber
(1864-1920), der Begründer der Religionssoziologie, betonte in seinem Buch
Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904)
die Bedeutung des religiösen Rationalismus, d.h. der reformatorischen Weltauslegung,
die das Diesseits entzauberte oder entsakralisierte und die mit dem Berufsgedanken
das alltägliche Leben mit dem Jenseitsschicksal verband, für die Entstehung
des modernen Betriebskapitalismus: im Berufserfolg und Gelderwerb bewährt
sich der je eigene Gnadenstand. Die
Rechtschreibreform stinkt genau nach dem Lobbyismus, der, ähnlch wie der
Föderalismus ( ),
nur blockiert und Verwirrung stiftet. Außerdem brauchen wir keine Kompromißlösungen,
keine neuen und teuren Probleme und vor allem keine verunsicherten Kinder. Ein
Beispiel für die vielen unsinnigen und teilweise alogischen Rechtschreibregeln
ist das Ersetzen des ß ( )
durch ss, hinter dem der Wunsch nach Ausmerzung steckt. Denn eine
Regel für die Unterscheidung von Wortarten müssen alle Kinder so oder
so lernen (zum Teil auch Erwachsene und offenbar auch die sogenannten Experten,
wie die Reform beweist!). Ob sie nun das von daß
oder das von dass unterscheiden müssen, unterscheiden
müssen sie in beiden Fällen. Sie müssen grammatische Regeln, sie
müssen Wortarten, sie müssen z.B. Artikel und Pronomen von Konjunktionen
unterscheiden können, um herauszufinden, welche Schreibweise gefordert ist.
Und weil es in der Schreibweise sowohl einen Unterschied zwischen das
und daß als auch zwischen das und dass
gibt, bleibt die Forderung nach der grammatischen Unterscheidung erhalten. Und
weil die Grammatik hier entscheidend ist, ist es für die Lernenden auch viel
einfacher, das besonders distinktive ß als Schreibregelkriterium
zu benutzen, während das ss vom s lediglich durch
das Merkaml der Verdoppelung zu unterscheiden ist. Die kleinste distinktive Einheit
eines Schriftsystems heißt Graphem ( ),
und das Graphem ß dient in unserem Beispiel (das/daß
oder das/dass) dem Lernen, der Sprachkompetenz ( )
mehr als jenes Graphem, das bei Verdoppelung von seiner Kopie nur durch Distribution
unterschieden werden kann - denn als distinktive Einheiten sind beide ja dasselbe:
s. Wir notieren also: Die Rechtschreibreformer haben nur noch mehr
Probleme produziert. ( ).
Offenbar ist ihnen die ökonomisch-politische Anpassung an den US-Amerikanismus
noch zu wenig. Sie wollen noch mehr US-Amerikanisierung, noch mehr Politkorrektheiten
( )
, noch mehr Zensur, noch mehr Diktatur - sogar eine Volksabstimmung über
Rechtschreibreformen ist in dieser Bundesrepublik verboten! ( ).
    Zu
Deutschlands Herrschenden zählen wir heute (ziemlich ungenau, denn diese
Riesenkrake ist gar nicht mehr zählbar und soll ja auch nicht zählbar
sein!): Regierende, Drahtziehende, Durch-Opposition-Mitregierende, Durch-Föderalismus-Regierende,
Durch-Föderativ-Oppositionen-Mitregierende und all deren Anhängsel,
z.B. die Anhängsel der Regierenden, die Anhängsel der Drahtziehenden,
die Anhängsel der ... u.s.w. u.s.w. u.s.w.. Was den Bund insgesamt einmal
betrifft, betrifft ihn sechzehnmal durch die Bundesländer - er ist also zu
multiplizieren mit dem föderalistischen Faktor 17 (der in Wahrheit sehr viel
größer ist, denn es gibt unzählige Zwischeninstitutionen und Zwischeninstanzen
und deren aller Anhängsel u.s.w. u.s.w. u.s.w.). Es ist das größte
Blockierungssystem, das die Welt je gesehen hat - und so teuer, wie es die Welt
nie bezahlen könnte und auch nicht wollte, Deutschland aber schon, und zwar
- exponentiell (!) - seit 1949. Bundesrepublik heißt: Michelrepublik! ( )
. Ob ein solches System euphemistisch als Föderalismus ( )
oder schon weniger euphemistisch als Dualismus ( )
oder sogar noch weniger euphemistisch als Partikularismus ( )
oder aber gar nicht euphemistisch als Separatismus ( )
bezeichnet wird, ändert nichts daran, daß dieses System dem Ausland
dienen soll (obwohl ja gerade das Ausland allmählich gemerkt hat, wie sehr
es vom Wirtschaftsgiganten Deutschland abhängig ist; vgl. EU ),
weil es dessen Intention war und größtenteils noch ist, nun aber zu
dessen Überraschung zu Deutschlands Herzenssache geworden ist:
Antideutsche Politik!  Separatismus
und Föderalismus sind austauschbar wie Start und Ziel, doch die separatistisch-föderalistische
Strecke ist - z.B. in der Deutschen Geschichte - irgendwie meistens gekenzeichnet
durch den Dualismus ( )
in seinen verschiedenen Arten, wobei z.B. der Partikularismus ( )
dessen absoluter Höhepunkt ist. Vgl. Abbildung ( ).
Und welche Dualismus-Art oder welches Dualismus-Niveau betrifft uns heute?
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts vollzog sich ein Wechsel, nämlich der vom
niedrigsten Dualismus-Niveau (1 )
zum nächsthöheren Dualismus-Niveau (2 ).
Das heißt, daß seitdem der Dualismus, wenn auch noch langsam (auf
zweitniedrigstem Niveau), wieder zunimmt: er wird z.B. wieder häufiger und
stärker als politsches Instrument eingesetzt, auch erkennbar an den (neo)
partikularistichen Strömungen (neo ist deshalb in Klammern gesetzt,
weil es sich im Grunde um dasselbe alte Spiel im ewigen Kreislauf dreht, also
nicht neu ist, sondern neuartig). Länder, die hierdurch profitieren
(und z.B. noch mehr expandieren), und Länder, die hierdurch ruiniert werden
(oder sich selbst ruinieren), werden wieder mehr. Das gehört nun mal zum
alten Spiel im ewigen Kreislauf der Historienkulturen ( ).
Was den Wechsel vom niedrigsten Dualismus-Niveau (1 )
zum nächsthöheren Dualismus-Niveau (2 )
angeht, so gibt es innerhalb einer Kulturgeschichte immer nur zwei Vergleichsmöglichkeiten
im engsten Sinne; für die Geschichte der abendländischen Kultur muß
man daher den Ende des 20. Jahrhunderts vollzogenen Wechsel mit dem Mitte des
13. Jahrhunderts vollzogenen Wechsel vergleichen und anschließend die Zeit
von 1990 bis 2010 mit dem Interregnum von 1254 bis 1273 ( ).
Im Interregnum von 1254 bis 1273 offenbarte sich nämlich erstmals im Abendland
der Ständestaat-Dualismus, eine partikularistisch-dualistische Art, durch
die Stärkung der Reichsfürsten (vgl. Kurfürsten );
um eine Analogie zu der Zeit von 1990 bis 2010 herzustellen, muß man nur
einige Variablen verändern: die Zwischenherrschaft des unregierbar gewordenen
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war ähnlich
wie die Zwischenherrschaft der unregierbar gewordenen Scheinheiligen Europäischen
Union Deutscher Reiche!But often
possesion is the whole of the law. (Herman Melville, Moby Dick oder:
Der weiße Wal, 1851, S. 484 ).
Dieses Tier hat seinen Namen von Rundung oder Rollen, denn im Dänischen
bedeutet hvalt gebogen oder gewölbt (Webster's Dictionary).
Wal - kommt noch unmittelbarer von dem niederländischen und deutschen wallen;
angelsächsisch walwian: rollen, sich wälzen (Richardson's
Dictionary). Herman Melville (1819-1891) - sprachwissenschaftlich exakt
- über den weißen Wal. Über diese etymologische Beschreibung hinaus
hat Herman Melville in der Gestalt des Kapitän Ahab den Seefahrern ohne Wiederkehr
ein überragendes Denkmal gesetzt, meint Peter Sloterdijk: Ahab verkörpert
die luziferische, die verlorene Seite der europäisch-amerikanischen Seefahrt
- ja überhaupt die Nachtseite des Projekts der kolonialen Moderne und der
Naturausplünderung, das nur durch Sphärensprengungen und Peripherieverwüstungen
vorankommt. .... Durch seine »wallende« Gestalt wirkt der Wal auf
seine Bewunderer und Hasser als der Inbegriff einer Macht, die sich in unheimlichen
Meerestiefen ausschließlich in sich selber dreht. Moby Dicks Majestät
und Kraft vertreten den ewigen Widerstand eines unauslotbaren Lebens gegen die
Motive der Jäger. Sein Weiß repräsentiert zugleich den nicht-sphärischen,
glatten Raum, in dem sich Reisende um jede Intimitätserwartung, jede Empfindung
von Ankunft und neuer Heimat betrogen fühlen werden. Es ist nicht umsonst
die Frabe, die von den Kartographen für die terra incognita reserviert
war. Melville nannte Weiß »die Allfarbe einer Gottlosigkeit, vor der
wir zurückschrecken« ( ),
weil sie uns, wie die weiße Tiefe der Milchstraße an die »herzlose
Leere und Unermeßlichkeit des Universums« erinnert .... (Peter
Sloterdijk, Sphären II - Globen, 1999, S. 938-939 ).
A colorless all-collor of atheism from which we shrink
(Herman Melville, Moby Dick oder: Der weiße Wal, 1851, S. 252 ).Albert
Speer (1905-1981), Erinnerungen, 1969, S. 175.Emmanuel
Joseph Sieyès (1748-1836), Was ist der 3. Stand? In: Politische
Schriften, 1788-1790, S. 188-189Monroe-Doktrin
ist die Bezeichnung für die am 2. Dezember 1823 vom 5. US-Präsident
James Monroe (1758-1831) in einer Kongreßbotschaft dargelegten Prinzipien
der us-amerikanischen Außenpolitik. Der Grundgedanke der Monroe-Doktrin
ist die strikte politische Trennung der Alten und der Neuen Welt (Amerika) und
enthält 2 Hauptaussagen: 1.) keine weitere Kolonisation
der europäischen Mächte auf dem amerikanischen Kontinent; 2.)
Nichteinmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Europas. Später jedoch
führte die zunehmende Außenpolitik der USA zu einer immer breiteren
Interpretation der Monroe-Doktrin, bis sie der 26. Präsident Theodore Roosevelt
(1858-1919), der von 1901 bis 1909 regierte, im Sinne einer internationalen Polizeifunktion
der USA in der westlichen Hemisphäre ausdehnte. Diese insbesondere in Lateinamerika
heftig kritisierte hegemoniale Haltung wurde nach 1930 revidiert. Nach dem 2.
Weltkrieg (1939-1945) wurde die 2. Komponente der
Monroe-Doktrin aufgegeben!  Vgl.
hierzu z.B. Peter Scholl-Latour (1924-2014), Kampf dem Terror - Kampf des Islam
? (2002) und Weltmacht im Treibsand (2004).  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 52.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 53.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 54.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 55-56.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 94. Zwei Seiten
weiter kann man bei Scholl-Latour folgende Zeilen lesen: Kein deutscher
Militärkommentator - so weit war die Selbstzensur der deutschen Medien bereits
gediehen - hätte es wie ein renommierter Kommentator der »Los Angeles
Times« gewagt, die »NATO Response Force« als eine »sich
selbst finanzierende Fremdenlegion der Europäer im Dienste der USA«
zu definieren, deren kriegerische Einsätze in fernen Weltregionen mit den
europäischen Interessen wenig zu tun hätten. (Ebd., 2004,
S. 96).  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 96.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 97.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 110-111.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 111.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 114.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 118.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 119.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 119-120.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 121.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 123.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 162.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 215.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 215-216.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 216.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 234.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 240.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 241.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 254-257.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 329.  Peter
Scholl-Latour (1924-2014), Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 335-336.  Hans-Ulrich
Wehler, Konflikte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2003, S. 51-52.Peter
Sloterdijk (*1947 ),
Sphären III - Schäume (Plurale Sphärologie), 2004.Peter
Sloterdijk (*1947 ),
Sphären III - Schäume (Plurale Sphärologie), 2004, S. 286-287.
( ).
Zu Vertragstheorien und Organizismen heißt es auch unter anderem: Vertragstheoretiker
interessieren sich erfahrungsgemäß für die demokratischen Formen
zumeist nur in dem Maß, wie diese die Zustände garantieren, in denen
Juristen, Korrektheits-Journalisten und Professoren für Moralphilosophie
obenauf sind. Das Elend des Organizismus rührt daher, daß sein legitimes
Plädoyer für Gerechtigkeit gegenüber den übergeordneten Interessen
von Gemeinwesen meist schnell ins Ressentiment gegen den Eigensinn der zu »Teilen«
erklärten kleineren Einheiten überspringt. Seine typische Tonart ist
die einer entmachteten Aristokratie, die ihren Hunger nach Vortrefflichkeit in
den Traum vom reinen Dienen rettet. Noble Holisten sind in der Regel gern bereit,
dem Gemeinwesen als weise Gehirne oder nützliche Mägen zu dienen, indessen
sie erwarten, daß auch die übrigen Organe sich auf ihre Plätze
begeben. Will man die sinnvollen soziologischen Intuitionen des Holismus retten,
muß man eine alternative Sicht auf die Assoziationen entfalten: Es gilt,
das Beieinandersein, das Kommunizieren und das Kooperieren der vom Koexistenzstreß
zusammengespannten Eigenraum-Vielheiten, die leider noch immer Gesellschaften
genannt werden, aus deren eigenen Bedingungen herzuleiten, ohne dabei die anti-holistischen
Krücken zu benutzen, an denen sich Individualisten und Kontraktualisten übers
Gelände schwingen. - Dies könnte zum Beispiel, wie es hier versucht
wird, mit Hilfe einer Raum-Vielheitentheorie geschehen, die an das Rätsel
der sozialen Synthesis mit einem situationistischen, pluralistischen, assoziationistischen,
morphologischen und vor allem psycho-topologischen Arsenal von Beschreibungsmitteln
herangeht. Dazu gehört der philosophische Entschluß, Einheit als Effekt
zu denken - und damit jeden Begriff von »Gesellschaft« zu entzaubern,
der diese ihren Elementen vorangehen läßt. (Einen anderen Weg, mit
dem Ausdruck »sozial« in der Gesellschaftstheorie Schluß zu
machen, schlägt die Akteur-Netzwerk-Theorie [ANT] vor, die nur noch von Assoziationen
handeln will. Vgl. Bruno Latour, Gabriel Tarde und das Ende des Sozialen,
in: Soziale Welt, 2001, S. 361- 376). Das hieße, ihr Muster nicht
mehr in der ontologischen Einheit des individuierten Lebewesens (bis hinauf zum
platonischen Kosmos-Tier) zu suchen, sondern in der polyperspektivischen Einheit
der von mehreren Intelligenzen zugleich erlebten, jedoch stets verschieden symbolisierten
gemeinsamen Situation. Situationen sind Konglomerate (in anderer Sicht: Netzwerke)
aus Akteuren, die miteinander konfiguriert sind, ohne daß auch nur einer
von ihnen dem sogenannten Ganzen zuliebe aus seiner Haut und seinem Gehirn fahren
könnte. (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume,
2004, S. 292-294 ).
Peter Sloterdijk (*1947 ),
Sphären III - Schäume (Plurale Sphärologie), 2004, S. 825-826.
Linke bzw. Erfolglose behelfen sich nur mit einer introspektiven Beobachtung,
daß sie in sich ein reines Dagegensein verspüren: Da der Feind,
gegen den man sich auflehnt, keine Kontur mehr zeigt, muß der Affekt »dagegen«
sich genügen. (Vgl. Michael Hardt / Antonio Negri,
Empire. Die neue Weltordnung, 2002, S. 211). De facto sind
die against men neben ihrer Zugehörigkeit zur oppositionellen Kirche
wie alle anderen Zeitgenossen ambivalente Kunden des Gegebenen. Die intensiv beschworene
Feindschaft gegen das Empire ( )
richtet sich gegen eine nicht-befeindungsfähige Instanz, weil das »Reich«
in seinen positiven Aspekten nichts anderes ist und will als die oppositionelle
Menge, indessen die Menge in ihren Impulsen und Zwängen zugleich die dunklen
Seiten des Reichs verkörpert. .... Das Andere ist, indem es ganz anders sein
will, dasselbe; indem es ganz anderswo sein möchte, bleibt es, wo es ist.
(Peter Sloterdijk, ebd., 2004, S. 826-827 ).
Peter Sloterdijk (*1947 ),
Sphären III - Schäume (Plurale Sphärologie), 2004, S. 827.Rüdiger
Safranski (*1945 ),
Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?, 2003, S. 21ff..
Und zur Unvermeidlichkeit des Krieges meint Safranski: Wie schon bei Platon
(427-347 )
das Wissen der Grenze die Einsicht in die Unvermeidlichkeit des Krieges bedeutete,
so führt auch bei Hegel (1770-1831 )
die Lebensnotwendigkeit der Grenze zur Realdialektik der miteinander kämpfenden
Gegensätze, deren abstrakte Form als These und Antithese harmlos klingt.
In Wirklichkeit aber verbirgt sich dahinter der Kampf um Tod und Leben. Im Krieg
der Dialektik ist die Synthese zumeist der schlecht verhüllte Triumph jeweils
einer Partei, die durch Versöhnung zur Herrschaft kommt. Doch der Sieger
bleibt nicht, was er vorher war, er nimmt vom Unterlegenen etwas in sich auf,
er verwandelt es und wird selbst dadurch verwandelt. Weltgeschichte ist eine Geschichte
von Widersprüchen, die sich nicht auflösen lassen, sondern so lange
ausgefochten werden, bis es Sieger und Verlierer gibt. (Rüdiger Safranski,
ebd., 2003, S. 40-41).Rüdiger
Safranski (*1945 ),
Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?, 2003, S. 59ff..
Übrigens: 1937 forderte Martin Heidegger (1889-1976 )
in seinem Aufsatz Wege zur Aussprache, in dem es um die deutsch-französische
Verständigung geht, die Rettung des Abendlandes. Deutschland
und Frankreich müßten ihren Beitrag zur Rettung der abendländischen
Identität leisten, heißt es darin. Heidegger geht hier auch auf eine
Analogie zur Antike ein. In Griechenland wurde damals trotz Polemik eine geistige
Identität erwirkt und so der gemeinsame Körper der Polis verteidigt
gegen das Asiatische, von dem Griechenland fast wie eine Insel im
Ozean umbrandet war. Rüdiger Safranski: Heidegger sagt es nicht
ausdrücklich, aber aus der Logik seiner Darstellung ergibt sich: Das Asiatische
unserer Tage ist nichts Barbarisches, sondern das Moderne in seiner
entfesselten Gestalt .... (Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland
- Heidegger und seine Zeit, 1994, S. 363).Rüdiger
Safranski (*1945 ),
Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?, 2003, S. 67.Das
Abendland-Europa ( )
hat seit seinem Ursprung, seit seinem von Kontrollgenen (Germanen )
gesteuerten Keim, einen Kern, ein Herz (Deutschland),
aber auch Grenzen! Die Grenze der abendländischen Kultur lag immer
dort, wo die deutsche Kolonisation zum Stillstand gekommen war. (Oswald
Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 17). Das Abendland bzw. Europa
muß auch heute (als EU
! )
zu seinen Grenzen stehen, denn es kommt nicht einseitig darauf an, unsere Nachbarn
zu verstehen; noch mehr kommt es nämlich darauf an, daß wir
wieder lernen, uns selbst zu definieren, z.B. auch um zu verhindern, daß
wir uns gar nicht mehr begreifen - wie sie uns (!). Nur ein Dummkopf kann
sich heute schämen, ein »alter Europäer« ( )
zu sein. (Peter Scholl-Latour, Rumsfeld gegen das »Alte Europa«,
in: Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 14). ( ).
Und laut Hans-Ulrich Wehler sind die russischen Gebiete nie Teil Europas
gewesen. Sie haben kein europäisches Bürgertum, keine Bürgerstädte,
kein europäischen Adel, keine europäischen Bauern gehabt; sie haben
keine Reformation erlebt, keine Wissenschaftsrevolution, keine Aufklärung;
und seit Peter dem Großen jagt nun Rußland - und die Bolschewiken
haben das noch mal 70 Jahre getan - in einer atemlosen Aufholjagd hinter Europa
her, um endlich sozusagen europaähnlich zu werden, aber es ist nicht Europa
! Und dasselbe gilt seit Kemal Atatürk, also seit den 1920er Jahren, für
die Türkei in noch viel strengerem Maße. (Hans-Ulrich Wehler,
im Fernsehsender ZDF: Wo endet Europa?, in: Im Glashaus - Das Philosophische
Quartett, 02.05.2004). Ähnlich wie Wehler argumentiert auch Huntington
( ).
 Das
Wort Europa war im Abendland anfangs selten zu hören, danach
lediglich ein gelehrter Ausdruck der geographischen Wissenschaft, die sich seit
der Entdeckung Amerikas (1492 )
am Entwerfen von Landkarten entwickelt hatte, bevor es später
allmählich immer mehr und unvermerkt auch in das praktische politische
Denken und die geschichtliche Tendenz eindrang. (Vgl. Oswald Spengler, Jahre
der Entscheidung, 1933, S. 17; vgl. auch meine Definition: Europäismus
).
Je häufiger Europa ( )
zu hören war (ist), desto moderner wurde (wird) die Moderne
( ).
Europäismus ist für für mich ein Synonym für die
abendländische Moderne. Er bezieht sich auf alles, was die abendländische
Kultur aus ihrem ganz eigenartigen Selbstverständnis heraus in Verbindung
mit Europa brachte, bringt und bringen wird. Eines der frühen Beispiele hierfür
ist Karl der Große (747-814; 754 Königssalbung, 768 König, 800
Kaiser ),
der Vater Europas genannt wurde. Der Begriff Europa war
im Abendland zwar von Beginn an präsent, wurde aber erst später häufiger
(vor allem auch im geographischen Sinne) verwendet, z.B. seit der Neuzeit
und eben ganz besonders seit der Moderne, das heißt: seit der
Industriellen Revolution ( )
bzw. Bürgerlich-Napoleonischen-Revolution ( ).
 Ferdinand
von Schill (1776-1809), preußischer Offizier, der sich in den Koalitionskriegen
vor allem bei der Verteidigung von Kolberg (1807) auszeichnete. 1809 versuchte
er vergeblich mit seinem Husarenregiment eine allgemeine Erhebung gegen Napoleon
I. ( )
auszulösen und fiel in Stralsund im Straßenkampf; 11 Offiziere seines
Korps wurden in Wesel standrechtlich erschossen, mehr als 500 Soldaten auf französische
Galeeren geschickt. In Goethes um 1800 geplanten Schlußgedicht zum Faust
sollte es heißen: Der Deutsche sitzt verständig zu Gericht
(Abkündigung; V. 2), und im 2. Akt des 2. Teils heißt es:
Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. An Eckermann
schrieb Goethe u.a.: ... die Engländer überhaupt scheinen vor
vielen anderen etwas vorauszuhaben. .., als wären sie überall die Herren
und als gehöre die Welt überall ihnen. Das ist es denn auch, was unsern
Weibern gefällt und wodurch sie in den Herzen unserer jungen Dämchen
so viele Verwüstungen anrichten .... Es sind gefährliche junge Leute;
aber freilich, daß sie gefährlich sind, das ist eben ihre Tugend. ....
Es liegt ... darin, daß sie eben die Courage haben, das zu sein, wozu die
Natur sie gemacht hat. .... Das Glück der persönlichen Freiheit ...
kommt schon den Kindern zugute, so daß sie ... einer weit glücklich-freieren
Entwicklung genießen als bei uns Deutschen. .... Es geht bei uns alles dahin,
die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität
und alle Wildheit auszutreiben, so daß am Ende nichts übrig bleibt
als der Philister. .... Könnte man nur den Deutschen, nach dem Vorbilde der
Engländer, weniger Philosophie und mehr Tatkraft, weniger Theorie und mehr
Praxis beibringen .... (Goethe zu Eckermann; 12.03.1828). Während
aber die Deutschen sich mit Auflösung philosophischer Probleme quälen,
lachen uns die Engländer mit ihrem großen praktischen Verstande aus
und gewinnen die Welt. (Goethe zu Eckermann; 01.09.1829).  Goethe
befand sich mit seinem Geschichtsdenken ziemlich im Widerspruchch zu demjenigen
der Aufklärung. Er beurteilte die Möglichkeiten, Wesentliches aus der
Geschichte zu erkennen, höchst skeptisch und verneinte den rationalistischen
Gedanken des Fortschritts in der Menschheitsgeschichte. Goethe benutzte eine Analogie
aus der Botanik, die Spiraltendenz, um seine Anschauung von der Wiederkehr
des ewig Gleichen darzustellen - später weiterentwickelt von Arthur
Schopenhauer und Friedrich Nietzsche sowie Oswald Spengler und nach diesem, weil
mittlerweile von Deutschland auf die USA übergesprungen, auch: Huntington
( ).
Vgl. Lebensphilosophie: Alte Schule ( ),
Mittlere Schule ( ),
Junge Schule ( ).
Der Kreis, den die Menschheit auszulaufen hat, ist bestimmt genug und ungeachtet
des großen Stillstandes, den die Barbarei machte, hat sie ihre Laufbahn
schon mehr als einmal zurückgelegt. Will man ihr auch eine Spiralbewegung
zuschreiben, so kehrt sie doch immer wieder in jene Gegend, wo sie schon einmal
durchgegangen. Auf diesem Wege wiederholen sich alle wahren Ansichten und alle
Irrtümer. (Johann Wolfgang von Goethe, Materialien zur Geschichte
der Farbenlehre, 1810). Diesen Gedanken der Wiederholung zu bekräftigen,
benutze Goethe gelegentlich einen alttestamentarischen Spruch (Prediger Salomo):
Die Geschichte sollte doch lehren, daß nichts Neues unter der Sonne
geschieht. (Johann Wolfgang von Goethe zu Friedrich von Müller, am
08.12.1824). Es ist mit der Geschichte wie mit der Natur, wie mit allem
Profunden, es sei vergangen, gegenwärtig oder zukünftig: je tiefer man
ernstlich eindringt, desto schwierigere Probleme tun sich hervor. (Johann
Wolfgang von, in: Maximen und Reflexionen). Andererseits war die Geschichte
für Goethe ein großes Sammelbecken zitierbarer Beispiele, aus denen
er zeitlebens gern schöpfte. (Vgl. Faust I [Nacht], 1806;
auch Westöstlicher Diwan, 1819 u.v.a.). Goethes eigene dichterische
Werke haben solche Exempla befruchtet, unter anderem z.B. die dramatische Ausgestaltung
historischer Figuren wie Götz von Berlichingen (1773). Insofern Goethe
in der Geschichte Entwicklungen und folgerichtige Prozesse wahrnahm und diese
seinem evolutionären Denken entgegenkamen, unterzog er sie gern der Betrachtung:
Wenn wir uns aus dem bekannten Gewordenen das unbekannte Werden aufzubauen
genötigt finden, so erregt es eben die angenehme Empfindung, als wenn wir
eine uns bisher unbekannte gebildete Person kennen lernen und die Geschichte ihrer
Bildung lieber herausahnden als herausforschen.(Johann Wolfgang von Goethe,
Materialien zur Geschichte der Farbenlehre, 3. Abt., 1810). Die benutzbaren
Exempla der Geschichte wurden von Goethe aus den Taten großer Persönlichkeiten
abgeleitet. In dieser Neigung zu Personalisierungen ist wohl auch Goethes zwiespältiges
Verhältnis zur Geschichte begründet: einerseits sei das Beste, was sie
im Betrachter erregen könne, Enthusiamus, andererseits sei ihre
Masse nichts weiter als ein Klatsch. (Johann Wolfgang von Goethe zu
Friedrich Wilhelm Riemer). Goethes Person und sein Schaffen haben bekanntlich
schon zu seinen Lebzeiten nach allen Richtungen ungemeines Interesse geweckt.
Deshalb war und ist auch seine Wirkung auf die Geschichtsforschung von großer
Bedeutung. Durch sein Gesamtwerk übte Goethe auf die jüngere Geschichtsschreibung
seiner Zeit und auf den Historismus größten Einfluß aus.  Polybios
(um 200 - um 120 )
unterschied 3 Gattungen der Geschichtsschreibung. Die von ihm gepflegte Gattung
nannte er pragmatikh istoria, die Tatsachen-Geschichte
für ernste Leser, die lesen, um zu lernen. Wichtig waren ihm 3 Teile bzw.
Forderungen, die der pragmatische Historiker zu erfüllen hat: Studium der
Quellen, der Schauplätze der Geschichte und politisch-militärische Erfahrung.
Timaios und andere Schreibtischhistoriker wurden von Polybios abgekanzelt. Neben
den in den Zielsetzungen der führenden Männer liegenden aitai
(Ursache, Grund) des historischen Geschehens gibt es noch eine andere gewaltige
verursachende Macht, das Unberechenbare, das Irrationale, von Polybios gelegentlich
mit Ausdrücken um automaton umschrieben, meist
aber Tyche (Schicksal, Zufall )
genannt. Außer den politisch-militärischen Betrachtungen streute der
leidgeprüfte, philosophisch veranlagte Historiker auch häufig allgemein-moralische
Reflexionen in sein Werk ein, darunter manche sehr feine Bemerkung. Polybios wurde
nicht nur bedeutend als der Historiker, der eine Fülle geschichtlichen Stoffes
übermittelte, sondern auch und vielleicht noch mehr als Geschichtsphilosoph.
Er vertrat die Vorstellung von einem Kreislauf der Verfassungen und betrachtete
die römische Mischverfassung als die beste. Polybios hatte stärkste
Wirkung auf die gesamte spätere Geschichtsschreibung - griechische und römische.
Besonders stark beeinflußte er Poseidonios (um 135 - 51 ),
der zum einflußreichsten Denker der mittleren Stoa wurde ( ),
und Strabon (um 63 v. Chr. - um 19 n. Chr. )
sowie Titus Livius (59 v. Chr. - 19 n. Chr. ).
Polybios' Hauptwerk Historien (40 Bücher zur [römischen] Weltgeschichte
von 264 bis 144) wurde von Poseidonios und von Strabon fortgesetzt. Auch Oswald
Spengler (1880-1936 )
war von Polybios beeindruckt.
Quos Jupiter vult perdere dementat: Wen Jupiter verderben will, dem
raubt er den Verstand.
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014).
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